BERLIN. MHtelstr. No. 5,
w. der Friedrichs- u. Charlottensir.
1-10-16-10M
Boston
Medical Library
8 The Fenway
PHYSIKALISCHE
und deren Anwendung
in der
MEDICIN, CHIRURGIE, OCÜLISTIK,
OTIATRIK UND GEBURTSHILFE,
enthaltend:
INSPECTION, MENSURATION, PALPATION,
PERCUSSION UND AUSCULTATION,
nebst einfcr
kurzen Diagnose der Krankheiten der Athmungs- und Kreislautsorgane.
Von C^*^
GUSTAV VON GAAL,
Doclor der Medicin und Chirurgie , Magister der Geburtshilfe , Assistenten an der Lehrkanzel der
Bpedellen Pathologie und Therapie und der medicinischen Klinik für Aerzte an der k. k. Universität
zu Wien, Inslitutsarzt der vereinigten ersten österr. Sparcasse und Versorgungsanstalt, hochfärstiich
Eslerhaz\'scliera Baasarzte, Milgliedc der hiesigen medicinischen Farnlfä't, so wie des geognoslisch-
montanislNchen Vereins von Tyrol und Vorarlberg , der k. k. Landwiiihschafts-Gescllsrhaft in Kr.iin.
des Vereins für Natur- und Heilkunde zu Dresden , der naturforschenden Gesellschaft zu Halle
und der Gesellschaft der Aerzte zu Warschau.
Anhang:
Die mikroskopisch- chemisoli- pathologische Untersuchung
sdb. pdDxir. sfslio ansEaiLiESE.
.<t^V
Zweite Auflage-
Mit zwei lithograpuirten Tafeln und Holzschnitten
ay
WIEN, 1849.
WILHELM BRAUMÜLLER,
Buchhändler des k. k. Hofes und der kais. Academie der Wissenschaften.
Man halt sich zu viel an die Ideen und übersieh! die Ei-scheinun<ren
C. <» t h e.
Ouod est ante, pedes , nemo
c 0 otduutv Xcc
It is not so diffi
there is this para
judiced in f'avonr of th
coeti scrutantw piagas.
(Cicero de Divinat. Hb. 2.)
)ovjatv.
(Joannes III. 11.)
truths , afto root out old errors; f'or
which is new, but ore pre-
(Laeon CXY )
^r/vr
'f
I
Seiner Excellenz
dem Herrn
FRANZ FRGIH. v PILLERSDORF ,
Commandern* des königl. ungarischen St. Stephan-Ordens,
k. k. wirklichen geheimen Rathe , Hofkanzler, mährischem ,
nieder - österreichischem und galizischem Landstande ,
Ehrenbürger der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien,
so wie der k. k. Akademie der bildenden Künste daselbst,
und mehrerer gelehrter Gesellschaften Ehrenmitgliede
etc. etc. etc.
Euer ExccIIenz!
In den Zeichen der huldvollen Aufmerksam-
keit, deren Eure Excellenz unsere beschei-
denen wissenschaftlichen Bestrebungen zu würdi-
gen die Gnade haben , die günstigsten Auspicien
für unsere fernere Tbätigkeit erkennend, bitten
wir, die Widmung dieser Schrift als einen, wenn
gleich nur schwachen , aber reinen Nachhall der
allgemeinen Huldigung , welche Euer Excel-
lenz unsterbliche Verdienste um alles Gedeihen
und Heil der vaterländischen Wissenschaften längst
verherrlicht, so wie als ein geringes Pfand des
innigen Dankgefühles und der ehrerbietigen unbe-
grenzten Hochachtung genehmigen zu wollen , mit
welcher wir zeitlebens sind
Euer Excellenz
unterdiänigste Diener
"Br. C-iiai. Dr. Heller«
Vorwort.
Wenn ich diessmal nicht minder schüchtern , aber mit
leichterem Herzen, als bei meinen früheren schriftstelle-
rischen Versuchen die Schwelle der Öffentlichkeit be-
trete , so fühle ich mich nicht nur durch das Bewusst-
sein redlichen Bestrebens, wie damals, sondern auch
durch die sehr günstige Aufnahme meiner Schrift über
Auscultation und Percussion, und meiner Ab-
handlung über die Krankheiten des Ohres und
deren Behandlung darüber gerechtfertiget , ja
selbst durch freundlichen Zuspruch, so wie durch die
schmeichelhaftesten Urtheile achtungswürdiger Männer
und beglaubigter Richter dazu aufgemuntert. Einzelne
persönliche Anfechtungen , womit ich beehrt wurde,
kann und werde ich nie berücksichtigen; denn Derje-
nige soll noch geboren werden, der Moliere's Behaup-
tung widerlegen könnte : Contre la medisance il n'est
point de rempart. #)
Und so übergebe ich auch vorliegende Arbeit der
gelehrten Allgemeinde, bescheiden hoffend, dassGeisfes-
und Berufsverwandte sie um so geneigter ihrer Nach-
*) Le Tartuffe Acte I. Scene 1.
VIII
sieht würdigen werden , je abschreckender die Grösse
des Gegenstandes Jedem erscheinen dürfte, der heut
zu Tage mit dem rastlosen Conflicte medicinischer Doc-
trinen, so wie den extremsten Richtungen der Tenden-
zen unserer Zeit überhaupt, vertraut, ihn in seinem
ganzen Umfange zu erfassen und zu bearbeiten versu-
chen würde; denn was ist nicht physikalisch in der Na-
tur, und wo sind die Grenzen der physikalischen Eigen-
schaften der Körper?
Es erwarte daher Niemand eine vollständige
Diagnostik der Medicin und ihrer Fächer in diesen Blät-
tern , wohl aber eine Anleitung zur physikalischen Un-
tersuchung , welcher beispielsweise und um praktisches
Interesse mit zu verbinden , die Diagnose der wichtig-
sten Krankheiten , vom physikalischen Standpuncte aus
betrachtet , beigefügt ist. Die darin gegebenen Andeu-
tungen werden für Jeden , der sich mit Exploration be-
schäftiget, hinreichen, um ihm Stoff zu eigenem Nach-
denken und Gelegenheit zur Anwendung derselben zu
bieten.
Die Zeit ist vorüber , wo der Arzt sich nur an die
Leitkette älterer herkömmlicher Traditionen hielt, und
für verirrt gehalten wurde , wenn er diese verliess ; wo
der Puls allein , der doch auch ein physikalisches Sym-
ptom ist, in dem Labyrinthe von verschiedenen Zei-
chen , die er nicht in Einklang zu bringen wusste , sein
Geleiter war. Der Nutzen der physikalischen Explora-
tion ist nun bereits so anerkannt, dass Manche ihr selbst
eine Ausdehnung geben, deren sie nicht fähig ist, ja
Manche selbst nur das erkennen wollen, was sie, so
zu sagen , mit Händen greifen können — und hierüber
IX
liegt die Rechtfertigung des Erscheinens einer physika-
lischen Diagnostik.
Noch mehr aber fühle ich mich zu der vorliegenden
Arbeit durch den Umstand berufen , dass es mir ver-
gönnt ist , an der Seite des grossen Klinikers , meines
hochverehrten Lehrers, Professor Dr. Lippich, dessen
Diagnosen wegen ihrer ausgezeichneten Präcision mit
Recht allgemein bewundert werden, täglich grossen-
theils mit Exploration beschäftigt zu sein , und dass ich
als Assistent von dem mir zukommenden Rechte vollen
Gebrauch mache , die mir tauglich scheinenden Kranken
aus allen, immer reichlich belegten Sälen des k. k.
allgemeinen Wiener Krankenhauses auszuheben und auf
die medicinische Klinik fürÄrzte zu transferiren, so wie
in meinen von In- und Ausländern wohlbesuchten Corre-
petitionen, welche zu geben den Assistenten allein zu-
steht, mich am Krankenbette im Vortrage des genann-
ten Gegenstandes zu üben. Da ich bei Letzterem mich
hauptsächlich auf die Diagnostik der Krankheiten der
Athmungs- und Kreislaufsorgane beschränke, so ist auch
in dieser Hinsicht dem Mangel eines Handbuches der
Diagnostik aller Organe und aller Fächer der Heilkunde
nach Möglichkeit abgeholfen , worin ich meinen Zuhö-
rern einen Rehelf gebe das mündlich Vorgetragene nach-
lesen und vervollständigen zu können.
Warum ich aber eine physikalische Diagnostik al-
ler Zweige der Medicin geschrieben, hat seinen
Grund darin , weil meines Wissens noch keine solche
vorliegt , und weil ich seit einer Reihe von Jahren der
Exploration alle Aufmerksamkeit widmend, schon bei
Herausgabe meiner Schrift über Auscultation vielleicht
bloss durch Fügung des Zufalles der Erste war, der Al-
les, was über ihre Anwendung in allen Fächern der
Heilkunde undjene der verwandtenUntersuchungsmetho-
den: Inspection, Mensuration, Palpation und Percussion
zerstreut vorlag, gesammelt, und wiewohl in einer sehr
mangelhaften Skizze dargelegt, aber mit rastlosem Eifer
die einmal gebrochene Bahn weiter verfolgend , durch
seine Verwendung auf den Krankensälen der berühmte-
sten Primarärzte des Wiener k. k. allgemeinen Kranken-
hauses — denen ich, so wie dessen Directum, für die edle
Bereitwilligkeit , mit der sie meinen Bestrebungen entge-
gen kamen, hiemit den gerührtesten Dank zolle — zur fer-
neren Ausbildung in diesem schwierigen Zweige des
ärztlichen Wissens hinlängliche Gelegenheit hatte.
Spielt die in Rede stehende Untersuchungsweise
schon in der Medicin nicht die letzte Rolle , so kann ihr
Werth in der Chirurgie und Geburtshilfe noch weniger
bestritten werden , da ohnehin die den beiden letzteren
Fächern anheimfallenden Krankheiten sich hauptsäch-
lich mehr durch physikalische Symptome äussern; die
Medicin soll auch mit Chirurgie vereint betrieben wer-
den, eine ohne die andere ist nur halbes Wissen, und
die Grenzen zwischen beiden lassen sich gar nicht be-
stimmen. In Folge dieser Überzeugung habe ich die phy-
sikalische Exploration auf beide Fächer auszudehnen für
nöthig erachtet, um so mehr, da man sie jetzt eifriger
als je cultivirt, und bei Besetzung von Stellen Doctoren
der Medicin und Chirurgie zugleich billig berücksichtiget.
Man kann mir weder vorwerfen , dass ich zu Tage
liegende Quellen übersehen , noch dass ich Blumen ge-
sammelt , die fremden Gärten entsprossen 5 gegen Er-
XI
steres rechtfertigt mich der Augenschein , Letzteres
könnte mich nur dann treffen, wenn ich jene Blumen in
unfruchtbaren Boden übersetzt, und ihnen alle Sorgfalt
und Pflege versagt hätte. Vielmehr werden die Leser
sich überzeugen, dass keine fremde Erfahrung ohne die
entsprechende Autorität in diesen Blättern aufgenom-
men ist, oder die nicht am Probesteine eigener Über-
zeugung für echt erkannt wurde. Bestimmte mich diese
in der Richtung meiner Ansicht und Meinung über manche
Puncte vom Herkömmlichen abzuweichen, so wird diess
Niemand tadeln, der da weiss, dass den Fortschritten
der Wissenschaft Nichts so hinderlich ist , als starres
Festhalten an Doctrinen , deren Ansehen hauptsächlich
in der Autorität ihres Vertheidigers begründet ist.
Was den Plan der Schrift betrifft, so habe ich zuerst
die Untersuchungsmethoden und ihre Technik im Allge-
meinen abgehandelt, einzelne Instrumente und Hand-
griffe im speciellen Theile beschreibend. In letzterem
wird die Untersuchung einzelner Organe dargestellt, die
Diagnose ihrer Krankheiten angereiht, und wo diess zu
weit führen würde, wenigstens Einige derselben bei-
spielsweise angegeben 5 denn war ich gleich bemüht
meine Aufgabe möglichst vollständig zu lösen , so ist
doch ihr Gegenstand zu viel umfassend und noch lange
nicht erschöpft.
Der Diagnostik der Lungen- und Herzkrankheiten
ist zu klarerem Verständnisse das Nöthige aus der pa-
thologischen Anatomie beigefügt, damit auch jene, wel-
che durch ihre Entfernung von der Residenz allen den
grossen Hilfsquellen für die ärztliche Ausbildung, wie
sie das hiesige allgemeine Krankenhaus darbietet , ent-
XII
rückt sind , daraus in Kürze die nöthige Belehrung
schöpfen.
Habe ich mich gleich mit mikroskopischen Studien
durch längere Zeit vielfach beschäftiget , so überlasse
ich doch den darüber handelnden Abschnitt dem Herrn
Dr. Heller, der ihn mit der chemischen Untersuchung
vereint vortragen wird , indem die Grenzen dieser Blät-
ter zu sehr erweitert würden, wenn wir beide Fächer
getrennt abhandelten.
Niemand aber, der diese Blätter zur Hand nimmt;
glaube durch flüchtiges Lesen derselben sich schon im
Besitze der physikalisch -diagnostischen Fertigkeit, die
nur durch grosse Übung erlangt wird; daher auch diese
Schrift nur in so ferne zum Selbststudium dienen kann,
als der Lernende selbstthätig sich bemühen muss , ihren
Inhalt in sich aufzunehmen und praktisch anzuwenden ;
weniger aber dürfte es gelingen , ohne Aufwand vielen
Fleisses, vieler Zeit und Geduld, ohne Anleitung und
Führer dieses Ziel zu erreichen ; namentlich aber halte
ich die Auscultation aus Büchern lernen zu wollen , für
rein vergeblich.
Wien, im Juli 1845.
Her Verfasser.
Inhalt»
Seile
Mit i n 1 e i t u n g 1
Definition der physicalischen Untersuchung 2
Nutzen derselben 3
Die Untersuchungsmethoden 3
Eintheilung des Körpers in Gegenden 12
Erster Theil.
Die IFniersuchuDgfsmethoden im
Allgemeinen 13
I. Von der Besichtigung im Allgemeinen . . . 15
Gestalt und Form 16
Farbe 17
Glanz 19
Durchsichtigkeit 19
Bewegung 20
Unwillkürliche, vitale Bewegungen 20
Willkürliche Bewegungen 22
Lage, Haltung 24
Kranken physiognomik 26
A) specieller Habitus bei Krankheitsanlagen 26
1. Hypocratisches Gesicht 26
2. Gehirnhabitus 27
3. Apoplectischer Habitus 27
4. Rückenmarks-Habitus 27
5. Piethorischer Habitus 28
6. Lungen-Habitus 28
7. Tuberculöser Habitus 28
8. Abdominaler Habitus 28
9. Leber-Habitus 28
10. Milz-Habitus 29
11. Uterinal-Habilus 29
XIV
Seite
12. Hämorrhoidal-Habilus 29
13. Arthritischer Habitus • . • 30
14. Säufer-Habitus 30
15. Habitus der Onanisten 30
BJ Physiognomie und Habitus in bestimmten Krankheiten . 30
16. Habitus bei Herzkrankheiten 30
17. » „ Cyanose 31
18. » » Chlorose 31
19. » » Anämie 31
20. » » Blut Heck enkrankheit 31
21. >, „ Scorbut 31
22. » » Scrofeln 32
23. „ » Rachitis 32
24. » » Wassersucht 33
25. » » Diabetes 33
26. » >, Syphilis 33
27. » » Krebsdyscrasie 33
28. » » Helminthiasis 33
29. » » Gastromalacia infantum 35
30. » » Cholera infantum 35
31. » » Soor der Kinder 35
32. » » Hydrocephalus acutus 35
33. M >, Hydrocephalus chronicus 36
34. » » Angina membranacea 36
35. » » Keuchhusten 36
36. >, ,, Grippe 37
37. >, « Wechselfieber 37
38. » » Perforatio ventriculi spontanea circum-
scripta 37
39. » » Dysenterie 37
40. >, » asiatischer Cholera 38
41. „ » Halsentzündung • . 38
42. » » Encephalitis acuta 38
43. ,, „ Typhus 38
44. » » Pädatrophie 39
45. » » Enteritis und Gastritis 39
46. » » Bleikrankheit 39
47. » » Tobsucht • . . . . 40
48. ,, >, Epilepsie 40
XV
Seite
49. Habitus bei Ecstasis 41
50. » » Somnambulismus 41
51. » y> Katalepsie 41
52. » „ Melancholie 41
53. „ » Monomanie 41
54. v „ Eratomanie 41
55. >, „ Nymphomanie 41
56. » „ Manie 41
57. » » Verwirrtsein 42
58. » » Idiotismus 43
Untersuchung der Electricität und des Magnetismus am
Menschen 44
Instrumente zur Unterstützung der Inspection 44
Von der Mensaration im Allgemeinen . . . . 45
Instrumente zur Mensuration 46
Messung des Kopfes 48
» » Thorax 49
„ » Unterleibes 50
Grössenverhältnisse des Menschen im Allgemeinen ... 52
Höhe 52
Gewicht 53
Breite und Dicke 53
Proportion 53
Magerkeit . 57
Wohlbeleibtheit 58
Kleinbleiben , Kleinwerden 58
Vergrösserung des Körpers 58
Von der Palpation im Allgemeinen 59
Untersuchung der Gestalt und des Umfanges 59
» » Resistenz und Elasticität 59
» » Fluctuation 60
» durch Succussion 61
» des Knisterns, der Crepitation 61
» der Temperatur 61
Wahrnehmung vitaler Bewegungen 63
» » » des Fötus 63
» » » „ Athmens .... 63
XVI
Seite
Wahrnehmung vitaler Bewegungen der Vibration des Tho-
rax beim Sprechen 64
Wahrnehmung des Herzimpulses 64
» » Schwirrens der Arterien 64
» » Pulses 65
Qualitäten des Pulses 65
Nach der Zeit 65
9 » räumlichen Ausdehnung der Arterien 67
» » enthaltenen Blutmenge 67
» dem Rhythmus der einzelnen Schläge 67
Eintheilung der Palpation. Äussere, innere, unmittelbare,
mittelbare Palpation 68
Instrumente zur Palpation 69
Anwendungsweise der Palpation 70
Von der Percussion im Allgemeinen 71
Definition 71
Geschichtliche Notizen 71
Nutzen 72
Anwendungsweise der Percussion . 73
Unmittelbare und mittelbare Percussion 75
Eigenschaften des Percussionsschalles 75
Der volle und helle Schall 75
Der volle und dumpfe Schall 75
Der leere und helle Schall 76
Der leere und dumpfe Schall 76
Der hohe und tiefe Schall 76
Der tympanitische Schall 77
Der metallische Klang 78
Das Geräusch des gesprungenen Topfes 78
Das Geräusch des durch die Zähne gezogenen Speichels . . . 79
Der Hydatidenton 79
Das Rippenleberklatschen 79
Der beim Percutiren empfundene Widerstand 79
Von derAuscultation im Allgemeinen. . . . 80
Definition 80
Geschichtliches 80
Nutzen 82
Anwendungsweise der Auscultation 84
XVII
Seite
Die unmittelbare und mittelbare Auscultation 84
Das Stethoskop , 85
Zweiter Theil.
Untersuchung- einzelner Provinzen des
menschlichen Körpers.
Untersuchung der allgemeinen Decke und der
zun ächst dar un t er liegen den Th eile ... 91
Die Hautausschläge 91
Primärformen 92
Secundärformen 92
Acute, eigentliche Exantheme 93
Scarlatina 93
Morbilli 93
Variola vera , modificata — Varicella 93
Erythema 93
Roseola 94
Rubeola • 94
Urticaria 94
Miliaria 94
Dermatitis 94
Erysipelas 95
Furunkel, Carbunkel . 95
Uneigentliche Exantheme 95
Hautverfärbungen , Purpura , Teleangiectasien , Chloas-
mafa, Melasma 95
Trennung des Zusammenhanges der Haut, aj Intertrigo,
b) Excoriatio , c) Rhagades 95
Anhäufung der Epidermisschichten ; Schwielen , Leich-
dornen, Warzen, Cornua cutanea , Ichthyasis, Pso-
riasis 95
Papulöse Ausschläge 96
Durch Retention des Serum bedingt Strophul. chron, . . 96
Durch Exsudafablagerung in den Follikel bedingt. Stro-
phul. acutus , Liehen , Prurigo 96
Durch vermehrte Secretion in den Talgdrüsen bedingt.
a) Seborrhöe, bj Acne punctata 96
Knotige Ausschläge. Acne indurata, A. inentajra, A. rosa-
ceay A. Itipus ...,,.». 96
b
XVIII
Seite
Molluscum, Framboe'sie, Knollenkrebs, Elephantiasis . 97
Vesiculsöe Ausschläge. Herpes zoster, H. iris, H.praeputialis.
Eczema rubrum , Scabies 97
Blasen-Ausschläge. Pemphygusacut., chronicus. Rupia ... 98
Pustelausschläge. Impetigo achor 9 I. Psydrazion, 1. Phly-
cazion , Favus 98
Syphilitische Ausschläge 99
Unterscheidung einiger ähnlicher Arten 100
Abscesse. Lymphabscesse , Congestionsabscesse ..... 103
Verhärtung, Brand. Entzündlicher Br., Gangrän, Sphacelus ;
nicht entzündlicher, trockener, feuchter Br. . , » . 104
Carbunkel 105
"Verbrennungen 105
Erfrierungen 106
Geschwülste. Balggeschwülste, Sarcome, Steatome, Li-
pome, Neurome, Lymphgeschwülste, Osteosteatome,
Angiectasie, Condylome, Fungus medullari, F. hae-
malodes , Scirrhus ♦ . 106
Trennung des Zusammenhanges, Wunden, Geschwüre . , . 110
Eintheilung der Geschwüre 1. Nach dem Character: das
entzündliche, atonische, erethist. Geschwür .... 110
2. Nach der Form : das callöse Geschwür , das Hohlge-
schwür, das schwammige Geschwür, das Fistel-, das
ödematöse, das varicöse, das faulige, das brandige
Geschwür 111
3. Nach dem Allgemeinleiden : das scrophulöse, das syphi-
litische und mercurielle, das gichtische, das rheuma-
tische, das scorbutische Geschwür 113
Das Emphysem des Unterhautzellgewebes 115
Die Zellgewebsverhärtung der Neugebornen 115
Untersuchung des Kopfes, der Wirbel-
säule und des Halses.
Untersuchung des Kopfes 115
Von der Untersuchung des Kopfes im Allgemeinen und des
Craniums durch Inspection und Palpation 116
Vergrösserung und Verkleinerung des Kopfes 116
Eintheilung des Schädels vom chronologischen Standpuncte
aus 117
XIX
Seite
Eintheilung der phrenologischen Organe 123
Bedeutung einzelner Theile des Schädels vom physiognomi-
schen Standpuncte 124
Eintheilung der Gesichtslinien nach Bau m gart n er und Ja-
delot 187
1. Gesichtslinien, welche in bestimmter Beziehung zu den im
Antlitze befindlichen Öffnungen zu stehen scheinen. Or-
bitalparthie , Rhinalparthie, Stomalparthie 127
2. Gesichtslinien, die durch die Wirkung der Muskel hervor-
gebracht werden 129
Untersuchung des Auges im Allgemeinen. Pupille, Scle-
rotica, Conjunctiva, Augenlider, Blick 131
Untersuchung des Mundes im Allgemeinen 133
Vertiefungen am Kopfe 134
Geschwülste am Kopfe. Aneurysma. Die rheumatische Schwie-
le. Fungus cranii. Hydrocephalus externus , Kopfblut-
geschwulst, Hirnbruch, Fungus durat malris, die Fon-
tanellen 134
Untersuchung des Kopfes durch Auscultation 136
Untersuchung des Auges 137
Allgemeine Bemerkungen
1. Inspection. Beleuchtung, Stellung, Einträuflung vonNar-
coticis, Anwendung des Vergrösserungsglases .... 137
2. Palpation. Durch den Tastsinn, durch Instrumente . . . 139
3. Anwendung des Gehörs , bei Aneurysmen , das Schoten-
geräusch 1^0
A. Untersuchung der den Augapfel umgebenden Gebilde.
Augenbraunen, Augenlider, Bindehaut, Thränenor-
gane, Augenhöhle 140
B. Untersuchung des Augapfels selbst.
a. Im Ganzen. Grösse, Consistenz, Beweglichkeit . . • 150
b. Der einzelnen Theile desselben. Hornhaut , vordere
Augenkammer, wässerige Feuchtigkeit, Iris , Pupille,
hintere Augenkammer , Krystallkörper , Glaskörper,
Netzhaut, Choroidea, Sclerotica 153
Untersuchung der Nase 160
Unter suchung des Gehörorga n es 163
» der Hörfähigkeit. Gehörmesser . * . . 164
» des äusseren Ohres. Ohrenspiegel . . . 167
b *
XX
Seite
Untersuchung des mittleren Ohres 174
„ der Ohrtrompeten. Der Ohrcatheter, An-
wendung desselben 175
» der Paukenhöhle 182
Untersuchung der Mund-nnd Rachen höhle und
der Speiseröhre 183
Der Mund. Angeborne Verschliessung desselben. Verengerung
desselben. Hasenscharte 184
Verrenkung des Unterkiefers 184
Bruch des Oberkiefers 185
Bruch des Unterkiefers 18c
Anwendung des Spatels, des Mundspiegels 186
Zähne. Durchbruch derselben 186
Krankheiten derselben. Caries Necrose. Der Zahnstein. Pa-
rulis. Periodontitis 188
Gaumen. Spalten und Öffnungen an selbem 190
Speichelfisteln. Speichelsteine 190
Stomatitis. Ulceröse, aphtöse St 191
Der Soor. Diphtheritis. Stomacase. Noma 192
Zunge. Verwachsung. Entzündung derselben. Condylome
der Zunge. Ranula. Zungenkrampf 194
Rachen. Polypen. Vergrösserung des Zäpfchens. Rachenent-
zündung. Tonsillen 195
Speiseröhre. Fremde Körper im Ösophagus. Schlundkrampf.
Paralitische Dysphagie. Stricturen des Ösophagus . 196
Untersuchung der Wirbelsäule 198
Spinalirritation. Spondylarthrocace. Verkrümmung. Verren-
kung. Bruch der Wirbelsäule 198
Untersuchung des Halses 205
Drüsengeschwülste. Brandige Entzündung des Zellgewebes.
Kropf. Schiefhals 205
Untersuchung des Larynx 207
Inspection des Larynx 207
Palpation ■ 207
Auscultation des Larynx . Das laryngeale Athmen. Das rauhe,
raspelartige Athmen. Das Pfeifen. Das Schnurren.
Feuchte Rasselgeräusche. Husten. Die Stimme . » . 207
Bruch des Kehlkopfes. Br. des Zungenbeines 210
XXI
Seite
Fremde Körper im Kehlkopfe 210
Ödem der Glottis 211
Untersuchung der Brust 211
Untersuchung der Oberfläche. Die weiblichen Brüste. Rippen-
brüche. Lungenfisteln. Abacesse 218
Untersuchung der Athmungs Werkzeuge . . . 214
Anatomisches über die Respirationsorgane 214
Function der Lungen 217
Iospection und Mensuration der Brust. Der paralytische, der
pleuritische, der emphysematöse, derPneumo-, der tu-
berculose Thorax 218
Mensuration der Brust. Der Alhmungsmesser 220
Palpation der Brust 281
Percussion der Brust 222
Ergebnisse derselben an der gesunden Brust. Modificationen 222
Ergebnisse derselben im krankhaften Zustande 224
1. Bei Vermehrung derLuftmenge 284
2. Bei Verminderung derselben 225
3. Bei gänzlichem Luftmangel in der Lunge . . . ♦ 225
Der Widerstand beim Percutiren 226
Auscultation der Athmungswerkzeuge 226
Physiologische Phänomene des Athmens 226
Da§ laryngeale , das tracheale oder bronchiale, das vesicu-
läre, das puerile Athmungsgeräusch 226
Pathologische Erscheinungen des Athmens 289
I. Abnormitäten des Rhythmus.
1. Häufigkeit, häufiges, seltenes Athmen 230
2. Fortdauer, stossweises Athmen 231
3. Andauer, verlängertes Athmen 232
II. Abnormitäten der Intensität.
«.starkes, pueriles, suplementäres, hypervesiculäres
Athmen 232
b. Vermindertes Athmen 233
c. Mangelndes Athmen . . 234
III. Abnormitäten des Charakters der Athmungsgeräusche . 235
1. Rauhes Athmen 235
2. Bronchiales Athmen oder Tubarblasen 235
3. Cavernöses Athmen 239
4. Amphorische Respiration u. metallisches Klingen . . . 239
xxn
Seite
IV. Beimischung fremdartiger Geräusche.
1. Das Muskelrollen 240
2. Das Reibungsgeräusch der Pleura 241
3. Die Rasselgeräusche 2'i3
a. Die trockenen Rasselgeräusche, das Pfeifen, das
Schnurren 244
b. Die feuchten Rasselgeräusche, das feinblasige, gleich-
förmige oder Knistern ; das grossblasige, ungleichför-
mige oder Scbleimrasseln 245
Anhang. Auscultation des Hustens 249
Auscultation der Stimmen 250
Physiologische Erscheinungen an der Stimme 251
Pathologische Erscheinungen an der Stimme 252
1. Die Bronchophonie 253
2. Die Ägophonie 255
3. Die cavernöse Stimme 256
Anhang. Autophonie » • • 257
Diagnostik der wich t igst en Krankheiten der
Athmungsorgane 258
Krankheiten der Pleura. Pleuritis, Rippenfellentzündung . 258
Anatomisch-pathologische Charaktere 258
A. Primäre Exsudate 259
1. Das faserstoffige Exsudat 259
2. Das eiweissstoffige Exsudat 261
3. Das seröse Exsudat 261
4. Das hämorrhagische Exsudat 263
B, Secundäre Exsudate.
1. Das eitrige Exsudat 264
2. Das jauchige Exsudat 264
3. Das tuberculöse Exsudat 265
4. Das krebsige Exsudat 265
5. Das secundär-hämorrbagische Exsudat. «... 266
Diagnose der Exsudate. Abgesackte Exsudate. Umschrie-
bene Pleuritis 267
Zeichen der Resorption 270
Zeichen der Paracenthese ( 271
Unterscheidende Diagnose 272
Hydrolhorax 273
Pneumothorax 273
Entstehung derselben 273
XXIII
Seite
Diagnose 275
Krankheiten der Lunge 276
Lungenemphysem 276
1. Vesiculäres Emphysem. Anatomisch - pathologische
Charaktere, Ursachen, Folgen, Diagnose, Unterschiede
zwischen Pneumothorax, Emphysem und pleuriti-
scbem Exsudat 276
2. Interlobuläres Emphysem. Ursache, Folgen, Dia-
gnose 282
Lungenblutung, Die primäre, secundäre. Anatomisch-patho-
logische Charaktere. Diagnose 282
Lungenödem. Die primäre, secundäre. Anatomisch -patho-
log. Charaktere, Ursachen, Diagnose 28i
Lungenbrand. Anatomisch -patholog. Charaktere. Der um-
schriebene Lungenbrand , der diffuse Lungenbrand.
Diagnose 287
Lungenentzündung (Pneumonie) 289
A) Acute Pneumonie • . . 289
I. Die primäre, fasers(offige Lungenentzündung. Anato-
misch-patholog. Charaktere 299
1. Stadium der entzündlichen Anschoppung . . . 289
2. Stadium der Hepatisation 290
3. Stadium der eitrigen Zerfliessung 291
Ursachen 292
Ausgänge. 1. Genesung; 2 andere Krankheiten, aj Ab-
scessbildung, bj indurirte Hepatisation, 3. Tubercu-
lose 292
Diagnose. Allgemeine Symptome. Verstärkte Herzaction.
Entzündliches Fieber. Hirn- und gastrische Symptome.
Gesicht, Haut, Urin, Lage, Schmerz, Husten, Aus-
wurf 294
Physicalische Symptome. Inspection , Mensuration , und
Palpation , Percussion und Auscultation ... . 295
Unterschiede von Bronchitis, Apoplexia pulmonum, Lun-
genödem , Pleuritische Exsudate 298
II. Die secundäre , acute, faserstoffige Pneumonie . . . 298
Catarrhalische Pneumonie 299
Lobular-Hepatisation 298
Hypostatische Pneumonien. Pneumonie der Kinder . . 301
XXIV
Seite
Pneumonie der Greise 302
B) Chronische Pneumonie . 302
Analom. patholog. Charaktere. Diagnose 302
Lungentuberculose 304
Die sogenannte acute oder Miliartuberculose .... 305
Die chronische Lungentuberculose 306
a) Die infiltrirte Tuberculose. Anatomisch -patho-
log. Charaktere. Bedingungen dieser Metamor-
phose. Folgezustände. Verlauf 306
b) Die interstitielle Tuberculose. Anat. pathol. Cha-
raktere. Verlauf, Diagnose 314
1. Interstitielle , rohe Tuberkelgranulatio-
nen. Allgemeine Symptome. Locale Sym-
ptome 315
2. Phthisis tuberculosa. Allgem. Erscheinun-
gen. Physical. Erscheinungen . . . 318
Der Lungenkrebs. Anatomisch-patholog. Charaktere, Folge-
zustände. Diagnose 321
Untersuchung der Organe des Kreislaufes.
Anatom. Verhältnisse des Herzens und der grossen Gefässe 324
Das Herz 329
Die Aorta 329
Die Lungenschlagader 329
Der Herzbeutel 329
Mechanismus des Kreislaufes 329
Untersuchung des Herzens und der grossen Arterien . . . 331
Inspection. a) Im normalen Zustande, b) im krankhaften
Zustande 331
Palpation 333
Vom Herzstosse 333
aj Ort des Herzstosses , 1 im normalen Zustande,
2. im krankhaften Zustande 333
b) Stärke des Herzstosses , 1. im normalen Zu-
stande , 2. im krankhaften Zustande .... 335
c) doppelter Herzstoss 336
d) Umfang des Herzstosses: 1. im normalen, 2. im
krankhaften Zustande . 336
Das Katzenschwirren 337
Der Puls der Arterien 338
XXV
Seite
Der Puls und die Schwellung der Venen 339
Percussion des Herzens 341
1. Im gesunden , 2. im krankhaften Zustande . . . 341
Auscultation des Herzens, a) Im normalen Zustande . . 342
Ansichten über die Entstehung der Herztöne 345
b) Im krankhaften Zustande 347
1. Sitz der Herztöne 348
2. Ausdehnung 348
3. Stärke 348
4. Rhythmus, a) Frequenz, ß) Aufeinanderfolge,
y) Zahl der Herztöne 348
e) Timbre- und Charakterverschiedenheit der
Herztöne 349
6. Beimischung fremdartiger Geräusche, et) Das
Rotationsgeräusch, ß) das Fluctuationsge-
räusch, y) das Reibungsgeräusch des
Herzbeutels , S) Aflergeräusche im Her-
zen und der Gefässe 349
Bedeutung der Aftergeräusche für die Diagnostik der Herz-
krankheiten 351
AJ Im Herzen. 1. Im linken Ventrikel 351
et) Geräusch statt des ersten Tones, ß) Geräusch mit dem
zweiten Tone 351
2. Im rechten Ventrikel. Systolisches Geräusch . . . 553
B) In den grossen Arterien 353
Aortageräusch statt des ersten Tones ...... 353
Lungenschlagader. Blasende Geräusche mit dem ersten
Tone. Stärkere Accentuirung des zweiten Tones . . 353
Carotis und Subclavia. Katzenschnurren. Kreiselge-
räusch. Blasende Geräusche 353
Diagnose der wichtigsten Krankheiten der
Kreislaufs Organe 355
Pericarditis. Entzündung des Herzbeutels 355
Eintheilung: primäre, seeundäre . ....... 355
Anatomisch-pathologische Charaktere 355
I. Primäre Exsudate 350*
a) Plastische Exsudate, et) das faserstoffige , ß) das al-
buminöse Exsudat 356
b) das seröse Exsudat 359
XXVI
Seite
c") das primäre hämorrhagische Exsudat 360
II. Secundäre Exsudate 360
a) das eitrige Exsudat 360
bj das jauchige Exsudat 361
c) das secundär-hämorrhagische Exsudat 361
dj das tuberculöse Exsudat 361
ej das krebsige Exsudat 362
Diagnose ♦ 362
Allgemeine Erscheinungen 362
In§pection 363
Palpation 363
Percussion 364
Auscultation 365
Herzbeutelwassersucht 366
Gasansammlung im Pericardium 367
Endocarditis. Entzündung der inneren Haut des Herzens . . 367
Sitz 367
Anatomische Charaktere 368
Folgen der Endocarditis 373
1. Stenose, 2. Insufficienz der Klappen, 3. Aneurysmen-
bildung, 4. Abscessbildung , 5. Eiterdyscrasie . . 373
Verhältniss zu andern Krankheiten 374
Verlauf und Ausgänge 375
Erscheinungen der Endocarditis 376
a) Locale Symptome. 1. Inspection, 2. Palpation, 3. Per-
cussion , 4. Auscultation 376
Unterscheidung von andern Krankheiten.
b) Allgemeine Symptome 379
Carditis. Herzfleischentzündung 380
Sitz 380
Anatomisch-pathologische Charaktere 380
Diagnose 381
Das Herzaneurysma 382
Begriff 382
Pathologisch -anatom. Charaktere, aj acutes Aneurysma,
b) chronisches Aneurysma • • 382
Diagnose 383
Die Hypertrophie des Herzens 383
Begriff 384
XXVII
Seite
Sitz 384
Anatomisch-pathologische Charaktere 384
Eintheilung. a) Einfache, b) excentrische, c) concenlrische 385
Ursachen, a) Pericarditis 385
bj Hindernisie der Circulation des Herzens Insufficienz
der Bicuspidalklappe ; Stenose des linken Ostium
venosum. — Insufficienz der Aortaklappen , Stenose
der Aortenmündung. — Insufficienz der Tricuspidal-
klappe 386
c) Hindernissein der Aorta. Verengung, Erweiterung , 388
dj Hindernisse im Capillargefässsysteme der Lungen . . 388
Verlauf und Ausgänge 390
Diagnose 391
Subjective Erscheinungen 391
Physical. Sympt. Inspect., Palpation, Percussion, Auscult. 398
Synopsis der physical. Symptome der Herzhypertrophie . 395
Einfache Hypertrophie 395
Excentrische 395
Concentrische 396
Hypertrophie des linken Ventrikels 396
Hypertrophie des rechten Ventrikels 396
Hypertrophie der Vorhöfe 397
Unterscheidende Diagnose 397
Die Atrophie des Herzens 398
Begriff 398
Eintheilung. a) Einfache, b) excentrische, c) concen-
trische 398
Sitz 399
Anatomische Charaktere 399
Ursachen 399
Verlauf 399
Diagnose. Allgemeine Symptome, Localsymptome, Inspec-
tion, Palpation, Percussion, Auscultation .... 399
Die Erweiterung des Herzens 400
Begriff 400
Sitz. Totale Dilatation. Partielle Dilatation 401
Anatomische Charaktere 401
Ursachen 402
Wirkungen und Folgezustände 403
XXVIII
Seite
Diagnose. Inspection, Palpation, Percussion, Auscultation 403
Unterscheidende Diagnose. 1. Von Hypertrophie des Her-
zens, 2. Lungenemphysem 405
Die organischen Klappenkrankheiten 406
Hypertrophie und Verdickung 406
Vergrösserung und Verdünnung 406
Vegetationen 406
Knorpelartige Verdickung 406
Verknöcherung oder Verkalkung 407
Atherome » 407
Abscesse. Geschwüre 407
Aneurysmen 407
Schwund . . . . 407
Einteilung. 1. Insuffizienzen, 2. Stenosen 408
Sitz der Klappenkrankheiten 408
1. Bei Insufficienz der Klappen, aj In den Klappen, bj
in den Papillarsehnen, c) in den Papillarmuskeln ,
d) in den Herzwandungen ......... 408
2. Bei Stenose der Herzmündungen, a) Verengerung des
Insertionsringes ; b) Rigidität der Klappenzipfel; cj
Verwachsung derselben 409
Verhältniss der Stenose zur Insufficienz 409
Von den einzelnen Klappenkrankheiten insbesondere . . 409
Insufficienz der Bicuspidalklappe 409
Stenose des linken Ostium venosum 411
Insufficienz der Aortaklappen 412
Stenose der Aorteumündung 413
Insufficienz der Tricuspidalklappe 414
Stenose des linken Ostium venosum 415
Die Cyanose 416
Begriff. Ursachen. Diagnose 416
Das nervöse Herzklopfen. 419
Begriff. Ursachen. Diagnose 419
Die Zerreissung des Herzens 419
Begriff. Ursachen. Anatomisch -pathologische Charaktere.
Ausgänge. Diagnose 419
Die Fettsucht des Herzens 422
Begriff. Ursachen. Anatomische CbaraMere. Diagnose. . 424
Krankheiten der Aorta 424
XXIX
Seite
Aortitis. — Sitz. Anatomisch -pathologische Charaktere.
Diagnose 424
Obliteration der Aorta . . 428
Erweiterung der Aorta 428
Entstehung. Eintheilung. Diagnose 428
Aneurysma der Aorta. Entstehung. Einlheilung: aj diffusum;
b) circumscriptum 429
Anatomisch -pathologische Charaktere 429
Sitz und Vorkommen. Verlauf und Ausgang .... 430
Diagnose. 1. Aneurysma der Pars ascendens und des Bo-
gens der Aorta 432
Subjective Erscheinungen 432
Physicalische Erscheinungen. Inspection , Palpa-
tion, Percussion, Auscultation, Differenzen . . 433
2. Aneurysma der absteigenden Aorta 434
Subjective Erscheinungen 434
Objective Erscheinungen 435
3. Aneurysma der Bauchaorta 435
Subjective Erscheinungen 435
Objective Erscheinungen 435
Differenzen. 1. Geschwülste; 2, nervöses Pulsiren 436
Krankheiten der Lungenschlagader 437
Entzündung 437
Die gleichförmige Erweiterung 437
Aneurysma 437
Untersuchung des Bauches und Unterleibes . . 439
Untersuchung der Bauchdecken, des Peritoneum durch Inspec-
tion, Palpation, Mensuration, Percussion, Auscultation 441
Untersuchung des Magens und Pancreas durch Inspection, Pal-
pation , Percussion und Auscultation 442
Untersuchung der Gedärme und des Gekröses durch Inspec-
tion, Palpation, Percussion und Auscultation .... 445
Untersuchung des Mastdarms durch Inspection (Afterspe-
culum), Palpation und Percussion 447
Untersuchung der Leber durch Inspection, Mensuration, Pal-
palion , Percussion, Auscultation 449
Untersuchung der Milz durch Inspection, Mensuration, Pal-
pation , Percussion 450
Untersuchung der Nieren durch Inspection, Mensuration, Pal-
palion, Percussion 450
XXX
Seite
Untersuchung der Uretheren durch Palpation 456
Untersuchung der Harnblase durch Inspection, Palpation, Per-
cussion, Auscultation 457
Unterleibsbrüche CHerniae) 459
Eintheüung. Diagnose durch Inspection, Palpation, Percussion. 459
Untersuchung der männlichen Geschlechtstheile.
a) Untersuchung der Harnröhre. Inspection. Phymosis ,
Paraphymosis , Tripper, syphilitische Geschwüre,
Condylome, Stricturen . 460
Palpation. Catheter. Einführung desselben. Bougies 462
b) Untersuchung der Prostata. Anschwellung derselben . 467
c) Untersuchung der Hoden und des Hodensackes. Or-
chitis, Sarcom. Verdickung der Albuginea. Krebs,
Markschwamm. Hydrochele- Oedema scroti. Homato-
cele. Varicocele 467
dj Untersuchung der umgebenden Theile. Bubonen . . 469
Untersuchung der weiblichen Geschlechtstheile.
A) Äussere Untersuchung durch Inspection , Mensuration ,
Palpation , Percussion , Auscultation. Bewegung der
Frucht. Wehenknarren. Fluctuationsgeräusch, Ulterial-
geräusch. Fötalpuls, Pulsation der Nabelschnurarterien 469
B) Innere Untersuchung durch Inspection — Scheidenspie-
gel Ricord's, Weisse's, Chariere's. Segalas's
Speculum. Einführung des Mutterspiegels 479
Palpation. Untersuchung durch die Scheide mit dem Finger.
Gebärmuttersonden 495
Untersuchung durch den Mastdarm 489
Mensuration. Mit den Fingern. Stein's, Starkes Becken-
inesser, Tasterzirkel von Baudelocqne. Neigungsmesser
des Beckens 490
Untersuchung der weiblichen Urethra. Inspection. Palpation.
Catheter. Einführung desselben 494
Untersuchung der Extremitäten 497
I. Knochenbrüche 498
Bruch des Schlüsselbeines 499
Bruch des Schulterblattes 499
1. Bruch des Acromialfortsatzes vom Schulterblatte . 499
2. Bruch des Halses am Schulterblatte 499
Bruch des Oberarmbeines am Halse, am Körper, an den Con-
dylen 500
XXXI
Seite
Bruch am Vorderarme 500
Bruch des Olecranon 500
Bruch des Radius allein. Bruch der Ulna allein. Bruch
beider Vorderarmknochen 500
Bruch der Knochen der Hand 501
Bruch des Oberschenkelknochens 501
Bruch des Schenkelhalses 501
Bruch des Körpers vom Schenkelbeine 500
Bruch der Patella 5C3
Bruch des Unterschenkelknochens ........ 503
Bruch der Tibia allein 503
Bruch der Fibula allein 504
Bruch beiderünterschenkelknochen ....... 504
Brüche am Fusse des Fersenbeins 504
Pseudoarthrosen 505
Gelenksniäuschen 505
Luxationen 506
Luxation des Schlüsselbeines . . . . • 506
1. Luxation des Sternalendes . 506
2. Luxation des Acrominalendes 507
Luxation des Oberarms . , . . . 508
1. Luxation nach vorne 508
2. Luxation nach unten 508
3. Luxation nach hinten • . • , . 508
Luxationen am El bogen 509
1. Luxation nach hinten 509
2. Luxation nach vorne ........... 509
3. Luxation nach den Seiten . . • 510
Luxation der Ulna allein 510
Luxation des Radius allein 510
Luxationen im Handgelenke 510
1. Luxation beider Knochen des Vorderarms . . . 510
2. Luxation des Radius allein 511
3. Luxation der Ulna allein 511
Luxation der einzelnen Knochen der Hand 511
Luxation im Hüftgelenke 512
1. Luxation nach innen und oben ....... 513
tk » » » » unten 513
3. » » aussen „ oben 513
4. » » » » unten 513
XXXII
Seite
Luxation der Patella 514
Luxation des Kniegelenkes 515
Luxation der Fibula 515
Luxation am Fussgelenke 516
Entzündungen der Gelenke 517
Entzündung im Hüftgelenke 517
Unterschiede des freiwilligen Hinkens vom Ange-
bornen 518
Entzündung des Kniegelenkes 518
Physicalische Unterschiede zwischen Gonarthro-
cace und Tumor albus 519
Entzündung der Sehnenscheiden 519
Gelenkswassersucht 520
Gelenksteifigkeit 52t
Verkrümmungen der Extremitäten 521
1. An der obern Extremität 521
Am Ellbogen 581
Permanente Beugung der Hand. Talipomanus . , . 522
Permanente Beugung der Finger. Dactylogryposis . 522
Verkrümmungen an der untern Extremität 522
Im Kniegelenke 522
Genu valffum 522
Genu varum 523
Verkrümmung der Füsse 523
Klumpfuss. Talipes varus 523
Pferde- oder Spitzfuss, Pes equ'mus 524
Plattfuss. Talipes vnlgus 524
Pferde- oder Hackenfuss 525
Varices. Blutaderknoten 525
Wassersucht der Schleim beutel und serösen Sehnenscheiden,
Ganglia 525
Caries 527
Necrose 527
Aneurysmen an den Extremitäten 527
Inspection, Palpation, Auscultation 527
Die pathologisch - chemische und mikro-
skopische Untersuchung zur medicinischen
Diagnose.
Das Mikroskop und dessen Gebrauch . . . » 533
I. Das grosse zusammengesetzte Mikroskop 535
xxxm
Seite
a) Das mittlere Mikroskop 537
Theile des Mikroskopes 538
Theile des Gerüstes 538
Optischer Theil 539
Apparate oder Zugehör des Mikroskops 541
Güte des Mikroskops 544
Zeichnen mikroskopischer Objecte 545
Aufbewahrung mikroskopischer Objecte 545
Handhabung und Mass; egeln beim Gebrauche des Mikro-
skops 546
Täuschungen , vor denen man sich hei der mikrosko-
pischen Untersuchung zu hüten hat 549
Chemische Apparate und Reagentien , welche zu diagnosti-
schen Untersuchungen hinreichen 553
Apparate 554
Reagentien 558
Grundlehre der pathologisch-chemischen und
mikroskopischen Untersuchung.
Der Harn 568
Eigenschaften des normalen Harns 563
Die Normalbestandtheile des Harns 565
1. Wasser . . « 565
2. Harnstoff 566
3. Harnsäure 567
4. Hippursäure 569
5. Schleim 569
6. Fett 569
7. Häraophäin 579
8. Uroxanthin 570
9. Die feuerbeständigen Salze 571
10. Die Extractivstoffe 573
Die abnormen Bestandtheile des Harns 574
1, Albumin 574
2. Eine neue Proteinverbindung 576
3 Emulsion 577
4. Blut 577
5. Biliphäin 578
6. Gallensaures Natron 579
7. Zucker 580
XXXIV
Gleite
8. Schwefelwasserstoff 581
9. Uroglaucin 581
10. Urrhodin 581
11. Uroerythrin 588
12. Kohlensaures Ammoniak 588
13. Phosphorsanre Ammoniak -Magnesia 584
H. flarnsaures Ammoniak 58%
15. Harnsaures Natron 585
16. Kleesaurer (oxalsanrer) Kalk 596
17. Kohlensaurer Kalk . 586
18. Thonerde 587
19. Cystin 587
80. Eiter 588
Erkennung des Eiters 589
Trennung des Eiters vom Schleim ...... 589
Trennung des Eiters von Blutkügelchen .... 590
Trennung von andern Sedimenten ...... 591
Bestimmung des Eiterursprunges 598
Epithel ium der Bellini'schen Röhrchen, Bellini'-
sches Epithelium 598
Spermatozoon 598
Krebszellen 593
Kurze Methode der qualitativen und annähernd
quantitativen Harnanalyse für den Arzt.
Harnconcretionen 597
Allgemeines 597
Die Harnconcretionen insbesondere 599
I. Die verbrennlichen Steine 600
1. Steine aus Harnsäure 600
8. Steine aus harnsaurem Ammoniak 601
3. Steine aus harniger Säure (Xantoxyd) . . . 608
4. Steine aus Urostealith 608
5. Steine aus Cystin 608
6. Steine aus Proteinverbindungen 603
II. Nicht oder theilweise verbrennliche Steine . . . 603
a. Nicht schmelzbare Steine 603
1. Steine aus oxalsaurem Kalk 603
8. Steine aus kohlensaurem Kalk (Kreidensteine) . 604
3. Steine aus kohlensaurem Kalk und Thonerde . • 605
XXXV
Seite
b. Schmelzbare Steine 605
1. Steine aus phosphorsaurer Amnion iakmagnesia
und basisch phosphorsaurem Kalk 605
2. Steine aus neutralem phosphorsauren Kalk . . 606
Anhang: Präputial- und Eichelsteine dann Vaginalsteine . 606
Das Blut 606
Das Blut nach seinen wesentlichen Bestandteilen . . . 607
Die hierin minder wesentlichen Bestandteile des Blutes . 609
A. Untersuchung des Blutes nach seinen Normalbestandtheilen 610
1. Mikroskopische Untersuchung 610
a. Blutkügelchen 611
b. Chyluskörperchen und Lymphkügelchen 618
c. Fettkügelchen 612
d. Epithelialtheilchen 612
2. Das Blut nach seinen äusseren Eigenschaften 613
Eigenschaften des venösen und arteriellen Blutes . 613
Wesentliche Bedingungen zur Bildung der Fibrinhaut 614
Eigenschaften der Fibrinhaut 614
3. Qualitative und annähernd quantitative chemische Unter-
suchung des Blutes 616
a. Fibrin 617
b. Wasser 617
c. Albumin 618
d. Blutkörperchen 618
e. Feuerfeste Salze 619
4. Quantitative Analyse des Blutes nach den Hauptbestand-
theilen 619
B. Untersuchung des Blutes nach seinen abnormen Bestand-
teilen 684
1. Biliphäin 684
2. Galle (gallensaures Natron) 624
3. Zucker 625
4. Harnstoff 685
5. Eiter 626
6. Emulsionskügelchen 627
7. Kohlensaures Ammoniak 628
8. Uroxanthin 628
9. Harnsaures Natron 628
Untersuchung hydropischer und seröser Flüssigkeiten . . . 628
Constante Bestandtheile 629
1. Albumin 689
2. Fett 629
3. Verseiftes Fett 626
XXXVI
Seite
4. Mineralische Salze 630
5. Extractivstoffe 630
Nicht constante Bestandteile 630
1. Fibrin 630
2. Blut 630
3. Harnstoff 630
4. Cholesterin 630
5. Biliphäin 630
6. Gallensaures Natron 630
7. Eiter • . 631
8. Schwefelwasserstoff und Phosphorwasserstoff . . 631
Untersuchung des Schweisses 632
Im normalen Zustande 632
Im krankhaften Zustande 633
Untersuchung des Sperma 634
Untersuchung der Milch 636
1. Die Milch von der Geburt 636
2. » » unmittelbar nach der Geburt, Colostrum . 636
3. » eigentliche Milch . 636
a. Die normale Milch . . 637
6. Die abnorme Milch 638
Untersuchung des Speichels 639
Untersuchung der Sputa • 640
Untersuchung der Darmexcrete, Fäces 641
Normale Fäces 641
Abnorme Fäces 642
1. Blut 643
2. Albumin 643
3. Kohlensaures Ammoniak 643
4. Eiter 643
5. Farbestoff 644
6. Concretionen 644
a, Gallensteine 644
a. Cholesterinsteine 644
ß. Biliphäinsteine 645
y. Cholesterinbiliphäinsteine 645
S. Gallensubstanzconcretionen 645
e. Kohlenhältige Steine 645
b. Darmconcretionen 645
Verschluckte Knochen 646
Erklärung der Kupfertafeln 647
*A *••
Einleitung.
Wer nur mit einiger Aufmerksamkeit die Fortschritte der
Medicin verfolgt, und zunächst diejenigen betrachtet, welche
dem letzten Jahrzehend angehören , dem muss sich unwill-
kürlich die Bemerkung aufdringen , dass der herrschende
Zeitgeist auch die Heilkunde mit seinen Fittigen berührt, und
ihren Leistungen das Gepräge der jetzt herrschenden mate-
riellen Tendenz gegeben hat. Wohl ist's der Geist der Gegen-
wart , dessen Walten in der Medicin diese Umstimmung her-
vorgebracht ; aber ein Geist, dessen Geburten bleibend auch
für die Nachwelt sich erhalten werden, während die meisten
Veränderungen , die unsere Wissenschaft seit Jahrtausenden
erlitt , von geringer Wichtigkeit waren und der Herrschaft
der Mode anheimfielen, mit letzterer entstanden und durch
nicht weniger schwankende und unbeständige Neuerungen ver-
drängt wurden. Es musste aber so kommen. Bei dem allge-
mein anerkannten Nutzen, mit dem die physikalischen
Wissenschaften in alle Fächer eingreifen , bei der mehr ree-
len Tendenz alles gelehrten Strebens, musste auch die Me-
dicin den bunten Mantel hypothetischer Träumereien und va-
ger , herkömmlicher Lieblingsbegriffe abwerfen und es sich
zur Aufgabe stellen , die Krankheiten in ihrer mehr materiel-
len Realität zu betrachten , um sich davon mit bestimmten
und klaren Umrissen gezeichnete Bilder zu verschaffen. Das
Gaal Diagnostik. 1
2
Messer der pathologischen Anatomen bahnte ihrem eindrin-
genden Geiste den Weg, und durch unermüdeten Fleiss ka-
men sie nicht minder zur Erkenntniss mancher bisher unbe-
kannter pathologischer Vorgänge , sondern berichligten und
läuterten auch die Ansichten über Vieles bereits Nachgewie-
sene. Hiebei blieb man aber nicht stehen , da man erkannte,
dass die Organe , wenn sie erkranken , andere physikalische
Eigenschaften annehmen, als sie im gesunden Zustande hat-
ten , und auf Hilfsmittel denken musste , die natürlich nur
physikalische sein konnten , um diese Eigenschaften mit Si-
cherheit zu erkennen.
Unter ärztlicher physikalischer Untersuchung
verstehen wir somit die Erforschung krankhafter Zustände
des menschlichen Körpers , insoferne sie sich durch geän-
derte physikalische Eigenschaften (als Volumen , Schwere,
Dichte, Schallschwingungsfähigkeit u. s. w.) an demselben
kund geben und durch physikalische Mittel erkannt werden.
Man hat gegen den Namen »physikalische Untersuchung«
eingewendet, wenn man ihn gelten lasse, müsse man auch
eine metaphysische Untersuchung annehmen; allein die in
Rede stehende Bezeichnung hat nun einmal das Bürgerrecht
erlangt, metaphysisch aber bildet keinen Gegensatz zum Bei-
worte physikalisch, sondern ist eher dem Worte physisch
entgegen zu stellen.
Ist man im regen Eifer für die neue Untersuchungsweise
zu weit gegangen , und vergass man über den physikali-
schen Symptomen bisweilen , den Kranken zu fragen , ob
und wo er Schmerzen fühle u. dgi. , so hat man sich freilich
dem gerechten Vorwurfe einer läppischen Einseitigkeit preis
gegeben , der aber weder die Wissenschaft selbst treffen
kann , noch der Untersuchungsweise zur Last gelegt wer-
den darf, von der wir jetzt handeln; doch ist dieser Vorwurf
minder schmählich, als der, welcher Ärzte trifft, die aus einer
gewissen Trägheit des Geistes sich gegen die Wahrheit
sträuben, da es ihnen unbequem ist, dasjenige nachzuholen,
was sie in ihren Studienjahren zu lernen nicht Gelegenheit
hatten, und die über das mit Geringschätzung den Stab bre-
chen, was nicht ihrem Hirn entsprungen oder was ihrer Bahn
entrückt geblieben.
Ich kann mich wohl der Mühe überheben, den Nutzen
der physikalischen Explorationsmethoden hier Eingangs zu
beweisen , denn mit jedem Tage wird derselbe einleuchten-
der demjenigen, der sich dieses wichtigen Hilfsmittels be-
dient, den Sitz, Grad und Verlauf oft dunkler Krankheiten
zu erkennen , um dann , wenn der Begriff derselben klar ge-
worden , eine sichere Prognose zu stellen , und nach rich-
tigen Indicationen die Behandlung mit Erfolg zu unterneh-
men ; mit jedem Tage wird der, der die physikalischen Hilfs-
mittel nicht verschmäht, mehr einsehen, dass durch diese
Untersuchung die oft schwierige Erkenntniss wesentlich ge-
fördert wird , ob eine Krankheit selbstständig besteht oder
sympathisch oder symptomatisch von einer entfernten oft ver-
borgenen Affection abhängt, — mehr einsehen, wie durch
sie oft bei Abwesenheit einer Functionsstörung mit beinahe
mathematischer Präcision Krankheiten tiefer liegender Or-
gane sich kund geben. Wie werthvoll sind die Ergebnisse
dieser Exploration , wenn subjeetive Zeichen mangeln, z. B.
bei Soporösen ! Wie dankbar erkennt diess der Kinderarzt !
Die Untersuchungsweisen , welche den Vorwurf dieses
Buches ausmachen , sind folgende sechs : die Besichtigung
1 #
4
durch das freie Auge oder mittelst geeigneter Instrumente,
das Messen, die Betastung, das Horchen auf den durch An-
klopfen hervorgebrachten Schall und die Geräusche , welche
durch vitale Bewegungen des erkrankten Theiles in demsel-
ben entstehen und die chemische Zerlegung gewisser dem
menschlichen Körper entnommener Stoffe. Alle subjeetiven
Symptome sind somit aus dieser Abhandlung ausgeschlossen.
Die Besichtig* ung (Inspection) nimmt auf Alles ,
was an dem Kranken sichtbar ist, Rücksicht. Da wir aber
nur von derselben handeln wollen, insoferne sie die physika-
lische Untersuchung fördert — denn sonst müssten wir in vor-
liegenden Blättern eine vollständige Semiotik zu geben uns
verpflichten — so werden wir weniger von der Farbe , dem
Glänze etc. erkrankter Theile sprechen , als von ihren sicht-
baren räumlichen Verhältnissen, ihrer abnormen Form und Be-
wegung. Viele durch das Auge wahrnehmbare Erscheinun-
gen werden , da sie vor das Forum der Chirurgie gehören
und die Marken unseres Werkes zu weit ausdehnen würden,
von uns nur berührt, die Hautausschläge aber nur in den
allgemeinsten Umrissen skizzirt.
Der Messung (Mensuration), die gewissermassen zur
Inspection gehört , fallen die räumlichen Verhältnisse der lei-
denden Theile anheim , im Vergleich zu denen der entspre-
chenden gesunden. Sie ermittelt den Umfang und die verschie-
denen Durchmesser kranker Organe und zieht hieraus Schlüsse,
die freilich erst durch die Resultate der übrigen Untersuchungs-
methoden vollen Wertherhalten, aber dennoch ein unentbehr-
liches Glied in der Kette der physikalischen Diagnose abgeben.
Die Betastung (Palpation), ein Untersuchungsmittel,
das von jeher in der Chirurgie oben an steht, vergewissert
sich in einigen mehr der letztern anheim fallenden Fällen
über die Consistenz, den bestehenden oder aufgehobenen
Zusammenhang gewisser Theile, ihre Schwappung, wenn
sie Flüssigkeit enthalten , die Schallschwingung und die
eigenthümliche Weise der Blutbewegung u. s. w. in denselben.
Durch das Klopfen (Percnssion) erfahren wir aus der
Beschaffenheit des dabei hervorgebrachten Schalles , ob der
zu untersuchende Theil Luft enthält oder nicht, und im er-
stem Falle die Art ihrer Vertheilung in demselben.
Das Horchen (die Auscultation) belauscht Geräusche,
welche im Körper, vornehmlich in der Brust durch vitale Be-
wegungen Athmen, Circulation entstehen, und ist in Verbin-
dung mit der Percussion sicher die wichtigste aller hier an-
geführten Explorationsweisen.
Die chemische Untersuchung verschiedener dem
Organismus entnommener Stoffe ist bei Stellung einer ge-
nauen Diagnose von hoher Wichtigkeit und zuweilen uner-
lässlich , z. B. bei Morbus Briyhtii — kann aber am Kran-
kenbette , selbst in Spitälern und auf Kliniken doch nur in
der Beschränkung angewendet werden , welche ihr in den
Gränzen dieser Blätter angewiesen ist , die aber zur Er-
kenntniss von Krankheiten, um darnach eine richtige Therapie
einzuleiten , in beinahe allen Fällen vollkommen hinreicht.
Die mikrosko p i s che Untersuchung pathologi-
scher Producte gehört eigentlich auch zur Inspection , allein
sie geht zu sehr mit der chemischen Exploration Hand in
Hand , um von ihr getrennt abgehandelt zu werden.
Der Plan und die Eintheilung vorliegender Schrift wur-
den schon in der Vorrede entwickelt; es bleibt nur noch üb-
rig, anzuführen, dass gewisse Untersuchungsweisen , denen
6
wir in einem spätem Abschnitte ein weiteres Feld einräumen,
an andern Orten nur kurze Erwähnung* finden, und diess
mit dem beschränkten Räume dieser Blätter zu entschuldigen.
Um aber mit Nutzen irgend eine Untersuchung vorneh-
men zu können , ist dem Arzte genaue Kenntniss der Lage,
des Umfangcs und der Begränzung innerer Organe in dem
Grade nöthig* , als ob sie dem Auge zugänglich wären. Man
hat daher die Oberfläche, besonders des Rumpfes, da er Betreffs
der Lagerung seiner Eingeweide die meisten Schwierigkeiten
darbietet, zur \ bequemern Übersicht in gewisse den unterlie-
genden Organen entsprechende Gegenden eingetheilt.
S i e b e r t ->ty empfiehlt Raciborski's künstliche Ein-
teilung', indem sie, wenn auch, besonders am Rücken,
nicht genau mit dem Umfange der Eingeweide zusammen-
fallend , dennoch fast die brauchbarste und einfachste ist,
und da sie lauter rechtwinkelige Quadrate gibt und durch
gerade Linien gebildet wird , ziemlich leicht sowohl in der
Vorstellung als in Wirklichkeit gemacht werden kann.
Zu dem Ende werden zwei Linien perpendiculär von
den Acromialenden der Schlüsselbeine nach den vordem
obern Darmbeinhöckern gezogen, zwei andere gehen von den
äussern Augenwinkeln gerade zur Leistengegend herab. Die-
sen entsprechend werden ähnliche Linien auch an der Rü-
ckenfläche des Rumpfes gezogen , oder gezogen gedacht.
Alle diese perpendiculären Linien werden aber von horizon-
talen unter rechten Winkeln geschnitten , von denen vorne
eine Clavicular-, eine Mammal- , letzte Rippen- und Darm-
beinhöckerlinie aufzuzählen sind, Überdiess denke man sich
* Technik der meJic. Diagnostik. Erlangen, 1844.
noch quer über die Spitze des Schwertknorpels eine Linie
gezogen , welche den Raum zwischen Mammal- und letzter
Rippenlinie in zwei Theile trennt. Am Rücken sind eine
Acromial-, eine Unterschulterblatt-, eine Lumbal- und eine
Darmbeinkammlinie zu ziehen , welche mit den an der Vor-
derfläche in gleichem Niveau befindlichen Zusammentreffen
und deren Verlängerung darstellen,
So zerfällt der ganze Rumpf in 32 Felder.
8
Erklärung- der Abbildungen.
Xr. 1 und 2. Obere Schlüsselbeingegend oder obere Lun-
geugegend, da die Lungen das Eingeweide sind,
das hier die Aufmerksamkeit besonders in Anspruch
nimmt.
Xr. 3. Sternalgegend. Darunter liegen die Bronchien, die
grossen Gefässe und ein Theil des Herzens.
Xr. 4 und 5. Vordere Brust- oder Lun£en£egend. In dem
Felde Xr. 5 liegt nach unten ein kleiner Abschnitt, der
dem Herzen zukommt.
Xr. 6. Regio epiyastrica.
Nr. 7. Obere Leber- oder Leberlungengegend , da hier ein
Theil der Leber unter der rechten Lunge hinaufreicht.
Nr. 8. Regio gastrico-pulmonalis.
Nr. 9. Regio gastrico-hepatica } eine für die Palpation der
beiden genannten Organe besonders wichtige Gegend.
Nr. 10. Regio hepatica.
Nr. 11. — gastrico-colica.
Nr. 12. — umbilicalis oder colica media.
Nr. 13. — ileo-colica dextra. An dem obern Rande die-
ser Gegend befindet sich der untere Leberrand mit der
Einkerbung für die Gallenblase.
10
Nr. 14. Regio ileo-colica sitiislra. Hier liegen grösstenteils
Dünndärme, doch kann die ganze Gegend vom Colon
erfüllt sein. Hier werden Kothanhäufungen, Mesente-
rialdrüsenanschwellungen und Wucherungen des Ge-
kröses vorzugsweise Gegenstand der Untersuchung.
Nr. 15. — hypogastrica oder iliaca media, da man hier
gewöhnlich nur dünnen Gedärmen begegnet, wenn man
gerade in den Bauch drückt. Die Harnblase liegt tief
hinter der Schambeinfuge.
Nr. 16. — lleo-coecalis oder iliaca dextra.
Nr. 17. — Iliaca-sinislra.
Nr. 18. Regio Interscapularis.
Nr. 19 und 20. Hintere Lungengegend , nach einigen auch
Schulterblattgegend.
Nr. 21. Regio dorsalis inferior.
Nr. 22. — licnalis.
Nr. 23. — hepatica posterior.
Nr. 24. — lumbalis.
Nr. 25 und 26. Regiones renales. Hier findet man ausser den
Nieren grösstenteils Dickdarm.
Nr. 27 und 30. Achselgruben und seitliche Lungengegend.
Nr. 28. Regio linealis.
Nr. 29. Regio colica sinistra.
Nr. 31. Seitliche Lebergegend.
Nr. 32. Regio colica dexlra.
Bei der Untersuchung der Brust ist häufig eine natür-
liche Angabe der Gegend der künstlichen vorzuziehen , und
ist es hinreichend dieselben nach dem Knochengerüste zu
bezeichnen , und sich an dessen sichtbare oder wenigstens
palpable Vorsprünge zu halten. So ist oft die Angabe »zwi-
schen dieser und jener Rippe,« oder »am untern rechten Schul-
terblattwinkel« hinreichend, um den Sitz eines Symptomes
anzudeuten.
Ausser den angeführten Gegenden sind noch viele , so-
wohl für den Arzt, als besonders für den Chirurgen von ho-
11
hem Interesse. Der Raum dieser Blätter gestattet nicht, sie
alle anzuführen und zu beschreiben; in jeder topographi-
schen Anatomie (Bock, Lauthner etc.) dürften die ge-
neigten Leser hinreichende Belehrung darüber finden, wir
beschränken uns daher darauf , nur beispielsweise einige
derselben namhaft zu machen.
So sind besonders wichtig:
Am Halse. Das mit der Spitze abwärts gerichtete
Trigonum cervicale , das von den Kopfnickern, den in der
Mitte des Halses liegenden Vorragungen und dem untern
Rande des Unterkiefers gebildet wird. Nach unten zu geht
es oberhalb des Brustbeins in eine starke Vertiefung QJugu-
lum) über. Diess Dreieck zerfällt aber wegen der leichteren
Übersicht der in demselben gelegenen wichtigen Organe,
noch in zwei kleinere Dreiecke , indem man sich eine Linie
durchgezogen denkt, welche vom Zitzenfortsatze entspringt,
und am Zungenbein endigt , und uns den Zug des hintern
Bauches der MM* biventer und stylohyoideits versinnlicht.
Wir finden daselbst die Carotis communis, die A. sub-
clavia und die V. jugularis interna am unteren Theile des
Halses , in der Furche zwischen beiden Ursprüngen des
Kopfnickers a)> ebenso weiter oben in gleicher Höhe mit dem
Kehlkopfe, am vorderen Rande dieses Muskels die innere
Drosselader und den Stamm der Carotis in Gemeinschaft mit
dem N. vagus und den absteigenden Ast des N. hypoglossus
b), noch mehr aufwärts, in gleicher Höhe mit dem Zungen-
bein und Schildknorpel c) , findet man die Theilung der Ca-
rotis und die obere Schilddrüsenarterie.
Die Fossa supraclavicularis dj zeigt sich an der Seite des
Halses , nach aussen von der prominentia slernomasloidea
von dieser, dem äusseren Rande des M. cucullaris und dem
Schlüsselbeine begränzt. In dieser dreieckigen , bei Bewe-
gung der Schulter nach vor- und abwärts deutlicher wer-
denden Grube, findet man durch Zufühlen die Stränge der vier
unteren Nackennerven und die A. subclavia bei ihrer Aus-
trittsstelle.
Am Arme ist ein im Buge durch Verlängerung der
zwei convergirend verlaufenden Sulci bicipitales gebildetes
Dreieck nicht ohne Interesse *, hier ist es , wo in Folge un-
glücklich ausgeführter Aderlässe Aneurysmen vorkommen.
An der untern Extremität ist die Leistengegend
und der Verlauf des N. ischiadicus für den Mediciner von
Belang. Der Hüftnerve zieht von dem grossen Hüftausschnitte
zwischen Sitzknorren und grossem Rollhügel zur hintern
Gegend des Oberschenkels nach abwärts zur Kniekehle und
spaltet sich in den N. tibialis, der von da zum inneren Knö-
chel verläuft, und in den N. peroneus, der nach aussen zum
Köpfchen des Wadenbeines gelangt, um sich dann weiter
zu verästeln.
Nach Berücksichtigung der einzelnen Körpergegenden,
deren viele im speciellen Theile näher beschrieben werden
sollen, wenden wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die Unter-
suchungsmethoden, welche an selben in Anwendung kommen.
Erster Theil.
Die Untersuchungsmethoden im Allgemeinen.
Von tler Besichtigung im Allgemeinen.
JLfer erste Act der Untersuchung", gleich wie man sich dem
Kranken nähert , beginnt damit, dass man denselben in Au-
genschein nimmt; unwillkürlich wird dabei der Gesichtssinn
einen Eindruck erhalten , der leicht der bleibende wird, und
wrenn er unrichtig* ist, das Fassen einer vorgefassten Mei-
nung* begünstigen könnte. Allein immer ist ein Überblick
des Tummelplatzes der ärztlichen Kunst nothwendig", und
manche Praktiker haben es hierin zu einer solchen Übung*,
ich möchte sagen, zu einem solchen Instincte gebracht, dass
selbst eine , wenn gleich nur oberflächliche Betrachtung ih-
res Kranken ihnen manche Fragen erspart , andere ,
die unzureichend beantwortet wurden, ergänzt, mit
einem Worte ihnen eine Richtschnur gibt, nach welcher sie
ihr ganzes Verfahren einzuleiten haben. Dass hiebei von ih-
nen auch die den Kranken umgebenden Verhältnisse und
manche Nebenumstände , die sie auf den ersten Blick erken-
nen , gewürdiget werden , versteht sich von selbst.
Der erste Eindruck ist oft hinreichend, wichtige phy-
siologische Vorgänge, wie vorgeschrittene Schwangerschaft,
Pubertätsentwicklung' u. s. w, zu erkennen zu geben , so
wie zuweilen ein auffallendes Missverhältniss einzelner
Theile, z. B. Rückgratsverkrümmung, Hinken etc. entdecken
zu lassen.
Dass zu jeder Inspection Licht nöthig ist, versteht sich
von selbst ; der zu untersuchende Gegenstand soll aber gut
beleuchtet sein. Künstliches Licht, und wäre es noch so in-
tensiv, ist jedoch keineswegs im Stande, das der Sonne zu
ersetzen.
16
Manche Kranke , wie furchtsame Kinder und Geistes-
kranke , lassen sich nicht ins Gesicht blicken , sondern ver-
kriechen sich ins Bette oder drücken das Antlitz in die Kopf-
kissen; ob der Arzt mit der Untersuchung in einem solchen
Falle warten solle , bis der Kranke besserer Laune ist,
oder jene erzwingen könne, hängt von seinem moralischen
Einflüsse und manchen andern Umständen ab. Kleine Kinder
kann man am besten dadurch so lange ruhig halten , bis man
mit der Untersuchung fertig ist, dass man ihre Aufmerksamkeit
zu fesseln sucht, was durch Vorweisung eines glänzenden Ge-
genstandes, der Taschenuhr etc. geschieht.
Zuerst betrachtet man den Kranken im Ganzen , ob man
es mit einem Manne oder einer Frau , einem Erwachsenen,
einem Kinde oder einem Greise zu thun hat; man berücksichti-
get die Statur, die körperliche Enlwickelung* des zu Untersu-
chenden , und sucht so zur Erkenntniss der Constitution
und seines allgemeinen Habitus zu gelangen. Nun
erst geht man zur Betrachtung* und Vergleichung* seiner ein-
zelnen Theile und ihrer Form über, wiegt ihr gegenseitiges
Grössenverhältniss und ihre Symmetrie obenhin ab.
Wohl der wichtigste Gegenstand der Inspection möchte
die Gestalt und äussere Form des zu untersuchenden Theiles
sein, und da man dabei, wiewohl bloss durch das Augen-
maass, auch auf die räumlichen Verbältnisse und ßegrän-
zung desselben Rücksicht nimmt, so gehe hier Inspection
und Mensuration , welche letztere ohnehin gewissermassen
ein Zweig der Besichtigung ist , Hand in Hand. Die Form
der zu untersuchenden Theile unterliegt sehr vielen Verän-
derungen, so dass die geringste Abweichung von der Norm
hiebei nicht übersehen werden darf, und anscheinend gering-
lügige Umstände eine Bedeutung* gewinnen. So z. B. er-
scheint zuweilen der Bauch vergrössert, und die Zunahme
desselben betrifft bei aufrechter Stellung des Kranken vor-
nehmlich den unteren Theil des Abdomen • dieser Umstand
reicht für den aufmerksamen Arzt hin, bei der Untersuchung
17
die hieher bezüglichen Symptome freier Bauchwassersucht
besonders zu berücksichtigen.
Gewisse physicalische Eigenschaften des Körpers sind
es, welche nur durch die Inspection erkannt werden, als die
Farbe, der Glanz und die Durchsichtigkeit; diese
kommen dem zu Folge zunächst nach Berücksichtigung der
Form an die Reihe.
Die Farbe der äusseren Haut gibt im Allgemeinen
Zeugniss von der Beschaffenheit, Menge und Vertheilung
des an der Oberfläche befindlichen Blutes; in Hinsicht der-
selben hat man zu beachten , ob sie habituell ist oder nicht,
und ob sie wechselt und in welchen Ton sie sich verändert.
So gibt es Menschen , welche durch Aufregung roth wer-
den , andere , welche aus derselben Ursache erblassen. Die
Färbung zeigt nach Alter und Geschlecht gleichfalls Ver-
schiedenheiten. Im höheren Alter nimmt das schöne Colorit
gewöhnlich ab. Weiber wechseln während verschiedener Ge-
schlechtsfunctionen die Farbe , als während der Menstrua-
tion, der Schwangerschaft. Sanguiniker sind meistens frisch,
Phlegmatiker blass, Choleriker gelblich, Melancholiker dun-
kel gefärbt. Die angeborne Farbe macht sich trotz aller
krankhaften Veränderungen geltend, Brünette bleiben immer
bräunlich, Blonde werden kreideweiss oder ihre Wangen
umschrieben bläulichroth.
Gesteigerte lebhaft eRöthe begleitet jedes entzünd-
liche Fieber, Plethora, acute Exantheme im Stadium der
Eruption etc. Mit Aufmerksamkeit hat man übrigens die Art
der Vertheilung der Röthe und ihr Wechseln mit Blässe zu
betrachten , da dieselben in Beziehung zum Grade des Übels
und seinem Verlaufe stehen. Röthe des Gesichtes mit Blässe
des übrigen Körpers spricht für active Congestion zum Kopfe ;
spielt die Röthe ins Blaue , so dürfte die Congestion eine
mehr passive sein. Einseitige Wangenröthe bedeutet zu-
weilen , dass der Sitz des Leidens dieselbe Seite betreffe.
Gaal Diagnostik. 2
18
Rothe , um schriebene Wangen in geringem Umfange von
zarter Blässe umgeben, sind Lungensüchtigen eigen.
Blässe deutet auf mangelhafte Blutbereitung und Anä-
mie , bei letzterer spielt die Blässe ins Wachsfarbige , bei
Hydrämie ins Schmutziggraue. Ist Samenverlust , Leucor-
rhoe ', Metrorrhargie , kurz irgend ein krankhafter Zustand
der Geschlechtssphäre Ursache der bleichen Farbe, so findet
man häufig die Augen von braunen Ringen umschrieben. In
der Bleichsucht zeigt sich nicht selten ein grünlicher Schim-
mer der Haut, doch bleibt den Wangen zuweilen eine schwache
Rosenfarbe. Bei secundärer und hartnäckiger Chlorose spielt
die Blässe gerne ins Bräunliche oder livide. Bleiche Farbe
aus Erschöpfung der Kräfte hat einen Stich ins Leder-
farbige.
Schmutziges Colorit ist allen Cachexien eigen.
Wurzeln diese im Unterleibe, so ist jenes schmutziggelb,
erdfahl. Ähnlich finden wir die Färbung bei Wechselfieberkran-
ken. Syphilis verleiht den Eruptionen einen kupferrothen oder
braunrothenTon. Sugillationen und Echymosen sind erstroth,
dann violett, werden immer blässer, und gehen wie verwa-
schen durch die braungrüne in die normale Hautfarbe über.
Scrofeln und Rachitis werden von einer schmutzig weissen
oder käsefarbigen Haut begleitet , die von vielen Comedonen
besetzt ist.
Blaue, livide Hautfarbe verdankt ihr Dasein dem Sto-
cken des Blutes im Capillarsysteme. Sie kommt im heftigen
Fieberfroste vor, bei Krankheiten der Circulation und chro-
nischen Respirationsleiden. Ausgezeichnet blau ist die Farbe
Cyanotischer und in der asiatischen Cholera. Bei Blutkrank-
heiten erhält das Colorit gerne eine livide Beimischung, so
sind z. B. im Typhus die Wangen zuweilen blauroth ge-
tüncht.
Gelbe Farbe in allen Abstufungen bekommt die Haut
durch Aufnahme der Galle ins Blut. Die schönste gelbe Farbe
zeigt die Albuginea im Icterus, Gelbliche Färbung erscheint
19
auch bei ausgebreiteter Pneumonie, bei Kopfverletzungen,
Phlebitis u. s. w., ohne dass aber eine mechanische Cholo-
planie immer zu Grunde liegt.
Grünliche Farbe ist Milzleiden eigen, sie beglei-
tet zuweilen auch Krankheiten des Pancreas, Scirrhus pi-
lori u. s. w.
Braunes Colorit kommt ausgesprochen nur als
Chloasma und Ephelis vor, doch verleihen Leber- und Milz-
krankheiten der Hautfarbe zuweilen eine bräunliche Beimi-
schung. Braune Farbe sah ich nach Jodgebrauch , wie sie
Einige beobachtet haben wollen, nie entstehen, wiewohl ich
die Gelegenheit hatte, namentlich als ich noch an der syphi-
litischen Abtheilung für Weiber des Wiener allgemeinen
Krankenhauses als Interne angestellt war, die Anwendung
von Jodpräparaten in zahlreichen Fällen zu beobachten.
Schwärzliche Farbe zeigt die Melanose; mit
gelbem Colorite gemischt, Melasicterus, Faulfieber, As-
phyxie durch Kohlendunst u. s. w. Mercurialinunctionen, de-
nen Schwefeleinreibungen folgen, sollen schwarze Färbung
hinterlassen. Als eigenthümlich wird die Hautfärbung nach
Gebrauch vom Höllenstein beschrieben; gerade betrachtet,
soll sich die Haut graulicht darstellen, während die im Profil
stehenden Flächen schwarz aussehen , so dass das Gesicht
grau mit schwarzen Schatten erscheint.
Der Glanz tritt an den Augen deutlicher hervor, wird
aber sowohl an der Haut als an verschiedenen Geschwülsten
Gegenstand der Untersuchung. Vor Scarlatina ist das Auge
glänzend und trocken, bei Dissolutionskrankheiten und Para-
lysen erhalten die Augen einen widrigen Glasglanz ; Säfte-
verlust und Mangel an Lebensturgor macht das Auge matt.
Von vollkommener Durchsichtigkeit geben die
Cornea und die in den Augenkammern gelegenen Theile ein
schönes Beispiel. Doch geht in Krankheiten auch jene ver-
loren. Um das Durchscheinen einer Geschwulst zu prüfen,
bringt sie der Ar z t zwischen sich und den beleuchtenden
2 W
20
Gegenstand ; so zeigt sich bei Hydrocele; wenn der Kranke
zwischen dem Fenster und dem Arzte steht, das Durchschei-
nen des Lichtes an den Rändern des Hodensackes.
Eine andere Erscheinung* von äusserster Wichtigkeit
für die Diagnose ist die Bewegung sowohl im Ganzen, als
seiner Theile; hieher ist auch die Betrachtung der Lage
und Haltung des Kranken zu rechnen.
Die Bewegung ist als willkürliche, und als un-
willkürliche, vitale, Gegenstand der Untersuchung. Zu letz-
terer sind auch automatische Bewegungen zu rechnen , die
wohl sonst der Willkür unterworfen sind, in bestimmten
Krankheiten aber unbewusst ausgeführt werden.
Die unwillkürlichen vitalen Bewegungen betref-
fend , hat man zu sehen , ob diese Statt finden , das Maass
nicht überschreiten , wie Herzklopfen , Venenpuls , Pulsa-
tion über Aneurysmen etc., und ob sie mit Leichtigkeit voll-
führt werden oder nicht. So hindern grosse Schmerzen (^Pleu-
ritis, Pleurodynia) die Bewegung der Rippen beim Athmen,
so dass sie nur absatzweise und kurz, wie abgebrochen Statt
findet. Zuweilen treten unwillkürliche und selbst tumultua-
rische Bewegungen in Organen auf, welche sonst dem Wil-
lenseinflusse unterworfen sind, und wechseln selbst mit vor-
übergehendem Stillstande der Bewegung und der Starre ab.
Haben sie zwar von jeher die Aufmerksamkeit des Praktikers
im hohen Grade gefesselt und sind sie im Allgemeinen hin-
länglich erkannt, so ist es doch unmöglich, im Einzelnen
alle Formen derselben zu beschreiben , da sie nicht allein
nach dem Ergriffenseyn der Organe verschieden sind, son-
dern im Auftreten und der Reihenfolge unendliche Abwech-
selungen darbieten. Hierher gehört das Heer der krampfhaf-
ten Erscheinungen, die entweder tonisch, clonisch oder bei-
des abwechselnd sind , und die sich in den verschiedenen
Provinzen des Körpers auf eigene Art kund geben, als Au-
genlidkrampf, Schielen , Stottern , Niesen , Schluchzen ,
Husten , Asthma , das Rülpsen , Würgen , Erbrechen , die
21
Krämpfe der verschiedenen Schliessmuskeln , so dass die
Entleerung von den betreffenden Excretis gehemmt wird.
Die Reihe der Convulsionen, vom leichten Zittern an , bis zu
der Höhe der Eclampsie und Epilepsie, des Globus hysteri-
cus y die Chorea einerseits, so wie anderseits die tetanischen
Erscheinungen, vom Crampus, der Entasie und dem Trismus
angefangen, bis zum ausgebildeten Tetanus, Pleurosthotonus,
Opisthotonus , Embrosthotonus u. s. w. finden hier ihren
Platz.
Automatische Bewegungen zu beobachten ist bei Apo-
plectischen, Soporösen und Kindern sehr wichtig, und über-
haupt wird auch selbst bei vielen Kranken ein öfteres un-
willkürliches Betasten einer Gegend im Verlauf des Gesprä-
ches die Aufmerksamkeit des Arztes auf sich ziehen , da
nicht selten diese der Sitz und Herd des Leidens ist. Zu-
pfen und Reiben der Nase deutet bei Kindern zuweilen auf
Reizung der Darmschleimhaut, Helminthiasis etc. In An-
gina membranacea greifen sie oft nach dem Kehlkopfe, gleich-
sam, um das dort befindliche Hinderniss der Respiration zu
entfernen.
In der Kinderpraxis sind gewisse Bewegungen , die
zugleich mit Schmerzäusserung verbunden sind, sehr werth-
volle Zeichen. So ist z. B. im Soor das Essen, das Husten
und Aufgehobenwerden bei Bronchitis und Pleuritis , das
Waschen und Einwickeln bei Intertrigo u. s. w. mit Schmerz
verbunden, der sich durch ein diese Bewegungen begleitendes
Schreien ankündiget. Bewegungen , die sich heftig und un-
ausgesetzt wiederholen , z. B. Heben und Fallenlassen der
Hand , rythmisches Aufblasen der Backen u. dgl. zeigen bei
Kindern nur die Unerträglichkeit und Höhe eines Leidens
an , ohne aber über die Örtlichkeit desselben eine Hinwei-
sung zu geben. Die gewöhnlichen Bewegungen kleiner Kin-
der bestehen im Strecken und Dehnen, so wie in Zusammen-
ziehen und Winden. Entstehen Schmerzen , so zeigen die
Bewegungen ein gleichsam instinctartiges Streben , den be-
82
treffenden Theil dem Leiden zu entziehen. Jede fieberhafte
Krankheit ist bei Kindern mit Unruhe und Herumwälzen ver-
bunden , plötzliches Ruhigwerden aber ohne Xachlass der
übrigen Erscheinungen kein gutes Zeichen.
Zu den automatischen Bewegungen wird auch das Be-
tasten gewisser Theilc des Kopfes beim Nachdenken, welche
gewissen geistigen Functionen als Sitz dienen, und das
Selbstmagnetisiren der Gehirnorgane Somnambuler beige-
zählt.
Von den willkürlichen Bewegungen sind die
Art und Weise ihres Zustandekommens , ihre Freiheit und
Leichtigkeit, oder selbe erschwerende oder gänzlich ver-
hindernde Umstände und ihr Wechsel mit Ruhe Gegen-
stand der Betrachtung. So verlieren Kranke in der Chorea
den Einfluss des Willens auf bestimmte Bewegungen , und
vermögen solche nur mühsam und durch Umschweife zu voll-
führen, so dass sie z. B. ein Trinkglas nur in einem Halbkreise
zum Munde führen können , und nicht leicht im Stande zu
schreiben sind u. s. w.
Wenn sich Schwache oder Mangel der Bewegung an
einem Körpertheile darstellt, wie es bei Parese und Paralyse
der Fall ist , so hat man zu sehen , ob diese Verminderung
der Bewegung nur zeitweilig besteht, ob sie mit normaler
oder selbst mit convulsivischer abwechselt , ob sie doch durch
den Willenseinfluss des Kranken oder äussere unterstützende
Momente überwunden , durch heftige Reize wenigstens vor-
übergehend aufgehoben werden kann, und auf gleichzeiti-
ges Bestehen von Kälte oder Fühllosigkeit des leidenden
Theiles besondere Rücksicht zu nehmen, ferner, ob die Läh-
mung eine einseitige , eine gekreuzte oder quere ist u. s. w.
Der Gang kann in vielen chronischen Leiden eine dia-
gnostische Bedeutung erlangen. So lernen Kinder mit Kno-
chenleiden , Rachitis , Cretinismus , Hydrocephalus chroni-
cus etc. spät gehen, und rutschen in einem Alter, in dem
andere Kinder sich schon frei bewegen, noch auf dem Boden
93
herum. Sind die Extremitäten verbildet, so wird ihr Gang
schwankend; ist der Kopf zu gross und schwer, so wird
jener taumelnd. Auch bei Erwachsenen unterscheidet sich
der schwankende Gang*, der durch Schwäche im Allgemei-
nen bedingt ist, von dem Taumel im Schwindel, Kopfeon-
gestionen , Gehirnleiden , Typhus u. s. w. , wobei die Kran-
ken häufig die Fiisse kreuzen und sich überall anhalten,
um nicht zu fallen.
Bei halbseitiger Lähmung , z. B. in Folge von Apople-
xie , wird im Gehen der erlahmte Fuss nachgeschleppt, und
beschreibt einen Kreisbogen; die ganze gelähmte Seite er-
scheint herabgesunken , die kranke Achsel steht tiefer , als
die gesunde und der Arm hängt daselbst vorne gegen die
Mittellinie des Körpers. Bei Hirnerweichung versagt eine
Extremität plötzlich den Dienst, ergriffene Gegenstände fal-
len aus der Hand, und der Kranke ist genöthigt, eine Zeit
lang niederzusitzen , bis er wieder im Stande ist , sich auf-
zurichten. Dem Hydrocephalus acutus pflegt zuweilen Hah-
nengang mit eigeuthümlichem Erheben der Oberschenkel
voranzugehen. Bei Leiden des kleinen Gehirnes hat man un-
willkürliches Rückwärtsgehen beobachtet.
Bei Rückenmarksleiden scheinen die Füsse im Gehen
eine breite Basis zu suchen. Der Kranke kann z. B. bei
beginnender Hydrorrhachie nur auf diese Weise, und indem
er sich schrittweise fortschwingt , im Gehen sein Ziel er-
reichen. Im Malum Polii ist der Gang unsicher und zitternd.
In der Tabes dorsalis werden die sehr abgemagerten Beine
bei jedem Aufheben gleichsam weggeschleudert, der Gang
ist schiebend , die Knie sind eingesunken, der Oberkörper
nimmt viel Antheil an der Bewegung, und die weit von dem-
selben abstehenden Arme suchen durch Rudern das Gleich-
gewicht zu erhalten.
Herz- und Brustkranke gehen mit vorgebeugtem Ober-
körper und sind beim Ersteigen einer Treppe oder Anhöhe
genöthiget, häufig stehen zu bleiben, um Athem zu schöpfen.
34
Unterleibskrankc und Schwangere halten sich gerade,
ziehen das Gesäss ein , und strecken den Bauch vor. Lei-
den am After zwingen die Kranken , die Hinterbacken vor-
ragen zu lassen. Leiden der Geschlechtstheile, grosse Her-
nien, Buhonen etc. bewirken einen eigenen Gang mit ge-
spreizten Beinen. Mit Blasenleiden und Harnsteinen Behaf-
tete gehen mit gebeugtem Oberkörper , und müssen häufig
stehen bleiben. Eben so ist bei denselben Krankheiten und
beim Tripper die Stellung beim Urinlassen.
Individuen, die an Ischialgie leiden, halten den erkrank-
ten Fuss mehr rückwärts , und hinken darauf. Podagristen
treten nur mit dem ganzen Fusse auf, suchen aber äusserst
ängstlich jeder Unebenheit des Bodens auszuweichen. Im
freiwilligen Hinken treten die Kranken meist nur auf den
Zehen auf, halten den Fuss im Knie gebogen, das Becken
steht schief, und das Gewicht des Körpers sinkt nicht allein
bei jedem Schritte auf die ergriffene Seite herab, sondern
die Ausweichung des Gelenkskopfes macht sich auch durch
eine starke Wölbung der Hinterbacke bemerklich.
Die Art und Weise des Ganges , ob derselbe hastig
oder gravitätisch ist, wird durch das Temperament und psy-
chische Leiden bedingt. Grosse Neigung zum Klettern und
Geschicklichkeit dazu findet sich zuweilen bei Chorea und
Schlafwandlern.
Ist schon der Gang von Bedeutsamkeit für die Diagnose,
so ist die Lage und Haltung des ganzen Körpers nicht
minder werthvoll für dieselbe, besonders wenn es sich um
nicht mittheilungsfähige Individuen handelt.
Nackte Neugeborne liegen fast wie im Mutterleibe zu-
sammengekrümmt, mit gekreuzten und angezogenen Extre-
mitäten. Abstossen der Beine oder ausgestreckte Lage der-
selben sind daher bei Säuglingen ungünstige Zeichen. Be-
gehren äussern sie durch Herumfangen mit dem Munde. Ist
das Kind 4 Wochen alt, so bewegt es die Arme frei, mit
8 Wochen trägt es den Kopf , mit 6 — 6 Monaten vermag es
aufrecht zu sitzen, und mit 9 — 18 Monaten fängt es an zu
gehen.
In Beurtheilung der Lage kommt in Betracht, ob der
Kranke ruhig liegt oder nicht , ob er eine bestimmte Lage
vorzieht, eine gewisse aber gänzlich vermeidet, da sie ihm
Unbehagen oder Schmerz verursacht, ob die Lage eine ge-
wöhnliche oder ungewöhnliche ist; jedenfalls verdienen ge-
wisse Gewohnheiten zu liegen ihre Berücksichtigung.
Bei Gehirnleiden, z. B. Hydrocephalus , ist der Kopf
stets zurückgebogen, zuweilen suchen die Kranken densel-
ben gleichsam ins Kissen einzubohren, solchen Kranken wird
auch das Haupt zu schwer und hängt auf eine Seite. Beim
Aufrichten werden sie schwindlich und bekommen Erbrechen.
Bei heftigen Schmerzen an der Vorderseite des Kopfes (dem
Gesichte) liegen die Kranken zuweilen auf dem letzteren.
Typhöse liegen gewöhnlich in einer vernachlässigten Stel-
lung, zuweilen unbeholfen, wie ein Stück Holz, oft mit
angezogenen und gespreizten Füssen oder schief im Bette.
Ihr Oberkörper und Kopf sinkt gerne von den Kissen herab.
Nerven- und Geisteskranke vergessen nicht selten alle
Scham.
Bei Brustkrankheiten liegen die Kranken mehr aufrecht
und biegen den Kopf zurück , um der Luft den Eintritt in
die Athmungsorgane zu erleichtern. Heftige Athmennoth
macht, dass die Kranken den Oberkörper vorwärts beugen
und sich auf die Arme stützen oder selbst mit demselben Ge-
genstände hastig ergreifen, um sich daran fest zu klammern.
Bei Pneumonie gibt die Lage kein sicheres Kennzeichen, bei
pleuritischem Ergüsse in die Brusthöhle liegen die Kranken
meist auf der afficirten Seite.
Bauchkrankheiten werden gewöhnlich in der Rückenlage
überstanden, doch wird bei heftigen, besonders krampfhaf-
ten Schmerzen eine gekrümmte Lage mit Anziehung der
Füsse vorgezogen. Ist eine Seite schmerzhaft, so ist das
Liegen auf der entgegengesetzten bequemer.
26
Viele hierher gehörigen Puncte werden in der nun fol-
genden, grösstenteils nach B a um gärt ne r #) und Sie-
bert ##) bearbeiteten kurzen Skizze näher erörtert werden,
welche hier eingereiht wurden , da diess der passendste Ort
dafür ist. Zu vielen Werth darf man übrigens der Kran-
kenphysiognomik nicht einräumen, denn so förderlich
sie der Diagnose sein kann , so sehr kann sie täuschen , in-
dem oft heftige Leiden das Äussere wenig verändern ; an-
derseits ist nicht zu läugnen, dass viele Krankheiten theils
an und für sich , theils durch die psychische Stimmung,
welche sie bewirken , eine deutliche Veränderung der Ge-
sichtszüge hervorbringen , welche für die Diagnose von
Wichtigkeit ist, ja wie es z. B. in der Kinderpraxis der Fall
ist , fast den einzigen Anhaltspunct darstellt.
Im Allgemeinen lässt sich annehmen, dass je weniger
die Mienen von dem Gewöhnlichen abweichen, sie desto Bes-
seres hoffen lassen. Obenhin betrachtet , sind die Gesichts-
züge bei Kopfleiden starr, und richten sich alle Gesichts-
falten gegen die Augen; bei Brustleiden erscheint das Ge-
sicht etwas breiter, da die Nasenflügel und der Mund die
erschwerte Respiration unterstützen , bei Nervenleiden ver-
längert , da sich die von der Nase zum Munde ziehenden
Falten deutlicher ausprägen. Einiges über Physiognomik so-
wohl in psychischen als in körperlichen Leiden befindet sich
in dem der Untersuchung gewidmeten Abschnitte.
AJ Specieller Habitus bei Krankheitsanlagen.
1. Wem wäre das II i p p o kr a t ische Gesicht unbe-
kannt, das sich durch gespannte, trockene, oder mit kal-
tem Schweisse bedeckte Stirnhaut, bleiche, herabhängende
Lider, matte, glanzlose, tief eingesunk?:ie Augen, zusam-
*) Krankenphysiognomik, 2. Auflage, Stuttgart 1848.
**) Technik der medic. Diagnostik. Erlangen, 1843.
27
men gefallene Nasenflügel , spitzige Nase , vorspringende
Jochbeine , runzelichte Wangen , kalte Ohren , entfärbte,
herabhängende Lippen, offenstehenden Mund und eingesun-
kene Schläfen kund gibt. Ist es nicht ein Zeichen nahen To-
des, so deutet es doch aut allgemeine Erschöpfung, Läh-
mung , Brand u. dgl.
2. Gehirnhabitus. Personen, die zu Kopfkrank-
heiten mit mehr activein Charakter disponirt sind, bieten die-
sen dar. Es sind meistens Männer von magcrem Körper,
ernstem Betragen und besonnener Bewegung; der Kopf zeigt
die schönsten und regelmässigsten Verhältnisse , ist nicht
sehr gross, aber in allen seinen Theilen vollendet, dieStirne
offen, hoch und massig gewölbt, das Hinterhaupt ent-
sprechend entwickelt ; der Gesichtswinkel nähert sich einem
rechten •, die Nase und die oberen Augenbögen springen
stark hervor, während die unteren Gesichtstheile zurückge-
drängt erscheinen. Die Augen stehen nicht aus der Orbita
hervor, der Kopf ist vorgebeugt , Haare und Iris sind mehr
dunkel gefärbt, die Röthe der Wangen sieht nicht frisch aus.
3. Der apoplectische Habitus zeigt fast dem
vorigen entgegengesetzte Merkmahle. Der Kopf ist im Ver-
hältnisse zum Rumpfe grösser, die Haare sind gelockt, die
Haut des Gesichtes ist bläulicht roth , die Augen glänzen
und sind injicirt, die Carotiden pulsiren und die Drossel-
adern strotzen vom Blute. Der Hals ist kurz , die Schultern
breit, die kurzen Extremitäten häufig kühl. Alle Bewegun-
gen zeigen von festem Willen und Kraft, sind aber nicht
selten heftig und zuweilen unbeholfen. Die Respiration
wird häufig beklommen und keuchend , besonders wenn zu-
gleich Herz-Hypertrophie vorhanden ist.
4. Der Rückenmarks-Habitus äussert sich zu-
weilen durch Missverhältniss der Extremitäten uud der un-
teren Theile zum oberen Abschnitte des Rumpfes ; Kopf und
Thorax sind stark entwickelt, Arm und Waden aber auffal-
lend mager , Becken und Genitalien klein.
28
6. Der plethorische Habitus charakterisirt sich
durch den hohen , kräftigen Bau und den Turgor der Haut.
Die Röthe der Wangen wird durch Aufregnng blauroth, bei
Einigen blass.
6. Der Lungen-Habitus, der zur Pneumonie und
Hämoptoe* disponiren soll, wird auf folgende Weise beschrie-
ben: Die Individuen sind schlank, das Fleisch straff, das
Gesicht , der Hals und der Thorax lang , die Wangen fast
umschrieben geröthet, die Augen glänzend, die Haare fein,
die Nase schmal.
7. Der tuberculöse Habitus. Der obere Umfang
der Brust ist verhältnissmässig kleiner , der Thorax abge-
plattet, über Cavernen zuweilen eingesunken. Die Schul-
terblätter stehen flügelartig ab , die Schlüsselbeine sind an
ihrem Acromialende höher gestellt , als an der Verbindungs-
stelle mit dem Brustbeine; darüber und darunter zeigen sich
meistens Gruben. Der Hals erscheint lange und vorwärts ge-
neigt. Die oberen Theile, Gesicht, Thorax, Arme und Fin-
ger sind mager , letztere besonders lang und an den Enden
kolbig. Die Haut ist zart und fein , weiss , die Haare sind
fein , die milchweissen Zähne werden leicht cariös.
8. Der Abdomin al-Habitus erscheint bei Kin-
dern bis zum 8. Jahre als naturgemäss , kommt aber in al-
len anderen Lebensperioden als abnorm vor. Die Breite ist
in allen Theilen vorwaltend. Der Kopf rund, die kleine Stirnc
breit , die Nase dick , der Hals kurz , alle Organe , welche
der Ernährung dienen, als Kauwerkzeuge, Bauch und Un-
terleib sind sehr entwickelt. Die Gesichts- und die Hautfarbe
erscheint gelblich oder fahl ; in den kleinen , tiefliegenden
von einem lividen Ringe umgebenen Augen zeigt die Scle-
rotica eine schmutzige Färbung.
9. Der Leber-Habitus ist wie der Abdominal-Ha-
bitus ; doch hat er zwei Formen , von denen eine sich durch
Fettentwicklung, die andere aber durch Magerkeit, schwarz-
gelbes Colorit , gelbliche Albuginea , schwarze Augen und
29
Haare kund gibt; die erstere Form zeigt eine besondere
Hautfärbung. Das gelbe Colorit ist anfangs das vorherr-
schende , doch spielt an den sonst gerötheten Theilen eine
violette Farbe durch , ohne sich mit dem Gelben zu vermi-
schen. Entwickelt sich im Verlaufe des Leberleidens die Veno-
sität stärker, so bekommt die violette Farbe das Übergewicht.
10. Der Milz-Habitus wird am weiblichen Ge-
schlechte häufiger beobachtet , und auf folgende Weise be-
schrieben : Die Hautfarbe ist eine Mischung aus dem gel-
ben und violetten Tone, zuwreilen grünlich, das Gesicht hat
einen düstern Ausdruck , die Linien sind tief ausgeprägt,
die Augen dunkel , wie beschattet, die Sclerotica ist schmu-
tzig gefärbt , und die Zunge meistens rein , trotz der häu-
figen Dyspepsie.
11. Der Uterinal-Habitus zeigt Neigung zur
Entartung der Gebärmutter und der Eierstöcke an. Manche
Frauen fallen dabei durch ihren fast männlichen Bau mit
starken Gesichtszügen auf, doch wenn auch diess nicht der
Fall ist, so deuten folgende Zeichen auf das Uterinleiden
hin, welches sich entweder bei der Pubertät, oder in der
Periode des Wechsels entwickelt , und die nicht selten mit
denen der krebsigen Anlage verbinden , als : Schmutzige
Hautfarbe mit vielen gelben Flecken , Neigung zur Kupfer-
röthe an Nase und Wangen, bräunliche Zähne, missmuthi-
ger Blick , tiefer Siand der gewöhnlich unfruchtbaren Ge-
bärmutter ; um die Oberlippe und an Warzen im Gesichte
keimt nicht selten ein Flaum , der später zu borstigen Haa-
ren wird.
12. Der Hämorrhoidal-Habitus charakterisirt
sich durch Vorwalten der unter dem Zwerchfelle gelegenen
Theile , so dass der Bau des männlichen Unterleibes , dem
des weiblichen Organismus zuweilen ähnelt , was besonders
am Becken autfällt. Zugleich bestehen Zeichen eines stark ent-
wickelten Venensystems*, in der Conjunctiva zeigen sich
stern- oder inselartige Gefässinjectionen.
30
13. Im arthritischen Habitus waltet nach Sie-
bert der Bau der Knochen vor, so dass diese und die sich
daran befestigenden Muskeln sehr entwickelt erscheinen.
Die mehr zarte Haut ist zur Transpiration geneigt, die Re-
spirationsbewegungen und der Puls sind meistens gross.
14. Der S auf er- Habi tus und zwar jener der
Weinsäufer, äussert sich durch Röthe des Gesichtes und
Halses, Kupferröthe auf der Nase, die dadurch ungeheu-
ren Umfang erlangen kann, und schlaffe zur Transpiration
geneigte Haut. Die Bewegung ist etwas erschwert, doch
nicht so schwankend , wie nach dem Missbrauche anderer
Spirituosa. Ist Zittern vorhanden , so verliert sich dieses
nach dem Genüsse von Wein. Der Blick zeigt von reger
Geistesthätigkeit. Die Branntweintrinker sehen schmu-
tzig-bleich aus, zuweilen zieht Kupferröthe quer über die
Nase und Wangen , ihr Blick ist nichtssagend und unstät,
die Faser schlapp, die Bewegung zitternd, auch nach dem
Genüsse von Schnaps. Biersäufer haben meistens ein
schwammigtes , aufgedunsenes Ansehen, sie sind nicht sel-
ten dick, das Gesichl glänzt, als ob es mit Fett beschmiert
wäre , die Hautfarbe ist schmutzig , die Bewegung träge
und bewirkt schnell Ermüdung und Schweiss.
15. Onanisten geben sich zuweilen durch unstäten,
schleppenden Gang und Mangel an Sicherheit in der Hal-
tung, Schwindel, Herzklopfen, Blässe des Gesichtes und
der Lippen und matten Blick aus den mit einem braunen
Hofe umgebenen Augen zu erkennen. Dieser Habitus kommt
aber auch bei anderen krankhaften Zuständen vor, z. B. bei
der Ruhr; andererseits gibt es Onanisten , die sich eines
blühenden Aussehens erfreuen.
B) Physiognomie und Habitus in bestimmten
Krankheiten.
16. Von dem Habitus der Herzkrankheiten
wird in der speciellen Diagnostik die Rede sein, dasselbe gilt
31
17. vom cyanotischen Habitus.
18. Der chlorolische Habitus äussert sich zu-
weilen durch Zurundung aller Formen , mit Volumsvermeh-
rung der Theile , ferner durch Welkheit der Muskeln, träge
Bewegung. Die Haut ist wachsweiss, öfters mit einem Stich
ins Grüne , und lässt die Venen röthlich durchschimmern *,
die Blässe erstreckt sich von der Oberfläche selbst auf die
Schleimhäute des Mundes ; Zahnfleisches, die Thränenca-
runkel etc. Selten behalten die Wangen ihre Rosenfarbe, um
die Augen sind aber beständig braune Ringe gezogen.
19. Ähnlich dem vorigen ist der Habitus
bei Anämie. Äusserste, wachsähnliche Blässe mit rosen-
roth durchschimmernden Venen , Neigung zur Ohnmacht ,
Kraftlosigkeit aller Bewegungen und heftiges Pulsiren aller
Arterien bezeichnen denselben.
20. Physiognomie in der Blut fleckenk rank-
heit. Die Haut ist bleich und fahl, das Auge matt und tro-
cken, die Schleimhäute erscheinen blass, die Muskel schlaff,
das Zahnflesch blutet leicht, überhaupt zeigen sich Blutun-
gen aus allen Organen. An der Haut sieht man rothe Fle-
cken , die unter dem Fingerdrucke nicht verschwinden, nach
und nach dunkler werden , bis ins Violette gehen und end-
lich verblassen. Ödem um die Knöchel ist keine seltene Er-
scheinung dabei.
21. Der sco rbutis che Habi tu s unterscheidet sich
wesentlich von dem vorigen, und äussert sich durch schmu-
tzige Farbe der Haut, welche sich hie und da mit Ecchymo-
sen bedeckt ; diese sind frisch , dunkelroth , werden aber
nach und nach grünbraun , und stellen verschiedene Formen
und Gruppen dar. Die Bewegung ist gehindert, besonders
das Beugen des Kniees, da im Unterhautzellgewebe der Füsse
harte oder teigige, plastische Infiltration Statt findet, welche
nicht selten perlschnurartig die Sehnen der Muskeln auf ih-
rem Zuge begleitet ; zuweilen erscheinen auf den unteren
Extremitäten schlaffe, leicht blutende Geschwüre. Das Zahn-
32
fleisch ist gelockert, schwammig*, blutet bei geringem An-
lass , und wird so wie die Schleimhaut des Mundes von mit
einem lividen Rande umgebenen Geschwüren bedeckt. Die
schmutzigen Zähne wackeln und fallen leicht aus.
22. Habitus bei S ciofein. Die torpiden Scrofeln
prägen sich durch folgende Erscheinungen aus : Die Haut
ist zart und Mass, die Faser lax, der Kopf dick, die Ge-
sichtszüge sind grob , die Haare gewöhnlich blond ; die
breite, angeschwollene Nase sondert scharfen Schleim ab,
welcher die Oberlippe excoriirt. Letztere ist wulstig und auf-
geworfen, die Zähne kommen spät, sind schlecht, und ste-
hen in unordentlicher Reihe. Der dicke Bauch ist im Miss-
verhältnisse zu den mageren Extremitäten. Noch deutlicher
wird dieser Habitus durch die begleitenden Localleiden, Drü-
senanschwellungen , Abscesse , Augenentzündungen mit ih-
ren Folgen , verunstaltende Narben , Kopfgrind und chroni-
sche Ausschläge im Gesichte , Ohrenfluss u. s. w. characte-
risirt. Die Form der irritablen Scrofeln befällt gewöhnlich
zarte Kinder mit glänzenden, dunklen Augen, welche früh-
reife Geistesentwicklung verrathen ; die Gesichtszüge sind
zart und sprechend, das Haar ist meistens dunkel. Eine
drüsenähnliche Erhöhung auf den Wangenbeinen soll nach
Gölis undKrie gelstein auf Mesenterialscrofeln deuten.
23. Der rachitische Habitus. Alle Formen sind
stark hervorspringend und unschön , die Individuen mager
und bleich. Die Kinder lernen spät gehen , wobei ihr Gang
wackelnd wird, wie der der Enten; am liebsten rutschen sie
am Boden herum. Die Fontanellen stehen lange offen , das
Stirnbein ist vorgetrieben, und zuweilen derart verbildet,
dass der Kopf ein viereckiges Aussehen bekommt. Die Kno-
chen sind dünn , die Gesichtszüge früh reif und altklug , die
Zähne kommen sehr anomal , werden lang, und sind biswei-
len mit queren braunen Streifen versehen. Die Wirbelsäule,
die Schlüsselbeine, die Knochen des Thorax, des Beckens
und der Extremitäten sind mannigfach verbildet , und beein-
33
trächtigen durch ihren Druck die Eingeweide , Lungen ,
Herz etc. in ihrer Function. Die Epiphysen sind angeschwol-
len und der Körper bleibt im Wachsthume zurück. Kommt
das Übel zur Heilung, so bleiben die Verkrümmungen wohl
zurück , doch wird der Knochenbau besonders stark.
24. Habitus der Wassersüchtigen. Die all-
gemeine Decke ist Mass und schmutzig gefärbt, zuweilen
glänzend , weich und wie aufgedunsen. An den infiltrirten
Stellen verliert sie die Elasticität, greift sich teigig an, und
behält den Fingereindruck ; die Temperatur ist vermindert.
Lippe und Zunge sind bleich, das untere Augenlid und zu-
weilen die unteren Theile der Backen hängen herab und
sind ödematös ; letztere besonders auf der Seite, auf der der
Kranke eben gelegen , ein leichter Anschlag versetzt sie
zuweilen in ein Zittern. Nimmt das Ödem im Gesichte zu,
so erhält diess eine breite Form, und es schwillt auch das obere
Lid an, so dass die Augenspalte verengt wird. Die Beine
sind meistens gleichfalls geschwollen, und die Haut der Ge-
schlechtstheile wird oft zu ungeheurer Grösse ausgedehnt,
so dass diese ganz ungestaltet aussehen; bei Hydrops, der
von Herzkrankheiten bedingt ist, beginnt die Anschwellung
gewöhnlich von den Füssen, bei M. Brightii mehr von
den obern Theilen ; die Haut verliert auch bei letzterem nicht
so sehr ihre Elasticität, ist gespannter, resistenter und
greift sich nicht so kalt an. — Bei Brustwassersucht haben
wir Zeichen heftiger Dyspnoe, sitzende Stellung im Bette,
trüben Blick , zuweilen Herabhängen der Unterlippe und
die übrigen physicalischen Zeichen , die später näher erör-
tert werden. — Bei Ascites, der aus organischer Ursache
entspringt , ist das Gesicht häufig missfärbig und abgema-
gert, der Bauch ragt weit nach vorne vor, so dass die
Kranken die Lenden eingebogen halten , und die Arme
mehr nach hinten gerichtet sind und herabhängen; der
Gang ist dabei wegen der Anschwellung der Füsse unbe-
holfen.
Gaal Diagnostik. , 3
34
25. In den Handbüchern findet sich auch der diabe-
tische Habitus verzeichnet, allein dieser bietet wenig
Characteristisches dar. In den meisten Fällen deutet der Ge-
sichtsausdruck auf grosse Niedergeschlagenheit , die be-
deutende Abmagerung- ist in keinem Verhältnisse zu dem
Heisshunger, die Haut ist fahl, trocken, stösst sich leicht in
Schüppchen ab, die Elasticität derselben ist vermindert, und
zuweilen erscheint die Bewegung der unteren Extremitäten
erschwert, wie gelähmt.
26. Der syphilitische Habitus äussert sich nur
durch die Zerstörungen , welche das Leiden gesetzt, und
durch eigenthümliche kupferrothe Farbe von Eruptionen, die
am häufigsten im Gesichte erscheinen, eine entschie-
dene Neigung zur Kreisform zeigen, und deren Schuppen
mit einer feinen, glänzend weissen Linie das kupferbraune
Pericarpium umsä umen , deren Borken aber dick aufliegen.
An den ergriffenen Stellen fallen die Haare aus. Dass diess
Bild nur bei constit utioneller Syphilis erscheinen könne, ver-
steht sich wrohl von selbst.
27. Habitus bei Krebsdyscrasie. Die trockene,
torpide Haut hat einen Stich ins Bräunliche, besonders deut-
lich an allen gefurchten Stellen ; der Blick ist trübe , die
Physiognomie bekommt zuweilen etwas Bösartiges. Die spä-
ter zu beschreibende linea nasalis ; col lateralis nasi und /«-
bialis sind tief gefurcht. Die Nase ist schmal, spitzig, die
hintere Insertion der Nasenflügel ers cheint stark eingedreht,
die Lippen sind dünn und eingekniffen. Der dieser Dyscrasie
eigene Ausdruck vermischt sich mit den das topische Leiden
bezeichnenden Gesichtszügen, z. B. mit Uterinhabitus; un-
ter den betreffenden Umständen mit dem Zeichen der Anä-
mie u. s. w.
28. Der Habitus wurmkranker Kinder äussert
sich zuweilen durch Blässe und Schlaffheit, verschwommene
Gesichtszüge , trüben Blick, weite Pupillen, tiefliegende,
starre , mit blauen Ringen umgebene Augen , Reiben und
35
Zupfen der dadurch etwas angeschwollenen Nase , Ausge-
prägtsein der Linea buccalis und der oculo-zygomalica (nach
Pieper), belegte Zunge mit vorragenden rothen Wärzchen,
aufgetriebenen , festen , grossen Bauch und verschiedene
nervöse Zufälle.
29. Habitus in der Oaslromalacia infan-
tum. Es zeigt sich grosse Unruhe und hastiges Verlangen
nach Getränke , das wieder schnell ausgebrochen wird, La-
xität und Kälte der Muskeln, Blässe, ängstlicher Ausdruck
des Gesichtes, in dem die Linien stark ausgeprägt hervor-
treten; die tiefliegenden Augen umgibt ein breiter, bleifar-
bener, matt glänzender Ring, die Nase erscheint gespitzt, die
Kinder reiben mit dem Hinterhaupte im Kissen hin und her, und
bekommen leicht Convulsionen; der Bauch ist etwas aufge-
trieben.
30. Bei Cholera infantum zeigt sich weniger
Unruhe und Schmerzausdruck als im vorigen Falle, doch
stimmen beide in vielen Puncten mit einander überein ; die
Augen sind nach oben verdreht, und von den oberen Lidern
halb verdeckt ; die Bewegung erscheint matt und erschöpft,
der Bauch schlapp ; characteristisch sind die weissen Durch-
fälle.
31. Im Soor erzeugt sich ein ähnlicher Habitus , nur
dass er weniger schnell auftritt , als in den beiden vorigen
Fällen j das Schlingen ist schmerzhaft und erschwert, der
Körper sehr abgemagert und an der Haut finden sich viele
fratte Stellen ; den Bauch findet man schlapp und schmerz-
los. Characteristisch sind die weissen, rahmartigen Fleck-
chen und Lamellen , die sich in der dunkelrothen Mund-
höhle und in den grünlichen , serösen Fäces zeigen.
32. Habitus bei Hydrocephalus acutus im
Stadium der Reizung. Die blassen , welken Kinder heben im
Gehen die Füsse hoch auf (Hahnengang) und straucheln
leicht. Der Nacken und der Kopf sind heiss , letzterer wird
häufig rückwärts ins. Kissen eingebohrt, das Gesicht ist
a #
36
eingefallen und zeigt blaue Ringe um die halboffenen Augen.
Wangen , Nase und Extremitäten sind kühl und trocken,
die Pupille zusammengezogen, der Schlaf unruhig, von
Zähneknirschen und Zusammenfahren unterbrochen. Nicht
selten zeigt sich das Formey'sche Exanthem. Im Stadium
des Gehirndruckes erweitert sich die Pupille , die Augen
schielen zuweilen , es kommen Lähmungserscheinungen und
Contracturen , zuweilen Convulsionen , der Puls wird lang-
sam , und das Gesicht erhält einen stupiden Ausdruck.
33. Hydrocephalus chronicus äussert sich durch
nachstehende Erscheinungen : Der Kopf ist sehr gross und
ungewöhnlich wann , die Fontanellen sind weit , zuweilen
pulsirend und durchscheinend , der Kopf bekommt in einigen
Fällen ein viereckiges Ansehen. Durch Herabdrücken der
oberen Wand der Orbita wird der Bulbus nach abwärts ge-
richtet, das magere, kleine Gesicht sieht oft dreieckig aus.
Die Pupille ist träge, die Gesichtsfarbe wechselt häufig, die
Kinder setzen im Gehen nicht selten eiuen Fuss über den
andern , und kreuzen dieselben beinahe , die Haut ist tro-
cken ; endlich treten die Erscheinungen der Lähmung und
Convulsionen in den äusserst abgemagerten Extremitäten auf.
Übrigens gibt es ausser dieser Form noch eine andere, mit
angebornem kleineren Umfange und nach oben zugespitzter
Gestalt des Schädels.
34. In der A n g in a m em b ran acea suchen die Kinder
nach geschehener Exsudation den Hals zu verlängern , und
durch automatisches Greifen nach der Zunge oder dem Kehl-
kopfe das Hemmniss der Respiration zu beseitigen; das Ge-
sicht ist bleich und drückt grosse Angst aus , der Mund
steht weit offen. Das wichtigste Zeichen, das sich aber nicht
durch Worte beschreiben lässt, ist der eigenthümliche Ton
des Hustens.
35. Der Keuchhusten bringt keinen eigenthüm-
lichen Habitus mit sich*, doch sind die Kinder auch ausser
dem Paroxysmus livid , aufgedunsen ; besonders um die
37
Lippen und Augenlider, welche letztere ein bläulichter Ring
umgibt; in den Augen sieht man nicht selten kleine Echy-
mosen.
36. In der G r i p p e verrathen die Bewegungen grosse
Mattigkeit, die Augen thränen und sind geröthet , so wie
die Nasenöffnungen , aus welchen ein dünner Schleim fliesst.
37. Im Wechselfieber äussert sich der Habitus
durch cachectisches Aussehen, erdfahle Farbe, wie aus
Chamois und grau gemischt , mit einem Stiche ins Grüne,
welcher Ton um die Augen und den Mund deutlicher ent-
wickelt erscheint. Die Lippen sind bräunlich , Zunge und
Mundschleimhaut blässer als gewöhnlich, die tSclerotica
zeigt sich schmutzig tingirt , das Gesicht zuweilen aufge-
dunsen. Um den Mund sieht man nicht selten eine Bläschen-
eruption. Während des Paroxysmus zeigen sich die Stadien
entsprechender bekannter Erscheinungen. Während der Kälte
ist der Livor aller Theile , selbst der Nägel auffallend ; die
Hautpapillen treten hervor und bilden die Cutis anserina. Die
Glieder werden vom Froste heftig geschüttelt. Während des
Hitze-Stadiums machen sich der Turgor und die gespannten
Gesichtszüge bemerkbar. Die trockene Haut wird nach und
nach weicher und zerfliesst in Schweiss.
38. Perfor alio ventriculi spontanen cir-
cumscripta. Das schnelle Auftreten der Krankheit mit
heftigen Schmerzen, die dem Kranken in keiner Lage, in
keiner Stellung Ruhe gönnen, die verzerrten und das grösste
Entsetzen ausdrückenden Gesichtszüge sichern die Diagnose
vor Verwechslung mit Gastritis toxica, wo das Erbreohen
pathognomonisches Symptom ist , und jede noch so geringe
Bewegung die Entzündungssohmerzen im Magen auf das
Äusserste steigert.
39. Habitus in der Dysenterie. Die Mattheit
des Blickes, die Glanzlosigkeit der von einem röthlichen
Ringe eingefassten Augen erinnern nach Siebert an die
Physiognomie der Onanisten. Nimmt die Krankheit eine üble
38
Wendung' , so verfällt das Gesicht , die Augen liegen tief
und nach oben gedreht, Nasenlöcher und Zähne bekommen
einen russigen Anflug.
40. In der asiatischen Ch olera höheren Grades ist
die Haut äusserst welk und unelastisch , so dass sie sich an
den Fingern furcht, und eine künstlich gebildete Falte längere
Zeit stehen bleibt bei äusserster Kälte aller Theile. Blässe
und cyanotische Färbung walten vor, letztere besonders an
den vorspringenden Theilen des Gesichts. Die Augen sind
nach oben gerollt und vom oberen Lide bedeckt ; unter der
Cornea ist zuweilen ein bläulichter Fleck. Die Augen umge-
ben breite , bleifarbige Ringe.
41. In der H alsent zun düng mit bedeutender Ge-
schwulst ist das Gesicht geröthet und turgescirend , die
Stimme näselt, die Unterkiefergegend erscheint geschwollen,
so dass die Kranken den Kopf nicht wenden können , ohne
dabei den Oberleib mit zu drehen.
42. Encephalitis acuta gibt sich durch hohe, um-
schriebene Röthe der Wangen , glänzende Augen und um-
düsterten Blick zu erkennen. Der heisseKopf ist schwer und
wird zwar hoch, aber hintenüber gebogen gelegt ; beim Auf-
sitzen verlieren die Kranken das Bewusstseyn , zeigen äus-
serste Unruhe , machen automatische Bewegungen und Ver-
suche, aus dem Bette zu springen. Bei Arachnitis spt-
nalis sind die Nackenmuskeln äusserst gespannt.
43. Typhuskranke fallen durch die schmutzige Haut-
farbe und zuweilen durch den Livor im Gesichte auf. Die
Stirnlinien sind nicht selten gefaltet und die halbkreisför-
migen Züge von der Nase und dem Munde herab stark mar-
kirt, die Nasenflügel in die Höhe gezogen, wodurch die
Oberlippe von den Zähnen sich etwas zurückzieht , und der
Physiognomie einen schmerzlichen Ausdruck verleiht, der
durch angebrachten Druck auf den Bauch noch mehr ver-
mehrt wird. Der Blick ist stupid, indifferent, die Aufmerk-
samkeit geringe , das Auge matt und gebrochen ; die meist
39
rothe und rissige , zitternde Zunge bleibt zuweilen wie aus
Vergesslichkeit auf den Lippen liegen; die Kranken lallen
im Sprechen, die Zähne sind russig, die Haut ist trocken
und heiss, wenn nicht ungleiche Temperatur beobachtet wird,
die Lage vernachlässigt , mit gespreizten Füssen , das Auf-
richten kaum möglich und bringt Übelkeit hervor. Flocken-
lesen , Sehnenhüpfen und automatisches Betasten der Geni-
talien sind nicht seltene Erscheinungen.
44. Pädatrophia ist meistens mit Scrofeln und Ra-
chitismus verbunden. Die Haut zeigt sich vornehmlich auf
der Stirn und den Wangen von Runzeln durchfurcht ; das
Gesicht ist das eines Alten , der Blick sehr verständig. Am
Thorax sieht man wegen der bedeutenden Abmagerung alle
Knochen deutlich hervorspringen , die falschen Rippen von
dem vergrösserten Bauche auswärts getrieben und die Füsse
angezogen.
45. Enteritis und Gastritis. Das verlängerte,
gelbblasse Gesicht zeigt einen eigenthümlichen Schmerzaus-
druck, der sich durch Markirung der orbiculären Nasenlinien
und der Züge des M. risorius ausspricht. Waltet ein Krampf-
schmerz vor, so ist der Mund durch Anpressen der Unter-
lippe an die obere geschlossen und die strahligten Sternal-
linien treten hervor ; ist das Peritonäum äff icirt, so steht der
Mund offen , und die Orbicular-Linien z eigen sich entwi-
ckelter. Um die Nasenflügel und den Mund zieht eine ge-
wisse Blässe , während die Wangen fieberhaft geröthet sind.
Im Ganzen ist der Ausdruck ängstlich, die Augen sind tief-
liegend , und die Kranken fürchten durch die geringste Be-
wegung den Schmerz zu erhöhen.
46. Bleikrankheit ver leiht dem Organismus das Ge-
präge der Trockenheit und Rigidität. Die Hautfarbe ist erdfahl,
die Augen sind von lividen Ringen um zogen, das Zahnfleisch
zeigt einen bläulichten Saum um die schmutzigen , bräun-
lichen Zähne. Das Fleisch ist mager , die Bewegung träge,
zuweilen wird Zittern bemerkbar, oder es finden sich Contrac-
40
turen. Kommt es zu ei nem Kolikanfalle , so sind die Kran-
ken äusserst unruhig , wälzen sich herum , pressen den
Bauch , und suchen durch Beschweren desselben mit den
Kopfkissen oder durch Liegen auf demselben sich die Schmer-
zen zu erleichtern. Hoden und After werden dabei krampf-
haft aufgezogen , so dass man die Mündung des letztern
kaum zu finden im Stande ist.
47. Physiognomie eines Tobsüchtigen. Das
Gesicht ist gefärbt oder sehr bleich, immer convulsivisch,
das Auge hervorgetrieben , feurig , rollend , der Blick un-
heimlich, böse. Die Stimme stark, zuweilen rauh , der Ton
drohend , der ganze Körper im Zustande convulsivischer Be-
wegung. Auf den Anfall folgt gewöhnlich Mattigkeit und Hin-
fälligkeit der Kräfte.
48. Habitus der Epilepsie. Ausser dem Anfalle
ist meistens wenig Abnormes zu sehen. Der Blick aus glo-
tzenden Augen hat wohl etwas Fremdartiges an sich, möchte
aber häufig täuschen. Die meisten Epileptischen sind mager
und bleich. Während der Anfälle , die von verschiedener
Form und Intensität sind , sträuben sich zuweilen die Haare,
runzelt sich die Stirne , treten die wilden und schielenden
Augen hervor; öffnen sich die Augenlider, so sieht man
meistens den Augapfel stier nach aufwärts gerichtet, oder
in fortwährender convulsivischer Rotation ; das Gesicht schwillt
an und wird roth. Vor dem verzerrten Munde steht zuwei-
len Schaum. Die Carotiden pulsiren heftig, die Drosseladern
sind geschwollen , der Hals ist meistens steif. Der Stamm
und die Extremitäten verfallen in convulsivisohe Bewegung
oder Verdrehung verschiedener Art. Die Daumen sind häufig
eingezogen. Nach den Anfällen folgt meist Erschöpfung und
Schlaf. Diess Bild ist von der Eclarapsie nicht viel zu unter-
scheiden, um so weniger, da man häufig nicht im Stande
ist, zu sagen, ob einer Krankheit mehr die Benennung
Eclampsie oder Epilepsie gebühre.
49. Ecstatischer Habitus. Während des Paro-
41
xysmus ist das Gesicht geröthet, wie von dem Gefühle der
Seligkeit durchdrungen , oder von einem heiligen Feuer
durchglüht; das Auge ist dabei beständig nach oben und auf
einen Punct geröthet, der Leib ruhig, zuweilen auf den
Knien ruhend , die Hände sind nicht selten wie zum Gebethe
gefaltet, oder bewegen sich nach der Richtung der Augen.
50. Bei Somnambulen höheren Grades wird
häufig ein ähnlicher Ausdruck beobachtet. Anfangs des Pa-
roxysmus verlieren die Augendeckel die Neigung zu blin-
zeln , so dass die Augen starr offen stehen. Zuweilen sin-
ken die oberen Lider zum Theile über Letztere, so dass sie
ungefähr drei Viertheile davon bedecken; der Bulbus ist
meistens aufwärts gerollt und die Pupille unempfindlich bei
Hirnsomnambulen , bei Herzsomnambulen hingegen steht er
nach abwärts gerichtet. Nicht selten umspielt den Mund ein
verklärtes Lächeln , und machen die Hände automatische Be-
wegungen im Kreise um das Haupt , oder berühren ein oder
das andere Organ , gleichsam um letzteres selbst zu mag-
netisiren. Der Herzschlag und Puls sind meistens verlang-
samt (T h o w s e n d). Die Respirationsbewegungen sind ver-
schieden , doch wird das Athmen oft von stossweisen Seuf-
zern unterbrochen. Die Extremitäten liegen gestreckt neben
dem Rumpfe, ohne aber unbiegsam zu sein. Bewunderungs-
würdig ist die Geschicklichkeit der Schlafwandler im Klet-
tern und die Neigung dazu , besonders zur Zeit des Voll-
mondes.
Öl. Katalepsie ist mehr ein Symptom, als eine Krank-
heit, verleiht auch dem Kranken keinen bezeichnenden Aus-
druck ; zu bemerken ist die wächserne Biegsamkeit der Glie-
der , welche in derselben Stellung, die ihnen der Untersu-
chende gibt, verharren, wäre es selbst gegen die Gesetze
der Schwere oder der Beweglichkeit. Häufig wechselt sie
mit Epilepsie und allen Formen der Convulsionen.
52. Melancholischer Habitus. Melancholische
haben einen schlanken , magern Körper , häufig dunkles
42
Haar, bleiche, gelbliche Gesichtsfarbe ; die Haut ist trocken,
schuppig und bräunlich , die Nase mehr geröthet , die Phy-
siognomie stier und unbeweglich, und die krampfhaft ge-
spannten, zusammengezogenen Gesichfsmuskeln drücken
Traurigkeit , Furcht oder Schrecken aus. Die Augen stehen
stier, entweder zur Erde gesenkt, oder in die Ferne gerich-
tet, der Blick ist scheu, schielend, argwöhnisch; die Hände
sind abgemagert und fahl gefärbt oder angeschwollen und
violett (Esquirol). Die Bewegung geschieht langsam.
53. Monomanische sehen meist beseelt aus, sie
lachen, die Augen sind lebhaft und glänzend, die Bewe-
gungen geschehen meistens hastig und mit Leichtigkeit.
64. Eratomanischer Habitus. Die Augen sind
munter und belebt, der Blick zeigt Leidenschaft, die Mus-
kelthätigkeit ist vermehrt , wenn die Kranken in der Nähe
des geliebten Gegenstandes sind; findet aber das Gegentheil
Statt, so werden sie bleich, niedergeschlagen und die Be-
wegung träger , oder sie betasten ihre Zeugungstheile.
55. In der Nymphomanie wird zugleich alle Schick-
lichkeit bei Seite gesetzt , die Kranken entblössen sich, be-
sonders in Gegenwart von Personen anderen Geschlechtes,
machen geile Bewegungen und betasten die Schamtheile.
56. In der Manie ist das Gesicht gefärbt und aufge-
regt, oder bleich, die Augen strotzen und glänzen, oder
liegen hohl , das Haar ist gesträubt , die Bewegung
hastig.
57. Verwirrte machen fast in der Regel unwillkür-
liche Bewegungen und haben gewisse Manieren in ihren Ge-
sten. Manche laufen beständig umher , wie als ob sie etwas
suchten , das sie nicht finden können. Einige wiederholen
beständig eine und dieselbe Bewegung, oder kauern auf
derselben Stelle durch Monate, ja durch Jahre (Esquirol).
Das Gesicht ist meistens bleich, die Augen trübe, von Thrä-
nen befeuchtet, die Pupillen erweitert, die Conjunctiva in-
jicirt, die Physiognomie ohne bestimmten Ausdruck, der
43
Blick ungewiss. Der Körper erscheint mager, häufig aber
voll und wohlgenährt; der Hals ist gewöhnlich kurz.
58. Idioten zeigen nicht selten Spuren von Rachitis
oder Scrofeln. Der Kopf ist meistens zu gross oder zu klein,
verbildet , das Hinterhaupt flach und abgeplattet , im Ver-
hältnisse zum Gesichte klein. Die Zöge des letzteren er-
scheinen meistens unregelmässig, die Stirneist kurz, schmal,
fast spitzig , zuweilen rechts mehr gewölbt als links. Die
Augen sind von ungleicher Grösse, nicht selten schielend. Aus
dem weit geschlitzten , mit dicken Lippen versehenen , halb
offenen Munde fliesst Speichel. Die Sinneswerkzeuge zeigen
sich meistens unsymmetrisch und unvollkommen. Die Arme
sind häufig lang, contrahirt , abgemagert, die Hände un-
förmlich und dünn, die Finger bewegungslos oder gekrümmt.
Die Kranken halten die Arme schwankend und convulsivisch, er-
greifen die Körper linkisch, können sie nicht festhalten, so dass
sie ihnen aus den Händen fallen. Ihr Gang ist schwer, schwan-
kend, so dass sie leicht umgeworfen werden können. Manche
verharren aber in der Stellung, die man ihnen gibt; die
Haut ist dick, runzlich und weniger elastisch (Esquirol).
Nicht allein von Geisteskranken , von denen man übri-
gens sagen kann , dass keiner dem andern gleicht , sondern
überhaupt von den meisten Krankheiten Hessen sich Züge
auffinden, aus denen man characteristische Bilder entwerfen
könnte , allein dazu reichen beschränkte Kräfte und die ge-
wöhnlichen Verhältnisse, ja selbst die nicht unbedeutende
Gelegenheit, die ein Krankenhaus, wie das Wiener allgem.
Spital darbietet , nicht aus , dazu gehören eine durchdrin-
gende Beobachtungsgabe und die Forschungen wenigstens
einer Lebenszeit, um nur einigermassen den Anforderungen
zu entsprechen. Ich kann daher nichts Angelegeneres thun,
als vorstehende Zeilen der Nachsicht der geneigten Leser
empfehlen, die sie nur als Skizze betrachten, und so vieles
Mangelhafte durch eigene Erfahrung ersetzen mögen.
44
Zu erwähnen ist hier noch, dass die Zeichen der El e c-
t rici tat und des Magnetismus des kranken Körpers,
die sich an den geeigneten Instrumenten äussern, Gegen-
stand der Besichtigung werden.
Dazu dienen mancherlei Electrometer und die M a g-
netnadel, von deren Abweichung bei stark magnetischen
Personen man nicht selten sich zu überzeugen Gelegenheit
findet. Will man die Hautelectricität messen , muss man
über die der Luft in Gewissheit sein , indem man sonst un-
verlässliche Resultate gewinnen würde. Ebenso soll während
der Untersuchung die Gegenwart mehrerer Menschen ver-
mieden werden , da ihre verschiedene Electricität dabei nur
störend einwirken kann. Behufs der Untersuchung nehme der
auf dem Isolirschemmel befindliche Kranke den Condensator
eines Bo hn en berge r'schen Electrometers in die Hand,
und stelle dann denselben auf den Messingteller des In-
strumentes. Die Gold- und Strohstreifen zeigen dann
durch ihre Richtung die Art der Electricität und durch den
Grad ihrer Abweichung von einander einigermassen ihre
Intensität an.
Die Inspection geschieht entweder mit dem unbewaff-
neten Auge , oder mittelst der Loupe oder des Microscopes.
Unmittelbare und mittelbare Besichtigung. Über den
Gebrauch des Microscopes ist das Betreffende in dem
der chemisch-microscopischen Untersuchung gewidmeten Ab-
schnitte zu lesen.
Höhlen, in welche das Licht nicht dringt, oder deren
Wände an einander liegen (Mastdarm, Vagina), werden durch
Spiegel erweitert und dem Liohtzutritte geöffnet.
Die Sp iegel QSpecula, Diopteres) sind hohle
Cylinder von Metali (die von Glas sind verwerflich), welche
innen polirt sind, und je nach ihrem Zwecke, entweder aus einem
Stücke bestehen , oder aus mehreren von einander entfern-
baren Blättern zusammengesetzt sind. Über ihre Construc-
tion für die Untersuchung einzelner Organe und besondere
45
Zwecke und über die Handgriffe bei ihrer Anwendung- wird
an betreffenden Orten abgehandelt werden.
Übrigens wird daselbst auch noch von andern die Be-
sichtigung fördernden Instrumenten die Rede seyn , z. B.
vom Spatel, der zum Niederdrücken der Zunge dient, um
die Exploration der Mundhöhle zu erleichtern , vom Augen-
lidhalter , Inspector auris u. s. w.
Von der IVIeiisuraliou im Allgemeinen.
Die Mensuration dient dazu , die absolute und relative
Grösse eines Körpertheils, seinen Umfang' und seine Durch-
messer zu ermitteln , und wenn er zu den paarigen Organen
gehört, die Resultate der Messung mit denen, die sich an
der anderen Seite ergeben , zu vergleichen , so wie eine
etwa bemerkbare Ab- oder Zunahme des Volumens im Ver-
laufe einer Krankheit zu erkennen. Zum Theile beschäftigt
sie sich auch mit dem Gewichte des Körpers.
Die Mensuration ist eigentlich ein Zweig der Inspec-
tion , da sie auch den Gesichtssinn besonders in Anspruch
nimmt, und wenn es sich nicht um besondere Genauigkeit
handelt, durch das Augenmass geschieht; da sie aber, wenn
sie irgend richtige Resultate liefern soll , durch besondere
Instrumente vermittelt wird, und in manchen Fällen ent-
scheidende Aufschlüsse gibt , wo die blosse Besichtigung
uns im Stiche lässt, so verdient sie wohl von letzterer ge-
trennt abgehandelt zu werden.
Dass die durch die Mensuration gewonnenen Ergebnisse
allein , ohne mit den andern Explorations-Methoden Hand in
Hand zu gehen , nur einen sehr beschränkten Werth haben,
wird wohl Jeder einsehen , der sich nur einigermassen mit
physicalischer Untersuchung beschäftigt, nicht minder aber
46
auch , dass diese Ergebnisse oft nur anscheinend unbedeu-
tend sind , und krankhaften Processen von grosser Wichtig-
keit ihre Entstehung verdanken, so z. B. ist ein Unterschied
der Circumferenz von '/a — i" beider Thoraxhälften schon
hinreichend, einen bedeutenden pleuritischen Erguss zumuth-
massen, und zwar mit beinahe entschiedener Gewissheit,
wenn gleichzeitig andere characteristische Zeichen für dessen
Bestehen sprechen.
Die Instrumente , deren man sich zur Mensuration be-
dient, sind ein gewöhnlicher, in Schuhe, Zolle und Linien
getheilter Längenmassstab; Circumferenzen misst man
mittelst nicht elastischer, graduirter Bänder (wie sie
die Schneider als Masse gebrauchen) oder derMessket t e.
Letzterer ist von Messing, und besteht aus flachgedrückten,
mit Ziffern bezeichneten Gliedern, deren vier auf einen
Zoll gehen. Das graduirte Band mit dem Stethoscope ver-
eint zu haben, wie es Montault empfiehlt, halte ich nicht
für gerathen , da dadurch die Schallleitung des Hörrohres
gestört werden kann.
Durchmesser werden mittelst des Tasterzirkels ge-
messen. Dieser besteht aus zwei in einem Halbkreise gebo-
genen , an den Spitzen mit Knöpfen £ aa) versehenen stäh-
lernen Schenkeln [AÄ) und aus dem Mittelstücke fll), an
welchem ein Gradbogen (C) befindlich ist, worauf die Zolle
und Linien , welche durch die Enden der Schenkel gemes-
sen werden, im verjüngten Massstabe verzeichnet sich be-
finden.
Um das Instrument bequem bei sich tragen zu können,
ist es so eingerichtet , dass man die Schenkel aus dem Mit-
telstücke nach Belieben entfernen , oder daselbst durch
Schrauben (&&) befestigen kann.
47
Von andern Instrumenten, welche dazu dienen, ein-
zelne Theile zu bemessen, z. B. Palatometer, graduirte Son-
den , Beckenmesser u. s. w. , wird seines Orts im speciellen
Theile die Rede sein.
48
Der Kopf wird im Allgemeinen auf folgende Weise ab-
gemessen :
Den geraden Durchmesser erhält man, wenn
man den einen Knopf des Tasterzirkels auf die Glabella, den
andern auf die hervorragendste Stelle des Hinterhaupt-
heines setzt.
Der quere Durchmesser wird genommen, wenn
man die Zirkelspitzen ober den Ohren an der breitesten Stelle
aufsetzt.
Für den schrägen Durchmesser sind der Zitzen-
fortsatz einerseits , anderseits der Processus xygomaticus
Ansatzpuncte; für die Höhe des Schädels der War-
zenfortsatz und der Scheitel.
Der Umfang des Schädels wird mit dem Bande in
der Ebene gemessen, in welche der Hinterhaupthöcker, die
Ohrhöhe und die Glabella liegen. Den Grad der Wölbung
des Schädels erhält man, wenn man den horizontalen
Umfang desselben in verschiedenen durch das Cranium ge-
dachten Ebenen misst.
Das Verhältniss des Vorderkopfes zum Hinterhaupte er-
gibt sich durch die Messung von der Nasenwurzel zum
Scheitel und durch Betrachtung der Entfernung von hier bis
zum Anfang des Nackens an einer dem Hinterhauptsloche
entsprechenden Stelle.
Nach C a r u s misst man , um die räumlichen Verhält-
nisse der Kopfwirbel (nach seinem Systeme) zu erhalten, auf
folgende Weise :
Man erforscht:
1. Die Breite aller 3 Schädelwirbel , also :
o) Die Breite der Stirn beiderseits gegen die Kranz-
naht hin.
b) Die Breite des Mittelhauptes in der Entfernung der
beiden Scheitelbeinehöcker, und
cj Die Breite des Hinterhauptes an den beiden un-
49
tern Enden der Lambdanaht und hinter den Zitzenfortsätzen
der Schläfenbeine.
2. Um die Höhe aller 3 Kopfwirbel zu erhalten, muss
man den äussern knöchernen Gehörgang zum Stützpuncte
haben. Man setzt das eine geknöpfte Ende des Tasterzir-
kels entweder am trockenen Schädel unmittelbar dort , oder
am Lebenden so tief in den knorpeligen Gehörgang ein, dass
er bis gegen den Anfang des knöchernen Canals zu liegen
kommt , und misst nun von da
a) bis gegen die Mitte der stärksten Wölbung der Stirn,
die Höhe des Vorderhauptwirbels ;
b) bis gegen die stärkste Wölbung des Scheitels in der
Pfeilnaht , die Höhe des Mittelhauptwirbels ;
c) bis gegen die stärkste Wölbung des Hinterhaupt-
beines , die Höhe des Hinterhauptwirbels.
3. Die Länge jedes der 3 Schädelwirbel findet sich,
wenn man
d) Von der Nasenwurzel aus die Länge der Stirne bis
zum Anfange der Pfeilnaht misst, als Länge des Vorder-
hauptwirbels.
b) Die Länge der ganzen Pfeilnaht, oder des oberen
Randes der Scheitelbeine misst , als Länge des Mittelhaupt-
wirbels.
cj Die Länge des Hinterhauptes von der höchsten Mitte
der Lambdanaht bis zum Hinterrande des Foramen maynum
nimmt , als Länge des Hinterhauptwirbels.
Misst man an einer lebenden Person , so kann man auf
die Dimension des knöchernen Schädels nur schliessen, wenn
man bei jedem Masse 2 Linien für die Dicke der Haut in
Abzug bringt.
Will man beide Schädelhälft en mit einander ver-
gleichen, so denke man sich das Cranium durch eine von
der Nasenwurzel über die Pfeilnaht zum Hinterhaupthöcker
gezogene Linie in zwei Hemisphären getheilt. Eine zweite
Gaal Diagnostik. 4
:
50 f
inie geht horizontal von der Glabella hart ober den Ohren
zur Protuberantia occipitalis. Nun misst man beiderseits so-
^Yfohl die Schädelhöhle, als mittelst des graduirten Bandes
<Jen halbseitigen Umfang, und vergleicht die Ergebnisse der
^.Mensuration an beiden Kopfhälften. Dass an Lebenden der-
lei Messungen nur annäherungsweise genaue Resultate ge-
/ ben, hat darin seinen Grund, weil man sich nicht leicht wie
am trockenen Schädel die Linien wirklich ziehen , sondern
nur gezogen denken kann.
Den Umfang des Thorax misst man mit dem gra-
duirten Bande oder der Messkette , und notirt sowohl das
während des Einathmens, als das während der Exspiration
erhaltene Mass, aus deren Vergleichung sich dann die mitt-
lere Zahl ergibt.
Zu dem Zwecke wird das eine Ende des Instrumentes
auf den Dornfortsatz des zweiten Rückenwirkeis gesetzt,
und die massig gespannte und gut anliegende Kette bis zu
dem Mittelpuncte der Handhabe des Brustblattes , den man
sich früher entweder mit Tinte oder durch einen Nagelein-
druck bezeichnet hat , geführt, wenn es sich darum handelt,
den Umfang einer Brusthälfte zu bestimmen , und mit dem
der andern zu vergleichen ; — wünscht man aber die Cir-
cumferenz der ganzen Brust zu erhalten , so geht man mit
dem Instrumente in demselben Niveau weiter über den Tho-
rax , bis man wieder zum Dornfortsatze gelangt. Nun hat
man die obere Circumferenz der Brust ; diese ist aber nicht
hinreichend ; man muss meistens eine mittlere unter der Brust-
warze, und eine untere von dem Dornfortsatze der 12. Rippe
bis zum Schwertfortsatze des Brustblattes messen. Aus der
durch mehrere in verschiedenen Zeiträumen vorgenommenen
Messungen ersichtlichen Zu- oder Abnahme des Brustum-
fangs während des Verlaufes von Krankheiten , z. B. Pleu-
ritis , ergeben sich wichtige Schlüsse auf das Wachsen oder
die Verminderung des Leidens. Zu bemerken ist übrigens,
51
dass der rechte Thorax in der Regel etwas umfänglicher ist,
als der linke, und dass der halbe Zoll, der ihm zu Gute
kommt , bei vergleichender Messung heider Brusthälften,
rechterseits immer abzuziehen ist.
Die Durchmesser des Thorax werden mittelst des
Tasterzirkels ermittelt ; der gerade geht von der Mitte des
Brustbeins zum entsprechenden Dornfortsatze. Man kann
auch mehrere gerade Durchmesser annehmen, deren End-
puncte in den Ebenen liegen , in welchen man den Umfang
des Thorax misst.
Quere Durchmesser werden nach Seeger sowohl durch
die grösste Convexität der 4. Rippen beiderseits, als auch
durch dieselben Puncte der beiden 8. Rippen gezogen ge-
dacht.
Piorry misst auch einen Längendurchmesser von einem
im Niveau der Schlüsselbeine gelegenen Punkte der Schul-
ter bis zu dem vorspringenden Rande an der Spitze der letz-
ten wahren Rippe. Die dadurch gewonnenen Resultate ha-
ben aber einen geringeren Werth , als die , welche sich aus
der Betrachtung der Circumferenz des Thorax ergeben.
Finden sich Verschiedenheiten des Umfanges in einzel-
nen Gegenden der Brust, so misst man auf die angegebenen
Weisen , beschränkt sich aber auf die fraglichen Stellen.
Der Umfang des Unterleibes wird auf dieselbe
Weise geschätzt, doch ist es gerathen, denselben zugleich
an mehreren Stellen zu messen; z. B. in einer Linie vom Na-
bel über die Lenden bis zum Dornfortsatze, um so den Um-
fang und die Höhe des ganzen Bauches zu erkennen ; ferner
die Entfernung von der Spitze des schwertförmigen Knor-
pels über den Nabel bis zur Schambeinfuge zu bestimmen,
woraus sich die Wölbung der vorderen Bauchwand ergibt ,
und endlich eine von den letzten Rippen zum Darmbeinkamme
gezogene Linie zu bemessen. Hierdurch wird, wenn sich
bei wiederholter Messung eine Veränderung ergibt, ein ein-
62
seitiger und daher trügerischer Schluss verhütet, zu dem
die Messung einer der genannten Linien allein sicher führen
würde.
Grössenverhältnisse des Menschen im Allge-
meinen.
Es ist nöthig, bestimmte Ansichten über die normalen
Grössenverhältnisse des Menschen und seiner Theile zu be-
sitzen, um Abweichungen von der Regel mit Sicherheit er-
kennen zu können. In folgenden Zeilen werden wir versu-
chen, einige Ergebnisse der Mensuration im Allgemeinen,
die wir Arnold's Handbuch der Anatomie entnommen, in
Kürze wieder zu geben und uns bestreben , Veränderungen
in den räumlichen Verhältnissen einzelner Theile , so weit
sie durch Mensuration sich nachweisen lassen , ihres Ortes
im speciellen Theile mit möglichster Gründlichkeit und Kürze
zu erörtern.
Die Grösse , der Umfang und daher auch das Gewicht
des erwachsenen Körpers und seiner Theile wechseln so wie
die äussere Form.
Die Höhe des männlichen Körpers unserer Race und
Zone beträgt zwischen 54 — 70 Zoll. Die mittlere Grösse des
Mannes wird auf ö Pariser Fuss und 2—4 Zoll geschätzt,
die des Weibes um 5 — 6 Zoll weniger , die Race hat natür-
lich viel Einfluss auf die Grössenverhältnisse , so dass die
mittlere Grösse des Menschengeschlechtes zwischen 4 — 6
Fuss 3 Zoll schwankt. Nach Q u e t e 1 e t's Forschungen sind
Städter gewöhnlich grösser als Landbewohner , indem letz-
tere sich eines geringeren Wohlstandes und einer minderen
Ernährung zu erfreuen haben. Da wir in Folge der Ermü-
dung im Stehen und Sitzen den Stamm sinken lassen, und
den Hals- und Lendentheil der Wirbelsäule etwas nach vor-
wärts beugen, erscheinen wir Abends kleiner, als frühMor-
63
gens, gleich nachdem wir das Bett verlassen. — Am schnell-
sten wächst der Mensch bis zum 7. Jahre ; von diesem bis
zur Zeit der Pubertät geht das Wachsthum langsamer vor
sich. Von der Pubertät bis zum 20. Jahre bemerkt man wie-
der eine schnellere Entwicklung des Körpers.
Die Breite und Dicke des Leibes hängt von der Aus-
bildung des Gerippes , dem Knochenbaue , der Musculatur
und dem Fettreichthume ab. Die Breite des Kopfes wechselt
zwischen 5 — 6 Zoll, die der Brust in der Gegend der 7. Rippe
zwischen 10 — il Zoll, die Schulterhöhen schwanken zwi-
schen 13 — 15 Zoll, der Querdurchmesser des Beckens be-
trägt an den Rollhügeln zwischen 11 — 12 Zoll. Diess gilt
natürlich nur von dem Knochengerüste; über das, was man
diesermassen für die bedeckenden Theile zuzugeben hat,
lässt sich kein bestimmtes Verhältniss ermitteln , denn zwi-
schen mager und dickleibig gibt es noch viele Zwischen-
stufen.
Das Gewicht des Körpers ist sehr verschieden; doch
scheint es nach Quetelet, dass die Gewichte vollkommen
entwickelter Personen beiderlei Geschlechts sich ungefähr
wie die Quadrate des Wuchses zu einander verhalten. Das
Durchschnitts-Verhältniss zwischen den leichtesten und
schwersten Individuen ist wie 1 : 2 anzunehmen ; hinsicht-
lich des Wuchses ist das Durchschnitts-Verhältniss wie 1 : 1 /3 ;
ein neugebornes Kind ist im Durchschnitte 16 — 20 Zoll lang',
und wiegt 6 — 7 Pfunde, es nimmt bis Ende des 9. Monats
an Länge bis 6—8 Zolle, und an Gewicht um 10 — 12 Pf.
zu. Mit dem 7. Jahre erreicht es zuweilen eine Länge von
42 Zoll und ein Gewicht von 40 Pfunden. Das Maximum des
Gewichtes erreicht der Körper zwischen dem 40. bis 50. Le-
bensjahre. Nach Quetelet verliert der Körper im hohen
Alter bei 12 — 14 Pfunde an Schwere. Das mittlere Gewicht
des Mannes von 60/ Zoll Höhe beträgt 126 Pfunde; des
Weibes von 56/, Zoll Höhe, 110 Pfunde. Das Gewicht va-
riirt bei Männern zwischen 96 — 198 , bei Weibern zwischen
54
86—178 Pfunden. Es scheint, dass man beiläufig* auf 1 Zoll
Höhe 32 Unzen Gewichtes rechnen kann. Das specifische Ge-
wicht des Körpers beträgt im Mittel 1,0551 &). Puchelt
will eine auffallende Verminderung der Schwere bei croup-
kranken Kindern , die viel Calomel genommen hatten , be-
merkt haben. Die scheinbare Schwere des Körpers in der te-
tanischen Starre darf übrigens nicht mit wirklicher verwech-
selt werden.
Die Theile des Körpers stehen wieder im gewissen Ver-
hältnisse der Grösse zu einander. Um die Proportionen
zu schätzen , nahmen die Alten die Länge des Fusses als
Maasseinheit an , bei den Neueren gilt die Kopfhöhe als
solche; Arnold findet aber als Ergebniss vieler Messun-
gen , dass der Kopf für den Rumpf, die Hand für den Arm,
und der Fuss für das ganze Bein als Maasseinheiten anzu-
nehmen seien. Die Mitte der Kopfhöhe variirt ein wenig*.
Weiber haben gewöhnlich kürzere Füsse im Verhältnisse zum
Stamme , als Männer. Die Mitte der Körperhöhe fällt daher
bald auf, bald über , bald unter die Schambeinsvereinigung.
Nach Arnold stehen einzelne Partien des Körpers in ihren
kleineren Theilen in einem viel geregelteren Verhältnisse,
als die Hauptabtheilungen derselben zu einander. Nach des-
selben Forschers Messungen ergibt sich, dass die Höhe der
Vorderfläche des Kopfes mit 3 multiplicirt , gleich der des
Rumpfes (vom Kinne bis zur Schamfuge) sei. Die Läng'e der
Hand X mit 3 ist die des Ober- und Vorderarmes; dieFuss-
länge X mit 3 gibt die des Ober- und Unterschenkels.
Die Höhe des Kopfes hat im
Männer Weiber
Durchschnitte 8" 7" 6 "
multiplicirt mit 3 3
Höhe des Rumpfes 24" 22" 6 "
*) Krause Handbuch der Anatomie §. 228.
Männer
Weiber
32'
30'
9" 9"
8" 6"'
3
3
29 3"
25 6
2" 9'"
2' 6 '
32'
28''
32
30'
64''
58"
7' 3'"
6 " 6 '
3
3
21 9
19" 6 '
7" 3'"
6' 6 '
29'
26"
55
Kopf und Rumpf zusammen . . .
Die Länge des Fusses beträgt . .
multiplicirt mit
Länge des Ober- und Unterschenkels
Zusammen mit der Höhe der Fusswurzel
Macht für die Höhe der untern Glieder
dazu Kopf- und Rumpfhöhe . . .
Gibt die Körperhöhe
Die mittlere Länge der Hand beträgt
multiplicirt mit
ergibt die Länge des Ober- und Vor-
derarmes
dazu die Handlänge gerechnet
gibt das Maass für die Extremität
Nach demselben Gesetze lässt sich die normale und zu
den übrigen Theilen proportionale Grösse einzelner kleinerer
Parthien des menschlichen Körpers um so richtiger bestim-
men , da die Natur in ihrer Bildung denselben Typus befolgt,
der in dem Verhältnisse der Entwicklung grösserer Abschnitte
des Körpers ersichtlich ist.
Arnold 5''s) hat auf diese Art die Länge der Nasen-
beine , des Oberkiefertheiles des Antlitzes u. s. w. bestimmt.
Dass übrigens auch Abweichungen von der Regel vorkom-
men , findet in dem Erscheinen so vieler Abnormitäten ande-
rer Art seine Erklärung; es zeigt sich demnach nicht selten
selbst bei übrigens wohl proportionirten Körpern ein Über-
wiegen eines Theiles über den andern; doch sind die mitt-
leren Proportionen , welche von Anatomen und Künstlern er-
mittelt wurden , und die doch wieder einem gewissen Prin-
cipe zu gehorchen scheinen, folgende:
*) 1. c. p. 73.
56
Männer Weiber
Schädeltheil des Kopfes .... 3" 8" 3" 6 "
Antlitztheil 4" 4" 4"
Oberkiefertheil 2" 8" 2' 6"
Unterkiefertheil 1" 8" 1" 6"
Hals und Brust 12" 10"
Hals 3 9 3" 9"
Brust bis zur Spitze des Schwert-
fortsatzes 8" 3'" 6" 3'"
Von der Herzgrube bis zur Spitze
des Schwertfortsatzes . . . r/2" 2"
Bauch 12' 12" 6
Von der Spitze des Proc. ensifor-
mis bis zum Nabel .... 6" 6"
Vom Nabel bis zur Symphyse . . 6" 6" 6"
Oberarm 12" 11"
Vorderarm . 9" 9" 8" 6"'
Oberschenkel 16" 13" %'"
Unterschenkel 13" 3" 11" V"
Was die Breite und Dicke betrifft, so lässt sich diese
nicht nach bestimmten Regeln ermitteln und ihre Proportion
ist sehr schwankend.
Männer Weiber
Grösste Breite des Kopfes dicht über
den Ohren 6" 5 6"
Dicke von der Stirne zum Hinterhaupte 7" 6" 6"'
Breite in der Augengegend ... 5' 4" 7"
Hievon kommt ein Theil auf die Breite der Nasenwur-
zel, bis zum innern Augenwinkel, der 2. und 3. Theil auf
die Augenlidspalten , der 4. und 5. auf die Schläfen.
Männer Weiber
Die Breite der Wangen in der Höhe
der Nasenflügel beträgt . • . . 4" 2" 3" 9"
Männer
Weiber
5" 6"'
5
4"
3* 9 '
9 " 6
8" 6'"
10'' 6 '
9 6"
14
12 6
67
Zwei von den inneren Augenwinkeln abwärts gezogene
senkrechte Linien schliessen die Basis der Nase mit den Flü-
geln derselben zwischen sich ein.
Breiten-Durchmesser dicht vor den Oh-
ren an der Wurzel der Jochbögen
Der Hals ist so breit und so dick, wie
eine halbe Kopthöhe
somit Breite der Brust in der Höhe der
Achselgruben
Breite in der Gegend der 7. u. 8. Rippe 10" 6
Von einer Schulterhöhe zur andern
Breite des Bauches in der Höhe der
Hüftbeinkämme 11" 10" 6"
Beckenbreite von einem Trochanter zum
andern 11" 6" 11" 6"
Die Dicke des Oberarmes verhält sich zu dessen Breite
wie 2 : l'/2 , die des Fusses wie 1 : 2.
Findet man nun durch die Ergebnisse der Messung,
welche entweder nur obenhin durch das Augenmaass ge-
schieht , oder als eigentliche Mensuration durch Instrumente
vorgenommen wird, ein die Räumlichkeit oder das Gewicht
betreffendes Symptom, das entweder durch seine Bedeutsam-
keit oder Ungewöhnlichkeit auffällt, so handelt es sich darum,
zu beurtheilen, ob dasselbe constant oder zeitweilig besteht,
ob es zu- oder abnimmt, in welchem Grade und welcher Ex-
tension dasselbe sich kund gibt, und in welchem Zusammen-
hange es mit andern krankhaften Erscheinungen stehe.
Im Allgemeinen magern Kranke häufiger ab , als sie
an Umfange gewinnen , und die Volumszunahme ist oft nur
partiell (z. B. bei Ascites). Abmagern , das eine länger
dauernde Kränklichkeit begleitet , ist meist durch ein tiefe-
res Leiden eines wichtigen innern Organes bedingt; verzehrt
68
sich der Organismus schnell, so ist eine ungünstige Pro-
gnose zu stellen. Die Ursachen der Abmagerung sind sehr
verschieden , Consumtionskrankheiten , Erlöschen der Ge-
schlechtsfunction , eingreifende Verdauungsstörungen, De-
primentia, Ausschweifungen, Missbrauch von Säuren, Blei,
Jod, Metallpräparaten u. s. w.
In vielen Fällen ist die Abmagerung partiell, oder beob-
achtet eine gewisse Reihenfolge in Ergreifung verschiedener
Provinzen des Organismus. So magern bei Scrophula mese-
raica , bei Rückenmarksleiden , chronischer Darmverschwä-
rung die Füsse auffallend ab •, so schreitet bei Diabetes die
Abmagerung von den Füssen zuweilen nach aufwärts fort.
In der Lungentuberculose schwindet die Gegend um die
Schlüsselbeine, und die obern Extremitäten werden schmächtig.
Die Wohlbeleibtheit ist immer bei Kindern und
Frauen häufiger als bei Männern.
Zunahme des Umfang es des ganzen Körpers
oder eines grösseren Abschnittes desselben bemerken wir
zuweilen bei allgemeiner Plethora, Fettsucht, Ödem, Haut-
wassersucht , in manchen Fällen von Chlorose und dem
selten beobachteten ausgebreiteten , oberflächlichen Em-
physeme.
Das Kl ein bleiben ist ein Fehler der Entwicklung
(z. B. bei Rachitis), und nicht mit Klein werden zu ver-
wechseln , das durch Alter , Nachlass der Kräfte , vorwärts
gebeugte Haltung, Leiden der Gelenkköpfe und Zwischen-
knorpel zu Stande kömmt. Hier ist auch der nicht selten
zu beobachtenden Verkürzung einer Extremität zu erwähnen,
die entweder scheinbar oder wirklich , und häufig Beglei-
terin der Coxalgie ist.
Vergrösserung des Körpers ist meist nur schein-
bar , wie es in der Reconvalescenz nach mit Abmagerung
verbundenen Krankheiten der Fall ist, oder sie ist wirklich,
durch schnelles Wachsthum bedingt. Theilweise Verlänge-
rung, z. B. des Thorax, wird in Brustkrankheiten, schein-
59
bare oder wirkliche Längenzunahme der Extremitäten inAr-
throcace etc. beobachtet.
Ton der Palpation im Allgemeinen.
Durch den Tastsinn erkennen wir die Form von krank-
haft veränderten Körpertheilen , wo die Besichtigung* dieser
allein nicht hinreicht, zu erkennen, wie dieselbe beschaffen
sei, ob begränzt oder im Umfange, wie verwaschen endigend
(Ödem, oberflächliches Emphysem) , rund, oval oder eckig;
ob sie regelmässig oder irregulär gefunden werde; ob die
untersuchten Theile glatt und eben, oder rauh, uneben, höckerig
seien (Krebsmassen) ; ob eine vorhandene Geschwulst aus einem
Stücke bestehe , oder ob man davon mehrere Abschnitte, die
zuweilen mit einander zusammenhängen , fühlen könne , und
wie weit sich eine Anschwellung verfolgen lasse (Entzün-
dung der Lymphgefässe , Neurome am Vagus) u. s. w.
Dem Tastsinne liegt es ferner ob, über die Resistenz
und Elasticität der Theile zu urtheilen ; die Geschwulst
beim Rothlaufe findet man z. B. meistens elastisch. Von dem
Widerstände , den der klopfende Finger beim Percutiren er-
fährt , handelt der der Percussion gewidmete Abschnitt. Die
Palpation findet die zu untersuchende Partie hart oder weich
und beim Drucke nachgiebig, den Fingereindruck längere
Zeit behaltend (Anasarca, Ödem), teigig oder elastisch ge-
spannt (entzündliche Geschwulst , Abscesse) oder schlaff,
wie bei Polypen. Zwischen den genannten Qualitäten des
Getastes, gibt es viele Zwischenstufen ; so ist z. B. die Ge-
schwulst bei Brightischer Wassersucht wohl teigig, aber
doch mehr gespannt und resistent, als bei gewöhnlicher
Anasarca, so ist sie bei Induratio textus cellulosi härter als
beim Ödem. Emphysem der Haut ist weich, elastisch, be-
hält den Fingerdruck, und erregt dabei die Empfindung eines
eigenen knisternden Gefühles.
60
Durch die Anwendung; der Fingerspitzen erkennen wir
ferner, ob eine Geschwulst beweglich, verschiebbar ist oder
nicht , ob sie zusammengedrückt werden ," und ihr Gehalt
nach einer Seite entweichen kann , z. B. Hautemphysem,
Congestionsabscesseu. s. w. Eine Art von künstlich in einer
untersuchten Stelle hervorgerufener Bewegung ist ferner die
Fluctuation.
Ist eine kleine Stelle , z. B. ein Abscess auf die Flu c-
tuation zu untersuchen, so stellt man die Spitzen der bei-
den Mittelfinger auf die Geschwulst und drückt abwechselnd
damit. Während nun der Eine derselben niederdrückt , so
bekommt der andere das Gefühl , als würde er emporgeho-
ben. Ist die Geschwulst keine von den kleinen , so thut man
gut, die Finger einer Hand an ein Ende derselben zule-
gen , um die durch Klopfen mit der anderen Hand in Bewe-
gung gesetzte Flüssigkeitswelle anprallen zu fühlen.
Ist die Flüssigkeit in einer grösseren Höhle , z. B. in
der Bauchhöhle, so kann man dieselbe Explorationsmethode
anwenden, so wie auch nach der Weise Tarral's die so-
genannte peripherische Fluctuation hervorrufen.
Derselbe empfiehlt die tastende Hand auf die gewöhnliche
Weise auf einer Seite des Bauches anzulegen und mit den
Fingern der andern schnellend oder schnipsend an der gegen-
über liegenden Seite zu klopfen. Diese Untersuchungsweise
gewährt den Vortheil, dass die sehr geringe Bewegungsich
nur der Flüssigkeit, nicht aber den etwa vorhandenen Fettmas-
sen oder Geschwülsten mittheilt , welche durch stärkeres
Anklopfen, wie es auf die gewöhnliche Weise geschieht, in
Schwingung versetzt , diese der angelegten Hand zuweilen
auf eine täuschende Weise als Empfindung von Fluctuation
überliefern , ohne dass Flüssigkeit vorhanden ist. Glaubt
man, dass freie Flüssigkeit angesammelt sei, so ist es bis-
weilen möglich , sich über ihre Gegenwart dadurch zu ver-
gewissern , dass man sie ihren Ort wechseln lässt ,
und an jeder Stelle aufs iVeue Fluctuation hervorzurufen
61
sucht. Zu dem Ende untersuche man den Kranken sowohl
stehend, als am Rücken liegend, als auf die Knie und Ellbo-
gen gestützt, wobei die Flüssigkeit, die den Gesetzen der
Schwere zu Folge, immer den am tiefsten gelegenen Ort
einnimmt, unter verschiedenen räumlichen Verhältnissen ge-
prüft werden kann.
Hier erwähnen wir auch die Succussion des Kran-
ken , wodurch man , wenn in einer Höhle freie Flüssigkeit
enthalten ist , deren Bewegung zuweilen äusserlich fühlt.
Zu den eigenen Sensationen, die der Arzt erfährt, wenn
er im zu untersuchenden Theile Bewegung hervorruft, ge-
hört das schon angeführte Knistern beim Hautemphyseme
und das Crepitiren der Knochenenden bei Beinbrüchen,
wenn man sie durch Bewegung übereinander gleiten lässt.
Durch die Palpation wird ferner erkannt, ob die zu un-
tersuchende Stelle trocken ist, und zwar vielleicht in dem
Grade, dass sie beim Darüberstreifen der Hand rauscht, oder
ob sie feucht , selbst nass gefühlt wird. Die dabei an den
Fingern haftende Feuchtigkeit (Schweiss , Schleim , Blut)
ist entweder klebrig oder nicht, dünnflüssig, viseid oder
fettig , was theils durch Zusammendrücken derselben zwi-
schen den Spitzen des Daumens und Zeigefingers erkannt
wird , oder sich durch das eigene nicht näher zu beschrei-
bende Gefühl kund gibt. Dass auch die Inspection dabei zu
Rathe gezogen werden muss , um über die Dichte und Con-
sistenz der an den Fingern haftenden Flüssigkeit näheren
Aufschluss zu geben, ist einleuchtend ; manche Eigenschaf-
ten des Schweisses aber zu prüfen , fällt der chemischen
Untersuchung durch Reagenspapier u. s. w. anheim.
Durch das Getaste prüfen wir ferner die Temperatur
gewisser Theile ; diess geschieht gewöhnlich mit der Hand,
in selteneren Fällen muss wohl das Thermometer zu Hilfe
genommen werden.
Die untersuchende Hand sei dabei massig erwärmt, da
das Betasten mit einer zu kalten Hand sowohl dem Kranken
m
lästig* fällt, als auch durch den Temperatursunterschied bei-
der leicht Täuschung verursacht werden kann. Aus dem letz-
teren Grunde soll auch der Arzt , so lange er noch zu sehr
erhitzt ist , keine Untersuchung vornehmen.
Die Untersuchung mittelst des Thermometers ge-
schieht durch Aufsetzen der Quecksilberkugel eines gewöhn-
lichen Reaumurischen Instrumentes auf die Hautfläche oder
durch Einsenken derselben in die zu untersuchende Körperhöhe
und Ablesen des betreffenden Temperaturgrades an der Scala.
Durch thermometrische Untersuchungen ergab sich, dass
in gesunden Individuen die Temperatur in der Achselgrube
und Leistengegend constant höher sei, als an den übrigen
Stellen des Körpers, die Wärme in der Vagina aber stets
grösser sich zeige , als selbst in der Achselhöhle. Sie be-
trägt daselbst 29-30°, im Munde 24—32°, amEpigastrium
26-31'/,°, in der Hohlhand 18'/— 29°. Die Temperatur der
Kinder ist nach Edwards um 1 — l1/, Grade geringer als
die der Erwachsenen. Eben so findet man auch bei Greisen eine
«
um 1 — 2° niedere Temperatur. Nach Autenrieth ist sie
im Schlafe und des Morgens um 1 — '/3° geringer als zu je-
der anderen Zeit.
In Krankheiten wird die Temperatur gewöhnlich geän-
dert , und ist die Vertheilung der Wärme auch von verschie-
denen Körpertheilen eine differente, so sind z. B. im hecti-
schen Fieber die Handteller undFusssohlen auffallend heiss ;
man muss daher jedesmal, wenn man die Hautwärme unter-
sucht, an verschiedenen Körperstellen, am Kopfe so wie
an den Extremitäten zufühlen. Die eigene Empfindung, ob
die Hitze eine trockene oder feuchte , eine angenehme oder
unangenehme, stechende Qcalor mordax) ist, kann man
nur durch die aufgelegte Hand , nie aber durch das aufge-
setzte Thermometer ermitteln. Die beissende Hitze charac-
terisirt sich dadurch; dass die Wärme bei längerem Ver-
weilen der aufgelegten Hand unter derselben zuzunehmen
scheint , und in dieser eine eigene , prickelnde Empfindung
63
erzeugt, wahrend sie auf dem Instrumente eine von der
normalen Temperatur nur unbedeutend abweichende Verän-
derung hervorbringt. Unter allen Krankheiten , welche mit
Wärmeverminderu n g verbunden sind , steht die Cho-
lera oben an; man fand jene selbst im Munde auf 20 — 18°
gesunken. Deprimentia, phlegmatisches und nervöses Tem-
perament, Anämie, Chlorose, Hydrops, Cyanose bewirken
oft eine nicht unbeträchtliche Wärmeverminderung.
Bei Lähmungen zeigen sich gewöhnlich die erkrankten
Theile kühler , als die gesunden. Man muss aber nicht ver-
gessen, dass hier nur von objectiver Wärme die Rede ist,
die meistens zur subjectiven , vom Kranken empfundenen
Wärmeveränderung in keinem Verhältnisse steht. Doch fin-
det man bei heftigen Fieberfrösten die thermometrische Wärme
gesunken. Zeigt sich erhöhte Wärme, so muss man
stets berücksichtigen, ob diese durch Aufregung, Spiri-
tuosa , Verweilen in einem sehr warmen Medium veranlasst,
oder von inneren constanten Momenten bedingt wird. Im
Hitzestadium vom Fieber kann die Wärmeerhöhung erstaun-
lich werden. Willan fand die Temperatur der Haut im
Scharlach von 110° bis 112° (Fahrenheit).
Aber nicht allein die angegebenen physicalischen Ei-
genschaften der Körpertheile machen sie zum Gegenstande
der Palpation. Dass durch Betasten subjective Empfindun-
gen, Schmerz u. dgl. erregt werden, ist bekannt, darauf
näher einzugehen, liegt ausser dem Plane unserer Abhand-
lung. Wir stossen aber auf gewisse vitale Bewegun-
gen, welche durch das Getaste wahrgenommen werden, und
deren Erforschung strenge unserem Bereiche anheimfällt.
So fühlt die auf den Unterleib einer Schwangeren ge-
legte Hand, in der zweiten Hälfte der Schwangerschaftszeit,
die Bewegung des Fötus, besonders, wenn man zu-
gleich den Uterus ballotiren lässt, und die an der ßauch-
wand fühlende Hand kalt ist.
64
Auf diese Untersuchungsweise werden wir übrigens sei-
nes Ortes zurück kommen.
Setzt man auf stark magnetische Kranke einen gewöhn-
lichen einfachen Magnetstab, so erhält die denselben füh-
rende Hand die Empfindung, als ob der berührte Thcil des
Kranken daran hafte , der auch nicht selten dem Zuge des
Stäbchens folgt.
Die Bewegung des normalen A t h m e n s ist der auf den
Thorax aufgelegten Hand durch ein nicht wTohl zu beschrei-
bendes elastisches Wogen fühlbar, daraus lassen sich Ab-
normitäten des Athmens , seine Zeit, seinen Rythmus , seine
Grösse u. s. w. betreffend , um so leichter bestimmen , wenn
man dabei die Inspection zu Rathe zieht.
Ein für die Diagnose der Brustkrankheiten sehr wich-
tiges Symptom ist die durch die Hand wahrnehmbare V ib ra-
tio n der Thoraxwände während des Sprechens (Reynaud).
Besonders deutlich stellt sich dieses an der Rückenfläche
der Brust dar , und wird bei gewissen Krankheiten dersel-
ben vermindert, ja selbst unfühlbar.
Des in der Herzgegend zu beobachtenden Impulses
des Herzens und seiner krankhaften Veränderungen wird im
Verlaufe dieser Blätter weitläufig gedacht werden , ebenso
des eigenthümlichen Schwirren s, das der aufgelegte Fin-
ger über manchen Arterien bei gewissen Krankheiten der
Circulationsorgane fühlt.
Eine der wichtigsten Erscheinungen, welche die Auf-
merksamkeit des Diagnostikers fesseln, ist der Puls der
kleineren Arterien. Man beurtheilt dadurch den Zustand des
arteriellen Systems, Bewegung und Vertheilung des Blutes.
Nach Hamernjk ist der den Puls bildende Arterienschlag
eine complicirte Erscheinung , welche von der Forttreibung
der Blutwelle in den Arterien erzeugt wird, und aus der Zu-
nahme des Umfanges letzterer, der Vermehrung ihrer Krüm-
mung durch Verlängerung und öfters aus einer Lageverän-
derung derselben entsteht. Der Puls wird an Arterien gefühlt,
65
die der Betastung* leicht zugänglich sind, gewöhnlich an der
Radialarterie dicht an der Handwurzel, aber auch an ande-
ren Stellen, um Vergleiche anzustellen, oder wenn die ge-
nannte Schlagader anomal verläuft. Bei Kindern werden die
Finger gewöhnlich an die Schläfenarterie angelegt.
Man setzt, um den Puls zu fühlen, die Spitzen der
drei Mittelfinger auf die Arterie auf, und drückt mit abwech-
selnder Stärke dieselbe nieder _, um an ihr verschiedene
Eigenschaften zu erfahren. Weder die eigene Hand, noch die
des Kranken darf dabei in einer gepressten oder gezwunge-
nen Stellung sein, auch warte man etwas, nachdem man
sich dem Kranken genähert, mit dem Fühlen des Pulses, da
dieser sonst, wegen der mit den ersten Momenten der Annä-
herung* verbundenen psychischen Aufregung", beschleunigt
erscheint. Eben so ist darauf Rücksicht zu nehmen , dass
manche Personen einen habituell beschleunigten Puls haben.
Häufig ist zu untersuchen, ob die Propulsivkraft des Herzens
hinreicht, in den peripherischen Arterien den Puls hervorzu-
bringen, ob also ein Puls zu fühlen ist oder nicht, wie es
in der Asphyxie oder wegen localer Hindernisse in den Ar-
terien, z. B. Obliteration , Gangrän der Fall ist.
Die Pulsmesser QSphygmometer^) sind entbehrliche
Werkzeuge, da das eigene Gefühl sich durch nichts ersetzen
last. Eine gute Secundenuhr mit springendem Secun-
denzeiger ist aber ein Instrument , das der Arzt immer mit
sich führen soll, und das auch die Zeit der Untersuchung
abkürzt, indem die Zahl der binnen 10 Secunden geschehe-
nen Pulsschläge mit 6 multiplicirt , der Summe , welche auf
eine Minute entfallen würde , gleichkommt.
Qualitäten des Pulses.
Man beobachtet am Pulse cf) die Zeit , und zwar wie
viel Schläge in der Minute erfolgen. Der normale Puls schwankt
in einer Häufigkeit von 64 — 80 Schlägen in der Minute ; 72
ist also die Mittelzahl. In Krankheiten kann der Puls sehr
Gaal Diagnostik. 5
66
häufig (frequens). (Wendt zählte seihst 243 Schlä-
ge in der Minute), oder selten (rarus), wie hei Ge-
hirnkrankheiten, Digitalis-Narcose, werden. (Spens beob-
achtete seihst nur 9 Schläge.) Bei Kindern ist der Puls
häufiger , als bei Erwachsenen , doch hat man die Angaben
darüber etwas übertrieben. Ein Puls , der 80 Schläge über-
schreitet, ist krankhaft, 120 in der Minute deuten auf ein
heftiges Fieber. Folgende Tabelle gibt die Zahl der Puls-
schläge während einer Minute in verschiedenen Lebensjahren
nach den Messungen verschiedener Forscher.
Magen die Adelon Dictionnaire de med.
Geburt . . .
130-
-40 130-40
140
1. Jahr . . .
. 120-
-30
120
—
2. » . . .
100-
-10
110
100
3. » . . .
90-
-100
90
—
Pubertät . .
80
90
Mannsalter
70
Greisenalter
60
Nach Guitelet:
hei Männern
bei
Frauen
Jahre
Minimum
Mittel
Maxim.
Mittel
0
104 -
- 136
— 165
135
5
73 -
88
— 100
—
10—15
60 -
- 78
— 98
—
15—20
57 -
- 69,5
— 90
78
20—25
61 -
- 69,7
— 98
77
25—30
59 -
- 61
— 90
72
30—50
56 -
- 70
— 112
74,5
Ferner beobachtet man am Pulse die Zeit, welche je-
der einzelne Schlag zu seiner Vollendung braucht; in dieser
Hinsicht ist der Puls schnell QcelerJ oder langsam
Qlentus s. tardusj. Es ist eben so einleuchtend, dass der
Puls zugleich schnell und selten sein könne, als dass man
ihn als lardus et rarus oder als schnell und häufig erkennt.
67
b) Kommt die räumliche Ausdehnung der Arterie wäh-
rend ihrer Diastole (Systole des Herzens) in Betracht. In die-
ser Hinsicht finden wir den Puls entweder gross (riiagnus),
oder klein Qparvus). Die Kleinheit des Pulses wird durch
die Elasticität der Arterien bedingt, die sich nur so viel er-
weitern, als es die vom Herzen getriebene Blutwelle erfor-
dert. Bei schnellen beträchtlichen Ausscheidungen wird
somit der Puls klein , und die Kleinheit des sogenannten
Pulsus abdominalis bei Peritonäitis ist Folge des Exsudates
(Hamernjk).
c) Die in der Arterie enthaltene Blutmenge bringt den
Eindruck des vollen Qplenus^) und des leeren (vacuus)
Pulses hervor. Der Puls ist voll, wenn auch während der
Systole der Arterie diese sich nicht gänzlich entleert 5 leer,
wenn die Ader nicht rund gefüllt wird, da selbst bei ihrer
Diastole sie von der Blutwelle nicht vollkommen ausgedehnt
wird. Bei kräftiger Herzaction ist der Puls stark (forlis),
im Gegentheile wird er schwach Qdebilis'). Der Widerstand,
den die Ader dem gegen sie drückenden Finger entgegenstellt,
bestimmt den harten (^durus) und den weich en (mollis)
Puls. Kann man den Puls leicht durch den Fingerdruck un-
terdrücken , ist aber der Durchmesser der Arterie zugleich
klein, so heisst der Puls unterdrückt (suppressus) , wie
er bei Pneumonie vorkömmt. Ein harter und zugleich grosser
Puls , ist wie eine gespannte Saite zu fühlen QP. (ensus.J
Ein harter und zugleich kleiner Puls zeigt sich als zusam-
mengezogener (contractus), wie bei Enteritis. Ein wei-
cher und kleiner Puls heisst faden förmig (filiformis) ,
wie er in der Cholera und bei heftiger Dysenterie bemerkt wird
f) Hinsichtlich des Rhythmus der einzelnen Schläge ist
der Puls regelmässig (regularis) oder nicht , gleich-
massig (aequalis)) oder er besitzt die entgegengesetzte
Eigenschaft, aussetzend (intermittens), wenn nach eini-
gen Schlägen einer ausbleibt ; intercurrens, wenn eine
Reihe regelmässiger Schläge von mehreren unregelmässigen
5 #
68
Pulsationen unterbrochen wird. Doch kann selbst in dieser
Unregelmässigkeit eine gewisse Ordnung und Symmetrie zu
beobachten sein. Ferner findet man den Puls doppeis chlä-
gig (dicrotus) , wo zwei Schläge schnell einander folgen ,
deren ersterer gehaltener, der zweite leichter ist ( — „) ,
worauf eine längere Pause folgt , wie ihn im Höhestadium
von Krankheiten und als Vorläufer von Crisen schon Spren-
gel beobachtet hat. Bei dem hüpfenden Pulse (capri-
%ans~) geht in dem Doppelschlage der leichtere dem gewich-
tigeren voran (w — ). Hamernjik erklärt diess Phänomen
durch die Wahrnehmung der Locomotion der Arterien und
ihres Zurückspringens auf den früheren Ort durch den Tastsinn.
Der Puls us myurus zeigt eine Reihe von sich im-
mer verkleinernden Pulsschlägen, bis wieder ein grösserer
folgt und die ganze Serie sich wiederholt, und kommt zu-
weilen bei alten Leuten, die grosse Arterien haben, vor
(Siebert).
Dem eigenen Gefühle nach unterscheidet man noch
einen wellenförmigen (undulosus), zitternden £for-
micans seu tremulus'), wurmförmigen, hinkriechen-
den (vermicularis) und einen verworrenen (confusus')
Puls.
Viele von den genannten Verschiedenheiten sind nur
von untergeordneter pathologischer Bedeutung, und von man-
chen derselben ist der nächste Grund sogar noch nicht recht
erkannt; die Meinung aber , dass der Puls der Erkrankung
gewisser Organe entsprechende Eigenthümlichkeiten dar-
biete, ist schon längst aufgegeben, und dem zu Folge wurden
die Benennungen Cerebral-, Abdominal-, Uteri-
nal-, Guttural- und Nasal puls (!) als unnützer Bal-
last über Bord geworfen.
Je nach der Lage der zu untersuchenden Theile ist die
Palpation eine äussere oder eine innere (wie in der
Scheide, dem Mastdarme). Sie geschieht entweder mit blos-
sen Fingerspitzen als unmittelbare P., oder mittelbar
69
durch verschiedene Sonden. Letztere sind gleichsam als
Verlängerungen der Finger zu betrachten , und dienen na-
mentlich zur Erforschung in Theilen, wo die Finger entwe-
der wegen Enge des Canals nicht eingebracht werden kön-
nen, oder wo dieselben zu kurz sind, um die zu untersuchende
Stelle zu erreichen. Da die Sonden somit ein verlängertes
Tastorgan darstellen, soll der Arzt durch Übung ein so fei-
nes Gefühl in ihrer Handhabung zu erlangen suchen, dass
ihm das Instrument fast dieselben Aufschlüsse gewährt , die
*
ihm die Manualuntersuchung ergeben würde, wenn sie mög-
lich wäre.
Die Sonden sind entweder vom Metall oder elastisch zum
exploratorischen Zwecke, aber immer an der Spitze mit einem
Knöpfchen versehen. Sehr feine Canäle werden durch
Schweinsborsten sondirt. Für verschiedene Organe gibt es
verschiedene Sonden, z. B. Schlund - Steinsonden. Zuwei-
len dienen zu demselben Zwecke auch andere Instrumente,
wie z. B. für die Harnröhre : Bougies, Catheter etc. Manche
Sonden sind mit Modellirwachs versehen, um durch den nach
ihrer Einbringung an denselben befindlichen Abdruck die Art
und die Entfernung einer verengerten Stelle u. dergl. zu
bemessen.
In allen Höhlen, mit Ausnahme der Mundhöhlen, werden
sowohl Finger als Sonden wohl beöhlt eingeführt, um den
Untersuchenden nicht zu verletzen. In früherer Zeit stritten
namentlich die Geburtshelfer, wie man sich bei der Manual-
untersuchung syphilitischer Individuen vor Ansteckung ver-
wahren könne, und es wurde zu diesem Zwecke auch das
unyt. mercuriale vorgeschlagen , um sich damit die Finger
zu schützen. Gewöhnliches Fett dürfte aber denselben Schutz
gewähren.
Sowohl die Finger, als auch die Sonden dienen biswei-
len zurMensuration. So ist die Hand einer der brauchbarsten
Beckenmesser für den Geburtshelfer ; so gibt die Sonde über
die Entfernung gewisser pathologischer Objecte , die Länge
70
eines Hohlganges etc. gewünschten Aufschluss. Letztere
kann man in manchen Fällen dadurch bestimmen , dass man
die Spitze der eingebrachten Sonde etwas hebt, und der
äusseren Bedeckung zu nähern sucht, wo man sie dann mit
der andern Hand fühlen kann. Will man im Allgemeinen die
Länge eines Kanals durch die Sonde ermitteln, so bedient
man sich graduirter Instrumente, oder man setzt den Nagel
des Daumens hart am Eingange auf die Sonde, die man so
weit eingebracht hat als es ging , zieht solche heraus, und
misst die dadurch angegebene Länge mittelst des Zollstabes.
Der Finger sowohl, als die Sonde, werde um jeden
fraglichen Gegenstand nach allen Seiten herumgeführt, letz-
tere besonders , um die Art des Aufsitzens einer Geschwulst
und ihrer Verbindung mit dem Mutterboden zu ermitteln, da
in Höhlen diess selten durch die Inspection erkannt wird.
Sonden werden der Schonung des Kranken wegen und damit
sie an Vorsprüngen des zu untersuchenden Canales nicht
stecken bleiben, zwischen denVolarflächen des Daumens und
Zeigefingers in ihrer Mitte gehalten , gerne gelinde drehend
eingeführt ; die Untersuchung daure nicht zu lange , zumal
wenn sie schmerzhafte oder gereizte Theile betrifft, doch ist
eine gründliche und längere Exploration einer öfters wie-
derholten vorzuziehen , die wegen Flüchtigkeit eine unsi-
chere Diagnose ergab. Besonders aufmerksam untersuche
man fistulöse Geschwüre und Wunden, in die vielleicht Stücke
des verletzenden Körpers eingedrungen und dem Gesichts-
sinne nicht zugänglich sind. Von speciellen Handgriffen wird
übrigens bei der Sondirung der einzelnen Organe gehandelt
werden. Übrigens lassen sich dafür nicht sowohl Vorschrif-
ten geben , als sie sich in der Praxis bei jedem einzelnen
Falle selbst dictiren.
Dass man dem Kranken zur Untersuchung eine geeig-
nete Lage geben müsse , ist einleuchtend ; dass diese nach
Umständen gewechselt oder verändert werden müsse , bedarf
auch keines Beweises. So ist es oft zweckmässig, den Kran-
71
ken stehend und liegend zu untersuchen, ihn athmen, spre-
chen oder husten zu lassen, z. B. bei der Diagnose einer
Hernie. Bei frischen Verwundungen ist es räthlich den Kran-
ken jene Stellung* einnehmen zu lassen, welche er im Augen-
blicke der Verletzung inne hatte , da man so mittelst der
Sonde am besten die Richtung derselben zu verfolgen im
Stande sein wird.
Für die gewöhnliche Manualexploration des Bauches ist
die Rückenlage wohl die zweckmässigste , besonders wenn
durch gleichzeitiges Anziehen der Oberschenkel die Bauch-
decken der Art erschlafft sind , dass die untersuchenden Fin-
ger ungehindert selbst die Gränzen tiefer gelegener Organe
umgehen, undletztere auf ihre palpablen Eigenschaften prüfen
können.
Von der Pereussion im Allgemeinen.
Dieselbe ist die Untersuchungsweise, welche durch An-
klopfen gewissen Theilen der Körperoberfläche einen Schall
entlockt , um aus dessen Beschaffenheit einen Schluss auf
den Zustand der unterliegenden Organe zu machen.
Diese Explorationsmethode fusst sich auf die Eigen-
schaft lufthaltiger, mit einer gewissen Elasticität versehener
Körper, wenn sie durch Anklopfen in Schwingungen versetzt
werden , je nach dem Luftgehalte und der Schwingungsfä-
higkeit der Theile zu schallen. So klingt ein leeres, d. i. nur
Luft in sich haltendes Fass hell bei Anklopfen, ein mit Wein
gefülltes hingegen dumpf.
Geschichtliche Notizen. Die Wiener Schule
nennt mit Stolz diese Explorationsmethode die ihre , da sie
schon im Jahre 1761 von Auenbrugger in Wien erfun-
den, und in der Neuzeit daselbst wesentlich vervollkommt ward.
Freilich hatten sich damals gegen die neue Erfindung alle
Stimmen erhoben, und sie musste erst ins Ausland wandern ,
wo besonders in Frankreich sich derselben Rosiere de la
7*
Chassagne annahm und Corvisart zur Würdigung ihrer
Wichtigkeit das Meiste beitrug , bis sie sich volle Geltung
auf. heimatlichem Boden erwarb, wo besonders P. Frank
sie zur Diagnose des Ascites anwendete. Unter jenen, die
sich um diese Explorationsmethode besondere Verdienste er-
warben, ist vor Allen Piorry zu erwähnen, dem wir die
Erfindung des Plessimeters verdanken. In der neuesten Zeit
wurden verschiedene Percussionshämmer ersonnen, die aber
fast alle, wenn nicht zweckwidrig, doch wenigstens nutz-
los sind. Der beste unter ihnen ist der von Win terich er-
fundene und im Jahre 1841 in derBerl. med. Central-Zeitung
beschriebene. Dass jedoch bei Anwendung derselben das
eigenthümliche Gefühl des Widerstandes , das nur der klo-
pfende Finger erfährt, mangelt, leuchtet von selbst ein.
Nutzen. Es möchte nicht mehr fruchtbringend sein,
diese Untersuchungsmethode auf Kosten der andern zu er-
heben, als zwischen ihnen Parallelen ziehen zu wollen. Über
ihren hohen Werth , besonders wenn sie mit andern Unter-
suchungsweisen, namentlich der Auscultation, Hand in Hand
geht , ist in unseren Tagen Niemand mehr in Zweifel ; und
sie ist es, welche nicht allein bei Brustkrankheiten, sondern
hauptsächlich bei der Erforschung dunkler Leiden des Unter-
leibes ihren Nutzen so einleuchtend beurkundet. Exudate pla-
stischer Art in der Bauchhöhle , Volumskrankheiten der Le-
ber, der Milz, des Uterus etc. können nur durch die Percus-
sion zur Evidenz erwiesen werden; dieselbe kann den Sitz
von Fäcalmassen in den Gedärmen darthun und ihrer Ortsver-
änderung von Tag zu Tage folgen; sie zeigt für den hohen
Blasenschnitt die Stelle , wo die ausgedehnte Harnblase an
der Bauchwand anliegt , warnt vor daselbst vorgelagerten
Darmschlingen , und ist unentbehrlich für die Diagnose der
Schwangerschaft und der Puerperalkrankheiten.
Wohl ist man bei Würdigung der Percussion zu weit
gegangen , und hat sie entweder nur einseitig cultivirt oder
überschätzt. Was kann sie z. B. bei Gehirnkrankheiten lei-
73
sten und wer möchte gleich schon nach der ersten Gabe Chi-
nin im Wechselfieber auf eine durch das Plessimeter nach-
weisbare Verkleinerung der Milz hoffen? Die Percussion
allein , so hohen Werth sie auch immer für die Diagnostik
habe, gewährt keine sicheren Resultate, von ihr allein muss
man auch nicht alles erwarten , und soll sie fruchtbringend
sein, so muss man sie mit den übrigen Untersuchungsweisen,
besonders mit der Auscultation im Bunde anwenden, und
eine durch die andere controlliren , denn ohne Zusammen-
wirken der äussern Sinne und des vereinenden Geistes beruht
die Diagnose nur auf unsicherem Grunde.
Anwendungs weise. Die Percussion geschieht durch
das Anklopfen entweder auf das vordere Glied eines unterleg-
ten Fingers der andern Hand , oder auf das Plessimeter.
Die erstere Weise ist vorzuziehen : Wenn es sich um
die Untersuchung einer sehr kleinen unterliegenden Partie
handelt, ferner in der Herzgegend, bei sehr mageren Indi-
viduen mit weiten eingesunkenen Zwischenrippenräumen ,
auf dem Schlüsselbeine und auf einem verbildeten Sternum
um dessen Vertiefung oder dessen Vorsprung untersuchen
zu können.
Des Plessimeters bedienen wir uns an der Rückenflächc
des Thorax jederzeit, ferner zur Untersuchung des Bauches,
bei musculösen, fetten Individuen , bei vollbusigen Frauen
und um auch den Widerstand, den der anklopfende Finger
erfährt , als diagnostisches Zeichen zu benützen.
Das Plessimeter ist eine elfenbeinerne Scheibe von der
Grösse und Dicke eines österreichischen Guldenstückes , mit
aufgeworfenem Rande. Ist es zu dünn , so wird der Percus-
sionston unrein, ist es zu dick, so muss man zu stark klo-
pfen und verändert dadurch die Qualität des Percussions-
schalles. Grössere Plessimeter können nicht an allen Stellen
des Körpers angewendet werden.
Beim Percutiren wird das Plessimeter (lach und gleich-
massig auf den zu untersuchenden Thcil aufgedrückt , und
74
in dieser Lage durch den aufgeworfenen Rand zwischen dem
Daumen und dem Zeigefinger der linken Hand erhalten. Mit
dem rechtwinkelig gekrümmten Zeige- oder Mittelfinger der
rechten Hand, dessen Nagel wohl abgeschnitten sein muss,
da sonst ein Klappern entsteht , wird nun massig stark auf
das Plessimeter geklopft , ohne aber dabei den Arm ausser
im Handwurzelgelenke zu bewegen , oder mit den Fingern
zu stossen. Man kann auch mit zwei oder drei in einen Keil
vereinigten Fingern klopfen , allein der dadurch hervorgeru-
fene Schall wird unrein und pelzig, auch möchte die Kraft,
die ein einzelner Finger besitzt, wohl hinreichen, einen deut-
lichen Percussionsschall zu erregen. Die einzelnen Schläge
sollen nicht zu schnell aufeinanderfolgen , um den Schall-
schwingungen Zeit zum Auslaufen zu gönnen und nicht den
Schall zu verwirren. Nach jedem einzelnen Anschlag ist der
Finger gleich schnellend aufzuheben , ausser man wollte aus
der sich in demselben entwickelnden unangenehmen Empfin-
dung einen Schluss auf den Widerstand und die Dichte der
zu untersuchenden Organe machen. — Hat man oberflächliche
Theile zu untersuchen , so setze man das Plessimeter leicht
auf; tiefer gelegenen Organen, z. ß. in der Bauchhöhle be-
findlichen, sucht man durch möglichst tiefes Eindrücken das
Plessimeter näher zu bringen.
Der Kranke nehme zur Untersuchung eine so viel als
möglich bequeme Stellung ein , und erschlaffe die Muskeln ,
welche die fragliche Stelle bedecken; so empfiehlt sich für
die Untersuchung des Rückens eine sitzende Stellung mit
vorgebeugtem Kopfe, die Arme auf der Brust gekreuzt, und
beide Hände auf die Achseln gelegt; die Untersuchung des
Unterleibes wird durch Erschlaffung der Bauchdecken mit an-
gezogenen Schenkeln wesentlich befördert. Ist die obere
Schlüsselbeingegend zu untersuchen , so muss der Kranke
den Kopf nach der entgegengesetzten Seite wenden. Zur Un-
tersuchung der Seitengegenden des Thorax lasse man den
Kranken eine entsprechende Seitenlage annehmen, und nach
75
Bedarf einen Arm über den Kopf legen. Die zu prüfenden
Theile müssen entweder nackt oder nur mit dem Hemde be-
deckt sein , dickere Kleidungsstücke verändern den durch
die Percussion gewonnenen Schall.
Räthlich ist es , am Thorax immer beide Seiten verglei-
chungsweise zu percutiren , denn nur so werden kleine
Schallverschiedenheiten wahrnehmbar, die sich sonst der
Beobachtung, besonders Ungeübter, entziehen.
Eigenschaften des Percussionsschalles.
Derselbe ist entweder voll oder leer, hell oder dumpf,
hoch oder tief, oder er hat besondere Qualitäten an sich,
wie den ty mp an itis chen , den metallischen Klang
oder er erscheint als Geräusch des gesprungenen To-
pfes, oder durch die Zähne gezogenen Spei-
chels und als Hydatidenton. Der Begriff von Völle
des Schalles ist aus dem gemeinen Leben bekannt und
lässt sich so wenig in Worten ausdrücken als das, was man
an der Stimme eines Sängers mit dem Beiworte sonor bezeich-
net (Sonus plenus sive sonorusj. Er ist etwas länger an-
haltend, und deutet auf Reichthum an schwingungsfähigen ,
lufthaltigen Theilen. Der leere Schall ist kurz, seine
Schwingungen gehen bald zu Ende, da er nur durch eine
kleine Menge lufthaltiger Theile erzeugt wird QSonus va-
cuusj. Die Begriffe von hellem (s. clarusj und dumpfem
oder gedämpftem Schalle (s. obtusus) dürfen mit denen von
voll und leer nicht verwechselt werden, wiewohl die ge-
nannten Arten des Percussionsschalles selten von einander
getrennt vorkommen.
So erhalten wir eine n vollen und zugleich hel-
1 e n Percussionsschall bei hinreichender Elasticität der
schwingenden und Leitungsfähigkeit der benachbarten Theile,
z. B. im Normalzustande des Lungenparenchyms bei bieg-
samen Rippenwandungen, im ausgebreiteten vesiculärenEm-
physeme.
Der Schall wird gedämpft, bleibt aber noch voll,
7«
wenn zwischen dem lufthaltigen Organe ein nicht lufthaltiges
Stratum liegt , wodurch sowohl die nöthige Stärke des An-
schlages gebrochen , als die Leitung des Schalles gestört
wird, da er ein Mittel von verschiedener Consistenz passi-
ren muss , z. B. bei beginnender nach aussen gelegener
Pneumonie, bei kleinen pleuritischen Exsudaten , bei Verdi-
ckung der Pleura etc.
Leer aber hell wird der Percussionsschall , wenn
nur wenige und auf einen kleinen Raum beschränkte schwin-
gungsfähige Theile zum Schallen gebracht werden , wobei
dieselben auch schnell zur Ruhe kommen, so klingt z. B. die
unter einer dünnen biegsamen Brustwand gelegene , nur
kleine Parthie lufthaltiger Lunge, während diese ringsum
luftleer ist , hell und leer; eben so ist der Schall einer luft-
haltigen Lungenpartie , deren unterer Theil entweder durch
pleuritisches Exsudat comprimirt oder durch Hepatisation oder
tuberculöse Infiltration luftleer geworden ist.
Ist aber das Lungenparenchym vollkommen luftleer ge-
worden , oder wird die Percussion über schon im Normalzu-
stande luftleeren Organen angestellt , z. B. der Leber , der
Milz, so erhält man einen vollkommen leeren und
dumpfen Percussionsschall, um so mehr, da die Elasti-
cität derselben nur eine geringe ist.
Die Höhe oder Tiefe des Percussionsschalles hängt
von zu vielen noch nicht bestimmt erkannten Umständen ab ,
als dass man dieser Eigenschaft einen besonderen diagnosti-
schen Wcrth beilegen dürfte. Wohl scheinen zuweilen luft-
haltige grössere Räume einen tieferen Schall zu geben , als
kleine und enge-, doch findet diess nicht immer Statt, und
hängt häufig von der Beschaffenheit der umgebenden Theile
ab. So fand sich bei Sarcocele vollkommen matter und dum-
pfer Percussionsschall , durch Gegenwart einer Hernie ward
letzterer zuweilen voller und zugleich hoch , wenn die Vor-
lagerung klein war , tief wenn sie grosse lufthaltige Darm-
stücke enthielt.
77
Aus Obigem ist ersichtlich , dass fast alle genannten
Schöllverschiedenheiten sich mit einander verbinden , und
dass man kaum eine einzelne davon an einem Organ vorkom-
mend finden kann. Siebert hat in seiner Technik der Diag-
nostik beispielsweise eine Tabelle zusammengestellt, welche
derlei Schallcombinationen anschaulich macht. Auf die Un-
terscheidung des oberflächlichen und des aus der
Tiefe kommenden Percussionsschalles lege ich weniger
Gewicht , da die Beurtheilung der Entfernung des Schalles
weniger von seiner Qualität, als von Berücksichtigung der
mehr oberflächlichen oder tieferen Lage des percutirten Or-
ganes abhängt, und jeder, der nicht weiss, welches Organ
percutirt wird und mit geschlossenen Augen einer Untersu-
chung durch das Plessimeter beiwohnt, meistens den stärke-
ren und helleren Percussionston für den näheren, den schwä-
cheren und gedämpften für den entfernteren halten wird.
Der tympanitische Schall ist nur solchen Thei-
len , welche unter dünnen und biegsamen Bedeckungen lie-
gen, zu entlocken. Seine Entstehung scheint in einer gewis-
sen Gleichartigkeit der Schallschwingungen in dem erkrank-
ten Organe , verbunden mit Abwesenheit von Spannung in
den über dem untersuchten Organe gelegenen Bedeckungen
ihren Grund zu haben.
Wir erhalten den tympanitischen Schall aus grossen luft-
haltigen Räumen , z. B. im Pneumothorax, aus dem Magen
oder den von Gas aufgetriebenen Gedärmen , selbst wenn
ziemlich viel Flüssigkeit im Bauche enthalten ist, unter der
Bedingung , dass die Bedeckungen darüber nicht gespannt
sind; würde man die Bauchwand über dem Magen straff an-
ziehen , so könnte es geschehen , dass man keinen tympani-
tischen Schall durch das Percutiren bekommt. Im ausgebrei-
teten Emphyseme ist der Schall nur dann tympanitisch, wenn
die Lungenbläschen paralysirt sind, und ihre Spannung ver-
loren haben. In den obengenannten Fällen ist der Percussions-
schall zugleich voll. Tympanitisch und leer wird er aber
78
sein in der Nähe von Hepatisation der Lunge oder von Tuber-
kelinfiltrat , wenn die angränzenden Stellen von Emphyseme
aufgebläht sind, bei Compression der Lungen durch pleuri-
tisches Exsudat über demselben . und wenn der Luftgehalt
der Lunge etwas vermindert i:-t . z. B. bei dem Lungenödem.
Zuweilen verbindet sich mit dem Percussionstone ein
metallischer Klang, ähnlich dem, den man durch An-
klopfen an leere Fässer erhält oder der die Stimme in leeren
grossen Zimmern begleitet. Man vernimmt ihn beim Pneumo-
thorax , über der halb erfüllten Urinblase, über dem Magen
bei starkem Anschlage, über einem lufthaltigen Darmstücke,
das rings in Flüssigkeit getaucht und an die Bauchwand ge-
presst ist, zuweilen auch über grossen oberflächlichen Lun-
gencavernen, wenn sie lufthaltig sind.
Man hält den metallischen Klang für einen höheren
Grad des tympanitischen Percussionstones ; dieser Meinung
glauben wir aber den Umstand entgegenhalten zu dürfen ,
dass zur Erzeugung des tympanitischen Schalles die Bede-
ckungen über dem untersuchten Theile nicht zu gespannt
sein dürfen , während wir den metallischen Klang zuweilen
gerade in Fällen finden , wo das Gegen theil Statt findet .
z. B. im Pneumothorax.
Das Geräusch wie eines gesprungenen Topfes
ahmt man am besten nach , wenn man die linke Hand flach
über sein linkes Ohr legt, und mit der rechten sanft darauf
klopft, oder wenn man beide Hände derart haltet, dass
zwischen ihnen eine Höhlung bleibt und mit einem Hand-
rücken das Knie percutirt. Es kommt am Thorax über
grossen . lufthaltigen, oberflächlich liegenden Cavernen
vor, welche mit einem Bronchialaste in Verbindung stehen.
Durch die Percussion wird die in der Höhle befindliche
Luft in Schallschwingungen versetzt, zum Theil aber in die
enge Mündung des Bronchialastes getrieben. Der helle, leere
und tympanitische Schall der Caverne scheint dann in Ver-
bindung mit dem zischenden Geräusche, der das Eindringen
79
der Luft in den Bronchus begleitet , den in Rede stehenden
Percussionsschall zu geben.
Dieselben Bedingnisse bestehen zur Erzeugung des
Tones wie durch die Zähne gezogenen Spei-
chels, nur dass dann nebst der Luft auch etwas Flüssig-
keit aus der Caverne in den Bronchialast entweicht.
Briancon's Hydatydenton besteht in einem mehr
fühlbaren als hörbaren Vibriren , ähnlich den Schwingungen
der Feder einer Taschenrepetiruhr und scheint Flüs-
sigkeiten zuzukommen, welche ohne Luft in einer Höhle eng
eingeschlossen sind , z. B. gab der gänzlich von Flüssigkeit
erfüllte , unter gespannter Bauchwand gelegene Magen den-
selben. Zur Erzeugung dieses Schalles sind also nicht noth-
wendig Hydatiden erforderlich.
Das von Saussier und Mailliot bemerkte Rip-
penleberklatschen (claquement costo-hepatique) , dem
vergleichbar , welches durch Klopfen auf den Deckel einer
etwas geöffneten, mit Charnieren versehenen Tabaksdose her-
vorgebracht werden kann , war ich nie so glücklich , auffin-
den zu können. S. bezeichnet als Ursache dasAnstossen einer
Rippe an die Leber , wenn die dazwischen gelegene Lun-
genpartie durch Gas verdrängt ist.
Der Widerstand, den der klopfende Finger beim
Percutiren erfährt , trägt immerhin Einiges zur Diagnose
bei , und ist daher jedenfalls zu berücksichtigen. Je dichter
und luftleerer die unterliegenden Theile sind, desto mehr
wird die Resistenz fühlbar , ja kann sich selbst bis zu einer
unangenehmen Empfindung steigern , wie man sie zuweilen
bei beträchtlichen pleuritischen Exsudaten erfährt. Im Allge-
meinen kann man annehmen, dass, je dumpfer und leerer der
Percussionsschall wird, desto deutlicher das Gefühl des Wi-
derstandes erscheint.
Von der Ausciilf ation im Allgemeinen.
Das Einströmen der Luft in die Athmungswerkzeuge ,
so wie die vitale Bewegung anderer Theile überhaupt (als
des Blutes, der Gelenke etc.)? bringt Geräusche hervor,
welche zuweilen so stark werden, dass man sie selbst in
seltenen Fällen in einiger Entfernung von den Kranken hören
kann. Hört man aber absichtlich auf dieselben, um aus ihrer
Beschaffenheit Schlüsse auf den Zustand der Organe zu ma-
chen , in welchem sie entstehen , so bedient man sich einer
Untersuchungsweise , die wir Auscultation nennen.
Geschichtliches.
Die Stelle des Hippocr ate s #) yv xpos ix&v to öS?
är.ovactf xpös tu x'Ktvpa (wenn man das Ohr an die Brust
legend hört) dürfte für das hohe und ehrwürdige Alter dieser
Untersuchung sprechen , doch liess man den Strahl des Gei-
stes, der aus der angeführten Stelle leuchtet, verlöschen
und es fehlen alle Spuren , dass man im Innern entstandene
Geräusche beobachtet habe, bis Harvey, der sich in sei-
ner Dissertatio de motu cordis etc. dahin ausspricht »pul-
sum fieri et exaudiri in pectore,« und dass ein Geräusch,
wie bei der Deglutition eines Pferdes entstehe, wras »soni-
tum facit et auscultantibus et tangenlibus exhibet.«
Aemilianus Parisanus ##) aus Venedig läug-
net hingegen die Existenz des von Harvey bemerkten Ge-
räusches gänzlich, und macht sich darüber lustig, in-
dem er sagt: »quem nos surdaslri audire non possumus«
und welches »tantumodo Londini exauditur.« Caelius
Aurelian s##-''c) spricht von den Symptomen der Pleu-
*) mot voSwv libr. II. Edit. Kühn p. 279.
**) Recentiorum disceptationes de motu cordis , sanguinis et chyli
in animalibus. Lvgd. Batav. Xföbpag. 101 u. 107.
***) Acut. morb. libr. II. pag. 127.
81
ritis: »gulturis Stridor vel sonitus interius resonans in ea
parle, quae palitur.« BisCorvisart fehlen alle Andeu-
tungen über diesen Gegenstand, derselbe und B ayl e scheint
in den Fällen , wo die Herzschläge nicht recht zu fühlen
waren, das Ohr angelegt zu haben. D o u b 1 e spricht gleich-
falls von Athmungsgeräuschen und solchen, die durch die
Pulsation des Herzens entstehen. Diese Keime wurden aber
erst von Lännec befruchtet, und zwar so ergiebig,
dass es ihm gar nicht streitig gemacht werden kann ,
ungeachtet jener vagen Hinweisungen auf den in Rede ste-
henden Gegenstand, die Auscultation nicht allein erfunden,
sondern auch selbst beinahe vollendet , und seinen Nachfol-
gern kaum etwas mehr übriggelassen zu haben, als das von
ihm Gegebene mehr zu ordnen.
Skoda's Leistungen im Gebiete der Stethoskopie sind
allbekannt, so wie Zehetmayer der Ruhm unbestritten
bleibt, das beste Werk über Auscultation geliefert zu ha-
ben. Für die wissenschaftliche Begründung und Verbreitung
der physicalischen Untersuchung in all' ihren Zweigen aber
hat Prof. Dr. L i p p i c h als Vorstand der medic. Klinik für
Ärzte zu Wien das grösste Verdienst, indem er jeden
Kranken mit erschöpfender Genauigkeit und Vollständigkeit
untersucht, und seinen zahlreichen Schülern hinreichende Ge-
legenheit gibt , sich in diesem , so wie in allen andern Fä-
chern des medicinischen Wissens tüchtig auszubilden.
Das grösste Verdienst um die Verpflanzung der Aus-
cultation nach Wien gebührt unstreitig dem Dr. Friedrich
Müller, einem Freunde und Schüler Lännec's, der das
Stethoscop schon vor 20 Jahren an mir selbst anwendete, und
zeither unbekümmert um die Anfeindungen, welche die
neue Lehre zu bestehen hatte, und ohne Ansprüche auf den
Ruhm, den Andere durch selbe geerntet hatten, sie in sei-
ner ausgebreiteten Praxis bloss zum Heile und Frommen
seiner Mitbürger anwendet.
Gaal Diagnostik. 6
82
Nutzen der Auscultation.
Wenn Bertin sagt, dass für die Diagnostik der Krank-
heiten in einem Jahrzehend mehr gethan worden , als in den
vorhergehenden zehn Menschenaltern , so bezieht sich diess
hauptsächlich auf die Auscultation , die in Erkenntniss der
Brustkrankheiten seit ihrer Erfindung eine Reihe von Trium-
phen feiert. Und wie sollte sie diess auch nicht, da sie fast
die einzige Quelle ist , aus der wir eine bestimmte Kennt-
niss über die verderblichsten Krankheiten , die Brustleiden
nämlich, die nach Prus 5«\) fast die Hälfte der alten Leute
und nach Barth und Roger ##) mehr als ein Drittheil
der Menschen hinwegraffen, zu schöpfen vermögen, eine
Erkenntniss, deren Schwierigkeit Baglivi's Worte: »0
quantum difficile est, curare morbos pulmonum! o quanto
diflicilius , eos cognoscere« hinreichend bezeugen.
Die Auscultation zeigt, besonders von den andern phy-
sicalischen Explorationsmethoden unterstützt, das Bestehen
einer Krankheit, deren Sitz, Grad, Extension, Verlauf,
Complication und zuweilen selbst ihre Natur an. Vor ihr wird
die oft so schwierige Unterscheidung wesentlich gefördert,
ob ein Leiden selbstständig besteht, oder sympathisch oder
symptomatisch der Krankheit eines anderen Organes sein
Dasein verdankt; sie zeigt mit Bestimmtheit beginnende Lei-
den früher an, als Functionsstörungen bemerkbar werden.
Fusst sich aber eine rationelle Prognose auf eine sichere
Diagnose, so kann ihr Nutzen für diese nicht geläugnet wer-
den. Dasselbe gilt für die Therapie , wobei noch zu bemer-
ken ist, dass sie durch die Auscultation Tag für Tag con-
trollirt werden kann , indem letztere bestimmte Kennzeichen
der Ab- oder Zunahme des Übels und der eintretenden Arz-
neiwirkung zu geben im Stande ist. Was hätte der Arzt in
*) Gaz. med. 1838.
**) Übers, v. P u c h e 1 1. Stuttgart 1848, p. 5.
83
Fällen, wo bloss objective Erscheinungen sich aussprechen,
z. B. im Coma, Delirium oder in der Kinderpraxis für schätz-
barere Zeichen, als die Auscultation? »Nollemesse medicus
sine auscullatione et percussione ! (C o r vi s a r t.)
Dass die Auscultation nur ein , wenn gleich wesentli-
ches, Glied in der Kette der physicalischen Diagnose sei, und
dass man sie für die Irrthümer derjenigen , von denen sie
einseitig mit Vernachlässigung aller übrigen Zeichen culti-
virt wird, nicht verantwortlich machen könne, braucht weiter
keine Erinnerung.
Der Arzt vernachlässige übrigens nie , gleich wie er
zum Kranken tritt, die Auscultatio ad dislans anzu-
wenden , und die sich ihm selbst aufdringenden Töne und
Geräusche der Respiration und der Stimme zu berücksichti-
gen. So wird der Kinderarzt aus dem eigentümlichen Croup-
tone im Stande sein, das oft zu spät erkannte Leiden in
seinem Beginne zu betreten; so ist man zuweilen imstande,
durch Schütteln des Kranken auf Ansammlung von Flüssig-
keit in demselben mittelst des Gehörsinnes zu schliessen;
so geben sich Knochen- und Gelenksgeräusche öfters schon
aus der Entfernung kund , ehe man die Hand auf den
leidenden Theil gelegt. Das Schreien und Weinen kleiner
Kinder ist meistens die einzige Äusserung derselben ; wohl
dem Arzte, der diese zu deuten vermag!
Will man den Klang des Hustens hören , so lasse man
diesen künstlich hervorrufen; kleinen Kindern gibt man zu
trinken, es stellt sich dann, wenn ja Reiz dazu vorhanden
ist , gewöhnlich Husten ein.
Im Vorbeigehen gesagt, kann das gurgelnde Intestinal -
geräusch , das aus nervösen Damen zu ihrer grossen Ver-
legenheit erschallt, zuweilen Gegenstand der ärztlichen Auf-
merksamkeit werden. Der Arzt vergesse dann nicht, dass
sie es durch Ansichhalten des Athems gewöhnlich zu ver-
bergen suchen.
6 #
84
Anwendungsweise der Auscultation am Kran-
ken selbst.
Der zu untersuchende Theil sei entweder nackt, oder
von dem Hemde bedeckt; dickere und besonders seidene
Kleidungsstücke lassen die Töne nicht durch , ohne sie zu
schwächen , oder durch ihr eigenes Rauschen deren Rein-
heit zu beeinträchtigen.
Die Stellung des zu untersuchenden Kranken sei für
denselben, so wie für den Arzt bequem-, die für die Per-
cussion angegebene möchte auch für die Auscultation an-
wendbar sein.
Der Arzt steht meistens an der Seite , die er untersu-
chen will; für die Untersuchung der Herztöne ist es besser,
zur Rechten des Kranken zu stehen , diesen sich recht nahe
legen zu lassen, und sich dann über denselben zu biegen.
Übrigens soll der Arzt , wie schon bei der Percussion er-
wähnt wurde , immer beide Seiten der Brust rücksichtlich
der hörbaren Geräusche vergleichen.
Anfänger sollen sich übrigens gewöhnen , mit beiden
Ohren zu auscultiren , da man sonst nicht die Vorder- und
Rückseite des Thorax am Krankenbette untersuchen kann,
ohne bald auf die rechte, bald auf die linke Seite des Bettes
sich zu stellen , was wohl in Spitälern möglich ist , in der
Privatpraxis aber dadurch , dass die meisten Betten an der
Wand stehen , verhindert wird.
Zugleich ist gespannte Aufmerksamkeit und Concentra-
tion des Geistes auf die Untersuchung nothwendig , da äus-
sere Geräusche leicht zerstreuen und verwirren, und es sich
oft darum handelt , aus mehreren gleichzeitig im Innern ent-
standenen Geräuschen Eines, und oft das schwächste von
allen, im Geiste von den übrigen zu sondern und es allein zu
studieren.
Die Auscultation wird unmittelbar durch Anlegen
des unbewaffneten Ohres, oder mit telbar durch das S t e-
85
thoscop verübt. Diess Instrument ist ein 9 — 12 Zoll lan-
ger und 3 '" weiter Cylinder von leichtem Holze, dessen un-
tere oder Ansatzmündung* auf die Grösse eines Groschen-
stückes trichterförmig* erweitert, und mit einem dicken , ge-
rundeten Rande versehen ist, damit nicht bei dessen Appli-
cation derselbe sich in die Weichtheile des Kranken ein-
drücke und ihm Schmerz verursache. Mit diesem trichter-
förmigen Ende hat man das Plessimeter meistens in Verbin-
dung. Ob der Schaft des Stethoscopes im Ganzen, oder durch
ein zwischen dem oberen und mittleren Drittheile befindliches
Schraubengewinde unterbrochen ist , hat auf die Schalllei-
tungsfähigkeit des Instrumentes keinen Einfluss. Leichter in
der Tasche zu tragen sind immer die gegliederten Hörröhre ;
auch gestatten sie durch ihre leicht zu verändernde Grösse,
den Kranken in jeder Lage zu untersuchen. Nach oben steht
das Rohr mit einer Elfenbeinplatte in Verbindung, worauf
der Arzt sein Ohr legt, und die denselben entsprechend con-
cav, convex , oder selbst mit einem kreisrunden Wulste
versehen sein kann. Eine Platte , wie sie die beigefügte
Abbildung darstellt, dürfte am leichtesten jedem Ohre ent-
sprechen.
Übrigens gibt es noch Stethoscope von mancherlei Form
und Stoff, elastische, biegsame u. s. w. , die aber alle dem
86
erst beschriebenen kaum den Rang' streitig* machen dürften.
Zu erwähnen ist noch das Polyscop von Landouzy,
das ein langes Blechrohr darstellt, an dessen Oberfläche
mehrere Ärzte zugleich ihre Stethoscope aufsetzen können,
dessen Anwendbarkeit aber noch sehr in Zweifel gestellt
werden kann. Der in den meisten Stethoscopen befindliche
hölzerne Zapfen (ObduratorJ ist ganz unnütz.
Das Metroscop zur Auscultation des schwängern
Uterus ist ein entbehrliches Instrument, indem jedes Ste-
thoscop mit weiterer trichterartiger Mündung dieselben, wenn
nicht bessere Dienste leistet, und die Auscultation der Ge-
bärmutter durch die Scheide aufgegeben ist. Die unmittel-
bare Auscultation ist fast in allen Fällen der mittelbaren vor-
zuziehen , denn das Ohr ist ein vor allen , selbst den besten
Stethoscopen unersetzbares Instrument , auch wird jeder
Arzt schneller unmittelbar auscultiren lernen, als mittelst
des Hörrohres.
Auf verwundeten Stellen ist es besser, mit freiem Ohre
zu horchen, als durch Aufsetzen des Stethoscopes dem
Kranken Schmerz zu verursachen; der Reinlichkeit halber
legt man dann während der Untersuchung einen Fleck Lein-
wand über die Wunde. Kleine Kinder erschrecken beim An-
blicke des Instrumentes, und machen durch ihr Geschrei des-
sen Anwendung nutzlos. Besser ist es, während man mit ihnen
schäckert, das blosse Ohr anzulegen. Doch sind Fälle, wo
man des Stethoscopes unumgänglich bedarf, z. B. über Ca-
vernen und in der Herzgegend, wo das blosse Ohr den Sitz
und Entstehungsort der Geräusche kaum so genau zu ermit-
teln vermag, als das Instrument, das ihre Gränzen gleich-
sam umschreibt und selbe isolirt. Das Anlegen des Ohres
an den weiblichen Busen verbietet das Zartgefühl , ebenso
dürfte das Stethoscop bei Untersuchung des Bauches sich
anständiger anwenden, und nach Bedarf besser in die Bauch-
decken eindrücken lassen, als der Kopf des Auscultirenden.
Die Hals- , die Schlüsselbeingegend , die Achselhöhle , ein
87
rachitisches Brustblatt möchten auch eine genaue Anlegung
des blossen Ohres kaum gestatten. Unreinlichkeit vieler
Kranken , besonders in Spitälern , Contagien und starker
Schweiss empfehlen gleichfalls den Gebrauch des In-
strumentes.
Will man das Stethoscop anwenden , so fasse man es
wie eine Schreibfeder, und setze es mit dem trichterförmigen
Ende gleichmässig und fest, doch ohne den Kranken Schmerz
zu verursachen , auf die zu untersuchende Partie auf, um
die in der Höhlung enthaltene Luft von der äusseren abzu-
schliessen , da sonst störende Geräusche entstehen. Hierauf
lege man das Ohr auf die Elfenbeinplatte, um zu hören, und
erhalte das Instrument durch letzteres und ohne Beihilfe der
Finger, deren geringste Bewegung oder leisestes Anstrei-
fen durch hervorgerufene Geräusche störend einwirkt, un-
verrückt in seiner Lage. Aus demselben Grundeist das Hemd
des Kranken an der zu untersuchenden Stelle glatt zu strei-
fen, jede Falte zu entfernen, und überhaupt jede Berüh-
rung mit der Bettwäsche oder den Kleidungsstücken zu ver-
meiden. Das Ohr muss an das Instrument genau angelegt
werden , da sonst ein Sausen vernommen wird , was leicht
Irrthum in der Diagnose veranlassen könnte.
Zweiter Theil.
Untersuchung einzelner Provinzen des menschlicher!
Körpers.
Untersuchung der allgemeinen Deeke und tler
zunächst darunter liegenden Tlieile.
JhLoin Theil des menschlichen Körpers ist dem Gesichts-
sinne so preisgegeben , kein Theil leichter zu betasten, als
die allgemeine Decke. Das Gesicht und das Gefühl können
somit als diejenigen Sinne gelten, welche zur Untersuchung
derselben am natürlichsten angewiesen sind.
Durch letztere vermögen wir nicht allein über alle Aus-
schlagskrankheiten, über entzündliche Processe der äussern
Haut mit ihren viererlei Arten und Ausgängen, sondern auch
über die unter derselben gelegenen Geschwülste u. s. w.
uns ziemlich genaue Kenntniss zu verschaffen. Zur Diagnose
letzterer trägt , wenn sie die Grösse des Plessimeters er-
reichen, auch die Percussion das ihrige bei. Dass man-
cherlei Verfärbungen der Haut, wie sie z. B. bei einigen
Cachexien vorkommen, hier nicht besprochen werden, glau-
ben wir damit rechtfertigen zu können , dass solcher schon
in dem allgemeinen, der Inspection gewidmeten Abschnitte Er-
wähnung geschah, und dass man sie weniger als Krankheit,
denn als Krankheitssymptom zu betrachten hat.
Nehmen wir der Ordnung gemäss die Haut zuerst in
Betracht, indem wir uns dann zu den das Unterhautzellge-
webe u. s. w. betreffenden Zuständen wenden , so finden die
Hautkrankheiten im engeren Sinne zuerst hier ihren Platz.
Wer Ausführlicheres über die Diagnose derselben nach ihrer
äussern Form erfahren will, der wird gewiss in der Diagno-
stik der Hautkrankheiten in tabellarischer Form von Dr. B.
Schulz nach Dr. Hebras Vorträgen Befriedigung finden,
92
Als Primärformen der Hautausschläge unterschei-
den wir:
a) Den Fleck (Macula) ohne wahrnehmbare Tex-
turveränderung der Haut;
b) das Stippchen (Stigma), einen Fleck, dereine
kleine Erhöhung* einschliesst;
c) das Knötchen (Papula), welches durch Abla-
gerung von Exsudat in den Hautfollikel entsteht, welch'
letzteres entweder fest oder flüssig sein kann ;
d) den Knoten (Tuber culum) } ein Knötchen von
der Grösse einer Erbse , bis zu der einer Haselnuss ;
e) den Knollen QPhyma) > einen noch grösseren
Knoten;
/) die Quaddel ( Urtica) , eine flache Erhebung
über das Hautniveau ;
g) das Bläschen ( Vesicula) eine seröses Exsu-
dat haltende, kleinere, durchsichtige Hauterhöhung, die
mit dem grössten Durchmesser aufsitzt;
h) die Blase (Bulla) zeigt dieselben Charaktere,
nur ist sie über erbsengross, und sitzt nicht mit dem breite-
sten Durchmesser auf;
i) die Pustel (Pustula) ist eine Eiter enthaltende
Blase , und entsteht gewöhnlich durch eitrige Schmelzung
des in eine der früher genannten Formen abgeschiedenen
Exsudates. Diese sind entweder:
a) A chores, kleine, runde, in der Mitte etwas ein-
gedrückte Pusteln, welche da sie von einem Haare durchlöchert
sind, die zu einer granulirten, gelben Borke vertrocknen;
ß) Psydrazien, das sind grössere, nicht runde Pu-
steln , welche reinen Eiter enthalten und zu grünen Borken
vertrocknen; und
y) Plyzazien, nämlich runde, mit vom Blute braun
gefärbte Pusteln , welche braune Borken zurücklassen.
Als Secundärformen werden die Schuppen
(Squamae) und die Borken (Crustae) aufgeführt.
93
Den primären Formen werden gewöhnlich Einteilungen
der Hautausschläge zu Grunde gelegt. Von den meisten
derselben sind die Charaktere, die sie im Stadium der vollen
Entwicklung darbieten , in folgenden Zeilen gegeben.
Acute, eigentliche Exantheme.
Scarlatina. Es erscheint zugleich mit anginösen Er-
scheinungen eine dem Fingerdrucke weichende , punetirte,
verbreitete , intensive Röthe der Haut, welche mit Abschup-
pung in Form grosser, zusammenhängender Schuppen endet.
Morbilli äussern sich durch linsenförmige, blasse,
rothe Flecke , die wohl dem Fingerdrucke weichen , aber
doch einen rothen Punct zurücklassen , der dem entzünde-
ten Haarfollikel entspricht. Die Schuppen in der Desquama-
tion sind klein und nicht zusammenhängend.
Variola (V. veraj entwickelt sich aus den Morbillen
ähnlichen , einzeln stehenden , rothen Flecken in anatomi-
scher Ordnung vom Kopfe bis zu den Zehen. Nach und nach
bildet sich in der Mitte jedes Fleckes ein Stippchen, das zur
Papula , endlich zum Bläschen sich entwickelt, welch' letz-
teres einen zelligen Bau besitzt, daher man durch einen
Einstich nicht dessen ganzen Inhalt entleeren kann. In der
Mitte jedes Bläschens ist übrigens dort , wo es vom Haare
durchbohrt wird, eine kleine Vertiefung. Während des Sup-
purationsstadiums verwandelt sich das in dem Bläschen ent-
haltene Exsudat in Eiter, und vertrocknet endlich zu Borken,
nach deren Abfallen braune Pigmentflecken und Narben zu-
rückbleiben.
Bei der Variola mo difica ta geht der ganze Pro-
cess viel rascher vor sich , und hält sich nicht an die anato-
mische Ordnung.
Die Varicella hat einen noch rascheren und unor-
dentlicheren Verlauf.
Erythema zeigt sich als diffuse, anhaltende Haut-
röthung, die mit Abschuppung endet. Der Fingereindruck
94
bringt momentan eine gelbliche Färbung hervor, weil das
Exsudat in der Haut gelblich erscheint, und nur die beglei-
tende Congestion die rothe Farbe durchschimmern lässr.
Roseola wird meistens als Variola abortiva betrachtet.
Rubeola steht in der Mitte zwischen Scarlatina und
Morbille, und theilt sich in die Erscheinungen beider.
Urticaria ist eine, in Quaddelformerscheinende Erup-
tion , die meistens eine grosse Flüchtigkeit verräth.
Miliaria erscheint als eigenes Exanthem, und symp-
tomatisch unter der Form von getrennt stehenden, hirse-
korng'rossen Bläschen, welche von einer durchsichtigen, zu-
weilen milchigen Flüssigkeit erfüllt sind. Je nach der Farbe
ihres Mutterbodens bilden sie die M. alba und rubra.
Dermatitis zeigt die Erscheinungen der gewöhnli-
chen Entzündung, als: Röthe, Hitze und Geschwulst, hat
aber verschiedene Abarten; auch sind je nach der Ausbrei-
tung derselben die Erscheinungen sowohl, als der Verlauf
eigentümlich modificirt.
Specifische Hautentzündungen , so wie verschiedene
Metamorphosen des Exsudates, Geschwülste u. s. w. werden
weiter unten beschrieben werden.
Eine besondere Art der Hautentzündung ist das
Erysipelas, welches von dem Mittelpuncte der Pro-
vinz , die es bei seiner Entwicklung* inne hat, beginnt; im
Gesichte z. B. von der Nase. Seine Röthe ist Mass , mit
einem Stiche ins Gelbliche, verwaschen endigend, und dem
Fingerdrucke weichend ; die Geschwulst ist gespannt , ela-
stisch , und die Haut erscheint wie verdickt und schuppt sich
endlich ab.
Die p hie g mono se Dermatitis ergreift die tiefereu
Schichten der Haut und das darunter liegende Zellgewebe.
Die Symptome sind dabei heftiger, und es zeigt sich Neigung
zur brandigen Zerstörung.
Pseudoerysipelas; dabei ist die Haut fest und
hart, behält den Fingerdruck, fluctuirt später hie und da,
95
endlich wird die Röthe bläulich , es erheben sich Bläschen,
welche bersten, und aus denen Eiter mit necrosirtem Zell-
gewebe austritt.
Hierher gehört auch der unten zu beschreibende Fu-
runkel oder Carbunkel.
Uneigentliche Exantheme.
Hautverfärbungen erscheinen entweder in Folge
örtlicher Congestion , wobei sie dem Fingerdrucke weichen,
oder von Stasis (Cyanosis), oder durch Blutextravasaf ; letz-
tere schwinden nicht durch den Fingerdruck. Hieher gehört :
Purpura. Ferner sind die
Teleangiectasien, von deren weiterer Entwick-
lung später die Rede sein wird , in geringerem Grade , und
wenn sie bloss die Haut betreffen (als Naevi), Ursachen der
Farbenveränderung derselben.
Durch Pigmentablagerung in das Hautgewebe kommen
die unter Form von gelb- und schwarzbraunen Flecken ent-
stehenden Lentigines, Chloasmata und das Me-
lasma zum Vorscheine.
Wird der Zusammenhang der Haut aufgegeben,
so entstehen durch Verlust der Epidermis :
a) Intertrigo durch Abreibung der Oberhaut, wo-
bei das Plasma frei austritt, und somit ein Nässen bemerkt
wird, zugleich auch die Gefässe der Haut mehr roth durch-
schimmern ;
b) Excoriationen, welche braune Schorfe bilden.
c) Rhagades oder Spalten und Risse, die am häu-
figsten an der Hand und den Fusssohlen und dort vorkom-
men, wo die äussere Haut in die Schleimmembran übergeht ,
z. B. an der Nase , After u. s. w.
Geht die Spalte tief, so tritt durch dieselbe Plasma aus.
Durch Anhäufung der Epidermisschichten entstehen die
Schwielen, Leichdornen, Warzen und die Cor-
nua cutanea.
96
Zerfällt die Epidermis über der gesunden Haut in Schup-
pen , so entsteht der Schuppenausschlag' [Ichthyosis).
Psoriasis zeigt sich als weisse Schuppen auf rothem
Grunde, durch deren Abkratzen letzterer blutet. Je nach der
Verbreitung und centralen Anreihung' entstehen die Spiel-
arten : Ps. guttata , orbicularis , gyrata u. s. w.
Von den papulösen Ausschlägen sind zu bemerken :
Durch Retention des Serum bedingt, der S tr ophulus
chronicus der Kinder und das Grutum der Erwach-
senen ;
durch Exsudatablagerung in den Follikel bedingt :
1. Strophulus acutus , rothe Fleckchen, in de-
ren Mitte sich kleine Knötchen entwickeln , welche mit De-
squamation enden.
2. Liehen. Dieser äussert sich als aus rothen Knöt-
chen bestehend , welche nicht weggekratzt werden können,
und an ihrer Spitze eine kleine Schuppe haben; die Röthe
weicht dem Fingerdrucke, und hinterlässt eine gelbliche
Färbung.
3. Prurigo. Dieser äussert sich durch kleine, der
Haut gleichgefärbte Knötchen, die aufgekratzt ein wässriges
Fluidum entleeren, und durch Reibung in Pusteln ver-
wandelt werden können. Diese Affection soll ein Bubo be-
gleiten.
Durch vermehrt e Secretion der Talgdrüsen ent-
steht:
a) Die Seborrhoe (zu deren Abarten auch der Gneis
zu rechnen ist) , wenn nämlich die Flüssigkeit an die Ober-
fläche tritt, und wenn das Secret in dem Hautfollikel bleibt;
b) Acne punctata (Mitfresser, Comedo) als schwarze
Puncte , aus denen sich weisse , Würmchen ähnliche Kör-
perchen ausdrücken lassen.
Zu den knotigen Ausschlägen rechnet man :
1) Acne indurat a, ein rothes Knötchen, das den
ausdrückbaren Comedo in sich schliesst,
97
2. Acne mentagra, ein rothes Knötchen von einem
Haare durchbohrt, am behaarten Theile des Gesichtes,
3. Acne rosacea mit Hypertrophie der Haut und
vermehrter Gefässentwicklung ,
4. Acne lupus, der je nach der Entwicklung als
harte , blaurothe Flecken oder als derlei Knoten sich dar-
stellt, und mit Abschuppung oder mit Exulceration enden
kann.
Hierher rechnet man noch :
Molluscum, Framboesie, Knollenkrebs der
Haut und Elephantiasis.
Zu den vesiculären Hautkrankheiten zählt man:
1. Herpes. Hier entstehen aus rothen Flecken und
Stippchen Bläschen , welche sich gruppenweise entwickeln
und rückbilden. Ihre Nachschübe kommen nie an der schon
einmal befallenen Stelle zum Vorschein. Species sind:
H. zoster, der von einem Puncte der Wirbelsäule,
nach dem Verlaufe des daselbst ausgehenden Nerven, strei-
fenförmig die Hälfte des Körpers umschliesst.
H. iris: wo ein grösseres Centralbläschen von einem
Ringe kleinerer, confluirender umgeben ist; und
H. pr aepu Cialis.
2. Eczem. Die Bläschen entstehen, ohne eigentlich
Gruppen zu bilden , gleich als solche und enthalten ein
durchsichtiges Fluidum , daher nässen sie ; ihre Nachschübe
kommen an der schon einmal befallenen Stelle zum Vorschein.
Sitzen die Bläschen auf rothem Grunde, so ergibt sich
die Species E. rubrum. Werden die Vesiculae zerstört,
so sieht man helle, wässrige Tropfen unmittelbar aus der
gerötheten Hautstelle treten. — Es hat nach der Form, Ur-
sache und Nebenumständen vielerlei Unterarten, als: die
Badeausschläge, die medicamentösen Eczeme, die Salz-
flüsse, wobei die Haut der Füsse so verdickt wird, dass
man keine Falten derselben bilden kann , die crusta lactea
etc. etc.
Gaal Diagnostik. 7
98
3. Scabies. Dieselbe kommt nach dem Entwicklungs-
grade und der äusseren Einwirkung, z. B. Kratzen, fast in
jeder primären und selbst in Geschwürsform vor. Charakteri-
stisch sind die geschlängelten Milbengänge , welche durch
den in ihnen enthaltenen Sarcoptes gebildet werden. Durch
diese unterscheidet man die Krätze von vielen andern äus-
serst ähnlichen Efflorescenzen. Die Milbe wird leicht mit-
telst einer Impflancette aus ihren Gängen herausgefördert.
Unter den Blasen ausschlagen sind zu nennen:
1. Pemphigus acutus. Es entsteht auf einem ro-
then Flecke ein weisser Punct, aus welchem sich eine Blase
entwickelt , die zu Krusten vertrocknet.
P. chronicus oder Pomp hol ix ist dem vorigen
ähnlich , doch platzt die Blase, es bildet sich keine Borke und
das Plasma kann aus der von der Epidermis entblössten Stelle
durch längere Zeit aussickern.
2. Rupia beginnt ebenfalls mit einem rothen Flecke,
aus welchem ein weisslicher Punct sich entwickelt, der
dann zu einer trüben , undurchsichtigen Blase wird, welche
aber nicht, wie jene des Pompholix, berstet, sondern durch
Eintrocknen eine haftende Borke bildet. Diese erreicht durch
beständige Ansammlung des Exsudates unter ihr und Ver-
trocknen desselben eine Kegelform und ist an ihrer Basis
von einem Blasenkreise umgeben. Nach Abfallen der Borken
bleibt eine Narbe zurück.
Häufig steht diese Krankheit mit constitutioneller Sy-
philis im Zusammenhange.
Die Pustel auss chläg e erscheinen gewöhnlich als:
1. Imp etigo Achor. Die Charaktere sind die der
Achores überhaupt, um sie aber richtig zu erkennen, muss
man die Borken wegnehmen und findet einen eitrig nässen-
den Grund. Species sind :
A. capillitii, welcher die Kopfhaare büschelförmig
verklebt, ferner
A. decalvans , der aus nicht confluirenden , von
99
einem Haare durchbohrten, in einem Entzündungshofe sitzen-
den Pusteln besteht. Die Haare fallen dadurch aus.
2. I. Psydrazion stellt Pusteln dar, die entweder
aus Entzündung sich entwickeln, oder ohne selbe zu Stande
kommen, als I. metastalica , z. B. bei Eitergährung des
Blutes.
3. I. Phlycazion oder Ectbyma; die Pusteln
werden von der Grösse eines Silbergroschens gefunden, und
entwickeln sich nach einander, nicht alle gleichzeitig. Ihr
Hof ist, besonders bei dyscrasischen Individuen, pigmentirt.
Der Favus besteht in einem in dem Haarfollikel kei-
menden Fadenpilze, der unter der Epidermis sitzt, schimm-
lich riecht, und äusserlich als gelbliche , bröckliche Masse
sich darstellt , welche einzeln stehend und in nicht modifi-
cirter Entwicklung eine aussen hohle , nach innen convexe
Schildform annimmt Qtinea scutellata). Nimmt man solche
Schildchen weg, so findet man darunter das Corium gerö-
thet , leicht blutend und jeder einzelnen Convexität ent-
sprechend vertieft.
Die syphilitischen Ausschläge erscheinen fast
unter allen eben genannten Formen , doch unterscheiden sie
sich von den gleichartigen nicht syphilitischen :
a) durch eine eigene , schmutzig-braunrothe Färbung ;
b) durch die meistens runde Form , oder beim Weiter-
schreiten dadurch , dass diese Kreissegmente darstellt ;
c) durch die Ausbreitung. Sie sind meistens über den
Körper verbreitet und lieben , wenn sie sich auf einzelne
Theile beschränken , solche Stellen , wo die Haut nahe über
den Knochen liegt, als : Kopf, Gesicht, Clavicula, Tibia etc.
d) durch die äusserst zarten , weissen Schüppchen ;
e) oder die sehr dicken Borken ;
f) ferner dadurch, dass einige Formen nicht selten in
der Kälte zurücktreten und durch die Wärme deutlicher sich
entwickeln-, endlich
g) durch die übrigen Zeichen der syphilit. Dyscrasie.
ym Jfc
7 w
100
«0
3»
s
—
ü
's
—
t-
• »^
"S
*D
s
3
■Ö
• »■*
OB
-2
=
5
s
&3
es sind nicht' viele , die
Haut ist davon wie be-
stäubt und sie fallen
leicht ab.
«
!
o
c
•
V
Ph
Ph
9
A
o
CO
s
Ja
Z
in geringerer Menge
und der Breite nach
ausgebreitet.
o
u
c
9
«->
.= fi
Ä JS
3 ü
9
■
m
'S
ein Knötchen, zuweilen
liegen wenig Schuppen
darauf.
schmutziggelb und nicht
so viele.
stark infiltrirt und näs-
send beim Abschaben
der Schuppen.
c
9J
Ä
9
■
.S
'5
Viele kleine, weisse,
fest haftende, glänzen-
de Schuppen.
nicht sehr infiltrirt
und blutet aus einzel-
nen Puncten, wenn
man die Schuppen ab-
schabt.
die weissen, auf einem
rothen Puncte sich ent-
wickelnden Schüppchen.
9
U
Ph
o,
9
M
w
CO
Der
Grund
Die
Primärform
ist:
101
a
v
co
TS
o
PO
e
9
U,
V
«*
CO
<^
•PN
••*
T3
•ö
•PN
«
c
5Q
CO
02
03
pC
©
b.
Ö
CS
-C
o
s
TS
• PN
pO
ü
PN
s
d
v
-fl
ü
9
-3
a
pj
3
u
a
C
-3
ü
0)
u
:ü
t)
C
fad
€
iß
bo
c
3
-
J3
3
3
o
4)
b
U
CA
T5
Öß
CU
c
1
a
1—1
.*
B
o
pH
fc
w
6
w
H3
d
3
3
e
-3
PQ
rj
,
ft.
CU
M
3
a
tu
tU
E
pfi
iE
S
o
J4
3
p
J3
s
! CS
:0
a
ud
-a
CS
3
b
u
V
V
■O
s/5
3
:0
o
b
C)
tuo
J3
3
■s
0)
u
-3
U
o
>
v>
■c
H
m i
pj d
b
V <u
tu
S -Q
T3
3 73
Oh g
d
*j
tu
^d
tu
-3 .2
-* 3
T! "O
tu
•(->
«U
M
■8 3
3 **
«5 ^2
"■' tu
3
.pf*
tu
3
tu
CO •*
d
£3
? -ä
:« O.
o
tu
0) o .
pfl «o <p
J l
ja
3
c2
ü \C Öß
^S "fl :cs
■s 1
OQ
tu
d
tu
fl
tu
CQ tu cß
eo -ö
'S
- p5
d j8
d b
3 'S
CD
3
tu
nötch
; cha
öß X
d «
2 S
*tü
N
ja
fl
tu
U- 3
Sh
CS
0)
-q
S
5 S
3
es
-S 1
*j o
:0 J*
tu
u u
<u o
-5
6ß >
b
öß
V
s
3
b
3
tu
tu
3
.3
j*
:0
o
pd
Ep
CJ
— >
tu
d
tu
102
a
k
ÄJ
a
©
>
o
et
nö
o
■— > 3
o
■d
o
02
CD
05
0>
js;
O
OD
-=
ZU
—
a
-
cu
13
V
,
3
'♦j
*->
«> .
u
"S
es
£-2
3 H
es
ja
u
'S
"«5
V
N CO
V
4-i
6JD
"ei
>
H
es
U
3
J3 ö
cu
a
V
es
a 33
t- eu
3
'53
"S
0)
CU
«ff
3
■
n3
U
••3
3 2
3 cu
t- 3
4) Ä
J*
w
Jjj
6X5
:3
CA
i
h
eu
3 4J
cu
-3
CD
cu _ü
3 o
■° 3
s
■
e» O
cd
CU
0
■
3
CS
3 *S
'S %
cu &
- 3
3
es
h
CU
fcc
cu
■3=3
eu rvj
TS
c
3
3
ja
CO
3
es
<u
'S
3
3
3
J*
o
p
S
3 «->
es ja
cu
3^
£ cu
TS
3
CA
cu
eu
*J
MD
"TS
a
s
V
CA
cu
3 ce
3
s
4J
s „
«s
13
'£
3
es
ja
J
cu
ts
C
cu
"TS S
'S
-3
.9
'S
w
V)
es
TS
-ö
3
3
a
•«
3
:es
:3
£^
>
3
0)
O
■
3 B
^3 es
13
V)
:es
3
cu
«5
OQ
'cu
3
cu ^
S
2
cu
ß
es
co
I 1
'33
ja
C
'cu
3
es
"TS
3
3
u
es
ce
3
ce i-h
M>
cu
2 s
C
3
cu
s
3
cu
"53
13
B
X
.2 -
2
*j
t4
CU
'S S
3
w
eu
(4
5 'S
6ß ^
e>
CD
n3
J3
«>
cu
V
s
cu
-3
O
li
Oh
S
eu
Q
103
Nun folgt die Charakteristik einiger Krankheiten, welche
nicht allein die Haut, sondern auch die zunächst darunter
gelegenen Thcile , Zellgewebe u. s. w. betreffen , wie die
meisten Entzündungsausgänge, Geschwülste, Geschwüre
u. s, w.
Abscesse entstehen unter den Zeichen der Entzün-
dung: Röthe , Hitze, Anschwellung und Spannung des lei-
denden Theiles ; nach und nach begränzt sich die Geschwulst
mehr, unter Zunahme der übrigen Erscheinungen, sie wird,
wenn das Exsudat sich in Eiter verwandelt, endlich bleicher,
erhebt sich in der Mitte mehr und zeigt daselbst Fluctua-
tion. In der Umgebung entsteht zuweilen eine ödematöse
Anschwellung. Kommt es zum Aufbruche, so platzt eine
sich an der höchsten Stelle bildende Pustel oder ein gelb-
lich weisser Fleck und entleert den enthaltenen Eiter, zu-
weilen mit Pfropfen von Zellgewebe vermischt.
Die eben beschriebene Art der Abscesse, als Metamor-
phose des Entzündungsproductes (Ausgang der Inflamma-
tion), unterscheidet sich aber wesentlich von den Lymph- oder
kalten und den sogenannten Congestionsabscessen.
Lymphabscesse oder kalteAbscesse sind nach
Walt her anfangs kleine, langsam wachsende, ungleich
begränzte, elastische, nicht verschiebbare , schon frühzei-
tig deutlich schwappende Geschwülste von normaler Haut-
farbe , welche eine dickliche , trübe , weiss-graulichte Flüs-
sigkeit enthalten.
Congestions abscesse, die durch Senkung des
Eiters von einem entfernteren Entzündungsherde nach der
Oberfläche hin entstehen , da der Eiter sich wegen tiefer
Lage oder umgebenden dichteren Geweben keinen Ausweg
zu bahnen vermag, werden als überall gleichmässig* fluctui-
rende Geschwülste erkannt , denen die Entzündungshärte im
Umfange mangelt , und die sich durch Druck und entspre-
chende Lage des Kranken zuweilen verkleinern lassen, nach
Aufhebung des Druckes aber und in aufrechter Stellung, be-
104
sonders bei damit verbundener Anstrengung, Niesen, Hu-
sten u. dgl, sich wieder füllen.
Nach Entzündung zurückbleibende Verhärtungen
werden leicht durch den Tastsinn erkannt.
Der Brand entsteht entweder aus heftiger Entzündung,
oder ohne deren Vorangehen.
Der entzündliche Brand ist in seinem ersten
Stadium als heisser Brand : G angr aen a bekannt und geht
endlich in den wahren kalten Brand: Sphacelus über.
Die Erscheinungen des ersteren sind : die früher ge-
spannte und harte Entzündungsgeschwulst wird teigig und
weicher, die hohe Röthe bläulich und verbreiteter, die Wärme
nimmt ab. Zuweilen erscheinen schon jetzt mit blau-röthli-
chem Serum gefüllte Blasen , und der Erkrankungsprocess
schreitet weiter.
Im Sphacelus sind die Theile leichenkalt, missfärbig,
grau marmorirt, von erweiterten Venen durchzogen und
werden selbst schwarz. Die Umgegend erscheint welk , tei-
gig , matsch anzufühlen , zuweilen empfindet man selbst
ein Knistern unter dem Drucke QEmphysema sphacelosum') .
Es erheben sich Brandblasen , die Theile darunter sind livid,
grünlich oder schwarz gefärbt und mit einem grauen oder
braunrothen Exsudate bedeckt. Die Jauche ist schmutzig,
bräunlich , stinkend , scharf und mit aufgelöstem Blute ver-
mischt ; die erkrankten Gewebe zerfallen endlich gänzlich
und lösen sich in Fetzen und breiige Masse auf. Nie wird
Erzeugung von Würmern beobachtet. Rundum ist meistens
noch Gangrän, und die benachbarten Gefässe sind als ge-
schwollene Stränge zu fühlen.
Der nicht entzündliche Brand entsteht entwe-
der als trockener oder als feuchter.
Der trockene erscheint unter Temperatursverminde-
rung, Verblassung, oder grauer, selbst schwarzer Färbung
des Theiles , der zu einer lederartigen Masse einschrumpft ;
der Brandschorf ist schwarz , seltener weissgelblich. Der
. 105
Process begränzt sich meistens durch die Entzündung, die
als Reaction auf secundäre Weise entsteht.
Der feuchte Brand hat seinen Entstehungsgrund
im aufgehobenen Blutumlaufe in einem Theile, der dann kalt,
emphysematös und ödematös angeschwollen erscheint, und
zuerst blau gefleckt , dann aber gleichmässig schiefergrau
oder schwarz sich darstellt.
Endlich bilden sich Brandblasen , nach deren Bersten
man alles darunter zerstört findet.
Dem Brande können wir füglich den Carbunkel als bran-
dige Entzündung anreihen.
Der Carbunkel stellt eine harte, dunkelrothe Ge-
schwulst im Unterhautzellgewebe dar, deren Härte am Um-
fange immer bemerklich bleibt , selbst wenn die Mitte schon
Fluctuation zeigen sollte. Im ferneren Verlaufe wird die Ge-
schwulst livid, teigig, platzt oder zeigt erst mehrere Brand-
blasen, die bald aufbrechen und sich mit grauen oder schwar-
zen Schorfen bedecken. Nachdem diese abgefallen, ergiesst
sich aus mehreren kleinen Öffnungen etwas blutige Jauche.
Endlich stosst sich das abgestorbene Zellgewebe los und
zeigt ein grosses oder mehrere kleine, vereinigte Geschwüre,
auf deren Grunde die unterliegenden Gebilde entblösst lie-
gen. Die Haut ist immer verdünnt, abgestorben, livid, und
in den Nachbartheilen eine weit verbreitete Röthe zu be-
merken.
Verbrennungen sowohl als Erfrierungen zeigen bei hö-
herer Entwicklung Neigung zu Gangrän , und mögen somit
hier ihren Platz finden.
Verbrennungen werden aus der vorausgegangenen
Ursache , so wie aus dem Hauterytheme erkannt , wenn sie
bloss oberflächlich sind; g*eht die Verbrennung aber tiefer,
so löst sich die Epidermis vom Corium ab, und bildet mit
klarem , gelblichen Serum gefüllte Blasen , oder es sind bei
noch tieferer Einwirkung des grossen Hitzgrades selbst die
Muskeln bis auf die Knochen zerstört und verkohlt,
106
Erfrierungen äussern sich, wenn sie oberflächlich
sind, durch vorübergehende Entzündungsröthe und An-
schwellung* der Theile. Bei höherem Grade des Leidens wer-
den diese dunkelroth oder violett gefärbt, Hitze und Ge-
schwulst sind grösser, und es kann sich selbst die Epidermis
in mit klarem Serum gefüllte Blasen erheben. Im höchsten
Grade der Erfrierung oder nach zu vorschneller Erwärmung
der erkrankten Theile geht die Entzündung leicht in Brand
über.
Sind die Hautausschläge und die Entzündung mit ihren
specifischen Verschiedenheiten ein wichtiger Gegenstand der
Inspection und Palpation, so werden diese Sinne nicht minder
zur Stellung der Diagnose so mancher unter der Haut un-
mittelbar gelegenen Geschwülste u. s. w. passend in An-
spruch genommen, und wir wollen nun versuchen, die äus-
seren Merkmale derselben zu geben und wenigstens deren
Umrisse so zu zeichnen, dass die Bilder, welche in Wal-
ther, Jäger und Radius Handwörterbuch der Chirurgie,
mit Meisterstrichen ausgeführt, vorgestellt werden , in un-
serer Skizze doch wenigstens zu erkennen seien.
Bai ggesch wülste sind unter der Haut oder den
Muskeln gelegene, runde, kugelige, glatte, elastisch re-
sistente, bewegliche, bisweilen fluctuirende Geschwülste.
Ihr Inhalt ist flüssig von verschiedener Consistenz, die Ent-
wicklung langsam. Hieher gehören die Hydatiden, Ho-
niggeschwülste QMeliceris), Atherome der Chi-
rurgen , Breigeschwülste u. s. w.
Fleischgewächse, Sarcome, erkennt man als
gleichförmige , massig feste , fleischharte Geschwülste von
verschiedener Form und Grösse , doch sind sie meistens rund
oder länglich begränzt und haben einen breiten oder schma-
len, gestielten Grund; ihre Oberfläche ist gleich und eben,
und lassen sich Abtheilungen wahrnehmen , so zeigen sich
diese nicht so hart und höckerig, wie beim Scirrhus. Sie
107
sind meistens beweglich und enthalten selten Brei- oder
Schleimniassen.
Steatome (Speckgeschwülste) sind meist rundliche
Erhabenheiten von massig* fester Consistenz und scheinbar
aus verschiedenen Lappen gebildet , da die darüber hinge-
henden Sehnen und Muskeln darin Einschnitte machen. An
der kleinen Basis fühlt man nicht selten wurzelartig ausge-
hende Stränge. Die bedeckende Haut ist verschiebbar und
nur im weiteren Verlaufe des Übels gespannt und entzündet.
Lipome sind weiche, schlaffe, schwammige, dem
Drucke nicht widerstrebende Geschwülste.
Neurom e erkennt man an ihrer Härte, Festigkeit und
Verschiebbarkeit , dem Sitze an dem Verlaufe eines ober-
flächlich liegenden Nervenstammes, ihre runde oder bohnen-
artige Form und an dem heftigen Schmerz, der durch Druck,
und Zerrung der Geschwulst und Bewegung des betref-
fenden Körpertheiles verursacht wird.
Lymphgeschwülste entstehen durch den Austritt
von lymphatischer Feuchtigkeit ins Zellgewebe, und erschei-
nen als anfangs kleine, umschriebene, elastische, normal
gefärbte Geschwülste. Zuweilen, wenn sie noch nicht grös-
ser als eine Bohne sind, lassen sie sich durch Druck besei-
tigen und hinterlassen nur einen kleinen Knoten (Lymphon-
cus). Sie können aber zu beträchtlicher Grösse anwachsen,
wobei zwar die Hautfarbe verändert und Fluctuation deut-
lich wahrnehmbar wird , ihre Diagnose aber dennoch nicht
ohne Schwierigkeit zu stellen ist.
Osteosteatome sind Geschwülste , die sich am Kno-
chen als unebene, harte, dem Fingerdrucke nicht weichende
Auftreibungen kund geben , wobei anfangs die bedeckenden
Weichtheile sich noch im Zustande völliger Integrität befin-
den, später aber selbst diese in die krankhafte Me-
tamorphose gezogen werden und die Grunze zwischen Kno-
chen und Weichtheilen sich immer mehr verwischt. Letztere
sind gespannt, härtlich anzufühlen, zeigen hie und daselbst
108
dunkle Fluktuation , bis die Haut aufbricht und häufig ein
carcinomatöses Geschwür zum Vorschein kommen lässt.
Die Angiectasien bestehen in widernatürlicher Aus-
dehnung* der Capillargefässe, wodurch weiche , sammtartig-
anzufühlende , elastische , meistens mit breiter Basis auf-
sitzende , seltener gestielte , schmerzlose Geschwülste ge-
bildet werden. Sie kommen häufiger an den oberen Theilen
des Körpers vor , als an den unteren. Arteriöse , mehr ent-
wickelte Angiectasien lassen auch Pulsation fühlen.
Condylome sind entweder gespitzt, erdbeer- oder
hahnenkammartig aufsitzende , oder auch flache , meist näs-
sende (zuweilen auch schrundige) Geschwülste, von schmu-
tzig rother Farbe. Sie bestehen aus Zellgewebe und Gefäs-
sen. Sie kommen überall vor, wo Schleimhaut ist, besonders
an den Geschlechtstheilen , der Zunge, dem Rachen, Ge-
hörgang, After, aber auch an den Brustwarzen, unter der
Achsel, am Mittelfleisch; selbst am behaarten Theile des
Kopfes hatte ich, als ehemaliger Interne der syphilitischen
Abtheilung , einige Male Gelegenheit , sie mit bedeutender
Absonderung verbunden zu beobachten. Die genannten Stel-
len sollen daher immer genau untersucht werden, wenn es
sich um Ausmittlung eines syphilitischen Leidens handelt.
Hauk's subcutane Condylome sind der Haut gleichfar-
bige Erhabenheiten, gewöhnlich in der Nähe der Geschlechts-
theile , aus denen durch Druck der weisse , traubenförmige
Inhalt des Follikels entfernt werden kann.
Schwamm gewächse {Fungus medullaris der Chi-
rurgen) erscheinen anfangs als härtliche, glatte Geschwülste,
ausser es liegen deren mehrere an einander, wodurch die
Oberfläche ungleich wird. Später werden einzelne Theile
weich, teigig , uneben und zeigen Fluctuation. Endlich bre-
chen sie auf, und zeigen blumenkohlartige Wucherungen in
einem jauchigen Geschwüre, das sich häufig mit einer leicht
ablösbaren Kruste bedeckt.
Fun g us haema Codes erscheint als vermehrte Ge-
109
fässentwicklung eines Theiles (ähnlich der Angiectasie), und
stellt eine rothe, oder wenn zugleich Pigment ins Innere der-
selben abgelagert wurde, eine blaurothe , beerenartige Ge-
schwulst ("F. melanodesj dar. Letztere scheint aus mehre-
ren Körnern , Knoten , oder Läppchen zusammengesetzt
zu sein , ist zusammendrückbar , locker und wird zuweilen
unter dem Drucke blässer ; verletzt blutet sie stark.
Scirrhus. Der Krebs äussert sich als unmerklich ent-
stehende , genau begränzte , bewegliche, sehr harte Ge-
schwulst, die in einem weiteren Stadium als Carcinoma
nach und nach mit den nebenliegenden Theilen verwächst,
dadurch ihre Verschiebbarkeit verliert, höckerig und hie und
da scheinbar fluctuirend wird. Die damit verwachsende Haut
erscheint livid , verdünnt und von Venen durchzogen ; die
nächsten Lymphdrüsen schwellen an , und das fahle Gesicht
erhält einen eigenen Ausdruck. — Endlich bricht die Ge-
schwulst auf (Cancer apertus) und bildet ein um sich fres-
sendes Geschwür mit hartem, höckerigem, braunrothem
Grunde , hartem , aufgeworfenem , oft unterminirtem, zacki-
gen Rande und serösem, gelblichem Secrete, von dem die
Silbersonde schwarz gefärbt wird. Statt der Granulationen
entstehen gerne dem Carfiol ähnliche, an der Oberfläche abster-
bende , aber sich immer neu erzeugende Wucherungen.
Als Spielart davon wird der vielarmige Krebs
beschrieben. Er erscheint anfangs unter der Form einzeln
stehender, kleiner, ästiger Gebilde, welche knorpelhart,
gerundet und verschiebbar sind, langsam wachsen, und
wenn sie eine gewisse Grösse erreicht haben , eine höcke-
rige Oberfläche darbieten. Entstehen neue Knötchen im Um-
kreise, so unterscheiden sich diese von den genannten Hö-
ckern durch ihre Verschiebbarkeit. Endlich erweicht sich
die gewölbteste Stelle , bricht auf und stellt ein oberflächli-
ches, grauliches, speckiges Geschwür dar. Zuweilen fallen
statt eines grossen Geschwüres mehrere kleine, seichte
Löcherchen aus der Haut aus , und bilden sich im Umkreise
110
ästige , strangartige Verhärtungen j an deren Spitzen die
Haut etwas eingezogen erscheint.
Der Hautkrebs besteht aus einem einzelnen, harten,
verschiebbaren Knoten, oder aus melanotischen Körnern,
oder stellt Alibert's Keloid dar.
Solches äussert sich durch kleine , flache, unregelmäs-
sige , meist ovale, in der Mitte deprimirte Hautanschwellun-
gen. Diese Knoten sind hart, roth und verblassen nicht beim
Druck. Sie gehen endlich wohl auch in Verschwärung über,
ohne aber die Charaktere des Krebsgeschwüres darzubieten,
und ohne von Drüsenanschwellung , Erweiterung der Ge-
fässe u. s. w. begleitet zu sein. Hieher gehört auch der in
England beobachtete Schornsteinfegerkrebs, der
als eine harte , endlich verschwärende Warze des Scrotums
sich darstellt.
Zu den Trennungen des Zusammenhang es der
Körperoberfläche werden Risse, Wunden und Geschwüre ge-
rechnet, von deren einigen wir die Beschreibung' versuchen
wollen.
Wunden werden durch die Inspection und die Sonde
leicht erkannt, ebenso ob sie oberflächlich oder tiefdringend,
Schnitt-, Hieb-, Stich-, Schuss- oder Quetschungswunden
sind, u. s. w.
Dass diese nach ihrem Sitze und ihrer Ausdehnung ver-
schiedene physikalische Erscheinungen haben, versteht sich
wohl von selbst. So verbinden sich z. B. mit den Symptomen
einer durchdringenden Brustwunde häufig die Erscheinungen
des Extravasates in der Brusthöhle oder des Pneumothorax etc.
Verwundete Venen lassen das dunkle Blut in gleichmäs-
sigem Strome ausfliessen; besteht aber ein Hinderniss des
Rückflusses im Gefässe, selbst im Bogen ; aus verwundeten Ar-
terien spritzt hingegen das hellrothe Blut im hüpfenden Strahle.
In jenen Venen-Stämmen , welche die obere Hohlader
zusammensetzen , tritt bei ihrer Verwundung gerne Luft
unter einem zischenden Geräusche ein , und verursacht ,
111
wenn sie ins Herz gelangt, schnelle Ohnmacht, selbst den
Tod.
Geschwüre QU leer a) sind abnorme wunde Secre-
tionsflächen , welche übelbeschafFenen Eiter (Jauche) ab-
setzen , und Neigung* zur Zerstörung der Gewebe zeigen.
Ihre Eintheilung ist mannigfach : in idiopathische , deutero-
pathische , symptomatische, dyscrasische , einfache, com-
plicirte o. s. f.
Den äusseren Merkmalen nach dürften folgende Unter-
arten wohl die merkwürdigsten sein :
Nach dem Charakter.
1. Das entzündliche G. zeigt einen gerötheten
Rand und Grund, wenig Absonderung, und jene, welche
erscheint , ist mehr serös-blutig , als eitrig. Die Umgebung
findet man hart, geschwollen, rosenartig geröthet und heiss.
2. Das atonische G. äussert sich durch die entge-
gengesetzten Merkmale. Die Geschwürsflächen und die Um-
gebung sind Mass, schlaff, ödematös ; das Secret ist dünn
und serös.
3. Das durch seine Empfindlichkeit ausgezeichnete ere-
thistische G. zeigt eine leicht blutende, gewölbte Ge-
schwürsfläche; sparsames und scharfes Secret, das zuweilen
mit Blut gemengt, nach Cooper's Vergleich , wie Milch
mit Erdbeeren aussieht. Die Ränder sind scharf und gekerbt,
die Umgegend rosenartig geröthet.
Nach der Form.
1. Schwielige oder callöse G. sind meistens ato-
nische, und zeichnen sich durch die knorpelige Härte,
Glätte, Aufgetrieben heit und Blässe der Ränder aus, so wie
durch den missfärbigen, dünnen, Jauche absondernden Grund.
Zuweilen erstreckt sich die Callosität auch auf den letzte-
ren, so dass auf demselben unregelmässige Inseln erscheinen.
2. Hohlgeschwüre haben eine kleine Öffnung, aber
112
einen höhlenartig untergrabenen Rand. Die Haut darüber ist
meistens dünn und bläulieh gefärbt.
3. Schwammige G. zeigen Wucherungen von ver-
schiedener Form , Farbe und Consistenz, welche dem Boden
entsprossen (Caro luxuriansj.
4. Fistelgeschwüre äussern sich durch eine oder
mehrere , anfangs geröthete , später callöse Hautüffnungen ,
welche mehr Eiter oder Jauche liefern , als man nach ihrer
sichtbaren Grösse erwarten sollte , besonders aber , wenn
man in der Umgebung drückt , oder dem Theile verschiedene
Stellungen gibt. Die enge Mündung ist zuweilen trichterför-
mig eingezogen und mit einer schwammigen Wucherung be-
deckt, in der die Sonde einen Canal entdeckt, dessen räum-
liche Verhältnisse verschieden sein können, und der öfters
mit anderen Canälen in Verbindung steht. In manchen Fällen
fliesst ausser dem Eiter noch ein Secret oder der Inhalt
einer Höhle heraus, wenn nämlich der Fistelgang bis zu letz-
terer gedrungen ist und sich diese geöffnet hat. In diesem
Falle , und wenn der Hohlgang zwei Öffnungen hat , nennt
man den Zustand eine wahre Fistel; wenn er aber nur
eine Mündung zeigt , eine unvollkommene, blinde,
oder f alsch e.
Auf die Untersuchung mittelst der Sonde , dem Finger
oder durch Einspritzungen, muss man bei Untersuchung von
Fisteln viele Aufmerksamkeit verwenden, und selbe öfters
wiederholen. Zuweilen fühlt man nach dem Verlaufe des Hohl-
ganges, eine strangartige Härte, und bei alten callösen
Fisteln nicht selten ein Knarren, wie wenn man mit der Sonde
auf einen entblössten Knorpel stiesse.
5. Ödematöse G. sind meist atonischen Charakters,
blass , haben aufgedunsene Ränder, einen glatten, glänzen-
den Grund und sondern viel wässeriges Secret ab. Um das
Geschwür herum sind die Theile bleich, ödematös oder ro-
senartig geröthet.
6. Das varicöse G. zeigt sich entweder auf varicö-
113
sen Theilen, oder es wird selbst varicös. Der Grund solcher
Geschwüre ist flach , braunroth , zuweilen mit Blutpuncten
gezeichnet; die scharf abgeschnittenen Ränder werden nach
und nach hart und callös, und das wässerige Secret erscheint
nicht selten von beigemischtem Blute schmutzigroth gefärbt.
Die varicöse knotige Umgebung zeigt meistens ein bräunli-
ches Colorit.
7. Das faulige Geschwür wird an der weiss-
grauen B'ärbung, der Welkheit und Schlaffheit erkannt. Seine
Oberfläche sondert viele ätzende , rothgraue , stinkende
Jauche ab. Wird es brandig, so erscheint es fast schwarz,
und zieht alle nahen Theile in den Zerstörungsprocess. Ent-
zündliche Reaction, wenn sich ja welche im Umkreise zeigt,
ist immer äusserst gering. Zuweilen erzeugen sich in die-
sen Geschwüren Maden.
8. Bran dige G. (V. gangraen osa) sind von heftig
entzündeten, dunkelroth gefärbten Theilen umgeben, und
haben eine trockene, braunrothe , oft schwarz verschorfte
Geschwürsfläche. Wunden aber, welche dem Einflüsse des
Hospital-Brandes unterliegen, zeigen nach Rust am
Grunde oder den gewulsteten Rändern einen grauweissen
oder dunkelbraunen Fleck, der je nachdem er auf dem Grunde,
oder an den Rändern entsteht, gleich anfangs rund, oder
erst halbmondförmig ist, um dann die runde Form anzuneh-
men. Diese Flecke vergrössern sich excentrisch , bedingen
dadurch eine kreisrunde Form der Geschwüre , ausser es
hätte die Zerstörung schon in die Tiefe gegriffen. Zuweilen
erscheinen derlei Geschwüre wie mit einer schimmlichen ,
fest anhängenden Haut überzogen. Jedesmal sind aber die
Ränder zerrissen, untergraben, becherförmig nach Aussen
umgestülpt, und die fernere Umgebung ödematös oder em-
physematös, bleich oder wachsgelb. In weiterer Entwicklung
des Hospitalbrandes zerfallen alle Theile in eine graue oder
braune, breiige Masse, welche das Geschwür überzieht.
Andere Unterarten der Geschwüre sind:
Gaal Diagnostik. $
114
das unreine , das jauchige , das fressende, das krebsige ,
wandernde, excentrisch um sich greifende, vcrschorfende ,
Borken bildende Geschwür u. s. f. oder nach zu Grunde lie-
genden dyscrasischen Krankheiten: das scrophulöse, syphi-
litische , gichtische , rheumatische , scorbutische , mercu-
rielle, carcinomatöse, exanthematische u. s. w., deren Diag-
nose durch Berücksichtigung der Erscheinungen des beglei-
tenden Allgemeinleidens wesentlich erleichtert wird.
Scrophulöse G. zeigen übrigens meistens einen
blassen , schwammigen Grund mit schlaffen dunkelrothen ,
unterminirten Rändern und serösem, mit käseähnlichen Thei-
len gemischten Eiter.
Drüsenverschwärungen sind durch die zerrissenen har-
ten , eingezogenen , von einem violetten , streng begränzten
Hofe umgebenen Ränder, den unebenen, blassen Grund und den
Charakter der Torpidität ausgezeichnet. Die Narben, welche
darnach zurückbleiben, sind lange Zeit g'eröthet, werden
endlich blass, schwielig und faltig.
Von den syphilitischen und mercuriellen Ge-
schwüren wird in den , der Untersuchung der Rachenhöhle
und der Geschlechtstheile gewidmeten Abschnitte die Rede
sein.
Gicht geschwüre werden als unregelmässige, ober-
flächliche Geschwüre mit glattem, braunrothem Grunde und
harten , blassen , selbst callösen Rändern beschrieben. Ihre
scharfe, wässerige Jauche färbt Verbandstücke und Silber-
sonden schwärzlich ; die Narben nach ihrer Heilung sind
dünn, im Umkreise dunkel gefärbt, unregelmässig und gezackt.
Rheumatische G. kommen meistens in der Nähe von
Gelenken oder des Schienbeines vor, sind oberflächlich, und
zeigen einen glatten, gelbröthlichen Grund, dünnen Rand,
umfänglichen Entzündungshof, und secerniren eine scharfe ,
gallertartige Flüssigkeit.
Scorbutische G. entwickeln sich oft aus unbedeuten-
den Verletzungen unter dem Einflüsse der scorbutjschen
115
Blutmischung'. Dieselben zeigen einen unebenen, braunro-
then oder U vi den Grund, der mit halbgeronnenem Blute oder
Wucherungen besetzt ist, zerrissene, aufgeworfene Ränder,
die von einem schmalen , bläulichen Saume umgeben sind ,
und sondern viel missfärbige , blutige Jauche ab. Kommen
sie zur Heilung, so bleibt eine ausgebreitete, livide, glän-
zende Narbe zurück.
Emphysem des Unterhautzellgewebes kommt
als weisse, glänzende, elastische Geschwulst von verschie-
den grosser Ausdehnung vor, welche den Fingereindruck
nicht behält, (Unterschied von Ödem) und durch Druck oder
Friction in ihrer Form und Verbreitung geändert werden
kann, wobei die Luft unter einem fühl- und selbst hörbaren
Knistern in das nächste Zellgewebe ausweicht.
Eine den Neugeborenen eigene Krankheit ist die Zell-
g e w e b s v e r h ä r t u n g (Induralio textus cellulosQ ,
welche gewöhnlich von den Waden beginnt und nach auf-
wärts fortschreitet. Es schwellen die Theile an, werden tro-
cken , hart und kalt , zuweilen livid oder roth, das Thermo-
meter zeigte im Munde ergriffener Kinder selbst nur 21° R.,
während die Temperatur im gesunden Zustande daselbst bis
30° beträgt.
Die Bewegung ist dabei natürlich erschwert.
Hut ersuehimg lies Kopfes, der Wirbelgäule iintl
des Halses.
Untersuchung des Kopfes.
An dem Kopfe sind die Verhältnisse desselben im All-
gemeinen , ferner das Cranium , die Augen , die Ohren , und
die Mundhöhle, Gegenstand der Untersuchung.
8 #
116
Von der Untersuchung des Kopfes im Allge-
meinenund desCraniums durch Inspect io n und
P alpation.
Der Kopf bietet die häufigsten Anomalien bei Kindern
dar, und ihre Krankheiten sind es, welche dessen Grösse
und Gestalt oft deutlich verändern.
Die normale Grösse des Kopfes steht nach dem Lebens-
alter in verschiedenem Verhältnisse zu den übrigen Theilen
des Körpers. Sein Wachsthum wird bei vorrückender Entwi-
ckelung der übrigen Organe von dem der letzteren verhält-
nissmässig weit überholt, so dass der Kopf, der bei Neu-
geborenen fast den dritten Theil des ganzen Körpers aus-
machte , bei Erwachsenen als dessen 7. bis 8. Theil er-
scheint. Das Verhältniss des Kopfes zu dem übrigen Körper
ist nach dem
1. Lebensjahre 1:4,5
*• » » 1:5
3. » » 1:6
Die Untersuchung der Grössenverhältnisse des ganzen
Kopfes sowie einzelner Theile ist für den Arzt der Kinder, der
Geistes- und Nervenkranken von grossem Belange. Der Kopf
findet sich übrigens bei Kindern im Ganzen vergrös-
sert, oft nur in Folge schnellerer Entwickelung desselben,
wobei die Stirne durch den Gehirnreichthum zuweilen vorge-
trieben erscheint , die Verknöcherung aber rasch vorschrei-
tet; diess ist eine Kugelform , aus der keine deutliche Stö-
rung des Wohlbefindens entspringt, und die sich im 7. bis
8. Lebensjahre meistens verliert. Bei Rachitisch en blei-
ben dabei die Fontanellen lange offen , und erscheinen die
Schläfen eingedrückt, die Seitenwandbeine weichen ausein-
ander, und die Knochen sind auffallend dünn. Der Schädel-
form bei II y dr o cephalus ehr onicus wurde schon ge-
dacht; in seltenen Fällen findet sich der Kopf einer grossen
mit Wasser gefüllten Blase ähnlich, an dem nur einzelne
117
Verknöcherungspuncte sichtbar sind. Gewöhnlich verknö-
chern Nähte und Fontanellen spät, und erscheinen wulstig
über die Kopfknochen vorgetrieben ; doch geschieht es auch,
dass jene verknöchert sind, während die breiten Schädelkno-
chen verdünnt und vorgetrieben erscheinen. In diesem Falle
liegen die Nähte tief.
Bei vulgärem Cretinismus ist die Grösse des
breiten Kopfes von der vorwaltenden Entwickelung der Kno-
chen in die Dicke abhängig, so dass dadurch die Räume der
Kopfhöhlen sehr beschränkt werden. Solche Köpfe zeigen
meist eine niedere Stirne , die im Vergleich zu den vorwal-
tenden Kiefern noch minder entwickelt erscheint, und eine
Abflachung des Hinterhauptes.
Kleinheit des Schädels in allen Dimensionen , Flachheit
der Stirne und des Hinterhauptes , das wie abgehackt aus-
sieht, mit zuckerhutartiger Zuspitzung des Scheitels soll in
Schönlei n's Cretinismus c amp es tris und ange-
borener Gehirnatrophie überhaupt vorkommen; die
Kopfknochen sind dabei gewöhnlich verdickt. Durch unglei-
che Entwicklung der beiden Kopfhälften entsteht der schiefe
Kopf, der in der Ätiologie von Geistes- und Nervenkrank-
heiten eine nicht unbedeutende Rolle spielt.
Vom phrenologischen Standpuncte aus hat man
die Grössenverhältnisse des Kopfes im Ganzen und in seinen
Theilen besonders zu betrachten. Die Grösse des Vorderlap-
pens gibt nach C o m b e #) hier das Maass für die Verstandes-
vermögen ab; am Lebenden erkennt man den Vorderlappen,
als den auf der Gehirnkarte vor dem Bausinne und Wohlwol-
len liegenden Abschnitt. Zuweilen zeigt sich der untere
Theil des Vorderlappens ; vom Bausinne nach vor- und ab-
wärts zur Basis , als grösser , und entspricht dem entwi-
*) System der Phrenologie überhaupt, v. Hirsohfeld. Braun-
schvveig 1833. Pag. 76.
118
ekelten Wahrnehmungsvermögen ; zuweilen wird aber der
obere Theil, dem das Denkvermögen zugeschrieben wird,
als mehr ausgebildet erkannt. Wo der hintere Lappen und
die Basis des Gehirnes stark entwickelt erscheinen, sollen
die thierischen Triebe mehr vorherrschen. Was hinter einer
vom Zitzenfortsatze aufwärts zum Scheitel gelegenen Linie
liegt, gehört in diese Sphäre.
Der Scheiteltheil des Gehirnes ist der Sitz der morali-
schen Gefühle ; seine Grösse wird nach der Höhe und Aus-
breitung des Schädels über den Organen der Vorsicht in der
Mitte der Scheitelbeine und des Schlussvermögens am Vor-
derhaupte geschätzt.
Der Technik der Mensuration des Schädels ward schon
gedacht ; so wichtig aber die Ergebnisse der Messung sei-
ner Durchmesser sind, so muss man doch nicht glauben, da-
mit Alles gethan zu haben, denn die Seelenkräfte lassen sich
nicht mit dem Tasterzirkel, wie geographische Meilen ohne
Rücksicht der Zonen, Höhen und Fluren bemessen, es ge-
hört eine allseitige Würdigung der Seelenäusserungen zur
Kenntniss ihrer Organe.
Der Schädel zerfällt nach Grohmann in drei Zonen,
so wie sich am Gesichte drei Regionen zeigen : die 3 Theile
des Schädels sind: a) Vorderhaupt — Denken;
6) Seitenmittelhaupt — Empfindung ;
c) Hinterhaupt — Trieb , Wille.
DieStirne lässt sich ebenfalls in drei Abschnitte theilen :
d) Orbitalränder — Sinnensphäre, wahrnehmende An-
schauung.
6) Mittlere Breite — Reflexion, Combination, innere Vor-
stellung , Imagination.
c) Oberer Stirnrand — Denken.
Drei Längsstreifen von der Stirn aufwärts umfassen :
d) Von der Nasenwurzel aufwärts — abstractes Begriffs-
vermögen y massiges Vorstellen und Denken.
119
ft) & c) Von den beiden OrbitaJrändern hinauf — Witz,
Phantasie , Imagination.
Das Seiten- oder Mittelhaupt zeigt gleichfalls drei Theile :
d) tiefere Ohrgegend — niederes Gefühl, Ernährungs-
trieb , Egoismus.
6) mittlere ober dem Ohre — Mitleidenschaft u. s. w.
c) höhere Scheitelgegend — höheres, ideales Gefühl.
Das Hinterhaupt in drei Abschnitte getheilt, zeigt in:
a) der niedern Gegend — Sexualtrieb, Instinct;
6) im mittleren Theile, — mehr selbstbewussten, conser-
vativen Trieb ;
c) in der oberen Gegend — freie , ideale Richtung des
Willens.
In einem Längenstreifen, der von der Nasenwurzelnach
dem Hinterhaupte über den Scheitel gezogen gedacht wird ,
liegen oben die Centralpuncte des veredelten Denk-, Em-
pfindung^- und Willenlebens :
a) Scharfsinn;
6) Wohlwollen, und
c) Selbstachtung.
Nach Grohmann#) sind vorzüglich folgende Kopf-
formen als bezeichnend zu betrachten.
1. Die allgemeinste Schädelform , die sich aus der em-
bryonischen Eiforni des kindlichen Schädels als primitiver
Typus entwickelt, ist die Kugel. Sie bietet keine ausdrucks-
vollen Merkmale, und scheint nur da zu sein, damit erst et-
was darauf gezeichnet werde. Der Schädel ist klein , rund ,
die Stirne kurz und klein, und steht in gerader oder einwärts
gebogener Linie, das kleine Auge liegt unter den wenig ab-
stehenden Orbitalrändern , die Jochbeine sind breit , die Nase
ist stumpf oder ragt nur mit kleiner Spitze hervor, die runde
Kiefergegend scheint Nichts zu bedeuten. Solche sehr häufig
*) Untersuchungen d. Phrenologie. Grimma. 18^2. p. 47.
120
vorkommende Physiognomien bezeichnen den Nichts sagen-
den Ausdruck sinnlichen vegetativen Daseins , das vielleicht
zu etwas höherem heraufgebildet werden kann.
2. In der viereckigen, gleichseitigen Form des Antlitzes
und Schädels , der oben in scharfe Kanten ausgeht , scheint
sich ein energischer Charakter und einförmiges, aber nach-
drucksvolles, bei einem Entschlüsse beharrliches, sinnliches
Handeln auszusprechen.
3. Der oblonge, viereckige Kopf, wobei Schädel und
Antlitz von den Seiten in einer breiten langen Linie aufstei-
gen , letzteres aber und die hinteren Theile des Schädels
schmal sind, deutet auf einseitiges, wenig umsichtiges Den-
ken, starren Willen , indifferentes Empfinden und eine An-
schauung, welche nur im Stande ist, jedesmal einen Punct
der Betrachtung aufzufinden. Kritische Neigung scheint in
dieser Schädelform ihre Anlage zu finden, Ehrgeiz und Eitel-
keit sich durch selbe zu characterisiren.
4. Der dreieckige Kopf mit oben befindlicher Basis, ohne
am Schädel bedeutende Wölbung bemerken zu lassen, und
sich nach unten am Kiefer zuspitzend, wie an den Schädeln
der Nagethiere , scheint Ausdruck der Anlage für das tech-
nisch-mechanische Talent zu sein.
5. Die gerade entgegengesetzte dreieckige Kopfform mit
unten breiter Basis und kantiger Wölbung des Cranium, stellt
Grohmann in Verhältniss zur Anlage zur närrischen Ein-
bildung und zum Wahnwitz.
6. Eine Kopfform , wo an den Seiten , zwischen Antlitz
und Schädel eine Senkung ist, und die steil herausliegenden
Seiten des Craniums von dem schmalen Antlitze nach aus-
und aufwärts steigen , zeigte sich kaum in Verbindung mit
edlerer, geistiger Natur, begleitete aber kräftiges Handeln
und Verarbeiten der Aussendinge.
Diess waren mehr geradlinige Kopfformen, von diesen
unterscheiden sich wesentlich folgende , durch krumme Li-
nien bezeichnete.
121
7. Die runde Form, die sich aber von jener Primitivform
darin unterscheidet, dass bei jener Kleinheit und mangelhafte
Entwickelungder Organe vorwalten, bei dieser aber Letz-
tere mehr ausgeprägt sind, ohne aber die breite, runde Form
des Kopfes zu beeinträchtigen. Der psychische Ausdruck die-
ser Form deutet auf passives Aufnehmen, speicherartiges
Niederlegen des durch das mechanische Gedächtniss Gesam-
melten , ohne geniale Erfindung und Phantasie.
8. Die ovale mehr nach rückwärts strebende Form , mit
weit über den Nacken vorragendem Hinterhaupte, deutet auf
wohlwollenden und handelnden Charakter, Phantasie und leb-
haftes Gedankenspiel. Bei Sanguinikern sind die Stirne und
alle Formen mehr platt und flach , bei dem Choleriker mehr
gewölbt, voller und gedrängter.
9. Eine mehr nach aufwärts strebende und geschwun-
gene ovale oder parabolische Form des Schädels mit kühne-
rer Wölbung* der Stirne und vorragendem Scheitel, charac-
terisirt den Genius des Denkens und Dichtens.
Erst nach Betrachtung der Grösse und Form des Kopfes
im Ganzen geht man zur Untersuchung aller einzelnen Organe
desselben über, und bemerkt, welche mehr, welche weniger
entwickelt erscheinen, und bringt alle mit einander in ver-
gleichende Beziehung, weil sich aus der Betrachtung ein-
zelner Organe noch kein Schluss folgern lässt, und
viele Seelenäusserungen als Resultat der Thätigkeit mehre-
rer Organe erscheinen. Selbst die Bildung des Nackens,
der obersten Columna vertebralis gibt wesentliche Kenn-
zeichen.
In nachstehender Abbildung ist eine Karte der Organe des
Gehirnes gegeben-, kleine, recht brauchbare colorirte Büsten
befinden sich in der Niederlage der k. k. Wiener-Porzellan-
Fabrik.
122
Übereinstimmende Namen und Einteilung der phre nolo-
gischen Organe nach Spur z heim, Corabe, v. Struveft)
und Gall:
*) Handbuch der Phrenologie. Leipzig. Brockhaus 1845.
193
I. Sinnlichkeit oder Triebe.
1. Geschlechtstrieb;
2. Kinderliebe ;
3. Einheitstrieb , Abschliessungstrieb #) ;
4. Anhänglichkeit, Heimatsliebe;
5. Bekämpfungstrieb, Mutti;
6. Zerstörungstrieb;
7. Verheimlichungstrieb , Intrigue ;
8. Erwerbtrieb, Zuneigungstrieb;
9. Nahrungs trieb.
II. Empfindungsvermögen oder Gefühle.
10. Selbstgefühl;
11. Beifallsliebe, Eitelkeit (Eifersucht);
12. Sorglichkeit, Vorsicht;
13. Wohlwollen;
14. Ehrerbietung, Gottesfurcht;
15. Festigkeit;
16. Gewissenhaftigkeit, Gerechtigkeit;
17. Hoffnung;
18. Sinn für das Wunderbare ;
19. Sinn für das Schöne; Idealität, Poesie.
III. Darstellungsvermögen oder Talente.
9. Zusammensetzungssinn für mechanische Kunst, Bau-
talent ;
20. Witz, Scherz nach Spur zheim 19) ;
21. Nachahmungstalent;
29. Ordnungssinn;
32. Tonsinn, Melodiensinn;
33. Sprach- oder Wortsinn (Wortgedächtniss).
*) Nach Königsfeld.
124
IV. Erkenntnissverniö gen oder Fähigkeiten,
aj Nach dem Räume.
22. Gegenstandssinn;
23. Gestaltensinn (Personengedächtniss) ;
24. Grössensinn ;
27. Ortssinn;
25. Gewichtssinn;
26. Farbensinn.
b) Nach der Zeit
31. Zeitsinn;
30. Thatsachensinn.
cj Nach der Zahl.
28. Zahlensinn.
V. Denkvermögen oder Gaben.
34. Vergleichungsgabe (synthetischer Verstand) ;
35. Schlussvermögen (analystischer Verstand), metaphy-
sischer Sinn.
Zu bemerken ist übrigens , dass in GalTs Tafeln meh-
rere der genannten, erst später entdeckten Organe vergeb-
lich gesucht werden, und dass die Zahlen daselbst mit den
hier angeführten nicht übereinstimmen.
Die psychologische Physiognomik von der Phreno-
logie trennen zu wollen , hiesse das bewegende Organ von
dem, in welchem sich die Bewegung sichtbar äussert, ent-
fernen; es hiesse die Gesetze der bildenden Natur verken-
nen wollen, welche sich in der kleinsten, scheinbar gering-
fügigen Gestaltung als Offenbarung eines geistigen, unsicht-
baren Lebens kund gibt , und die am Haupte und im Ant-
litze von der Thätigkeit der geheimen geistigen Kräfte , die
wir Wille , Gemüth und Verstand nennen , sichtbares Zeug-
nis s gibt.
Nach Lavater sind folgende Punc(e nicht ohne Bedeu-
tung für die Erkenntniss der Seelenthätigkeit:
Die Stirne ist breit bei Verstand und Genie, gewölbt
125
beim cholerischen Temperamente, schmal bei geringen Gei-
steskräften , hoch bei Melancholikern , hoch und schmal
mit langem Angesichte und kleinem Kinne bei tyranni-
schem Sinne; zu hohe Stirn soll auf Langsamkeit im
Begreifen und Handeln deuten. Bei Kindern ist eine senk-
rechte, hohe, in der Mitte etwas eingebogene Stirne ein Merk-
mal von Eigensinn. — Eine kurze Stirn bezeichnet Geistes-
armuth , eine kantige , viereckige findet sich bei den klüg-
sten und zuverlässigsten Charaktern , und deutet auf Geist,
Muth und richtiges Urtheil. Eine nach den Schläfen abge-
rundete Stirn wird als Zeichen eines schwachen, weibischen
Geistes angesehen. Je senkrechter die Stirne , deso mehr
Muth und festen Sinn drückt sie aus; doch ist vollkommene
Perpendicularität ein Zeichen von Verstandesschwäche. Vor-
springende Augenbögen sind immer mit Anlage zu feinen
Verstandesübungen verbunden. Massig gewölbte, hohe Stirne
gilt als Zeichen von Verstand , Lebhaftigkeit und Zorn-
sucht.
Hervorspringende Höcker sollen feuriges Wirken, Ehr-
geiz , Stolz und unbeugsamen Charakter bezeichnen , Ein-
drücke hingegen für Hinterlist sprechen.
Stirnfalten hält Lavater für Zeichen eines finsteren
Charakters, Längenfalten in der Nähe der Nasenwurzel für
den Ausdruck von Kraft , Querfalten hingegen , die in der
Mitte auf- und abwärts gebrochen sind , sollen Kraftlosig-
keit bedeuten.
Struppige Augenbraunen sprechen für heftigen Charak-
ter, gerade sind die Zeichen eines männliches Geistes, hän-
gende bezeichnen ein finsteres Gemüth.
Eine grosse Nase wird für ein Zeichen von Geistesga-
ben gehalten. Eine kleine Nase von hohlem Profil findet sich
bei den vortrefflichsten Menschen , deren Seelenleben aber
mehr passiv ist. Nach L. soll eine breite Nase aussergewöhn-
liche Menschen bezeichnen. Eine spitze Nase begleitet Gei-
stesschärfe und rege Phantasie, eine stumpfe deutet auf
126
sinnliche Neigung* , Stumpfsinn und Sorglosigkeit. Eine ge-
bogene Nase bezeichnet bald Neigung zu Spott, bald Herrsch-
sucht und Zerstürungstrieb.
Weite Nasenlöcher sollen auf Neigung zur Sinnlichkeit
und Wollust deuten, enge hingegen einem furchtsamen Cha-
rakter eigen sein.
Dicke Lippen hält L a va t er für ein Zeichen von Sinn-
lichkeit , Üppigkeit ; schmale Lippen hingegen zeugen für
Ordnungsliebe, Fleiss und Reinlichkeit, und kommen melan-
cholischem Temperamente zu. Sanft überhängende Lippen be-
deuten Gutmüthigkeit , stark aufgeworfene dagegen Frech-
heit. Eine vorspringende Unterlippe soll Ruhmredigkeit und
Dummheit bezeichnen (auch die Unkeuschheit, den Geiz
u. s. w. nach Andern).
Ein spitzes Kinn soll List und Geiz bezeichnen , ein
glattes auf Kälte , ein zugleich kleines auf Mangel an Un-
ternehmungsgeist deuten. Ein eckiges Kinn kommt klugen
und festen Charakteien zu, ein doppeltes, fettes bezeichnet
Wohlleben.
Ist gleich allen Arbeiten Lavater's das Gepräge eines
grossen Beobachtungsgeistes aufgedrückt, sind seine Deu-
tungen zu vorhandenen Gemälden, Porträten u. s. w. gleich
treffend und bezeichnend, so verlieren doch diese ihren gan-
zen Werth, wenn sie von den Abbildungen getrennt behoben
werden , und kommen selbst mit manchen Puncten der Phre-
nologie in Widerspruch, da sie einer festeren, wissen-
schaftlicheren Basis ermangeln.
Wer sich mitphrenologischenundpsychisch-physiogno-
mischen Studien beschäftigen will, dem kann ich ausser den
angeführten phrenologischen Schriften noch D eb aut's Es-
quisse de la Phrenologie empfehlen; in derselben ist fast al-
les in gedrängter Kürze enthalten , was dem gebildeten
Arzte aus den beiden Fächern zu wissen dringend nöthig
ist. Zu rein physiognomischen Studien gibt das weitläufige
und weniger streng wissenschaftliche, aber bisher unerreichte
127
Werk vonjLavater #) , das auch in der reichen, künst-
lerischen Ausstattung* mit vortrefflichen Kupferstichen seines
Gleichen sucht, hinlängliche Gelegenheit.
Behufs der psychischen Physiognomik sowohl , als zur
Erleichterung des Studiums des Gesichtsausdruckes in Krank-
heiten hat man sich bemüht , gewisse Linien und Züge auf-
zustellen , deren stärkeres Vortreten oder Vcrwischtseyn
verschiedene seelische und körperliche Zustände begleitet.
Einige davon werden den geneigten Lesern aus der schon
gegebenen Skizze des Habitus bei gewissen Krankheiten
noch erinnerlich sein, doch wollen wir sie sämmtlich in mög-
lichster Kürze und Vollständigkeit besprechen.
Man unterscheidet nach Baumgärtner und J a d e 1 o t
gewisse Gesichtslinien , welche in bestimmter Beziehung zu
den im Antlitze befindlichen Öffnungen zu stehen scheinen.
Man theilt sie demnach am passendsten 1) in eine Orbi-
talpartie, 2) in jene, welche die Nasenlöcher betrifft,
Rhinalpartie, und 3) in jene, welche sich auf den Mund
bezieht , S t o m a 1 p a r t i e.
Die Linien selbst sind entweder Kreislinien, die
von Muskeln hervorgebracht werden , welche die Öffnungen
erweitern, oder S tr ahle nlinien , welche durch Action
der Schliessmuskel entstehen. Diese Linien werden aber
durch die Thätigkeit benachbarter Muskel nicht selten ver-
zogen, wodurch die verschobenen Gesichtslinien
bewirkt werden.
In psychischer Hinsicht soll die EntWickelung der Kreis •
linien mehr das Ergriffenseyn der sensitiven Seite und pas-
sive Zustände , das Ausgeprägtseyn der Strahlenlinien hin-
gegen Vorwalten der motorischen Sphäre und Reaction be-
zeichnen.
1. Orbitalpartie, a) Die inneren Kreislinien
*) Physiognomischc Fragmente. Leipzig, k Bd. in 4. 1775—78.
128
werden von den auf den Augenlidern befindlichen , geboge-
nen Furchen gebildet ; b) die äusseren Kreislinien sind die
horizontalen Stirnlinien. Die Linea oculo zygomatica
geht vom innern Augenwinkel bis zu einer etwas unter dem
Jochbeine gelegenen Stelle, wo sie verwaschen endet. Sie
deutet bei Kindern auf Hirnleiden, bei Erwachsenen auf ge-
schlechtliche Unordnung. Strahlenlinien, a) Die inne-
ren Strahlenlinien entstehen durch Zusammenziehung des
Kreismuskels , sind am äusseren Augenwinkel stärker ent-
wickelt, als an der Nasenwurzel, und stellen dort den soge-
nannten Hahnenfuss oder Hühnertritt dar; b) die äusseren
Strahlenlinien sind senkrechte Furchen auf der Stirne.
2. Rhinalp artie. Kreislinien, aj Die innersten
werden durch den Rand der Nasenlöcher gebildet ; b) die mitt-
lere geht vom obern Rande des Nasenflügels beginnend in die
mittlere Kreislinie des Mundes über. Diese Linie ist bei Er-
wachsenen immer deutlich , und selbst bei Kindern sind ge-
ringe Reproductionsstörungen hinreichend, sie mehr sichtbar
zu machen. Je deutlicher markirt diese Linie erscheint , ein
desto tieferes Leiden deutet sie an ; ihr oberer Theil wird als
Darmleiden begleitend angegeben, der untere Theil sollMa-
genkrankheiten anzeigen; c) bei manchen Personen findet
man noch auf der Mitte der Wange eine schwach angedeu-
tete, äussere, kreisförmige Rhinallinie. — Strahlenli-
nien sind nur am Rücken der Nase und gegen die Flügel
hin vorhanden , wenn selbe gerunzelt wird.
3. Stomalpartie. Kreislinien, a) Der Rand der
Lippen, als innerste Orbicularlinie; ft) die mittlere schliesst
den Mundwinkel ein , verbindet sich nach oben mit der mitt-
leren Kreislinie der Nase , mit der sie die E-Linie bil-
det , und verliert sich nach unten zu in das Kinn oder in die
Strahlenlinie des Mundwinkels, c) Die äusseren Kreislinien
des Mundes, bei manchen Individuen, als die 3. und 4. Or-
bicularlinie der Stomalpartie, ziehen über die Wangen die
vorigen einschliessend. — Strahlenlini en. a) Kleine,
129
strahlige Linien durch Zusammenziehung des M. orbicuL und
risorius hervorgebracht ; b~) die Buccalfurche, bedingt durch
den M. buccinator, zieht von der Mitte der Backe zum Mund-
winkel hin ; c) am Kinne prägen sich bei Zusammenziehung
des Levator menti Strahlenlinien aus.
Die durch die Wirkung der Muskel hervorgebrachten
Gesichtszüge erscheinen nach Moser #) als folgende :
d) In derO rb italp artie, 1. Züge des Orbicularis
palpebr arum: Augenspalte geschlossen, strahlige Palpe-
brarlinien, die Gesichtshaut am Mundwinkel in die Höhe gezo-
gen — bei Schmerzen, Lichtscheu und Widerstreben gegen ge-
wisse Gegenstände; 2) Züge des Cor ruga lor: die Augen-
braunen sind einander genähert, eine senkrechte Falte steht
über der Nasenwurzel, am Augenbogen sind mehrere strahlige
Frontalfalten. — Diese Züge kommen in denselben Fällen
vor, wie die des Orbicularis, und bezeichnen übrigens noch tie-
fes Nachdenken und Zorn. 3) Züge des Fr o n lalis: Stark
gebogene frontale Kreislinien , weit offene Augenspalte, auf-
wärts gezogene Augenbraunen — bei Lichtgier , assimilati-
vem Nachdenken , Erstaunen.
ft) In der Rhinal- und Stomalpartie, 1) Züge
des Compressor nasi: Aufwärts gezogene und g*e-
spannte , strahlige Rhinallinien und im mittleren Theile auf-
wärts gezogene Lippe — Widerstreben gegen unangeneh-
men Geruch, Schmerz, Gemüthsaffecte , wie Verachtung.
2) Züge des Orbicularis oris: Zusammengezogene,
kleine Mundspalte , rüsselförmig vorgetriebene Lippen , die
strahligen Stomallinien deutlich, die kreisförmigen aber ver-
wischt — Widerwille gegen Nahrung, Unzufriedenheit,
leichtes, psychisches Aufbrausen. 3) Züge des Buccina-
tor: Buccalfurche, ausgeprägte Strahlenfalte des Mundwin-
kels , sogenanntes Hasenmaul mit vorstehender , faltiger
*) Die medic. Diagnostik und Semiolik. Leipzig 18i5 , p. 39.
Gaal Diagnostik. 9
130
Oberlippe — willkürliche Unterbrechung des Athmens , ge-
dankenlose Ruhe , eitle Selbstzufriedenheit, wenn zugleich
die Züge des M. zygomaticus major vortreten. 4) Züge des
L ev ator menti: Halbmondförmige Mund spalte , deren
Winkel nach abwärts sehen, die Lippen an einander ge-
presst und vorgetrieben, geradegezogene Rhinal- und Sto-
malkreislinien , das untere Ende der Stomalkreislinie verbin-
det sich mit den Strahlenlinien des Mundwinkels zu einem
Bogen , in der aufwärts gezogenen Kinnhaut sieht man viele
strahlige, unten nach aussen gebogene Linien — dieser Zug
wird bei leichtem Schmerz , Ekel , Vomiturition und ga-
strischen Leiden beobachtet. 5) Züge der M . incisivi : Fast an
die Zähne gepresste, eingezogene Lippen mit aufwärts ge-
zogener aber glatter Kinnhaut, verlängerter und geschlosse-
ner Mundspalte, stark gebogener Kreislinie des Mundes, Un-
deutlichwerden der Nasenkreislinie — deuten auf verbissenen
Schmerz und Bosheit. 6) Züge des M asseter und Tem-
pora Us: Die Muskeln treten stärker vor, die untere Kinn-
lade ist an die obere gepresst ; wirken die Plerigoidei mit,
so ist jene auch noch nach vorne verschoben. 7) Züge des
Levalor alae nasi: Weit offene Nasenlöcher und erho-
bene Nasenspitze — bedeuten Respirationshindernisse, ver-
mehrte Thätigkeit des Geruchsorganes , Staunen und Angst.
8) Züge des Z y g o matte us minor: Starke Nasenkreis-
linie, im oberen Theile gespannte Mundkreislinie , stärkeres
Hervortreten der strahligen Palpebrarlinien bei offenem Auge.
Diese Züge kommen tiefen Leiden der Verdauungsorgane
zu , besonders wenn sie schmerzhaft sind, und bezeichnen
auch Seelenschmerz ohne Reaction. 9) Züge des Zygo-
maticus major: Stark gebogene mittlere Kreislinie des
Mundes , deutliche äussere Stomallinie, lange, etwas offene
Mundspalte, deren Winkel wenig nach oben gerichtet sind,
und ausgeprägte Nasenkreislinien — deuten auf Wohlbehagen,
gutmüthiges Lachen. 10) Züge des Risori us: Die Mund-
spalte ist lang und horizontal, die mittlere orbiculäre Mund-
131
linie knieförmig gebogen, die äussere sehr gewölbt, die
strahligen Palpebrarlinien sind mehr ausgeprägt. Dieser Zug*
bedeutet Ironie , in Verbindung aber mit dem des Zyyomati-
cus minor Schmerz. 11) Züge des Trianyularis: Die
Mundwinkel und die kreisförmigen Sternallinien sind nach
unten und aussen verzogen , die Mundspalte erscheint lang
und geschlossen — bei deprimirenden Gemüthsaffecten , Nei-
gung zum Weinen. Verbindet sich dieser Zug mit dem des
Zygom. min. , so bedeutet er verhaltenen Schmerz ; gesellt
er sich zu dem des Zygom. major, so drückt er zum Lachen
geneigte Stimmung aus. 12) Die Züge des Quadr atus
menli sind den vorigen ähnlich, doch ist dabei der Mund-
winkel weniger abwärts, und die Kreislinie des Mundes we-
niger in die Länge gezogen-, dieser Zug entspricht Brust-
beklemmung, Dyspnoe und Unzufriedenheit.
Mehr Aufschluss, als die genannten Linien und Züge,
gewährt in vielen Fällen die vergleichende Betrachtung
des Auges und des Blickes mit den Symptomen, welche aus
der Stellung und Bewegung des Mundes sich ergeben. Gei-
steskranke zumal erkennt man häufig auf den ersten Blick,
ohne noch irgend eine krankhafte Äusserung an ihnen zu
bemerken , an der Disharmonie der Bewegungen und des
Mienenspieles der oberen und der unteren Gesichtshälfte, so
dass z. B. ein düsterer Blick mit einem lächelnden Munde
sich paart.
Der speciellen Untersuchung des Auges ist ein eige-
ner Abschnitt gewidmet. Von den Symptomen , welche an
selbem für Leiden anderer oft entfernt liegender Organe
sprechen, genüge es Einige hier anzuführen. Gehirnkrank-
heiten , Convulsionen äussern sich durch Schielen und Rol-
len der Augäpfel. Im chronischen Wasserkopfe sind letztere
häufig nach abwärts gekehrt und zitternd. Glotzaugen kom-
men im Todeskampfe , in apoplectischen Anfällen , bei nar-
cotischer Vergiftung u. s. w. vor.
Die Pupille ist im gesunden Zustande bei Kindern
9 #
132
verhältnissmässig grösser als bei Erwachsenen. Durch Ge-
hirnreizung wird sie verengt , durch Druck auf das Gehirn
erweitert. Ungleiche Erweiterung begleitet organische Zu-
stände des Nervencentrums , die sich auf eine Hemisphäre
beschränken.
Die S cleroti ca nimmt an den meisten Färbungen der
übrigen Haut Antheil, sie wird z. B. gelb im Icterus, schmu-
tzig bei vielen Cachexien und mit ecchymotischen Flecken
besetzt, bei Morb. Werlhofii > dem Scorbute, der Cholera
und nach Bi dl oo selbst in der Pest.
Die Conjunctiva gibt häufig über den Zustand des
Blutes und seine Vertheilung Aufschluss , wie über Conge-
stion , wo sie geröthet und injicirt, oder über Anämie , wo
sie nicht selten , wenn schon die übrigen Theile wieder ihr
normales Colorit erlangt haben, die blasse Farbe noch lange
behält.
Eingesunken sind die Augen in allen Schwächekrank-
heiten. Nach Säfteverlusten , in vielen Cachexien , bei man-
chen Geschlechtskrankheiten sind die Augen von einem blei-
farbenen oder bläulichen Ringe umschlossen.
Die Aug'enlider sind bei vielen Congestipns- und Ent-
zündungskrankheiten , Exanthemen u. s. w. geröthet, zu-
weilen von Thränen benetzt, geschwollen oder ödematös.
Bei Lichtscheue wegen Gehirnreizung werden die Au-
gen fest geschlossen gehalten. Halboffenseyn der Augen-
spalte begleitet viele Krankheiten, besonders die mit Schwäche
verbunden sind, wenn nicht Gewohnheit dessen Ursache ist.
Der Blick ist s c har f, treffend, wenn die Sehach-
sen dauernd an einem bestimmten Objecte zusammentreffen,
der Bulbus die gehörige Spannung hat, und das Auge klar ist
und glänzt.
Den matten Blick erkennen wir daran, dass dem
Auge Klarheit und Glanz mangelt, dass es nicht gespannt
ist, das Lid leicht darüber herabsinkt, wiewohl jenes auch
dauernd auf ein Object gerichtet ist.
133
Der nicht treffende Blick entsteht, wenn die
Sehachsen nicht bestimmt auf einen Gegenstand gerichtet
sind und die Aufmerksamkeit getheilt ist.
Der stiere und staunende Blick richtet die Seh-
achsen wohl auf einen bestimmten Gegenstand , allein mehr
parallel , so dass sie in dem Objecte sich nicht vereinigen.
Der gänzlich aufgehobene Blick lässt gar
keine Seelenthätigkeit erkennen, der fixe und der un-
stäte Blick sind durch ihre Benennung hinlänglich bezeich-
net. Der nur aus einem Auge erfolgende Blick beruht
auf Störung des Sehnerven des anderen Auges. Die übrigen
von Baumgärtner aufgeführten Arten des Blickes, als
der f r eude s t r ahle n d e , sanfte, düstere, wilde,
angstvolle, schmerzliche u s.w. haben den Grund
ihres psychischen Ausdruckes in den begleitenden Gesichts-
zügen. Der psychologischen Seite der Physiognomik und ih-
rer Verbindung mit Phrenologie wird übrigens in dem der
Untersuchung des Kopfes gewidmeten Abschnitte gedacht.
Der Mund zeigt verschiedene Charactere, je nach dem
verschiedenen Leiden, und gibt besonders für die Kinderpra-
xis werthvolle Zeichen.
Einziehen der Oberlippe und Vortreten der Unterlippe
deutet auf vorübergehenden Schmerz; auf dauernden ein
anhaltendes Verziehen der Lippen, wie zum Weinen. Bei
Hirnleiden kauen die Kinder zuweilen an den einwärts ge-
zogenen Lippen ; auswärts gerollt erscheint die Unterlippe
bei Abdominalkrankheiten. Bei Athmungsbeschwerden öffnen
sie die Nasenlöcher weit und ziehen die Mundwinkel nach
aus- und abwärts. Bei Kolik und Vomituritionen ist die Furche
zwischen dem aufwärts gezogenen Kinne und der Unterlippe
stark vertieft, und letztere wird halbmondförmig gebogen.
Heftiges Zucken mit dem Munde und Auffahren im Schlafe
kündigen zuweilen Convulsionen an. — Der Mund steht
offen bei Verstopfung der Nase und Aphten. Bei Spasmus
134
glottidis steht er weit offen und ist viereckig* verzogen. Ring-
förmiger Mund mit strahlenartigen, durch Zusammenpressen
des Kreismuskels erzeugten Falten, erschwertem Schlingen,
Livor und Convulsionen , deutet auf Trismus neonatorum.
Beim Trismus Erwachsener wird der Mund fest geschlossen
gehalten , die Mundwinkel sind nach abwärts gezogen , so
dass das Kinn abgeplattet erscheint. Bei Sclerose steht der
unbewegliche Mund wie ein Karpfenmaul offen. Schiefstehen
des Mundes deutet entweder auf Paralyse der einen oder auf
krampfhafte Zusammenziehung der andern Seite. Dass bei
Convulsionen der Mund oft rüsselartig verlängert wird, dass
bei schweren Respirationsleiden und in Delirien oft beide
Wangen aufgeblasen werden und die Luft durch den Mund
nach Art des Tabakrauchens hervorgestossen wird , ist be-
kannt. Hier müssen wir auch noch der kauenden und schnal-
zenden Bewegung des Mundes und des Zähneknirschens er-
wähnen , welche bei Gehirnleiden , Helminthiasis etc. zu-
weilen erscheinen.
Ausser den angeführten, mehr vom phrenologischen und
physiognomischen Standpuncte aus betrachteten Grössenver-
hältnissen des Kopfes und seiner Theile sind es noch haupt-
sächlich folgende Krankheitszustände , welche sich zugleich
durch Formveränderung, Consistenz u. s. w. auszeichnen,
welche hier angeführt werden müssen
Eine Vertiefung am Kopfe nach traumatischer Einwir-
kung deutet auf Schädelbruch oder Eindruck , und ist mei-
stens mit Hirnzufällen in Verbindung.
Geschwülste am Kopfe, die rund oder spitz, genau
umschrieben , resistent , nicht verschiebbar (meist auch em-
pfindlich) sind, bezeichnen gewöhnlich krankhafte Metamor-
phosen des Knochens oder seiner Beinhaut und
werden durch Verletzungen oder Dyscrasien , namentlich
Syphilis veranlasst. (Im letzteren Falle schmerzen sie zu-
weilen des Nachts.)
Geschwülste, welche prall, elastisch , umschrieben und
135
nicht wegdrückbar sind , sprechen für Ansammlung einer
Flüssigkeit, Serum, Blut oder Eiter unter der Ga-
lea aponeurotica oder der Beinhaut ; ist die Geschwulst
aber mehr teigig, erhaben, undeutlich begränzt, seitlich
wegdrückbar , meistens mit veränderter Hautfärbung verbun-
den , so ist anzunehmen, dass sie sich unter der all-
gemeinen Decke befinde.
Eine elastische , verschiebbare , entzündungslose Ge-
schwulst von langsamer Entwicklung, die über dem Knochen
befindlich ist und gleichzeitig mit dem Herzschlage pulsirt,
bezeichnet das Aneurysma der äusseren Kopfarterien. Ist
es gross genug, so kann man auch durch die Auscultation
ein blasendes Geräusch daselbst wahrnehmen.
Zu erwähnen ist hier auch die rheumatische
Schwiele, eine verwaschene, zuweilen teigige oft ziem-
lich breite Geschwulst der Kopfdecken.
Der Fungus cranii charakterisirt sich durch eine
abscessartige , scheinbar fluctuirende , langsam und unter
Erscheinungen eines Hirnleidens sich entwickelnde Ge-
schwulst, die mit den unterliegenden Knochen fest zusam-
menhängt, und wobei die Anwendung äusseren Druckes leicht
Hirnzufälle hervorruft.
Bildet sich bei kleinen Kindern eine fluctuirende , nicht
pulsirende , durchscheinende, sackartige Geschwulst, so
wird sie als Hy drocephalus ex ternus erkannt; steht
dieselbe überdiess mit der Schädelhöhle in Verbindung, sitzt
sie am Hinterhaupte, oder ragt sie durch die Nähte und Fon-
tanellen hervor, so bezeichnet sie die angeborne Hirn-
hautwassersucht.
Bei Neugebornen zieht die Kopfblutge seh wulst,
die sich durch deutliche Fluctuation und anscheinend durch
die hart anzufühlenden Ränder der unterliegenden Knochen
zu erkennen gibt, die Aufmerksamkeit des Arztes auf sich,
so wie der Hirnbruch, der als weiche , teigige , an der
Spitze oft scheinbar schwappende, isochronisch mit dem
136
Athmen sich hebende und senkende Geschwulst erkannt wird,
welche durch angebrachten Druck, unter Hervorrufung von
Hirnzufällen, wenigstens zum Theile in die widernatürliche
Öffnung der Schädelhöhle znrückgebracht werden kann. Der
Sitz desselben ist meist an den Fontanellen. Der Fungus
durae matris zeigt dieselben Erscheinungen, si(zt aber
meistens in der Mitte der Schädelknochen,
Der Zustand der F o n t a n e 11 e n ist nie zu übersehen, ob
sie geschlossen sind, oder nicht, gespannt oder schlaff ge-
fühlt werden u. s. w. Dauernd gespannte Fontanellen deuten
auf Aufregung des Gefässsystemes oder auf Kopfcongestion.
Von Geburt aus schwächliche Kinder und solche , die durch
Säfteverlust erschöpft sind, zeigen eingefallene Fontanellen.
Sind Convulsionen vorhanden und die Fontanellen gespannt,
so kann man annehmen, dass jene in einer Überfüllung des
Gehirnes ihren Grund haben ; sind sie zusammengefallen, so
muss man auf andere Ursache denken.
Untersuchung durch Auscultation.
Fischer #) in Boston behauptete zuerst, durch An-
setzen des Stethoscopes auf den Kopf von Kindern, bei chro-
nischen Affectionen der Meningen und des Gehirnes , ein mit
den Arterienpulsationen isochrones ßlasegeräusch gehört zu
haben , besonders deutlich aber am vordem Ende der Pfeil-
naht. Dieses im Normalzustande nicht vernehmbare blasende
Geräusch wird der Überfüllung und Compression der an der
Basis des Gehirnes befindlichen Arterien zugeschrieben, und
ist von Fischer und Khetney ##) in Congestionsfällen,
z.B. gleich nach dem Keuchhustenanfalle, in acuter Hirnent-
zündung mit und ohne Exsudat, im chronischen Hydrocephalus,
bei Compression des Gehirnes durch Geschwülste , Indura-
*> Gazette medicale Nr. 2. Janvier 1834.
**) American Journ. of medical sciences. Oct. 1834.
137
tion oder Schwanimgewäehsen im Cerebellum, bei Ossifica-
(ion der Gehirnarterie, Aneurysma der Arieria basilaris y
Anämie und einigen Hydrocephalus ähnlichen Zuständen
gehört worden.
Letzterer führt noch ausser den eben beschriebenen en-
cephalischen Blasen eine Cerebral-Ägophonie an , die der
Veränderung der Stimme , welche sie bei pleuritischen Er-
güssen erleidet, ähnlich sein soll, und die er nur beim
Sprechen Kranker, die an einem Exsudate in der Höhle
der Arachnoidea litten, abgesehen von der aus dem Mun-
de dringenden Stimme, gehört hat. Nebstbei ist am Kopfe
das Respirationsgeräusch über den Nasenhöhlen und das Ge-
räusch der Deglutition (eine Art von Gluckgluck) zu verneh-
men, denen man aber keine besondere semiotische Bedeutung
beilegen kann.
Andere Beobachter mit Ausnahme Ge n d rins , der das
Arteriengeräusch vernahm, konnten die fraglichen beiden
Schallmodificationen nicht finden, und ich selbst war trotz
der gespanntesten Aufmerksamkeit nie so glücklich , diesel-
ben zu entdecken.
Untersuchung des Auges«
Allgemeine Bemerkungen.
1. Inspection. Die Untersuchung des Auges wird
grösstentheils mittelst des Gesichtssinnes vorgenommen.
Dazu ist vor allen eine entsprechende Beleuchtung*
nothwendig. In den meisten Fällen reicht das gewöhnli-
che Tageslicht im Zimmer, in der Nähe eines von der
Sonne eben nicht beschienenen Fensters hin. Wo jedoch das
zu untersuchende Auge lichtscheu ist, muss die Inspection
nur beim gedämpften Lichte geschehen. Diess aus
dem doppelten Grunde, weil die verstärkte Lichteinwirkung
auf das empfindliche Auge demselben sehr nachtheilig seyn
kann , und weil die Untersuchung, wenn man sie durch Aus-
138
einanderziehen der Augenlider auch möglich machen will,
dennoch wegen der fortwährenden krampfhaften Zusammen-
ziehung des Schliessmuskels nur unvollkommen ist, oder gänz-
lich gehindert wird. In einem solchen Falle untersuche man
entweder an einem vom Fenster mehr entfernten, minder hel-
len Orte, oder beschatte das Auge von der Seite mit der Hand,
oder lasse den Kranken die Seite oder den Rücken dem Fen-
ster zukehren. Bei Kindern reicht jedoch auch diess nicht
immer hin. Gewalt schadet da nur noch mehr. Man muss de-
ren Neugierde durch ein vorgehaltenes , ihnen angenehmes
Objekt, ein Spielzeug", eine Uhr u. dgl. zu erregen, und
dadurch ein freiwilliges Öffnen der Augenlider zu bewirken
suchen. Hier ist allerdings ein schneller, scharfer und geüb-
ter Blick nothwendig, um in einem Augenblicke dieGesammt-
theile der Erscheinungen auffassen zu können. In manchen
Fällen , z. B. bei vorhandenem höheren Grade von Empfin-
dungslosigkeit, kann die Untersuchung bei stärkerer Be-
leuchtung vorgenommen werden.
Es ist ferner bei der Inspection nothwendig, dass
auch der Untersuchende die gehörige Stellung ein-
nehme; denn die Betrachtung von vorn allein reicht
nicht immer hin , und würde zu manchen Irrthümern führen.
Man muss das Auge auch von der Seite untersuchen;
denn nur dadurch wird es möglich, zu bestimmen , welche
Lage ein bestimmtes Objekt am oder im Auge habe, was be-
sonders wichtig ist , bei der Untersuchung der Hornhaut der
vordem Augenkammer, der Iris und der hinter derselben
befindlichen Gebilde. Auch ist es oft nothwendig , das Auge
von oben, oder von unten zu betrachten. Diese Unter-
suchungen in verschiedenen Stellungen können dadurch er-
leichtert werden, dass man den Kranken das Auge nach auf-
oder abwärts oder nach der Seite wenden lässt.
Zuweilen ist es zur vollständigen Erhebung aller
Umstände erforderlich, das Auge eigentümlich vorzubereiten.
Dieses findet vorzüglich dann Statt, wenn es sich darum
139
handelt j genau zu bestimmen, ob ein Gegenstand innerhalb
oder hinter der Pupille liege, welcher Veränderungen derPu-
pillarrand der Iris fähig sei, in welchem Zustande sich die tie-
feren Augapfelgebilde (Linse, Glaskörper, Retina, Choroidea)
sich befinden. Hierzu dient die Ein trau flung der satu-
rirten Lösung eines narkotischen Extractes (Hyoscyamus,
Belladonna , von ersteren 1 Theil auf 8 , von letzterer 1
Theil auf 16 Theile destillirten Wassers). Am besten ge-
schieht dieses auf solche Weise , dass dem in der Rücken-
lage befindlichen Kranken einige Tropfen dieser Lösung mit-
telst eines Tropfglases ins Auge geträufelt werden, worauf er
zehn Minuten lang in dieser Lage bleiben muss. In anderen
Fällen ist eine besondere Lage- Änderung der Gebilde zur
Untersuchung' erforderlich , z. B. um die innere Fläche der
Augenlider zu sehen , deren Umstülpung. Das Nähere dar-
über im speziellen Theile.
In manchen Fällen , wo es sich um sehr kleine Ob-
jekte oder sehr feine Unterschiede in der Struktur der Au-
gengebilde handelt, muss man das Sehvermögen durch An-
wendung eines Vergrösserungs - Glases (convexe
Linse) unterstüzen. Zu diesem Ende reichen 4 — 6fach ver-
grössernde Loupen hin. Man untersuche nicht mit schärferen
Gläsern , und auch nicht zu lauge , weil durch Beides die
Augen sehr gereizt werden können.
2. Palpation. Der Tastsinn wird dann bei der Unter-
suchung von Augenkrankheiten in Anwendung gebracht, wo
die Lage krankhafter Prodrukte in der Umgebung des Aug-
apfels, die Beschaffenheit der Oberfläche und die Con-
sistenz solcher Produkte oder der einzelnen Augengebilde
näher bestimmt werden soll.
Als Unterstützungsmittel des Seh- und Tastsinnes
dienen dort, wo man mit diesen allein nicht ausreicht, man-
cherlei mechanische Werkzeuge , als : Borsten , Darm-
saiten , Sonden, die aus Silber (An e Ische , Mej ansehe),
aus Stahl oder aus Fischbein gefertigt sind.
140
3. Das Gehör wird nur in seltenen Fällen zur physika-
lischen Untersuchung der Augenkrankheiten verwendet, sol-
che wären z. B. aneurysmatische Erweiterungen der Ge-
fässe in der Orbita.
Das von Alb er s entdeckte knisternde, von der Ähn-
lichkeit mit dem einer aufplatzenden Schote , so benannten
Schotengeräusch, entsteht durch zähen Schleim, der
am Augapfel haftet, und hat nach Kyll gar keine patholo-
gische Bedeutung, indem bei normaler Beschaffenheit des
Auges dasselbe leicht durch Drücken der Augenlider, Be-
wegen einer auf derselben gebildeten Hautfalte , rasches
Schliessen u. s. w. hervorgebracht werden kann. Die Feuch-
tigkeiten, welche zwischen dem Bulbus und der innern Fläche
der Augendeckel sich befinden, bilden mit der Luft bei ge-
wissen Bewegungen Bläschen , deren Zerplatzen mit der
den Augenhöhlen vielleicht zukommenden Resonanz das in Rede
stehende Geräusch ins Dasein ruft.
Die Untersuchung der zum Sehorgan gehörigen Gebilde
findet am besten in der Ordnung Statt , dass man zuerst die
den Augapfel umgebenden Theile, dann aber den
Augapfel selbst in Betrachtung zieht.
AJ Untersuchung der den Augapfel umgeben-
den Gebilde.
Zu diesen werden die Augenbra unen, die Augen-
lider, die Bindehaut, die Thr äneno rga n e und die
Augenhöhle gerechnet.
1. D i e Augenbraun e n. An den Augenbraunen ist
dielnspection auf die Menge, Dicke, Länge der Haare,
auf die Farbe und Oberfläche der unterliegenden Haut
und auf die Beweglichkeit derselben zu richten. In
manchen Fällen sind die Haare sehr sparsam oder ganz feh-
lend (besonders bei Individuen mit lichtem Kopfhaar), in an-
deren sehr zahlreich und von eigenthümlich struppichtem
Aussehen. An der unterliegenden Haut bringen verschiedene
141
Ausschläge mannigfache Farben - Veränderungen hervor.
Auch finden sich Geschwüre , ja sogar Insecten nicht
selten daselbst. Hervorragungen, die sich mittelst der
Palpation häufig" als von Periosteum ausgehende, mehr-
weniger feste Geschwülste kundgeben, so wie Narben in die-
ser Gegend sind besonders wichtig* , wenn sie in der Nähe
des Stirnnerven vorkommen, weil der durch dieselben auf
den letzteren ausgeübte Druck einen das Sehvermögen sehr
störenden Reflex auf den Augapfel selbst bewirken kann.
Ausserdem sind sie, besonders die ersteren, oft Merkmahle
vorausgegangener oder noch gegenwärtig bestehender allge-
meiner Syphilis. Unbeweglichkeit der Augenbraunen
ist mit Paralyse des Stirnmuskels oder des Augenschliessers
combinirt, und deutet auf ein Leiden der diese Muskeln ver-
sehenden Nerven.
2. Die Augenlider. An diesen sind die Grösse,
die Oberfläche, die Farbe, die Auge nlid s palte ,
die Stellung und deren Function zu untersuchen.
Die Grösse derselben ist vermehrt, wo das Unterhautzellge-
webe Sitz krankhafter Absonderungen und Producte ist ; ver-
mindert , wenn durch Wunden, Verschwärung u. s. w. Sub-
stanzverlust gesetzt wurde. Die Oberfläche unterliegt allen
jenen Veränderungen, durch Bläschen, Schuppen etc. etc.,
deren die allgemeine Decke überhaupt fähig* ist. Besonders
wichtig sind die hier vorkommenden Geschwülste, an
welchen durch Palpation zu untersuchen ist, ob deren Sitz
in oder unter der allgemeinen Decke sei (Letzteres ist der
Fall, wenn dieselbe sich in Falten legen lässt), ob sie scharf
begränzt seien oder nicht, welche Consistenz sie haben , ob
sich ein flüssiges Contentum durch Fluctuation kund gibt.
Der Hautfurunkel kommt unter dem Namen Hordeolum,
Gerstenkorn, mit den gewöhnlichen Symptomen nahe am
Augenlidrande vor. Eine dieser Gegend eigenthümliche Ge-
schwulst ist jedoch das Chalazion , Hagelkorn, wel-
ches als ein in der Entwicklung gehemmter Furunkel ange-
142
sehen wird, und eine der Haut gleichgefärbte, ovale, harte
Geschwulst darstellt.
Von besonderer Wichtigkeit sind die Aug'enlidrän-
der, an welchen zuerst die vordere dann die hintere
Lefze zu betrachten ist. An ersterer ist sehr häufig Röthe,
Verdickung* , knotige Beschaffenheit (bei Blepharoadenitis
und Tylosis scrophulöser Individuen) wahrnehmbar; auch
sind oft Geschwüre und in deren Folge Narben daselbst vor-
handen , wo die Kante wie abgeschliffen erscheint. Die C i-
lien können an Zahl vermindert oder ganz'fehlend
sein , in Folge der angeführten krankhaften Beschaffenheit
des Augenlidrandes; vermehrt kommen sie vor, wenn aus
einer Zwiebel mehrere keimen , oder mehrere Cilien vorhan-
den sind. Besonders wichtig ist die Richtung* der Cilien;
dieselben kehren sich nämlich zuweilen nach einwärts gegen
den Bulbus, und üben dadurch einen höchst nachtheiligen Reiz
auf denselben aus QTrichiasis^) . Man entdeckt diese falsche
Richtung der Cilien durch leichtes Auseinanderziehen der Au-
genlider mittelst der beiden Daumen und genaue Betrachtung'
des Augenlidrandes. Hier ist vorzüglich darauf zu sehen,
welche Ursache dieser falschen Richtung' sich ermitteln lasse,
ob sie nicht bloss ein Symptom der Einwärtskehrung des
ganzen Augenlides sei , oder ob die narbige oder knotige
Beschaffenheit der vordem Lefze des Augenlidrandes das
Hervorkeimen der Cilien an der normalen Stelle hindere, und
sie nöthige , eine falsche Richtung' gegen den Augapfel zu
nehmen, oder ob Mehrzahl derselben in Folge von wuchern-
dem Wachsthume Statt finde , wo die überzähligen Cilien
gleichfalls gegen den Augapfel gerichtet sind , während die
normalen ihre gehörige Stellung haben. Dergleichen norm-
widrige Cilien sind oft so fein , kurz und meistens zugleich
von so lichter Farbe , dass sie sehr leicht übersehen werden.
Hier ist folgender Handgriff zu empfehlen: Man lege die
Daumenfläche auf das Augenlid, und drücke das obere etwas
nach abwärts , das untere nach aufwärts , so dass der Au-
143
genlidrand auf die Mitte der Hornhaut - Oberfläche kommt,
an welche er zugleich leise angedrückt wird; so dient die
flache Oberfläche der Cornea gleichsam als Spiegel, und
auch die kleinsten Cilien treten nun deutlich hervor, so dass
sie abgezählt werden können. Diese Untersuchungsweise ist
weit leichter und sicherer, als selbst die mit der Loupe. Da
dergleichen abnorme Cilien die einzige Ursache vieler chro-
nischer Ophthalmien sind , so ist eine genaue Untersuchung
des Augenlidrandes bei langwierigen Augenentzündungen
nie zu versäumen.
Bezüglich der hinteren Kante des Augenlidrandes
ist zu achten , ob sie im Normalzustande sich befinde , oder
ob sie nicht durch Geschwüres- und Narbenbildung zerstört
sei, in welchem Falle abnormes Thränenträuf ein in Folge der
gehinderten Thränenableitung vorhanden ist. — An der Au-
genlidspalte ist zu berücksichtigen, ob sie die nor-
male Weite habe. Sie kann krankhaft vergrössert sein
durch wunde Trennungen oder Substanzverlust an den Augen-
winkeln, krampfhaft verengert (Blepharophymosis) durch
theilweise Verwachsung unter einander, besonders am äus-
seren Augenwinkel, meist in Folge von Anätzung oder Ge-
schwürsbildung am Letzteren. Partielle oder totale Ver-
wachsung der Augenlidränder QAnchyloblepha-
ron) kann übrigens auch angeboren, und entweder eine un-
mittelbare , oder durch eine zwischenliegende Substanz be-
dingte sein. — Das Augenlid hat nicht selten seine Stel-
lung so geändert, dass es entweder nach Aussen (Ectro-
pium} oder nach einwärts (Entropium} gekehrt er-
scheint, wobei besonders genau untersucht werden muss ,
welches die Ursache dieses Übels ist. Mechanische , durch
die Inspection leicht zu erkennende Ursachen des Ectro-
piums sind : Verkürzung der äusseren Haut , Trennung der
Augenlidcommissuren, Vergrösserung des Knorpels (am un-
tern Augenlide) Anschwellung, Wucherung der Conjunc-
tiva , Volumszunahme des Augapfels. Beim Entropium :
144
Verkürzung* der Conjunctiva, Einwärtskrümmung' des Knor-
pels, Verlängerung der äussern Haut. — Störungen in
der Bewegung* der Augenlider werden sich immer durch
auffallende Veränderungen ihrer mechanischen Verhältnisse
kundgeben. Unaufhörliche Bewegung derselben wird als
Blinzeln, Nie titatio, bezeichnet * aufgehobene Bewe-
gung derselben äussert sich: 1) durch fortwährendes Ge-
schlossensein der Augenlidspalte QBlep har optosis spa-
stica oder p ar aliticay je nachdem Krampf des Kreismus-
kels, oder Paralyse des Aufhebers Ursache davon ist. 2) durch
fortwährendes Offenbleiben der Augenlidspalte, Lag Oph-
thal mus spasticus oder par aliticus , das Hasen-
auge, dessen Ursachen die entgegengesetzten der Ptosis sind.
3. Die Bindehaut QConjunctivaJ. Hier ist vor Al-
lem die Conjunctiva der Augenlider in Betracht zu ziehen.
In den meisten Fällen reicht die Untersuchung der Bindehaut
des untern Augenlides hin , da man von der Beschaffenheit
dessen auf eine ähnliche des obern Augenlides schliessen
kann. Dazu ist es nothwendig , dasselbe mittelst des Dau-
mens oder Zeigefingers durch Abziehung leicht nach abwärts
zu stülpen. Die Umstülpung des obern Lides wird nur dann
vorgenommen , wenn man sich , bei vorkommenden Wuche-
rungen an der Conjunctiva des untern Lids , von der Be-
schaffenheit jener des oberen genauer überzeugen will, oder
wenn es sich darum handelt, einen fremden Körper, der ins
Auge gefallen ist, und den man weder an der Oberfläche des
Bulbus, noch an der Innenfläche des untern Augenlides fand,
zu entdecken. Diese Umstülpung des obern Lides wird am
besten mit Hilfe eines beinernen , runden Stäbchens , des
Augenstülpers, in Ermanglung dessen auch mittelst ei-
nes Federkieles oder einer klingenden Münze vorgenommen.
Zu diesem Ende muss man mit Zeigefinger und Daumen der
einen Hand das Augenlid nahe am Rande fassend , dasselbe
vom Bulbus ab und nach unten ziehen , und dann während
man den Kranken nach abwärts sehen heisst , den mit der
145
andern Hand gehaltenen Stülper an die äussere Augenlid-
fläche in der Gegend des obern Randes vom Augenlidknorpel
anlegen, und mit demselben letzteren leicht nach abwärts
drücken , gleichzeitig aber den Augenlidrand nach vor- und
aufwärts ziehen , worauf die Umstülpung erfolgt. — An der
Bindehaut sowol der Augenlider als des Augapfels hat
man zuerst das Volumen derselben zu berücksichtigen, wel-
ches durch entzündliche Anschwellung, Infiltration, Wu-
cherungen oft bedeutend vermehrt, durch Narben und
Atrophie (Xerosis) vermindert sein kann. Die glatte
Oberfläche der Conjunct. palp. wird durch kleine punctförmige
Erhabenheiten (bei der katarrhalischen Entzündung) zu ei-
ner sammetartigen , ja durch bis zur Hanfkorngrösse zuneh-
mende runde Erhabenheiten (beim Trachome) zu einer rau-
hen , hügeligen. Geschwüre und Narben bilden an derselben
entsprechende Vertiefungen. Bezüglich der krankhaften Röthe
der Conjunctiva ist zu unterscheiden, ob sie gleichförmig*
ausgebreitet oder nur stellenweise vorhanden, welche Inten-
sität und welche Nuancirung" (ins bläuliche, gelbe, braune)
sie darbiete. An der Conj. bulbi ist noch insbesondere zu
beachten, ob ihre Röthe nicht eine doppelte Schich-
tung wahrnehmen lasse, wo dann die oberflächige der ei-
gentlichen Conjunctiva , die tieferliegende dem sub-conjunc-
tivalen Zellengewebe und der Sclerotica zukömmt. Die ge-
störte Function der Bindehaut äussert sich durch qualita-
tive und quantitative Veränderungen ihres Secretes.
Es gibt Fälle, in welchen die Bindehaut der Augenli-
der mit jener des Augapfels in abnorme Verbindung ge-
treten ist (Symblepharon^) , und zwar kann diess an einer
oder der anderen Stelle Statt finden. Wird diese Verwach-
sung durch dichtes, kurzes Zellengewebe bewirkt, so heisst
man sie eine unmittelbare, gehen aber Fäden oder bal-
kenartige Stränge von einer Conjunctiva zur anderen, so
nennt man das Symblepharon ein mit t elb ares. Im ersten
Gaal Diagnostik. \Q
146
Falle ist die Beweglichkeit der Augenlider aufgehoben , im
zweiten nur erschwert.
4. Untersuchung der Thränenorgane. Das
Thränen erzeugende Organ, die Thränendrüse, bietet
eine Volums Vermehrung dar, wrenn sie entzündet,
lymphatisch infiltrirt, medullarkrebsig oder scirrhös entar-
tet, oder der Sitz der Hydatiden ist. Man findet dann eine
an der äussern oberen Gegend des Orbitalrandes hervortre-
tende Geschwulst, durch die der Augapfel nach ein- und ab-
wärts und selbst nach vorn gedrängt wird. Die Oberfläche
einer solchen Geschwulst zeigt sich bei der Palpation höcke-
rig , wenn Scirrhus zu Grunde liegt , und von sehr harter
Consistenz. Bei entzündlicher oder lymphatischer Anschwel-
lung fühlt sie sich wohl auch mehr oder weniger hart an ,
doch von glatter, gleichförmiger Oberfläche, bei medullarkreb-
siger Verbindung theils weich , theils härtlich ; bei vor-
handener Eiterung oder Hydatiden -Erzeugung ist Fluctua-
tion , im letzteren Falle an einzelnen umschriebenen Stellen
sich äussernd, wahrnehmbar. Volumsabnahme der Thrä-
nendrüse durch Vereiterung hat Verminderung der Thiänen-
secretion zur Folge, welche übrigens auch durch alle früher
angeführten pathologischen Zustände quantitative und
qualitative Veränderungen erleidet.
Bei den Thränen leitenden Organen (Augenlider,
Thränensee, Thränen - Carunkel) ist zu beachten, ob der
Thränenbach durch krankhafte Beschaffenheit der hinteren
Lefze des Augenlidrandes, und ob der Thränensee durch
abnorme Vergrösserung der Carunkel oder Verwachsung
der naheliegenden Augenlidränder nicht aufgehoben sei.
Besonders wichtig ist die Untersuchung der Thränen
ableitenden Organe (Thränenröhrchen, Thränensack,
Thränennasengang). Man findet zuweilen die Saugmündun-
gen der Thränenröhrchen , die Thränenpuncte, obliterirt und
dadurch manches anhaltende Thränenträufeln erklärt. Die Er-
forschung der Durchgängigkeit der Thränenröhrchen
147
wird nothwendig, wenn bei normal bestehenden Thränen-
puncten Zeichen einer gänzlich gehinderten Ableitung der
Thränen in die Nasenhöhle mit bedeutender Ansammlung der-
selben im Thränensacke (Thränensackwassersucht)
vorhanden sind. In solchen Fällen ist immer die vorläufige
Eröffnung des Thränensackes erforderlich , worauf man die
Wegsamkeit der Thränenröhrchen mittelst Einträuflung einer
gefärbten Flüssigkeit ins Auge, oder wenn diess nicht hin-
reicht , mit einer feinen Silbersonde (Ane Tsche Sonde) er-
forscht. Im ersten Falle werden bei horizontaler Rückenlage
einige Tropfen von einem mit SyrupusViolarum oder Cochcnill-
Tinctur gefärbten Wasser in den inneren Augenwinkel mit-
telst eines Tropfglases geträufelt, und darauf gesehen, ob
nach einigen Minuten diese Flüssigkeit aus der Öffnung des
Thränensackes zum Vorscheine kommt. Bei der Untersu-
chung mit der Sonde ist das Augenlid nach aussen anzu-
spannen, und die Sonde sehr behutsam, unter drehender Be-
wegung durch den Thränenpunct in das betreffende Thränen-
röhrchen einzuführen. Hierbei ist die Richtung jedes Thrä-
nenröhrchens genau zu beobachten , und dieser entspre-
chend beim oberen Thränenröhrchen die Sonde zuerst nach
ein- und aufwärts, dann nach ein- und abwärts, beim untern
nach ein- und abwärts, dann nach ein- und aufwärts zu füh-
ren. Dringt die Sonde nur langsam und schwer in den Thrä-
nensack, so ist das Thränenröhrchen verengert; gelingt diess
bei vorsichtig wiederholten Versuchen gar nicht , so ist es
obliterirt.
Volumszunahme des Thränensackes findet
Statt bei entzündlicher Anschwellung und bei Ausdehnung
desselben durch angehäufte Thränen. Im ersten Falle verläuft
die Geschwulst, der Lage des Thränensackes entsprechend,
schief von innen und oben nach aus- und abwärts, hat eine
bohnenförmige Gestalt, ist roth (so wie die umgebende Haut)
und hart anzufühlen. Im zweiten Falle kann die Geschwulst
nur gering , flach , nicht umschrieben, durch angebrachten
10 *<
148
Druck nach oben durch die Thränenröhrchen , nach unten in
die Nasenhöhle zu entleeren sein (chronische Blenorrhoe
des Thrän e n s ackes) , oder sie ist rund , deutlich her-
vortretend, abgegränzt, jedoch noch immer nach beiden an-
geführten Richtungen zu entleeren (T h r ä n e n s a c k b r u c h) ,
oder endlich ist sie zu einem noch höheren Volumen gedie-
hen , die Haut über derselben bläulich, die Geschwulst kann
aber weder nach oben, noch nach unten durch Druck entleert
werden (Thränensackwassersucht). Allein diese Um-
stände beruhen auf erschwerter oder aufgehobener Ableitung
der Thränen, durch deiiThränennasengang in die Nasenhöhle
wegen Verengung oder Obliteration desselben, und werden
von anhaltendem Thränenträufeln begleitet. Dadurch bedingte
Geschwülste des Thränensackes sind genau zu unterschei-
den von in dieser Gegend vorkommenden B a 1 g g e s c h w ü 1-
sten und varicösen Ausdehnungen derAngularvene. Bei
beiden letzteren fehlt die Störung in der Ableitung der Thrä-
nen; Varices der Vene werden noch ausserdem durch ihre
Zunahme bei gehindertem Rückflusse des Blutes erkenntlich.
Nicht selten findet man in der den Thränensack bede-
ckenden äussern Haut oder deren Umgebung kleine Öffnungen,
die in den Thränensack führen, und aus welchen Thränenflüs-
sigkeit, zuweilen mit Eitern gemischt hervorkommt (Thrä-
nensacktistel). Hier muss genau die Weite und Richtung
dieses Fistelganges bestimmt, und dann die Beschaffenheit der
Schleimhaut und besonders der hintern Wand des Thränensacks
so wie jene des Thränennasenganges untersucht werden. Diess
geschieht mittelst einer feinen geknöpften Fischbeinsonde, oder
wenn diese nicht hinreicht, mit einer silbernen M e j ansehen
Sonde , ist der Fistelgang sehr eng, mit einer dünnen Darm-
saite , ja selbst mit einer Borste. Im letzteren Falle muss,
damit die weitere Erforschung des Thränensackes undNasen-
ganges möglich sei, der Fistelcanal durch mehrtägiges Ein-
legen eines kleinen Stückes Darmsaite, deren umgebogenes
Ende an die äussere Haut durch Klebpflaster befestigt wird,
149
erweitert werden. Die Sonde wird horizontal in den Thrä-
nensack bis zur hintern Wand desselben eingeführt, wo man
bei vorhandener cariöser Zerstörung des Thräncn-
knochens eine rauhe Stelle finden wird.
Hieraufist die Sonde nach unten und etwas nach innen
zu richten, und unter Anwendung leichten Druckes be
gleichzeitiger Drehung in den Thränen - Nasengang und
durch diesen in den untern Nasengang zu schieben. Wird
man daran durch einen , auch bei behutsam wiederholten
Versuchen nicht zu beseitigenden Widerstand gehindert, so
ist der Nasengang unwegsam; gelingt es nach Überwindung
des Hindernisses , so ist er bloss verengt. Die Stelle , wo
sich die Obliteration oder Verengung des Canals befindet,
wird aus der Länge des bis dahin einzuführenden Sonden-
stückes bemessen.
Die eben angeführte Untersuchung des Thränensackes
und Nasenganges wird auf gleiche Weise auch in jenen Fäl-
len vorgenommen, wo wegen Hydrops sacci lacrymalis die-
ser geöffnet wurde.
Bei allen diesen Explorationen ist eine kleine, aus Glas,
Messing oder Piatina verfertigte Spritze, mit dünnem, krum-
mem Ansatzrohr (AneTsche Spritze) unentbehrlich. Mit-
telst dieser ist nämlich in den Thränensack vor Beginn der
Untersuchung laues Wasser einzuspritzen, um darin ange-
sammelte, consistentere, zähere Materien aus demselben zu
entfernen. Dabei wird man finden, dass, wenn der Thränen-
Nasengang vollkommen durchgängig ist , bei vorwärts ge-
neigtem Kopfe die Flüssigkeit im Strome aus der entspre-
chenden Nasenöffnung fliesst, bei verengertem Lumen des-
selben aber nur einige Tropfen , die auf eine eigentümliche
Weise auch dem Gefühle des Kranken bemerkbar werden,
zum Vorschein kommen, bei gänzlicher Verschliessung des
Thränen-Nasenganges aber nichts von diesem Statt findet,
und dass die eingespritzte Flüssigkeit wieder aus der Thrä-
nensackwunde zurückfliesst.
150
6. Die Augenhöhle. Die in der Tiefe derselben
verborgenen Gebilde sind dem Seh- und Tastsinne unzugäng-
lich. Krankhafte Processe daselbst werden nur dann auffal-
lende Veränderungen hervorrufen , wenn in deren Folge der
Raum der Orbita verengt wird. Dergleichen sind : Exostosen,
Hyperostosen, Geschwülste, die in der Augenhöhle selbst
erzeugt sind, oder von den benachbarten Cavitäten , Schä-
del-, Stirn- und Hyghmorshöhle dahin sich erstrecken. Fin-
det die Verkleinerung des Raumes allseitig und gerade von
hinten Statt, so wird der Augapfel gerade nach vorwärts
getrieben; geschieht diess jedoch nur von einer Seite, so
wird derselbe zugleich nach der entgegengesetzten Seite
gedrängt. Nur wenn diese Geschwülste bis nahe zum Augen-
höhlenrande sich erstrecken, und daher einigermassen dem
Tastsinne näher kommen , kann deren genauere Beschaffen-
heit, jedoch auch nicht immer mit Sicherheit, bestimmt wer-
den. In den meisten Fällen wird man von dem Vorhandensein
derselben durch die Vortreibung des Augapfels ohne
Volumszunahme zwar überzeugt sein, die Natur der-
selben aber nur muthmasslich und unter Zuhilfenahme des
ganzen Symptomen - Apparates bestimmen können.
2?} Untersuchung des Augapfels selbst.
Bei der Untersuchung des Augapfels hat man diesen
zuerst im Ganzen, dann in seinen einzelnen Thei-
len zu betrachten.
In ersterer Beziehung ist vor Allem die Grösse des-
selben zu berücksichtigen. Hier hat man sich besonders vor
einer Täuschung zu bewahren , vormöge welcher derselbe
oft an Volumen bedeutend vergrössert erscheint , während
diess bloss durch ein stärkeres Hervortreten desselben aus
der Augenhöhle in Folge von Verengung des Raumes der
Letzteren bedingt ist. Man muss daher immer das Volumen
des einen Bulbus mit dem des andern vergleichen. Ver-
mehrt ist das Volum des Augapfels bei allgemeiner Ent-
151
zündung, bei medullar-sarcomatösen Entartungen desselben
und bei Anhäufung der wässrigen oder Glasfeuchtigkeit.
Vermindert ist es, wenn der Bulbus durch Eiterung
oder Verschwärung an Substanz verloren (Atrophie}, und
wenn die normalen Augenfeuchtigkeiten an Quantität bedeu-
tend abgenommen haben. Seine regelmässig runde Form
erscheint mannigfach verändert in eine mehr conische, abge-
plattete durch organische Veränderungen einzelner und zwar
vorzüglich der vordem Augapfelgebilde , wovon später.
Die Consistenz des Bulbus wird vermehrt durch
übermässige Quantität des Humor vitreus , feste Ablagerung
an und in dem Gewebe der Chorioidea, Glaucom ; vermin-
dert wird sie durch Abnahme der Ernährung, Verflüssigung
und verstärkte Aufsaugung des Glaskörpers.
Bei der Erforschung der Consistenz des Bulbus hat
man die beiden Zeigefinger, jeden an einen Augapfel zu le-
gen , um durch Vergleichung beider Augen die nähere Be-
stimmung sich zu erleichtern.
Von grosser Wichtigkeit ist die Beweglichkeit des
Augapfels. Fortwährende vermehrte Bewegungen des Aug-
apfels nach einer oder der andern Richtung deutet auf cloni-
schen Krampf der Augenmuskeln, N y staxis. Vermindert
oder aufgehoben wird die Beweglichkeit des Bul-
bus bei vorhandenen Entartungen der in der Tiefe der Augen-
höhlen gelagerten Theile so wie bei Lähmung der Augen-
muskeln. Im ersteren Falle wird der Augapfel, wie schon
oben angeführt wurde, zugleich nach vorne und in die entge-
gengesetzte Richtung gedrängt. Eine solche fehlerhafte Rich-
tung allein kann jedoch auch Symptom einer blossen Muskel-
krankheit sein.
Man sieht in solchen Fällen , dass die Achsen beider
Augen sich nicht in dem betrachteten Bilde vereinigen. Wel-
ches das von der Richtung abweichende Auge sei, wird
leicht dadurch bestimmt, dass man den einen Finger in mas-
siger Entfernung gerade der Nase gegenüber vorhält, und
m
dann diesen langsam nach beiden Seiten in horizontaler Rich-
tung* bewegt , wobei man dem Kranken aufträgt , denselben
mit dem Blicke zu fixiren. Da wird man nun finden , dass
nur das eine, das gesunde Auge den Gegenstand verfolgt,
während die von dem anderen ausgehende Achse in eine
ganz andere Gegend fällt. Nur dann , wenn der Gegenstand
dem normalen Auge so weit zur Seite gebracht wird , dass
es von demselben wegen der vorstehenden Nase nicht mehr
gesehen werden kann , wird das sonst abweichende seine
Achse ihm zuwenden. In manchen Fällen sieht man bei die-
sem Versuche, dass die Augen in der Fixirung des Objectes
abwechseln, und daher bald das Eine bald das Andere von
der Richtung abweicht. Wird bei derartig fehlerhafter Rich-
tung des einen Auges das andere normale , oder gleichzei-
tig ähnlich afficirte, geschlossen, so verlässt das Andere
augenblicklich seine falsche Stellung, und kann durch Wil-
lenseinfluss frei nach allen Gegenden bewegt werden. Diesen
Zustand heisst man das Schielen (Strabismus), welcher
sehr genau zu unterscheiden ist von dem Schiefstehen
des Auges (Luscitas), wo zwar auch fehlerhafte Richtung des
Augapfels vorhanden ist, diese aber unverändert fortbesteht,
und der Kranke daher das Auge durch Willenseinfluss in
keine andere Stellung bringen kann.
Die Untersuchung der einzelnen T h e i 1 e des Aug-
apfels wird in folgender Ordnung vorgenommen:
1. Die Hornhaut. An dieser hat man zu berücksich-
tigen :
aj Die Grösse, welche vermehrt oder vermin-
dert seyn kann. Ersteres ist bei übermässiger Anhäufung
des Humor aqueus, Hydrophthalmus anterior, bei staphylo-
matösen Entartungen derselben, bei scirhösen Verbildun^en
der Iris etc. etc. der Fall. Letzteres findet bei einfacher oder
durch Geschwüre gesetzter Atrophie derselben Statt.
ft) Die Wölbung"; sie soll keine grössere seyn, als
erforderlich ist, damit nur die Lichtstrahlen, die unter einem
153
kleineren Winkel als von 48° auffallen , ins Auge dringen,
die andern aber reflectirt werden. Den Grad der Wölbung
bemisst man durch die Inspection von der Seite. Sie ist ver-
mehrt, im geringen Grade bei Congestionszuständen , bei
Kurzsichtigkeit , im höheren Grade bei Hydrophthalrnus
anterior, Atonie der Cornea, Staphylom , vermindert
im höheren Alter, in Folge der Abnahme des Humor aqueus,
bei atrophischen Zuständen.
c} Die Oberfläche wird ebenfalls von der Seite bei
reflectirtem Lichte am besten untersucht. Sie hat ihre normale
Glätte verloren, durch Aufgelockert- und Verdicktseyn ih-
res Conjunctival- Überzuges bei Pannus (zum wesentli-
chen Unterschiede von Keratitis, wo sie glatt bleibt);
durch einzelne kleine Rauhigkeiten und gespitzte Erhöhun-
gen— bei Phlyctänen und Pustelbildung; durch runde, bläu-
lichte, vorragende Knötchen — bei Vorfällen der Iris; durch
vermehrte Wölbung an einzelnen nicht umgeschriebenen
Stellen — bei Lymphinfiltration ; durch scharf umgränzte Ver-
tiefungen— bei Excoriationen, Geschwüren und Narben.
Alle diese angeführten Zustände sind auch an der in-
nern Fläche der Cornea zu entdecken.
d) Die Durchsichtigkeit der Hornhaut kann auf
verschiedene Weise getrübt seyn. Zuerst ist zu bestimmen,
ob diess nur an einzelnen, mehr -weniger ausgebreiteten
Stellen, oder in ihrer ganzen Ausdehnung Statt finde, dann
von welcher Farbe die Trübung sei, welche Begränzung, ob
scharf oder verwaschen, sie habe, und in welchem Grade sie
das Sehen störe, ob sie es nämlich nur beschränke , durch-
scheinend sei ? oder aufhebe, als undurchsichtig erkannt
werde. Bei der Erforschung der Ursachen dieser Trübungen
ist ausser diesen Puncten immer gleichzeitig Rücksicht auf
die Oberfläche der Hornhaut an den getrübten Stellen zu
nehmen. Denn ist diese dort, wo sie getrübt erscheint, mehr
gewölbt, so ist diess ein Zeichen, dass die Trübung von
Ablagerung oder Infiltration irgend einer Materie
154
zwischen den Hornhaut-Lamellen herrühre (diess kann Lym-
phe, Blut, Eiter seyn) ; ist sie dagegen bei der betreffenden
Stelle verdünnt _, ausgehöhlt, so muss Substanzverlust
eingetreten, mithin ein recentes oder vernarbtes Geschwür
daselbst vorhanden seyn. Beachtungswerth bei alten Leu-
ten in Folge der abnehmenden Ernährung die vom Umfange der
Cornea beginnende kreisförmige Trübung derselben — der
Gr eis e nb ogen.
e) Die Verbindung. Die Hornhaut geht in manchen
Fällen abnorme Verbindungen ein, und zwar mit der Iris
nach stattgefundenenVorfällen der letzteren. DieseVerbindung
kann p a r t i e 1 oder total seyn QSynechia anterior part. vel
totalis) y in welchemFalle die vordere Augenkammer bei Inspec-
tion von der Seite theilweise oder ganz aufgehoben erscheint.
Manchmal sind die normalen Verbindungen der Cornea mit
der Sclerotica durch Geschwüre , Verletzungen aufgehoben.
f) Die Gestalt des Randes der Hornhaut, wel-
cher der kreisrunden im normalen Zustande sich nähert, bei
artritischen Verbildungen (Glaucomen) aber ein nach beiden
Augenwinkeln verlängertes Ovale darstellt.
2. Die vordere Augenkammer. Diese erscheint
vergrössert in Folge von Anhäufung der wässerigen
Feuchtigkeit , Erschlaffung der Cornea, Abplattung der Iris ;
verkleinert in Folge von geringer Menge des Humor
aqueus , starker Wölbung der Iris *, ganz aufgehoben
bei vorderer Synechie , Staphylom , bedeutender Vergrösse-
rung des Glaskörpers.
3. Die wässerige Feuchtigkeit ist quantitativ
vermehrt bei der vorderen Augenwassersucht, und be-
dingt dadurch eine Vergrösserung der vorderen Augenkam-
mer; vermindert bei Verwachsung der Cornea mit der
Iris , Atrophie der Vordergcbilde des Bulbus. Sie erscheint
qualitativ verändert durch Beimengung von Blut, Eiter,
Lymphe, Entozöen.
155
4. Die Iris. Die Grösse der Regenbogenhaut kann in
Folge eines angebornen Bildungsfehlers vermehrt sein ; häu-
figer findet man sie v er min dert, z. B. bei Atrophie der
vorderen Partien des Augapfels; die Wölbung dersel-
ben scheint vermehrt, durch Anschwellung, Infiltration,
bei Entzündungen, lympathischen Verbildungen derselben, —
durch Vergrösserung der Linse bei weichen grossen Cata-
racten, durch Anhäufung des Humor vitreus ; — vermin-
dert ist sie bei grosser Menge des Humor aqueus , Atro-
phie , hinterer Synechie , Verlust der Linse , Verkleinerung
des Glaskörpers. — Deren Oberfläche zeigt Vorragungen
bei Varices , Condylomen, Exsudaten in und an derselben;
Vertierungen bei Geschwürsbildung; die Farbe der Iris
wird verschieden verändert: bei Entzündungen wird dieblaue
Iris grün, diebraune rothbraun; auch zeigt sie ein-
zelne graugelbe Flecke von lymphatischer Infiltration ihres
Gewebes. In solchen Fällen ist auch deren faserige
Structur nicht mehr sichtbar, sondern sie hat ein soge-
nanntes verwaschenes Aussehen. — Sie kann auch abnorme
Verbindungen mit der Cornea oder dem Krystallkörper
eingehen, durch feine lymphatische Exsudatfäden. — Die Be-
wegungen der Iris werden dadurch erforscht, dass man
bei geschlossenem anderen Auge , durch abwechselnde Be-
schattung mittelst der flachen Hand verschiedene Lichtgrade
einwirken lässt, und darnach bemisst , ob sich die Iris
schnell, hinreichend und gleichförmig bewege.
5. An der Pupille ist folgendes zu berücksichtigen :
«) die Grösse. Sie erscheint krankhaft vergrös-
ser t bei paralytischen Zuständen ihrer Nerven so wie
der Retina, daher auch bei torpider Amaurose; doch kann
auch Krampf der Radialfasern diess bedingen, wobei dieselbe
oft auf einen schmalen Saum reducirt erscheint. Der Druck
der entzündeten Chorioidea auf die Ciliarnerven dürfte die
wahrscheinliche Ursache der bei Chorioideitis gewöhnlich wei-
ten starren Pupillen sein. Verkleinert erscheint letztere
156
bei Entzündungen der Iris, Lymphexsudation, Krampf der
Kreisfasern.
b) die Gestalt. Die kreisrunde Form derselben er-
scheint in eine , dem senkrechten oder dem Querdurchmesser
nach , ovale verändert bei arthritischen Entzündungen der
innern Augengebilde , bei Glaucom; sie wird winklicht,
unregelmässig bei Anwachsung des Pupillarrandes der Iris
an die Vorderkapsel der Linse (hintere Synechie) , Lymph-
exsudat in der hintern Augenkammer, theilweisem Krämpfe
oder Lähmung der Irisfaser.
c) die Farbe. Die rein schwarze Farbe muss verän-
dert erscheinen in Folge von krankhaften Zuständen der
wässrigen Feuchtigkeit in der hintern Augenkammer , der
Krystalllinse und ihrer Capsel, des Glaskörpers und der Glas-
haut, der Chorioidea und der Retina. Es ist daher in solchen
Fällen, wo die Farbe der Pupille nicht die normale ist, vor
allem wichtig, den Sitz dieser Alienation zu erkennen. Hier
muss nun zuerst bestimmt werden , ob die Trübung i n oder
hinter der Pupille sei. In der Pupille ist sie, wenn kein Zwi-
schenraum zwischen ihr und dem Pupillarrande bei Betrachtung
von der Seite sichtbar ist; wenn sie eine höckerige ungleiche
Oberfläche hat , wenn sie durch feine Fäden mit dem Pupil-
larrande in Verbindung steht, die Pupille winklich , wenig
oder gar nicht beweglich ist. Derlei Symptome rühren von
einer durch Iritis bedingten Exsudatbildung in der Pu-
pille her. Ist die Trübung in der Vorderkapsel , so ist sie
sehr nahe der Pupille gelegen, besteht aus einzelnen,
oft pcrlmutterartigen Streifen , Puncten und Flecken , und
lässt keinen Schlagschatten des Pupillarrandes der Iris wahr-
nehmen. Hat die Trübung ihren Sitz in der Linse selbst, so
ist sie von der Pupille weiter entfernt, hat eine convexeForm,
erscheint ziemlich gleichförmig , höchstens einzelne wolken-
artige Stellen darbietend, und zeigt einen deutlichen Schlag-
schatten des Pupillarrandes der Iris. Ist Trübung in der Hin-
tercapsel ; so ist sie tiefer im Hintergrunde gelegen , er-
157
scheint concav , umschrieben , und stellt vom Centrum gegen
die Peripherie verlaufende Streifen dar. Durch die letztern
zwei Puncte ist diese Trübung objectiv von damit leicht zu
verwechselnden Trübungen der Glashaut, so wie von jener zu
unterscheiden , die auf organischen Veränderungen der Re-
tina und Chorioidea beruhen , und zwar auch tiefliegend und
concav erscheinen, jedoch nicht begränzt sind, keine Strei-
fen darbieten , und ausserdem noch mit viel grösseren Stö-
rungen des Sehvermögens combinirt sind , als die Trübung
der hintern Capsel allein. Die Unterscheidung, ob die Trü-
bung in der Glashaut , in der Retina oder der Chorioidea ih-
ren Sitz habe , ist um so weniger möglich, als dergleichen
organische Veränderungen in diesen Gebilden gewöhnlich
gleichzeitig vorhanden sind. Ein treffliches Hilfsmittel bei
der Untersuchung der hinter der Pupille liegenden Theile ist
die Erweiterung derselben durch eine saturirte Lösung nar-
cotischen Extractes. Nicht nur wird man dadurch von dem
Grade der Erweiterung, den die Pupille zulässt, überzeugt,
sondern man entdeckt oft verborgene Adhäsionen der Iris und
der Caspel, und übersieht besser die Ausdehnung, Lage
und Form der vorhandenen Trübung. Besonders wichtig ist
diess dort, wo die Trübung von geringer Intensität ist, weil
da eben deren nähere Bestimmung immer schwerer ist. Hier
wird man sich oft einer Loupe mit vielem Vortheile bedienen,
da man durch sie den Sitz der Trübung, so wie gewisse Ein-
zelnheiten in dieser leichter bestimmen und unterscheiden kann.
Bleibt man dessenohngeachtet noch in Ungewissheit, wo die
Trübung sich befinde, so dient der S onso n -Purki nj e'-
sche Versuch zur Entscheidung. Dieser beruht darauf, dass
von einer , vor das Auge gehaltenen Flamme in dem Auge
selbst drei Lichtbilder erzeugt werden, und von Aussen
wahrnehmbar sind , nämlich eines von der Hornhaut , eines
von der vordem und eines von der hintern Kapsel-, die ersten
zwei stehen aufrecht , zwischen ihnen ist das umgekehrte
von der hintern, als Concav-Spiegel wirkenden Kapsel be-
158
findlich. Dieser Versuch muss im Dunkeln bei künstlich er-
weiterter Pupille vorgenommen werden. Ist die Trübung' in
der Vorderkapsel, so wird nur das von der Hornhaut erzeugte
Lichtbild sichtbar sein; ist sie in der Linse oder der Hinter-
kapsel, so fehlt das mittlere umgekehrte Bild, hat sie dage-
gen ihren Sitz in der Chorioidea, der Retina, oder dem
Glaskörper, so erscheinen die drei Lichtbilder unversehrt.
Derselbe Versuch dient auch dazu, um die auf einer Affec-
tion der Retina beruhende Schwachsichtigkeit (Amaurose)
von der Cataracta nigra , wo die Linse schwärzlich gefärbt
ist, zu unterscheiden, da bei ersterer alle drei Lichtbilder
vorhanden sind , die bei der anderen fehlen. — Nächst dem
Sitze, der Ausdehnung und Begränzung der Pu-
pillentrübungen, ist auch die Qualität ihrer Farbe genauer
zu bestimmen. Sie ist weisslich , bläulich beim weichen ,
grau ins gelbliche spielend beim harten Linsenstaare. In
seltenen Fällen zeigt die Linse eine röthliche, bräunliche
oder schwärzliche Farbe , in welch letzterem Falle die Pu-
pille grauschwarz, wie ein mit Tinte bestrichenes Papier er-
scheint.
6. Die hintere Augenkammer. Die Grösse
der hinteren Augenkammer wird bestimmt durch das Verhält-
niss des Krystallkörpers zur Iris. Sie wird daher weiter,
sobald dieser fehlt (in Folge einer Staaroperation) oder wenn
derselbe weg"en Abnahme des Humor vitreus weiter zurück-
weicht. Ist der Krystallkörper getrübt, so wird die Grösse
der hintern Augenkammer aus dem Vorhandensein oder Feh-
len des vom Pupillarrande der Iris auf dieselbe geworfenen
Schlagschatten beurtheilt. Ist nämlich die Trübung bloss auf
die Linse beschränkt, mithin in einiger Entfernung von der
Pupille, so tritt der Schlagschatten deutlich zum Vorschein,
z. B. bei harter Linsen- Cataracte; — dehnt sich die Trü-
bung jedoch auf die Kapsel aus, und ist besonders gleich-
zeitig das Volumen der ebenfalls getrübten Linse vermehrt
(wie diess bei weichen Cataracten der Fall zu sein pflegt),
159
ist mithin diese Trübung* der Pupille sehr nahe gerückt , so
kann kein Schlagschatten entstehen. Verringert oder
selbst aufgehoben erscheint die hintere Augenkammer,
in Folge von Verwachsungen der Iris mit dem Krystallkörper,
oder stattgefundenen grösseren Exsudaten in derselben.
7. Der Krystallkürper wird nur dann sichtbar,
wenn er seine normale Durchsichtigkeit verloren hat;
man schliesst daher auf dessen Beschaffenheit aus den an der
Pupille sichtbaren Veränderungen (Siehe oben).
8. Der Glaskörper kann an Volumen zunehmen
QHydvophthalmus posterior^ , wobei der ganze Augapfel
stärker hervorragt und härter sich anfühlt. Nimmt dagegen
die Menge des Glaskörpers ab , so sinkt der Bulbus in die
Orbita, wird kleiner und weicher. Aufhebung der Durchsich-
tigkeit desselben und besonders der Glashaut lässt sich an
der weit hinter der Pupille liegenden, matten, concaven ,
ausgedehnten Trübung erkennen.
9. Die Netzhaut. Krankhafte Zustände der Retina
geben sich selten durch objective Veränderungen kund , und
finden dergleichen auch Statt , so ist es nicht immer mit Si-
cherheit zu bestimmen, ob sie die Netzhaut allein, oder
vielmehr die Chorioidea , oder beide gleichzeitig betreffen.
Eine grauliche, graulich-gelbe, weit von der
Pupille entfernte, concave Trübung lässt auf
organische Veränderungen im Gewebe der Retina schliessen,
welche durch Congestion und Entzündung und damit verbun-
dene lymphatische Infiltration oder durch Exsudatbildung hö-
heren Grades bedingt sein können. Hat diese Trübung ein
eigenthümlich glänzendes Aussehen, gleich dem
eines polirten Eisens, kommen darin selbst einzelne
kleine Gefässbündel zum Vorschein, so ist die Entwickelung
des Fungus medullaris zu gewärtigen.
10. Die Chorioidea bietet in ihren materiellen Ver-
änderungen denen der Retina ähnliche Erscheinungen dar,
und man ist bei deren Vorhandensein auf ein vorzügliches
160
Leiden der Gefässhaut zu schliessen dann berechtigt, wenn
letztere durch die Sclerotica bläulich hindurchschimmert ,
wenn zahlreiche varicös ausgedehnte Gefässe in der Conjunc-
tiva bulbi und Sclerotica auftreten , oder an einzelnen Stel-
len der letztgenannten Membrane bläuliche Knoten zum Vor-
scheine kommen. Diese erhalten zuweilen eine solche Grösse,
dass die Chorioidea durch die allmälig immer dünner wer-
dende Sclerotica selbst in Form erbsengrosser, runder und
schwarzblauer Wülste und Erhabenheiten hervortritt (Va-
rices chorioideae } Staphyloma chorioideae) .
11. Die S clerotica erfährt eine Volums Vermeh-
rung* in Folge der übermässigen Menge der Glasfeuchtig-
keit (Hydrophthalmus anterior") , wo zugleich der ganze
Augapfel fester, gespannter sich anfühlen lässt, ebenso
beim Hervorkeimen bösartiger Geschwülste, des Scirrhus ,
des Medullarsarcoms und der Melanose. Veränderungen
ihrer 0 b er flä che werden vorzüglich durch die eben er-
wähnten Ausdehnungen der Chorioidea , so wie auch durch
Excrescenzen fungöser Art bewirkt.
Ihre Farbe erscheint blassrot h, ins gelbliche spie-
lend, bei vorhandener Entzündung derselben; schmutzig-
g*elb bei Störungen der Gallensecrelion, Leberleiden, ar-
thritischen Affectionen ; bläulich bei stattfindender Ver-
dünnung derselben, Turgor der Chorioidea und ihrer Gefässe.
Untersuchung* der Nase.
Abgesehen von dem mehr physiognomischen Zeichen, die
an diesem Organe für Leiden anderer entfernterer Theile
sprechen, sind vorzüglich jene, welche die Krankheiten der
Nase kund geben, Gegenstand unserer Untersuchung*.
Durch die Besichtigung* erkennen wir zuerst im Allge-
meinen , ob die Nase gross oder klein, schmal oder breit ist,
ob sie schief steht , wie es zuweilen durch traumatische
Einwirkung, oder durch Druck einer im Innern befindli-
chen Geschwulst eines Polypen bewirkt wird; ob sie
161
verbildet , oder gar gespalten sich darstellt , was als ange-
borner Bildungsfehler mit Gaumenspalte in selteneren Fällen
beobachtet wird. Zuweilen finden sich die Nasenbeine ge-
brochen , oder aus der Verbindung mit den benachbarten
Knochen getreten , was durch das Gefühl der Verschiebung
und durch die Crepitation erkannt wird. Anschwellung der
Nase deutet auf Schnupfen, scrophulöses, syphilitisches Lei-
den , ist zuweilen Begleiter acuter Exantheme , wie der
Pocken, oder der Gesichtsrose ; eine dauernd rothe , glän-
zende Nase kommt bei Erfrierung und Kupferhandel vor, und
ist manches Mal mit Knoten verbunden, z. B. bei Lupus. Ein-
gesunken oder durch Verschwörung zerstört findet man die
Nase bei scrophulösen und syphilitischen Leiden. Narben deu-
ten auf vorausgegangene Verwundung, Vereiterung oder
künstliche Nasenbildung.
Die Nasenlöcher sind oft geröthet (in Schnupfen , vor
Nasenbluten , in acuten Exanthemen) , bisweilen findet man
sie durch häufiges Bohren , wie es bei Wurmkranken der
Fall ist , oder durch Geschwülste , Polypen etc. erweitert ,
in anderen Fällen jedoch sind die Nasenflügel eingesunken.
Im Nasenwinkel entsteht bei Leiden des Thränensackes
eine erbsen-bis bohnengrosse , pralle Geschwulst, deren
Gränzen scharf umschrieben sind ; zuweilen wird diese ela-
stisch und fluctuirend , wie bei der Thränensack- Wasser-
sucht; das Genauere hierüber ward schon in dem der Unter-
suchung" des Auges gewidmeten Abschnitte angegeben.
Die Nasenmündung' ist in seltenen Fällen v e r-
wachsen. Die Verwachsung kann aber eine äussere oder
eine innere sein , eine theilweise , häutige oder eine Ver-
schmelzung. Die häutige , äussere Verwachsung wird durch
den Gesichtssinn erkannt, und stellt sich als eine elastische,
etwas fluetuirende Haut dar , welche bei Exspirations-Ver-
suchen , während das andere Nasenloch und der Mund ge-
schlossen gehalten werden, bauchig vorgetrieben wird ; liegt
die Verwachsungsstelle tiefer, so wird sie durch die Sonde,
Gaal Diagnostik. 11
162
oder das Nasenspeculura erkannt, dasselbe gleicht ganz dem,
das man zur Untersuchung* des Gehörganges braucht, nur
dass es etwas grösser ist, und durch Druck auf die Schenkel
mehr erweitert werden kann , da die Nasenwände leicht eine
grössere Ausdehnung zulassen, als der knöcherne Gehör-
gang; dass dabei die Nasenmündung* durch Zurückbiegen
des Kopfes so gestellt werden muss, dass hinreichend Licht
in die Öffnung zu dringen vermag, versteht sich von selbst.
Ist das Nasenloch sehr enge, so kann man kein Speculum
einbringen, und muss sich damit begnügen, den äusseren
Rand des Nasenloches mit dem Finger zu fassen und nach
Aussen abzuziehen, oder Letzteres durch das Öffnen einer
Pincette zu erweitern.
Durch tue Besichtigung erkennen wir ferner im Canale
der Nase deren Verstopfung durch fremde Körper, Anhäu-
fung von Schleim, Blutpfröpfen, Anwesenheit eines Polypen,
Anschwellung der Schleimhaut, Verbildung der Nasenscheide-
wand u. s.w. Dass die aus der Nase kommenden Flüssigkeiten,
als: Speisen und Getränke, Schleim, Blut oder Eiter, und
ihre mehr milde oder ätzende Beschaffenheit gleichfalls häu-
fig Gegenstand der Untersuchung werden , ist bekannt; zu-
weilen hindert aber deren Gegenwart die Ocularinspection ,
man muss sie dann durch lauwarme Einspritzungen entfernen.
Bei Kindern erweckt das beständige Offenhalten des
Mundes den Verdacht einer Verstopfung oder Verschlies-
sung der Nasengänge , und dieser Verdacht wird durch den
Umstand fast zur Gewissheit, wenn die Kleinen in Erstickungs-
gefahr gerathen, wenn man ihnen den Mund verhält. Weiss
man nicht, ob ein vorhandenes Rasselgeräusch in der Nase
oder dem Kehlkopfe entstehe, so halte man dem Kinde erstere
durch einige Augenblicke zu, wobei das Geräusch fortdauern
wird , wenn es aus dem Larynx schallt.
Unwegsamkeit des unteren Nasenganges wird durch Ein-
bringung des Ohrencatheters oder einer ähnlich gekrümmten
Sonde erkannt. Über die Technik dieser Operation enthält der
163
Artikel »Untersuchung des mittleren Ohres und der Eusta-
chischen Röhre« das Nähere. Sind die hinteren Nasenöffnun-
gen und der Weg zu denselben frei, so wird die Feder der
B e llocq u i'schen Röhre, eine Bougie oder das Ende eines
dünnen, im warmen Wasser etwas erweichten Wachsstockes
mit Leichtigkeit aus denselben hervordringen, und durch
Einsicht in den Rachen daselbst gefunden werden. Die obe-
ren Nasengänge sind der Inspection und Palpation nicht
zugänglich.
Polypen können in jeder Stelle der Nasenschleim-
haut, der Highmarshöhle, Stirnbein- selbst in der Schä-
delhöhle wurzeln, und durchbohren die letztere oder drin-
gen aus deren natürlichen Fissuren in die Nasengänge; am
häufigsten aber wuchern sie aus der Schleimhaut eines Na-
senganges selbst. Zuweilen theilen sie sich dergestalt, dass
der eine Theil gegen das vordere Nasenloch zieht , während
der andere bei den Choanen hervorsteht-, man nennt diess
Nasenrachenpolypen. Tritt der Polyp nicht aus der Nase
heraus , so ist es bisweilen möglich , ihn durch Schnauben
sichtbar zu machen. Er zeigt sich dann als blassröthliche
oder grauweisse, selten blaurothe Geschwulst von meistens
weicher Structur. Zuweilen wuchert der Polyp aus dem Antrum
Wyhmori in die Nase, ist aber dann schwierig zu erkennen.
Die Auscultation vermag für die Untersuchung der
Nase sehr wenig, höchstens kann man durch das über dem
Stirnbein angesetzte Shethoskop das Rasseln von flüssigem
Schleime daselbst erkennen , der durch den Athem in Bewe-
gung gesetzt wird, und einen pfeifenden Ton hören, wenn
die Luft durch die Nase über eine durch Anwulstung der
Schleimhaut verengte Stelle gepresst wird.
(Tut ersuch mi;;- des Gehörorganen.
Nur die äusseren Theile dieses, in seinen Functionen
in noch so räthselhaftes Dunkel gehüllten Organes sind der
11 #
164
Besichtigung* zugänglich. Diese sind : die Aussenseite des
Zitzenfortsatzes , das äussere Ohr, der äussere Gehörgang'
und das Trommelfell mit dem Griffe des Hammers. Das mitt-
lere Ohr und die Tuba Eustachii gestatten bloss eine un-
vollkommene Untersuchung' durch die Sonde, den Catheter,
die Luftpresse und die Auscultation. Auf die Beschaffenheit
des inneren Ohres sind bloss Schlüsse möglich, deren Prä-
missen in dem Complexe aller localen und gleichzeitigen Er-
scheinungen und der Anamnese gegeben sind.
Untersuchung der Hörfähigkeit, Gehörmesser.
Die Schwerhörigkeit, die auch das erste vom Kranken
angegebene lästige Symptom ist , verdient vor allen patho-
logischen Erscheinungen unsere Aufmerksamkeit. Ihren Grad
müssen wir nothwendig bestimmen, und mit den übrigen wahr-
nehmbaren , abnormen Erscheinungen in Einklang zu brin-
gen suchen , wenn wir eine nur einigermassen wahrschein-
liche Diagnose zu stellen hoffen wollen. Zu dem Ende ist es
nöthig, die äusserste Entfernung zu bemerken, in welcher
Gesunde das Picken einer etwas lauten Taschenuhr noch wahr-
zunehmen im Stande sind , und mit der Entfernung, in der
dasselbe der zu untersuchende Gehörkranke vernimmt, wie-
derholt zu vergleichen , indem der Grad der Gehörsschwäche
an verschiedenen Tagen , ein verschiedener ist. Diese Ent-
fernung wird mittelst eines gewöhnlichen Massstabes be-
stimmt und bei jeder Untersuchung zu Papier gebracht. Zu
bemerken ist übrigens, dass das Instrument nicht unmittelbar
mit dem Ohre und dem schallenden Körper in Berührung
kommen darf, weil jede Schallleitung, ausser durch die Luft,
so wie jede dem Gefühlssinne wahrnehmbare Erschütterung
zu vermeiden ist, wenn anders die Resultate der Untersu-
chung verlässlich sein sollen. Zu rathen ist sogar, um jede
Schallleitung durch andere Wege , als die Luft zu verhin-
dern, den zu Untersuchenden auf einen aus wollenen Kissen
bereiteten Isolirschemmel zu stellen.
165
Der Gehörmesser von Itard^) würde seinem Zwecke
vollkommen entsprechen, wenn er leichter transportabel
wäre. Er besteht aus einem kupfernen Ringe , auf den der
Knopf eines Pendels fallen gelassen wird, um Töne von grad-
weiser Stärke hervorzurufen. Der Pendel ist mit einem Zei-
ger versehen , welcher auf einem Gradbogen die Entfernung*
andeutet, aus welcher jener auf den Kupferring' fällt.
*) Die Krankheiten des Ohres und Gehöres. §. 208.
106
Die Grade der Hörfähigkeit hat Itard3»'*) folgender-
weise bestimmt :
ö) Das Hören der Rede und ihrer Modulationen , wenn
langsam und deutlich gesprochen wird.
b) Das Hören der Stimme. Die Selbstlaute werden zwar
gut vernommen, die Consonanten aber schlecht unterschie-
den , hauptsächlich ob sie hart oder weich sind.
cj Das Hören der Töne. Es werden wohl Vocale in ein-
zelnen Worten vernommen , allein die Articulation derselben
geht schon verloren. Die Kranken selbst besitzen eine rauhe
und ausdruckslose Stimme , da die Ausbildung derselben mit
der des Gehörs im gleichen Verhältnisse steht.
<T) Das Hören des Lärmens. Nur starke Geräusche,
starkes Pochen an der Thüre , der Knall , der Donner etc.
werden wahrgenommen.
e) Mangel aller Hörfähigkeit. Wird ja ein Geräusch
empfunden, so geschieht diess durch Schallleitung, durch
andere Theile als das Gehörorgan ist , durch den Fussboden
u. dergl.
Für geringere Grade von Schwerhörigkeit hat Pfing-
sten ##) drei Stufen bestimmt, je nachdem alle Laute vom
Kranken gehört und nachgesprochen werden können oder
diess von den Consonanten: g, j, 1, m, n, w, oder nur von
den Vocalen gilt.
Zu entscheiden, ob ganz kleine Kinder taub sind, oder
nicht , unterliegt vielen Schwierigkeiten ; meistens zeigen
Taube bei Erregung von Geräuschen keine Reaction. Doch
sei auch dann der Arzt nicht zu voreilig in seiner Meinung.
Blöde Kinder haben mit Tauben vieles gemein , doch unter-
scheiden sie sich von letzteren durch geistlosen Blick und
Mangel aller Zeichen von Erinnerung. Taubstumme Kinder
*) 1. c S. 464.
**) Gehörmesser zur Untersuchung der Gehörfähigkeit galvani-
sirter Taubstummen etc. Kiel 1804. §. 7.
167
hingegen sind lebhafter , zeigen bei Wiederholung* angeneh-
mer Eindrücke durch ein besonderes Wohlgefallen, dass
ihnen diese nicht mehr fremd sind, und lernen sich bald mit
ihren Gespielen durch Zeichen verständigen.
Simulirte Schwerhörigkeit. Erwachsene Taub-
stumme suchen , besonders wenn sie schon früher des
Gehöres theilhaftig waren , den Verlust dieses Sinnes
zu verheimlichen , eben so nimmt simulirte Taubheit und
Taubstummheit oft allen Scharfsinn des untersuchenden
Arztes in Anspruch. Der Gesichtsausdruck des zu Unter-
suchenden ist dann in verschiedenen unerwarteten Situatio-
nen genau zu beobachten. — Krügel s t ein #) erkannte
einmal simulirte Schwerhörigkeit, indem er zu dem zu Un-
tersuchenden mit starker Stimme zu sprechen begann, letz-
tere aber immer schwächer werden liess. Der vorgebliche
Kranke antwortete aber dann immer noch, da er auf die Ver-
minderung des Schalles nicht achtete. Die Taubheit simuli-
renden Individuen behaupten ihre Gleichgültigkeit auch gegen
Geräusche, welche schon wegen der damit verbundenen Er-
schütterung durch das Gefühl wahrgenommen weiden müssen.
Gibt der zu Untersuchende vor, von Geburt an taubstumm zu
sein , und kann er schreiben , so können Fehler gegen die
Orthographie, z. B. Verwechslung ähnlicher Laute und
Buchstaben , Fingerzeige geben , dass hier Betrug walte.
Untersuchung des äussern Ohres.
Zuerst betrachtet man die das Ohr umgebenden Theile,
die Beschaffenheit der Haut daselbst, ob keine abnorme
Röthe oder Geschwulst bemerkbar ist, untersucht etwa vor-
handene Abscesse betreffs ihrer Consistenz, Fluctuation, und
versäumt ja nicht, wenn sie geöffnet, deren Grund zu son-
*) Erfahrungen über (die Verstellungskunst. Leipzig. 1888.
pag. 63»
168
diren ; dasselbe gilt von den Fistelgängen an der äusseren
Seite des Warzenfortsatzes, wo man sich über die Beschaf-
fenheit des Knochens volle Gewissheit zu verschaffen suchen
muss. Der Zustand der Ohrspeicheldrüse ist bei der Explo-
ration ja nicht zu vernachlässigen. Nun kommt man zur Be-
trachtung* des äussern Ohres selbst. Hier ist zuerst die
Frage, ob das äussere Ohr wohl vorhanden, und ob es voll-
kommen entwickelt ist oder nicht, welchen Theil desselben
der Bildungsfehler betrifft , ob dessen Zusammenhang nir-
gends unterbrochen, und in diesem Falle, von welcher Art
und Tiefe die beigebrachte Wunde sei? — Hier verdient die
Verletzung, welche das Ohrläppchen beim Durchbohren,
um Ohrringe zu tragen, erleidet, alle Aufmerksamkeit, da
selbst g-efährliche Entzündungsfälle vorliegen. — Vorhan-
dene Geschwülste , Verhärtungen , theilweise oder gänz-
liche Hypertrophie, Hautausschläge, vor allem aber ent-
zündliche Leiden erfordern sorgfältige Untersuchung durch
das Gesicht , wenn der Arzt sie nicht allein gehörig erken-
nen , sondern auch über ihren Grad , ihre Verbreitung und
den möglichen Zusammenhang mit Leiden anderer Organe
Kenntniss haben will.
Nächstdem kommt die Stellung der Ohrmuschel in
Betracht, ob sie flach an der Seite des Kopfes anliegt, oder
von derselben absteht , welch' letzterer Fall das Hören zu
begünstigen scheint.
Was den Gehörgang betrifft , so muss man sich durch
die Besichtigung überzeugen , ob er vorhanden oder ver-
schlossen ist, ob diese Verschliessung als theilweise
oder als gänzliche sich darstellt , und ob sie nahe am Ein-
g'ange oder in der Tiefe Statt findet. Verstopfung des
Gehörganges kommt bei Neugeborenen durch Anhäufung von
Schleim oder von Vernix caseosa zu Stande; im vorgerück-
ten Alter sind es Ansammlungen von Ohrenschmalz , das oft
bedeutend verhärten kann, und fremde Körper, als: Stein-
chen, Kirschkerne, kleine Thiere u. s. w. , zu deren Ent-
169
ferniing ärztliche Hilfe häufig* in Anspruch genommen wird.
Das angehäufte Ohrenschmalz ist meist dunkler , gelb,
bis tiefbraun gefärbt (doch habe ich auch blasses , rahmarti-
ges, ohne das es frisch war, mit Staub und Haaren ver-
mischt gesehen) , gewöhnlich von vermehrter Consistenz ,
ja nicht selten zu Pfröpfchen erstarrt , welche den ganzen
Gehörgang verschliessen , und von den Wänden ohne deren
Verwundung nicht losgetrennt werden können. Häufig findet
man nach dessen Beseitigung darunter die ceruminösen
Drüsen in einem gereizten Zustande und sehr entwickelt. —
Erweiterung des dann mehr gestreckten Meatus audito-
rius ward einige Male mit besonderer Trockenheit desselben
beobachtet. — Verengerung des Gehörganges kommt
durch übermässige Entwicklung der Haare in demselben,
durch Anwulstung und Lockerung der Schleimhaut in Folge
von Entzündung durch Exostosen, Narben, Ablagerung von
Kalksalzen , wie sie in seltenen Fällen beobachtet wurde,
durch Excrescenzen , Condylome und Polypen zu Stande,
begleitet aber auch, wenigstens vorübergehend, jede entzünd-
liche Affection des genannten Organes. Zuweilen ist aber
der Gehörgang nicht eigentlich verengt , sondern nur zusam-
mengedrückt, wie es in Fällen von Luxation des Unterkie-
fers vorkam.
Im Gehörgange hat man ferner zu untersuchen, welcher
Art vorhandene Flüssigkeiten da sind , ob Schleim , Eiter,
Blut, Theilchen zerstörter Knochen oder Ohrenschmalz, und
ob man ihre Quelle nicht entdecken kann , ob sie z. B. durch
eine Öffnung des Trommelfelles aus der Paukenhöhle dringen ?
Das Trommelfell selbst kann wieder verschiedene
Zustände darbieten, die nur dem erfahrenen und geübten
Blicke sich kund geben. Bei Entzündung verliert es seinen
Glanz , wird gelblich , endlich roth, wie ein matt geschliffe-
nes, rothes Glas und vascularisirt ; kommt es zur Bildung
von plastischen Exsudaten, so erscheint das Trommelfell
weiss und undurchsichtig. Geschwürchen und Narben wer-
170
den leicht erkannt, ebenso kleine Granulationen, wenn die
Entzündung- sich zum chronischen Charakter hinneigt. Zu-
weilen wird die äusserste Lamelle des Paukenfelles in Form
von Schuppen abgestossen. Plastische Exsudate können durch
Aufnahme von Kalksalzen die Consistenz von Knochenblätt-
chen erhalten. Verwandlung' des Entzündungsproductes in
Tuberkelmaferie ist wohl kein gar so seltener Befund , lässt
sich aber am Lebenden nicht erkennen. Varicosität, Er-
schlaffung des Trommelfelles, so dass dieses convex und
nach aussen gebaucht erscheint und Durchbohrung dessel-
ben oder dessen gänzliche Zerstörung, wie sie durch Ver-
letzung, Operationen, Zerreissung in Folge eines violenten
Schalles und Eiterung entsteht, sind durch das Gesicht
ziemlich leicht erkennbare Zustände. Dass übrigens Polypen
und Excrescenzen auch auf dem Trommelfelle wuchern kön-
nen , ist hinlänglich bekannt.
Alle Erhabenheiten und Geschwülste , welche im Ge-
hörgange sowohl , als auf dem Paukenfelle vorkommen, sind
mittelst einer geknöpften Fischbeinsonde betreffs ihrer Em-
pfindlichkeit , Resistenz , ihres Umfanges und der Art ihres
Aufsitzens genau zu prüfen.
Methodik bei der Besichtigung.
Will man in den Gehörgang sehen , so muss der zu
Untersuchende sich an ein Fenster setzen , durch welches
viel Licht fallt, und wo möglich die Sonne selbst herein-
scheint , und das betreffende Ohr demselben zukehren. Der
hinter ihm stehende Arzt gibt dem Kopfe durch Neigung auf
die entgegengesetzte Seite die Stellung, in welcher nicht
allein das meiste Licht in den Gehörgang fällt, sondern ihm
auch Einsicht in dasselbe gestattet ist , ohne die Beleuch-
tung durch seinen Kopf abzuhalten. Der Patient hat nun den
Mund etwas zu öffnen , damit der Condylus des Unterkie-
fers von der untern Wand des Gehörgan^es entfernt werde,
da diese bei geschlossenem Munde durch denselben ein we-
nig nach aufwärts gedrückt wird. Hiedurcli wird der Gehör-
171
gang* ein wenig* erweitert , noch mehr aber dadurch , dass
man , wenn das rechte Ohr zu untersuchen ist , mit der lin-
ken Hand die Muschel etwas nach auf- und rückwärts zieht,
wodurch zugleich die Krümmung* des C an als um ein wenig*
sich vermindert. Sollte ein stark entwickelter Tragus dem
Einfallen der Lichtstrahlen in den Gehörgang* hinderlich sein,
so hat man ihn durch Aufsetzen des Daumens der freien Hand
nach vorne etwas vom Gehörgange abzuziehen. Um das
Sonnenlicht zu ersetzen , haben Kramerund Buchanan
Apparate geliefert, welche aus einem blechernen, innen ge-
schwärzten Kästchen bestehen , das auf einem Schrauben-
gestelle ruhet , um es höher oder tiefer stellen zu können.
Das Kästchen enthält eine argandische Lampe, hinter der-
selben an der einen Wand einen wohl polirten Hohlspiegel,
und an der entgegengesetzten Seite ein bewegliches, schwar-
zes, 14 Zolle langes Ansatzrohr, an dessen beiden Enden
eine 2'/, Zoll im Durchmesser habende, biconvexe Glaslinse
befestiget ist. Nach oben sind Luftlöcher befindlich. Durch
den Hohlspiegel und die beiden Linsen werden die Licht-
strahlen in einer für die Ocularinspection bequemen Entfer-
nung* vor dem Ansatzrohre zu einem Flecke von der Grösse
eines Zweigroschenstückes und intensiver Stärke gesammelt.
172
Die vorhergehende Abbildung- stellt einen Durchschnitt
eines Inspector auris vor.
a) Viereckiges Gehäuse;
b) seine Thüre;
cj Lampe;
d) Reservoir für das Öhl ;
e) Ansatzrohr;
f) Glaslinsen ;
g) Gestell.
Reicht man mit der eben beschriebenen Untersuchung
nicht aus, so nimmt man seine Zuflucht zum Ohren Spie-
gel. Der bequemste besteht in einem 1 Zoll, 5 Linien lan-
gen , metallenen , der Länge nach gespaltenen Trichter, der
sich nach vorne in ein fast 7 Linien im Durchmesser haben-
des Cylinderchen verlängert. Die vordere Hälfte des Trich-
ters soll innen schwarz lackirt sein. Zur Seite gehen zwei
S förmig gebogene Arme herab, die durch eine Feder zusammen-
gehalten werden und dem Instrumente als Handgriff dienen.
Will man den Ohrspiegel anwenden, so lagert man den
Kranken , wie oben beschrieben wurde , nimmt das Instru-
173
ment in die rechte Hand , und schiebt dessen geschlossenen
Trichter in den Gehörgang , doch nicht tiefer als einen hal-
ben Zoll ; denn man darf nicht vergessen, dass nur der häu-
tige und knorpelige Theil dieses Canales eine Erweiterung
zulassen, und dass jeder Versuch, dessen knöchernen Theil
durch Drücken an den Armen des Instrumentes auseinander
zu drängen, vergeblich ist, und dem Kranken grosse Schmer-
zen verursachet. Auch würde dessen Cylinder, wenn man
ihn bis in den Gehörgang einbringt , diesen nur verengen
und dem Auge ein desto kleineres Gesichtsfeld gestatten.
Erweitert man den häutigen Gehörgang durch Druck auf die
Arme des Instrumentes , so soll diess in der Richtung nach
oben und unten geschehen , weil die obere und untere Wand
des Meatus auditorius leichter eine Dehnung zulassen. Wäh-
rend der Arzt aber in den Trichter des Speculum blickt, ver-
meide er durch seinen Kopf das Einfallen der Lichtstrahlen
in denselben zu verhindern.
Auf diese Weise ist man im Stande, alle Veränderun-
gen , die sowohl den Gehörgang als das Paukenfell betref-
fen , zu überblicken , oder sich von ihrem normalen Verhal-
ten zu überzeugen. Das gesunde Trommelfell ist eine
dünne, halbdurchsichtige, glänzende Membran von tro-
ckenem Ansehen und ovaler, oben etwas abgestumpfter Form.
Der mit derselben verbundene Stiel des Hammers ist mittelst
des Ohrspiegels deutlich zu bemerken. Er erstreckt sich vom
vordem obern Rande des Paukenfelles nach rück- und ab-
wärts in einer geraden Linie bis etwas unter die Mitte des-
selben. Die Lage der in einem knorpeligen Ringe eingerahm-
ten Membrane ist eine schräge nach vorne und abwärts ge-
richtete. Den Stiel des Hammers begleiten zarte Gefässchen,
welche schwach röthlich durchschimmern. Etwas nach vorne
und unter der Mitte des Paukenfelles findet man eine schwache
Vertiefung in demselben; überhaupt ist dieses gegen den
Gehörgang zu coneav.
Von der Beschaffenheit des Trommelfelles überzeugt man
174
sich ausser der Inspection noch durch folgende Ver-
suche: Manlässt den Kranken Mund und Nasenlöcher schlies-
sen und den Athem mit einer kleinen Gewalt in die Nase
treiben , gleichsam als ob er sich schnauben wollte. Ist das
Trommelfell unverletzt, so fühlt der Untersuchte den Druck
der in die Paukenhöhle getriebenen Luft; ist dasselbe aus
was immer für einer Ursache durchlöchert, so fehlt dieses,
— vorausgesetzt, dass dabei die Ohrtrompeten wegsam sind.
Zuweilen entweicht die in die Paukenhöhle gepresste Luft
durch das Trommelfell in den Gehörgang mit einem deut-
lichen Zischen , und vermag selbst eine vor das Ohr gehal-
tene Kerzenflamme oder ein Haar zu bewegen. Während die-
ser Exspirationsversuche sah man auch Luftblasen aus dem
Gehörgange aufsteigen , wenn der Kranke auf die andere
Seite des Kopfes sich gelegt und Wasser in den Gehörgang
gegossen hatte. Ebenso ward beobachtet , dass durch die
Öffnung des Trommelfelles die in den Gehörgang einge-
brachten Einspritzungen durch die Ohrtrompete abliefen und
umgekehrt. Nicht selten ist es, dass Leute, deren Trom-
melfell durchlöchert ist, Tabakrauch aus dem Ohre treiben.
Vorkommen der eben aufgeführten Erscheinungen spricht
für Durchlöcherung des Trommelfelles ; ihr Fehlen aber nicht
absolut gegen dieselbe.
Untersuchung des mittleren Ohres.
Hier hat die Inspection ihre Gränzen, denn in das In-
nere des mit knöchernen Schranken umgebenen Gehörgan-
ges einzudringen ist dem Blicke verwehrt, und es sind nur
äusserst unvollkommene Behelfe gegeben, um über die Be-
schaffenheit der Paukenhöhle und der Eustachischen Röhre
einigen Aufschluss zu erhalten.
Die Zustände , deren Anwesenheit durch das weiter
unten näher zu beschreibende Verfahren mit einiger Wahr-
scheinlichkeit nachgewiesen werden kann, sind: Verwach-
sung oder Verstopfung* der Ohrtrompete durch Polypen, Exo-
175
stosen , Hypertrophie der Tonsillen so hohen Grades, dass
diese den Eingang der Eustachischen Röhre verschliessen,
Verengerung* dieses Canales durch Anschwellung der Schleim-
haut während einer Entzündung* oder in Folge dieser durch
Wucherungen u. s. w., Zusammenfallen desselben bei ange-
borner Gaumenspalte, Catarrh der Paukenhöhle und Ansamm-
lung von schleimiger Flüssigkeit in derselben.
Untersuchung der Ohrtrompeten.
Um zu untersuchen, ob die Eustachischen Tuben weg-
sam sind, lässt man den Kranken bei Verschliessung der
Nase und des Mundes forcirte Exspirationsbewegungen ma-
chen. Hat er dabei das Gefühl des Luftdruckes auf dem Trom-
melfelle, so sind die Ohrtrompeten frei, hat er dieses nicht,
so müssen sie weiters durch den Catheter oder die Sonde
untersucht werden.
Ein Postmeister von Versailles erfand im Jahre 1724
einen Catheter, um durch den Mund in die Ohrtrompete zu
gelangen ; da aber dieser Weg als unsicher erkannt wurde,
so gelang* es Cleland im J. 1731 einen Catheter zu ersin-
nen , welcher durch die Nase in die Tuba Eustachis einge-
führt wurde. — Ist man nun nicht im Stande , auf diesem
Wege eine elastische Sonde oder den Catheter einzubrin-
gen, so gelangt man zur Überzeugung, dass hier ein Hin-
derniss obwalte , das entweder bleibend oder vorübergehend
ist, und dessen Art zumTheil aus seiner Dauer, zumTheile
aus den begleitenden Erscheinungen und der Anamnese zu
beurtheilen ist
Catheter dringen nicht tief in die Ohrtrompete ein ; man
sucht daher, sich zu überzeugen, ob letztere an ihrem fer-
neren Verlaufe wegsam ist, indem man mittelst des Mundes
oder irgend eines Apparates Luft durch dieselben treibt. Der
Widerstand, den diese, besonders beim Einblasen mit dem
Munde erfährt, gibt einen Massstab einer bestehenden Un-
wegsamkeit. Eben so theilt sich bei Verengerung der Ohr-
176
trompete das Gefühl des Widerstandes der Hand mit, welche
die Sonde einführt, und wird besonders deutlich, wenn diese
über eine verengte Stelle hinüberdrang" und wieder zurück-
gezogen wird. Mittelst der Sonde lässt sich auch beiläufig*
die Entfernung bestimmen , in welcher sie auf ein Hinder-
nis» stösst; zu dem Ende ist es gerathen, sich graduirter
8onden zu bedienen.
Die Ohrencatheter sind entweder elastische oder
von Metall , am besten von Silber. Die elastischen Catheter
haben im Innern einen Leitungsdraht, dessen Biegung ihre
Form bestimmt. Sie gewähren denVortheil, dass sie tiefer
in die Eustachische Röhre eingebracht werden können, ohne
diese zu beleidigen , und dass man ihnen jeden Augenblick
den für den gegenwärtigen Fall nöthigen Grad von Krüm-
mung geben kann — allein sie trifft im Gegentheile wieder
der Tadel, dass bei Entfernung des Führungsdrahtes aus
demselben , dieser beim Durchziehen durch die Nase gerne
Reizung, Niesen u. dgl. hervorruft und selbst das Röhrchen
leicht aus der Ohrtrompete wieder herausgleitet.
177
Die Catheter , seien sie nun von Feder-
harz oder von Metall, bestehen aus einer Röhre,
die an einem Ende in den unter einem Winkel
von 130 — 140 Graden gebogenen, nicht ganz
Zoll langen Schnabel übergeht, deren anderes
Ende mit einem trichterförmigen Ansätze , der
von '/a bis 1 Zoll in der Länge und 3 Linien in
der Weite beträgt, versehen ist, um darin das
Rohr der Luftpresse oder einer Spritze aufzuneh-
men. An der trichterförmigen Erweiterung ist
ein Ring befestiget , nach dessen Stande man
die Stellung des Instrumentes beurtheilen kann,
wenn dieses eingeführt ist. Die Länge der Oh-
rencatheter soll für Kinder nicht unter vier , für
Erwachsene nicht unter fünf Zoll betragen,
je länger übrigens der Schnabel ist , eine desto
stärkere Biegung muss er haben. Sehr vorteil-
haft ist es , besonders bei öfterer Wiederholung
der Untersuchung, graduirter Catheter sich zu
bedienen; sie machen Linkes Palatome-
t e r fast entbehrlich.
Der Gaumenmesser besteht aus einem
2 — 3 Linien breiten , eine Linie dicken , sechs
Zoll langen , in Zolle und Linien getheilten ,
und mit einem Griffe versehenen Stäbchen , auf
welchem ein unter einem rechten Winkel auf-
recht stehendes Metallplättchen hin und her ver-
schiebbar ist, das aber durch eine Schraube an
einem beliebigen Orte festgestellt werden kann.
Diess Instrument dient dazu, die Entfernung
der Nasenspitze bis zum Zäpfchen im Rachen
II zu bemessen, aus welcher man dann auf jene
^df der Mündung der Eustachischen Röhre schliesst.
^^ Als mittleres Verhältniss der Entfernung der vor-
dem Nasenöffnung von letzterer ergeben sich 2'/7 bis 3 Zolle.
Gaal Diagnostik. 12
6
178
Ein anderes Instrument, welches bei der Untersuchung-
mittelst des Ohrcatheters eine Rolle spielt, ist Itard's
Stirnbinde. Sie dient dazu, den Catheter, den die ge-
ringste Bewegung des Patienten oder selbst ein Zittern der
Hand des Operateurs leicht aus der Lage bringt , die letz-
terer ihm in der Ohrtrompete gibt, in derselben zu erhalten.
Die Stirnbinde besteht aus einem Riemen , der am Hinter-
haupte beliebig fest geschnallt werden kann , aus einer mit
Leder überzogenen und an der mit der Stirne in Berührung
kommenden Seite gepolsterten Metallplatte als Mittelstück.
Mit diesem ist durch ein Nussgclenk ein Zängelchen in Ver-
bindung, der Art, dass letzteres nach allen Seiten bewegt,
Und in jeder beliebigen Stellung durch eine Schraube erhal-
ten werden kann.
Die Pincette selbst lässt sich aber durch eine Schraube
schliessen und dient dazu, den Ring des Catheters zwischen
ihre Blätter aufzunehmen und unverrückt zu erhalten.
Anwendung des Catheters.
Bevor noch zu der Operation geschritten wird, ist
Itard's Binde anzulegen, und das von der Stirne des zu
Untersuchenden herabhängende Zängelchen auf jene Seite,
an welcher die Tube erforscht werden soll, zu stellen, um
es als hindernd aus dem Berührungskreise des Arztes zu
entfernen.
179
Der zu Untersuchende setzt sich auf einen Stuhl. Durch
den in lauem Wasser erwärmten und am Schnabel mit Gummi-
lösung* bestrichenen oder beöhlten Catheter bläst nun der
Operateur, um darin haftende Tropfen Flüssigkeit zu ent-
fernen , nimmt dann denselben am trichterförmigen Ende
zwischen Daumen-, Zeige- und Mittelfinger der rechten
Hand nach Art einer Schreibfeder, so dass dabei die Concavität
des Schnabels und der Ring* nach abwärts sehen. Wer geübt ist,
mit der linken Hand zu operiren, kann diese zur Einführung des
Instrumentes in das rechte Nasenloch benützen. Nun gibt der
Arzt der operirenden Hand an der betreffenden Wange durch
Aufstellen der noch freien Finger eine Stütze, und führt den
Catheter mit nach abwärts sehendem Ringe und etwas ge-
senktem Griffe schnell aber behutsam und sanft durch das be-
treffende Nasenloch und den untern Nasengang, ohne aber
diesen oder die Nasenscheidewand viel zu berühren, ein. Ver-
weilt man zu lange in dem vordem Theile der Nase, so ent-
steht Kitzel und Reiz zum Niessen, stösst man aber auf ein
Hinderniss in dem Nasengange, das weder durch vorsich-
tiges Ausweichen des Instrumentes, noch durch Vertau-
schung desselben mit einem kleinern überwunden werden
kann, so muss man von der Untersuchung, wenigstens durch
dasselbe Nasenloch, abstehen. Manche solche Hindernisse
sind nur vorübergehend , wie z. B. entzündliche Anschwel-
lung der Nasenschleimhaut ; hat man daher Grund zu ver-
muthen , dass der WTeg bald wieder frei werden wird , so
verschiebe man die Untersuchung bis dahin. Mit der andern
freien Hand zieht der Arzt die Nasenspitze des Kranken, der
seinen Kopf ein Geringes zurückbeugen muss , etwas in die
Höhe.
Dass das Instrument hinreichend tief in den Nasengang
eingedrungen ist , erkennt man dadurch, dass es an die hin-
tere Rachenwand stösst, und wird zugleich an der an dem-
selben befindlichen Scala, im Vergleiche zu Messungen, welche
durch früheres Catheterisiren oder durch den Palatometer
A A M
±2 W
180
sich ergaben , ersichtlich. Nun wird das Instrument um ein
Geringes zurückgezogen, dann der Schnabel von unten nach
auf- und auswärts gekehrt , indem man den , als Handhabe
dienenden Trichter etwas mehr als eine Viertel-Achsendre-
hung beschreiben lässt, und wieder vorgeschoben, wobeiman
unter genauer Beachtung des sich den Fingerspitzen mitthei-
lenden Gefühles des Widerstandes , mit dem Schnabel des
Catheters über die hervorragende, wulstige, hintere Lippe
der Ohrtrompete zu gleiten trachtet. Der nach auf- und aus-
wärts gekehrte Ring des Instrumentes , das auch in der
gegebenen Lage fest stehen bleibt, und das eigenthümliche
Gefühl, das eine geübte Hand erfährt, geben dem Arzte zu
erkennen , dass es gut eingeführt ist. Der Kranke hat dabei
kein Unbehagen, und kann, wenn der Catheter durch das
Zängelchen der Stirnbinde befestiget ist, den Kopf frei be-
wegen , ungehindert sprechen und schlingen.
Beigefügte Abbildung versinnlicht die Lage des Ca-
theters im untern Nasengange und stellt im Durchschnitte
die betreifenden Theile dar:
a) Untere Siebbeinmuschel t
b) mittlere Siebbeinmuschel ,
c) obere Siebbeinmuschel ,
dd) unterer Nasengang,
e) mittlerer Nasengang ,
/) oberer Nasengang ;
gg) Durchschnitt des harten Gaumens;
M) Durchschnitt des weichen Gaumens und
Zäpfchens ;
ij Rachenmündung der Ohrtrompete , in welche
der Catheter durch den unteren Nasengang'
eingeschoben gesehen wird ;
kk) wulstige Ränder der Öffnung der Tuba Eu-
stachi}.
18i
Wolf legt eine erwärmte und beöhlte Leitungsröhre
von Kautschuk in der Länge von 3 Zollen , und so dick, als
sie der Nasengang zu fassen vermag*, in denselben ein, be-
vor er den Catheter einbringt. Diess Verfahren soll den Vor-
theil gewähren , dass der Reiz , der sonst mit der Operation
verbunden ist , vermieden wird, und dass etwaige Hinder-
nisse, welche Missbildungen des untern Nasenganges der
Untersuchung entgegenstellen , leichter überwunden wer-
den , indem dadurch dem Catheter ein freier Weg gebahnt ist.
Ist es gänzlich unmöglich , der Ohrtrompete durch den
Nasengang beizukommen, und führte selbst Abwarten, bis ein
etwaiger entzündlicher Process verlaufen und die Anschwel-
lung geschwunden ist , nicht zu dem gewünschten Ziele, so
versuche man durch den andern Nasengang in dieselbe Ohr-
trompete zu gelangen. Hiezu gehört ein grosser und unter
einem grossen Winkel und etwas nach der convexen Seite
des Schnabels zurückgebogener Catheter; doch gelingt die
183
Operation nicht immer, da mit derselben bedeutende Rei-
zung des Pharynx verbunden ist.
Untersuchung* der Paukenhöhle.
Will man diese vornehmen , so muss früher der Cathe-
ter eingelegt werden , aber so lose , dass zwischen seinem
Schnabel und der Wand der Ohrtrompete noch ein Zwischen-
raum bleibt, durch welchen Flüssigkeiten abfliessen, oder
der Überschuss der eingeblasenen Luft, den die Paukenhöhle
nicht zufassen im Stande ist, entweichen können. Hierauf
sucht man durch den Catheter in die Paukenhöhle Luft ent-
weder mit dem Munde einzublasen, oder aus Deleau's Bla-
sebalg, aus einer luftdicht gearbeiteten Spritze oder aus Kra-
m e r's Luftpresse zu treiben. Das Gefühl der Resistenz geht
bei allen andern Weisen , Luft einzublasen , als mit dem
Munde, wie natürlich verloren.
Die Luft presse besteht aus einem Recipienten, wo-
rin man mittelst Kolbenstössen eine gewisse Quantität Luft
ansammelt und verdichtet, welche dann durch ein, mit einem
Hahne versehenes , elastisches Rohr in den Catheter gelas-
sen wird. Die in die Paukenhöhle dringende Luft, werde sie
nun auf eine oder die andere Weise hineingetrieben, bringt in
derselben und in den Zellen des Zitzenfortsatzes Geräusche
hervor, welche eigenthümliche, näher zu beschreibende
Qualitäten besitzen. Der Arzt horcht auf dieselben , entwe-
der bloss durch Anlegung seines Ohres an das des Patienten
oder mittelst des Sthethoscopes.
Nach L an nee und Deleau hört man während der
Luftinjectionen , wenn die Ohrtrompete und Paukenhöhle
wegsam und frei von Flüssigkeiten sind , ein trockenes Ge-
räusch, das mit dem des Regens oder eines Wasserfalles ver-
glichen wurde, trockenes oder Regengeräusch der
Pauke QBruit de la pluie ou bruit sec de la caisse)-, das-
selbe hat in der Paukenhöhle ziemliche Resonanz und lässt
sich bis in den Zitzenfortsatz verfolgen.
183
Sind Flüssigkeiten in der Paukenhöhle angesammelt ,
seien sie Schleim oder Eiter, so erzeugt der dieselben be-
wegende Luftstrom ein ungleich blasiges, feuchtes Ge-
räusch, Schleimrasseln QBruit muqueux de la caissej.
Durchlöcherung des Trommelfelles gibt sich zuweilen
durch ein Pfeifen oder Zischen zu erkennen, indem
die eingebrachte Luft durch die enge Spalte desselben in
den Gehörgang entweicht.
Ist der Catheter zu dünn oder nicht gehörig in die Ohr-
trompete eingesenkt, so wird durch die Luftdouche die Mün-
dung der Ohrtrompete unter Erzeugung eines flatternden Ge-
räusches in Vibrationen versetzt, das besonders beim offenen
Munde und nahe an der Nase deutlich vernommen wird. Ge-
räusch der Trompetenmündung [Bruit du pavil-
/<w). Gelingt es später, den Catheter passend einzulegen,
so erscheint gleich das normale trockene Paukengeräusch
allein, und kommt bisweilen, mit dem letztgenannten Geräusche
in Verbindung, ein wie aus der Entfernung zu hörender
trockener Schleimton, Schnurren (nach meiner
Bezeichnung) vor, der durch die rückgängige Bewegung
der eingetriebenen Luft erzeugt wird , wenn diese in der
Ohrtrompete auf eine Verengerung durch Aufwulstung der
Schleimhaut etc. stösst.
Von der I toter guehung der Mund- und Ra-
clienhöiile und der Speiseröhre.
Die hier in Anwendung kommenden Untersuchungsme-
thoden beschränken sich auflnspection und das häufig durch
die Sonde unterstützte Gefühl ; der Auscultation ist nur ein
kleines Feld angewiesen.
Die Krankheiten , welche die Exploration veranlassen ,
betreffen entweder die Knochen oder die Weichtheile. Gehen
wir Letztere in anatomischer Reihe durch , so treffen wir
zuerst auf den Mund.
184
Der Mund wird zuweilen verschlossen gefun-
den , z. B. im Trismus ; allein als eigentümliche Krank-
heit des Mundes können wir nur die angeborenen Ver-
schliessungen hier berücksichtigen, indem wir alle andern
mehr symptomatischen Erscheinungen mit Stillschweigen über-
gehen. Zuweilen kann eine Verengerung der Mund-
öffnung durch Verwachsung der Lippen zu Stande kom-
men , wie sie in Folge von Verwundung oder Geschwüren
der Mundwinkel bisweilen sich einstellt. Ähnliche Verwach-
sungen finden sich zwischen dem Zahnfleische und den
Wangen oder den Lippen. Der Varietäten der Bildungsfehler
sind sehr viele. Spaltung der Oberlippe (Hasenscharte)
steht zuweilen mit Spaltung der Nase oder des Gaumens in
Verbindung. Sie zeigt sich als einfache oder doppelte Spalte
der Oberlippe , die aber durch Überhäutung von Seite des
Mundes ganz das Ansehen der Lippen bekommt. Ist sie dop-
pelt , so schliesst sie meistens das getrennt gebliebene Os
maxillare in sich. Oft verbindet sie sich mit dem Wolfsrachen.
Abgesehen von dem schon im allgemeinen Theile ange-
führten mehr sympathischen und physiognomischen Zeichen ,
welche den Mund und die Lippen betreffen, sind noch fol-
gende Symptome, als Localkrankheiten bezeichnend, hieher
gehörig.
Der Mund steht offen, bis zu 2 Zoll, und kann nicht
geschlossen werden, nach gewaltthätigen Einwirkungen und
starkem Gähnen bei Verrenkung des Unterkiefers.
Dabei sieht man eine Abflachung des Backen, selbst eine Ver-
tiefung in der Gegend des Kiefergelenkes ; die untere
Wand des äusseren Gehörganges erscheint nur in seltenen
Fällen aufwärts gedrückt , da die Verrenkung fast nur nach
vorne möglich ist. Die Luxation betrifft entweder beide Ge-
lenkfortsätze, oder sie ist nur einseitig; die Spitze des Proc.
coronoideus ist hiebei an den unteren Rand des Proc. %ygo-
maticus, und der Gelenkfortsatz an den vordem Rand des
Tuberculum articulare durch den Kaumuskel gepresst. Alle
185
Muskeln erscheinen gezerrt, aus dem Munde fliesst Spei-
chel, die Lippenbuchstaben können nicht ausgesprochen wer-
den , das Kauen ist unmöglich. In der Mundhöhle fühlt man
einen durch das Vortreten des Kronenfortsatzes gebildeten
Vorsprung', die Zähne passen nicht mehr auf einander; die
Untern Schneidezähne liegen nämlich mehr nach vorne. Ist
die Verrenkung nur einseitig, so stehen Mundspalte, Zähne
und Kinn schief, und die anderen angeführten Symptome sind
nur an der betreffenden Seite vorzufinden.
Der Bruch des Oberkiefers ist leicht zu erken-
nen an dem Eindrucke und der Beweglichkeit des Knochens.
Necrose dieses Knochens erscheint nicht selten bei Leu-
ten, die in Fabriken chemischer Zündhölzchen arbeiten, bei
solchen ist daher, wenn irgend ein Leiden des Oberkiefers
bemerkt wird , die Aufmerksamkeit des Arztes darauf zu
richten , ob nicht jene zu Grunde liegt.
Der Bruch des Unterkiefers. Die Diagnose un^
terliegt keiner besonderen Schwierigkeif, indem man die Cre^-
pitation leicht fühlt, und die Bruchenden vorrücken kann,
Die Richtung des Bruches ist meistens vertical, an den Ästen
gewöhnlich schief. Zuweilen ist er auch mit Luxation com-
plicirt.
Ist ein Seitentheil gebrochen , so sind Mund und Kinn
schief abwärts gegen die gesunde Seite, das hintere Bruch-
stück aber nach innen und aufwärts gezogen. Sind beide
Seitentheile gebrochen , so sieht man das Kinn herabgezo-
gen , die Wangen abgeflacht; der Mund ist geöffnet, und
kann nicht ganz geschlossen werden ; der untere Rand des
Unterkiefers und der obere seiner Zähne sind ungleich. Mei-
stens fliesst auch Speichel aus dem Munde. Beim Bruche des
Astes ist seltener Dislocation voihanden ; stellt sie sich aber
ein, so ist die betreffende Wange auffallend flach. — Ist
der Gelenkfortsatz abgebrochen , so kann man bei der sehr
erschwerten Bewegung des Unterkiefers Crepitation fühlen ,
und dieser Fortsatz bewegt sich nicht mit.
186
Zur Erkenntniss der Krankheiten der Mundhöhle so
wie in specie jener der Zähne trägt wohl die Inspection das
Meiste bei. Um selbe vorzunehmen , muss der Mund des
Kranken dem Lichte zugekehrt sein. Will man dem Lichte
und dem Auge Zutritt zu den hinteren Parthien des Rachens
gestatten , ist die Zunge bei zurückgebeugtem Kopfe des
Kranken mittelst des Spatels nach Bedarf nieder zu drü-
cken. Um die Hinterfläche der Zähne besehen zu können ,
gibt man einen Mund sp ie gel hinter die zu untersuchende
Zahnreihe. Derselbe muss von Silber sein, und hat die Form
eines halben, der Länge nach getheilten Ovales. Gut ist es ,
denselben vor seiner Einbringung massig zu erwärmen, da-
mit er sich nicht von dem Hauche mit Feuchtigkeit beschlägt.
Über die Stellung der Zähne erhält man die bequemste
Übersicht durch vorsichtiges Abdrücken jeder Kieferreihe in
Wachs , das man früher in lauem Wasser erweicht und zwi-
schen Servietten geknetet hat , und Abgiessen der erhalte-
nen Hohlform in Gyps.
Die Untersuchung wird durch die Palpation wesentlich
gefördert, und selbe entweder mit einem Finger oder, beson-
ders bei Exploration der Zähne, mittels der Sonde vorge-
nommen, um verborgene, zwischen zwei nahe an einander
gepressten Zähnen befindliche Vertiefungen , Löcher, Un-
ebenheiten, vor allen aber die Empfindlichkeit des Patienten
zu prüfen. Aus letzterem Grunde werden auch Zähne mit
einem Schlüssel u. dgl. percutirt; nicht aber, um auf ein
dabei erzeugtes Geräusch zu hören. Die bequemste Zahn-
sonde ist die Riz zische. Selbe ist an beiden Enden
gespitzt und halbkreisförmig gebogen.
Untersuchung der Zähne.
Das Kauorgan ist vielen physiologischen und patholo-
gischen Veränderungen unterworfen, wovon erstere an ge-
wisse Perioden des Lebensalters gebunden sind.
Der Durchbruch der Zähne ist i:nmer mit mehr oder
187
weniger lästigen, selbst gefährlichen Symptomen verbunden.
Zu den örtlichen Erscheinungen gehören : das Anschwellen
und die Härte des Zahnfleisches. Dasselbe und die ganze
Mundhöhle fühlt dann sich heiss an; oft bringt das Kind auto-
matisch die Finger an das Zahnfleisch und reibt es damit; ge-
wöhnlich fliesst viel Speichel aus dem Munde.
Das erste Zahnen beginnt ungefähr mit dem 5. Monate,
und gewöhnlich kommen die Zähne des Unterkiefers etwas
früher, als die entsprechenden am Oberkiefer.
Die vier mittleren Schneidezähne er-
scheinen vom 6 — 10 Monat
Die vier seitlichen 9 — 16 »
» » Eckzähne 14—23 »
» » vorderen Backenzähne . . . . 20-31 »
» » hinteren 27 — 40 »
Das zweite Zahnen geschieht um das 7. Jahr durch
theilweise Aufsaugung der Wurzel der Milchzähne und Aus-
fallen ihrer Kronen. Zuerst zeigt sich der erste grosse Mahl-
zahn, dann fallen die Milchzähne beiläufig in der Ordnung
aus, in der sie gekommen sind.
Die vier ersten Mahlzähne und die zwei
mittleren unteren Schneidezähne
erscheinen vom 6—8 Jahre
Die beiden mittleren oberen Schneidezähne . 7— 9 »
» vier seitlichen Schneidezähne . . . 8 — 10 »
» ersten Backenzähne 9 — n »
» Eckzähne 10 12 >,
» zweiten Backenzähne 11 — 13 »
» zweiten Mahlzähne 12 14 »
Man sieht somit, dass die Eckzähne später kommen ,
als die seitlichen Schneidezähne und die Backenzähne, so
dass sie sich zwischen diesen gleichsam durchdrängen , und
ihren Raum erringen müssen. Ferner ist zu bemerken , dass
alle Zähne wechseln, mit Ausnahme der Mahlzähne, welche
erst bei der zweiten Dentition erscheinen. Hinter den Mahl-
188
zahnen kommen später noch zur unbestimmten Zeit, meistens
Zwischen dem 23. und 25. Jahre, die sogenannten Weisheits-
zähne , welche aber meistens ganz verkümmert sind, und
häufig nicht geboren werden.
Im höheren Alter sind die Zähne alle ausgefallen , und
der Kiefer resorbiret sich in dem Grade , dass das Gesicht
nach Hunt er um l'/2 Zoll verkürzt wird. Die Rotations-
Bewegungen beim Kauen hören dann auf, die Mastication
besteht bloss in einem Niederdrücken und Aufheben, wie bei
Kindern, die noch keine Zähne besitzen. Durch die Resorp-
tion der Kiefer und des Zahnfleisches kommen im hohen Alter
zuweilen diejn der Evolution zurückgebliebenen und früher un-
ter den letzteren verborgen gewesenen Zähne zum Vorschein,
und geben Anlass , an das Märchen einer dritten Dentition
zu glauben.
Die Zahnbildung ist häufigen Anomalien unterworfen ,
die entweder die Zahl (überzählige, ungeborene), oder
0ie Gestalt (Dutenzähne) , oder den Ort des Erscheinens
(pberzähne) , oder eine regelwidrige Stellung betreffen ;
und zwar ist letzteres entweder mit einer ganzen Kie-
ferreihe der Fall, oder nur mtt einzelnen Zähnen (schiefe
JSähne).
Vorragen einzelner Zähne oder Gewohnheit, auf einer
Seite zu beissen , bewirken die Abnützung derselben.
Brüche der Zähne werden leicht erkannt. Atrophie be-
trifft meistens nur den Schmelz , und zeigt sich als milchige
oder gelbliche Fleckchen, oder als Porosität der Glasur oder
durch gelbliche eingedrückte Querstreifen, besonders an den
Schneidezähnen. Letztere Form ist der Rachitis besonders
eigen. Dass die Zähne aus verschiedenen Ursachen häufig
locker werden, hat fast jedermann selbst erfahren.
C a r i e s der Zähne, welche nur auf den Kronen vorkommt,
zeigt sich unter mancherlei Form. Die Caries calcaria wird
als vertiefte Stelle meist an den Seiten der Krone gefunden ,
»reiche rauh , zerreiblich und kalkartig aissieht.
189
C. excorticans äussert sich als gelbliche Stelle
ebenfalls meistens an der Seitenfläche des Zahnes , wo sich
das zerreibliche Email losblättert.
C- per forans erzeugt sich im Innern der Kronen als
Erweichung* und gelbbraune Färbung der Knochensubstanz ,
endlich öffnet sich die Aushöhlung durch ein kleines Loch
oder einen Canal nach aussen. Die Knochenmasse wird durch
diesen Process fast gänzlich zerstört , so dass nur die aus
dem Email bestehende Hülle übrigbleibt, die endlich auch
zerbricht und zerbröckelt.
C. carbo beginnt mit einem schwarzen Flecke, der
durch den Schmelz bläulich durchschimmert und leicht zer-
stört wird. Dadurch öffnet sich eine Höhle , deren schwarze
Wände trocken und zerreiblich sind.
C. diruptiva beginnt mit einem gelben Flecke und
Substanzverlust nahe am Halse des Zahnes, und schreitet,
eine Furche bildend, der Wurzel zu, so dass endlich die ge-
sunde Krone von letzterer abbricht.
Necrose des Zahnes, meist in Folge eines heftigen
Druckes , Luxation u. s. w. , äussert sich durch .Schwarz-
werden des ganzen Zahnes.
Der Zahnstein, eine schmutzig weisse bis bläu-
liche, weiche oder auch sehr harte, am Halse der Zähne
fest anhängende Substanz , drängt das Zahnfleisch von den-
selben weg, und macht dasselbe schwammig und leicht
blutend.
Parulis , eine in Folge von reiner Entzündung des
Zahnfleisches, Rheuma oder Caries sich bildende entzündliche,
rundliche, zuletzt fluctuirende Geschwulst des Zahnfleisches,
so wie
Periodontitis, Entzündung des den Alveolus aus-
kleidenden Häutchens, geht zuweilen in Eiterung über, und
gibt zu leicht blutenden Fungositäten , Abscesen und Fi-
steln Veranlassung, welche letztere man durch Erschei-
nen eines Eiterpunctes an der callösen Öffnung bei ange-
190
brachtem Drucke erkennt. Eine festaufsitzende, nach dem
Wegschneiden wieder erscheinende Geschwulst von fast
schwammiger Consistenz, die entweder aus dem Zahnfleische
oder der äussern Zahnhaut, dem Alveolus oder selbst der
Pulpa des cariösen Zahnes entstehen kann, heisst Epulis.
Am Gaumen bemerken wir zuweilen Trennungen des
Zusammenhanges, Spalten und Öffnungen. Die Gaumen-
spalten, als Fehler der ersten Bildung, erstrecken sich
entweder nur auf das Zäpfchen, den weichen Gaumen, oder
sie durchdringen das Palatum durum, selbst den Processus ah
veolaris und die Oberlippe. Sie sind meist einfach, aber auch
doppelt. In diesem Falle schliessen sie das Os intermaxillare
in sich. Die mehr oder weniger breite angeborne Spalte betrifft
immer die Mitte des Gaumens. Öffnungen des Gaumens
können aber an jeder andern Stelle desselben vorkommen, sie
sind meist Folge syphilitischer, bisweilen scrophulöser Ge-
schwüre, gewöhnlich von rundlicher oder ovaler Gestalt, und
mit einem harten Rande umgeben. Die Folgen beider sind
verschieden. Die Spalte, als Bildungsfehler, macht den Kin-
dern das "Saugen , wenigstens in horizontaler Lage , gänz-
lich unmöglich. Bei Erwachsenen wird die Stimme durch die-
selben oft in dem Grade verändert , dass sie in ein unver-
ständliches verworrenes Getön verwandelt wird. Viele Per-
sonen suchen den Substanzverlust durch Tragen eines Ob-
turators zu ersetzen.
Speichel fisteln kommen am häufigsten am Spei-
chelgange der Parotis vor , und sind innere und äussere, an
der Seite der Wange befindliche. Sie werden zuweilen durch
das Einführen von Sonden oder feinen Darmsaiten, jedesmal
aber durch das immerwährende Aussickern einer grossen
Menge anfangs sanguinolenter, später reiner Speichelflüssig-
keit erkannt, die besonders beim Kauen und Sprechen ausge-
presst wird. Die äussere Fistelöffnung ist häufig* callös. Nicht
selten ist ein Speichelstein Ursache der Fistel. Bei letzte-
rer kann derselbe durch das Gefühl erkannt werden, so wie auch
191
dadurch, dass der Ausführang-sg-ang" der Drüse hinter dem Hin-
dernisse eine dem Tastsinne zugängliche Ausdehnung er-
leidet.
Entzündung der Weichtheile des Mundes wird Stoma-
titis genannt. Sie kann an allen Stellen desselben vorkom-
men , und characterisirt sich durch Röthe, Geschwulst und
Hitze der leidenden Partie , so wie durch häufigen Verlust
des Epitheliums daselbst. Bei Kindern ist nicht selten ver-
mehrte Speichelabsonderung* damit verbunden.
Ulceröse Stomatitis ist ein Ausgang der rein ent-
zündlichen, oder sie hat ihren Grund in specifischen Ursachen,
als: Mercurialkrankheit, Syphilis. Die beiden letztgenannten
Geschwüre sind der Form nach nicht immer zu unterscheiden,
doch gilt im Allgemeinen, dass :
S y phili tische
(welche selten primär sind)
1) mehr die hintern Partien des Ra-
chens, Zäpfchen, Mandeln u. s w.
ergreifen.
2) mehr in die Tiefe dringen, und
oft mit Durchbohrung des Gau-
mens , Zäpfchens u. s. w. enden.
3) rund sind, zuweilen mit deutlieh
erhobenen Rändern.
4) an ihrem Orte fest sitzen , und
von da aus die Zerstörung vor-
dringen lassen, doch kaum mehr
als 2—3 auf einmal vorkommen
5) im Umfange wenig Reaction
zeigen.
Mercurielle
mehr an den vordem Theilen des
Mundes vorkommen, am Backen,
Zahnfleisch u. s. w.
ziemlich oberflächlich und flach
sind, und mehr in die Breite als
in die Tiefe gehen.
eine unregelmässige, längliche, sich
leicht verändernde Form haben.
ihren Ort beständig wechseln, und
in unbeschränkter Zahl vorkom-
men.
meistens mit heftigen entzündlichen
Erscheinungen und Geschwulst
im Umkreise, so wie mit Saliva-
tion verbunden sind.
Beide Geschwürsgattungen bilden zuweilen , besonders
wenn sie an der Zunge vorkommen, Rhagaden.
192
Aphtöse Stomatitis. Diese, am häufigsten bei kleinen
Kindern vorkommende Krankheit, erscheint anfangs als eine
nur durch das Getaste kennbare Anschwellung- eines oder meh-
rerer Schleimfollikel , welche endlich als kleines weisses
Bläschen sich sichtbar darstellt. Der anfangs gelatinöse In-
halt trübt sich dann und wird entleert, worauf es zur Bil-
dung eines Geschwürchens mit weissem Schorfe kommt, der
sich bald abstösst.
Der Soor (while thruch, Muguet) kommt bei Säug-
lingen vor , und erscheint als weisses Excret der Follikel in
Form vieler Puncte , die durch ihr Zusammenfliessen der
Mundhöhle das Ansehen verleihen, als sei sie mit Rahm über-
schmiert. Dieses von vielen Ärzten als Abart der Aphten be-
trachtete Leiden bildet den Übergang zur
Diphtheriti s. In dieser mehr die hinteren Partien des
Rachens und Schlundes zu ihrem Sitze erwählenden Krank-
heit erscheint auf geröthetem Grunde eine plastische Exsu-
dation in Form weisser Lamellen. Es scheint, dass diess
Leiden bei Neigung zur Grangrän die Angina gangraenosa
QCarotillO~) darstelle; wenigstens sind die Bilder der genann-
ten Krankheiten ziemlich übereinstimmend.
Aus allen bis jetzt beschriebenen Formen der Stomatitis
ist übrigens die Entwickelung von Sphacelus möglich ; übri-
gens kann sich auch Gangrän #) des Mundes ohne voraus-
gegangene bemerkbare Entzündung, ähnlich der Noma, ent-
wickeln. Es erscheint dabei äusserlich auf der Backe eine
ödematöse, umschriebene Geschwulst, worüber die Haut ein
fettiges Ansehen bekommt. In der Mitte ist ein harter Punct,
über welchem innen oder aussen ein dunkelrother Fleck ent-
steht. Dieser bedeckt sich endlich mit Brandschorf, die
weichen Theile werden oft bis auf die Knochen zerstört, und
es ergiesst sich mit ihren Resten blutiger Schleim aus dem
Munde.
*)Evanson et Mannseil Handb. d. Kinderkrankheiten übers.
v. Frank el. Berlin 1838. p. 257.
193
Stomacace und Wasserkrebs QNoma) stimmen in ihrem
Endproducte mit dem Sphacelus oris überein, sind aber so-
wohl von einander, als von Letzterem wesentlich verschieden.
Stomacace.
Nach Vorausgehen von Erschei-
nungen allgemeinen Ubelbefindens
röthen sich gewöhnlich Zahnfleisch
und Lippen und schwellen an , dass
dadurch Sprechen und Kauen er-
schwert wird. Die Röthe ist meist
gefleckt, dunkellivid.
Nun entstehen schnell auf dein
rothen Grunde viele weisse Puncte,
oder graulicht-weisse Bläschen, die
rasch in Gescbwürchen mit weichen,
blauröthlichen Rändern übergehen,
durch deren Zusammenfliessen die
erkrankten Stellen wie mit einer
grauweissen, speckigen oder schwärz-
lichen pseudomembranösen Schwarte
bedeckt werden. Das Leiden erscheint
mehr oberflächlich.
Nun schreitet die Krankheit mas-
sig schnell zu den tiefer in der Ra-
chenhöhle gelegenen Organen vor,
während, häufige Blutungen aus dem
Zahnfleische erscheinen, und. das pe-
netrant aashaft riechende Secret nicht
allein die Weichtheile zerstört, son-
dern selbst Garies der Knochen be-
wirkt.
Der ganze Process pflegt durch
um sich greifende Verschwärung zu
geschehen.
N o m a.
Entwickelt sich meist ohne Vor-
läufer an irgend einer Stelle des
Mundes, selbst aussen an der Backe
als weissröthliches , oder selbst im
Beginne schwarzes Bläschen, in des-
sen Umkreise die Haut sich verhär-
tet und anschwillt, ohne Zeichen
activer Entzündung.
Durch Platzen des Bläschens
wird schwärtzliche Jauche entleert
und der Mutterboden darunter stellt
schon eine graue oder schwarze,
beim Offnen des Mundes und bei je-
der Berührung leicht zerreissende,
fast breiige Masse dar. Das Leiden
scheint in der Tiefe verborgen zu
beginnen.
Die Zerstörung verbreitet sich
schnell und excentrisch nach allen
Seiten und der Tiefe, durchbohrt
die Wange ; die ergriffenen Knochen
und Zähne fallen ab. Zur Seite fahren
bisweilen ähnlich verlaufende Bläs-
chen auf Das ganze Geschwür wird
von einem dunkel glänzenden Hofe
umschlossen. Beständig fliesst cada-
verös riechender Speichel aus.
Der Zerstörungsprocess greift
durch necrotisches Zex-fallen um sich.
Von jeher hat man auf die Untersuchung* der Zunge
grossen Werth gelegt, und aus der Beschaffenheit derselben
auf die des Magens und Darmcanales geschlossen. Wir müs-
sen die sympathischen Zeichen an der Zunge leider hier über-
Gaal Diagnostik. 13
194
gehen , und verweisen betreffs derselben auf die meisten
Werke über Semiotik, in deren jedem das Wissenswerthe-
ste darüber enthalten ist. Unsere Aufmerksamkeit fesseln
hier mehr die Krankheiten der Zunge selbst, besonders in so
ferne durch selbe die physikalischen Eigenschaften dieser
geändert werden.
Die Zunge findet sich öfters mit den benachbarten Thci-
len verwachsen, am häufigsten jedoch bei Kindern als
angeborne Verkürzung des Zungenbändchens,
das meist bis an die Zungenspitze reicht, und das Saugen
und Sprechen verhindert. Ganz kleine Kinder zwingt man
behufs der Inspection dadurch, den Mund zu öffnen, dass
man ihnen mit den Fingern der einen Hand die Nase zuhält,
so dass sie genöthigt sind, durch den Mund zu athmen. Zur
genauem Untersuchung hat man dann mit zwei Fingern die
Zunge in die Höhe zu heben und an den Rändern zu um-
gehen.
Die Zunge nimmt übrigens meistens an den Leiden der
Mundhöhle Antheil, besonders wenn diese entzündlichen Ur-
sprungs sind (Stomatitis) , wird aber auch oft für andere
Ursachen, Trauina, Hydrargyrose, Verschlucken ätzender
Substanzen u. s. w. büssen.
Die Zungenentzündung (Glossitis) ist entweder
bloss oberflächlich QG. mueotaj oder parenchymatös, total
oder partiel.
Die heisse , harte und steife Zunge nimmt dabei eine
dunkle Röthe an , und behält die Eindrücke der Zähne, wo-
durch nicht selten Excorirung und Ulceration entsteht. Sie
schwillt zuweilen zu so bedeutenden Umfange an, dass äus-
serste Erstickungsgefahr entsteht, oder sie als eine grosse
unförmliche Fleischmasse zwischen den Zahnreihen einge-
klemmt erscheint. In einzelnen Fällen blieb Verhärtung zu-
rück, die durch den Tastsinn leicht erkannt wird.
Der Scirrhus der Zunge zeigt sich als knotige, harte,
braunröthliche mit, röthlichen Gefässen durchzogene Ge-
195
schwulst, die in weiterem Verlaufe sich in ein Krebsge-
schwür verwandelt.
Condylome kommen nicht selten an der Zunge und
im Rachen, meist an den Tonsillen vor, sind aber fast im-
mer breit aufsitzend, flach, wenig erhaben und weisslich
gefärbt. Die Berücksichtigung der übrigen Erscheinungen
der Syphilis wird die Diagnose erleichtern.
Die Fröschleingeschwulst QRanula) stellt ge-
wöhnlich einen runden, glatten, beweglichen, röthlich-weis-
sen , durchscheinenden Tumor des Whartonianischen Gang'es,
der aus was immer für Ursache verstopft ist, neben dem Zun-
genbändchen dar, wird aber in manchen Fällen durch eine
eigene Cyste gebildet, deren Inhalt eiweisshältig, nicht aber
Speichel ist. Ein unter und hinter dem Kinne angebrachter
Druck erhebt die untere Wand der Mundhöhle und mit ihr
die Geschwulst; drückt man im Munde die Ranula, so zeigt
sich hinter dem Kinne eine Wölbung.
Der Zungenkrampf kommt selten als locales und
idiopathisches Leiden vor. Sind die Musculi styloglossi Sitz
des Krampfes, so wird die Zunge gewaltsam nach hinten ge-
zogen und zusammengerollt. Betrifft die Zusammenziehung
die M. ginioglossi > so wird die Zunge aus dem Munde her-
ausgestreckt.
Im Rachen erweckt ausser den schon genannten Co-
häsionskrankheiten des weichen Gaumens (Perforation u. s. w.)
und Zäpfchens noch die Herabdrückung* des Ersten durch
Polypen, und die entzündliche und die ödematöse Geschwulst
des Letzteren unsere Aufmerksamkeit. Das Zäpfchen kann
dabei ungemein vergrössert werden, und hängt zuweilen tief
gegen den Schlund herab. Öfter ist es nöthig, dassel-
be behufs einer, genauen Inspection der hinter demselben
gelegenen Theile mit einem Pinselstiele umzuschlagen, oder
mit diesem zu versuchen, ob der etwa vorhandene Schleim
oder Eiter sich wegwischen lässt oder nicht. Bei Halsentzün-
dungen findet man häufig das Zäpfchen auf eine Seite gezogen.
13 #
196
Bei Halsentzündung* en sind der Grad der Ge-
schwulst, der Umstand, ob Flüssiges oder auch Compactes
geschluckt werden kann , und ob dieses durch die Nase re-
gurgitirt oder nicht, ein immerwährender Reiz zum Schlin-
gen , der durch die Anschwellung hervorgebrachte näselnde
Ton beim Sprechen , die Köthe , die bei acuten Exanthemen
(Scarlatina etc.) meistens punctirt erscheint, der Verlust der
Epithclialschichte, die sich durch stellenweise Mattheit der
Röthe und Vertiefung kund gibt, so wie Zeichen von etwa
eintretender Eiterung Gegenstand der Untersuchung. Piorry
gibt an, dass man sich bildende Eiterherde an einer elasti-
schen Spannung der hintern und etwas seitwärts von der Backe
gelegenen Gegend der Mundhöhle durch den Tastsinn früher
erkenne, ehe sich der Abscess durch die Inspection kund
gibt.
Die Vergrosserung der Tonsillen während einer Ent-
zündung sowohl, als nach derselben kann so bedeutend wer-
den, dass sie halbkugelförmig vorstehen, und den Eingang des
Schlundes gänzlich verschliessen. Durch den Gesichtssinn
sieht man Eiterpuncte auftreten , und die mehr höckerige,
ausgefressene Form der Mandeln , wenn durch häufige Ab-
scesse , syphilitische Geschwüre u. dgl. Substanzverlust der-
selben zustande gekommen ist. Kann man den Abscess nicht
durch Zufühlen erkennen, so deutet nach Schönlein ein
dickpelziger grauer Beleg der Zungenwurzel, der Seite des
Eiterherdes entsprechend, auf dessen Vorhandensein.
Die Speiseröhre gibt der physicalischen Untersu-
chung nur bei einigen wenigen Krankheiten Gelegenheit zur
Anwendung.
Diese sind vornehmlich folgende :
Fremde Körper im Ösophagus werden meistens
daselbst durch ihr grosses Volum oder auch durch Schlund-
krampf, seltener durch einen paralytischen Zustand der Mus-
keln aufgehalten. Stecken sie unmittelbar hinter dem Kehl-
kopfe; so ist die Erstickungsgefahr gross, und es ist biswei-
197
len nicht leicht zu erkennen , ob sie nicht etwa in letzterem
stecken. Doch sichert die Diagnose theils den Umstand, dass
Körper, die über 10 Par. Linien im Durchmesser haben,
nicht leicht in die Stimmritze gelangen können , theils die
Abwesenheit des röchelnden Athems, des zischenden Ge-
räusches beim Husten , die Unmöglichkeit Flüssiges zu
verschlucken , so wie die Untersuchung* mit dem Finger
von innen und aussen an der linken Seite des Kehlko-
pfes , oder wo dieses nicht hinreicht , das vorsichtige Ein-
bringen der Schlundsonde. Zu diesem Ende sitzt der Patient
vor dem Arzte auf einem Stuhle, und wird dessen Kopf von
einem Gehilfen fixirt. Der Operateur drückt mit dem linken
Zeigefinger die Zungenwurzel nieder , und führt an dessen
Radialseite die mit der andern Hand nach Art einer Schreib-
feder erfasste und beöhlte Sonde etwas nach links an die hin-
tere Wand des Pharynx , wo sie sich durch sanften Druck
krümmet und in die Speiseröhre gleitet, bis er durch ein sich
entgegenstellendes Hinderniss von der Anwesenheit des frem-
den Körpers belehrt wird.
Home räth die Zunge bei der Sondirung aus dem Munde
strecken zu lassen, allein ich glaube, dass, weil dadurch
die Epiglottis in die Höhe gehoben wird, man auf solche
Weise leicht in die Luftröhre gelangen könnte, was bei bloss
niedergedrückter Zunge weniger der Fall ist.
Der Schlundkrampf äussert sich meistens durch
Gegenwart krampfhafter Erscheinungen anderer Organe, und
durch anfallsweises Auftreten derselben. Während des
Paroxysmus wird Genossenes, sobald es zu der krampfhaften
Verengung* gelangt ist, mit Vehemenz wieder zurückgestos-
sen. Die Sonde aber entdeckt nur während der Anfälle ein
Hinderniss an der betreffenden Stelle.
Bei paralytischer Dysphagie gleiten Speisen und
Getränke wie in einem todten Schlauche hinab, werden nicht
ausgestossen, und die Sonde fühlt kein Hinderniss; man hört
auch zuweilen ein Geräusch, wie von einem saufenden Pferde,
198
Stricturen des Ösophagus, die durch Ge-
schwülste leidender Wirbel u. s. w. entstehen, äussern sich
durch keine zeitweisen Anfälle, sondern es äussert sich die
Beschwerde bei jedem Versuche zu schlingen; die Schlund-
sonde weist das mechanische Hinderniss nach , und gelingt
es , eine im warmen Wasser etwas erweichte Wachsbougie
durch die verengte Stelle durchzudrängen , so zeigt diese
bisweilen den Abdruck derselben.
Durch die Auscultation hört man in manchen Fällen
nächst der Wirbelsäule ein eigenthümlich schnalzendes Ge-
räusch beim Schlucken , das stärker ist , wenn flüssige, und
schwächer, wenn feste Körper die verengerte Stelle passiren.
H o m e s Ausspruch , dass , wenn man von den Vorder-
zähnen des Oberkiefers 8" tief eingedrungen sei , man ge-
wöhnlich mit der Sonde die Strictur überschritten habe, fin-
det schon in dem Umstände seine Bestättigung, dass die Stric-
turen meist im obern Dritttheile des Ösophagus vorkommen.
Untersuchung der Wirbelsäule.
An die Untersuchung des Kopfes reiht sich unmittelbar
jene der Wirbelsäule. Inspection , Mensuration und Palpa-
tion haben hier ein weites Feld , die Percussion ist von un-
tergeordnetem Nutzen , die Auscultation kommt aber dabei
nur in so ferne in Betracht, als durch Verkrümmung des
Rückgrates organische Krankheiten in den Athmungswcrk-
zeugen und dem Herzen entstehen , welche durch das Sthe-
thoscop nachzuweisen sind. Der Kranke , der den Rücken
entblösst hat , kann im Stehen , Sitzen oder Liegen unter-
sucht werden. Liegend befinde er sich auf einer wenig nach-
giebigen Unterlage, z. B. einem Tische, mit nach oben ge-
kehrtem Rücken, und strecke dabei die Hände über den Kopf
aus. Bei der Untersuchung im Sitzen und Stehen muss man
darauf achten , dass der Patient den Kopf gerade halte, und
man stelle sich der Wirbelsäule gegenüber, um die allgemeine
Richtung derselben wohl beurtheilen zu können.
199
Ausser der Untersuchung der Wirbelsäule selbst und
ihrer einzelnen Vorragungen beachte man die rinnen förmigen
Vertiefungen neben derselben und den Vorsprung* , welchen
die Sacrolumbalmuskeln auf einer oder der andern Seite ma-
chen. Dadurch erkennt man oft nach Guerin die Verdre-
hung der Wirbel im Beginne , ehe sie sich noch durch an-
dere Zeichen kund gibt.
Ferner soll man den Kranken sowohl den Kopf, als die
Brust und das Becken bewegen und drehen lassen, und selbst
die Beweglichkeit der obern und untern Extremitäten berück-
sichtigen, und überhaupt, ob derlei Versuche frei und ohne
Schmerz vollführt werden können.
Vom physikalischen Standpuncte aus betrachtet, ist der
Schmerz , der durch Betastung der Wirbelsäule und andere
Handgriffe erregt wird, zwar nicht hieher gehörig; da aber
denselben hervorzurufen für die Diagnose von Rückenmark-
krankheiten häufig* unerlässlich ist , und da ein bestimmtes
technisches Verfahren dabei in Anwendung kommt , so kann
letzterer hier nicht mit Stillschweigen übergangen werden.
Will man einen Kranken demnach auf Spinalirrita-
tion untersuchen, so muss sich dieser auf den Bauch le-
gen, oder mit der Brust an eine Wand lehnen, worauf man
mit den an ihren Spitzen zusammengehaltenen Daumen beider
Hände auf die einzelnen Dornfortsätze der Wirbel und un-
ter dieselben auf die Zwischenknorpel drückt, und erstere
selbst dabei hin und her zu bewegen versucht. Bei solchem,
der Reihe nach vom Halse bis zu den letzten Lendenwir-
beln auf jeden Dornfortsatze ausgeübten Drucke empfinden die
Kranken Schmerz von verschiedener Heftigkeit an einer oder
der andern Stelle , und werden selbst zuweilen krampfhafte
Erscheinungen hervorgerufen. Oft ist es selbst schon hin-
reichend, ohne dass der Kranke die bezeichnete Lage ein-
genommen hat, der Reihe nach den Hals, die Brust und
den Unterleib mit der aufgelegten Linken zu fixiren, während
man mit dem Daumen der rechten Hand die Dornfortsätze
900
drückt. Schmerz in den Muskeln gibt sich durch Empfind-
lichkeit der seitlichen Theile des Rückgrates kund.
Nach Copland erprobt man die Empfindlichkeit ein-
zelner Wirbel auch durch Überfahren der ganzen Columna
vertebralis mit einem in heisses Wasser getauchten Schwämme,
wobei die erkrankten Wirbel schmerzen. Nach S t i e b e 1 er-
reicht man ein Gleiches durch heisse Potaschenbäder. Diese
Explorationsmethoden trifft aber der Vorwurf, dass sie nicht
allein umständlicher , sondern auch weniger verlässlich sind,
als jene durch den Druck.
Entzündung derWirbelsäule in ihren Gelenk-
verbindungen QSpondylarthrocace^) äussert sich, wenn sie
die obern Halswirbel betrifft, sichtbar durch Steifheit des
Halses und Neigung des Kopfes nach abwärts und nach der
gesunden Seite hin , so dass die kranke Seite nach aussen
etwas vortritt. In einem weitern Stadium aber wird der Kopf
nach rückwärts und einer der erst beschriebenen ganz ent-
gegengesetzten Stellung" gedreht. Hat das Übel in den un-
tern Hals-, Rücken- oder Lendenwirbeln (Malum Potii) sei-
nen Sitz, so bemerkt man nicht selten Hervortreten eines
oder mehrerer Dornfortsätze, und nach und nach mehr er-
sichtliche Lähmung der untern Extremität, so dass der Kranke
gezwungen ist, eine eigene characteristische Haltung anzu-
nehmen, nämlich den Theil des Halses , der zwischen den
Schultern befindlich ist , nach rückwärts zu halten, die Arme
etwas gebogen an den Leib zu legen , im Stehen sich mit
den Händen auf die Hüfte , und im Bücken auf die Ober-
schenkel zu stützen. Die untern Extremitäten werden ge-
wöhnlich etwas in den Knien gebogen gehalten. Das Um-
wenden im Liegen geschieht mit äusserster Mühe. In einem
weitern Stadium des Übels bilden sich dann Verkrümmun-
gen der Wirbelsäule aus , und erscheinen gerne die Conge-
stionsabscesse.
Sitzt die Entzündung in der Knorpelverbindung des Hei-
ligenbeines mit dem Darmbeine, so wird anfangs der Gang
201
schwerfällig und hinkend, besonders früh Morgens; nach
längerem Gehen verliert sich aber die Beschwerde , der
Schenkel der leidenden Seite kann nur unvollkommen geho-
ben werden ; wird aber bei höherem Grade des Übels zum
Unterleibe heraufgezogen ; das Gehen wird unmöglich , die
Regio sacro-iliaca schwillt endlich an, es zeigt sich selbst
Fluctuation , und wenn der Abscess zum Aufbruche kommt,
Caries des unterliegenden Knochens.
Die Verkrümmung der Wirbelsäule ist ent-
weder eine primär entstandene, oder folgt secundär auf vor-
ausgegangene Leiden derselben oder anderer Organe. Z. B,
nach der Resorption eines pleuritischen Exsudates. Gewöhn-
lich aber entwickelt sie sich langsam.
Verkrümmung nach der Seite heisst S coli ose, nach
vorne L o r d o s e , und nach rückwärts Kyphose. Die bei-
den letzteren Arten entstehen, im Allgemeinen gesagt, fast
nur aus Entzündung; die erstere seltener. Treten die Wir-
bel aber nach einem nicht entzündlichen Leiden in eine der
beiden letztgenannten Richtungen , so ist es fast immer der
Fall, dass nicht bloss einige, wie bei der Entzündung ge-
wöhnlich drei , sondern viele Wirbel an der Verkrümmung
Theil nehmen , die dann auch einen Bogen , und nicht einen
Winkel beschreibt.
Um die Art und den Grad einer Rückgratsverkrümmung
zu bemessen , muss man die normale Stellung der Wirbel-
säule wohl vor Augen haben. Dieselbe hat nämlich vier Krüm-
mungen. Am Halse ist ihre Convexität nach vorne , am Rü-
cken nach hinten, an den Lenden nach vorne, und am Kreuz-
beine nach rückwärts gerichtet. Übrigens wird man bemer-
ken , dass bei den meisten gesunden Individuen , selbst
wenn sie nicht linkhändig sind, die Wirbelsäule im mittleren
Theile des Rückens etwas nach der linken Seite hin gelagert
ist , und dass selbst im Normalzustande einige Dornfortsätze
zuweilen mehr vorstehen, als die andern, z. B. der des 7ten
Hals- und iten Rückenwirbels,
902
Die Abweichungen der Wirbelsäule von der Längen-
achse des Körpers wird am besten während dessen aufrech-
ter Stellung mittelst einer Schnur, an deren unterm Ende
eine Bleikugel befindlich ist, bemessen. Da nun im normalen
Zustande Schulterblätter und Becken zu der Längenachse
senkrecht stehen, so wird jede Abweichung von der normalen
Stellung letzterer, wie sie bei Rückgratsverkrümmungen ge-
wöhnlich vorkommen , dadurch am deutlichsten erkannt, dass
man sieht, ob Linien , welche man mittelst des Lineales und
der Reiskohle von einem Schulterblatte zum andern und von
einem Hüftkamme zum Entgegengesetzten zieht , das Senk-
blei unter rechten Winkeln schneiden oder nicht. Um aber
die Schlängelung der Wirbelsäule sich zu versinnlichen ,
sucht man jeden einzelnen Dornfortsatz durch das Gefühl zu
vermitteln, und bezeichnet ihn mit Kohle, oder man reibt,
wenn es weniger auf Genauigkeit ankömmt , über denselben
die Haut mit den Fingern so lange, bis letztere daselbst ge-
röthet und die Krümmung der Wirbelsäule dadurch ersicht-
lich wird.
Will man die Fortschritte des Übels erkennen , und ob
es stationär bleibt, zu- oder abnimmt, so erreicht man sei-
nen Zweck am besten , wenn man einen Abdruck vom Rü-
cken in Gyps formt, und ihn später demselben aufzupassen
versucht , wobei etwa Statt gefundene Veränderungen er-
sichtlich werden.
Was nun die Anwendung des Plessimeters betrifft, so
wollen wir Piorry gerne zugeben, dass er durch Percu-
tiren auf beiden Seiten der schwarz bezeichneten Dornfort-
sätze die Gränzen der Wirbelsäule bestimmte; doch dürften
Gesicht und Gefühl hinreichen , dasselbe , wenn nicht mehr ,
zu leisten. Übrigens kann die Percussion das Ihrige dazu
beitragen, die consecutiven , sogenannten Congestionsab-
scesse der Wirbelsäule und Krankheiten dor Athmungs- oder
Kreislaufsorgane, welche mit der Rückgratsverkrümmung im
Zusammenhange stehen, zu erkennen.
«03
a) Scoliose bewirkt einen ungleichen Stand der
Schultern, der Körper neigt sich nach der der Ausweichung
entgegengesetzten Seite, der Rücken ist daselhst voller,
auf der andern Seite concav , und zwischen dem Darmbeine
und den letzten falschen Rippen wird eine Falte der Weich-
theile bemerkbar. Nimmt die Scoliose zu , so werden auch
die Dornfortsätze nach der Seite der Ausweichung gedreht,
der Rumpf nach und nach gebogen , die Rippen stehen an
der convexen Seite weiter aus einander, als an der concaven,
und sind daselbst auch mehr gewölbt. Das Brustbein ist nicht
selten schief und nach der concaven Seite hingezogen. Dass
derlei Abnormitäten im Baue des Thorax auf die in selben
enthaltenen Eingeweide zurückwirken, und deren Verdrän-
gung u. s. w. bedingen müssen, ist wohl einleuchtend. End-
lich bilden sich, gleichsam zur Ausgleichung und um den
Schwerpunct wieder in die Längenachse zu bringen , Ver-
krümmungen nach entgegengesetzten Richtungen. In hohem
Grade des Übels wird auch die Stellung des Beckens eine
abnorme; das eine Darmbein steht höher als das andere, und
es kann selbst das Promontorium nach einer oder der andern
Seite innen im Becken vortreten. Die Scoliose wird meistens
nach rechts beobachtet.
b) Kyphose äussert sich durch eine Krümmung der
Wirbelsäule, deren Convexität nach innen sieht. Dieselbe
ist anfangs nur vorübergehend, und man bemerkt bloss, dass
die Kranken den Kopf stark nach vorne gebeugt halten. Ist
aber die Ausweichung* schon bleibend geworden , so kann
selbst eine einen stumpfen Winkel bildende Convexität des
Rückens bemerkt werden , die mit seitlicher Zusammendrü-
ckung des Thorax Hand in Hand geht.
cj Die Lordose ist wohl die seltenste und fast nur
an den Lendenwirbeln bemerkte Form aller Rückgratsver-
krümmungen , welche kaum zu einem hohen Grade sich ent-
wickelt , weil bei der Krümmung nach vorne die in der Con-
cavität liegenden Dornfortsätze sich einander berühren, und
»04
keine weitere Abweichung* mehr zulassen. Sie ist eine der
Ursachen des Hängebauches.
Verrenkung der Wirbelsäule. Am Genicke
ist sie wohl kaum an Erwachsenen zu beobachten. —
Die Verrenkung an den fünf letzten Halswirbeln äussert
sich, wenn nicht augenblicklicher Tod erfolgt, durch unbeweg-
lich , und nach der der Verrenkung entgegengesetzten Seite
hingerichtete Stellung des Kopfes , durch Contraction der
Muskeln an letzterer Seite und durch eine fühlbare Erhaben-
heit an der verrenkten Stelle, da die ober dieser befindlichen
Dornfortsätze nach der Seite der Verdrehung ausweichen. —
An den Rückenwirbeln ist wegen ihrer beschränkten Beweg-
lichkeit eine vollkommene Verrenkung kaum denkbar, ohne
sogleich zu tödten. Unvollkommene Verrückungen kommen
mit Brüchen der Wirbelsäule vor , und sind gleichfalls fast
immer lethal. — An den Lendenwirbeln ist eine Verrenkung
leichter möglich , als am Rücken , da zwischen ihnen eine
freiere Bewegung Statt findet. Es wird nicht schwer sein, sie
an der örtlichen Deformität zu erkennen , welche durch die
Abweichung" der schiefen Fortsätze entsteht.
Bruch der Wirbelsäule. Am meisten
sind die Dornfortsätze dem Bruche ausgesetzt*. Man er-
kennt ihn an der veränderten Richtung derselben , an
ihrer Beweglichkeit und an dem Gefühle der Crepita-
tion. Die Diagnose von Brüchen der Körper der Wirbel-
beine bleibt fast immer zweifelhaft , indem die begleitenden
Erscheinungen z. B. Lähmung auch in anderen durch trau-
matische Einwirkung* hervorgebrachten Zuständen begründet
sein können , und es kaum möglich ist , eine genaue locale
Untersuchung vorzunehmen, da der Körper der Wirbel durch
tiefe Lage sich der Palpation grösstentheils entzieht. Die an-
gebornen Spalten des Rückgrats QSpina bifida, Hy-
drorrhachisj betrifft entweder nur einen Wirbel, in dem ein
Loch sich zeigt, oder sich die Bogenhälften nicht berühren ;
öderes besteht derselbe Fehler in mehreren derselben, so dass
205
aus der dadurch gebildeten Öffnung* eine oder mehrere runde
oder längliche , breit oder gestielt aufsitzende , beutei-
förmige, zuweilen in zwei Lappen getheilte, immer deut-
lich fluctuirende Geschwülste hervordringen, die durch Druck
sich verkleinern lassen, wobei aber das Kind gewöhnlich in
Convulsionen verfällt. Die äussere Haut ist meistens normal
gefärbt, aber sehr dünn, und nicht selten mit den Membranen
des Rückenmarkes verw-achsen ; in weiterem Verlaufe ent-
zündet sie sich, und geht in Verschwärung über. Gewöhn-
lich kommt die Spalte des Rückgrates mit ähnlichen Bildungs-
fehlern anderer Theile, besonders des Kopfes, z. B. Schädel-
spalte, vor.
I iitersuelmng des Halses«
Am Halse sind nur wenige Krankheiten Öbject der phy-
sicalischen Exploration, ausser jenen, die den Kehlkopf be-
treffen. In dieser Hinsicht sollte die Untersuchung desselben
vielleicht zugleich mit jener der Athmungswerkzeuge abge-
handelt werden ; da wir aber überhaupt die anatomische Ord-
nung befolgen , so kommt sie hier an die Reihe.
Am Halse wird ein sehr häufig vorkommendes Übel
durch das Gesicht so wie durch die zufühlende Hand leicht
erkannt, nämlich die Drüsengeschwülste. Diese be-
treffen entweder die Parotis und ihre einzelnen Drüsenpa-
quete oder die Unterkiefer- und bisweilen die Unterzungen-
drüse* Diese Anschwellungen sind meist rund oder oval, be-
weglich , von gleicher Farbe und Temperatur mit der bede-
ckenden Haut , ausser sie gehen in Eiterung über, wo sie
durch die gewöhnlichen Symptome der Abscesse sich äussern.
Die brandige Entzündung des äussern Zel-
lengewebes -»r) äussert sich zuerst als harte, ziemlich
*) Ludwig, würtemb. CJorrespondenzblatl. Bd. VI. Nr. 4.
206
ausgebreitete, schmerzlose Geschwulst des Zellengewebes
an der Seite des Halses , die sich immer mehr verbreitet, so
dass endlich die Zunge auf einem verhärteten Boden ruht,
und die Bewegung des Kiefers, Sprache und Schlingen ge-
stört werden. Nach 4—6 Tagen wird die Haut über der Ver-
härtung röthlich blau, es beginnt hie und da sich Fluctua-
tion zu zeigen , bis die Geschwulst in der Nähe der Zun-
genwurzel aufbricht, und ihre senkende Jauche ergiesst.
Kr o p f (Struma) ist eine langsam wachsende, selten
mit Beschwerden verbundene Geschwulst der Schilddrüse,
meist von ungleicher Oberfläche, welche mit breiter Basis
aufsitzt, dennoch aber sich leicht verschieben lässt. Diese
Geschwulst ergreift oft nur einen Theil der Drüse, in andern
Fällen aber dieselbe in ihrer Totalität, und erreicht zuweilen
eine ungeheure Grösse , wobei Respiration und Circulation
namhaft beeinträchtigt werden können. Zuweilen trifft man
Kröpfe von ungleicher, lappiger oder höckeriger Oberfläche,
die bedeckende Haut livid und von varicösen Venen vielfach
durchzogen. — Die Struma vasculosa , welche durch Aus-
dehnung der arteriellen Gefässe entsteht, ist mehr gespannt,
aber weich und warm, und lässt die Pulsation der Adern durch
die Haut fühlen. So mancherlei Arten von Struma es gibt,
so wird man sie doch nicht leicht mit Balggeschwülsten oder
M a u n o i r's Hygroma colli verwechseln.
Der Schiefhals QTorlicoUi$P caput obstipum) äus-
sert sich durch beständige Neigung des Kopfes auf die er-
krankte Seite und hinten , so dass das Gesicht schräge nach
dem Himmel gekehrt erscheint. Alle Theile desselben sind
auf der leidenden Seite mit herabgezogen, so dass der Mund
schief steht. Daselbst findet man die Halsmuskeln verkürzt
und verstärkt , während sie auf der entgegengesetzten Seite
sehr schwach entwickelt sind. Die Spannung der Muskel
ist aber von jener der Nackenmuskel in der Arachnitis spi-
nalis verschieden, und constant, während sie bei letzterer
907
vorübergehend ist, und in einer sehr acut verlaufenden Krank-
heit vorkommt.
Untersuchung* des Larynx.
Durch dielnspection beurtheilt man äusserlich
dessen Grösse und Lage. Bei magern Individuen und tuber-
culösem Habitus ragt der Kehlkopf mehr hervor. Um von in-
nen durch den Rachen den Larynx zu besichtigen, haben
Colombat und S e 1 1 i g u e s Specula angegeben, deren An-
wendung aber die Reizbarkeit der Theile im Wege steht. Zu-
weilen gelingt es , den Kehldeckel auf einen Augenblick zu
Gesichte zu bekommen , wenn der Kranke den Mund wie
zum Gähnen weit öffnet und die Zungenwurzel mit dem Spa-
tel niedergedrückt wird. Die Sputa haben von jeher die Auf-
merksamkeit der Praktiker gefesselt, und sind, wenn sie aus
dem Kehlkopfe kommen , nicht minder Gegenstand der Un-
tersuchung, als das aus demselben ausgesonderte Blut.
Durch die Palpation nimmt man zuweilen von aus-
sen Anschwellungen, Lageveränderungen und Geschwülste,
so wie die nicht immer für krankhaft zu haltende Crepitation
der Kehlkopfknorpel wahr , die sich bei deren Bewegung
darstellt ; durch schnelles Einführen des wohl beöhlten Zeige-
fingers über dem Zungengrunde bis zur Glottis haben B our-
don und Thuillier Resultate über deren Gestalt, An-
schwellung u. s. w. erhalten.
Untersuchung des Kehlkopfes durch Auscul-
tati on.
Durch die Auscultation prüfen wir die im Kehlkopfe ent-
stehenden Athmungsgeräusche und die S timme, und
zwar nicht allein durch das Stethoscop , sondern zuweilen
selbst durch das freie Ohr aus der Entfernung.
Im Normalzustande hört man in beiden Athmungsmo-
menten ein scharfes, blasendes Geräusch, das durch die
Reibung der Luft in dem von festen Wänden gebildeten Kehl-
908
köpfe entsteht, es heisst la rynge ale s Athnien, und
geht im weiteren Verlaufe der Luftwege in die bei Gelegen-
heit der Beschreibung der Athmungsgeräusche der Brust nä-
her zu erörternden bronchialen und vesiculären Athmungs-
geräusche stufenweise über.
Alle Abnormitäten dieses Geräusches haben aber in Ver-
engerung des Luftweges im Larynx durch Anschwellung
u. dgl. ihren Grund, und die Auscultation ist kaumim Stande,
mehr, als das Bestehen solcher Zustände im Allgemeinen
anzudeuten; mehr Aufschluss über die Art des Hindernisses
des Athmens gibt in den meisten Fällen die Untersuchung der
Lungen, und diesem Umstände ist es zuzuschreiben , dass
die meisten Beobachter sich mit dieser begnügen und jene
vernachlässigen.
Zu den Abnormitäten des laryngealen Athmens werden
folgende gerechnet:
Dasselbe wird bei Anschwellung und Trockenheit der
Schleimhaut rauh selbst ras p el artig, wie in der La-
ryngitis und bei Compression des Kehlkopfes durch eine Ge-
schwulst.
Das Pfeifen, welches meist während der Inspiration
vernommen wird, steht seiner Stärke und Höhe nach ge-
wöhnlich in geradem Verhältnisse zu dem Hindernisse, wel-
ches sich dem Durchgange der Luft im Kehlkopfe entgegen-
stellt. Häufig entsteht es aber in den Bronchiep und wird nur
durch Schallleituug in den Larynx verpflanzt; der Ort sei-
ner grössten Intensität gilt gewöhnlich auch für die Stelle,
an welcher es entsteht. Vernommen wird das Pfeifen bei La-
ryngitis , Keuchhusten , Croup , Krampf und Ödem der Glot-
tis , zuweilen bei Anwesenheit von fremden Körpern, wovon
weiter unten die Rede sein wird. Barth führt auch die
Wahrnehmung eines s o n oren Schreies an, der bei der
Inspiration stärker ist , und Kehlkopfsgeschwüre mit gewul-
steten Rändern characterisiren soll ; wir erkennen in demsel-
ben nichts als eine Modification des Pfeifens.
209
Das Schnurren wie eine Basssaite deutet auf ähn-
liche Zustände, und geht leicht in das Pfeifen über. Stokes
erwähnt eines Geräusches, das dem Klappen eines Ven-
tiles ähnlich und am stärksten über den Hörnern der Carti-
lago thyreoidea zu vernehmen ist, und das ich selbst wäh-
rend der Inspiration an einem Freunde häufig zu hören
Gelegenheit habe , dessen bestimmte Deutung zu geben ich
aber ausser Stande bin. Mit der Exspiration erscheint dann
ein trockenes , absatzweises , krachendes Geräusch am Sei-
tentheile des linken Thorax , das seit Jahren besteht , und
selbst der aufgelegten Hand fühlbar wird. Für pleuritisches
Reiben dürfte es kaum gelten , da es schon seit so lange
dauert; vielleicht liegt demselben eine ähnliche Verbildung
und Übereinanderschiebung der Knorpel des linken Bronchial-
stammes zu Grunde , wie sie an dem Kehlkopfe durch den
Tastsinn nachzuweisen ist. Das Schnurren gibt sich zuwei-
len äusserlich dem Tastsinne als fühlbares Erzittern kund,
und liess Barth und Roger im Croup die Gegenwart flot-
tirender Pseudomembranen erkennen.
Feuchte Rasselgeräusche, durch flüssige
Schleimmassen , Blut u. s. w. in dem Larynx hervorge-
bracht, sind ein häufiger Befund, und werden zuweilen
selbst schon aus der Entfernung gehört , wie das Röcheln
der Sterbenden , während eines apoplectischen Anfalles etc.
Zu erkennen, dass ein Rasselgeräusch im Kehlkopfe ein ca-
v e r nö s e s sei , halte ich nicht für möglich , obschon M o-
ser #) ein solches beschreibt.
Bedeutende Hindernisse des Luftein trittes in die Lun-
gen , wie fremde Körper im Kehlkopfe u. s. w. vermögen das
normale Athmungsgeräusch in jener zu vermindern. Der Hu-
sten, der im Kehlkopfe entsteht, unterscheidet sich dem
Klange nach von dem, der aus der Brust erschallt. Nach
*) Die medic. Diagnostik und Semioük. Leipzig 1845, p. 141.
Gaal Diagnostik. 14
210
Marshall-Hall ist übrigens ersterer meist krampfhaft,
gestattet aber des Nachts Ruhe , was bei letzterem weniger
der Fall sei ; auch ist bei dem Laryngealhusten der Ton hö-
her, klingender, schärfer, besonders bei der Exspiration,
die Inspiration mehr pfeifend. In Tussis convulsiva entsteht
beim Einziehen der Luft ein hoher, dem Eselsgeschrei ähn-
licher Ton (Baum g är tn er).
Die Stimme ist nach Geschlecht, Alter und indivi-
duellen Umständen verschieden ; ihre Modifikationen hängen
sehr häufig von Geschlechtsfunctionen, Pubertät, Ausschwei-
fungen u. s. w. ab.
Sie ist stark oder schwach, in manchen Krankheiten
fast fehlend, wie z. ß. in der Cholera; dem Klange nach
dauernd oder vorübergehend rauh und heiser, hoch,
tief, hohl, zitternd, näselnd, überspringend
u. s. w.
In der häutigen Bräune ist sie s ch arf, pfeifend und
krähend; bei Nasenleiden, Schnupfen, Polypen u. dgl.
gedämpft, hoch und näselnd, hingegen bei ZerstÖ-
rung des Gaumensegels hell und näselnd, mit einem ei-
genen Accent, als ob sie in der hinteren Nasenöffnung ent-
stünde.
Zu bemerken ist übrigens , dass die Stimme über dem
Kehlkopfe im Normalzustände hölzern und leer durch das
Stethoskop gehört wird, und die Völle und der Klang der-
selben grösstentheils von der Beschaffenheit der in der Ra^
chen- und Mundhöhle gelegenen Theile abhängt.
Bruch des Kehlkopfes so wie des Zungenbei-
nes sind selten vorkommende Krankheitsfälle. Die abnorme
Nachgiebigkeit und Crepitation dürften die Diagnose leicht
machen.
Fremde Körper im Kehlkopfe. Wird ein gesun-
des Kind, während es isst oder mit kleinen Dingen, z. B.
Knöpfchen spielt, plötzlich von krampfhaftem Husten oder Er-
stickungszufällen befallen , und ist der Gegenstand, mit dem
211
es sich beschäftigt hat , zugleich verschwunden , so kann
man vermuthen, dass derselbe in die Luftröhre gerathen sei.
Ist der Gegenstand spitzig, z. B. eine Fischgräte, so dass
er sich in der Trachea feststellt, so zeigt die Auscultation
nichts Abnormes , höchstens ein leichtes Schleimrasseln we-
gen der in Folge der Reizung angehäuften Flüssigkeit. Ist
der Körper grösser, so sperrt er zuweilen den Zutritt der
Luft zur Lunge zeitweise ab , und man vernimmt dann kein
Athmungsgeräusch an der Brustwand; dieses kehrt aber
gleich wieder zurück, wenn der Körper durch heftiges Hu-
sten genöthigt wurde , seine Lage zu ändern, oder gänzlich
entfernt wurde. Da fremde Körper häufiger in den rechten
Bronchialstamm dringen als in den linken , so wird auch das
Fehlen des Athmungsgeräusches rechterseits öfters zu be-
merken sein als links. Kleine fremde Körper , die beweg-
lich im Kehlkopfe liegen , haben zuweilen ihre Bewegung
durch ein Geräusch verrathen , indem sie bei der Exspiration
an der Stimmritze anstreiften.
Bei Ödem der Glottis gelang es Thuillier auf
die schon beschriebene Weise durch den weit geöffneten
Mund, der durch Korkstöpsel zwischen den Zähnen aufge-
sperrt erhalten wurde, mit dem beöhlten Zeigefinger der
Hand schnell , und ohne an das Zäpfchen zu streifen, durch
den Rachen einzugehen, und eine wulstige , kreisrunde Ge-
schwulst zu entdecken.
Untersuehung der Brust.
Die Organe, welche in der Brusthöhle eingeschlossen
sind, und in der Erhaltung des Lebensprocesses eine so
wichtige Rolle spielen , sind die , durch welche das Athmen
zustande kommt und jene, wodurch das Blut, der flüssige
Träger der Lebenskraft, in alle Theile des Körpers getrieben
wird, und von diesen wieder zurück strömt.
14 *
312
Der Untersuchung der Athmungs Werkzeuge und der Or-
gane des Kreislaufes wird daher vorliegender Abschnitt
gänzlich gewidmet; zu ihrer Diagnose werden alle Unter-
suchungsmethoden in Anspruch genommen, von denen aber
keine ein so glänzendes Licht über die krankhaften Zustände
jener dem Blicke verborgenen Organe verbreitet, keine ihren
Werth in dem Grade bethätiget, und in der Ausdehnung An-
wendung findet, wie die Auscultation.
Ehe wir aber mit jenen Untersuchungsweisen ausgerü-
stet ins Innere der Brust dringen , um ihre geheimnissvol-
len Organe im gesunden und krankhaften Zustande zu stu-
dieren , verweilen wir noch einen Augenblick an ihrer Ober-
fläche , nicht so sehr, um uns mit dem Baue des Brustkorbes
und seiner Bewegung bekannt zu machen, — deren Zeichen,
da sie für die Diagnose pathologischer Zustände der Ath-
mungsorgane von Wichtigkeit sind, ihres Ortes Erwähnung
finden, — als um einige Krankheiten in Kürze zu berühren, die
wenigstens nicht im nahen Verhältnisse zu den tiefer gele-
genen Theilen stehen, als die der weiblichen Brüste und den
Bruch der Rippen.
Die weiblichen Brüste unterliegen vielen jener pa-
thologischen Zustände, welche wir in dem der Untersuchung
der allgemeinen Decke und der zunächst darunter liegenden
Theile gewidmeten Abschnitte angeführt haben, und es dürfte
nicht schwer sein, das Betreffende hieher zu beziehen; beson-
ders werden scrophulöse Verhärtungen, Balggeschwülste, lym-
phatische und Blutgeschwülste, Scirrhus und Krebs und derlei
Degenerationen, die Milchknoten, die übermässige Vergrüsse-
rungund Härte der Brüste, ihre Hypertrophie sowohl, als ihr
frühzeitiges Verwelken Gegenstände unserer Aufmerksam-
keit sein. Während der Schwangerschaft sind die Volums-
vermehrung und Härte, so wie die Beschaffenheit der Areola,
die besonders im Beginne der Gravidität häufig braun tingirt
erscheint, und besonders bei Erstgebärenden ein werthvolles
Zeichen derselben ist, im Wochenbette die Abnormitäten der
213
Milchabsonderung und verschiedene andere Zustände, als das
Frattsein der Brüste , die Einstülpung ihrer Warzen u. s. w.
Momente , welche eine genaue Untersuchung' erfordern.
Die Milchknoten fühlen sich, wie ein Convolut
aufgetriebener Gefässe, ziemlich ungleich an, sind beweg-
lich und vergrössern sich nicht, werden im Gegentheile beim
Eintreten einer neuen Schwangerschaft gewöhnlich zer-
theilt.
Knochenbrüche der Rippen.
Diese sind nicht immer leicht zu erkennen, denn das
sicherste Merkmal der Brüche überhaupt, die Verrückung
der Knochenenden an der Trennungsstelle fehlt sehr oft, oder
kann unter dicken Muskellagen häufig kaum gefühlt werden.
Crepitation ist leichter wahrzunehmen, und gibt sich nicht
selten bei leichter Betastung, ja selbst schon durch die Ath-
mungsbewegungen des Kranken der flach aufgelegten Hand
kund; zuweilen aber bedarf es stärkeren Druckes , sie her-
vorzurufen. Die Diagnose wird durch Berücksichtigung an-
derer Zufalle als : Emphysem, Hämoptoe und dieKenntniss der
veranlassenden Gewalt wesentlich gefördert, doch in dunk-
len Fällen nur durch das Stethoskop zur Evidenz nach-
gewiesen. Durch dasselbe wird das Reibungsgeräusch der
Bruchenden mit Leichtigkeit auch dann erkannt, wenn es
die aufgelegte Hand zu fühlen nicht im Stande ist. Lis-
franc vergleicht dasselbe mit dem Krachen, welches durch
das Ein- und Auswärtsdrücken eines Hutdeckels hervorge-
bracht wird ; in den meisten Fällen aber ist es nicht so stark.
Lungenfisteln.
Der Wundarzt darf dieselben nur schliessen , wenn er
überzeugt ist, dass zwischen der Lunge und der Abscess-
höhle keine Verbindung mehr besteht. Mangelt das Ath-
mungsgeräusch im Umkreise der Fistel, so kann er anneh-
men, dass die innere Öffnung derselben durch plastisches
Exsudat und pleuritische Adhäsionen geschlossen sei.
914
Abscesse zwischen den Rippen und der Co-
stalpleura.
Diese kommen wohl seltener vor, ihre Diagnose aber
unterliegt manchen Schwierigkeiten. Einen Fingerzeig ge-
währt nach Prof. Schuh das äusserlich auf dem Thorax er-
scheinende umschriebene Ödem. Ist der Abscess von grös-
serer Ausdehnung, so kann er die Rippen vortreiben, Ath-
mungsbeschwerden verursachen, und durch den matten Per-
cussionsschall, das mangelnde Athmungsgeräusch, kurz alle
Erscheinungen , welche dem abgesackten pleuritischen Ex-
sudate zukommen , erkannt werden.
Untersuchung der Athmungswerltzeuge.
Hier finden alle Untersuchungsmethoden volle Anwen-
dung*, doch sind es Percussion und Auscultation zunächst,
welche ihren Werth besonders geltend machen.
Bevor wir aber zur Untersuchung der Brust im patholo-
gischen Zustande schreiten, müssen wir deren normales Ver-
halten wohl kennen, und es dürfte nicht überflüssig sein, da
die Symptome , die sich an den Athmungsorganen ergeben,
durch den Bau und die Function letzterer mannigfach modi-
ficirt werden, Einiges hieher Bezügliche über die Structur
der Athmungswerkzeuge in Kürze zu wiederholen , selbst
auf die Gefahr, mir den Vorwurf der Pedanterie zuzuzie-
hen. Ich glaube diess um so mehr wagen zu dürfen , da
ich überzeugt bin , dass bei dem auch noch so fleissigen
Studium der allgemeinen Anatomie auf manchen Umstand
weniger Gewicht gelegt wird , der uns hier nahe angeht, da
man dort einen andern Zweck vor Augen hat , als der un-
sere ist.
Anatomisches über die Respirationsorgane.
Der Brustkorb wird bekanntermassen von 12 Brust-
wirbeln, 24 Rippen, den Schlüsselbeinen und dem Brust-
blatte gebildet.
215
Die Rippen , welche sich beiderseits ±2 von der Wir-
belsäule nach vor- und aufwärts wölben, verbinden sich zum
Theile mit dem Brustblatte (7 wahre Rippen), zum Theile
endigen sie frei mit ihren knorpeligen Spitzen (5 falsche
Rippen) ; das Brustblatt selbst besteht aus der Handhabe,
welche zu oberst liegt, und mit dem Schlüsselbeine und
der i. und 2. Rippe im Zusammenhange steht, dem Körper,
woran sich die 3. bis 7. Rippe befestigen, und dem schwert-
förmigen Fortsatze , der nach unten frei endigt.
Von den hieher gehörigen Muskeln sind der Pecloralis
major und minor, Serratus anticus major } Subclavius , die
Intercostalmuskel , der Latissimus dorsi, das Diaphragma
und die~Bauchmuskeln , die Scaleni, die Aufheber der Rip-
pen, die Serrati postici , der Longissimus dorsi , Lumbo-
costalis , Quadratus lumborum und der Triangularis sterni
zu nennen. Von diesen Knochen , Knorpeln und Muskeln
wird der Brustraum gebildet, der die Luftröhre, die Lungen,
das Herz und die grossen Gefässe in sich schliesst.
Pleura. Die innere Auskleidung des Brustraumes besorgt
das Rippenfell, welches aus zwei serösen Blättern besteht, de-
ren eines, die Pleura costalis, die innere Fläche des Brust-
korbes überzieht, das andere, die Pleura pulmonalis } den
Lungen eine Hülle verleiht, die sich selbst in alle Spalten
und Vertiefungen derselben hinein fortsetzt. Die einander
zugekehrten freien Flächen der beiden Pleurablätter sind
glatt, und werden durch einen wässrigen Dunst immer schlüpf-
rig erhalten , so dass jede Reibung derselben an einander
und jede Erzeugung eines Geräusches dadurch unmöglich
gemacht wird.
Die Luftröhre ist ein von dem Kehlkopfe sich bis in
die Lungen erstreckender Canal , der aus 17 — 20 halbring-
förmigen Knorpeln, Bandfasern und Schleimhaut besteht,
nach vorne gewölbt, nach rückwärts platt, von Knorpeln frei
und mit derart angeordneten Muskelfasern versehen ist, dass
216
durch ihre Wirkung die Luftröhre einerseits verlängert , an-
derseits verkürzt und erweitert werden kann. Die Trachea
spaltet sich in der Gegend des 3. Brustwirbels in zweiTheile,
welche Bronchialstämme heissen. Von dieser Stelle , wo ein
Knorpelring die Gestalt eines umgekehrten lateinischen V
bildet, schreiten die Bronchien beiderseits nach ab- und aus-
wärts zur sogenannten Lungenpforte. Der rechte Bronchial-
stamm ist kürzer, aber weiter als der linke. An der Pforte
der Lunge theilt sich der rechte Bronchus in 3 , der linke
in 2 Äste, die eben so viele Lungenlappen versehen. Die-
selben theilen und verjüngen sich nun dendritisch beinahe
ins Unendliche, bis sie in den Lungenzellen blind endigen.
Während dieses Verlaufes der Bronchien werden aber die
Knorpelringe immer kleiner und zarter, und durch knorpelige
Schuppen ersetzt , die nach und nach ebenfalls seltener er~
scheinen, und endlich gänzlich verschwinden. Auch die Mus-
kelfasern verlieren sich in den feinsten Enden der Bronchien,
so dass nur die Zellhaut zurückbleibt.
L u n g e. Die Lungen selbst sind gleichsam ein Aggregat
der letzten , bläschenartigen Auftreibungen der Luftröhren-
zweigchen in Verbindung mit dem intermediären Gefässnetze
der Lungengefässe. Sie bilden zwei schwammige, kegelartige
Körper, welche die beiden Brusthälften derart ausfüllen, dass
kein leerer Raum übrig bleibt ; zwischen sich fassen sie das
Herz , die Luftröhre und die grossen Gefässstämme , die sie
in der Gegend der Lungenwurzel (hilusj zu einem Ganzen
vereinigen. Man bezeichnet an jeder Lunge die Spitze, welche
über die Schlüsselbeine hinaufragt und daher in der regio
supraclavicularis der Untersuchung zugänglich ist , und die
Basis derselben.
Der ausgehöhlte Grund der Lungen ruht auf der ge-
wölbten Fläche des Zwerchfelles, und geht nach rückwärts
tiefer hinab als nach vorne. Die rechte Lunge ist breiter und
kürzer als die linke. Die vordem scharfen Ränder der Lun-
217
gen berühren sich vorne , lassen aber in der Gegend der 4.
und 5. Rippe einen rautenförmigen Raum von beiläufig zwei
Quadratzollen frei, in welchem ein Theil des Herzens unbe-
deckt an die ßrustwand anliegt. Durch Einschnitte wird die
rechte Lunge in drei, die linke in zwei Lappen getheilt,
von denen der untere immer den obern an Grösse übertrifft.
Function der Lungen.
In jedem von einem intermediären Gefässringe umgebe-
nen Lungenbläschen tritt der Sauerstoff der eingeathmeten
Luft mit dem in den Gefässchen kreisenden venösen Blute in
Verbindung, wodurch die Verwandlung desselben in arte-
rielles , das als solches zu dem Herzen zurückgeführt wird,
zu Stande kommt. Um aber die äussere Luft in sich aufzu-
nehmen , müssen sich die Lungenzellen , so wie die Luft-
wege überhaupt ausdehnen und wieder zusammenfallen kön-
nen, welche Fähigkeit durch ihre Structur bedingt ist, und
von der wechselweisen Vergrösserung und Verkleinerung
des Thoraxraumes wesentlich unterstützt wird. Der Ath-
mungsprocess wird dem gemäss in zwei Momenten verübt.
Während der länger andauernden Inspiration vergrössern
sich alle Durchmesser (hauptsächlich der Längendurchmes-
ser) der Lungen , durch Sinken des Zwerchfelles und Er-
weiterung des Brustkorbes; während des kürzeren, mehr
passiven Momentes des Ausathmens werden die vergrösser-
ten Organe auf ihren früher eingenommenen Raum zurück-
geführt, sinken die Lungenbläschen etwas zusammen, und
wird etwa ein Fünftel der enthaltenen Luft aus demselben
ausgetrieben , bei der nächsten Inspiration aber durch frische
Luft ersetzt. Nimmt man somit den Gesammtgehalt normaler
Lungen erwachsener Menschen auf 15 Kubikzolle an , so
werden mit jedem Athemzuge beiläufig 3 Zolle gewechselt.
Eetrachten wir die Kraft, die bei den Athmungsbewegungen
918
verwendet wird, so ergibt sich das Verhältniss der Inspira-
tion zur Exspiration, so wie 3:1, nach Fournet's mano-
metrischen Versuchen, wie 5: 2. Nach jeder Exspiration folgt
eine kleine Pause, ein Moment der Ruhe, bis zum nächsten
Athemzuge. Während des Einathmens erweitert sich die
Stimmritze und die Luftröre, während der Exspiration findet
das Gegentheil Statt.
Die Zahl der Inspirationen schwankt bei erwachsenen
Gesunden zwischen 18 — 22, bei Greisen zwischen 18 — 16,
und bei Kindern von 1 bis 4 Jahren zwischen 47 — 30 in
der Minute, so dass auf einen Athemzug beiläufig vier Puls-
schläge kommen. Weiber athmen etwas schneller als Männer.
Im wachen Zustande und in aufrechter Stellung respirirt man
rascher , als im Schlafe und im Liegen.
Inspection und Mensuration der Brust.
Was den Bau und die Form des Thorax betrifft, so ist
derselbe entweder lang oder kurz , schmal oder breit , flach,
gewölbt oder eingedrückt. Die Verhältnisse des normalen
Thorax sind nach Engel *) folgende: Derselbe ist lang,
breit und gewölbt; oder kurz, schmal und flach; lang, breit
und flach ; kurz, breit und flach ; oder endlich kurz, breit und ge-
wölbt, wie bei dem sogenannten apoplectischen Habitus.
In aufrechter Haltung und im gesunden Zustande ste-
hen die beiden Schlüsselbeine fast horizontal , höchstens
gegen das Brustbein zu etwas geneigt , und es erhebt sich
die vordere Brustwand nach abwärts zu, bis sie in eine Ebene
mit der Bauchwand zu liegen kömmt; stehen aber die letzten
Rippen vor dem Unterleibe vor, so deutet diess auf Abma-
gerung des letzteren.
*) Entwurf einer patholog. anatom. Propädeutik. Wien 1845,
pag. 56,
919
Der gesunde Thorax ist etwas unter der Mitte am brei-
testen , unterhalb und oben schmäler. Bei Kindern und in der
Jugend findet man ihn zuweilen unterhalb breiter als in der
Mitte.
Die abnormen Thoraxformen sind beiläufig folgende :
Die cylindrische , die kegelförmige mit unten breiter Basis,
die fassförmig gewölbte (Soldatenbrusf) , die in der Mitte
rinnenartig ausgehöhlte, die von den Seiten zusammenge-
drückte und in der Mitte keilartig vorragende (Hühnerbrust) ,
die mit ungleicher Wölbung und Vertiefung, entweder in einer
Brusthälfte oder an einzelnen Stellen.
Ein auffallend langer Thorax , dessen Schlüsselbeine
schief nach ab- und einwärts , und dessen vordere Rippen-
ränder gegen das Becken gesunken sind , wodurch die In-
tercostalräume verlängert erscheinen, stellt den paralyti-
schen Thorax dar, eine Form, welche bei vielen Brust-
leiden vorkommt, und die als Grundlage vieler anderer Tho-
raxformen betrachtet werden kann.
Der pleuritische Thorax zeigt sich beim Beste-
hen eines grösseren Ergusses auf der betreffenden Seite ver-
grössert, und die Zwischenrippenmuskeln erscheinen vorge-
trieben und unbeweglich , besonders nach unten zu. Wenn
der flüssige Erguss auf natürlichem oder künstlichem Wege
entleert wurde, die Lungen aber durch den lange dauern-
den Druck atrophirt und paralysirt sind , oder durch dichte,
darüber gespannte Pseudomembranen in ihrer Entfaltung ge-
hindert werden , so würde ein leerer Raum zwischen der
Thoraxwand und der Lunge entstehen, wenn nicht erstere
dem äusseren Luftdrucke nachgäbe , einsänke und sich ab-
flachte , dadurch verkleinert sich der Brustraum , schieben
sich die Rippen näher an und selbst übereinander, und die
Wirbelsäule weicht nach der gesunden Seite aus.
Der emphysematische Thorax gibt sich durch
Zunahme aller Durchmesser und eine fassförmige Wölbung
3U erkennen. Das Brustblatt wird vorgetrieben, der Schwert-
220
fortsafz aufwärts gebogen, die Intercostalräume sind er-
weitert , ihre Muskeln aber nicht vorgetrieben und beweg-
lich. Die Halsmuskel und jene der Brust, die beim Einath-
men besonders thätig sind , werden bei längerer Dauer des
Übels meist hypertrophisch gefunden.
Bei P n e u m o t h o r a x ist die leidende Seite mehr con-
vex und die fast gänzlich erlahmten Zwischenrippenmuskeln
sind vorgetrieben.
Der tuberculöse Thorax hat eine mehr cylindri-
sche Form mit ausgebogenen und vorstehenden Schlüssel-
beinen , weiten Zwischenrippenräumen , wenig gekrümmten
falschen Rippen , die gegen das Darmbein herabgesunken
sind. Die Vorderfläche der Brust erscheint abgeflacht oder
verschiedenartig verbogen, die Schulterblätter stehen wie
Flügel von dem Rücken ab. Durch die Mensuration erweist
sich eine Abnahme des oberen Umfanges der Brust und Zu-
nahme des unteren Theiles derselben.
Durch oberflächliche Cavernen , pleuritische Adhäsio-
nen u. s. w. werden auch stellenweise Abflachungen der
Brust gesetzt. Aber nicht allein der Bau der Brust, sondern auch
deren Bewegung ist Gegenstand der Untersuchung; man
muss nämlich sehen, ob sie geschieht oder nicht, wie letz-
teres in den meisten Fällen, wo die Intercostalmuskel erlah-
men, beobachtet wird, und ob die Bewegung frei und mit
Leichtigkeit oder nur absatzweise zu Stande kommt, wie bei
grossen Schmerzen (Pleuritis}.
Mensuration der Brust.
Ein Instrument, die Bewegung und Ausdehnung der
Brust zu beurtheilen, ist Canstatt's Athmungsmes-
s e r (Pnoiometer^) , der aus einem 120 Centimetres langen
Pergamentstreifen besteht, an dessen vorderen Ende ein
Schieber und ein Schiebloch, ähnlich denen, die man an
Brieftaschen hat, sich befinden. Will man das Instrument an-
wenden , so legt man es quer um den Thorax , führt das vor^-
221
dere Ende durch den Schieber, zieht es so fest als möglich
an und lässt den Kranken einige Male tief einathmen und
zwar so oft , bis sich das Mass nicht mehr bewegt , wäh-
rend man mit dem durch die Hand festgehaltenen Ende des-
selben nachgibt. Der entfallende Unterschied der vor und nach
dem Einathmen gewonnenen Masse gibt in Centimetres den
Grad der Erweiterung des Thorax an. C anstatt erhielt
durch mehrere Messungen der obern und untern Circumfe-
renz des Thorax verschiedener Individuen eine während des
Athmens sich ergebende Mitteldifferenz der Brustausdehnung
von 6,2 Centimetres.
Die Technik der Mensuration ward im allgemeinen Theile
schon besprochen j zu erinnern ist nur noch, dass der rechte
Thorax im Normalzustande den linken um '/, Zoll im Um-
fange übertrifft, der somit bei vergleichenden Messungen
beider Brusthälften rechterseits jedesmal abgezogen werden
muss; ein Umstand, auf den besonders Co rbin undWoilly
aufmerksam machten.
Palpation der Brust.
Das Auflegen der Hand trägt im Bunde mit der Inspec-
tion dazu bei, die freie Beweglichkeit des Thorax zu beur-
theilen , ob letzterer sich mehr oder weniger hebt , und ob
diess auf beiden Seiten gleichmässig geschehe oder nicht.
Bei pleuritischem Exsudate, Pneumonie und Pneumo-
thorax wird die aufgelegte Hand auf der kranken Seite die
Schwingungen der Stimme, welche, wenn der Patient
spricht, ausser den genannten Zuständen am Thorax allent-
halben zu fühlen sind , weniger deutlich oder gar nicht em-
pfinden ; ein sehr werthvolles Zeichen, auf das uns in neue-
ster Zeit Reynaud aufmerksam gemacht.
Die Palpation findet beim Pneumothorax in den erwei-
terten Zwischenrippenräumen eine vermehrte, elastische Span-
nung der Muskel , die dem Drucke zwar nachgeben , aber
222
sich schnell wieder erheben (Zehetmayer), ein fühlbares
elastisches Wogen des Zwischenrippenraumes (Andral).
Im Hydropneumothorax sollen die durch das Rütteln des
sitzenden Kranken erzeugten Wellen zuweilen den in die
Zwischenrippenräume eingedrückten Fingern fühlbar gewor-
den sein.
Tarrat will seine peripherische Fluctuation auch auf
die Diagnose von pleuritischen Ergüssen ausg'edehnt wissen,
ich war aber nie so glücklich, sie in derlei Fällen zu finden.
Im Innern erzeugte Rasselgeräusche können , wenn sie
stark sind und nahe genug entstehen, z. B. über einer ober-
flächlich liegenden Vomica, sich der aufgelegten Hand durch
ein vibratorisches Erzittern fühlbar machen (Philipp).
Ebenso wird die Reibung der in hohem Grade rauh ge-
wordenen , sich zugekehrten Pleuraflächen nicht selten
durch den Tastsinn äusserlich wahrgenommen.
Wichtig ist für die Erkennung von vielen Brustkrank-
heiten die Bestimmung der Lage des Herzens, wovon später
ausführlicher die Rede sein wird 5 doch genügt , sich über
den Ort, wo die Herzspitze an die Brustwand schlägt, zu
vergewissern. Diess ist bei Krankheiten , welche die linke
Brusthälfte betreffen , unerlässlich ; so wird man die Herz-
spitze beim linken pleuritischen Exsudate gegen die Mittel-
linie unter dem Sternum , bei Pneumothorax selbst in der
rechten Brusthälfte finden, bei derlei Emphyseme in der Mitte
mehr nach abwärts gegen das Scrobiculum cordis fühlen
können.
Percussion der Brust.
Ergebnisse derselben an der gesunden B r u s t*
Vordere Seite. Der Percussionsschall ist hell und
voll, besonders nach oben in der Gegend der Schlüsselbeine ;
um die Brüste herum , vornehmlich bei Frauen , wird er et-
was weniges gedämpft. Rechterseits reicht dieser volle und
223
helle Percussionston bis zur L eb ergeben d , wo er leer und
dumpf wird, und der klopfende Finger auch einen kleinen Wi-
derstand erfährt, da die unten liegende Leber dicht und luft-
leer ist. Linkerseits geht der Percussionsschall an der sech-
sten oder siebenten Rippe in den tynipanitischen Ton des
Magens über. Ist letzterer von Gas mehr ausgedehnt, so
reicht auch sein eigenthümlicher Ton höher in die Brust hin-
auf. In der Mitte der linken Vorderfläche des Thorax wird
der helle Percussionston von der dritten , vierten Rippe nach
abwärts bis zur fünften bis siebenten, und vom linken Rande
des Brustbeines bis gegen die Brustwarze hin, dem Umfange
des Herzens entsprechend , nach und nach gedämpft und
leer, mit fühlbarem Widerstände. Unter der Herzspitze findet
man gleich den Magenton. In der linken Seitengegend , am
unteren Ende des Thorax wird der volle normale Brustton von
dem dumpfen Schalle der Milz begränzt.
Am Rücken. Hier ist im Allgemeinen der Percussions-
schall weniger hell als an der Vorderfläche der Brust , wird
aber nach abwärts zu etwas voller.
Rechts reicht der volle, helle Percussionston nicht so
tief herab, als linkerseits, da die Leber höher liegt, als
die Milz.
Modificationen. Geschlecht, Alter und Constitu-
tion üben auf die Percussion immer einigen Einfluss.
Starke Brüste, z. B. bei Weibern, beeinträchtigen die
Untersuchung und müssen beim Percutiren verschoben und
das Plessimeter tief in dieselben eingedrückt werden, und
selbst dann wird der hervorgerufene Schall durch die dickere
Lage der Weichtheile etwas gedämpfter erscheinen.
Kinder geben wegen grösserer Elasticität der Rippen
und den dünnen Fleischlagen immer einen helleren , volleren
Percussionston , als Erwachsene ; linkerseits reicht oft der
Magenton höher hinauf, und bei ganz Kleinen ist der ge-
dämpfte Schall des Herzens minder umfänglich, als im vorge-
rückten Alter, weil das Herz mehr von der Lunge bedeckt wird.
224
Auch bei mageren Greisen ist der Percussionsschall hel-
ler und voller wegen Rigidität der mageren Thoraxwände
undVergrösserung der Lungenzellen; nur wird in Folge der
häufig* Statt findenden grauen Verhärtung des Lungengewe-
bes in der oberen Schlüsselbeingegend zuweilen gedämpf-
ter Schall gefunden. Die atrophische Lunge der Greise be-
deckt auch weniger das Herz , daher findet das Plessimeter
auch den gedämpften Schall desselben in grösserem Umfange,
als gewöhnlich.
Bei abgemagerten Individuen ist natürlich der plessime-
trische Schall heller, deutlicher als bei fetten, deren dickere
Fleischlagen den Ton etwas dämpfen.
Ergebnisse der Percussion der Brust im krank-
haften Zustande.
Die durch die Percussion gewonnenen Schallverschie-
denheiten gründen sich auf das Verhältniss der Luftmenge in
den Lungen zu deren festen Theilen. Es lässt sich wohl ein
Schema der eigenthümlichen Schallveränderungen in gewis-
sen Krankheiten geben , doch gilt diess nur im Allgemeinen,
und die jeden einzelnen Fall betreffenden Verschiedenheiten
werden in der speciellen Diagnostik der Brustkrankheiten nä-
her gewürdigt werden.
Im Allgemeinen richtet sich der Schall nach der in der
Brust enthaltenen Luftmenge, diese aber kann:
1. grösser sein , als im Normalzustande ,
2. geringer, » » » oder
3. in einem sonst lufthaltigen Organe gänzlich fehlen.
Zu 1. Die Luftmenge in der Brust ist vermehrt:
a) bei ausgebreitetem, vesiculärem Emphyseme •. dabei
ergibt sich ein voller, heller Percussionsschall, der tiefet
nach abwärts reicht, als im Normal zustande, da rechterseits
die Leber , linkerseits das Herz verdrängt werden , und die
ausgedehnten Lungen ihre Stelle einnehmen.
b~) Bei Pneumothorax und Pyopneumothorax reicht der
helle, und wenn die Wände nicht zu sehr gespannt sind,
tympanitische Percussionsschall gleichfalls tief nach abwärts.
cj Leere , oberflächliche Cavernen, die meistens an der
vorderen oberen Brustgegend befindlich sind , geben einen
hellen und leeren Schall beim Anklopfen , zuweilen metalli-
sches Klingen oder das Geräuscheines gesprungenen Topfes.
b) Theilweises Emphysem , das gerne an den Rändern
einer comprimirten oder infiltrirten Lungenpartie sich erzeugt,
wird nicht selten durch den hellen, leeren, manchmal tympa-
nitischen Schall erkannt.
Zu 2. Wenn die Luftmenge in der Brust abge-
nommen hat:
a) Wird in der Pneumonie, sowohl im 1. Stadium, als
in dem der Lösung, der Schall um so dumpfer, je näher der
Entzündungsprocess dem Stadium der Hepatisation sich
befindet.
bj Verdickung der Pleura und pleuritische Adhäsionen
beider Pleurablätter dämpfen den Schall etwas , ohne ihm
aber viel von seiner Völle zu benehmen.
cj Kleine pleuritische Exsudate dämpfen den Percus-
sionsschall , und machen ihn zugleich leerer.
d) Das Oedema pulmonum bedingt tympanitischen
Schall.
Zu 3. Bei gänzlicher Luftleere der Lunge.
a) In der Pneumonie im Stadium der Hepatisation ist
der Percussionsschall über der erkrankten Stelle dumpf und
leer , im nächsten Umkreise zuweilen tympanitisch.
6} Ebenso verhält sich Tuberkelinfiltrat in der Lunge.
c) Hämoploischer Infarctus dämpft zuweilen, wenn er
umfänglich und an der Oberfläche gelegen ist, den Percus-
sionsschall.
d) Ebenso wird durch Ablagerung von Krebsmassen in
das Lungengewebe der Schall diesen entsprechend gedämpft.
e) Compression durch Volumszunahme benachbarter
Theile , Aneurysma der Aorta , Vergrösserung des Herzens
Gaal Diagnostik. 15
226
u. s. w. vermag den Percussionsschall zu dämpfen , doch
nicht in dem hohen Grade , wie
f) derselbe hei Compression des Lungengewebes durch
grosse pleuritische Exsudate oder Hydrothorax sich leer und
matt darstellt.
Der Widerstand, den der klopfende Finger erfährt,
wächst in dem Grade, in dem die oberflächlich liegende Lun-
genpartie luftleer wird. Am unangenehmsten und dadurch
am deutlichsten ist das Gefühl bei pleuritischem Ergüsse,
weniger ausgesprochen in der Hepatisation oder im tubercu-
lösen Infiltrate.
Auscultation der Athmungswerk zeuge.
Die Athmungswerkzeuge dienen sowohl dazu , um das
in den Lungen kreisende Blut mit dem Sauerstoffe der Luft
in Berührung zu bringen, als zur Erzeugung der Stimme.
Wenden wir nun die Auscultation auf diese doppelte Func-
tion der Lungen an, so ergibt sich die natürliche Einthci-
lung derselben in die des Athmens und die der Stimme.
Physiologische Phänomene des Athmens.
Das Einströmen von Luft in die Athmungswerkzeuge ist
mit einem Geräusche verbunden, zu dessen Bildung die Kraft
der Athmungsbewegungen, die Richtung der Luftwege und
die Reibung des Luftstromes an den unzähligen Vorsprüngen
und Spaltungsstellen im Verlaufe der Luftröhrenäste zu-
sammen beizutragen scheinen.
In den oberen Theilen der Luftwege , Larynx und Tra-
chea, ist diess Geräusch stärker und rauher wahrzunehmen,
als in den Lungen, da ihr Lumen ein grösseres, die Rei-
bung an den knorpeligen Wänden eine stärkere ist, und da
die genannten, dem Stethoskope fast unmittelbar zugängli-
chen Organe die in ihnen entstandenen Geräusche mit bei-
nahe ungeschwächter Stärke dem Auscultirenden zuführen.
In den von der Trachea entfernteren Theilen , wo der Luft-
227
ström sich unendlich spaltet und auflöst, wo die Kraft des
Stromes sich bricht , die Wände, zwischen welchen er sich
bewegt , von zarten und weichen , bloss häutigen Gebilden
dargestellt werden , also in den Lungen selbst , ist diess
Geräusch nur schwach und sanft.
Ersteres , von seinem Entstehungsorte laryngeales,
tracheales oder bronchiales Athmungsgeräusch ge-
nannt, ist scharf und blasend, und dem Geräusche zu ver-
gleichen , das man hervorbringt , wenn man die Buchstaben
Ch mit Gewalt, hauchend ausspricht, und dabei die Spitze der
Zunge an den harten Gaumen drückt, oder wenn man schnell
und scharf durch das Stethoskop , oder die zusammenge-
rollte Hand bläst.
Es ist beim Ein- und Ausathmen gleich deutlich hörbar,
indem die Reibung der Luft an den starren Wänden der ge-
nannten Organe eine starke ist, und beim Exspiriren die sich
verengernden oberen Canäle dem Ausströmen der Luft ein
Hinderniss entgegen setzen , das nicht ohne Erzeugung von
Geräusch bewältiget wird.
Ausser an den angeführten Stellen hört man im Normal-
zustande auch noch in der Achselhöhle und bei mageren Per-
sonen am Rücken, in der Gegend des 2., 3. Brustwirbels
ein schwaches Bronchialathmen , doch nicht immer; zuwei-
len wird es hier selbst von dem empfindlichsten Ohre nicht
gefunden.
Das vesiculäre Athmungsgeräusch ist sanft sum-
mend oder murmelnd, ähnlich dem, das sich durch die Aus-
sprache des Buchstaben w oder h mit Einschlürfen der Luft
durch die verengte Mundspalte darstellen lässt. Die Exspi-
ration ist dabei nur wenig oder selbst gar nicht hörbar, in-
dem die aus den durch das Einathmen erweiterten Lungen-
zellen zurückkehrende Luft beim Austritte aus den Zellchen
einen nur sehr geringen Widerstand zu überwinden hat, so-
mit auch die Reibung eine geringe ist.
Das vesiculäre Athmen ist am stärksten in den oberen
15 #
228
Lappen zu hören, wird nach abwärts etwas dumpfer und
reicht, dem Baue der Lungen entsprechend, rückwärts tie-
fer hinab , als vorwärts, wird linkerseits vorne in der Gegend
zwischen der 4. bis 7. Rippe von den Herztönen übertäubt,
ist aber daselbst tiefer hinab zu hören , als an der rechten
Thoraxhälfte. Diess Athmungsgeräusch ist der Intensität nach,
auf beiden Seiten gleich , doch findet man zuweilen bei ma-
geren Individuen in der Gegend der Lungenwurzel und an
der Lungenspitze rechts eine leichte Verstärkung desselben,
ein Umstand, dessen Erklärung Gerhard in Philadelphia,
der grösseren Weite des rechten Bronchus zuschreibt. In
vielen Fällen dürfte aber diese Erscheinung als nicht ganz
normale betrachtet werden.
An Kindern ist das Vesiculärathmen lauter zu hören ,
als bei Erwachsenen, und wird mit diesem Intensitätsgrade
pueriles Athmen genannt.
Zu seiner Entstehung dürften die Structur der Lungen ,
die dünnen, sich leicht bewegenden Brustwände und das
schnellere und freiere Athmen beitragen. Bei Erwachsenen
wird das Vesicularmurmeln schwächer wahrgenommen.
An Greisen , deren Luftzellen rareficirt sind , hört man
zuweilen ein sehr scharfes , blasendes Athmungsgeräusch.
An mageren Personen ist das Vesicularmurmeln deutli-
cher zu hören, als es aus dicker, enger Brust erschallt,
oder wenn ihre Wände durch starke Muskelentwickelung,
Fettablagerung oder Ödem zugenommen haben.
Im Stehen , im wachen Zustande und nach Tische ist
das Vesiculärathmen lauter zu hören, als im Liegen oder
Schlafen. Nach massiger Bewegung wird es ebenfalls ver-
stärkt wahrgenommen; ist die Bewegung aber zu heftig , so
hat sie die entgegengesetzte Wirkung, denn durch die Gewalt,
welche dabei die Lungen erleiden, und durch das denselben
mächtig zuströmende Blut werden diese zu ungleichmässi-
gen und krampfhaften Zusammenziehungen erregt (Wil-
liams).
229
Bei Frauen ist das Vesiculärathmen stärker, und nimmt
besonders durch den Missbrauch von Schnürbrüsten in den
Lungenspitzen bedeutend zu , da diesen dann obliegt , das
durch kräftigeres Athmen zu ersetzen , um was durch Been-
gung der unteren Lungenpartien die Respiration verkürzt
wird.
Wo man die Ortsverhältnisse beider Respirationsgeräu-
sche verändert findet, z. B. wenn dort, wo gewöhnlich ve-
siculäres Athmen zu hören ist, sich bronchiales zeigt, oder
das vesiculäre Athmen eine grössere Ausdehnung hat, als
dem gewöhnlichen Umfange der Lungen zukommt , oder das-
selbe vermindert ist , schliessen wir mit Recht auf gestörte
Function der untersuchten Lungenpartie, und es kann der Be-
fund der Auscultation, mit den Ergebnissen der übrigen Explo-
rationsmethoden sorgfältig verglichen , in den meisten Fällen
eine hinlänglich genaue Diagnose geben.
Pathologische Erscheinungen des Athmen s.
Diese bieten sehr viele Verschiedenheiten dar , so wie
die pathologischen Processe, die denselben zu Grunde lie-
gen, sehr verschiedener Natur sind.
Zur leichteren Übersicht sind sie in folgende Reihen
gebracht :
I -\ »*• > * i ..(häufiges Athmen
\aj Häufigkeit} &
(seltenes »
b} Continuität : stossweises Athmen
c) Dauer: verlängertes Ausathmen
1. Nach dem Rhythmus
Ia) starkes Athmen
. v . ,,bl schwaches »
2. Naoh der Intensität) J
\c) mangelndes »
a) rauhes »
bj bronchiales »
3. Nach den Charakteren { ^
cj cavernoses »
ä) amphorisches »
230
ia) Muskelrollen
b) Reibungsgeräusche
^ „ i . v (feuchte
cj Rasselgeräusche*
(trockene.
I. Abnormitäten des Rhythmus.
Diese betreffen entweder die Häufigkeit der Respirations-
momente in einer gegebenen Zeit (einer Minute) , oder die
Continuität, oder aber die Andauer der Athmungsgeräusche.
1. Häufigkeit. Die normale Frequenz der Respira-
tionsbewegungen, die aus Vorhergehendem schon bekannt ist,
erscheint zuweilen gesteigert, von 30 — 80; ja wurde bei
Kindern , die von beiderseitiger Pneumonie ergriffen waren ,
sogar auch auf 100 erhöht in der Minute gefunden.
Die Häufigkeit der Respirationsbewegungen ist ebenso-
gut durch das Auge, als durch das Stethoskop erkennbar,
und das Athmungsgeräusch bei der häufigen Respiration mei-
stens zugleich verstärkt.
Zuweilen sinkt die Frequenz der Inspirationen zu 12 ,
selbst zu 7 herab , was bei Cerebro-Spinalaffectionen beob-
achtet wurde.
Die Betrachtung der Häufigkeit der Respirations-
acte hat für die Zeichenlehre nur untergeordneten Werth ;
grosse Frequenz zeigt bloss eine schwere Krankheit
der Brustorgane im Allgemeinen an.
2. Fortdauer. Im krankhaften Zustande zeigt sich
die Respiration zuweilen stossweise, wie abgebrochen , oder
so , dass jeder Athemzug gleichsam in zwei oder mehreren,
in kurzer Frist sich folgenden Abschnitten vollzogen wird.
Ursache sind meistens Schmerzen, z. B. Pleuritis und
Pleurodynie, welche die Erweiterung des Brustkorbes
hindern, und selbe nur in Absätzen gestatten, oder par-
tielle Adhäsionen der beiden Pleurablätter oder begin-
nende Lungentuberculose.
Mit dem veränderten Rhythmus mindert sich meistens
231
auch die Intensität des vesiculären Athmens, und derPercus-
sionsschall wird gedämpft #).
3. And au er. Unter allen Veränderungen, denen die
Dauer der einzelnen Respirationsacte unterliegt, ist das ver-
längerte Ausathmen für uns die wichtigste.
Zuweilen ist die Exspiration verlängert, nähert sich so-
jnit der Inspiration an Andauer , und übertrifft endlich selbst
diese, so dass die Pause verloren geht, und der Auscultirende
den Eindruck eines unterbrochenen murmelnden Athmens er-
hält, der um so deutlicher erscheint, wenn damit die Respi-
ration in den gesunden Abschnitten der Lunge verglichen wird.
Häufig wird zugleich die Inspiration auch rauher. Als
Sitz dieser Erscheinung ist hauptsächlich die Lungenspitze
zu bezeichnen.
Über die Ursache dieses, schon von Andral5«0"-)
beobachteten Symptomes, spricht der Amerikaner Jackson,
der ihm besondere Aufmerksamkeit geschenkt ###) 7 bei-
läufig Folgendes:
»Wenn im natürlichen Zustande das Lungengewebe
seine normale Geschmeidigkeit und Permeabilität behält , so
besteht das respiratorische Gesäusch zugleich aus dem durch
den Lufteintritt in die Bronchien und dem durch Eindringen
in die Bläschen hervorgebrachten Geräusche ; und da das
letztere prädominirt, so wird es allein gehört. Von dem Mo-
mente an, wo die Tuberkel-Infiltration beginnt, werden die
Bläschen von Tag zu Tag weniger, die vesiculäre Expan-
sionnimmt ab, und indem das von dem Luftdurchgange durch
die Bronchien bedingte Geräusch unverändert bleibt , so
herrscht es täglich mehr vor, und wird zuletzt allein gehört.
Anderseits begreift man in Rücksicht auf die Schwäche des
*) Zehetmayer Grundzüge. p. 60.
**) Clinique me'dic. 3me idit. T. IV. p. 69.
***) Mim. de la soc. mtd. d'obs. t. I. p, , XV.
232
Exspirationsgeräusches im normalen Zustande eben so leicht,
dass die Bronchialexspiration die gleiche Inspiration über-
trifft. Da nun die verlängerte Exspiration der erste Effect
der Parenchyni-Induration ist, so folgt , dass man von jener
auf diese schliessen kann, diess ist von Anfang an möglich.«
Diese Erscheinung kommt bei ausgebreitetem vesiculä-
rem Lungenemphyseme und in der ersten Periode der Tu-
berculose vor, und gewährt, besonders letztere Krankheit
betreffend, ein unschätzbares Kennzeichen in einem Stadium,
wo noch alle anderen Symptome mangeln.
Fournet sucht die Erklärung dieser Thatsache in einer
ungleichen Elasticität des Lungengewebes. Nach Kürsch-
ner bringt der Luftstrom in den kleinen Bronchien kein Ge-
räusch hervor, da sie von dem schlechtleitenden Lungenge-
webe umgeben sind. In dem Verhältnisse aber, als die Lun-
genbläschen fester werden , wird auch das Geräusch lauter
und bemerkbarer. Vielleicht verlangsamt auch die geringere
Elasticität des Lungengewebes , wenn schon Tuberkel darin
eingesäet sind, die ohnedem mehr passive und durch Collap-
sus zu Stande kommende Exspiration.
II. Veränderungen, die Intensität des Athmens
betreffend.
Das Athmen erscheint zuweilen als krankhaft vermehrt,
vermindert oder als gänzlich unhörbar.
aj Starkes, pueriles, suplementäres, hyper-
vesiculäres Athmen.
Dieses Athmungsgeräusch hat in beiden Momenten alle
Charaktere des normalen an sich , nur dass dasselbe lauter
vernommen wird , auf die Art , wie bei Kindern , daher auch
der dafür nur uneiffentlich passende Name: pueriles Athmen.
Meist ist es ausgebreitet , oft über einer ganzen Brusthälfte
zu hören. Da es unendlich schwer hält , die Gränze der nor-
malen und abnormen Stärke des Athmens , worauf das Alter
und viele Nebenumstände Einfluss üben können , zu bestim-
233
men, ist eine genaue Vergleichung beider Thoraxhälften un-
erlässlich , wenn man sich vor groben Irrthümern sichern
will. Nur so wird man im Stande sein , die supplementäre
Respiration von der eigentlichen puerilen , der bronchialen
und cavernösen zu unterscheiden.
Als Ursache dieser pathologischen Erscheinung gelten
alle Zustände, wodurch ein grösserer Abschnitt der Lungen
dem Luftwechsel entzogen wird ; es müssen daher , um die-
sen Übelstand einigermassen auszugleichen, die übrigen Ab-
theilungen der Lunge mithelfen, und durch erhöhte Thätig-
keit das zu ersetzen suchen , um was die Respiration ver-
kürzt ward.
Wir finden das supplementäre Athmen darnach in folgen-
den Zuständen :
1. An der Spitze der Lunge, wenn ihr unterer Lappen
der Luft unzugänglich geworden, sei es durch Compression,
durch ein flüssiges, pleuritisches Exsudat; sei es durch In-
filtrat in die Lungenzellchen, als Pneumonie, Hypostase,
Lungenödem.
2. Nach unten , wenn Lungenentzündung oder Tuber-
kelinfiltration den oberen Lungenlappen befallen haben.
3. In der ganzen freien Brusthälfte, wenn einer der ge-
nannten Zustände eine grössere Provinz der anderen Lunge
dem Athmungsprocesse entzogen hat.
4. Zuweilen kann das supplementäre Athmen auch cen-
trale Lobularpneumonien oder Tuberkelinfiltrationen begleiten,
b) Vermindertes Athmen.
Das Athmen kann von der normalen Stärke in endlosen
Abstufungen sich dem Schweigen des Respirationsgeräusches
nähern und kommt zu Stande :
1. Durch krankhafte Zustände des Brustkorbes,
z. B. Ödem oder Geschwülste an demselben , wodurch der
Schall undeutlicher zu dem Ohre des Beobachters geleitet
wird; Rheumatismus der Brustmuskeln, der ihre Thätigkeit
«34
gleichsam paralysirt, womit auch Fournet's manometrische
Forschungen im Einklänge stehen, denn nach ihm ist die
Stärke des Respirationsgeräusches in geradem Verhältnisse
mit der Kraft der Brustbewegungen.
Unvollkommene Compression der Lungen durch Ver-
krümmungen der Wirbelsäule oder bedeutenden Ascites5«5)
vermindern gleichfalls das Athmungsgeräusch.
2. Krankheiten des Rippen fe lies, Pleuritis exsuda-
tiva, Verdickungen der Pleura, Pseudomembranen, Pneu-
mothorax.
3. Krankheitender Luftwege selbst, Hindernisse
des Luftzutrittes im Kehlkopfe, Verengerung eines Bronchus,
Bronchialcatarrh , ausgebreitetes vesiculäres Emphysem ,
Pneumonie in der Lösung, Hyperämie der Lungen und tu-
berculöses Exsudat des Grades , dass die Bronchialröhrchen
der letzten Ordnung nur unvollkommen comprimirt werden ,
und es noch nicht zur Bildung des ßronchialathmens kom-
men kann.
In beinahe allen diesen genannten Fällen, mit Ausnahme
des Emphysems , gibt die Percussion gedämpften Schall.
c) Mangelndes Athmen.
Das Schweigen der Athmungsgeräusche ist fast an die-
selben Bedingungen gebunden , welche dessen Verminde-
rung zu Stande bringen, doch haben diese dabei im ausge-
zeichneten Grade statt. Wir finden dasselbe somit bei gänz-
licher Verstopfung eines Bronchus in der von demselben ver-
sorgten Lungenpartie, und bei Compression der Lunge durch
einen pleuritischen Erguss, der sie zugleich von der Rippen-
wand ziemlich entfernt hält, ebenso beim Pneumothorax,
äusserst selten beim Emphyseme ##).
*) Barth, p. 46.
**) Barth und Roger über Auscultation, übers, v. Puchelt,
Stuttgart 1842. p. 50.
235
III. Abnormitäten des Charakters der Ath-
mungsgeräusche.
1. Rauh e s A thmen.
Dieses verdankt der Anschwellung' der Schleimhaut
der Lungen seine Entstehung; es erleidet nämlich die
eindringende Luft, wenn sie die durch die angewul-
stete Schleimhaut verengten Stellen passirt , daselbst
einen hohen Grad von Reibung* _, welche dem Athmungsge-
rausche einen rauhen Charakter verleiht , der in gleichem
Schritte mit der Zunahme der Anschwellung sich steigert
und endlich in Schnurren und Pfeifen übergeht.
Die rauhe Respiration betrifft entweder beide Athmungs-
momente oder eines davon, besonders die Exspiration in dem
Falle , dass diese zugleich krankhaft verlängert wäre. Es
gibt kaum ein Leiden der Athmungswerkzeuge, in dessen
einer Periode diese Erscheinung nicht zu hören wäre ; die
leichteste Veränderung im Innern der Lungen ist im Stande,
sie zu erwecken, man findet sie beim Bronchialcatarrhe, bei
der acuten Bronchitis, wenn sie noch geringeren Grades
ist ; besonders bei vesiculärem Lungenemphyseme (mit ziem-
lich normalem Percussionsschalle) , im Beginne einer Tu-
berkelinfiltration (mit schwacher Dämpfung des Percussions-
(ones) , wenn noch alle andern Zeichen mangeln , und in
der Heilungsperiode mancher Pneumonien.
2. Bronchiales Athmen oder Tuba r blasen.
Die Charaktere dieses Respirationsgeräusches sind aus der
vorhergehenden Betrachtung desselben im Normalzustande
bekannt. Abnorm wird es durch seinen Sitz ausser den oben
bezeichneten Orten, es ist fortdauernd ohne Intermissionen und
wird durch die in den meisten Fällen seines Vorkommens be-
schleunigte Respiration häufig sehr verstärkt und accelerirt
wahrgenommen. Es stellt sich zuweilen so stark dar, als ob
aus der Brust des Kranken unmittelbar in das Ohr des Aus-
eultirenden geblasen würde,
236
Die Ausdehnung und der Timbre hängen von dem Um-
fange und der oberflächlichen oder tiefen Lage der erkrank-
ten Partien ab; so nennt Grisolle in seiner ausgezeich-
neten Abhandlung über Pneumonie eine Timbreverschieden-
heit , die dem Ohre den Eindruck gewährt , als ob ein Stück
Taflet zerreissen würde, er beobachtete sie bei oberflächlich ge-
lagerten Pneumonien. So verschieden auch die Grade der Bron-
chialrespiration sind, so leicht bleibt dennoch die Unterschei-
dung, ob man in einem vorliegenden Falle vesiculäres (wenn
gleich oft rauhes) Athmen, oder bronchiales vor sich habe.
Die Annahme eines unbestimmten Athmens, das
sich weder als bronchiales , noch als vesiculäres erkennen
lässt, ist daher überflüssig und unstatthaft. Wo man das eine
hört, ist das andere ausgeschlossen.
Wenn wir nach den Ursachen der Erzeugung des
bronchialen Athmens forschen, so finden wir sein Vorkommen
an jene Fälle gebunden, wo die Luft in die Lungenzellen
nicht eindringen kann , da diese entweder durch eine starre
Masse erfüllt oder durch Zusammendrückung ihres Lumens
und der Fähigkeit , sich aufblähen zu lassen , beraubt sind.
Das bronchiale Athmen wird im Normalzustande über
den Orten gehört, an welchen die Luftwege von starren
Wänden umgeben sind (am Larynx und der Trachea) ; dort,
wo die Luftcanälchen weiche und nachgiebig*e Wände ha-
ben (in den Lungenzellen), ist auch kein bronchiales Ath-
men zu finden. Demgemäss müssen die Lungenwege dort,
wo man im abnormen Zustande bronchiales Athmen hört,
dem Baue der Trachea ähnlich, d. i. mit starren Wänden
versehen sein. Wir finden aber auch, dieser Voraussetzung
entsprechend , an den Stellen , wo das abnorme Bron-
chialathmen sich zeigt, diesen Umstand vorhanden. Wird
das Lungengewebe durch Infiltration oder Druck unwegsam,
so gehen auch die feinsten Verästlungen der Bronchien in
dem pathologischen Processe unter, und bloss die Bronchial-
röhrchen, welche mit Knorpelblättchen versehen sind, wi-
237
derstehen dem Drucke, und verlaufen in dem starr geworde-
nem Parenchyme , das ihnen desto festere Wände verleiht.
Es stellen sich somit mehrere Canäle mit festen Wandun-
gen dar , deren Luftgehalt mit dem der grossen Bronchien
comniunicirt, und der, wenn gleich von jenen nicht selbst-
thätig bewegt, doch an den Schwingungen der in den letz-
teren befindlichen Lutt Antheil nehmen muss , so dass den
Gesetzen der Schallleitung zu Folge dieselben Geräusche in
den kleineren Ästen vernommen werden und mittönen (jcon-
soniren) müssen, welche in den grösseren Bronchien ent-
stehen. Übrigens scheint noch Reflexion des Schalles von
den starren Wänden denselben zu verstärken , so wie das
fest gewordene Lungengewebe als guter Schallleiter ihn nach
aussen dem Ohre des auscultirenden Arztes zu überliefern.
Dieser Erklärung zu Folge ist auch begreiflich , warum
nicht bloss die Inspiration , sondern auch das beim Ausath-
men erzeugte Geräusch hörbar wird , und zuweilen noch
stärker als jenes, welches die Inspiration begleitet.
Von der Annahme Lännec's, dass die Luft, wenn sie
in eine infiltrirte Partie eindringt , mit grösserer Kraft ein-
ströme , um das sich ihr entgegenstellende Hinderniss zu
bewältigen, und von dem Versuche, durch jene die Entstehung
des bronchialen Athmens zu erklären, kann kaum mehr die
Rede sein, indem die in infiltrirten Partien enthaltene Luft
stagnirt und wenig wechselt, und die Gewalt, womit sie
aus denselben ausgetrieben wird, sehr gross sein müsste,
um ein so starkes Geräusch, wie das Bronchialathmen zu er-
zeugen, was aber nicht der Fall ist, indem die starr gewordenen
Wände der Bronchialästchen sich kaum zusammenziehen.
Der Grund des Bronchialathmens ist somit in den Mit-
tönen des in der Trachea erzeugten Geräusches in der Luft-
säule eines in starr gewordenem Parenchyme verlaufenden
Bronchus zu suchen. Wird die Communication des letzteren
mit der Trachea oder einem Bronchialhauptstamme unterbro-
chen , so verschwindet das blasende Athmen , bis jene wie-
238
der hergestellt und das Hinderniss durch Räuspern oder
Husten entfernt ist.
Wo das Bronchialathmen gehört wird, schliesst es die
vesiculäre Respiration aus , geht aber stufenweise in letztere
über, und verbindet sich zuweilen mit Rasselgeräuschen,
welche dann als consonirende erkannt werden.
Die Krankheiten , in welchen das Bronchialathmen ge-
hört wird, sind folgende:
1. Pleuritisches Exsudat,
2. Hepatisation der Lungen ,
3. Hämorrhagischer Infarctus derselben ,
4. Tuberculöses Infiltrat,
5. Krebsige Ablagerungen,
6. Induration der Lungen ,
7. Grosse , sackförmige Bronchialerweiterungen.
In den beiden erstgenannten Krankheiten wird das Bron-
chialathmen wohl am häufigsten beobachtet, und zwar um so
klarer, je näher die erkrankte Stelle der Brustwand sich
befindet.
Kleine, umschriebene, lobuläre und im Innern befind-
liche Hepatisationen und isolirte Tuberkeln vermögen nicht
Bronchialathmen hervorzubringen. Wo letzteres zu hören
ist, gibt auch die Percussion gedämpften Schall.
Beim pleuritischen Exsudate lässt sich nicht bestimmen,
wie viel Flüssigkeit vorhanden sein müsse, um das Bron-
chialathmen hervorzurufen; ist die Quantität aber gross, dass
nebst den kleineren Bronchen auch jene höherer Ordnung
comprimirt werden, so wird das blasende Athmen nicht mehr
gehört, und um so weniger, je mehr Flüssigkeit als Me-
dium von heterogener Beschaffenheit die Lungen von der
Brustwand trennt.
Anfänger müssen sich hüten, die Bronchialrespiration
nicht mit dem verstärkten Athmen zu verwechseln; der Cha-
rakter entscheidet hier , nicht die Stärke des Respirations-
geräusches.
239
3. Cavernöses Athmen.
Dieses ist nur eine Modifikation des Tubarblasens und
kommt auch nur unter den Bedingungen der Consonanz zu
Stande; es wird nachgeahmt, wenn man mit weit offenem
Munde stark in die hohl zusammengelegten Hände athmet.
Gewöhnlich entspricht sein Vorkommen dem der Cavernen,
nämlich an dem vordem obern Theile der Brust. Sein eigen-
artig hohler Timbre unterscheidet es von dem Bronchialath-
men, und der Umstand, dass es bisweilen von dem Geräu-
sche des gesprungenen Topfes bei der Percussion begleitet
gefunden wird. Das Bronchialathmen ist gewöhnlich auch
etwas schneller als die Höhlenrespiration.
Das cavernöse Athmen kündigt entweder die Existenz
einer oberflächlich gelegenen Caverne oder einer grossen,
sackförmigen Bronchiectasie an, und verbindet sich häufig
mit Rasselgeräuschen , da selten die Höhlen von Flüssig-
keit frei sind, welche durch das Einströmen der Luft be-
wegt, dieselben verursacht.
(Hierher sind die: »Respiration soufflante« und
das »Souffle voile« Lännec's zu beziehen.)
4. Amphorische Respiration und metallisches
Klingen.
Werden die Schallwellen in einem grossen , von star-
ren Wänden gebildeten Räume derart reflectirt, dass sie sich
durchkreuzen, und sich ausser dem ursprünglichen Schalle
auch noch ein undeutliches Summen darstellt , dem ähnlich,
das eine Fliege in einer grossen Flasche hervorbringt , so
haben wir den amphorischen Widerhall.
Verbindet sich mit demselben ein eigenthümlich metal-
lischer Klang , ähnlich dem Flageolette einer Darmsaite, so
entsteht das metallische Klingen.
Beide Erscheinungen kommen nur in grossen, regel-
mässig gebildeten, lufthaltigen Räumen, somit in grossen
Cavernen und im Pneumothorax vor*, ob wir nun durch eine
240
Consonanz von Aliquottheilen der Wellenlängen des ursprüng-
lich hervorgerufenen Schalles, welche bloss die tieferen Töne
verstärkt, das Flaschensausen — jener aber, welche mit den
höheren zusammenfällt, das metallische Klingen zu erklären
bemüht sind; ob wir letzteres im Pneumothorax, wo es als
Tropfenfallen so schön sich darstellt , in der beim Aufsitzen
des Kranken plötzlich eintretenden Ausdehnung und Weg-
samkeit eines Bronchus , der durch Flüssigkeit während der
Rückenlage comprimirt war, zu finden wähnen, so ha-
ben wir dennoch nichts weiter geleistet, als den vielen
Erklärungsversuchen dieser Erscheinung neue beigefügt, die
erst an dem Probirsteine der Erfahrung geprüft, als wirklich
begründet Gültigkeit erlangen können.
Übrigens kommt das metallische Klingen auch in kleinen
Cavernen als Widerhall von Geräuschen vor, weichein einem
entfernten , communicirenden Luftröhrenaste sich erzeugen.
Eben so auch im Pneumothorax, denn selten dürfte das Ein-
strömen der Luft aus einer so engen Öffnung, wie es in dem-
selben meistens der Fall ist , in einem grossen Raum das
metallische Klingen veranlassen, Succussion des Kranken
soll im Hydropneumothorax gleichfalls ein vom Metallklange
begleitetes Geräusch erzeugen. Das Klingen wird zuweilen
noch deutlicher wahrgenommen , wenn man während dem
Auscultiren zugleich percutirt.
Die amphorische Respiration ist oft von der cavernösen
schwer zu unterscheiden , doch wird letztere kaum mit me-
tallischem Klingen beobachtet , während dieses sich dem
Flaschensausen zuweilen verbindet. Bei diesem findet sich
auch häufiger das Geräusch des gesprungenen Topfes beim
Percutiren.
IV. Beimischung fremdartiger Geräusche.
1. Muskelrollen.
Dieses stellt sich wie das dunkle , ferne Rollen eines
Wagens dar, und wird häufig vernommen, wenn sich der
241
Kranke eben aufsetzte, um am Rücken untersucht zu wer-
den. Dass es von der Thätigkeit der Brustmuskeln herrühre,
aber kaum eine pathologische Bedeutung habe, darin stimmen
alle Beobachter überein; es möge daher nur der Vollständig-
keit wegen hier erwähnt werden.
2. Reibungsgeräusch der Pleura.
So lange die beiden sich zugekehrten Blätter der Pleura
normal beschaffen sind, ist ihre Oberfläche glatt, und durch
die dunstartige Flüssigkeit, welche sie aushauchen, schlü-
pfrig; eine Reibung', welche ein Geräusch hervorbrächte, ist
somit unmöglich. Sobald aber diese Glätte verloren geht, ent-
steht durch die Athembewegungen ein Geräusch , das mit
dem Namen pleuritisches Reiben (affrictus) bezeichnet wird.
Je nach der Art der Rauhigkeit der Pleurablätter ist es ent-
weder weich, gleicht einem zarten Anstreifen, wie wenn
man mit einem Finger über Seidenstoff gleiten würde , oder
es ist ein hartes Kratzen, Krachen oder Schaben. Man re-
producirt sich dieses am besten , wenn man eine Hand flach
über das eigene Ohr legt , und mit dem Zeigefinger über die
Knöchel derselben streift, wobei man alle Varietäten des
fraglichen Geräusches täuschend wiederzugeben im Stande
ist. Es ist zuweilen verbreitet, häufiger aber umschrieben,
gewöhnlich an den Seiten und der mittleren Rückenfläche
des Thorax zu finden , zuweilen in beiden Respirationsmo-
menten als auf- und absteigendes Reiben hörbar, meistens
aber nur dem Einathmen angehörig und stellt sich immer als
oberflächliches Geräusch dar.
Husten und Expectoration haben darauf keinen Einfluss.
Wenn es rauh und stark ist, kann es nicht allein das
Athmungsgeräusch übertäuben, sondern selbst durch die auf-
gelegte Hand äusserlich am Thorax wahrgenommen werden.
In mehreren Fällen ward es von den Kranken selbst gefühlt.
Unterschiede. Verwechslung mit Rasselgeräuschen
und mit Reibungsgeräuschen am Pericardium ist leicht mög-
Gaal Diagnostik. Ig
242
lieh. In letzterem Falle hellt sich die Diagnose dadurch auf,
dass man dem Kranken einen Augenblick das Athmen unter-
sagt, wodurch das pleuritische Reiben vorübergehend unter-
drückt wird , während das am Herzbeutel fort besteht. Ras-
selgeräusche können zuweilen selbst geübte Beobachter in
Verlegenheit setzen, doch werden sie durch Husten und Ex-
pectoration wesentlich modificirt , welche auf das Reibungs-
geräusch keinen Einfluss haben.
Die Krankheiten , in welchen das pleuritische Reiben
hörbar ist, sind folgende :
1. Plastisches pleuritisches Exsudat, besonders im
Beginne und zu Ende der Krankheit , wenn die serösen
Theile schon resorbirt sind ; denn so lange ein flüssiger Er-
guss in der Brusthöhle besteht, werden die beiden Pleura-
flächen von einander entfernt gehalten, können sich somit
nicht reiben. Das Geräuch besteht dann so lange, bis durch
den Aflrictus selbe sich abgeglättet haben.
2. Bei interlobulärem Emphysem , wenn Auftreibungen
durch Zerreissung einzelner Lungenbläschen entstehen, und
endlich
3. Bei Tuberkelablagerungen auf der Pleura, wenn da-
durch Vorsprünge gebildet werden.
In dem Falle von Emphysem, dem Lännec besonders
Gewicht beilegt, haben weder Andry5»*) noch Barth und
Roger, noch ich selbst , trotz der namhaften Zahl von Fäl-
len, in welchen ich das Reibungsgeräusch zu beobachten
Gelegenheit hatte, dasselbe vernommen, dagegen desto öfter
in der Pleuritis, für welche ich es als eines der pathognomo-
nischen Kennzeichen angesehen wissen möchte. Dass es bei
Pleurapleumonie ein nicht seltenes Symptom ist, liegt in der
Combination der Lungenentzündung mit Pleuritis.
Hierher glaube ich auch Fournet's Lungenkra-
c h e n rechnen zu müssen , das sich bald als Neulederge-
*) Handbuch der Percussion und Auscultation , übersetzt von
Ehrenberg Leipzig 1845. p. 179.
243
rausch , bald als klagender Schrei kund gegeben haben soll.
Barth und Roger ziehen zwar die Existenz desselben in
Zweifel, sprechen aber gleichfalls von einem klagenden Schrei,
der vielleicht nur eine Varietät des sogenannten Lungenkra-
chens darstellt. Übrigens weiss ich nicht, wie ein und das-
selbe Geräusch so differente Eindrücke geben kann , als da-
von beschrieben werden.
Fournet hält es auch für ein Zeichen der Miliarform
roher Tuberkel; wenn es ja ein solches wäre, müssten es
die Praktiker mit offenen Armen aufnehmen, da in diesem
Stadium der Tuberculose der verlässlichen Symptome kaum
eines ist.
Wir sind geneigt , das Lungenkrachen eher für eine
Modification des pleuritischen Reibens oder anderer Geräu-
sche zu halten , als es für ein selbstständiges Geräusch zu
nehmen, haben es aber rein und deutlich nie gehört.
3. Die Rasselgeräusche.
Wenn die Luft in den Athmungsorganen entweder auf
eine verengte Stelle oder auf Flüssigkeit , sei sie Schleim,
Eiter oder Blut, trifft , so erzeugt sie Rasselgeräusche
(ronchf).
Je nach der Ursache der Entstehung sind diese sehr ver-
schieden, wie auch ihre Stärke wechselt, die zuweilen selbst
so bedeutend ist, dass man sie aus der Entfernung hört.
Der leichteren Übersicht wegen , und um die grosse
Zahl der Rasselgeräusche etwas zu vereinfachen, theilen wir
dieselben in trockene Qronchi siccQ, welche, wenn die
Luft durch eine verengte Stelle sich Bahn bricht, entstehen,
und in feuchte Qronchi humidi), welche durch Bewegung
von Flüssigkeiten von Seite des Luftstromes erzeugt werden,
und glauben durch Vereinfachung der Eintheilung dem Stu-
dium förderlicher zu sein, als wenn wir, wie Fournet,
27 Arten von Rasselgeräuschen annehmen.
16 #
944
a) Die trockenen Rasselgeräusche.
Deren gibt es zwei Varietäten, das pfeifende fr. $i-
bilans) und das schnurrende oder schnarchende Ras-
seln fr. sonorus).
Im Allgemeinen können wir sagen, dass je dünner der
Bronchialast ist, in welchem das Rasselgeräusch entsteht,
sich dieses desto mehr dem Pfeifen nähert, dass ein grösse-
res Lumen desselben aber die Entstehung des Schnurrens be-
günstige. Die Ursachen der Verengerung des Bronchialastes
sind: Anschwellung oder Anwulstung der Schleimhaut, wie
sie im Bronchialcatarrhe vorkommt, oder Compression durch
Lobular -Hepatisation, geschwollene Lymphdrüsen u. s. w.,
welch letzterer Grund aber noch nicht erwiesen ist.
Die trockenen Rasselgeräusche sind bald kurz, bald ge-
dehnt, bald schwach, wie aus der Ferne, bald oberflächlich
und so stark, dass man sie durch die aufgelegte Hand füh-
len kann , und durch sie das Athmungsgeräusch vollkommen
gedeckt, und andere Schallmodificationen gänzlich maskirt
werden können. Die trockenen Rasselgeräusche fallen mit
beiden Tempos der Respiration zusammen, oder gehören vor-
zugsweise dem Ausathmen an, und werden durch tiefes
Einathmen und Husten verstärkt.
Das Pfeifen oder Zischen ist meist Begleitej verbrei-
teter Catarrhe , verschwindet nicht leicht nach geschehener
Expectoration , verbindet sich mit andern Rasselgeräuschen,
dem Schnurren oder dem feuchten Rasseln.
Das Schnurren gleicht bald dem Schnarchen eines
Schlafenden, bald dem Girren einer Turteltaube, bald dem
Summen einer Basssaite. Es ist meistens verbreitet zu hören,
und so stark, dass man es auch äusserlich fühlen kann, geht
stufenweise in Schleimrasseln und in vesiculäres Athmen
über, und verbindet sich mit dem Pfeifen , dem amphorischen
Wiederhalle und dem Metallklingen.
(Hierher glauben wir auch das von Andry#) be-
schriebene trockene Knattern rechnen zu müssen,
*) 1. c p. 152.
245
welches dem Ohre den Eindruck von mehreren sich schnell
wiederholenden kleinen Rissen gibt. Es soll ausschliesslich
der Inspiration angehören und dürfte, wenn es einen metalli-
schen Timbre hat, dem cavernulösen Rasseln von Hirtz
entsprechen.)
Dass die trockenen Rasselgeräusche fern von ihrem Ent-
stehungsorte in ganzer Stärke gehört werden können , thei-
len sie mit allen übrigen Geräuschen , unter der Vorausse-
tzung, dass die bei dem Bronchialathmen schon besprochenen
Bedingungen zur Consonanz erfüllt werden. Es ist aber nicht
leicht zu bestimmen , ob ein vorhandenes trockenes Rasseln,
ein consonirendes sei; doch muss zu seiner Entstehung un-
wegsames Lungengewebe vorhanden , dasselbe somit von
gedämpftem Percussionsschalle begleitet sein.
Die klinische Bedeutung des trockenen Rasseins ist im-
mer Catarrh der Luftwege; bestehet nun dieser für sich, oder
sei er Begleiter anderer Krankheitsprocesse, als: der Pneu-
monie, des Typhus, des vesiculären Lungenemphysems u. s. w.
Auch im nervösen Asthma, dessen Exsistenz , meiner Mei-
nung nach, doch zu viel angefochten wird, ist das trockene
Rasseln während der Anfälle bemerkt, und einer krampfhaften
Zusammenziehung der Bronchien zugeschrieben worden.
Wäre es nicht möglich, dass in diesem Falle durch die ge-
störte Innervation auch die Secretion der Schleimhaut ver-
mindert, und dadurch zur Erzeugung eines trockenen Rassel-
geräusches Einiges beigetragen werde? (Beau.)
b) Die feuchten Rasselgeräusche.
Trifft die eingeathmete Luft bei ihrem Einströmen in den
Brusträumen Flüssigkeit , so wird letztere in Blasen aufge-
worfen , welche mit einem eigenen Geräusche zerspringen,
was uns das feuchte Rasseln darstellt. Diess Geräusch ist
verschieden, je nach der Grösse der Blasen, durch welche es
veranlasst wird; diese aber sind von der Weite der Räume, in
welchen sie entstehen , abhängig. Sind letztere sehr klein,
246
z.B. einzelne Lungenzellchen, so können die darin erzeug-
ten Bläschen auch nur sehr klein sein ; sind die Räume be-
trächtlicher , so ist für grössere Blasen Platz , wie in den
Bronchien oder in Cavernen. Die Lungenzellchen sind alle
gleich gross ; die nothwendige Folge davon ist, dass auch die
in denselben entstehenden Bläschen gleichförmig sein
müssen, nebstdem, dass sie sehr klein sind. In den Bron-
chien und in Excavationen aber entstehen grosse Blasen,
nebst vielen kleineren neben einander. Das grossblasige
Rasselgeräusch muss sich somit als ein ungleichblasiges dar-
stellen.
Diesem Umstände zu Folge ergibt sich die natürliche
Eintheilung der feuchten Rasselgeräusche in das feinbla-
sige, gleichförmige, oder Knistern Qronchus cre-
pitansy r. cum bullulis minimis aequalibus seu crepita-
tio vesicularis~) und in das grossblasige, ungleich-
förmige oder Schleim rasseln Bronchus mucosus } s. r.
cum bullulis inaequalibus majoribusj.
Das Knistern wird dem Geräusche des in einem
massig heissen Kessel verpuffenden Salzes , oder dem , das
durch Drücken einer gesunden Lunge zwischen den Fingern
hervorgebracht wird, oder das die Ausdehnung eines nassen,
zusammengedrückten Schwammes , der an das Ohr gebracht
wird, erzeugt, oder endlich dem Geräusche eines am Ohre
geriebenen Haarbüschels nicht unpassend verglichen; doch
ist es nur möglich diese Ähnlichkeiten treffend zu finden,
wenn man das Knistern schon selbst gehört hat.
Dasselbe fällt durch die grosse Zahl von Bläschen auf,
die, wie mit einem Schlage, mit der Inspiration unter dem Ohre
entstehen , und in demselben den Eindruck ihrer vollkomme-
nen Gleichförmigkeit hinterlassen. Die Form der Blasen, ih-
re Kleinheit und Gleichförmigkeit gibt unserem Gehörorgane
die genaueste Beschreibung der räumlichen Verhältnisse der
Lungenzellen. (Dance.)
Das Zeilknistern wird fast nur mit dem Einathmen ge-
247
hört, durch tiefe Inspirationen verstärkt, durch Husten nicht
verändert, ist von verschiedener Ausdehnung und geht stu-
fenweise in andere Rasselgeräusche über, pflanzt sich weder
in die Entfernung* fort, noch wird es dureh Consonanz ver-
stärkt. Es kann übrigens an allen Stellen der Brust vorkom-
men , wird aber am häufigsten an deren Rückenfläche nach
abwärts zu wahrgenommen.
Ein vorübergehendes Knistern, das häufig an Kranken
gleich bei den ersten Athemzügen, die sie im Aufsitzen ma-
chen, gefunden wird, ist dem in Rede stehenden vollkommen
ähnlich, doch von keiner pathologischen Bedeutung, da es
nur der Entfaltung von Lungenzellen , die seit längerer Zeit
und in der früheren Lage mehr unthätig waren , zuzuschrei-
ben ist.
Das Knistern zeigt an, dass die Wege, in welchen es
entsteht, zwar Flüssigkeit enthalten, aber der Luft dennoch
zugänglich sind. Es ist im Beginne der Pneumonie ein äus-
serst werthvolles Zeichen und jene Fälle, in welchen es
nicht gefunden wird, sind entweder schon im Stadium der
Hepatisation, wenn sie vor das Ohr des Beobachters kom-
men, wie es in Spitälern meistens der Fall ist, oder die
Pneumonie beginnt in einer tiefern , dem Gehörssinne weni-
ger zugänglichen Stelle der Lunge, und bietet schnell, wenn
sie der Oberfläche sich nähert, die Zeichen des zweiten Sta-
diums dar , so dass die Crepitation bisweilen im Beginne der
Lungenentzündung nicht beobachtet wird; doch erscheint sie
immer im Stadium der Lösung, vermengt sich aber dann
häufig mit dem in den Bronchien erzeugten Schleimrasseln,
und stellt als Rone hu s r edux (Lännec) kein so reines
Bild des Zellenknisterns dar, als es im ersten Stadium zu
beobachten ist.
Eine Abart der Crepitation ist das Capillarknistern
QCrepitatio capillaris, linearis), das in der Bronchitis ca-
pillaris und Congestionen in den feinsten Bronchialzweigen
beobachtet wird. Es ist feiner, als das gewöhnliche Knistern
248
und wie es scheint, schon von Fournet erkannt worden.
Ein ausgezeichneter Fall davon ward auf der medicinischen
Klinik im vorigen Jahre beobachtet. Er betraf ein robustes,
vollblütiges Mädchen, an welchem das Geräusch durch meh-
rere Wochen zu hören war, und nur nach Blutentleerungen
auf kurze Zeit verschwand.
Die Crepitatio vesicularis wird ausser der Pneumonie
noch im Lungenödeme und hämoptoischen Infarctus gefunden.
(L an nee spricht noch von einem trockenen Knister-
rasseln oder Knattern, dem zu vergleichen , welches durch
Aufblasen einer trockenen Schweinsblase entsteht, und schreibt
es dem interlobulären Lungenemphyseme zu; doch scheint es
kein eigenthümliches Rasselgeräusch zu sein, sondern durch
gleichzeitiges Auftreten von trockenem und von Schleimras-
seln zu entstehen.)
Das Schleimrasseln äussert sich durch ein bro-
delndes Geräusch , dem ähnlich, das durch Blasen aus einem
Federkiele in einer Flüssigkeit erzeugt wird. Da es in wei-
teren Räumen entsteht, als in den Lungenzellen, so sind
die Blasen von ungleicher Grösse; es ist zuweilen sehr stärk
hörbar, zuweilen aber sehr schwach, besonders wenn nur
wenig Flüssigkeit vorhanden ist , gehört beiden Athmungs-
momenten an, kann an jeder Stelle der Brust gehört werden
und verschwinden , wenn die in den Bronchien angesam-
melte Flüssigkeit durch Expectoration entfernt wird , auf so
lange, bis sich solche wieder ansammelt.
Das Schleimrasseln kann sich von seinem Entstehungs-
orte , an Stärke abnehmend , weiter verbreiten , und selbst
durch Consonanz über luftleeren Partien gehört werden, und
wird in diesem Falle durch die gleichzeitige Dämpfung des
Percussionsschalles als consonirendes Rasseln mit Sicher-
heit erkannt.
Andry stellt 3 Varietäten des Schleimrasselns auf,
welche sich aber lediglich nur auf den durch die Grösse der
Blasen zu bemessenden Caliber der Bronchien beziehen. Für
249
die Diagnose dürfte es hinreichend sein , das Schleimras-
seln als solches zu erkennen , ohne weiter sich auf Abschä-
tzung* derBlasengrössen einzulassen , die ohnediess nur dann
verlässlich sein kann , wenn sie auffallende Merkmale dar-
bietet.
So kann man zuweilen das Schleimrasseln alsGurgel-
rasseln erkennen, wenn nämlich die Blasen besonders gross
sind. Es bedeutet dann , besonders wenn es an der Clavicu-
largcgend vorkommt, Sinuositäten und Cavernen in der Lunge.
Zuweilen verbindet es sich mit der cavernösen Respiration,
und erlangt dann einen eigenthümlichen Timbre als caver-
nöses Rasseln.
(Hirtz's cavernulöses Rasseln ist, wie der
Name anzeigt , ein Diminutivum des vorigen , und bezeich-
net die beginnende Erweichung von Lungentuberkeln ; ist
es zur Bildung* grösserer Höhlen gekommen , so gibt sich
diese durch cavernöses Rasseln kund. Ich erkenne daher in
dem cavernulösen Rasseln nichts als eine Übergangsform
des Knisterns in das Schleim- und Gurgelrasseln.)
Anhang".
Auscultation des Hustens.
Der Husten gibt sich an Gesunden dem angelegten Ohre
nur als dumpfes , undeutliches Geräusch zu erkennen , das
zwar über den ganzen Thorax verbreitet ist, aber in dem
Masse stärker gehört wird , je näher man mit dem Ohre dem
Bronchial-Hauptstamme rückt. Dort und an der Trachea wird
dasselbe gleichsam von dem Stosse der bewegten Luftsäule
gehoben.
Dass der Husten unter den Bedingungen zur Conso-
nanz über kleinen Bronchialzweigen so stark oder noch
kräftiger gehört werden kann , als über der Trachea , findet
auf gleiche Weise wie das Bronchialathmen seine Erklä-
rung. Ebenso erscheint der Husten über einer grossen Ca-
250
verne eigenthürnlich hohl, und kann dem aufgelegten Ohre
selbst durch ein Andrängen eine Art von Choc auffallen ,
dessen Begränzung den Umfang der Caverne bezeichnet.
(Andry.) Dass der Husten sich unter diesen Umständen
mit der cavernösen Respiration verbinden müsse, ist ein-
leuchtend.
Gleichfalls können der amphorische Widerhall und das
metallische Klingen dem Husten eigenthümliche Charaktere
aufprägen.
Doch sind die meisten Zeichen , welche durch die Aus-
cultation des Hustens gewonnen werden, nicht erheblich und
dieselbe leistet oft nur dann eigentliche Dienste, wenn der
Husten Geräusche hervorruft oder verdeutlichet, deren phy-
sicalische Bedingungen schon vorhanden waren , die aber
nicht ausgesprochen genug erschienen.
So wird das Knisterrasseln oft durch den Husten deut-
licher, indem die dadurch mit grosser Gewalt in die Lun-
genzellchen getriebene Luft diese ausdehnt, selbst an
Stellen , an welchen sie selbst beim tiefen Einathmen sich
nicht vollständig entfaltet hätten.
Bronchiales Athmen und manches andere abnorme Phä-
nomen wird zuweilen erst dann bemerkbar , wenn Schleim-
pfröpfe , welche das Eindringen der Luft in einem be-
stimmten Lungenabschnitt hinderten , durch Husten entfernt
wurden.
Dasselbe gilt zuweilen vom verminderten Athmen, das,
wenn kein anderes materielles Hinderniss der Respiration
vorhanden ist , nach Entfernung des Auswurfstoffes in un-
geschwächter Stärke erscheint.
Kleine Kinder sind oft nicht zu bewegen, behufs der
Untersuchung tiefer einzuathmen. In diesem Falle kommt
der Husten dem Wunsche des Arztes trefflich zu Statten.
Auscultation der Stimme.
Das technische Verfahren bei der Auscultation der Stimme
ist nicht anders, als bei der des Athmens; doch ist zu be-
251
merken , dass man das Ohr weder zu fest anlegen darf, weil
sonst die Stimme weniger klar gehört wird, noch zu leicht,
indem sonst sich die Meckerstimme erzeugen kann. Der
Kranke sitzt meistens bei der Untersuchung, und muss ziem-
lich laut sprechen oder zählen.
Wer nicht geübt ist, von der aus dem Munde des Kran-
ken dringenden Stimme zu abstrahiren , möge sich während
der Untersuchung das nicht beschäftigte Ohr mit einem Fin-
ger verstopfen.
Physiologische Erscheinungen an der Stimme.
Die Stimme bildet sich im Larynx, und setzt sich von
da mit abnehmender Stärke durch den ganzen Respirations-
apparat fort; sie ist somit, so wie wir sie am Thorax hören,
nur der Widerhall der im Kehlkopf erzeugten Töne.
Auscultirt man über dem Larynx und dem Anfange der
Trachea, so schlägt die Stimme stark und kräftig an das
Ohr, wiewohl hölzern und leer, indem sie erst aus dem
Munde sonorer dringt, durch dessen Bau und den der Ra-
chenhöhle modificirt. Am oberen Theile des Thorax, nach
dem Verlaufe der Luftröhre und deren Äste wird sie auch
noch so stark gehört, doch um so schwächer, je weiter sich
das Ohr vom Kehlkopfe entfernt , bis sie endlich nur als un-
deutliches Summen oder Murmeln vernommen werden kann,
das an beiden Thoraxhälften gleich stark ist , und dessen
Schallvibrationen auch die aufgelegte Hand fühlt, besonders
wenn die Brustwandungen elastisch und biegsam sind.
Fragt man nach dem Grunde der verschiedenen Stärke der
Stimme an den verschiedenen Orten der Brust , so erklärt
sich diese Erscheinung in Folgendem :
Die Stimme , welche über dem Larynx und der Trachea
gehört wird, dringt fast unmittelbar vom Orte der Entste-
hung durch das Stethoscop, und wird daselbst durch Reflexion
der Schallwellen von den festen Wandungen wesentlich ver-
stärkt; in den feinen Bronchialästen aber und den Lungen-
252
zellen sind keine knorpeligen Wände mehr vorhanden, durch
welche die Stimme zusammengehalten und reflectirt würde;
sie wird im Gegentheile durch die zahllose Verästelung der
Bronchien noch mehr gebrochen und geschwächt, und durch
das schwammige Lungengewebe, das ein schlechter Schall-
leiterist, nur undeutlich dem Ohre des Beobachters zugemittelt.
Übrigens ist die normale Stimme noch zahlreicher Mo-
dificationen fähig ; sie erscheint am Kinde sehr schwach und am
Greise selbst etwas meckernd , am Manne stark und kräftig,
hat bei den Weibern weniger Widerhall und verliert in man-
chen Zuständen, z. B. bei Heiserkeit, vollends ihr Timbre.
Am rechten untern Schulterblattwinkel ist sie nicht selten
stärker , als an der entsprechenden Stelle linkerseits, wegen
des daselbst befindlichen weiteren Bronchialastes. Zugleich
wird man finden, dass diebedeckenden Weichtheile der Brust
bei stärkerer Entwickelung die Stimme um kein Geringes zu
dämpfen vermögen.
Die normalen Charaktere der Stimme sollen daher mehr
relativ als absolut bestimmt, und immer beide Brusthälften
vergleichungsweise untersucht werden , um so mehr , da die
durch ihre Betrachtnahme gewonnenen stethoscopischen Zei-
chen bei weitem nicht die Wichtigkeit haben, als die krank-
haften Geräusche des Athmens, und nur accessorische Be-
lehrungen ergeben.
Pathologische Erscheinungen an der Stimme.
Schon eine oberflächliche Betrachtung der pathologi-
schen Zustände , deren wir bei Abhandlung der krankhaften
Athmungsgeräusche Erwähnung gethan, führt zu der An-
nahme, dass dieselben nothwendig auch die Stimme auf ähn-
liche Weise verändern müssen , wie die Respiration — einer
Annahme, welche mit der Erfahrung vollkommen im Ein-
klänge steht.
Wir haben folgende Varietäten der krankhaften Stimme
zu betrachten :
253
1. Die Broncbialstimme oder Bronchophonie ;
2. Die meckernde Stimme oder Ägophonie ;
3. Die cavernöse Stimme oder Peetoriloquie.
1. Die Bronchophonie.
Ein stärkerer Wiederhall der Stimme an Stellen , wo sie
im Normalzustande sich nur als Summen kund gibt, wird
Bronchophonie genannt.
Sie ist zuweilen krankhaft so verstärkt , dass sie an
Kraft die am Larynx auscultirte noch übertrifft.
Der physicalische Grund dieser Erscheinung liegt darin,
dass die Stimmschwingungen aus dem Larynx und der Tra-
chea sich der Luftsäule eines im starr gewordenen Lungen-
gewebe verlaufenden Bronchus mittheilen, hier von den Wän-
den refleetirt, und so durch Consonanz verstärkt werden, wie
wir diess vom bronchialen Athmungsgeräusche angenommen
haben.
Dass der Anstoss der Stimme auf das verdichtete Lun-
gengewebe Oscillationen in diesem hervorrufe, welche zur
Verstärkung des Schalles beitragen , ist nicht wahrschein-
lich , da in allen Fällen , in welchen Bronchophonie zu hören
ist, die normalen Stimmvibrationen von der aufgelegten Hand
vermindert gefunden werden. Dass aber die Schallschwingun-
gen von dem verdichteten Lungengewebe grösstentheils auf-
genommen , gleichsam gebunden und an ihrer Zerstreuung
gehindert werden , dass sie dann von diesem unmittelbar in
das angelegte Ohr gelangen , wollen wir gerne zugeben.
Die Eintheilung der Bronchophonie in eine schwache
und starke ist willkürlich, und bei einem Phänomene von
so accessorischer Wichtigkeit , wie die Modifikationen der
Stimme überhaupt , um so überflüssiger , da es keine Lun-
genkrankheit gibt, in welcher wir nicht bald die starke, bald
schwache Bronchialstimme hören, und keine von Beiden einen
bestimmten pathologischen Zustand bezeichnet, der sich nicht
254
auch durch bronchiales Athmen und gedämpften Percussions-
schall zu erkennen gibt.
Wir hören die Bronchophonie bald so stark, dass sie das
Ohr erschüttert , bald schwächer in folgenden Zuständen :
1. Bei ausgebreiteter Hepatisation. Lobuläre und cen-
trale Pneumonien sind von keiner hörbaren Verstärkung der
Stimme begleitet , da das umgebende , gesunde Lungenge-
webe die vermittelnde Schallleitung verhindert.
2. Bei pleuritischem Exsudate. Hier wird die
Stärke der Stimme häufig durch die vorhandene Flüssigkeit
gebrochen und ist, so wie der Bronchialhauch, nicht immer
aulfallend ; doch wird sie besonders im Niveau der Flüssig-
keit oft vermehrt gefunden.
3. Bei gleichzeitiger Hep atisation und Pleuritis.
4. Bei Lungeninduration, welche nach Pneu-
monie zurückblieb.
5. Bei hämorrhagischem Infarctus, wenn er
bedeutend genug und oberflächlich ist.
6. Bei tuberculöser Infiltration, wenn durch
sie ein Abschnitt der Lungen unwegsam geworden ist , in
welchem ein Bronchus mittleren Calibers verläuft; isolirte
Tuberkel, wenn auch noch in so grosser Menge in das Lun-
gengewebe eingesäet , bewirken keine Bronchialstimme.
7. Dasselbe gilt von Ablagerung von Aftermas-
sen in's Lungenparenchym.
8. Bei sackförmiger Erweiterung der Bron-
chien kann auch Bronchophonie vernommen werden.
2. Die Ägophonie.
Dieselbe ist eine Modification der Bronchophonie , in
welcher die Stimme einen zitternden Klang hat , so dass sie
dem Meckern einer Ziege , dem Tone einer Oboe oder je-
nem, in welchem man gewöhnlich den Polichinell reden lässt,
oder den die eigene Stimme annimmt; wenn man mit einer
255
beinernen Spielmarke zwischen den Zähnen spricht , nicht
unähnlich erscheint.
Die Ägophonie begleitet zuweilen ganze Sätze , häufig'
aber nur deren Endigungen oder einzelne Worte, und scheint
oft mehr ein aus der Ferne tönendes Echo der Stimme, als
diese selbst zu sein. Meistens kommt sie am Rücken , am
unteren Schulterblattwinkel vor, ist selten von langer Dauer,
wechselt oft mit reiner Bronchophonie oder mit verminder-
tem Athem ab, und wird nicht selten vom Reibungsgeräusche
der Pleura begleitet.
Lännec sucht die physicalische Ursache dieser Er-
scheinung in einer halben Compression der Bronchien , wo-
durch diese flach gedrückt, wie die Mundstücke der Oboe
oder des Fagottes werden. Ist die Compression zu stark,
so verschwindet die Ägophonie.
Nebstdem scheint die Gegenwart von Flüssigkeit zu ih-
rer Erzeugung wesentlich beizutragen, indem Abflachung
der Bronchien beobachtet wurde, ohne Ägophonie zu er-
zeugen.
Sie ist im Bunde mit den übrigen betreffenden physica-
lischen Zeichen ein schätzbares, aber nicht constantes Symp-
tom des pleuritischen Ergusses •, sie erscheint ferner, nach
den Forschungen des hochverdienten Prof. Schuht) bei
Verdichtung des Gewebes in der Pneumonie und tuberculöser
Infiltration , wenn der vorliegende Schleim die bessere Zu-
leitung des Schalles und somit die Entwicklung der Bron-
chophonie hindert. Es ist nicht gar selten in diesen Krank-
heiten , dass gewisse Worte und Silben bronchophonisch ,
andere hingegen ägophonisch klingen. Eben so bemerkt man
bisweilen sehr deutlich , wie oft plötzlich, z. B. nach einem
Husten, wodurch sich an irgend einer Stelle Schleim löst,
die Ägophonie in Bronchophonie übergeht. Dieser Wechsel
tritt während des Horchens oft einige Male ein.
*) Med. Jahrb. des k. k. öst. Staates 17. Band III, Stk, p. 383.
266
»Da nach dem Gesagten die Ägophonie sowohl bei Pneu-
monien , als beim Exsudate vorkommen kann , so braucht
man nur , um die Krankheit zu bestimmen , die entgegenge-
setzte Stelle von jener, wo sich die Ägophonie hören lässt,
zu untersuchen. Zeigt nämlich Percussion und Auscultation
an der vorderen Brustgegend nichts Krankhaftes in der Lunge,
so ist das ein hinreichender Beweis, dass dieser Erscheinung
Pneumonie, und nicht ein Exsudat zu Grunde liegt, weil
beim Exsudate nur dann Ägophonie auftritt, wenn die Lunge
von mehreren Seiten comprimirt wird.«
3. Die cavernöse Stimme.
Ist gleichfalls eine Modifikation der Bronchophonie , wo
die Stimme in dem hohlen Räume so concentrirt bleibt, dass
sie dem Ohre sich gleichsam derart überliefert, als ob sie ge-
rade unter demselben entstände, und zuweilen mit derselben
Stärke , welche die Töne , die am Larynx und der Trachea
zu hören sind, characterisirt.
Die so bedeutende Verstärkung der Stimme, dass es den
Anschein hat, als ob der Kranke unmittelbar aus der Brust
spräche , daher sie von L ä n n e c Pectoriloquie genannt
wurde, erkennt in der regelmässigen Gestalt der Caverne ,
ihren starren Wänden , der nothwendigen freien Communi-
cation mit einem Bronchus und der oberflächlichen Lage der-
selben unter dünnen und elastischen Bedeckungen die Be-
dingnisse ihrer Entstehung, denn nur unter Erfüllung dieser
ist Verstärkung des Schalles durch Reflexion möglich.
Entgegengesetzte Umstände, als: unregelmässige, si-
nuöse Form der Caverne , weiche Wände derselben , Ver-
stopfung des Bronchialastes durch Schleim u. s. w. , An-
wesenheit von viel Flüssigkeit in der Höhle hindern die Ent-
stehung der cavernösen Stimme.
Am häufigsten hören wir dieselbe bei tuberculösen
Cavernen, seltener bei Lungenabscessen nach
257
Pneumonie und bei sackförmiger Bronchialerwei-
terung.
Übrigens kann die Resonanz der Stimme unter den schon
angegebenen Umständen sich mit dem amphorischen
Wiederhalle und dem metallischen Klange ver-
binden.
1 n h a 11 g«
Autophonie.
Seit Bricheteau's (1834) und Taupin's Versuchen,
womit uns Beau und Hourmann bekannt gemacht haben,
glaubte man in dem Wiederhalle der Stimme des Arztes in
der Brust des Kranken , ein Mittel gefunden zu haben , um
in Fällen, in welchen der Kranke selbst nicht sprechen konnte,
z. B. Aphonie , Geistesstörungen , Erschöpfung u. s. w.
über manche pathologische Zustände Aufschluss zu erhalten.
Wiewohl ich die Überzeugung hege , dass derlei Hin-
dernisse umgehen zu können , von grosser Wichtigkeit ist ,
so dürfte die Autophonie kaum den Forderungen entsprechen,
welche man berechtigt ist, an sie zu stellen. Es ist mir
zwar zu wiederholten Malen gelungen , einen Wiederhall
meiner Stimme an den Kranken zu vernehmen, doch konnte
ich nie eine , dem pathologischen Zustande, oder der Stimme
des Patienten , welche dem gemäss an gewissen Stellen der
Brust eigene Merkmale darbot, entsprechende Resonanz mei-
ner Worte finden.
Gaal Diagnostik. \^
258
Diagnostik
der wichtigsten Krankheiten der Athmungsorgane.
Pleuritis , Rippenfellentzündung.
Die Pleura ist unter allen serösen Häuten am häufigsten
Sitz einer Entzündung und am geeignetsten die Metamor-
phosen derExsudate an derselben zu studieren. Die hier dar-
gestellten Charaktere stimmen in Vielem mit jenen der Ent-
zündung des Herzbeutels überein , es mögen daher die Be-
schreibungen beider einander wechselweise ergänzen , und
möge das an einem Orte Platz finden , dessen Wiederholung
am andern, der Kürze wegen , vermieden ward.
Eintheilung. Die Pleuritis entsteht primär, in
Folge traumatischer Einwirkung, oder des Weiterschreitens
des entzündlichen Processes von den Lungen auf die Pleura,
oder die Berührung mit Eiter oder Jauche; secundär aber
durch Eiterresorption in Phlebitis mit gleichzeitiger Pericar-
ditis oder Peritonitis. Sie ist bald auf beide Pleuren ver-
breitet, bald umschrieben, bald acut, bald chro-
nisch.
Anatomisch -pathologische Charaktere.
Jede Entzündung bedingt Exsudatbildung. In der Pleu-
ritis wird das Entzündungsproduct von dem Parietalblatte in
grösserer Menge abgesondert , als von der Pulmonallamelle,
und es erscheint dieses in kurzer Frist auf der Membran ,
welche im gesunden Zustande keine sichtbaren Gefässe
führt , entweder in ihrem Gewebe oder nach Abstossung des
Epitheliums ausser demselben , wobei die Pleura von Seite
der unterliegenden Zellschicht sich von Gefässchen durchzo-
259
gen zeigt, welche bald sternförmig", bald dendritisch vertheilt,
bei reichlicher Entwickelung derselben das Ansehen eines
matt geschliffenen rothen Glases verleihen.
Das abgesetzte Exsudat enthält entweder Stoffe, welche
im Blute schon vorhanden waren, als primäres Exsu-
dat (faserstoffiges, albuminöses, seröres, primär- hämor-
rhagisches), oder solche, welche erst durch weitre Umbil-
dung der Blutbestandtheile auf secundäre Weise sich er-
zeugten. (Eitriges, jauchiges, tubercuiöses, krebsiges und
secundär- hämorrhagisches Exsudat.)
A. Primäre Exsudate.
1. Das faserstoffige Exsudat.
Die ausgeschiedene Fibrin erscheint auf der Pleura
entweder als zartflockiger, abstreifbarer Beschlag, oder ist
einer grossem Menge Serum beigemischt, worin sie in Form
grösserer Flocken schwimmt und sich bald zu Boden setzt.
Je mehr Serum übrigens zugleich mit abgeschieden wurde ,
desto schwieriger organisiren sich die plastischen Bestand-
theile, da ihr inniger Contact mit dem entzündeten Mutter-
boden dadurch vermindert wird-, im Gegentheile aber kann
der Faserstoff ohne von Serum massig durchfeuchtet zu wer-
den , weder sich resorbiren noch weiter organisiren.
Kommt keine Aufsaugung zu Stande, so kann das Ex-'
sudat sich, unter günstigen Umständen, organisiren.
Es entwickeln sich bei diesem Vorgange microscopisch nach-
weisbare Zellenkerne und Zellen , welche sich endlich zu
Exsudatfasern gestalten — am frühesten aber dort, wo der
unmittelbare Contact mit dem des Epithelialüberzuges be-
raubten, entzündeten Mutterboden Statt findet; an andern
Stellen aber nur allmälig oder gar nicht. Durch die Ver-
schmelzung der Exsudatfasern bilden sich nunEntzündungs-
schwarten , Pseudomembranen , die aus mehreren Schich-
ten bestehen , welche die verschiedenen Entwickelungssta-
dien erkennen lassen. Ihre dem Mutterboden zugekehrte
17 #
960
Fläche ist rauh, die freie glatt, oder mit zarten Flocken
besetzt.
Bilden sich in denselben Gefässchen, so entwickeln sich
diese nie weiter , als zu Capillargefässen , zerreissen daher
aucht leicht und gestatten dem Blute den Austritt. Ihre Ver-
bindung mit den Gefässen der Zellschicht der Pleura lässt
sich aber nicht nachweisen. Hat sich eine Exsudatschwarte
organisirt, so nimmt sie an allen krankhaften Vorgängen des
Rippenfelles selbst leicht Antheil.
Werden die serösen Bestandteile des Exsudates resor-
birt, so bilden sich leicht zwischen den beiden Pleurablättern,
wo ihre Berührung inniger ist, häutige, wo aber grössere
Beweglichkeit Statt findet, (nach unten) zellfädige Adhä-
sionen und Verwachsungen. Ebenso entstehen zuweilen
in oder auf der Pleura die aus verfilzten Fasern bestehenden
milchweissen Sehnen flecken.
Ein nicht organisirtes Faserstoffexsudat kann ferner
verkreiden; dabei vertrocknet es, nimmt an Volumen ab,
und wird durch Einlagerung von Kalksalzen kreideweiss ge-
färbt. Dieser Vorgang, der oft sehr ausgebreitet ist, so dass
man selbst grössere kreidige Platten gefunden hat , wird be-
sonders durch die Nachbarschaft von Knochen begünstigt.
Die Benennung Verknöcherung ist dafür nicht passend,
da in dem Exsudate eigentliche Knochenelemente nicht vor-
kommen.
Obsolesciren wird ein Exsudat, das von einem
dichten Callus eingeschlossen, jedem Stoffwechsel und jeder
weitern Metamorphose entzogen ist.
Von der Umwandlung in Eiter, Jauche, Tuberkel u. s. w.
werden wir später handeln.
Folgezustände. Durch die Abstossung des Epithe-
liums werden die sich zugekehrten , freien Pleuraflächen
rauh und reiben sich an einander, wenn nicht ein gleichzeitiger
seröser Erguss durch seinen Druck die Lunge von der Brust-
wand entfernt. Die betreffenden Intercostalmuskel werden
261
durch die Entzündung ihres serösen Überzuges gelähmt und
vorgetrieben, die Respirationsbewegungen der leidenden
Seite vermindert. Grosse Faserstoffabscheidungen sind mit
Aufzehrung der Blutmasse und in Folge deren mit wächser-
ner und subicterischer Färbung der Kranken in Verbindung,
wobei aber die Leber sich fast immer normal verhält. Die
Zwischen- Rippenmuskel sowohl als die Lungen -Substanz
schrumpfen ein, und atrophiren unter dem Drucke dichter Ent-
zündungsschwarten, der Thorax flacht sich ab, sinkt ein und
die Intercos talräume erscheinen zuweilen so erweitert, dass
die untersten Rippen dem Kamme des Darmbeines sich nähern.
Wird das Lungengewebe durch den Druck atrophisch ,
so wird der betreffende Theil der Circulation entzogen und es
entsteht auf eine weiter unten zu erörternde Weise Überful-
lung und in Folge deren Erweiterung , selbst Hypertrophie
des rechten Herzens.
2. Das eiweisssto ff ige Exsudat.
Dasselbe wird nur bei albuminöser Blutmischung , wie
in der Kindheit , im Greisenalter, bei exanthematischen und
typhösen Processen , der Brightischen Krankheit u. s. w.
ausgeschieden, enthält nur wenig Faserstoff, und wird an
seiner Viscidität, öhlartigen Dichte, Färbung und seinem
Fettglanze leicht erkannt.
Es kann wohl leicht resorbirt werden, organisirt aber
schwer und nur theilweise, wird gerne in Eiter verwandelt
und unterliegt zuweilen der Metamorphose in Krebsmasse.
Wird durch albuminöse Abscheidung ein grosser Theil
plastischer Bestandtheile dem Blute entzogen, so findet das
Zustandekommen einer hydropischen oder selbst scorbuti-
schen Crasis darin seine Erklärung. Die mechanischen Wir-
kungen sind dieselben , wie die der serösen Exsudate.
3. Das seröse Exsudat.
Besteht dasselbe gleich aus Serum, so ist es doch nicht
ohne Beimischung plastischer Bestandtheile , welche sich in
262
ihm zu Boden setzen und kaum je organisiren, weil nach
erfolgter Resorption des flüssigen Theiles die Entzündung im
Mutterboden langst erloschen ist. Die Quantität der serösen
Flüssigkeit beträgt von einigen Unzen bis zu 12 — 15 Pfunden.
Die Resorption erfolgt leicht und oft unerwartet schnell,
wird aber durch die Gegenwart dichterEntzündungschwarten
verhindert, und ist meistens von leichten, fieberhaften Er-
scheinungen begleitet. Zu schnelle Resorption bewirkt oft
durch Überladung des Blutes mit heterogenen Bestandtheilen
und heftigere Fieberreaction , weitere Entwickelung in den
Lungen vorhandener Tuberkel; tuberculöses Exsudat in den
Pseudomembranen hingegen hemmt die Resorption des flüssi-
gen Theiles.
Folgezustände. Das den Gesetzen der Schwere
gemäss sich in dem unteren Theile des Thoraxraumes sam-
melnde flüssige Exsudat comprimirt den eingetauchten Lun-
gentheil und drückt ihn bei steigender Menge nach rück-
und aufwärts gegen die Wirbelsäule. So wie in der compri-
mirten Partie der Lungen die Luft verdrängt wird , entsteht
an den Rändern und der Spitze derselben emphysematöse
Auftreibung. Das Diaphragma weicht der auf ihm ruhenden
Last der Flüssigkeit, erlahmt gleichsam in seiner Thätigkeit
und sinkt tiefer herab. Ist das Exsudat im rechten Brustrau-
me, so wird der entsprechende Leberlappen nach abwärts
gedrückt und der linke näher gegen die Herzgrube gedrängt;
gibt der linke Thorax dem Ergüsse Raum, so findet man das
Herz gegen das Brustblatt verrückt, und seine Spitze unter
selbst jenseits desselben pulsirend, und die Milz am Hypo-
chondrium nicht selten stärker vorragend. Die Intercostal-
muskel der leidenden Seite werden paralytisch , geben dem
Drucke der Flüssigkeit nach, erscheinen vorgetrieben und
der Thorax daselbst weiter und convexer, als an der entge-
gengesetzten Seite, wovon man sich durch den Augenschein
und genaue Messungen überzeugen kann. Alle Zustände,
weiche bei erfolgender Resorption des Exsudates nach und
263
nach verschwinden und dem normalen Verhalten der Theile
wieder Raum geben.
Wird aber das Exsudat binnen längerer Zeit (6 — 9
Wochen) nicht durch die Natur oder Kunsthilfe entfernt, so
ist das Lungengewebe schon seiner Elasticität verlustig,
atrophisch und kann sich nicht mehr ausdehnen. Dass durch
die aufgehobene Circulation in den Capillargefässen des com-
primirten Lungenflügels, der Austreibung des Venenblutes
aus dem rechten Herzen ein Hinderniss entgegengestellt wird
und dadurch passive Dilatation des j echten Herzens mit oder
ohne Hypertrophie zu Stande kommt, ist erklärlich. Die
gleichzeitig noch durch die verhinderte Entkohlung des
Blutes bewirkte Venosität desselben bedingt chronischen Ca-
tarrh mit Dyspnoe, asthmatische Anfälle, wässrige Ergüsse
in andere Höhlen oder das Zellgewebe der Haut, Stasen im
Gehirne u. s. w.
Wird ein grösserer seröser Erguss entfernt, so kann
sich die paralysirte, und oft mit unnachgiebiger Exsudat-
schwarte überzogene Lunge nicht mehr ausdehnen, der
Thorax weicht dem äussern Luftdrucke, sinkt ein, flacht sich
ab , und nimmt in seinen Durchmessern ab. Die Rippen rü-
cken sich gegenseitig näher, ja schieben sich sogar über
einander, Schulter und Clavicula sinken auf der kranken
Seite tiefer herab, die Wirbelsäule verkrümmt sich nach der
gesunden Seite und weicht, um das Gleichgewicht herzustel-
len, in der Lendengegend entgegengesetzt aus, ja selbst
das Becken kann schief gestellt werden.
Übrigens wird die weitere Entwickelung von Afterge-
bilden (Tuberkel , Krebs) in dem der Compression preisge-
gebenen Theile der Lunge durch diese unmöglich gemacht.
4. Das hämorrhagische Exsudat.
Ein durch Beimischung von Blutfnrbestoff tingirtes flüs-
siges Exsudat heisst ein hämorrhagisches. So lange es frisch
ist , ist es hellroth und wird nach und nach braun, endlich
«64
schwarz, und unterliegt kaum andern Metamorphosen, als
dass es, besonders bei grosser Schwäche des Kranken, bei
Berührung' mit Luft , Eiter oder Jauche , selbst in Letztere
verwandelt wird.
Als Ursache gelten grosse Schwäche, Scorbut, acute
Blutzersetzung, Typhus, Exantheme mit septischem Cha-
rakter, Eitergährung des Blutes, Puerperalprocess u. s. w.
B. §ecuudäre Exsudate.
1. Das eitrige Exsudat.
Die Eiterbildung ist der erste Schritt zur progressiven
Metarmorphose eines faserstoffigen oder albuminösen Exsu-
dates, das nun als graue oder gelbgrünliche, dickliche Flüs-
sigkeit erscheint. Dieser Vorgang kommt am frühesten an
jenen Stellen vor, welche mit dem entzündlichen Mutterbo-
den in steter Berührung sind, so dass wir an einem und dem-
selben Exsudate Eiterzellen nebst allen andern Bildungsstu-
fen finden können.
Dass durch Resorption der Flüssigkeit Eiter, welcher
im dichten Callus eingeschlossen ist, verdickt werden und
obsolesciren , dass er durch Aufnahme von Kalksalzen zur
Verkreidung und zur Verjauchung kommen könne, sind Eigen-
schaften , welche alle Exsudate mit einander gemein haben.
Der Eiter durchbohrt gerne die Intercostalmuskel und
erscheint aussen als Abscess, durch dessen Öffnung, wenn die
Lunge nicht mehr Elasticität genug besitzt, um sich auszu-
dehnen und den leeren Raum zu erfüllen, Luft eindringt,
Verjauchung des Exsudates und einen Pneumothorax bewirkt.
Dasselbe geschieht, wenn sich der Eiter durch die Lungen-
substanz einen Weg zu den Bronchien öffnet. Dass sich der-
selbe bis in die Bauchhöhle, an den Psoas versenken könne,
ist einleuchtend.
2. Das jauchige Exsudat.
Erlischt in einem Exsudate die Lebensfähigkeit und ver-
fällt es dem Chemismus , so verwandelt es sich in Jauche.
265
Diesen Vorgang begünstigen Berührung mit einer schon vor-
handenen jauchigen Flüssigkeit, mit Wasser oder atmo-
sphärischer Luft und Darniederliegen der Kräfte, wie im Ty-
phus , Scorbute , acuten anomalen Exanthemen , Eitergäh-
rung u. s. w. Dabei ist an keine weitere Metamorphose mehr
zu denken, das ganze Exsudat zerfällt in eine schwarzbraune
stinkende Masse , aus der sich Gase entwickeln,
3. Das tuberculöse Exudat
Wird ein plastisches Exsudat nach 6 Wochen nicht or-
ganisirt, so verwandelt es sich fast immer in Tuberkelmasse,
und zwar selbst ohne Bestehen einer tuberculösen Dyscrasie,
wenn es zu trocken ist , um sich organisiren zu können ,
wenn z. B. eine zu schnelle Entleerung bei der Paracentese,
oder gleichzeitige seröse Ausscheidungen in andern Organen
QPericardium, Bauchhöhle, Oedema pulmonum} dem pla-
stischen Exsudate den nöthigen Antheil an Serum entziehen,
Ebenso geschieht es , dass durch rasche Organisirung dich-
ter Exsudatschwarten, zunächst des Mutterbodens, deren
centralem und entfernterem Theile die Flüssigkeit entnom-
men wird und sich dadurch selber in Case'in verwandelt.
Übrigens kommen auch an der Oberfläche der Pseudomem-
branen kleine , gelbliche hanfkorngrosse Tuberkelkörner vor,
welche selten verjauchen , sondern meistens obsolesciren
oder verkreiden. Beimischung von Blutfarbestoff bedingt die
verschiedene Pigmentirung tuberculöser Exsudate.
4. Das krebsige Exsudat.
Albuminöse Exsudate werden fast nur unter dem Ein-
flüsse der Krebsdyscrasie , deren Producte sich auch in an»
dem Organen vorfinden, in Medullarkrebse verwandelt. Sie
erscheinen als verschieden pigmentirte , flachrunde Knoten,
von speckigem Inhalte und verschiedener Consistenz. Wer-
den sie aufgeschnitten, so fliesst häufig eine rahmartige Flüs-
sigkeit heraus ; der zugleich vorhandene flüssige Erguss ist
966
entweder milchig' oder durch secundären hämorrhagischen
Erguss roth gefärbt.
Zuweilen findet man die Jugulardrüsen gleichfalls kreb-
sig* infiltrirt und schmerzlos geschwollen.
5. Das secundär-hämorrhagische Exsudat.
Dieses entsteht nur aus organisirten Exsudaten , wenn
die in derselben gebildeten Capillargefässe , welche höch-
stens zwei bis drei Häute besitzen , bei Congestionen zu
denselben zerreissen und die Blutkugeln selbst in das Cavum
pleurae austreten. Das Blut coagulirt sehr häufig, wird aber
nie resorbirt.
Diagnose. Die Symptome der Pleuritis , verlaufe sie
acut oder chronisch, sind dieselben; nur dass sie bei letzte-
rer weniger deutlich entwickelt erscheinen.
Allgemeine Erscheinungen. Diese sind äusserst
unbeständig. Das Seitenstechen wird oft kaum bemerkt, Hu-
sten und Auswurf fehlen sehr häufig, die Lageist auf bei-
den Seiten möglich und Fieber und Athembeschwerden schwin-
den mit der Bildung des Exsudates (oft schon den 2len 3ten
Tag ).
Sichere Anhaltspuncte gewährt die physicalische Un-
tersuchnng.
Inspection. Ist der Schmerz heftig, so kann der
Kranke anfangs nicht tief inspiriren , der Athem ist schnell
und kurz, Respiratio diaphragmatica , wenn die obern , su-
blimis wenn die untern Theile der Pleura den Sitz der Ent-
zündung abgeben.
Die Zwischenrippenmuskel erscheinen dabei gelähmt,
unbeweglich und hervorgetrieben, wenn die Flüssigkeit sich
unten gesammelt hat ; die leidende Seite sieht man zuweilen
gewölbter als die entgegengesetzte.
Palpation. Legt man die Hände auf beide Brusthälf-
ten flach auf, so wird die auf der kranken Seite befindliche
Hand sowohl durch die Athembewegungen weniger gehoben
267
als auch durch die heim Sprechen im Normalzustande fühlba-
ren Schallvibrationen gar nicht afficirt (Reynaud). Exsu-
dat im linken Thoraxraurae , welches das Herz aus seiner
Lage verdrängt, lässt dessen Spitze unter demSternum oder
selbst im rechten Brustraume fühlbar anschlagen. Zuweilen
wird auch die Reibung der durch plastisches Exsudat im
hohen Grade rauh gewordenen freien Pleuraflächen durch die
aufgelegte Hand gefühlt.
Mensuration. Fast beständig wird durch die Men-
suration eine besonders in der untern Gegend des Thorax
auffallende Umfangsvergrösserung der leidenden Seite auf-
gefunden. Da aber der rechte normale Thorax schon um ei-
nen halben Zoll weiter als der linke ist , so haben Zeichen
vermehrten Umfanges an letzterem grösseren Werth als an
ersterem.
Percussion. Lagen von plastischem Exsudate,
seihst von der Dicke einiger Linien , dämpfen kaum den
Schall, ja dieser kann selbst tympanitisch werden , wenn das
darunter befindliche Lungenparenchym lufthaltig ist.
Seröses Exsudat drängt immer die Lungen nach
aufwärts, indem es sich hinten und unten ansammelt und
von da steigt die Lunge , liegt hiebei fest an der Brustwand
an und nimmt auch bei veränderter Lage des Kranken keine
andere Stellung ein, da sie fast immer durch zellige Adhä-
sionen an die benachbarten Wände geklebt ist, und da die
durch längere Zeit comprimirte Lunge schon in dem Grade
ihrer Elasticität bar ist, dass es längere Zeit braucht, bis
ein in Flüssigkeit eingetauchter Lappen sich wieder aus-
dehnt, wenn die Flüssigkeit durch veränderte Lage sich von
ihm entfernt und ein anderer nun an dessen Stelle von der-
selben comprimirt wird. Bei veränderter Lage des Kranken
wird man daher sehr irren, wenn man einen veränderten Per-
cussionsschall erwartet. Sonst ist derselbe dem Stande und
dem Anwachsen der Flüssigkeit entsprechend , dumpf und
leer in hohem Grade , mit bedeutender Resistenz , darüber
*68
findet man einen sonoren Lungenton , der an den Rändern
zuweilen tympani tisch wird.
Auscultation. Beim Beginne einer plastischen Abla-
gerung hört man einen feinen Affrictus , der mit der Zu-
nahme der Rauhigkeit der Pleural! äehen sich zu solchem
Grade steigern kann, dass er selbst durch den Tastsinn wahr-
genommen wird. Derselbe dauert so lange , bis die rauhen
Flächen sich an einander glatt gerieben haben, und fehlt, so
lange sie durch das Zwischentreten eines serösen Ergusses
von einander entfernt gehalten werden; nach dessen Resorp-
tion erscheint häufig das Reibungsgeräusch wieder, mit dem
die Pleuritis begonnen. Wird es gehört, so schliessen wir
auf Vorhandensein plastischen Exsudates , ohne aber bei
Abw esenheit jenes das Restehen dieses mit Bestimmtheit laug-
nen zu können.
Bei flü-ssigem Ergüsse finden wir an jenen Stel-
len , an welchen der matte Percussionsschall zu hören ist ,
vermindertes vesiculäres Athmen, das selbst, besonders hin-
ten und unten , gänzlich schweigen kann.
Wird dabei eine Partie der Lungen comprimirt , und
verläuft darin ein Bronchialast, welcher dem Drucke wider-
steht , so hören wir zuweilen , besonders häufig unter dem
Schulterblattwinkel, neben der Wirbelsäule oder in der Ach-
selhöhle bronchiales Athmen , wenn nicht so viel Flüssigkeit
vorhanden ist , dass dadurch der comprimirte Lungenlappen
zu weit von dem Ohre entfernt gehalten wird.
Rasselgeräusche sind in der Pleuritis seltener als in der
Pneumonie, und ihr Vorhandensein deutet in einem zweifel-
haften Falle immer auf Letztere. Unter den Bedingungen zur
Consonanz können auch an andern Stellen entstandene Ron-
chi über der comprimirten Lungenpartie liell und kräftig wie-
derhallend gehört werden.
In gleichem Schritte mit der Abnahme des Athmungs-
geräusches wird auch die Stimme vermindert wahrgenommen ;
an jenen Stellen aber, an welchen bronchiales Athmen er-
»69
scheint, Bronchophonie und Ägophonie gehört. Letztere
ist, wie schon aus früherem bekannt, ein eigentümlich zit-
ternder , meckernder Nachhall der Stimme , welcher bald
ganze Sätze, bald nur einzelne Worte oder deren Endsylben
begleitet, bald verschwindet und bald wieder erscheint.
Succussion des Kranken könnte nur in dem Falle von
gleichzeitiger Gasansammlung im Brustfellraume ein hörba-
res Schwappen der Flüssigkeit ergeben.
Abgesackte Exsudate äussern sich durch diesel-
ben Zeichen, welche wir oben angeführt, nur dass sie auf
jene Stelle , an welcher sie vorkommen, beschränkt, und man-
nigfach modificirt erscheinen; dass durch Adhäsionen die
Verdrängung des Herzens und anderer Organe zuweilen un-
möglich gemacht wird , bedarf keiner weiteren Erörterung.
Die umschriebene Pleuritis erscheint meistens
an der Lungenpleura , wie an der Lungenspitze als tuber-
culöse Pleuritis und als Heilbestreben der Natur, die an Stel-
len , an welchen das Rippenfell durch Abscesse, durch ver-
jauchende Krebse und Tuberkel u. s. w. leicht durchbohrt
werden könnte, durch dichte Exsudatschwarten der Perfora-
tion einen Damm entgegenstellt. Die physicalischen Zeichen
weichen von denen der Pleuritis überhaupt nicht ab und sind
nur auf einen kleinen Raum beschränkt , über welchem nicht
selten auch der Thorax eingesunken erscheint.
Eine Abart der umschriebenen Pleuritis ist die Pleuri-
tis diap hr agmat ica , welche die Autoren gewöhnlich
als Diaphragmitis beschreiben, wiewohl kaum je die Substanz
des Zwerchfelles selbst, sondern fast immer nur dessen se-
röser Überzug von der Entzündung ergriffen wird. Die phy-
sicalische Untersuchung ist bei ihrer Diagnose nur von unter-
geordnetem Werihe.
Die physicalische Untersuchung vermag somit dem An-
geführten zu Folge die Gegenwart eines flüssigen oder mehr
stoffigen Exsudates nachzuweisen und seine Grösse und Aus-
dehnung ziemlich genau zu bestimmen; welcher Art
«70
aber dasselbe sei, ob faserstoffig , albuminös , eitrig ,
hämorrhagisch u. s. w. zu erkenneu, liegt ausser ihren Gren-
zen , dazu hilft die genaue Erwägung aller übrigen diagno-
stischen Momente , als des Alters und der Kräfte des Pa-
tienten , der Dauer der Krankheit, der Zu- und Abnahme
ihrer Erscheinungen , des gleichzeitigen Vorkommens albu-
minöser, seröser, tuberculöser oder krebsiger Ausschei-
dungen in anderen Organen , etwa vorhandener Schüttel-
fröste u. s. w.
Zeichen der Resorption.
Mit dem allmäligen Schwinden des Ergusses kehrt das
Respirationsgeräusch an jene Stellen wieder zurück, an
welchen es vermindert wahrgenommen wurde, oder gänzlich
fehlte , und erscheint daselbst anfangs nur als schwaches
Murmeln , endlich in seiner normalen Stärke und wird selbst
dort gehört, wo der Percussionsschall noch längere Zeit ge-
dämpft bleibt. Ebenso gewinnt auch die Stimme ihre norma-
len Charaktere wieder. Nicht selten treten nach Resorption
der Flüssigkeit die durch stoffige Ablagerung rauh geworde-
nen Pleurablätter mit einander in Berührung und erzeugen
durch die Athembewegungen ein so lange dauerndes Rei-
bungsgeräusch , bis sie glatt sind. Zugleich mindern sich
der Umfang und die grössere Convexität der leidenden Brust-
hälfte , hört die Vortreibung der Intercostalmuskel auf und
treten die verdrängten Organe nach und nach wieder an ihre
gewohnte Stelle zurück.
Kann sich aber die comprimirte Lungenpartie nicht
schnell genug expandiren , oder ist ihr diess durch zellige
Adhäsionen und Pseudomembranen oder durch Atrophie und
Paralyse , in Folge des lange dauernden Druckes unmöglich
gemacht , so sinkt der Brustkorb ein , plattet sich ab, schie-
ben sich die Rippen übereinander, verkrümmt sich die Wir-
belsäule auf die schon beschriebene Weise, kehren die ver-
drängten Eingeweide nicht mehr auf ihre gewöhnliche Stelle
zurück , und es bleiben Dämpfung des Percussionsschalles ,
*7i
so wie bronchiales Athmen und ßronchophonie übrig, wie-
wohl das Exsudat nicht mehr vorhanden ist.
Zeichen nach der Paracentese.
Die Paracentese der Brust ist bei dringender Ersti-
ckungsgefahr und so grossen Exsudaten , dass an die Mög-
lichkeit ihrer Resorption nicht mehr gedacht werden kann ,
eine wohlthätige Operation , unter allen anderen Umständen
aber zu vermeiden.
Die Operation wird mittelst des von Prof. Schuh an-
gegebenen, äusserst sinnreich construirten Trog-Troicart's vor-
genommen, aber nur dann, wenn deren Nothwendigkeit so-
wohl, als der passendste Ort zum Einstiche durch die phy-
sicalische Untersuchung bestimmt sind. Dem so sehr zu fürch-
tenden Lufteintritte in den Pleuraraum ist durch obiges In-
strument hinlänglich gesteuert *, findet diess aber dennoch
Statt oder entwickelt sich aus der in der Brusthöhle befind-
lichen Flüssigkeit Gas, so wird diess durch einen nach der
Operation erscheinenden tympanitischen Schall in der oberen
Brustgegend erkannt. Überhaupt soll die Percussion sich
stets von dem Stande der Flüssigkeit, die nie auf einmal zu
entleeren ist , überzeugen, so wie jeden Schritt der Ope-
ration controlliren. Die Auscultation leistet hierbei weniger ,
weil die Lungen gleich nach der Entleerung des Fluidums
sich nicht in dem Grade ausdehnen, dass man vesiculäres
Athmen hören könnte.
Einige Tage nach der Punction wächst oft die Flüssig-
keit wieder, um dann desto schneller zu fallen. Sollte aber
dennoch eine wiederholte Operation erforderlich werden, so
verschiebe man sie nicht so lange, bis die comprimirte Lun-
genpartie atrophisch geworden ist. Ein nach der Entleerung
zurückbleibender dumpfer Percussionsschall, der sich oft
wochenlang nicht verliert, verdankt oft Pseudomembranen
seine Entstehung, und darf nicht zu einem neuen Eingriffe
verleiten, da auch selbst Reste eines flüssigen Ergusses der
Resorption längere Zeit widerstehen können, ohne zu schaden*
»7*
Unterschiede.
Verwechslung* des pleuritischen Exsudates wäre möglich
mit Myorheuma der Brust , mit Pneumonie im Stadium der
Hepatisation und mit Anschwellung der Leber. Bei Rheu-
matismus der Brustmuskel fehlen alle angeführten
physicalischen Symptome; bei Pneumonie, die allein,
ohne mit Pleuritis complicirt zu sein , verläuft ,
a) ist der leidende Thorax nicht vergrössert ;
b) bleiben die Intercostalmuskel beweglich und werden
nicht vorgetrieben ;
c) werden die Nachbarorgane nicht aus ihrer Lage
verdrängt ;
d) werden die Stimmvibrationen , wenn gleich schwä-
cher, wahrgenommen;
e) wird der Percussionsschall nie in dem hohen Grade
matt und leer und der fühlbare Widerstand nie so bedeutend,
wie in der Pleuritis.
f) Bronchiales Athmen und Bronchophonie sind i \ •
Pleuritis fast nur im Niveau der Flüssigkeit und nie so deut-
lich zu hören, wie in der Hepatisation.
Vergrösserung der Leber nach aufwärts
a) zeigt keine Unbeweglichkeit und Vortreibung' der
Intercostalmuskel ;
bj sind die falschen Rippen aufwärts gebogen , kann
man zwischen sie und die Leber die Hand nicht schieben
und ist Letztere resistenter;
cj wird der Percussionsschall bei tieferer Inspiration
sonorer , wenn gleich gedämpft , bei der Exspiration aber
matt erscheinen (Zehetmayer), und
d) an der Rückseite der Brust das Respirationsgeräusch
tiefer nach abwärts reichen , als es die Anwesenheit eines
Ergusses gestatten würde.
273
Hydrothorax , Brustwassei'giiclit.
Ansammlung von wässriger Flüssigkeit im Brustraume,
ohne vorangegangene Entzündung, stellt den Hydrothorax
dar. Nach Anämie und Erschöpfung der Blutmasse durch über-
mässige plastische Ausscheidungen, unter dem Einflüsse
einer hydropischen Crasis , durch Herzfehler u. s. w. wird
in den Pleuraraum eine dünnflüssige, blassgelbe, klare, an
Faserstoff arme Flüssigkeit ausgeschieden, welche nur durch
ihre Menge und den ausgeübten Druck auf Lunge und Herz
dem Grganismus schädlich ist. Im Scorbute, Typhus, Mor-
bus Brightü, in normalen Exanthemen, Tuberculose und
Krebsablagerungen wird die Flüssigkeit nicht selten blutig,
bräunlich und stinkend gefunden.
Die physicalischen Erscheinungen sind dieselben , wie
in der Pleuritis , nur dass die Unbeweglichkeit und Vortrei-
bung der Zwischenrippenmuskel mangeln , da deren bedin-
gendes Moment, die Entzündung, nicht voranging.
PiieumotHorax.
In der Brust findet sich gasartige Flüssigkeit , wenn
sie sich daselbst entweder entwickelt oder durch Durchboh-
rung der Pleura von aussen dahin gelangt. Pneumothorax
entsteht somit unter folgenden Umständen:
a) Bei Durchbohrung der Pleura durch Tuberkeleiter
aus einer Caverne, oder den Eiter aus einem , in Folge von
Pneumonie entstandenen Lungcnabscesse , wenn nicht durch
die hervorgerufene Pleuritis beide Blätter des Rippenfelles
früher aneinander gelöthet werden ;
b~) wenn ein Brandschorf an der Lunge auch deren
Pleuraüberzug mit zerstört;
c) wenn bei Lungenemphysem mit den vergrösserten
oberflächlichen Lungenbläschen auch die Pleura berstet ;
Gaal Diagnostik. 18
»74
dj bei Durchbruch des Visceralblattes der Pleura, wenn
Metastasen an der Oberfläche der Lunge schneller schmel-
zen , als in deren Umgebung durch Reaction Hepatisation
hervorgerufen wird ;
e~) durch Gasentwicklung aus degenerirtem , eitrigem
oder jauchigem Exsudate; dass aber diese aus der entzün-
deten Pleura , ohne gleichzeitig vorhandene Flüssigkeit ent-
stehen könne, ist nicht wohl zu glauben ;
f) durch Perforation der Lungenpleura von Seite eines
solchen Exsudates ;
g) bei Durchlöcherung des Zwerchfelles in Folge von
Erweichung des Magens oder des Ösophagus.
Die Stelle,, an welcher die Pleura durchbohrt ist, wird
gewöhnlich bei der Section nicht leicht gefunden , da sie
durch Compression des Lungengewebes und Exsudatschich-
ten , welche in Folge eingeleiteter reactiver Pleuritis in de-
ren Umfange sich befinden , verschlossen ist.
Dringt Luft in den Brustraum ein , so geschieht diess
bei der Inspiration viel leichter, als sie bei dem Ausathmen
durch die enge Öffnung wieder hinausgetrieben wird , da-
durch sammelt sie sich immer mehr und mehr an , bis die
Öffnung durch Compression des Lungenparenchymes , Aus-
wurfstoffe oder plastisches, pleuritisches Exsudat geschlos-
sen ist und wird zugleich auch beständig verdichtet Die
Lunge wird dabei wie durch flüssiges Exsudat an die Wir-
belsäule gepresst, der Brustraum fassförmig erweitert und
in allen Durchmessern vergrössert, das Zwerchfell herabge-
drückt und die benachbarten Organe weichen aus ihrer nor-
malen Lage.
Gewöhnlich facht der Reiz, welchen die atmosphärische
Luft auf die Pleura hervorbringt , deren Entzündung an ,
welche eben durch den Contact mit der Luft nur ein degene-
rirtes Exsudat liefert, so dass fast jeder Pneumothorax sich
mit einem solchen combinirt und als Pneu mopyothorax
erscheint.
275
Diagnose.
Allgemeine Symptome.
Die Erscheinungen des durch Pleuraperforation von Seite
einer Vomica entstehenden Pneumothorax sind meistens so
ziemlich die einer Pleuritis, können aber auch gänzlich man-
geln. Die Dyspnoe ist ungeheuer, der Auswurf schwindet,
die Lage ist nur sitzend oder auf der gesunden Seite mög-
lich, die Stimme wird vermindert, und zuweilen haben die
Kranken nach schnellem Aufrichten die Empfindung des Tro-
pfenfallens im Innern und sterben durch Erstickung. In sel-
tenen Fällen mindern sich diese gefahrdrohenden Erschei-
nungen und die Kranken leben noch Monate lang fort , wo-
bei sie zuweilen die Fluctuation der in der Brusthöhle ent-
haltenen Flüssigkeit selbst wahrnehmen.
Inspection. Der Thorax ist mehr convex , fassför-
mig gewölbt, die Zwischenrippenmuskel der leidenden Seite
sind paralysirt und vorgetrieben. Die entgegengesetzte Seite
zeigt beschleunigtes, heftiges Athmen.
Palpation. Die aufgelegte Hand vernimmt an der er-
krankten Seite mangelnde Athembewegungen und Stimm-
vibrationen , und die in die Zwischenrippenräume einge-
drückten Finger empfinden eine vermehrte Elasticität der
Muskel, die dem Drucke nachgeben, sich aber schnell wieder
erheben. Pneumothorax im linken Brustraume bewirkt Ver-
drängung des Herzens, so dass dessen Spitze in der Herz-
grube, ja selbst in der rechten Brusthälfte gefühlt wird, was
beim Emphyseme nie in dem Grade bemerkt wird.
Mensuration. Durch die Messung wird die Um-
fangsvermehrung der leidenden Seite nachgewiesen, welche
um so bedeutender ist, wenn zugleich flüssiger Erguss
besteht.
Percussion. Gas in der Brusthöhle gibt sich durch
hellen, tympanitischen und von metallischem Klange begleite-
ten Schall beim Anklopfen zu erkennen , so lange noch die
18 *
*7<5
Spannung der Wände keine übermässige ist. Besonders gut
hört man das Metallklingen, wenn man während des Percuti-
rens zugleich das Ohr an die Brustwand legt.
Gleichzeitig vorhandener flüssiger Erguss sammelt sich
den Gesetzen der Schwere zufolge unten im Thorax an, und
dämpft daselbst den Percussionsschall, jedoch nur bei schwa-
chem Anklopfen , denn stärkere Percussion erweckt zugleich
den tympanitischen Schall der Luft, der sich dann unter das
Niveau der ergossenen Flüssigkeit erstreckt. Lageverände-
rung verändert den Stand der Flüssigkeit, die hier frei be-
weglich ist, und demselben gemäss den Percussionsschall.
Auscultation. Stimme, Husten und Rasselgeräu-
sche werden von dem metallischen Nachklange begleitet,
der besonders an der Vorderfläche der Brust und nach früheren
tiefen Inspirationen deutlicher vernommen wird. Setzt sich
der Kranke auf, so hören wir zuweilen das schöne Symp-
tom des Tropfe nfallens, das von einem Klange begleitet ist,
wie wenn diese in ein silbernes Becken träufelten. Zu-
weilen vernimmt man bei Hydropneumothorax , wenn man
den Kranken rüttelt, ein Fluctuationsgeräusch.
Alle diese sthethoscopischen Zeichen können aber fehlen
und doch kann der Pneumothorax vorhanden sein.
Dort wo die Lunge an den Rücken angepresst ist, kön-
nen wir verschiedene Athmungsgeräusche , trockenes und
feuchtes Rasseln , und der Lage des Herzens entsprechend,
dessen Töne durch die Auscultation vernehmen.
Krankheiten der Lunge.
Lungenemphysem.
Wir unterscheiden zwei Formen des Lungenemphyse-
mes , wovon die eine, das v e si culäre E. in einer dauern-
den Erweiterung der Lungenzellen und Überfüllung dersel-
ben mit Luft besteht, die zweite aber in Zerreissung der
277
Zellchen und Austritte der Luft ins interstitielle Gewebe be-
gründet ist, interlobuläres Emphysem.
1. Vesiculäres Emphysem.
Diese Krankheit besteht in einer sich rasch entwickeln-
den Ausdehnung* der Lungenzellen besonders an den Rän-
dern der Lappen , wenn diese in ihrem Innern durch Hepati-
sation oder Tuberkelinfiltrat unwegsam geworden sind, oder
nach oben, wenn die untern Lappen durch Exsudat plötzlich
comprimirt wurden; oder sie entsteht langsam und entwickelt
sich gleichförmig in einem, selbst in beiden Lungenflügeln.
Anatom, pathol. Charaktere.
aj Bei schneller Entwickelung und mei-
stens partiellem Emphyseme. Die blutarme, blass-
rothe Lunge schwimmt auf dem Wasser , knistert beim Fin-
gerdrucke und beim Einschneiden nur wenig 9 sinkt bei letz-
terem schnell zusammen, fühlt sich wie ein weiches Fe-
derkissen an, zeigt eine ungleiche Schnittfläche, und auf
Kosten der Wandungen vergrösserte Zellen. Zerreissen eini-
ge derselben, so kann ein interlobuläres Emphysem entstehn.
b) Bei langsamer, gleichförmiger Entwi-
ckejung und meistens verbreitetem Emphy-
seme. Die Lungen sind derart aufgedunsen, dass sie bei
Eröffnung des Thorax sich über die Rippen vordrängen, beide
Lungen an ihren vordem Rändern sich berühren und das
Herz , das sonst in einem rautenförmigen Räume frei an der
Brustwand liegt, bedecken. Sie fallen nicht zusammen, wenn
man sie aus der Brusthöhle nimmt und selbst die einzelnen
Lappen trennt, fühlen sich wie Luftkissen an , sind trocken,
blutarm und von blassrother Farbe. Die Zellen sind von Hanf-
korn- bis zu Erbsengrösse ungleich ausgedehnt , und zu-
weilen mehrere durch Zerreissen der Zwischenwände in buch-
tige Höhlen zusammengeflossen.
»78
Die Vergrösserung der Lungen in allen Durchmessern
bewirkt Verdrängung der angränzenden Eingeweide, als der
Leber, des Zwerchfelles, welche nach abwärts verschoben
werden , und des Herzens , das oft von dem letztern bis in
die Gegend der 9. — 10. Rippe herabgezogen wird.
Als Ursache des Emphysemes bezeichnen wir einen
ein glasartiges, zähes Secret liefernden Bronchialcatarrh, der
mit Anschwellung der Schleimhaut und dadurch bedingte
Verengerung des Lumens der feinsten Verzweigungen der
Bronchien einhergeht. Dringt nun gleich während der mehr
activen Inspirationsbewegung die Luft über die verengerte
Stelle , so kann sie während des passiven Ausathmens nicht
hinlänglich aus dem Lungenbläschen ausgetrieben werden
und sammelt sich daselbst durch erneuerte Inspiration , bei
dem Umstände, dass auch im Normalzustande die Luft sich
nicht vollends aus den Vesikeln entleert, in denselben immer
mehr an , wird durch die Temperatur des Körpers noch mehr
expandirt und drückt auf die Wände jedes Bläschens , dass
dieses seine Elasticität gänzlich einbüsst und auch das in
denselben kreisende Blut grösstentheils verdrängt wird. Diese
Entstehungsweise des Emphysems ist aber nicht die einzige,
auf ähnliche Weise kommt es noch durch Druck von Seite
vergrösserter Bronchialdrüsen , Aneurysmen , Angina mem-
branacea , Herzfehler, Keuchhusten, übermässige Anstren-
gung der Athmungs - Werkzeuge krampfhaftes Asthma
u. s. w. zu Stande. Man hat die Existenz des letztern gänz-
lich leugnen wollen, allein mit Unrecht, denn oft besteht es
ohne alle zu Grunde liegende nachweisbare organische Ver-
änderung, und das Emphysem ist eben so oft Folge asthma-
tischer Anfälle, als es solche herbeiführt.
Folgezustände. Durch die Vergrösserung der Lun-
ge wird der Thorax in allen Durchmessern erweitert, vorne
fassförmig gewölbt, und es müssen alle Nachbarorgane
Leber, Zwerchfell und das auf letzterem ruhende Herz nach
»79
abwärts ausweichen , so dass letzteres schräge unter den
Schwertknorpel zu liegen kommt. Der geringe Luftwechsel
bedingt den höchsten Grad von Dyspnoe, so dass die etwas
vorgebeugt im Bette sitzenden Kranken, besonders mit Ein-
brüche der Nacht, in äussersterErstickungsnoth aufspringen,
um die Fenster zu öffnen. Durch die heftigen, beschleunig-
ten Respirationsbewegungen werden die Inspirationsmuskel
mehr entwickelt , hypertrophisch, besonders der Kopfnicker
und die Scaleni.
Nebstdem wird theils durch die geringe Oxydation des
Blutes, welche bei verminderter Luftzufuhr in die Lunge
Statt findet, theils durch den Umstand, dass die comprimir-
ten Capillargefässe der letztern nur wenig Blut aufnehmen
können und nach und nach obliteriren , eine venöse Blutmi-
schung und Anhäufung im rechten Herzen und allen Venen-
stämmen bedingt, welche dadurch erweitert werden, und als
fernere Folgen passive Hyperämie der Leber, und hydropi-
sche Erscheinungen herbeiführen können. Der venösen Blut-
mischung", der Erweiterung des rechten Herzens und der Atro-
phie des Lungengewebes wird die Immunität vor Tuberculose
zugeschrieben, welche an jenen sich nachweisen lässt, die
an ausgebreitetem Emphyseme leiden , und derselben Quelle
verdanken die cyanotische Färbung und die subicterischen
Erscheinungen , welche im Sommer so häufig an Emphyse-
matösen beobachtet werden , ihren Ursprung.
Der Tod erfolgt durch Apoplexie , Lähmung der Lun-
gen oder des Herzens, oder durch Asphyxie.
Diagnose. Alle von den Autoren angeführten , sub-
jeetiven Symptome des Emphysemes haben keinen diagnosti-
schen Werth , und nur die genaue Untersuchung vermag in
diesem Falle Aufschluss zu geben.
inspection. Der Thorax ist fassförmig aufgetrieben,
nach allen Durchmessern vergrössert, am Brustblatte gewölb-
ter; der Schwertfortsatz aufwärts gebogen, die Wirbel-
säule mehr convex. Die Zwischenrippenräume werden erwei-
260
fert gefunden, ihre Muskel erscheinen aber weder vorgetrie-
ben, noch haben sie ihre Beweglichkeit eingebüsst. In der
Rückenlage sieht man, dass trotz heftiger Anstrengung die
Brust sich nur wenig bewegt, die hypertrophischen Hais-
und die Muskel der mittleren Bauchgegend erscheinen fast
allein mobil. In der Herzgegend fehlt das sichtbare Anschla-
gen der Spitze und statt dessen sind in der Herzgrube Un-
dulationen zu sehen. Einseitige Emphyseme lassen die be-
treffenden Erscheinungen nur an einer Brusthälfte erkennen.
P a 1 p a t i o n. Stimmvibrationen und Schwingungen star-
ker Rasselgeräusche werden von den aufgelegten Händen
wohl wahrgenommen , die Athembewegungen aber erweisen
sich als fast unfühlbar. Die Herzspitze wird zuweilen nach
abwärts gegen die Magengrube gefühlt.
Mensuration. Durch die Messung erkennen wir die
entweder ein- oder beiderseitige Vergrösserung aller Durch-
messer besonders in derRegio mammaria und von vorne nach
rückwärts.
Percussion. Umschriebenes an einer verdichteten
Partie gelegenes Lungenemphysem gibt hellen tympaniti-
sehen Schall beim Anklopfen. Verbreitetes vesiculäres Em-
physem gibt bei hinreichender Entwickelung sehr vollen und
hellen Percussionston , der aber nicht tympanitisch , und in
weiterem Umfange als der normalen Grösse der Lunge zu-
kommt, zu hören ist, also sowohl in der Leber- als in der
Herzgegend gefunden wird , während die diesen Organen
entsprechende Dämpfung tiefer nach abwärts gesucht wer-
den muss.
Auscultation. Wegen des fast stets zugleich vor-
handenen Bronchialcatarrhes hört man alle Arten vonRassel-
geräuschen, besonders die trockenen und in der obern Brust-
gegend. Das vesiculäre Athmen ist zwar vermindert, zu-
weilen rauh, reicht aber tiefer nach abwärts, als im Normal-
zustande; zuweilen findet man die Exspiration verlängert,
was iu der Stenose der Bronchialzweigchen und der ver-
«81
minderten Elasticität des Lungenparenchymes seinen Grund
zu haben scheint.
Haben die Lungen ihre Elasticität verloren , so ist fast
gar keine Respiration mehr zu hören. Sind durch Zusam-
menfliessen mehrerer Lungenbläschen bohnengrosse Höhlen
entstanden , hört man ein trockenes , grossblasiges , gleich-
sam schmelzendes Rasseln. (Skoda.)
Übrigens können auch alle angeführten Geräusche fehlen.
Unterschiede. Verwechslung wäre mit Pneumo-
thorax und pleuritischem Exsudate möglich.
P neumothorax
aber
a) zeigt schnelle Vergrös-
serung des Thorax, nach
allen Durchmessern;
b) die Intercostalmuskel
unbeweglich ;
cj die Brustwände ela-
stisch ;
dj tympanitischen Per-
cussionston ;
ej metallisches Klingen,
das alle Geräusche begleitet ;
Jj das vesiculäre Athmen
fehlt besonders an der Vor-
derfläche der Brust, da die
Lunge verdrängt ist;
gj das Herz kann über
die Mittellinie des Körpers
verschoben werden;
hj Lage meistens aufrecht.
Emphysem
langsame, nach
allen Durchmes-
sern, vorzüglich
aber nach oben ;
beweglich;
massig elastisch ;
hellen , vollen
Schall ;
nie ;
wird wahrge-
nommen , insbe-
sondere das Aus-
athmen an der
vorderen Brust-
fläche;
das Herz sinkt
schräge nach
ab- und einwärts
gegen die Ma-
gengrube ;
aufrecht und
vorgebeugt;
P 1 e uritis ches
Exsudat
die Vergrösserung betrifft
am meisten die untern Theile
der Brust;
vorgetrieben und unbeweg-
lich ;
gering elastisch, sehr resi-
stent beim Anklopfen;
matten, leeren Schall;
nie ;
ist vermindert, selbst feh-
lend; im Niveau der Flüs-
sigkeit zuweilen bronchiales
Athmen, Bronchophonie und
Aegophoräe, besonders rück-
wärts und an der Seite ;
das Herz kann über die Mi'-
telünie verdrängt werden ;
auf der kranken Seite, da
sonst die gesunde Lunge
gedruckt würde.
282
2. Inte r lobuläres Lungenemphysem.
Häufiges Ansichhalten des Athmens, besonders bei
gleichzeitiger heftiger Muskelanstrengung bewirkt zuweilen
ein Bersten mehrerer Lungenzellen , wrodurch der Luft der
Austritt in das interstitielle Zellgewebe gestattet wird und
daselbst Blasen von verschiedener Grösse entstehen , welche
bald wie Schaum aussehen , bald aber bedeutender und hin
und her wegdrückbar sind.
Gefahr wäre nur durch gleichzeitiges Bersten der Pleura
und Erzeugung eines Pneumothorax oder durch Verbreitung
des Luftaustrittes durch das Mittelfell auf den Hals und da-
durch entstehendes allgemeines Emphysem vorhanden.
Diagnose. Dieselbe ist nicht zu machen, da uns noch
sichere Kennzeichen dieses Zustandes mangeln. Lännec
hält hellen Percussionsschall und ein durch Anstreifen vorra-
gender Luftblasen erzeugtes Reibungsgeräusch an der Pleura
für wichtige Merkmale.
Die Lungeiiblutiiiig.
Blutungen in den Lungen entstehen entweder primär
oder secundär als Begleiter anderer krankhafter Processe.
Primäre Lungenblutungen sind Folgen des Durch-
schwitzens von Blut in die Lungenbläschen oder in Zerreis-
sung letzterer begründet. Sie kommen in den Blüthejahren
und bei Männern häufiger vor, als bei Frauen und werden
durch heftige Bewegungen , traumatische Einwirkungen ,
Einathmen reizender Dämpfe, Schreien, Husten u. s. w.
veranlasst.
Secundäre Lungenblutungen sind Folgen von Krank-
heiten , welche den Kreislauf auf mechanische Weise hin-
dern , oder durch veränderte Mischung des Blutes
dessen Durchschwitzen begünstigen, wie excentrische Hy-
pertrophie des rechten Herzens , Stenose des linken Oslium
venoßum; Hyperämie der Lunge und Stasis, kurz bevor es
zur Bildung einer Pneumonie kommt, so wie in der Tuber-
283
culose , Arrosion eines Gefässes , Krankheiten , welche eine
grössere Provinz der Lungen der Respiration entziehen, wie
grosse pleuritisehe Ergüsse , Pneumothorax u s. w. ,
Schwächezustände, Typhus, Scorbut.
Anatom, patholog. Charaktere.
Das Blut gerinnt in den Lungen, ausser es würde gleich
vollends durch Husten ausgeworfen. Kommt es zur Coagu-
lation , so findet man einen oder mehrere erbsen- bis 4 Cu-
bikzolle grosse, vom gesunden Parenchyme abgegränzte,
braun oder schwarzroth gefärbte Stellen von meistens grob-
körnigem Gefüge und Brüchigkeit, die im Wasser nicht
schwimmen und an der Luft sich lebhafter röthen. Infarc-
tus ha em op to'icus.
Zerreisst das Lungenparenchym , so bildet sich ein lo-
ckeres, mürbes, unregelmässiges, nie scharf begränztes
Coagulum. Apoplexia pulmonum.
Dieser Zustand kommt am häufigsten an der Lungen-
wurzel vor, und es geschieht nicht selten, dass bei gleich-
zeitiger Zerreissung der Pleura auch Blut in ihre Höhle sich
ergiesst.
Nach und nach wird ein Theil des ausgetretenen Blutes
ausgehustet, der andere resorbirt, doch bleiben zuweilen
faserstoffige Gerinnungen zurück , über denen das Lungen-
gewebe einschrumpft und narbig eingezogen wird. Zuweilen
"kommt es hier eben so zur Bildung einer Cyste , in welcher
das ausgetretene Blut eingeschlossen wird , wie in der Apo-
plexia cerebri.
Diagnose. Meistens ist mit Lungenblutungen eine
fieberhafte Erregung im Bunde. Auch sinken die Kräfte
schnell, besonders bei grossem Verluste, und wenn die
Kranken über das ausgehustete Blut sehr erschrecken. Übri-
gens können Lungenblutungen bestehen , ohne sich durch
Husten oder Sputa kund zu geben. Merkwürdig ist die Ge-
fahr der Recidiven und eine gewisse Periodicität einzelner
Anfälle.
284
Die physicalische Untersuchung* ermittelt bei geringen
Blutungen und bei solchen , welche in der Tiefe Statt finden,
und von lufthaltigem Gewebe umgeben sind, oft keine andern
Symptome, als jene einer vorhandenen Tuberculose oder
eines bestehenden Herzfehlers, welches Ergebniss dann auf
die Therapie wichtigen Einfluss ausübt . daher die Explora-
tion in Rücksicht der Diagnose genannter Zustände bei Lun-
genblutungen nie zu vernachlässigen ist.
Percussion. Grössere oberflächliche Blutergüsse
dämpfen den Percussionsschall an einer umschriebenen
Stelle , mit fühlbarem aber schwachen Widerstände beim
Anklopfen.
Auscultation. Flüssiges Blut wird zuweilen je
nach seiner Gegenwart in grösseren Bronchien oder in den
Lungenzellen durch grosses, ungleichblasiges Rasseln oder
durch Knistern erkannt.
Oft hört man an umschriebenen Stellen, wenn es zum
Infarctus gekommen ist, nachLännec vermindertes Zell-
athmen , und in deren Umgebung Knistern. Bei sehr grosser
Ausdehnung eines häm ptoischen Herdes kann bronchiales
Athmen und Bronchophonie entstehen. Häufiger als die Cre-
pitation erscheinen , wie schon erwähnt , alle Arten von
feuchten und trockenen Rasselgeräuschen.
Mit der Resorption des Blutergusses mindern sich alle
physicalischen Zeichen , doch bleibt noch längere Zeit an
der betreffenden Stelle vermindertes Vesicularathmen zurück.
Das Lungenödem«
Wenn die Lungenzellen und das interstitielle Ge webe
von einer serösen Flüssigkeit erfüllt sind , so nennen wir
diesen Zustand das Lungenödem.
Es entsteht primär oder secundär durch andere
krankhafte Processe bedingt; sehr schnell aber innerhalb
weniger Stunden tödtlich verlaufend , Oedema acutum.
»85
oder dauert durch Monate, 0 e d. chronicum, ausgebrei-
tet oder umschrieben.
Anatom patholog. Charaktere.
Acutes Ödem. Die Lunge ist ausgedehnt, ela-
stisch, so dass der Fingerdruck nicht bleibt, und Knistern
dabei vernommen wird , roth , blutreich , leicht zerreisslich,
aus der Schnittfläche fliesst eineblassrothe, schaumige Flüs-
sigkeit, in dem Lungengewebe zeigt sich passive Stase.
Dasselbe begleitet gerne Entzündungszustände und bedingt
bei Verbreitung über beide Lungen und gleichzeitiger Hy-
perämie des Gehirnes jene Todesart , die unter dem Namen
des Stickflusses bekannt ist.
Chronisches Ödem. Die Lunge verliert allmälig
ihre Elasticität, wird zähe, fast luftleer, behält den Finger-
eindruck und knistert nicht dabei , aus der Schnittfläche er-
giesst sich schmutzig grünliche Flüssigkeit ohne Luftblasen.
Ursachen. Das verbreitete acute Ödem be-
gleitet acute und chronische Bronchialcatarrhe. Exanthema-
tische Processe scheinen bei anomalem Verlaufe durch Hy-
perämie und gleichzeitige Blutentmischung die Entstehung
desselben besonders zu begünstigen*, nicht minder alle Krank-
heiten, welche auf mechanische Weise den Blutumlauf in
den Lungen hindern , wie Vergrösserung der Bronchialdrü-
sen , Aneurysmen , excentrische Hypertrophie des rechten
Herzens, Insufficicnz der Bicuspidalklappen , Stenose des
linken Ostium venosum u. s. w. Oft bedingen auch Paralyse
des Gehirnes, Hypostase in den unteren Theilen der Lungen,
nach langer Rückenlage in chronischen Krankheiten und Anä-
mie; ein sich schnell bildendes acutes Ödem als Schlusscene.
Das umschriebene acute Ödem ist Begleiter der
Pneumonie, des hüiuoptoischen Infarctus, der Tuberculose,
des Croup u. s. w.
Das chronische Ödem tritt selten als für sich be-
stehende Krankheit auf, und verdankt theils denselben Ur-
sachen seine Entstehung, welche wir als die acute Form be-
286
treffend, so eben entwickelten , nur wirken diese dann lang-
sam; theils aber Gehirnleiden , Nierendegeneration, Anä-
mie u. s. w. sein Dasein. Die Flüssigkeit sammelt sich den
Gesetzen der Schwere zu Folge in den untersten Stellen der
Lungen , und kommt mit serösen Ergüssen in verschiedenen
Höhlen des Körpers gleichzeitig vor.
Diagnose. Bei acutem verbreiteten Ödeme
besteht verringerte Bewegung des Thorax, Respiratio su-
blimis , ungeheure Dispnöe und krampfiger Husten , durch
welchen schäumende ungefärbte oder blassröthliche Sputa
entleert werden.
Percussion. Normal, bisweilen heller und tympani-
tisch; bei abnehmender Kraft der Athembewegung und nahe
dem Tode bleibt der Percussionsschall vorne und oben tym-
panitisch ; wird aber hinten und unten leer und dumpf.
Auscultation. Das Athmungsgeräusch ist vermindert,
und nach Skoda höher und nähert sich dem Zischen. Meist
nach rückwärts und unten an der betreffenden Seite hört man
Crepitation , ist aber zugleich Flüssigkeit in den Bronchial-
ästen , so wird diese von andern Rasselgeräuschen aller Art
(consonirende ausgenommen) übertäubt.
Die Symptome des umschriebenen Ödemes sind die des
verbreiteten, nur auf eine kleinere Stelle beschränkt und we-
niger deutlich ausgesprochen.
Kranke , welche an chronischem Lungenödeme lei-
den, sehen cachectisch und livid aus , die Venosität ist über-
all ausgeprägt, die Lippen und Nägel sind blau, die Extre-
mitäten kalt. Stete Dyspnoe in jeder Lage des Kranken,
krampfhafter Husten , reichlicher farbloser Auswurf, geringe
Athembewegung trotz bedeutender Anstrengung. Die Schwin-
gungen im Innern enthaltener Scbleimmassen werden den
aufgelegten Händen zuweilen fühlbar. Die physicalischen
Symptome sind dieselben wie die des acuten Ödems. Um-
schriebenes chronisches Ödem gibt zuweilen bei schwachem
Anschlage einen matten Schall und Rasselgeräusche.
287
Der Tod erfolgt durch Gehirnlähmung*, welche entwe-
der Folge oder Ursache des Stickflusses wird.
Der Lungenbrand QSphacelus pulmonum).
Einer herrschenden Meinung zu Folge sollte man an-
nehmen, dass sich derselbe nur aus einer sehr heftigen Pneu-
monie und in ihrem Höhestadium bilden könne. Diess ist
wohl möglich 5 doch in den bei weiten häufigeren Vorkomm-
nissen dieser Art nicht der Fall. Er entwickelt sich unter
dem Einflüsse aller schwächenden Potenzen , im Typhus ,
bei Lungenabscessen, anomalen Exanthemen, Säuferdyscra-
sie , Scorbut , Contact mit Brandjauche u. s. w. meistens an
der rechten Lunge und an deren Peripherie , und ist entwe-
der diffus oder umschrieben.
Anatomisch-pathologische Charaktere.
Der umschriebene Brand zeigt eine Vorliebe für
den untern Lungenlappen und entsteht als unregelmässig ge-
formter , feuchter, teigiger, giünschwarzer Brandschorf,
der an dem umgebenden Gewebe noch etwas anhängt, und
aus welchem sich bei angebrachtem Drucke eine ähnlich ge-
färbte, grumöse, äusserst stinkende Flüssigkeit pressen lässt.
Bald stösst er sich ab und zerfliesst zu schmutzgrünem stin-
kenden Breie, der in einer Höhle enthalten ist, in welche
die angefressenen umgebenden Wandungen als Zoten hinein
ragen, und die sich durch Zerstörung desNachbarparenchy-
mes zusehends vergrössert. Häufig geschieht es , dass die
Brandjauche die Pleura durchbohrt und zur Entstehung eines
Pneumothorax Anlass gibt. Oft schreitet aber die Zerstörung
nach innen fort und bewirkt durch Arrosion von Gefässen
m
tödtliche Blutungen oder eröffnet sich den Weg in einen
Bronchus , durch welchen sie ihren Inhalt entleert.
Die nächste Umgebung eines brandigen Herdes ist er-
weicht und von schmutzig tingirtem Serum erfüllt (Xru-
288
veilhier's brandiges Ödem); darum entsteht eine reactive
Entzündung, die bei weiterer Ausbreitung das Ende des
Kranken noch beschleunigt.
Doch sind Fälle von Heilung beobachtet worden, indem
durch interstitielle Pneumonie und hiedurch entstandene Ei-
terung das Brandige abgestossen und ausgehustet wurde ,
worauf sich die nun entstandene Eiterhöhle, nach Roki-
tansky^ Zeugnisse, mit einer feinen Membran auskleidete,
die nach und nach fester und fibrös ward, und die Heilung nach
Art der später zu besprechenden Lungenabscesse und tuber-
culösen Cavernen durch Einsinken der Lunge und des Tho-
rax, so wie durch narbige Einziehungen, zu Stande kam.
Der diffuse Lungenbrand scheint eine Vorliebe
für den obern Lappen zu haben, ergreift einen grösseren Ab-
schnitt davon und bildet eine grosse unregelmässige Caverne
mit weichen, leicht zerreiblichen , ausgefressenen, zottigen
Wandungen , deren Umgebung sich vom gesunden Paren-
chyme nicht abgränzt, sondern durch alle Stufen eines Öde-
mes in selbe übergeht. Als Ursachen gelten dieselben , wel-
che für den umschriebenen Brand angegeben wurden; doch
kommen hiezu noch brandige Zerstörungen der Bronchial-
schleimhaut, die sich in deren Verästlungen weiter verbrei-
ten, typhöse und tuberculöse Geschwüre des Kehlkopfes ,
Angina membranacea, abnorme Exantheme u. s. w.
Diagnose. Die Erscheinungen, welche den Lungen-
brand anzeigen, sind : schnelles Sinken der Kräfte , Verfallen
des lividen Gesichtes, grosse Athemnoth, Husten, grünliche
oder bräunliche, äusserst stinkende Sputa, nervöse und adyna-
mische Erscheinungen, beiArrosion eines Gefässes Lungenblu-
tungen. Die physicalischen Symptome sind die der Cavernen im
Lungengewebe überhaupt , ohne Rücksicht ihrer Ursache.
Entsteht dabei Pneumothorax , so wird er durch die ihn
characterisirenden Erscheinungen erkannt. Bildet sich der
Sphacelus aus vorausgegangener Hypostase oder aus Pneu-
monie , so werden Anamnese und die Würdigung der den
-
289
genannten Zuständen entsprechenden Erscheinungen nicht
wenig zur sichern Stellung der Diagnose beitragen.
Hie Lungenentz iin<luii&- , Pneumonie.
Diese in der Praxis so häufig vorkommende Krankheit
entsteht entweder primär durch unmittelbare Einwirkung
schädlicher Einflüsse als: mechanische Verletzungen, Ein-
athmen reizender Dämpfe, Temperaturwechsel, übermässige
Anstrengung der Athmungswerkzeuge u. s.w. oder secun-
dar, als Folge von Krankheiten anderer Organe (Eiterre-
sorption etc.); sie ist entweder über einen ganzen Lungen-
lappen verbreitet QPn. lobaris) , oder ergreift nur kleinere
Stellen davon £ Pn. lobularisj , oder sie beschränkt sich nur
auf einzelne Stellen (Pn. ve$icularis~) . Oberflächlich oder in
der Tiefe befindlich verläuft der pneumonische Process ent-
weder acut oder chronisch , meistens in Folge activer Lun-
genhyperämie, doch kann die Entzündung auch als Pn. hy-
postatica } aus passiver Stase entstehen, welche in den un-
teren Lungenpartien sich oft entwickelt.
A. Aeute Pneumonie.
i. Die primäre, faserstoffige Lungenentzün-
dung.
Unter dieser Krankheit verstehen wir einen mit Faser-
stoffexsudation verbundenen, entzündlichen Process auf der
Schleimhaut der Lungenbläschen , der drei Stadien durch-
läuft. Nämlich der entzündlichen Anschoppung, der Hepa-
tisation und der eitrigen Schmelzung.
Anatomisch-pathologische Charaktere.
1. Stadium der entzündlichen Anschoppung.
Eröffnet man die Brusthöhle , so sinkt die Lunge nicht
so schnell zusammen, als im gesunden Zustande, ist statt
blassroth oder graulicht , gesättigt roth gefärbt , die darüber
liegende Pulmonalpleura matt und glanzlos. Der Fingerein-
Gaal Diagnostik. ( {9
290
druck wird nur langsam ausgeglichen und dabei wenig Cre-
pitation wahrgenommen. Das Gewebe ist leicht zerreisslich ,
doch beim Einschneiden zähe, dabei fliesst viel seröser
blutiger faserstoffhältiger Schaum aus und kann durch Wa-
schen aus den regelmässig geformten Bläschen entfernt wer-
den. Das Gewebe ist der Luft noch zugänglich und schwimmt
im Wasser. Gewöhnlich geht die Pneumonie binnen 3 — 7 Ta-
gen in das Stadium der Hepatisation über, doch ist auch Ge-
nesung selbst in dem ersten Zeiträume möglich.
2. Stadium der Hepatisation.
Ist die Lunge gleich ausgedehnt, so findet man doch
an ihrer Oberfläche weder die Eindrücke der Rippen , noch
sind die Nachbarorgane aus ihrer normalen Lage verdrängt.
Die Pulmonalpleura ist meistens undurchsichtig, und
die Farbe der Lunge scheint braunroth durch. Ihr Gewebe
ist zerreisslich und aus der dunkelrothen von weissen Strei-
fen des interstitiellen Gewebes und der durchlaufenden Ge-
fässe durchzogenen, körnigen Schnittfläche fliesst kein Se-
cret mehr, sondern man erhält nur beim Darüberstreifen mit
dem Messer etwas rothbrauner . grumöser Flüssigkeit. Die
Lunge ist schon viel schwerer, als im gesunden Zustande,
hält keine Luft mehr , sinkt daher auch im Wasser unter.
So roth in diesem Stadium die Lunge ist, so ist sie dennoch
blutleer, denn die rothe Färbung rührt nur von dem Blutfar-
bestoffe her, welcher dem in die Zellen ausgeschiedenen Fa-
serstoffe beigemischt ist, und in deren Capillargefässen ,
welche durch das Exsudat comprirairt sind , ist kein Kreisen
des Blutes mehr möglich.
Wird der ausgeschwitzte Färbestoff resorbirt, so be-
kommt die zurückbleibende Fibrin nach und nach eine gelb-
lichgraue Farbe und heisst graue Hepatisation , welche sich
aber von der vorigen rothen, nur durch die Farbe unterschei-
det , daher auch mit derselben nur ein Stadium der Pneumo-
nie darstellt» Die Dauer desselben ist verschieden , gewöhn-
lich vom 5. bis 12 Tage der Entzündung.
m
3. Stadium. Die eitrige Z e r f 1 i e s s u n g.
Das Lungengewebe färbt sich blassgelb , ist weich und
sehr leicht zerreisslich, so dass bei geringem Fingerein-
drucke im Herausnehmen im Innern Höhlen entstehen, welche
fürAbscesse gehalten werden können. Der Fingerdruck kehrt
langsam zurück und das speeifische Gewicht ist noch immer
grösser, als im gesunden Zustande. Aus der Schnittfläche
ergiesstsich viel eitrige Flüssigkeit mit Luftblasen gemischt;
in den meisten Theilen ist die körnige Structur schon ver-
schwunden und lässt sich der Eiter aus den Zellen durch Aus-
waschen entfernen. Die eitrige Schmelzung kommt durch
eine in der Peripherie entstehende neue Congestion, deren
abgesetztes Serum den Faserstoff durchfeuchtet und dessen
Verwandlung in Eiterzellen einleitet , zu Stande und ist der
nothwendige Ausgang jeder Pneumonie.
Auf diese Weise wird aller in den einzelnen Bläschen
abgelagerte Faserstoff aus denselben entfernt; ohne sie zu
gefährden und meistens unter der Form der Sputa coeta aus-
geworfen , übrigens aber auch auf anderen Wegen abge-
schieden.
Bei Verbreitung der Entzündung über einen grösseren
Kaum findet man häufig alle drei Stadien neben einander beste-
hen , und kann die Fortschritte des Leidens leicht nach-
weisen.
Folgezustände. Durch die innige anatomische Ver-
bindung der Bronchialschleimhaut mit jener der Lungenbläs-
chen wird die fast jedesmalige Verbreitung des inflamma-
torischen Processes auf jene bedingt und es entsteht dadurch
ein entzündlicher Bronchialcatarrh, der meistens noch länger
dauert als die Pneumonie selbst.
Häufig erstreckt sich der Inflaminationsprocess bis zur
Pulmonalpleura als Pleuropneumonie, doch ist das
dadurch gesetzte Exsudat nur sparsam und erscheint meist
nur als Trübung des Rippenfelles und flockiger Beschlag an
demselben.
19 #
392
Im Herzen und in den grossen Gefässen findet man häufig
fibrinöse Gerinnungen , an den Meningen zuweilen Zeichen
von Entzündung, wobei die Pneumonie unter nervösen Er-
scheinungen zu verlaufen pflegt ; die Leber und Milz hyper-
ämisch.
Ursachen. Männer, vorzüglich Individuen, welche durch
heftige Anstrengung der Arm- und Brustmuskel häufigen
Congestionen zu den Lungen unterworfen sind, wie Schmiede,
Schreiner , Schiffer u. s. w. sind zur Pneumonie besonders
disponirt. Öfter kommt sie rechterseits und an den unteren
Lappen vor, als links und an den oberen Partien. Doch stehen
meine Erfahrungen mit jenen von Stokes und Grisolle
in vollkommenem Einklänge, dass gewisse epidemische Ein-
flüsse das Vorkommen der Pneumonien in den oberen Lappen
begünstigen. Beiderseitige Pneumonien bestehen selten, und
wenn sie vorkommen, beginnt die Entzündung in einer Brust-
hälfte erst , nachdem sie in der andern schon mehr vorge-
schritten ist, und kommt zuweilen gekreuzt vor, z. B. rechts
im oberen , links im unteren Lappen.
Ausgänge. In Genesung in jedem Stadium, in
den Tod durch Lungenödem, Lungenlähmung, Gehirndruck,
übermässige Ausscheidungen von Faserstoff, acute Magen-
erweichung u. s. w. in andere Krankheiton als Ab-
scessbildung, indurirte Hepatisation, Lungenbrand, infil-
trirte Tuberculose und Krebs.
1. Abscessbildung kommt in der Lunge selten
vor. Dazu ist es nöthig, dass das Entzündungsproduct auch
in das interstitielle Gewebe abgelagert werde, daselbst eitrig
schmelze , die Wandungen zerstöre und mehrere Zellen in
einen grösseren , rings von infiltrirtem Gewebe umgebenen ,
Abscessherd vereinige. Derlei Eiterhöhlen sind unregelmäs-
sig geformt, mit unebenen zottigen Wandungen versehen,
und von der Grösse einer Bohne bis zu der einer Faust. Ist
der Abscess noch so klein , dass er keinen grösseren Bron-
chus erreicht, so wird sein Inhalt nicht entleert; wird aber
293
ein Bronchus eröffnet und der Eiter dadurch ausgeworfen ,
so entsteht eine sogenannte Vomica aperta. Eiterresorption
und durch selbe eingeleitetes Fieber bedingen die Phthisis
ulcerosa. Durchbohrung der Rippenwand, setzt Pneumopyo-
thorax, wenn nicht das plastische Exsudat einer adhäsiven
Pleuritis der Perforation einen Damm setzt; dass dabei selbst
Durchbruch der Zwischenrippenmuskel und Bildung von Em-
pyema externum entstehen könne , hat die Erfahrung dar-
gethan.
Kommt es in seltenen Fällen zur Heilung eines Lungen-
abscesses, so finden wir das umgebende Gewebe indurirt, die
betreffenden Bronchialäste obliterirt und an ihrem blinden
Ende sackförmig aufgetrieben; sinken die Wände der Höhle
an einander und verbinden sich durch adhäsive Entzündung,
so sieht man , war der Abscess gross und oberflächlich ,
narbige Vertiefung und Einziehung* der leidenden Stelle.
2. Indurirte Hepatisation entsteht, wenn das
plastische Entzündungsproduct nicht eitrig schmilzt und sich
nicht weiter fort bildet , d. i. obsolescirt.
Das Gewebe ist dann braungrau , fest und callös , ent-
weder in der ganzen früher hepatisirten Partie oder nur in
deren Umkreise, während die mittleren Theile sich in Tuber-
kel verwandeln , deren weitere Entwicklung dann durch das
umgebende callöse Gewebe häufig beschränkt, wenn nicht
vereitelt wird.
Durch Druck des verhärteten Gewebes wird die unter-
liegende lufthaltige Partie atrophisch , sinkt die Brustwand
darüber ein , weicht selbst die Richtung der Wirbelsäule aus
und können sich durch Beschränkung des Kreislaufes, dem
die verödete Stelle entzogen wird, Venosität, Dilatation des
rechten Herzens und hydropische Erscheinungen entwickeln.
3. Verwandlung in Tuberkelstoff entsteht un-
ter den bei Betrachtung der Tuberculose näher zu erörtern-
den Bedingungen. Die graue Hepatisation löst sich auch in
diesem Falle nicht, wird kreidig gefärbt und bleibt so eine
994
Zeitlang unverändert, bis sie sich zu käsiger schmieriger
Tuberkelmasse umstaltet, was entweder mit der ganzen He-
patisationsmasse oder nur mit deren centralen Theilen ge-
schieht, während die peripherischen Stellen sich in callöses
indurirtes Gewebe verwandeln. Weiteres über diesen Process
sowohl , als über die Verwandlung in Krebsmasse und über
Lungenbrand ist in den betreffenden Abschnitten nachzulesen,
Diagnose.
Allgemeine Symptome.
Der Puls steht gewöhnlich im Verhältnisse zur Aus-
dehnung des entzündlichen Processes, der Häufigkeit der
Respiration und der Gefahr, und beträgt auf der Höhe der
Krankheit 120 — 140 Schläge in der Minute. Derselbe ist
häufig scheinbar klein und unterdrückt; erscheint er aber bei
sehr schneller Respiration unverhältnissmässig langsam, so
deutet diess auf ungünstigen Ausgang.
Verstärkte Herzaction, deren Stösse besonders
beim Sitze der Hepatisation an der Vorderfläche der linken
Brust, besonders leicht sich auch in Distanz fühlbar machen,
ist kein zu seltenes Symptom. Das aus der Ader gelassene
Blut zeigt gewöhnlich , so lange die Hepatisation dauert ,
eine Crusta phlogistica , welche im Stadium der eitrigen
Schmelzung nach und nach wieder verschwindet. Das ent-
zündliche Fi eb er beginnt gewöhnlich mit einem hefti-
gen Schüttelfröste, der sich nur selten wiederholt, bei Bil-
dung eines Lungenabscesses und Eiterresorption aber , wie
bei einer Intermittens , sich zu verhalten scheint. Bei Ge-
hirndruck, grosser Ausbreitung des entzündlichen Processes,
Complication mit Endo- und Pericarditis , Erschöpfung der
Kräfte , übermässiger ßlutentziehung bekömmt das Fieber
einen adynamischen Charakter. Leichte Hirn- und ga-
strische Symptome sind gewöhnlich , besonders letz-
tere, sollen daher auch nicht zur Annahme einer Pneumonia
gaHrica, die nur zufälliger Complication ihre Entstehung
295
verdankt , verleiten ; Neigung zu Diarrhöe ist keine er-
wünschte Erscheinung.
Das Gesicht ist voll und roth , bei grösseren Fort-
schritten der Hepatisation aber blasser, oft icterisch gefärbt,
und die Wangenröthe nur flüchtig und umschrieben , beson-
ders bei Abscessbildung und Tuberkelinfiltration. Eine um
den Mund und die Nasenflügel erscheinende Hydroa ist ein
günstiges Zeichen. Die Zeichen der Haut sind die, welche
Entzündungsprocessen gewöhnlich zukommen. Biliöse Er-
scheinungen sind , besonders zur Sommerszeit und da die
Leber, welche an der Erhaltung der Blutmischung grossen
Antheil hat , während der behinderten Respiration mit venö-
sem Blute überfüllt wird , nicht selten, gestatten aber nicht
eine eigene Species der Pneumonie: die Pn. biliosa aufzu-
stellen. Der Urin ist wie in Entzündungskrankheiten, doch
zeigt die Lungenentzündung gerne solemne Harncrisen. Die
Betrachtung der Lage kann nur bei Complication mit Pleu-
ritis eine Bedeutung1 gewinnen , ausser derselben ist sie ganz
willkürlich. Der Schmerz ist keine charakteristische Er-
scheinung, er ist meistens drückend und oft durch die Brust-
warze der leidenden Seite bis zum Rücken stechend. Der
Husten begleitet gewöhnlich die Pneumonie von ihrem Be-
ginne bis zum Ende , doch kann er auch fehlen. Der Aus-
wurf ist anfangs weiss und schaumig, wird immer mehr
zähe, anhängend, glasartig und durch Blutfarbestoff und
Blutkugeln roth und rostfarb tingirt , stellt aber im Stadium
der eitrigen Zerfliessung die Sputa purulenla , cocta der
Praktiker dar. Die microscopische Untersuchung des Aus-
wurfes ist aber in jedem Stadium und bei allen möglichen
Ausgängen der Pneumonie von hoher Wichtigkeit ; übrigens
können Lungenentzündungen auch ohne allen Auswurf ver-
laufen , zumal bei kleinen Kindern.
Physicalische Symptome.
Inspection. Wir sehen eine beschleunigte mühsame
Respiration, wobei sich die leidende Seite weniger bewegt,
396
als die gesunde (Respiratio inaequalis , obliqua). Sitzt die
Pneumonie in den obern Lappen, so ist die Respiration mehr
eine abdominalis } diaphraymatica } sitzt sie in den unteren
Partien , eine sublimis. Die Zwischenrippenräume sind da-
bei beweglich und nicht vorgetrieben. Über grossen Absces-
sen findet man den Thorax zuweilen eingesunken.
Mensuration und Palpation. Durch die Messung
wird nichts Abnormes nachgewiesen. Die Palpation findet das
Herz an seiner gewöhnlichen Stelle , aber die Vibrationen
der Stimme über der hepatisirten Stelle etwas vermindert.
Percussion. Ist der pneumonische Process an der
Oberfläche der Lunge unter einer biegsamen Brustwand , so
findet man den plessimetrischen Schall häufig voll und tym-
panitisch , so lange die Lungenzellen ausser dem flüssigen
Faserstoffe noch Luft enthalten. Je mehr sich aber das erste
Stadium der Pneumonie dem der Hepatisation nähert, um so
weniger Luft befindet sich mehr in den Lungenzellen, und
um so mehr wird der Percussionsschall leer, gedämpft und
steigert sich die fühlbare Resistenz beim Anklopfen. Cen-
trale Hepatisationen werden durch das Plessimeter nicht er-
kannt. Im Stadium der Lösung ist der Percussionsschall wie
im ersten Stadium oder bleibt noch durch längere Zeit
etwas gedämpft. Ödem der angränzenden Stellen und Em-
physem der Ränder geben zuweilen einen tympanitischen
Schall über denselben.
Auf den Veränderungen des Percussionsschalles, welche
sich bei wiederholter Untersuchung ergeben , schliessen wir
auf Zu- oder Abnahme des Leidens.
Auscultation. So lange noch in den Lungenbläs-
chen keine Ausscheidung zu Stande gekommen, während
die Capillargefässe doch schon von Blute strotzen , hört man
oft wegen der dabei Statt findenden Anschwellung der Bron-
chialschleimhaut, verschärftes, selbst rauhes , vesiculäres
Athmen. Tritt aber in die Lungenbläschen Flüssigkeit aus,
ohne jedoch den Zutritt der Luft gänzlich abzuschliessen,
297
so hören wir ein feines, gleichblasiges Rasseln, Crepita-
tion, das sich hei weiteren Fortschritten der Pneumonie
weiter mit dem Ohre verfolgen lässt , und dem wir als einem
der wichtigsten Kennzeichen des Beginnes dieser Krankheit
volle Gerechtigkeit widerfahren lassen müssen. Tritt im
1. Stadium Heilung ein , so kehrt das Knistern wieder in
das verstärkte Athmen zurück ; schreitet die Entzündung
aber weiter vor, so macht sie in dem Stadium der Hepati-
sation dem Bronchialathmen Platz, das an den Stellen, welche
matten Pcrcussionsschall geben , im Vereine mit Broncho-
phonie gehört wird, vorausgesetzt, dass darin ein Bron-
chialast verläuft, welcher der Compression widersteht und
mit einem Hauptstamme communicirt ; wird deren Verbindung
durch Verstopfung mit Schleim u. s. w. aufgehoben, so fehlt
das bronchiale Athmen auf so lange , bis die Luft wieder
freien Zutritt bekömmt.
Begleitende Rasselgeräusche entstehen in den Bronchien
und sind desto grossblasiger, je weiteren Raum die Bron-
chien ihren Blasen gewahren. Unter Erfüllung der Bedingun-
gen der Consonanz werden auch entfernte Rasselgeräusche
über hepatisirten Stellen gehört.
In der andern relativ gesunden Lunge wird supplemen-
täres Athmen vernommen , da sie nun auch nach Möglich-
keit die Function der erkrankten Partie übernehmen und voll-
führen muss.
Im dritten Stadium wiederholen sich alle angeführten
physicalischen Symptome , aber in umgekehrter Reihenfolge.
Doch ist das dabei hörbare Knistern grossblasiger und mehr
dem Schleimrasseln ähnlich.
Indurirte Hepatisation, Tuberkel und
Krebsinfiltrat geben die Zeichen der Hepatisation. Ca-
vernen und Lungenabscesse, welche durch ihre Com-
niunicalion mit einem Bronchus sich wenigstens zum Theile
mit Luft füllen , geben ziemlich vollen und bei oberflächli-
cher Lage sogar tympanitischen Schall, zuweilen das Ge«
298
rausch des gesprungenen Topfes, welche Töne bei sehr gros-
ser Ausdehnung und Regelmässigkeit der Höhle vom metal-
lischen Klange begleitet sein können. Das Stethoscop weist
darin Athem und Stimme mit cavernösem Charakter, amphori-
schen oder metallischen Klang nach.
Unterschiede. Die Hepatisation kann mit Bron-
chitis nicht verwechselt werden, da letztere keine physi-
calischen Symptome, ausser verschiedenen nicht consoniren-
den Rasselgeräuschen darbietet.
Apoplexia pulmonum wird durch das plötzliche
Auftreten, das Fehlen des Fiebers im Anfange , die blutigen
nicht zähen Sputa charakterisirt und ergibt nur bei hinläng-
licher Grösse und oberflächlicher Lage des Herdes, Dämpfung
des Percussionsschalles und bronchiales Athmen. Doch ent-
wickelt sich häufig um denselben consecutive Pneumonie (den
7. — 9. Tag) , welche durch die gewöhnlichen Zeichen
erkannt wird.
Lungenödem zeigt zwar häufig Knisterrasseln , nie
aber bronchiales Athmen. Der Percussionsschall ist meistens
sonorer, selbst tympanitisch, die Dyspnoe heftig , die Ent-
stehung schnell und der Auswurf schaumig, nicht zähe,
mehr serös.
Die Unterschiede der Pneumonie vom pleuritischen
Exsudate sind schon entwickelt worden.
2, Die secundäre, acute, faserstoffige Pneu-
monie,
Diese Lungenentzündungen sind in einem voraus ge-
gangenen Leiden eines andern Organes begründet und er-
scheinen meistens nur als lobuläre Pneumonien , sind übri-
gens aber nach Sitz und Ausdehnung vei schieden.
Ihre anatomisch-pathologischen Charaktere und ihr Ver-
lauf sind dieselben, welche wir an primären Pneumonien beob-
achten. Ein häufiger Entstehungsgrund sind wasserstoffige
Entzündungen anderer Organe, z. B. Angina membranacea}
999
Bronchitis calarrhosa, Grippe u. s. w. ; abgelagerte Tuber-
kel, Variolen, Masern, Eitergährung des Blutes und der
typhöse Process haben nicht selten secundäre Pneumonie in
ihrem Gefolge. Endlich entstehen letztere aus passiver Stase,
herbeigeführt durch lang fortgesetzte Lage auf dem Rücken
oder einer Seite , als sogenannte bypostatische Pn.
Entwickelt sich der entzündliche Process durch Ver-
breitung von der Bronchialschleimhaut auf die Lungenbläs-
chen, so entsteht die sogenannte catarrhalische Pneu-
monie, welche immer nur lobulär ist und zerstreute, derbe
Läppchen zeigt, welche aus impermeablen Lungenzellen be-
stehen , in welchen der exsudirte Faserstoff keine granulirte
Hepatisation, sondern nur eine zähe Gerinnung bildet, wel-
che sich auch in die mit den Bläschen zusammenhängenden
feinsten Bronchialzweige verbreitet , und deren Lumen ver-
stopft. (Pneumonia capillaris, mancher Praktiker.) Das ge-
sunde umgebende Gewebe ist meistens anämisch und emphy-
sematös aufgebläht.
Die durch Aufnahme von Eiter in die Blutmasse, Zer-
fallen derselben und Verwandlung des Faserstoffes in Eiter,
der dann in verschiedenen Organen sich absetzt , zu Stande
kommende metastatische Lungenentzündung wird von den
Praktikern schlechtweg Lobular - Hepatisation ge-
nannt , wiewohl es dabei zu keiner eigentlichen Hepatisation
kommt. Veranlassung sind eiternde Wunden, Abscesse, Phle-
bitis , Variolen im Suppurationsstadium, wenn ihr Inhalt re-
sorbirt wird , Puerperalprocess u. s. w. Man findet dann
schwarze umschriebene erbsen- bis nussgrosse Stellen, wel-
che später sich graugelblich färben und keine Granulation,
sondern eitrige Flüssigkeit erkennen lassen. Im Umkreise ist
das Gewebe etwas entzündlich infiltrirt und geht dann ins ge-
sunde Parenchym über.
Solche Lobularabscesse zerstören die angränzenden Ge-
bilde, und die eingeleitete reactive Entzündung trägt nur zu
weiterem Umsichgreifen des Processes bei. Gelangen solche
300
Eiterherde an die Pleura, so wird sie durchbohrt oder bran-
dig zerstört und der Tod erfolgt durch den nun entstehenden
Pneumothorax, wenn die schon früher bestandene , eitrige
Blutvergiftung* nicht schon dem Leben des Kranken ein Ende
gesetzt hatte.
Diagnose. Die Anamnese leistet hier mehr als die
sorgfältigste Untersuchung. Die Percussion ergibt , wegen
des zwischenliegenden gesunden Lungenparenchymes, keine
Dämpfung des Schalles; durch das Stethoscop werden höch-
stens die Zeichen des begleitenden Bronchialcatarrhes wahr-
genommen, welche entweder weiterverbreitet oder besonders
bei der metastatischen Pneumonie auf umschriebene Stellen
beschränkt sind.
Hypostatische Pneumonien entstehen aus pas-
siver Stase, welche sich in den untern und hinteren Partien
derselben in Folge langer Bücken - oder Seitenlage , bei
Schwächekrankheiten, nach Operationen, in Hirnleiden,
Säuferwahnsinn, Typhus, Paralysen u. s. w. entwickelt,
und oft in beiden Lungen, häufiger aber in der rechten, als
in der linken beobachtet wird. Im Typhus ist die Untersu-
chung der Brust nie zu vernachlässigen.
Anatomisch-patholog. Charaktere. Nach hin-
ten und unten zu findet man oft in Form umschriebener Herde
das Lungengewebe geschwellt, mürber, leicht zerreisslich?
dunkel , selbst schwarzroth gefärbt, weniger elastisch, luft-
leer und aus der glatten glänzenden Schnittfläche , welche
keine körnige Structur darbietet , eine häufig albuminöse,
mit viel Serum und Cruor gemischte Flüssigkeit ergiessend.
Die Bronchien sind oft mit zähem, braunem Schleime erfüllt.
Tritt nicht durch eitrige Schmelzung des Entzündungspro-
ductes Genesung ein , so entsteht Tuberculose oder Brand,
und in dessen Gefolge durch Zerstörung der Pleura Pneu-
mothorax.
Diagnose. Die Krankheit wird nur durch die physi-
kalischen Zeichen erkannt. Anfangs, so lange die Lungen^
301
Wäschen noch nicht ganz unwegsam sind, hören wir Schleim-
rasseln , ist aber letzteres schon der Fall, so finden wir die
Zeichen der Hepatisation.
Der verschiedene Zustand des Lungengewebes in ver-
schiedenen Lebensperioden bedingt auch Modificationen des
pneumonischen Processes , welche jenem entsprechen. Als
solche haben wir zu betrachten : a) die Pneumonie der Kin-
der, und b) jene der Greise.
a) Pneumonie der Kinder. In derselben ist, der
bei Kindern mehr eiweisshältigen Blutmischung entspre-
chend, auch das Entzündungsproduct reicher an Albumen,
als an Faserstoff. Dasselbe erscheint unter der Form von zer-
streuten Lobularinfiltrationen , welche oft schon von aussen
durch ihren Widerstand beim Anfühlen zu erkennen sind,
keine körnige Schnittfläche haben , übrigens aber die Cha-
raktere der Lobularpneumonien und ihrer Stadien, wie sie
eben beschrieben wurden , an sich tragen ; kommt es zu lo-
baren Entzündungen, so sind die Hepatisationsstellen immer er-
weicht (v. Kiwi seh) und gehen selbst in Abscessbildung
über. Lobuläre Pneumonien sind häufiger auf beide Lungen,
lobäre nur auf eine verbreitet.
Diagnose. Heftiges, entzündliches Fieber, zuwei-
len mit Delirien und Sopor verbunden, trockene Haut, gelb-
liche, oft livide Färbung des Gesichtes, Offenstehen der,
bei jedem Athemzuge bewegten Nasenflügel , fast unzählba-
rer Puls bei 70 — 80 Afhemzügen in der Minute , Husten ,
ohne Expectoration , sind die nicht ungewöhnlichen funefio-
nellen Zeichen der Pneumonie an Kindern.
Percussion. Nur grössere, lobäre Hepatisafionen
dämpfen den Schall , lobuläre lassen sich nicht erkennen.
Auscultation. Man findet dem begleitenden Catarrhe
zu Folge meistens starke Rasselgeräusche, welche es selten
gestatten Crepitation wahrzunehmen. Bei lobären Hepatisa-
fionen hören wir zuweilen Athem und Stimme bronchial, doch
muss man sich hüten, bei heftigem entzündlichen Fieber, ein
302
etwa vorkommendes pueriles Athmen für bronchiales zu hal-
ten und eine Pneumonie zu vermuthen, wo ein ganz anderes
Leiden im Hintergrunde ist.
bj Pneumonie der Greise. Anatomisch-pa-
thologische Charaktere. Die Schleimhaut der Bron-
chien zeigt einen alle Stadien begleitenden catarrhalischen
Zustand , ist geröthet und von zähem Schleime erfüllt. Die
Lungenzellen sind im ersten Stadium stark injicirt und gerö-
thet, zähe beim Einschneiden und enthalten eine klebrige,
gering schäumende , röthlich weisse Flüssigkeit.
Im Stadium der Hepatisation sind die Lungen nie beson-
ders ausgedehnt , noch ist ihr Gewicht so vermehrt, dass sie
im Wasser untersinken. Die Schnittfläche erscheint wenig
granulirt, sondern mehr glatt und feucht, und ergiesst beim
Darüberstreifen mit dem Messer eine gallertige , oft cho-
coladefärbige, stark eiweisshältige Flüssigkeit (da auch die
Blutmischung bei Greisen eine vorwaltend albuminöse ist}.
Im dritten Stadium finden wir in den Zellen und den
Bronchialzweigen Eiter, zu welchem das Entzündungspro-
duet gerne schnell zerfliesst. Zuweilen lässt sich dieser
(nach Hourmann, Hasse) aus dem Gewebe, in das er
in zerstreuten , genau umschriebenen Flecken von 1 — 2 Li-
nien eingetragen gefunden wird, mit demMesser herausheben.
Diagnose. Das Fieber zeigt keinen ausgesprochen ent-
zündlichen, häufig selbst einen mehr adynamischen Charakter.
Auch das aus der Ader gelassene Blut gerinnt nur selten zu ei-
ner mit Speckhaut versehenen weichen Placenta. Der Puls
macht 85—90, oft bedeutend weniger Schläge ; Ossifikatio-
nen der Radialarterie können ihn leicht scheinbar als »har-
ten« fühlen lassen , die Gesichtsfarbe ist meistens fahl,
gelblich, die Haut trocken und heiss. Die Zunge rissig und
schwartig, der Schmerz fehlt meistens, und der Auswurf
ist wie von veralteten Lungenblennorrhöen oder klebrig
und chocoladefarben. Bald erscheinen leichte Delirien und
303
soporöse Symptome, welche immer zunehmen, bis der Kranke
an Gehirndruck und Erstickung stirbt.
Inspection. Die Besichtigung lässt kaum eine un-
gleiche Ausdehnung der Brusthälften erkennen.
Percussion. Das normale Parenchym der Lungen
klingt voller und heller als im kräftigen Lebensalter; die he-
palisirten Stellen geben gedämpften und leeren Schall , mit
vermehrtem Widerstände ; doch nie in jenem Grade, in wel-
chem diese Symptome bei jungen Kranken gehört werden.
Au scultation. Die ungleiche Grösse der einzelnen
Lungenbläschen bewirkt, dass die Crepitation den Charakter
des Schleimrasselns erhält. Kommt es zur Hepatisation, so
hört man bronchiales Athmen und consonirendes Rasseln
(doch darf man das zwischen den Schulterblättern bei ge-
sunden Greisen häufige Bronchialathmen nicht für abnorm
halten); die Bronchialstimme erscheint gerne als Ägo-
phonie. Zuweilen stellt sich auch pleuritisches Reibungsge-
räusch ein.
Die Lösung der Pneumonie kommt bei alten Individuen
nur sehr langsam zu Stande, und über den erkrankten Stel-
len bleiben gewöhnlich noch lange Zeit Rasselgeräusche oder
scharfes, rauhes Athmen zurück.
1H. Chronische Pneumonie«
Die gewöhnliche Lungenentzündung mit Ablagerung1
ihres Productes in die Zellen, kann unter manchen Umstän-
den (z. B. bei Greisen) wohl einen chronischen Verlauf
nehmen, doch gilt die interstitielle Pneumonie,
wobei besonders die Zellenwandungen und ihr Zwischenge-
webe das Exsudat aufnehmen, als eigentlich chronische Ent-
zündungsform. Sie ist meistens ein consecutiver Zustand als
Heilbestreben der Natur, welche dadurch dem Weiterschrei-
ten von Abscessen , Vomicen und Brandstellen , leider oft
vergeblich , einen Damm entgegenzustellen sich bemüht.
304
Pathologisch - anatomische Charaktere.
Das interstitielle Gewebe, meistens der obere Lappen, ist
blassroth, von faserstoffigem Exsudate infiltrirt, knorpelig ver-
dickt, bei längerer Dauer des Leidens derb und beim Ein-
schneiden knirschend. Die Lungenzellen sind seltener von
geronnenem Faserstoffe erfüllt , als atrophisch und compri-
mirt. Endlich entstehen durch den Schwund der Lungen-
substanz narbige Einziehungen und der Thorax sinkt bei
grösserer Verbreitung des Processes ein. Nicht selten findet
man dabei die blinden Enden der Bronchien erweitert, und
Spuren einer gleichzeitigen Pleuritis. Abscessbildung ist
kein so ungewöhnlicher Ausgang der interstitiellen Pneu-
monie.
Diagnose. Die Erscheinungen sind nicht bezeichnend
genug, um diese Krankheit mit Leichtigkeit zu erkennen. Cya-
notische Färbung , starke Dyspnoe und Husten mit wenigem,
zähen, gelbweissen Auswurfe können auch auf andere Respi-
rationsleiden deuten. DiePercussionist normal. Das Athraungs-
geräusch ist bei langsamer, schwacher Respiration vermin-
dert oder fehlend , bei starker Dyspnoe zischend oder pfei-
fend, zuweilen und nur bei gleichzeitiger Ablagerung des
Entzündungsproductes in die Lungenzellen durch Rassel-
geräusche maskirt. Die Erscheinungen von Cavernen sind
bekannt.
Die Iiiingeiituberciilose.
Pathologisch-anatomische Charaktere.
Unter Tuberkeln versteht man gewöhnlich kleine runde
Knötchen, als Product einer eigenen Dyscrasie, die mit Aus-
nahme des Horngewebes, in allen Organen des menschli-
chen Körpers vorkommen. Sie wachsen in einem gewissen
Stadio durch Juxtaposition und sind durch die äussere Form
vom Krebse nicht viel verschieden. Eben so nennt man auch
Entzündungsproducte, die sich in eine käsige Masse ver-
305
wandeln und verschiedenen bestimmten Veränderungen unter-
worfen sind.
Anfangs , gleich nach der Ausscheidung erscheint in
der Nähe eines arteriellen Gefässes eine formlose, perlgraue,
trübe , eiweissähnliche Masse als das Rudiment des künfti-
gen Tuberkels, bald wird diese von zarten Gefässchen durch-
zogen , und verdichtet sich zu einem , aus concentrischen
Schichten bestehenden Korne. So erscheint der Tuberkel als
graue Granulation in dem interstitiellen Zellgewebe der
Lungen, at*opbirt dasselbe durch Druck, und bedingt so-
wohl durch seinen Reiz als fremder Körper , einen Irrita-
tionszustand , als durch sein Verhältniss zur Blutmischung,
neue Ausscheidungen, die meist um den alten Kern sich
schalenartig ablagern.
Eine eigenthümliche Blutmischung ist nur bei rascher
Ausscheidung des Tuberkels, bei der sogenannten acuten
Miliartuberculose auffallend , bei der chronischen aber
weniger.
Die sogenannte acute oder Miliartuberculose.
Diese tritt entweder primär auf oder secundär , jenach-
dem in den befallenen Lungen früher keine Tuberkel oder
aber schon solche vorhanden waren. Doch combinirt sie sich
weder mit ausgebreiteter Exsudattuberculose, noch führt
sie zur Phthise. Der Miliartuberkel wächst durch Juxtaposi-
tion bis zur Hanfkorngrösse und wird zuweilen gelblich und
undurchsichtig, bis er verschrumpft, wenn es so weit kommt.
Das Blut ist dabei dem Typhösen analog, auch er selbst
scheint aus Eiweiss zu bestehen.
Das Auftreten geschieht auf einmal, oder durch mehrere
gleichsam Schlag auf Schlag sich folgende Ablagerungen.
Der Tod erfolgt durch Hyperämie , acutes Ödem oder Pa-
ralyse der Lungen. Die Lungen sind dabei meist hyperämisch.
Gleichzeitig erscheinen auf fast allen serösen Häuten ähnli-
che Niederschläge , und seröse Ergüsse, die meist hämor-
rhagisch und eiterhaltig sind.
Gaal Diagnostik. 20
306
Die chronische Lungentuberculose.
Diese im Gegensatze zur früher sogenannten acuten ,
erscheint unter zweifacher Form, i) als tuberculöse Infiltra-
tion, 2) als interstitielle Tuberculöse.
A. Die infiltrirte Tuberculöse. Diese tritt als
sehr faserstoffreiches Exsudat auf, z.B. in Pseudomembranen,
die sich aus Faserstoffgerinnungen gebildet haben , oder
wenn der Faserstoff einer grauen Hepatisation durch kein
Organisationswasser, als Träger der Lebenskraft, durch-
feuchtet wird, so verwandelt er sich in körnige Tuberkel-
masse (Casein).
Wenn nämlich rohe, aus dem Kreislaufe getretene
Stoffe sich nicht organisiren können , so verändert sich in
ihnen sowohl der Aggregationszustand , als die chemische
Mischung. Alles , was hiemit das Zustandekommen der Or-
ganisation hindert , begünstiget die Verwandlung der Fibrin
in Casein. Übrigens sind Fälle nachgewiesen, dass die Tu-
berculöse sich auch aus einer albuminösen Blutmischung
entwickelt habe.
Es sei mir erlaubt, die Bedingungen dieser Metamor-
phose nach des genialen Engel #) Aufsatze in Kürze hier
anzuführen.
Diese sind besonders : Eine zu grosse Menge Faser-
stoffes in einem kleinen Räume, so dass nicht leicht eine
Durchfeuchtung zu Stande kommen kann , Mangel an Orga-
nisationswasser, Beimengung fremder Körper, z. B. von
Blutkugeln in einem hämorrhagischen Exsudate, besonders,
wenn dieses primär auftrat und sehr copiös, so wie reich
an Faserstoff ist. (Ein hämorrhagisches Exsudat , das se-
cundär, oft in Folge von Tuberculöse auftritt, bei einer Mi-
schung des Blutes, welche dadurch entsteht, dass dieses
schon arm an Fibrin geworden und selbes in geringer Menge
vorhanden ist, wird selten tuberculös.)
*) Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Ärzte zu Wien. 1.
Jahrg. 5. Hft.
307
Besonders günstig ist der Ablagerung der Tuberkel die
Nachbarschaft schon vorhandener Aftergebilde derselben Art.
Die Nähe blutarmer Organe , wie der Knochen, oder
Blutarmuth überhaupt , z. B. der Lungen , wenn sie durch
Compression blutleer geworden sind , gesunkene Lebens-
kräfte, wie nach dem Typhus, und Druck, da er die Orga-
nisation hindert, gelten als die Tuberkelbildung besonders
unterstützende Potenzen.
Ursachen. Dass die Lungentuberculose so häufig
vorkommt, erhellt aus dem Vorhergehenden und dein Umstände,
dass in keinem Organe so ausgebreitete Faserstoffablagerun-
gen möglich sind , als in der Lunge ; als Beispiel diene die
Hepatisation. Warum der tuberculöse Process aber eine
Vorliebe für die Lungenspitzen an den Tag legt ? Diess ge-
nügend zu erklären , sind wir ausser Stande.
Kein Alter wird von dieser Krankheit geschont , die be-
sonders hier in Wien eine solche Herrschaft ausübt, dass
fast kein Cadaver geöffnet wird , in dem nicht einige Tuber-
kel zu finden wären.
Um das Auftreten der tuberculösen Infiltration zu er-
klären , bedarf es nicht immer der Annahme einer tuberculö-
sen Dyscrasie ; jedes Exsudat , das viel Faserstoff enthält,
kann unter obgenannten Bedingungen zu einem tuberculösen
werden , doch trägt eine tuberculöse Crasis vorzüglich dazu
bei. Die Combination des Tuberkelinfiltrats mit Producten
verschiedener Blutmischungen z. B. Typhus , Scorbut , fri-
schem Krebse , ist daher sowohl denkbar , als in der Praxis
erwiesen; jedoch können die Producte der Tuberculöse und
eines der genannten Zustände nicht demselben Zeit-Momente
ihre Entstehung verdanken, es muss somit Eines davon
das ältere sein Ist die Tuberkel-Infiltration aber beträcht-
lich, so ist dann keine Combination mit Producten anderer
Crasen mehr denkbar; im Gegentheile erscheinen letztere
sogar ausgeschlossen , da im Blute der Faserstoff überwie-
gend vorkommt. Die Bemerkung, dass Kropf und Tuberculöse
20 *<
308
sich ausschliessen , ist nicht stichhältig* , und kann nur so
weit zugegeben werden , dass durch Druck auf die Luft-
röhre Lungeneniphysem entstehe, welches dem tuberculö-
sen Processe hinderlich wird. Hydropische Mischung des
Blutes wird nur als Folge beobachtet, indem durch den in
Rede stehenden Process das Blut fast seines ganzen Faser-
stoffes beraubt wurde. Sehr häufig gesellt sich das tubercu-
löse Infiltrat schon längst vorhandenen interstitiellen Tu-
berkeln bei, durch deren Verwandtschaft die Faserstoffab-
lagerung aus dem Blute sowohl , als deren Verwandlung in
Caseün wesentlich begünstigt zu werden scheint.
Man hält gewöhnlich den Habitus phthisicus für Ursa-
che der sogenannten tuberculösen Dyscrasie ; allein mit Un-
recht ; da er eher Folge des Auftretens der Tuberkelsucht ist,
und auch Menschen mit einem apoplectischen Körperbaue der
Tuberculose erliegen.
Folgezustände. Das rohe Tuberkelexsudat wächst
nicht , sondern schadet nur durch Compression d es Lungen-
gewebes, indem es dasselbe der Luft unzugänglich macht,
und dessen Atrophie, um sich selbst aber einen Reizzustand
bewirkt, der zu ununterbrochenem Lungencatarrhe führt, ja
zur Entzündung sich steigern kann.
Da aber durch die Compression eine zum Athmen und
zur Circulation nothwendige Partie der Lungen diesen Func-
tionen entzogen wird, muss nothwendiger Weise, wiewohl
Athmen und Kreislauf beschleunigt werden , die Sanguifica-
tion eine unvollkommene bleiben. Das dadurch mehr venöse
Blut wirkt auf das rechte Herz zurück, und bedingt Um-
fangsvergrösserung desselben und der Leber. Durch die
Blutüberfüllung werden einerseits die Se- und Excretions-
organe zu übermässigen Ab- und Aussonderungen erregt, so
wie anderseits durch die unvollkommene Entkohlung des Blu-
tes die Ernährung behindert wird , so dass es zu einer all-
gemeinen Abmagerung des Körpers nothwendig kommen muss.
309
Die unzureichende Blutbereitung' zieht endlich , als weitere
Folge, Hydrops nach sich.
Verlauf. Der tuberculöse Process durchläuft 2 Sta-
dien. Das der Rohheit und das der Erweichung. Die Dauer
des Ersten lässt sich nicht bestimmen , wohl aber dürften in
den häufigeren Fällen 3 — 6 Monate genügen , vorhandene
Tuberkel in den Zustand der Erweichung zu führen.
Doch vermag die Natur bei gutem Kräftezustand des
Patienten, Heilung schon im Stadium der Rohheit
einzuleiten, und wie es scheint unter folgenden Bedingungen:
1. Ist das Exsudat nicht zu gedrängt, so dass es durch-
feuchtet werden kann, so ist Resorption möglich.
2. Der Tuberkel kann auch einschrumpfen , wenn es an
Durchfeuchtung mangelt, während viel Pigment abgelagert
wird ; daher die blaugraue Farbe der Tuberkel.
3. Schrumpft der Tuberkel , ohne dass Pigmentablage-
rung dabei Statt findet, so bleibt seine Farbe unverändert,
und er obsolescirt. Diess geschieht meistens bei kleinen
Massen, besonders wenn sie von dichtem Gewebe, z. B. €al-
lus, umgeben sind , und ist ein Heilbestreben der Natur , die
dadurch selbst andringender, geschwüriger Zerstörung einen
Damm entgegenstellt.
4. Er kann verschorfen und verfaulen. Im Stadium der
Erweichung wird der Tuberkel von einer sauer reagiren-
den Flüssigkeit, zuweilen auch durch Ödem in der Umge-
bung durchfeuchtet, und in eine gelbe undurchsichtige, kä-
sige, zerreibliche Masse verwandelt. Jetzt entsteht durch
die scharfe Eigenschaft des Infiltrats in der Umgebung ein
Reizzustand , und macht sich in diesem Stadium der verän-
derte Chemismus geltend, während im ersten mehr die me-
chanische Wirkung der tuberculösen Ablagerung schädlich
einwirkte, und vergrössern sich die vorhandenen Tuberkel
durch Juxtaposition , indem rund um neue Ablagerung Statt
findet. Endlich verliert sich die sauere Reaction und es zeigt
sich ein Organisationsbestreben durch Bildung von Eiterzel-
310
len, besonders von den Nachbartheilen aus. In diesem Schmcl-
zungsprocesse zerklüftet das infiltrirte Lungenparenchym und
werden Höhlen (Cavernen) gebildet. Die tuberculöse Masse
kommt nun zur Verjauchung, oder geht andere , weiter
unten zu besprechende Metamorphosen ein. Der Tuberkel
wird dadurch grünlich, stinkend und enthält unter dem Mi-
croscopeFett und phosphorsaurc Ammonium-Magnesia. Die-
ser Vorgang scheint besonders durch Zutritt von Oxygen
gefördert zu werden , daher Hirntuberkel z. B. nicht verjau-
chen , wohl aber Lungenknoten. Die verfaulten Tuberkeln
sucht dann die Natur auszustossen.
Geschieht dieser Process langsam , so sind die gebilde-
ten Höhlen ziemlich regelmässig und sphärisch. Da die Er-
weichung und Verjauchung aber immer von der Mitte , und
im Infiltrattuberkel von mehreren Mittelpuncten zugleich be-
ginnt, so bekommen die Höhlen bald eine sinuöse verzweigte
Form, mit glatten, indurirten und pigmentirten Flächen.
Die ganze erkrankte Stelle zeigt gewöhnlich alle Stadien
und Ausgangsformen der Tuberculöse gleichzeitig nebenein-
ander bestehend. So findet man häufig blaugraue härtliche
Masse mit weicherer gelber und weisser gemischt , so dass
das Ganze ein geflecktes Ansehen erhält. Zuweilen ziehen
Stücke gesunden Lungenparenchymes oder durchlaufende
grössere Gefässe , die der Compression, im Stadium der Roh-
heit widerstanden, mitten durch die Cavernen, oder erstere
reissen an einer Seite los und hängen lappenartig in die mit
Eiter gefüllte Höhle, oder trennen sich gänzlich ab, um
von den Kranken ausgehustet zu werden. Die Wand der
Höhle bekleidet sich meistens mit einer zarten Pseudomem-
bran, alsErgebniss der eingeleiteten Reaction, die mit einem
gleichmässig dicken, eitrigen Beschläge sich überzieht;
diese Membran wird zwar wieder zerstört, wenn bei wei-
teren Fortschritten des tuberculösen Processes sich die
Höhle vergrössert, aber in Folge der eingeleiteten Reaction
aufs Neue gebildet; bis dem Umsichgreifen desZerstörungs-
311
processes endlich durch einen günstigeren oder tödtlichen
Aasgang ein Ende gemacht wird.
Bei schnellerem Verlaufe, wie in der Phthisis florida ,
sind die Cavernen weniger regelmässig, mehr zerklüftet, und
weil der Process schneller zerstört, als die eingeleitete Reac-
tion im Stande ist, ein umkleidendes Häutchen zu bilden,
die Wände bloss von einem flockigen leicht abzuspülenden
Eiter beschlagen. Kleinere Bronchien gehen durch die Com-
pression des Lungengewebes unter, grössere aber wider-
stehen derselben. Wird nun ein solcher Bronchialast in der
Caverne zerstört, so ragt er mit offener, an dem Rande gewul-
eteten Mündung in dieselbe und gibt dem Eiter freien Weg in
die Luftröhre, so dass er durch Husten ausgeworfen werden
kann. Eben so werden die durch die infiltrirte Partie verlau-
fenden Gefässe obliterirt und erscheinen als dicke Stränge:
durch die abnehmende Circulation in den Zweigchen der Lun-
genschlagader entwickelt sich derHauptstamm derselben selbst
und die Zweige der Bronchial- und Intercostal-Arterien, so
^ass man nach Zehetmayerw) das Lumen der Lungen-
arterie grösser , als das der Aorta findet. Wird aber ein
Getäss durch den Schmelzungsprocess früher arrodirt, ehe es
verschrumpfte , so entstehen Lungenblutungen , die häufig
tödlich werden.
Nach Carls well kommt Hämoptoe auch noch dadurch
zu Stande, dass die durch die Tuberkelmasse zusammenge-
drückten Lungenvenen, das durch die Arterie zugeführte Blut
aufzunehmen ausser Stande sind.
Gelaugt der Schmelzungsprocess bis nach aussen an die
Lungenpleura, und werden demselben nicht dort durch eine
hinreichende adhäsive Pleuritis von der sorgsamen Natur
Schranken gesetzt, so wird das Rippenfell, meist in der
Gegeud der 3. — 4. Rippe durchbrochen, und der Eiter und
die geathmete Luft haben Eintritt in den Pleuraraum und er-
*} Grundzüge. p. 289. (t. Auflage.)
312
zeugen einen Pneumothorax. Zuweilen können selbst dichte,
zellige Adhäsionen dem Durchbruche der Pleura nicht weh-
ren , es kömmt zwar nicht zur Bildung des Pneumothorax ,
aber die mit dem Eiter in Berührung tretenden Knochen des
Brustkorbes werden cariös und es entsteht selbst eine Lun-
genfistel.
An den Rändern tuberculöser Lungenlappen findet man
häufig partielles Emphysem , und an den Lungenspitzen ad-
häsive Pleuritis. Bei längerer Dauer des Leidens erscheinen
gewöhnlich auch Tuberkel am Kehlkopfe QPhthisis laryngea~)
oder in den Gedärmen , wo sie colliquative Diarrhöen bewir-
ken. Oft findet man die sogenannte Muscatnussleber, und
besonders bei Kindern tuberculöse Infiltration in die Drüsen,
z.B. in den Bronchial- und Gekrösdrüsen. Ein aphthöser Pro-
cess des Schlundes bildet zuweilen die Schlusscene der
Phthise.
Der Tod erfolgt gewöhnlich durch Aufreibung der Kräfte,
den stattfindenden erschöpfenden Ab - und Ausscheidungen
zufolge, oder durch andere Krankheiten, als: seeundäre,
tuberculöse Pneumonie, acute Tuberculöse, Lungenödem,
degenerirtes, pleuritisches Exsudat, Hydrothorax und Hy-
drops überhaupt, der durch grossen Verlust des Faserstoffes
aus dem Blute herbeigeführt wird , Pneumothorax , Lungen-
blutungen , Entzündungen seröser Häute, z.B. Meningitis,
Pericardilis , Peritonitis, endlich durch Eiterresorption und
Metastasen.
Aber nicht immer erfolgt der Tod , in seltenen Fällen ist
auch im Stadium der Erweichung bei hinlänglichem Kräfte-
zustande von Seite des Patienten noch Heilung möglich:
1. Kann die tuberculöse Masse, wenn sie nicht zu be-
trächtlich ist, auf was immer für einem Wege aus dem Or-
ganismus entfernt werden, es darf aber nichts davon in der
Caverne zurückbleiben und um dieselbe keine Induration,
sondern nur gesundes Gewebe sich befinden.
2. Die tuberculöse Masse kann unter denselben Bedin-
313
gongen, besonders wenn in ibrer Umgebung lebhafter Stoff-!»
Wechsel Statt findet, resorbirt werden.
3. Die den Tuberkel umgebende Reaction setzte ein
Exsudat (besonders albuminöses), das denselben durchdringt,
zu Eiter organisirt, durch welchen Vorgang selbst Narben-
bildung zu Stande kommen und die Caverne sich schliessen
kann,
4. Der Tuberkel kann atheromatös werden oder er kann
verkreiden. Wenn er nämlich hinlänglich klein ist, und im
indurirten Gewebe liegt, so schwindet nach und nach alles
Organisirbare und es bleiben nur Cholestearin, Fett, Pigment
und Granulationen zurück, er schrumpft dabei auf ein kleines
Volumen zusammen und erhält einen Glimmerglanz. Verkrei--
düng aber geschieht durch Einlagerung von Kalksalzen , ein
Vorgang, der übrigens schon im Stadio der Erweichung
möglich ist , und der besonders durch die Nachbarschaft von
knöchernen Theilen begünstigt zu werden scheint.
Cavernen werden schwer zur Heilung gebracht*, doch
geschieht es , dass durch gallertige Infiltration das umlie-
gende Lungengewebe verdickt, zum Schrumpfen gebracht
und völlig unfähig wird, neuen tuberculösen Ablagerungen
Raum zu geben. Die Caverne kleidet sich dann mit einer der
Schleimhaut ähnlichen und mit der Membran der einmünden-
den Bronchien in Verbindung stehenden Haut aus, oder wird
von einem serösen Blättchen überzogen , das sich aber nicht
in die Bronchialäste fortsetzt. Die Ränder der Höhle rücken
nach und nach einander näher und verwachsen endlich , ein
Vorgang , der durch das Einsinken des Thorax über grösse-
ren Vomicen begünstiget wird. Die geschrumpfte Lungen-
partie mit ihren obliterirten Bronchialästen und Gefässen bil-
det mit dem darüber narbenartig eingezogenen Rippenfelle
eine callöse Masse, in der sich selbst Kalksalze einlagern,
und die mit der entsprechenden Thoraxwand verwächst.
Der Natur gelingt es wohl häufig, die fehlerhafte Blut-
mischung zu heilen, allein sie ist nicht, im Stande den schäd-
314
liehen Einfluss des Productes derselben zu entnerven und ihre
Heilbemühung wird vereitelt. Wassersucht und Scorbut las-
sen neue Bildung von Tuberkeln wohl nicht zu , sind aber
nicht im Stande , schon vorhandene zu heilen , sondern ver-
wandeln im Gegentbeil das tuberculöse Geschwür in ein ato-
nisches. Organische Herzfehler hindern wohl durch die vor-
waltende Vcnosität des Blutes die weitere Ablagerung von
Tuberkeln , vermögen aber nicht, wenn solche schon bestan-
den, sie zur Rückbildung zu bringen. Schwangerschaft thut
meistens nur solange den Fortschritten des Übels Einhalt,
als sie besteht, ist sie vorüber, so entwickelt sich Letzteres
gewöhnlich desto rascher.
II. Die interstitielle Tuberculöse.
Diese unterscheidet sich von der vorigen Form nur durch
den Sitz; und fast Alles, was von jener gilt, findet auch
auf diese Anwendung.
Der Tuberkel erscheint hier ausser dem Räume der Lun-
genzelle in dem interstitiellen Gewebe als graue, matt durch-
scheinende Granulation , von der Grösse eines Mohn- oder
Grieskornes, deren unbestimmt endende Auslaufer häufig
zwei oder mehrere Zellchen umschliessen. Sie sind entwe-
der zerstreut und vereinzelt und verengen den Raum der
Lungenzellchen durch die Vorragungen in ihren Wänden ,
oder sie bilden grössere Gruppen und beeinträchtigen durch
Druck das Lungengewebe und die feinsten Verästlungen der
Bronchien , und erscheinen als Knoten mit pigmenlirten und
an Zellgewebe oder Blut oder anderen Flüssigkeiten reichen
Zwischenräumen, oder endlich sie kommen in zusammenhän-
genden grösseren Lappen vor. (Conglomerirte Tuberkel, die
aus zusammengeflossenen vielen Knoten bestehen.)
Der Verlauf ist ebenfalls ein schneller (phlhisis florida)
oder mehr chronisch, so dass der interstitielle Tuberkel jahre-
lang im Organismus schlummern kann, ohne bemerkbare Folgen
zu veranlassen.
315
Weitere Folgen der Tuberculose sind: dass die Lungen-
schleimhaut sich immer im Zustande der catarrhösen Reizung
befindet, daher der quälende Husten, mit dem oft erstaunlich
copiösen Auswurfe, welcher der Entleerung der Cavernen
allein , ohne vermehrte Secretion der Mucosa anzurechnen ,
nicht zugeschrieben werden kann. — Das bei zunehmender
Eiterung erscheinende hectische Fieber, zu dessen Erzeu-
zung leicht Aufnahme von purulenter Flüssigkeit in die Blut-
masse, das Ihrige beitragen kann. — Vorwaltende venöse
Blutmischung, da ein grösserer Abschnitt des Lungengewe-
bes dem Kreislaufe entzogen wird, und in Folge derselben
Erweiterung des ohnehin schlaffen rechten Herzens. Die
Frage aber, wie es komme, dass die durch fortgeschrittene
Lungentuberculose eingeleitete Venosität und Herzdilatation
sich nicht der weiteren Entwicklung jener entgegensetze?
glauben wir in dem Umstände beantwortet zu haben, dass in
dem Masse, in welchem sich der Raum für das kreisende
Blut in den Lungen mindert, so ziemlich auch letzteres selbst
in seiner Menge verringert wird, da es dem allgemeinen Con-
sumtionsprocesse sich nicht entziehen kann.
Auch die Bronchialdrüsen nehmen an der tuberculösen
Infiltration Antheil, und werden von Casein erfüllt-, das Fett
des ganzen Körpers schwindet, die Haare fallen aus, die
Nägel krümmen sich , die Endglieder der Finger erscheinen
eigenartig kolbig , aufgetrieben und an den Knöcheln zeigt
sich nicht selten Ödem.
Diagnose. Nach den verschiedenen physicalischen
Erscheinungen nehmen wir besonders zwei Stadien der Tu-
berculose in Betracht, a) das der rohen Granulation, und
bj das der tuberculösen Phthisis.
A. Interstitielle, rohe Tuberkelgranulationen.
Allgemeine Symptome.
Die mehr erethischen Kranken leiden an einem des Mor-
gens, im Frühjahre und Herbste, so wie nach jeder gerin-
gen Verkühlung* besonders quälenden Husten, durch welchen
anfangs Spula entleert werden, welche sich in Nichts von
jenen der gewöhnlichen Bronchitis unterscheiden. Oft er-
scheinen Athembeschwerden, welche besonders durch Bewe-
gung hervorgerufen werden , beschleunigter Puls, nicht sel-
ten Herzklopfen und Brustschmerzen , welche entweder als
flüchtige Stiche, inneres Brennen und Drücken oder als
Rheumatismus der Brustmuskel sich äussern. Manche Kranke
haben leichte Anfälle von Hämoptoe und die meisten magern
trotz reichlicher Nahrung und guter Verdauung zusehends
ab. Die genannten Erscheinungen steigern sich immer mehr
und mehr , besonders wenn sich denselben Fieber beigesellt.
Locale Symptome.
Inspection. Die Besichtigung lässt uns den schon
beschriebenen cylindrischen , phthisischen Thorax erkennen,
die Muskel erscheinen abgemagert am Halse, besonders so,
dass ihre Ränder deutlich sichtbar werden , die Zwischen-
rippenräume erweitert , so dass man die Herzschläge deut-
licher bemerkt.
Mensuration. Dieselbe erweist eine Abnahme der
oberen Circumferenz des Thorax, während dessen unterer
Theil etwas erweitert erscheint. Nach Scharlau beträgt
der mittlere normale Umfang der Brust im Niveau der Achsel-
gruben 29 Zolle bei Männern und 23 Zolle bei Frauen;
über dem Schwertknorpel 25 Zolle bei Männern, i9 bei
Frauen. Bei erwiesener Tuberculose ergab sich eine
Mittelzahl von 24 Zollen im oberen, und 22 im unteren Um-
fange der Brust. Die Messungen von Hirtz sind damit im
Einklänge.
Percussion. Isolirte Tuberkel dämpfen den Percus-
sionsschall nicht, doch findet diess Statt, wenn sich Conglo-
merate grösserer Art bilden , wodurch das Lungengewebe
besonders in der Schlüsselbeingegend und ober der Schulter-
blattgräte weniger lufthaltig wird ; der Percussionsschall er-
scheint dann gedämpft und in den unteren Partien voller und
317
neben dem Sternum selbst etwas tympanitisch , wenn sich an
den Rändern der Lunge Emphysem gebildet hat.
Auscultation. Isolirte Tuberkel werden durch das
Sthethoscop nicht erkannt, und meistens sind es nur die Zei-
chen des begleitenden Catarrhes, welche in dieser Periode
des Leidens, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, besonders
wenn sie sich auf die oberen Lungenlappen beschränken.
Hieher gehören die scharfe , rauhe Respiration , ein oft an
einer umschriebenen Stelle hörbares , vesiculäres Knistern ,
Pfeifen , Schleimrasseln oder Schnurren.
Besondere Berücksichtigung verdienen die verlängerte
Respiration, nach Stokes die Abnahme derselben an einer
Stelle im Vergleiche zur entsprechenden der anderen Seite ,
und ein absatzweises Athmen. Die verlängerte Exspiration
ist meistens scharf, doch auch vermindert und kommt zuwei-
len so gedehnt vor, dass zwischen ihr und dem Einathmen
kein Moment der Ruhe wahrgenommen wird , und beide Re-
spirationsbewegungen in einander überzugehen scheinen. —
Von nicht minderem Werthe für die Diagnose einer in ihrem
Beginne so schwer zu erkennenden Krankheit ist das abge-
brochene , absatzweise Athmen , das bei übrigens ruhiger
Respiration und ohne durch pleuritischen Schmerz veranlasst
zu sein in mehreren sich schnell folgenden Abschnitten voll-
führt wird.
Eine Pleuritis in der oberen Lungengegend, welche sich
durch Aflfrictus äussert, erweckt immer den Verdacht, dass
das durch selbe gesetzte Exsudat ein tuberculöses sei.
Grössere Ausdehnung von Tuberkelconglomeraten lassen
die Pulsationen des Herzens und unterliegender grosser
Gefässe deutlicher vernehmen , als im Normalzustande , da
die Lungen nun bessere Schallleiter geworden sind. Schlies-
sen derlei Conglomerate , welche das Lungengewebe com-
primiren, einen grösseren Bronchialast in sich, der dem Drucke
widersteht , so finden wir bronchiales Athmen und Broncho-
phonie an der bezeichneten Stelle. Verstopfung des Bronchial-
318
astes unterbricht die Wahrnehmung der genannten ausculta-
torischen Erscheinungen auf so lange , bis das Hinderniss
des Lufteintrittes durch Expectoration entfernt ist. Oft er-
scheinen Rasselgeräusche in dem Theile der Lungen, wel-
cher durch Tuberkelconglomerat unwegsam geworden, ohne
aber daselbst zu entstehen , sondern sie werden durch Con-
sonanz dort hörbar.
Verwechslung mit Pneumonie, ist trotz grosser Über-
einstimmung der physicalischen Zeichen nicht leicht mög-
lich, die Diagnose sicherte der schnelle Verlauf der Letzte-
ren , das begleitende entzündliche Fieber, die verschiedenen
Zeichen je nach den Stadien, die charakteristischen Sputa
und der gewöhnliche Sitz an den unteren Lappen. Pneumo-
nie der oberen Lappen lässt aber eine Umwandlung des Ex-
sudates in Tuberkelmaterie befürchten , besonders , wenn
die Hepatisation längere Zeit unverändert bleibt.
Mi. Yhthi&is tuberculosa»
Allgemeine Erscheinungen.
Diese sind grossentheils jene des vorigen Stadiums im
stärkeren Grade , besonders nimmt der Bronchialcatarrh zu
und wird der Husten zur Nachtszeit lästig. Die Sputa wer-
den mehr und mehr geformt und eitrig; jene kleinen griesar-
tigen Körnchen , welche man für ausgehustete Tuberkelgra-
nula hält , sind weiter nichts als Speiseüberreste, was durch
das Microscop nachgewiesen werden kann. Die Charaktere
der eitrigen Sputa zu ermitteln ist Aufgabe des microscopisch-
chemischen Abschnittes vorliegender Blätter. Die Sputa, die
zuweilen besonders bei plötzlicher Entleerung einer grösse-
ren Vomica in einen Bronchus so copiös sein können, dass
Erstickungsgefahr entsteht, können selbst fehlen, ohne dass
die Kranken von der Krankheit befreit werden , im Gegen-
theile dadurch die Athembeschwerden auf das Äusserste
steigern.
Nun ergreift den Kranken ein Fieber, das sich anfangs
319
bloss durch nachmittäglichen Durst , brennende Hitze der
Handteller und Fusssohlen und umschriebene Röthe der Wan-
gen äussert , Morgens durch Schlummer und klebrigen
Schweiss, besonders auf der Brust , erleichtert wird, später
aber an Intensität zunimmt und durch sich entsprechende Pa-
roxysmen den Unerfahrenen leicht verführt , ein Wechselfie-
ber zu vermuthen. Zugleich magert der Körper zusehends
ab , besonders an den Extremitäten und Fingern , welche ,
wie schon erwähnt, dadurch kolbig aufgetrieben erscheinen,
während die Knöchel ödematös angeschwollen sind. Der
Athem wird kurz, mühsam, die Respiration oft einseitig
und die Stimme hohl und heiser. Diätfehler setzen Verschlim-
merung. Endlich erliegen die Kranken dem Leiden; zuwei-
len erscheinen noch in den letzten Tagen Aphthen, Hydrops,
Petechien; Decubitus, nervöser Charakter des Fiebers , De-
lirien und Sopor. Ist der Geist Tuberculöser durch Jahre be-
sonders erweckt und thätig, so wird ihre Kraft dennoch in
den letzten Tagen gebrochen und nur die unerschütterliche
Hoffnung , welche Phthisiker bis zum letzten Athemzuge be-
gleitet, bleibt denselben als Rest früherer geistiger Kraft,
bis auch diese in Apathie und Bewusstlosigkeit erlischt.
Die Reihenfolge der genannten functionellen Symptome
ist nicht immer dieselbe , und häufig tritt scheinbar Besse-
rung und Stillstand ein, so dass die Kranken oft durch Jahre
den Zerstörungskeim nicht ahnen, den sie in sich tragen.
P hy si c alisch e Erscheinungen.
Inspection. Die Brust ist flach und eingesunken,
die Schultern hängen vor und die Schlüsselbeine ragen über
den um dieselben vertieften Brustkorb empor. Die Athembe-
wegungen geschehen unvollkommen, und werden mehr durch
Hilfe der Hals- und Bauchmuskel vollbracht, als die obere
Gegend des Thorax dabei thätig erscheint. Tiefer Athem
wird durch gleichzeitiges Zurückbeugen des Kopfes leicht
geschöpft, wodurch der die Bewegungen nicht genau beob-
achtende Arzt leicht getäuscht werden kann.
3*0
Palpation. Der obere Thorax bewegt sich weniger,
als dessen unterer Theil. Ober oberflächlichen, grossen luft-
haltigen Cavernen wird nicht allein die Stimmvibration des
Kranken , sondern auch der Stoss der Luft beim Husten ge-
fühlt; letzterer bisweilen selbst gesehen.
Mensuration. Durch die Messung kann eine Zu-
nahme des jüngst erwähnten Missverhältnisses des oberen
und unteren Thoraxumfanges nachgewiesen werden.
Percussion. Excavationen in gesundem Lungenpa-
renchyme geben sich nicht durch veränderten Percussions-
schall kund. (In seltenen Fällen findet man das Geräusch des
gesprungenen Topfes.) Liegen sie aber oberflächlich und
enthalten sie hinreichend Luft, so ist ihr Schall tympanitisch ;
eben so , jedoch in geringerem Grade, wenn sie in der Tiefe
im verdichteten Parenchyme liegen, selbst aber lufthaltig
sind (Zehetmay er). Unter geeigneten Umständen entsteht
auch metallisches Klingen.
Auscultation. Cavernen, welche von lufthaltigem
Parenchyme umgeben sind, geben keine eigenthümlichen Ge-
räusche , bloss der begleitende Catarrh wird durch das Ge-
hör erkannt. Kleine und von weichen Wänden umgebene
Cavernen geben , wenn sie mit einem Bronchus communici-
ren, Schleimrasseln ; grosse Cavernen, Gurgelrasseln, beson-
ders bei tieferer Inspiration und stärkerem Husten.
Haben die Cavernen starre Wände, so ist in ihnen zwar
kein Luftwechsel möglich , doch wird ober denselben , nach
den entwickelten Verhältnissen , bronchiales und cavernöses
Athmen und derlei Stimme vernommen. Trockene und feuchte
Rasselgeräusche zeigen sich oft durch Consonanz verstärkt
ober den Cavernen deutlicher, als ober ihrem Entstehungs-
orte. Athmen, Stimme, Rasselgeräusche und selbst die hie-
her fortgepflanzten Herztöne, werden unter passenden Ver-
hältnissen vom metallischen Klange begleitet.
Ein durch Perforation der Pleura entstehender Pneumo-
thorax gibt sich durch die ihm eigenen Erscheinungen kund.
321
Infiltrirte Tuberkel können von Hepatisation nur
durch die Dauer der Erscheinungen, die allgemeinen Sym-
ptome , wie das eigene Fieber, das zuweilen den intermitti-
renden Typus annimmt und durch das Microscop unterschie-
den werden. Mit der eitrigen Schmelzung hört man Rassel-
geräusche ; mit der Cavernenbildung die diesen entspre-
chenden Symptome.
Umschriebene lobuläre Hepatisation wird nach ihrer Um-
wandlung in Tuberkelstoff erst nach weiterer Zunahme und
Vergrösserung des infiltrirten Herdes erkannt.
Erstarrt ein Theil einer hepatisirten Partie zu einer cal-
lösen Masse , welche den Fortschritten eines tuberculösen
Herdes sich hemmend entgegenstellt, so finden wir den Tho-
rax ober der betreffenden Stelle unbeweglich und eingesun-
ken , den plessimetrischen Schall dumpf und die Erschei-
nungen der Caverne auf so lange stillstehend , bis der schü-
tzende Damm der Zerstörung nicht mehr Widerstand zu
leisten vermag.
Die acute Tuberculose.
Dieselbe verläuft ganz unter den Erscheinungen eines
typhösen Fiebers , zuweilen unter denen einer Meningitis
nach W all a unter den Symptomen eines acuten Magenca-
tarrhes. Ergreift das Leiden vorzugsweise die Lungen , so
finden wir zuweilen einen etwas tympanitischen Percussions-
schall und verschiedene Rasselgeräusche, nie aber Zeichen
von Unwegsamkeit des Lungengewebes.
Der liiiiigeiikrelis.
Anatomisch-pathologische Charaktere.
Der Krebs der Lungen erscheint als Product einer ei-
genen Dyscrasie, fast nur unter der Form des Medullar-
krebses.
Derselbe wird als runde Massen erkannt, welche isolirt
und zerstreut hie und da im Lungengewebe sich finden und
Gaal Diagnostik. 21
322
von der Grösse eines Hanfkornes bis zu der einer Faust
wechseln. Ihr filziges , speckiges , dichtes Gewebe ist ent-
weder weissröthlich oder durch beigemengtes Pigment rost-
gelb , violett , schwarz (Melanose) gefärbt oder punctirt.
Zuweilen trifft man den Krebs weich, dem Hirnmarke ähn-
lich (Encephaloid) und quillt aus dessen Schnittfläche beim
Darüberstreifen mit dem Scalpellrückcn eine rahmartige Flüs-
sigkeit.
Selten erscheint der Lungenkrebs primär, sondern ent-
steht meistens im Gefolge eines gleichen Leidens anderer
Organe, z. B. der Bronchialdrüsen, der Pleura , des Me-
diastinum, der Leber, der Hoden, des Uterus u. s. w. Er ist
immer Product einer eigenen eiweisstoffigen Blutmischung,
und schlicsst somit die Tuberculose , welche in einer faser-
stoffigen Crase begründet ist , nothwendig* aus. Doch kann
man Krebsablagerungen und Tuberkel neben einander finden,
wobei aber letztere immer Zeichen eines höheren Alters an
sich tragen, indem Krebsdyscrasie auf Tuberculose folgen
kann) (aber nicht umgekehrt) , wenn das Blut sich seines
ganzen Faserstoflgehaltes fast entladen hat und nun das Al-
bumin vorwaltet.
Krebse erweichen von der Mitte aus und verj au-
ch en endlich, wenn die Zerstörung sich bis zu einem
Bronchus Bahn gebrochen und die äussere Luft damit in Be-
rührung gekommen ; doch werden derlei Metamorphosen am
Cadaver selten nachgewiesen, da die Kranken gewöhnlich
früher (an Lungenödem, Hydrolhorax, Hydrops, Entkräf-
tung u. s. w.) erliegen.
Die Vergrösserung von Krebsmassen befolgt keine be-
stimmbaren Gesetze, doch scheinen Congestionen zur Brust,
Ödem, Blutergüsse und Exstirpation von Krebsgeschwülsten
in andern Organen hiezu wichtige Momente zu sein. Hepati-
sation verwandelt sich unter dem Einflüsse der albuminö-
sen Blutmischung eben so leicht in Krebs, als wir unter den
323
entsprechenden Umständen die Metamorphose in Tuberkel-
stoff nachgewiesen haben.
Folgezustände. Im Lungengewebe schadet der
Krebs hauptsächlich durch Druck und atrophirt dasselbe. Zu
bedeutende Krebsablagerungen entziehen dem Blute viele
plastische Bestandteile, so dass dieses hydropisch wird,
durch welchen Vorgang nicht allein die Bildung neuer Krebse
verhindert, sondern auch die fernere Entwicklung schon vor-
handener gehemmt wird.
Diagnose. Die in Rede stehende Krankheit wird sehr
schwer erkannt; cachectischer Habitus, mit Gesichtszügen,
welche ein tiefes Leiden beurkunden, Dyspnoe, Husten,
stinkender Athem und Auswurf, Varicosität der Halsvenen
und Anschwellung der Drüsen sind Erscheinungen , welche
sie mit vielen andern Krankheiten gemein hat. Ebenso ver-
mag die physicalische Untersuchung nur bei grösserer Ent-
Wickelung der Krebsmassen eine Unwegsamkeit des Lungen-
gewebes nachzuweisen.
31 #
324
Untersuchung
der Organe des Kreislaufes.
Anatomische Verhältnisse des Herzens und der
grossen Gelasse.
Ohne genaue Anschauung und Kenntniss des Central-
organes des Kreislaufes im gesunden Zustande sind wir
ausser Fähigkeit, uns von seinen krankhaften Verhältnissen
einen klaren Begriff zu machen, daher versuche ich hier Ei-
niges , wiewohl schon grösstentheils Bekanntes und beson-
ders rücksichdich der physicalischen Diagnose Wichtiges in
dem Gedächtnisse der Leser wieder aufzufrischen.
Das Herz.
Dieses ist ein hohler , kegelförmiger Muskel , der in
seiner Function als lebendiges, doppeltes Saug- und Druck-
werk thätig und in den Herzbeutel eingesenkt, im vordem
Theile der linken Brusthöhle theils schwebend befestiget ist,
theils auf dem Zwerchfelle ruht. Es besteht aus zwei Hälf-
ten , deren rechte das venöse Blut aus dem Körper empfängt
und den Lungen überliefert, deren linke hingegen, das aus
den Lungen zurückkehrende arterielle Blut aufnimmt und es
durch die Aorta in den Körper treibt. Jede dieser Hälften ist
durch eine Querwand in eine Vorkammer (Atrium) und eine
Kammer (Ventriculus) geschieden , welche aber durch das
Ostium venosum mit einander communiciren.
An der breiten , dicken , nach rechts und oben hinter
dem rechten Rande des Brustblattes, vom Zwerchfelle bis
zum 4. oderö. Rippenknorpel, vor dem 6. Brustwirbel gele-
genen Basis des Herzens treten die Gefässe aus und ein,
325
und sind mit dieser auf solche Art verbunden , dass es daran
gleichsam schwebend erhalten wird; die gegen den Zwi-
schenraum der 6. und 7. Rippe nach links und abwärts ge-
richtete Spitze liegt auf dem Zwerchfelle. Die Achse des
Herzens läuft demnach mit einer Linie parallel, welche man
vom Körper des ersten Brustwirbels bis zum freien Ende der
ersten falschen Rippe gezogen annimmt. Die vordere, convexe
Fläche wird an den Rändern von den Lungen bedeckt und
liegt nur in einem rautenförmigen Räume von der Grösse l1/,
bis 2 Quadratzolle frei an der Brustwand; die hintere
Fläche ist mehr platt, die Ränder sind abgestumpft. Die
rechte Herzhälfte liegt mehr nach vorne , die linke
nach rückwärts zu. Die Längen- und Quer furche ge-
ben äusserlich die Gränzen der einzelnen Herzhöhlen an,
und entsprechen den im Innern befindlichen Scheidewänden
derselben.
Die Vorhöfc liegen an der Basis des Herzens, neh-
men das Blut nur aus Venen auf und überliefern es durch
ihre Ostia venosa dem entsprechenden Ventrikel. Unter ein-
ander stehen sie in keiner Verbindung , ausser im fötalen
Zustande, wo das eirunde Loch besteht, das sich später
schliesst. Beide Atrien sind durch sackförmige Anhänge
»Ohren« in ein der Blutmenge entsprechendes räumliches
Verhältniss gebracht.
Der rechte Vorhof oder Hohlvenensack empfängt
venöses Blut aus den Hohlvenen , welche mit der Eustachi-
schen Klappe versehen sind. Ferner trifFt man daselbst die
Mündung der grossen Kranzvene mit der Thebesischen Klappe
und eine von einem fleischigen Linibus umgebene , dünnere
Stelle, wo im Fötalzustande das eirunde Loch befindlich war.
Im linken Vorhofe findet man vier Einmündungs-
stellen der Lungenvenen , welche keine Klappen besitzen.
Die H er z kämm er n , welche nach abwärts der Atrien
liegen und conische Höhlen darstellen , empfangen aus den-
326
selben das Blut durch das Ostium venosum und pressen es
durch ihre arteriöse Mündung1.
Die rechte Her z kam mer liegt vorne , reicht nicht
so tief herab als der linke und ist dünner und schlaffer als
diese. An ihrem oberen Theile befinden sich : das mit einem
fibrösen Rande umgebene Ostium venosum, an welchem sich
die dreizipflige Klappe befestiget, deren grösster Zipfel nach
vorne liegt — und die Mündung der Lungenarterie , welche
der Mittellinie des Herzens näher steht und von einem ähn-
lichen Ringe umgeben ist , und von drei halbmondförmigen
Klappen abgeschlossen wird.
Die linke Heizkammer liegt hinter der vorigen,
ist mehr oval , hat viel stärkere Wände als der rechte Ven-
trikel, und reicht tiefer an die Spitze des Herzens herab,
als dieser. Seine Achse ist zu jener der rechten Kammer
so gestellt, dass sie von derselben, wenn sie verlängert ge-
dacht würde , unter einem spitzen Winkel geschnitten wer-
den müsste. Am obern Theile dieser Herzkammer befindet
sich : das mit einem Limbus und den zweispitzigen Klappen
versehene Ostium venosum, deren oberer grösserer Zipfel
die venöse Mündung von der arteriösen trennt — und die
Aortamündung, welche mit 3 halbmondförmigen Klappen aus-
gerüstet ist, deren jede ein Arantisches Knötchen besitzt.
Die vier Mündungen der Herzkammern liegen so ziem-
lich in einer Linie von links nach rechts an einander ge-
reiht , so dass nach aussen und links das Ostium venosum
sinistrum mit den Mitralklappen sich befindet, dann die Aor-
tenmündung mit ihrem Klappenapparate folgt , an welche
sich die Lungenarterienmündung mit ihren Semilunarvalveln
anschliesst , während die rechte venöse Mündung mit den
dreispitzigen Klappen am meisten rechts gefunden wird.
Im Kindesalter sind beide Herzhälften gleich geräumig,
und ist die Blutmischung eine mehr venöse , in späteren Le-
bensperioden erscheint das linke arterielle Herz mehr ent-
327
wickelt als das rechte , venöse. Nach B i z o t's Messungen
beträgt die Dicke der Wandungen
Im rechten Ventrikel: Im linken :
Pariser Linien Par. Linien
An der Basis . i3%6 47/46
In der Mitte . 7'7/a3 6'/,
Nächst der Spitze 045/46 3l3/33
Nach Bouillaud verhält sich der linke Ventrikel zum
rechten wie 5:2 oder selbst wie 3:1.
Nach L ä n n e c gibt die Faust eines Individuums ein bei-
läufiges Mass der Grösse des ganzen Herzens. Dasselbe
gilt vom normal beschaffenen Deltamuskel des linken Armes.
Bei sehr grossen magern Personen ist das Herz gewöhnlich
verhältnissmässig kleiner als bei solchen von gedrungenem
Wüchse. Das Gewicht beträgt 8 — 10 Unzen, das specifische
Gewicht 1,43.
Die Muskel des Herzens sind stark entwickelt, ent-
springen grösstentheils an den fibrösen Ringen der Öffnun-
gen und verlaufen schräge und spiralförmig , und zwar de-
sto schiefer, je mehr nach innen zu sie gelagert sind. Über-
haupt sind die Muskel im linken Herzen stärker als im rech-
ten, doch findet man in diesem, in der innersten Lage, die
durch Verfilzung und bogenförmige Anheftung der Muskel-
bündel entstehenden grossmascbigen Netze mehr entwickelt.
Im linken Ventrikel treten an der hinteren Wand zwei
Fleischbündel als Papillarmuskel hervor, welche ungefähr in
der Hälfte der Kammer in bogenförmige Bündel zerfallen ,
deren Sehnenfäden in divergirender Richtung zur Bicuspi-
dalklappe verlaufen. Im rechten Ventrikel sind mehrere, aber
schmächtigere Warzenmuskel, deren drei, ohne erst in halb-
kreisförmige Schenkelsich zu spalten, Sehnenfäden zur Tri-
cuspidalklappe aussenden , welche übrigens deren auch noch
aus sehr kurzen Muskeln und selbst aus der Herzwand em-
pfängt.
328
Die Sehnenfäden entspringen aus den Papillarmus-
keln nnd ziehen zur Mitte der untern Fläche der Klappe oder
zu ihrer Verbindungsstelle mit dem Limbus. Von der Mitte
dieser Fäden entspringen kleinere und von diesen ganz kleine,
die sich nahe am freien Rande der Klappen fächerartig inse-
riren und durch ihr bogenartiges Zusammenstossen Taschen
bilden , welche durch einen rückgängigen Blutstrom oder
aufgegossenes Wasser sich segelartig aufblähen , wodurch
die Klappen sich aneinander legen und schliessen.
Das Schliessen der Klappen hängt somit vom Vorhan-
densein und der normalen Beschaffenheit der Sehnenfäden
und ihrer Taschen ab. Anspannen der Muskel und deren Zu-
sammenziehung bewirkt nie ein Schliessen der Klappe, hin-
dert aber deren Hinaustreten in den Vorhof.
Das Endocardium oder der innere Überzug der Herz-
höhlen ist eine Fortsetzung der äusseren Hülle des Herzens,
welche dieses vom Visceralblatte des Pericardiums empfängt.
Es überzieht alle innern Theile, bildet durch Duplicaturen
die Klappen und pflanzt sich als Membrana glabra der älte-
ren Autoren bis in die Gefässe fort.
Das glatte , weisse , aber von Imbibition des Blutfarbe-
stoffes leicht roth gefärbte Endocardium ist so wie die Häute
der grösseren Arterien construirt. Diese bestehen
aus sechs locker auf einander gelagerten Schichten : dem
Pflasterepithelium , der gefensterten Haut , der Längsfaser-
membran (diese drei entsprechen der Tunica glabra), der
Ringfaserhaut (^Tunica muscularis der Alten), die aus höchst
elastischen Spiralfasern zusammengesetzt wird, welche das
Lumen des Rohres erhalten oder verengen; aus der elasti-
schen Haut und der Zeligewebsschichte. (Beide letztere =
der Tunica cellularis älterer Anatomen.) Keine dieser Häute
ausser der letzten hat Gefässe ; die Ernährung , so wie
manche pathologische Processe , z. B. Exsudatablagerung
kommt nur durch Tränkung und Durchschwitzung des Plasma
von aussen nach innen zu Stande,
329
Die Häute der grösseren Venen sind ebenso gebaut, nur
zarter als jene der Arterien. In kleineren Gefässen werden
die Membranen immer weniger , so dass die Capillargefässe
nur deren drei mehr besitzen.
Der Stamm der Aorta entspringt im linken Ventrikel
zwischen dem grössern Zipfel der zweispitzigen Klappe und
der Scheidewand des Herzens, steigt 3— 4 Zolle innerhalb
des Herzbeutels nach rechts und aufwärts, biegt sich dann
in der Gegend der zweiten Rippe um , wölbt sich nach rück-*
wärts um auf der Trachea vor ihrer Spaltungsstelle, dem lin-
ken Bronchus und dem rechten Aste der A. pulmonales auf-
zuliegen und geht als Aorta descendens an der linken Seite
der Columna vertebralis herab.
Die Lungenschlagader, welche venöses Blut führt,
entspringt im linken Ventrikel, biegt sich, vom Pericardium
überzogen nach links und rückwärts über die Aorta , liegt
auf deren Vorderfläche auf, und spaltet sich nach einem Zuge
von ungefähr 2 Zollen in zwei Zweige.
Der Her z beut el besteht aus zwei Blättern, deren
inneres das Herz überzieht, welches gleichsam darein so
eingestülpt ist, wie der Kopf in einer Zipfelmütze — deren
äusseres aber an die Pleuren und das Diaphragma befestiget
ist. Dazwischen befindet sich ein freier Raum. An den gros-
sen Gefässen gehen beide Blätter in einander über. Das über-
kleidende Epithelium und ein seröser Dunst erhält die sich
zugekehrten Flächen beider Blätter stets schlüpfrig und glatt,
so dass trotz ihrer rastlosen Reibung an einander im nor-»
malen Zustande nie ein Geräusch gehört wird.
Mechanismus des Kreislaufes.
Das Herz wirkt als Druck- und Saugwrerk , als erste-
res durch die Zusammenziehung der Muskel (Systole), als
letzteres durch eine selbstthätige Erweiterung der Höhlen,
die nicht bloss als Relaxation der früher gespannten Theile
zu betrachten ist. (Diastole.)
330
Der Weg, den das kreisende Blut beschreibt, ist fol-
gender: Es sammelt sich als venöses im rechten Atrium
während dessen Diastole (Systole der Kammer) , gelangt
dann während der Erweiterung des rechten Ventrikels in die-
sen, wird durch dessen Zusammenziehung in die Pulmonal-
arterie gepresst, in den Lungen in arterielles Blut verwan-
delt, von den Lungenvenen gesammelt und dem linken Atrium,
während dessen Diastole (Systole des Ventrikels) überliefert,
gelangt dann in die linke Herzkammer und wird durch deren
Systole in die Aorta und von da an die Peripherie des Kör-
pers getrieben, wo es durch die Capillargefässe den Venen
überantwortet wird und als venöses Blut wieder zum rech-
ten Vorhofe zurückkehrt.
Systole und Diastole ist in beiden Herzhälften gleichzei-
tig und betrifft beide Atrien oder beide Ventrikel. Die Vor-
kammern und die Ventrikel wechseln immer ab, so dass es
scheint, als ob sich die Systole von den Atrien auf die Kam-
mern verbreite, während jene sich nach und nach wieder
ausdehnen.
Während der Systole der Kammern vermindern sich alle ihre
Durchmesser, rückt die Spitze des Herzens nach ab- und
vorwärts , biegt sich nach vorne um und schlägt dabei an die
Brustwand an , zugleich beschreibt es eine kleine Achsen-
drehung von rechts nach links; während der Diastole erwei-
tern sich die Räume, sinkt das Herz gegen die Wirbelsäule
zurück , und dreht sich etwas von rechts gegen links. Die
Bewegung des Herzens ist somit die eines Hebels mit Rota-
tion verbunden.
Während der Systole der Ventrikel schliessen sich die
Klappen der Ostia venosa und stehen die halbmondförmigen
offen ; das entgegengesetzte Verhältniss findet bei der Dia-
stole der Kammern Statt. Da sich während der Systole der
Ventrikel alle Räume verkleinern , das Blut aber die zwei-
und dreispitzigen Klappen gegen die Vorhöfe treibt,
so würden diese in letztere hinaustreten, statt sich an ein-
331
ander zu legen, verkürzten sich nicht in gleichem Masse
die Papillarmuskel.
Ist die Kammersystole beendigt , das Blut in die Arte-
rien getrieben, so macht sich auch deren Contractilität geltend
und theils durch ihre Zusammenziehung, theils durch eigene
Schwere würde das Blut wieder in die Ventrikel getrieben,
wenn nicht die halbmondförmigen Klappen, in de-
ren Taschen es sich fängt und somit diese auftreibt, ein Hin-
derniss des Rückflusses abgäben. Die Diastole der grossen
Gefässe fällt mit der Kammersystole zusammen.
Der Herzmuskel ist nie in Ruhe und es erscheint ein
steter Wechsel von Ausdehnung und Zusammenziehung, nur
bei sehr langsamer Herzbewegung werden zwischen Systole
und Diastole kleine Ruhemomente bemerklich. Im Tode selbst
behält das rechte Atrium noch eine Zeitlang seine Contrac-
tionskraft. Die Frequenz der Herzschläge beträgt in den er-
sten Lebensmonaten 120, bis zum 5. Jahre 88, zum 15.
Jahre 78 , vom 25. Jahre angefangen 69 , und nimmt nach
und nach, im gleichen Verhältnisse mit der Häufigkeit der
Respirationsbewegungen ab, so dass auf 2 Athemzüge 7
Herzschläge kommen. Frauen haben einen um 10 bis 14
Schläge schnelleren Puls als Männer; häufiger ist derselbe
auch bei Sanguinikern und nervösen Individuen mit Neigung
zur Tuberculose und bei Leuten von kleiner Statur. Bei vol-
lem Magen und in aufrechter Stellung sollen auch die Herz-
impulse schneller wahrgenommen werden, als im entgegen-
gesetzten Falle.
Unter sueliang des Herzens und der grossen
Arterien«
Inspection. Im normalen Zustande sieht man
in dem Räume zwischen der 5. und 6. Rippe mit jedem Herz-
schlage ein leichtes Emporheben der Brustwand. Kinder und
magere Individuen mit weiten Zwischenrippenräumen zeigen
333
diese Erscheinung deutlicher als fette Personen ; nach Reiz-
mitteln wird dieselbe verstärkt wahrgenommen. Individuen
mit kurzem Thorax zeigen häufig in der Herzgrube eine
sichtbare Fortpflanzung des Herzstosses.
Im krankhaften Zustande. Stärkere Wölbung
der Präcordialgegend , sichtbare , verbreitete Erschütterung
der Brustwand sind der excentrischen Hypertrophie eigene
Symptome. Ist der Stoss des Herzens so stark, dass er sich
den Bettdecken und Kleidern mittheilt, so schliessen wir auf
starke Hypertrophie beider Ventrikel, oder auf ein gleiches
Leiden der linken Herzkammer mit Aortenklappeninsufficienz.
Hervortreibung der Herzgegend mit Erweiterung der be-
treffenden Intercostalräume bezeichnet ein grosses Exsudat
im Pericardium. Undulirende Bewegungen daselbst, durch
den Herzimpuls hervorgebracht, haben keine semiotische
Bedeutung.
Bei horizontaler Lage des Herzens und excentrischer
Hypertrophie beobachtet man zuweilen eine Einziehung der
Herzgrube, worauf deren Vortreibung folgt; ein Symptom,
welches man früher mit Unrecht als die Verwachsung des
Herzens mit dem Pericardium bezeichnend betrachtet hat.
Ein ähnlicher scheinbarer Rückstoss zeigt sich zuwei-
len an Alten , mit weiten Intercostalräumen und fast paraly-
tischem Brustkorbe, bei excentrischer Hypertrophie. Es wer-
den dabei die Stellen , wo die Herzspitze anschlägt, und der
darüber liegende Intercostalraum abwechselnd vorgetrieben
und eingezogen.
Die Meinung, dass Hervortreibung der Rippen gegen
rechts am Brustbeine, Hypertrophie des rechten Ventrikels,
gegen die linke Seitengegend hin aber, Jone der linken Herz-
kammer bezeichne, ist irrig. Lageveränderung des Herzens
bedingt einen an einer aussergewöhnlichen Stelle sichtbaren
Herzstoss ; eben so zeigt ein Aneurysma der Aorta, welches
die Brustwand berührt, nicht allein ein deutliches Anschla-
333
gen daselbst, sondern auch den Impuls der Herzspitze tiefer
und mehr nach links.
Verdichtung* des Lungengewebes , z. B. Hepatisation
oder Tuberkelinfiltrat verbreiten den Herzstoss weiter. Aus-
gebreitetes vesiculäres Lungenemphysem macht ihn entwe-
der in der Herzgrube sichtbar oder hebt ihn ganz auf.
Palpation. Durch den Tastsinn erkennen wir den Ort,
wo die Herzspitze anschlägt und schätzen die Kraft des Im-
pulses , erforschen den Puls der Arterien und andere beson-
dere Symptome , wie das Katzenschwirren u. s. w.
Wo in Herzstosse,
Der Stoss QChoc') des Herzens scheint das Resultat
mehrerer zusammenwirkenden Kräfte zu sein. Nicht ohne Ein-
fluss sind dabei die Streckung der Arterien und das Herab-
rücken des Herzens bei der Systole , die schräge und Spi-
rale Anordnung seiner Muskelfasern , der fixe Punct für ihre
Zusammenziehung an deren Ursprünge, das Aufliegen auf
der Wirbelsäule , und die Veränderung der Form des ganzen
Herzens, welches bei der Systole sich zurundet. Gutbrod's
Erklärung des Herzstosses durch Anwendung des physica-
lischen Gesetzes , nach welchem Schiessgewehre zurück-
stossen und das Segner'sche Rad sich bewegt, welche
Skoda noch vertheidigt, ist von Kürschner, Müller,
Valentin u. a. hinlänglich widerlegt worden. Ausführli-
ches hierüber befindet sich in meiner Abhandlung über Au-
scultation und Percussion5«*) und in Zehetmayer's Herz-
krankheiten ##).
Wir berücksichtigen am Herzstosse besonders seinen
Ort , seine Stärke und seine Verbreitung.
a) Ort des Herzstosses.
Derselbe gibt einen wichtigen Anhaltspunct für die Be-
stimmung der Lage des Herzens.
*) Wien bei Gerold. 18i2. p. 54.
**) p. 30.
m
Im normalen Zustande fühlt man die Herzspitze
im fünften Intercostalraume ; über demselben liegt der linke
Ventrikel , mehr nach oben und gegen das Brustbein findet
man die rechte Kammer. Eine Linie, welche wir uns am un-
tern Rande der dritten Rippe horizontal gezogen denken, ver-
sinnlicht die Lage der Semilunarklappen. In dem beschriebe-
nen rautenförmigen Räume von l'/a bis 2 Zoll Grösse liegt
das Herz frei an der Brustwand an, im zarten Kindesalter
ist er aber kleiner, da die Lungen sich mehr über das Herz
legen , im hohen Alter grösser , da die Lungen so wie alle
Organe schwinden und sich zurückziehen.
Bei Frauen schlägt die Herzspitze etwas höher an ,
als bei Männern , besonders zur Zeit der Schwangerschaft,
übrigens findet man sie in horizontaler Lage auch selten hö-
her, als in aufrechter Stellung. Tiefer schlägt das Herz
an bei Kindern, bei Greisen und sehr magerem, langen Brust-
korbe.
Im krankhaften Zustande. Das Herz steigt hö-
her hinauf, wenn es entweder bei plötzlicher Anämie dem
Zuge der sich schnell zusammenziehenden grossen Gefässe
folgt , oder durch das Zwerchfell aufwärts gepresst wird ,
wenn dieses Flüssigkeit, Lebervergrösserung oder After-
massen in der Bauchhöhle verdrängen.
Tiefer sinkt das Herz bei Schwächekrankheiten, Ty-
phus, Scorbut, Emphysem der linken Lunge, Aneurysma der
Aorta adscendenSy Verwachsung des Herzens mit dem Peri-
cardium , nach schneller Entleerung von Flüssigkeit aus der
Bauchhöhle und zuweilen bei pericarditischem Exsudate.
Die Achse des Herzens steht mehr vertical und seine
Spitze gegen das Brustbein gerichtet, bei Exsudaten in der
linken Brusthöhle, Emphysem und Pneumothorax derselben
Seite. Dieselbe kann mehr horizontal stehen und die
Spitze weiter gegen links gerichtet sein, bei grossem Aneu-
rysma des aufsteigenden Theiles des Aortabogens, serö-
sem Ergüsse im Pericardium, grosser excentrischer Hyper-
335
trophie und den Zuständen , welche eine höhere Lage des
Herzens bewirken. Begreiflich ist es , dass Verkrümmungen
der Wirbelsäule , Einsinken des linken Thorax nach der Re-
sorption von flüssigen Ergüssen und Atrophie der linken
Lunge, Afterrnassen u. s. w. auf die Lage des Herzens gros-
sen Einfluss ausüben.
b) Stärke des Herzstosses.
Im normalen Zustande. Der Impuls des Herzens
ist kurz und ziemlich kräftig bei Weibern und Kindern ,
magern Personen , während der Exspiration und in vorwärts
gebeugter Haltung des Körpers. Schwach wird er durch
dicke Fleischlagen, während der Ausdehnung der Lungen,
in der Inspiration und in der Rückenlage empfunden.
Im krankhaften Zustande. Affecte , Reizmittel,
heftige Muskelanstrengung und entzündliches Fieber bedin-
gen einen verstärkten Herzschlag. Übrigens noch folgende
Krankheiten:
1. Excentrische Hypertrophie beider Herzkammern, oder
des linken Ventrikels mit gleichzeitiger Erkrankung des
Aortaklappenapparates. Dabei wird die aufgelegte Hand des
Arztes , so wie dessen Kopf beim Auscultiren zugleich mit
der Brustwand durch jeden Choc gehoben.
2. Hypertrophie des Herzens überhaupt bedingt
eine Verstärkung des Impulses.
3. Pericarditis , ehe es noch zur Exsudatbildung ge-
kommen.
4. Verdichtung des Gewebes der linken Lunge durch
Hepatisalion oder Tuberkelinfiltrat.
5. Atrophie des Lungengewebes bei Verwachsung beider
Pleurablätter.
6. Einsinken des Thorax über einer, nach Resorption
eines pleuritischen Exsudates geschrumpften Lunge.
7. Verwachsung des Herzens mit dem Pericardium, aus-
ser es wäre das Herzfleisch durch den Druck des Exsudates
schon paralysirt.
336
8. Halbseitige excentrische Hypertrophie des Herzens be-
dingt häufig einen nur durch einige Momente andauernden
stärkeren Herzstoss. Äusserst unstät ist nervöses Herzklopfen,
wovon unten in einem eigenen Abschnitte die Rede sein wird.
Vermindert ist der Choc des Herzens :
1. Bei serösem Exsudate im Pericardium , oft auch bei
grosser plastischer Ausschwitzung , immer aber bei jauchi-
gem oder eitrigem Exsudate , sei es auch in sehr geringer
Menge vorhanden.
2. Bei Erweiterung des Herzens mit Verdünnung der
Wandungen.
3. Bei linkem Lungenemphyseme.
4. Bei Verdickung der Brustwände durch Fett oder
seröse Infiltration.
5. Bei Schwächekrankheiten , Anämie , Chlorose, Cho-
lera, Typhus im Stadium des Torpors u. s. w.
Einen doppelten Herzstoss, Rückstoss (bah-
slrok H»pes) findet man zuweilen bei excentrischer Hyper-
trophie beider Ventrikel , besonders bei gleichzeitiger Ver-
längerung der Aorta und tieferem Stande des Herzens und
nach Zehetmayer auch bei starker Verdrängung des Her-
zens nach rechts , durch pleuritische Ergüsse. Die aufge-
legte Hand empfindet dabei während der Systole einen kräfti-
gen erschütternden Herzstoss und während der Diastole wie-
der einen schwächeren, der, wie es scheint, dem Zurück-
sinken des Herzens auf die Wirbelsäule zuzuschreiben ist.
Umfang des Herzstosses.
Im normalen Zustande ist derselbe nur in einem
Intercostalraume fühlbar. Bei Kindern und Frauen reicht er
nicht selten weiter.
In Krankheiten ist er weiter verbreitet:
aj Bei einfacher Hypertrophie , Dilatation des Herzens
und bei beiden Krankheiten zugleich; ist letzterer Zustand
namhaft, und zugleich ein Fehler an den Aortenklappen
387
vorhanden , so fühlt man nicht selten den Herzstoss am Rü-
cken des Kranken.
b") Bei Exsudaten im Herzbeutel, Aftermassen an dem-
selben , Verwachsung dieses mit dem Herzen.
e) Bei Verdichtung des angrenzenden Lungengewebes
durch Infiltration (Tuberkel, Krebs, Hepatisation) oder Druck
(pleuritisches Exsudat).
d) Bei Vergrösscrung der Leber mit Aufwärtsrücken de-
ren linken Lappens.
e) Aneurysma der Aorta lässt an der Stelle, wo es die
Brustwand berührt und an jener, wo die Herzspitze anschlägt,
Pulsationen wahrnehmen.
Die Voraussetzung , dass man den Herzschlag in mehr
horizontaler oder mehr verticaler Richtung fühlen müsse,
je nachdem Hypertrophie des rechten oder des linken Ven-
trikels vorhanden ist, bestätigt sich nicht in der Erfahrung,
denn die fühlbare Ausdehnung des Chocs nach einer oder der
anderen Seite ist von der Lage des Herzens abhängig.
Das Katzeiischwirren.
Dieses Symptom gibt sich der aufgelegten Hand als
eigenthümliches Erzittern, gewöhnlich während der Systole,
kund , und wird dadurch versinnlicht , wenn man mit einer
Bürste über die mit einem Handschuhe bekleidete Hand streift,
oder diese auf den Rücken einer spinnenden Katze legt. Es
ist kein constantes Symptom, doch aber sehr häufig vorhan-
den , wenn der Blutstrom durch eine verengte Stelle sich
drängt, z. B. bei Stenose der Ostien, Rauhigkeiten an den-
selben u. s. w. Im linken Ventrikel wird es häufiger beobach-
tet, als im rechten, und deutet durch die Stelle, an welcher
es am stärksten gefühlt wird, zuweilen die erkrankte Mün-
dung an.
Bestand es durch längere Zeit und vermindert es sich
oder hört es auf, so gilt diess als Zeichen, dass die Mün-
dung nun in dem Grade verengt oder der Blutstrom nicht
Gaal Diagnostik. %%
338
stark genug* ist, um das schwirrende Reiben hervorzubringen,
oder dass die Herzthätigkeit erlahmt.
Ungeübte können diess Symptom mit dem zuweilen fühl-
baren pericarditischcn Reiben verwechseln; das
Stethoscop hellt dann den Irrthum auf.
Auch an grösseren Arterien , z. B. den Carotiden wird
das stets von Geräuschen begleitete Katzenschnurren nicht
selten gefühlt, z. B. bei Atheromen , Rauhigkeiten , Ossifi-
kationen der Schlagadern , Insuffizienz der Aortenklappen ,
Chlorosis , straffer Spannung der Arterienhäute u. s. w.
Der Puls der Arterien.
Durch die Zusammenziehung des Herzens werden etwa
2 Unzen Blutes in die Arterien gepresst, die darin enthal-
tene Blutsäule wird fortgeschoben, und das Gefässrohr sowohl
erweitert , als auch gleichzeitig gestreckt. Das fühlbare An-
schlagen der Blutwelle und die Ausdehnung der Arterie bil-
det deren Puls.
Die Stärke und Schnelligkeit der Herzaction und die
Blutmenge bestimmen die Qualitäten des Pulses.
Da die Verschiebung der Blutmasse nur successiv statt
findet, so gelangt auch jede neue Blutwelle nur nach und
nach an die Peripherie, und ist der Arterienpuls fast an kei-
ner Arterie mit der Systole des Herzens ganz isochron und
zwar am wenigsten an den entlegensten Arterien. Der Ra-
dialpuls ist etwa um lo, der Puls der Arteria subclavia
um 8, jener der A. metatarsea um 20 Terzen später, als der
des Herzens. An der Radial-, Schläfen- und Cruralarterie
(gleich unter dem Po up art'schen Bande) ist der Puls iso-
chronisch , weiter unten später , an der grossen Zehe am
spätesten ; Aneurysmen verspäten nicht allein den Puls unter-
halb ihrer Stelle, sondern machen ihn gewöhnlich auch
schwächer und leichter zu unterdrücken j z. B. Aneurysma
der Abdominalaorta bewirkt, dass der Puls der A. cruralis
später erscheint, als jener der A. temporalis oder radialis,
339
weil sich die Blutwelle im aneurysmatischen Sacke verliert
und dadurch später ankommt. Aneurysma im Kniebuge be-
wirkt aus derselben Ursache Differenz der Pulse an der A.
melatarsea beider Extremitäten. (Hamernj k.)
Kräftiger Herzschlag und voller, harter Puls kommen
der Herzhypertrophie zu. Ist die Hypertrophie aus anderen
Zeichen ersichtlich , der Radialpuls aber klein und schwach,
so spricht diess für Insufficienz der zweispitzigen Klappe ,
wobei ein Theil des Blutes in den Vorhof zurückgeworfen
wird, die Arterien somit weniger Blut empfangen.
Hypertrophie des linken Ventrikels mit Insufficienz der
Aortaklappen zeigt einen schnellenden , rasch aufgeblähten
aber gleich wieder zusammensinkenden Puls , da die Arterie
bei der Systole nicht allein durch die Vorwärtsbewegung des
Blutes, sondern auch durch das Zurückfliessen eines Thei-
les desselben in den Ventrikel vollständig entleert wird.
Hypertrophie des linken Ventrikels mit Stenose der Aor-
tenmündung wird von einem kleinen, harten, Hypertrophie
der rechten Herzkammer mit Stenose des linken Ostium ve-
nosum von einem leeren weichen Pulse begleitet. In beiden
Fällen gelangt nur wenig Blut in die Arterien.
Pericarditis hat im Anfange einen grossen , aber mehr
verwischten Puls ; wird die Gewalt des Herzstosses durch
den Druck eines Exsudates gebrochen , so erscheint ein
schwacher, weicher Puls.
Anämie und Blutzersetzung bedingen einen leeren,
schwachen, zitternden Puls. Chlorose und M. Werlhofii
werden von kurzem Pulse begleitet, im ersten Stadium des
Typhus ist derselbe voll, wellenförmig und gleichsam dop-
pelschlägig.
Der Puls und die Schwellung der Venen.
Eine scheinbare Pulsation der Drosseladern zeigt sich
zuweilen bei grosser Venosität an abgemagerten Individuen,
an welchen die Blutadern deutlicher sichtbar hervortreten,
22 #
340
während der Exspiration , da durch das Zusammensinken der
Athmungsorgane der Blutinhalt der grossen Venenstämme
zurück und aufwärts gepresst wird. Diese Pulsation ist aber
nur von den Respirationsbewegungen abhängig und mit der
Systole des Herzens nicht gleichzeitig.
Bei allen Hindernissen des Kreislaufes , durch deren
Gegenwart die Entleerung des Venenblutes in den rechten
Vorhof gehemmt wird, z. B. Hypertrophie des rechten Ven-
trikels , verbreitetem Lungenemphysem , chronischem Bron-
chialcafarrh. Lungenödem, Verödung oder Unwegsamkeit
einer grösseren Partie der Lungen u. s. w. entsteht eine
Überfüllung der Venen , welche besonders an den Jugular-
adern deutlich erscheint, so dass diese strotzend und vorge-
trieben sich darstellen. Leicht geschieht es nun, dass einer so
geschwellten Vene die Pulsation der unterliegenden Arterie
sich mittheilt, doch ist dann keine eigentliche Systole und
Diastole zu unterscheiden und es dauert die scheinbare Pul-
sation auch noch an , wenn man die Vene am Schlüsselbeine
zusammendrückt.
Der eigentliche Venenpuls entsteht, so wie jener der
Arterien , bloss durch die Thätigkeit des Herzens , ist mit
demselben isochron , zeigt eine wahre Systole und Diastole,
schreitet wellenförmig von unten nach aufwärts fort , und
hört auf, wenn man die Vene comprimirt.
Der Venenpuls wird durch Überfüllung des Vorhofes
mit Blut bewirkt, welches entweder durch ein übermässig
erweitertes Ostium venosum, oder durch die insuflficienten
Tricuspidalklappen dahin zurückgeworfen wird; der Herz-
stoss pflanzt sich dann auf die ganze ununterbrochene Blut-
säule fort und wird als Puls sichtbar und nicht selten selbst
fühlbar. Gewöhnlich sind dann auch die Venenhäute ver-
dickt. Nach Gen drin entsteht auch noch ein Venenpuls,
wenn die verdünnten und übermässig ausgedehnten dreizipf-
ligen Klappen zwar schliessen , aber durch den Blutdruck
während der Ventrikelsystole gegen die Vorkammer sich
341
wölben , und dessen Stoss der rückwärts befindlichen Blut-
säule mittheilen.
Percussion des Herzens.
Im gesunden Zustande. Wo das Herz frei die
Brustwand berührt , somit bei Erwachsenen im Räume von
i1/, — 2 Quadratzollen (bei Greisen von mehr, bei Kindern
von weniger) erhält man einen dumpfen, leeren Percussions-
schall mit vermehrtem Widerstände , der rings in den nor-
malen Lungenton, nach unten aber in den Ton des Magens
übergeht. Durch starken Anschlag lässt sich das Herz auch
noch dort erkennen, wo die bedeckenden Lungen schon des-
sen Schall voller und heller machen.
In Krankheiten. Der Percussionsschall erscheint
in grösserer Ausdehnung gedämpft :
1. bei einfacher Herzhypertrophie;
2. bei excentrischer Herzhypertrophie ; dabei ist auch
der Widerstand bedeutender;
3. bei einfacher Dilatation ; wobei die Resistenz aber
geringer wahrgenommen wird ;
4. bei grossem serösen Exsudate im Herzbeutel; mit
besonders vermehrtem Widerstände ;
5. bei Verwachsung des Pericardium mit dem Herzen;
6. bei grösseren Krebsablagerungen ins Pericardium;
7. bei Aneurysmen der autsteigenden Aorta oder de-
ren Bogens.
8. Endocarditis setzt erst nach längerem Bestehen und
wenn durch entstandenen Klappenfehler Hypertrophie einge-
leitet wurde , eine durch das Plessimeter erkennbare Ver-
grösserung des Herzens.
Concentrische Hypertrophie , Myocarditis , beginnende
Pericarditis u. s. w. verändern den Percussionsschall nicht.
Auf Hypertrophie des linken Ventrikels schliesst man,
wenn der matte Percussionston nach der Länge des Her-
zens eine grössere Ausdehnung hat; auf Zunahme der rech-
342
ten Kammer hingegen , wenn der Schall nach der Quere des
Herzens in grösserer Verbreitung gedämpft ist , vorausge-
setzt , dass in beiden Fällen auf die Lage des Herzens und
den Stand seiner Achse Rücksicht genommen werden wird,
da z. B. ein horizontal gelagertes Herz immer nach der Breite
dumpfen Schall in grösserer Ausdehnung gibt, ob nun die-
ser oder jener Ventrikel erkrankt ist.
Vermindert ist der Umfang, in welchem der matte Per-
cussionston des Herzens gefunden wird, im linkseitigen Lun-
genemphysem , und es hält oft schwer, den Umfang des Her-
zens dann durch das Plessimeter zu bestimmen. Atrophie des
Herzens und allgemeine Anämie sollen gleichfalls von einer
räumlichen Verminderung des matten Percussionsschalles in
der Herzgegend begleitet sein.
Durch Percussion , im Bunde mit der Palpation und zum
Theile mit der Inspection , sind wir hauptsächlich imstande,
die Lage und den Umfang des Herzens möglichst genau zu
bestimmen.
Auscultation des Herzens.
Bei der Untersuchung des Herzens ist das Stethoscop
dem blossen Ohre vorzuziehen. Der Obturator ist ganz über-
flüssig. Die Präcordialgegend sei dabei nur vom Hemde be-
deckt, dessen Falten sorgfältig auszugleichen sind. Die
Lage sei im Allgemeinen eine halb aufgerichtete auf einer
durch die Kopfkissen construirten geneigten Ebene; doch
ist es gut , Kranke sitzend und liegend zu auscultiren , da
bisweilen bei veränderter Stellung sich in den auscultato-
rischen Phänomenen Abweichungen ergeben. Im Allgemei-
nen muss der Kranke sich in einem vollkommen ruhigen Zu-
stande befinden , doch ist es zuweilen nöthig, ihn etwas Be-
wegung machen zu lassen, damit durch diese Erregung ab-
norme Geräusche deutlicher sich entwickeln , welche vorher
nicht wohl zu unterscheiden waren.
Das Athmungsgeräusch beirrt jenen, der in der Unter-
343
suchung geübt ist , nicht , doch kann es so stark oder von
fremdartigen Geräuschen begleitet werden, dass man den
Kranken momentan den Athem an sich halten lassen muss.
Will man die Stärke des Herzstosses bemessen, so lege
man das Ohr fest auf das Stethoscop ; feinere Nuancen der
Töne werden bei leichtem Aufsetzen des Instrumentes besser
erkannt.
Im normalen Zustande hört man in der Herzge-
gend einen Doppelschlag, ähnlich dem Tic-tac einer
Uhr, der in einem bestimmten Rhythmus nach einer kleinen
Pause sich stets wiederholt. Der erste Herzton ist jener,
welcher mit dem Herzstosse zusammenfällt , länger anhal-
tend, und dumpfer als der zweite, der fast unmittelbar auf
diesen folgt, und als hell, kurz und fast klingend erkannt
wird. Darauf folgt eine Pause. Der erste systolische Ton wird
nach links und aussen an der Stelle , wo die Herzspitze an
die Brustwand schlägt, am deutlichsten wahrgenommen •, der
zweite, diastolische hingegen ober den Semilunarklappen im
dritten Intercostalraume näher gegen das Brustbein hin.
Je weiter wir das Ohr von der Herzgegend entfernen,
desto schwächer werden diese Töne vernommen, doch kön-
nen sie bei magern Personen sehr weit, selbst bis in die
rechte Brusthälfte und den Rücken verbreitet, zu hören sein.
So wie auf die Verbreitung des Herzstosses , hat auf
jene der Töne der Zustand des benachbarten Lungengewe-
bes, welcher dessen Schallleitungsfähigkeit bedingt, grossen
Einfluss.
Man hört über beiden Ventrikeln die Herztöne dersel-
ben gleichzeitig und es ist nur möglich im krankhaften Zu-
stande die Töne der rechten Kammer von jenen der linken
getrennt wahrzunehmen.
In den näheren grösseren Arterien werden gleichfalls
zwei Töne unterschieden, in den entfernteren hört man bloss
einen Ton. Die Töne der Aorta vernimmt man am besten an
der Insertion der 2.— 3. rechten Rippe in der Mitte des Brust-
844
beines, jene der Lungenarterie in der Mitte des zweiten
linken Zwischenrippenraumes , da an allen andern Stellen
beide Gefässe einander näher liegen und ihre Töne nicht ge-
schieden wahrgenommen werden können.
Werden die Töne sowohl über dem Herzen als den gros-
sen Gefässen klar und rein gehört, so sind sowohl die Klap-
pen als die Ostien des Herzens gesund.
Es liegt nicht in unserm Plane , die Ursachen der
Herztöne, welche aufzufinden, die grössten Physiologen
jeder Zeit beschäftigte , zu suchen , doch wollen wir die
hauptsächlichsten Theorien , der Vollständigkeit und des hi-
storischen Interesses wegen , hier in Kürze so darlegen, wie
sie Barth und Roger zusammengestellt: -
345
«0
3
1
8
3
1 U
i-J
<j CD
Ol
Tl
- ja
.
K
3
8 •<
CD
3
3
cd 33
bß^
"3
4-*
CD
CS
<->
8 u
3 cd
CS
3
CD
o
H3 T3
es ~Ö
P
u
©
3
o
:3
14 CD
•*CS t,
^ -3
^ 8 JS
CD
.2
bß
3
g
O CD O
-° bJc ti
u 3 m
>■ 11 fl
CD
"3
ja
"3
o
s
3
s
M
CD
'S
c
CD
3
CS
u
'S
3
bß
cd ^
=3 §
tue -5
3 ' ^
S u s
w CS CD
CA ^"2 Sn
*->
CO
CS
p
Li
CD
T3
CS
p"
L
CS
3
_3
'a
0
■>->
CD
B
B
CS
CA
u
CS
(-1
*->
3
o
8
3
U
CD
bß u
cd "3
cd 3 n
■^ cj "^J
-2 'S 1
W a 3
CD f"
CA kT u
CD p- CD
T3
3
CD
U
J3
:cS
CD
"3
(A
CA
CS
CD
CO
0
M
h
H3
Vm
3
*->
°S
*j CS
3 bß
CQ — i
CA O
0) CA
T3 8
0)
CA bß
s
e
CD
3
s
a
CS
o
CS
CO
0)
13
CA
CA
O
o
'S
*->
3
0)
L
Ol
V
a
a
es
-n , g
bß o g
3 ~3 es
3 £ t4
rS
"3
o
4->
3
CD
Oh
84
es
>
CO
^
td
co
«
P
2
i
T3
8 •
l
M
O
CD O
CO
:es
CD
h
-3
0J
3
JS
"3
3
"0
3
:es
,*!
*j
V
613
3
3
13
CD
H3
8
a 2
« S
U ;es
ö Vl-'
f a
v 8
CD
'S
4->
CA
>>
CA
3
i
CO
h
CD
n3
3
:cs
CO
CD
CS
"3
CD
^3
m
a
0)
M
H3
CD -3
^.3
3
o
'S
4->
3
'u
4->
3
e 2
i S
^ bß
8 s
8
8 w
CS &ß .
fl OJ
CA 3 0
«13 ^
CD
'S
>
■
bß
3
3
-s
"3
0)
3
bß aj
bß o
bß
3
3
,8
tu
»pH
tu
8
CD
bß
CD
bß
's
Cl
CD
*o
B
— i
^3
3
h
p— « *C0
^O CD
bß-g
3 CA
3 'S
S °
8 *i
8
CD
tß
'5
4->
'a.
CA
eo
T3
8
CA
8
3 ö >,
CD
es «
8
v
CA CS
0
CA
CD
4-> CD
CS
3 P
T5
3h 0
P
s
6
CS
CA
3
N
u
a>
o
CD
T3
CD • m
*-> Q
J3 ~
CQ v
H3
CA
T3 3
a
a
CS
CA
3
H
t*
V
w n3 cd
bß n3 3
5 ö 3
2 3 a
rS
'S
4
CA
CA
O
4->
CA
3
CD
a
CO fH
8 ♦
O bß
P^ 8
J 3
CM
CD
T3
8
CD
a
a
CS
CA U
CA
o
4-1
CO
a
a
CS
o
«B n3
CA
o
4ai
CO
a
CS
CA
3
N
a -2
:cs ^3
B
CD
CJ
3h
3h
CS
3
9
9»
fl
c
*
MD
IM
CS
fl
H
M
tu M
EU
CO
PN
CD
fl
■
S
O
a
E
E
■
ä <*>
4)
e (X>
1*
S
O
«* p*
s
e
S
H S
346
«• br> i
cu
a
*
und Stos
e Senkun
der Dia
'S
0)
bß
ce
O
•
"o
ce
es
a
4)
4)
e
-d
ce
ja
4)
:3
PCS
_3 T3
e ö a
Q
S
0
a
o
£
ja
CS
a
CU
_
Aufrichten der halbmondförmigen Kh
ihrer entgegengesetzten Flächen, pl
der 2- und 3spitzigen Klappen w
stole.
-O
_3
ja
CS
s
s
s
V •
3
©
Ei
M
E
6
b
J3
:cS
a
CU
<9
<->
r halbmondförmigen
äulen in der Diastole.
u
o
o
Sl
B
J3
ü
0)
b
ce
a
■
»
J5
V
J3
u
:eS
CS
N
s
a
o
HB
M
a
CS
a j«
c La
Öl »*3
► o
a ^
«j .
^ S
a w
tjj CS
60 u
:cs *W
js a
a ^
o ja
^ :cs
23
*J
u
ca "o
v .
4) ce
-d
*j
*j
'S
*->
a
w
a
CS
3
o
S
>
b
CU
-o
CA
CA
o
*->
CO
3
CS 4)
lg
CA
o
CO
-d a
4)
ce 0*
ce Dh
O es
«-> ■— i
ce k«^
o
:3
* J
a
g Ö
a-*
es
Oi
CO
1 -
b
c a> "O
1
,>
0)
v J3 a
ja
a
T3
** o 3
4)
:cS
b
„ a
a o)
4) b
-d ja
:eS
B
Ol
b
ja
:cs
en gesetz
n, plötzli
pen währ
CA
>>
CO
u
4)
a
0)
HD
a
3
na
4)
cu
N
CO *j
b ^
CS
9« «» cu
tJ
8
ce
CO
CU b
— -
3 a,
a
CD
'S
oss der entge
itzigen Klapp
förmigen Kla
_a
na
CS
*
4)
'd f
-d
ö -1-1
4) ^3
s
o
3
S n
'S
j*
'S
V
b
4>
-3
a
CS
&
tri
CA
3
b
OQ
E 2
CS -<
.2 S
cu
-d
a
CU
h
J3
-d ß
a v
C bX)
BD
bl
3 fl
,2 '«
3 O
ü
a
►
a
a
CO
0
chten und St
r 2- und 3sp
er halbmond
4)
a
CS
er Blutwelle gegen d
d der Diastole der V
:ctf
o
3
cu a
na 3
ja
ß 2
CS «
w
s ^
4-> »s
Jü
a
3
S3
ce
0)
0>
N
*•>
'o,
JA
•
a
a
CA CU
-2 fi
-2 a
CA
0)
. _ o -n cj
13 - w> *t
CA
H
b
4)
s
s
CQ es
^ ce
-3 'S
b
ß 2
« s
ja
CK
""3
ö CU
&2
«e J3 3 CO
cu o -*
Ä
CS
CA
3
ig
CU N
-d 4>
Ji
ce
>>
1 ^
=! :«S a b
5 (£| CO *d
T3
IA
CA
-u a
4)
CA «
CA
"4;
J*
ce
a
ja
o
0
3
'eu
u
§
4)
03
1
W
CO
CO
CO
c2
b
■
1
0.
•5
S
CR
a
1
e
b -u
h
•M
M
es
e
PQ
ir —
e
•■«
EU
es
e
1
e
M
16
8
mm
* s
JS
PQ
9
s
fi
347
Die Herztöne scheinen aus mehreren Elementen zusam-
mengesetzt zu sein , und unserer Ansicht nach zur Bildung
des ersten Tones die Muskelcontraction der Kammern und
das Anschlagen der Herzspitze an die Brustwand sowohl,
als das Anströmen des Blutes gegen die dadurch aufgeblähten
Auriculoventricularklappen und die plötzliche Anspannung
ihrer Sehnenfäden zusammenzuwirken. Letzteren Umstand
allein aber können wir unmöglich als Ursache des ersten
Tones gelten lassen, da die Klappe sich in der Blutmasse
nur vorschiebt , und letztere wohl in zwei Theile trennt, vor
sich aber immer noch Blut hat , daher auch nicht gegen das
Atrium geworfen werden kann; und auch das Blut in den
Ventrikeln nie so gegen die Klappen anschlägt, dass diese
erdröhnen ; hiezu kommt noch , dass wie die British Asso-
ciation for the advancement of science bewies , selbst bei
gehinderter Thätigkeit der venösen Klappen die Töne noch
fortdauern*). Für die Erzeugung des zweiten Tones scheint
das plötzliche Schliessen der Semilunarklappen , hervorge-
bracht durch das während der Diastole zurückströmende
Blut ein wichtiges Moment abzugeben.
Sei nun die Ursache der Herztöne in diesem oder jenem
Umstände zu suchen, mangelt es nicht an Gründen diese
oder jene Theorie zu bekräftigen oder zu widerlegen, so
überlassen wir die Schlichtung des Streites dem Forum der
Physiologie , und bemerken vom pathologischen Standpuncte
aus bloss , dass das Hören reiner Töne an die normale Be-
schaffenheit der Ostien und Klappen gebunden ist.
Im krankhaften Zustande hört man die Herz-
töne abnorm nach ihrem Sitze, ihrer Ausdehnung, ihrer
Stärke , ihrem Timbre und Charakter , ihrem Rhythmus, und
von fremdartigen Geräuschen begleitet oder gedeckt.
*) Siehe meine Auscultation p. 58 und Kürschners Aufsatz in
Schmidt's Encyclopädie.
348
I. Was den Sitz und die Ortsveränderung der Herz-
töne betrifft , so gilt hier Alles, was von dem Herzstosse ge-
sagt wurde und das zu wiederholen , der beschränkte Raum
dieser Blätter nicht erlaubt.
H. Betreffs der Ausdehnung und des Umfanges der
Herztöne findet auch das hier grösstentheils seine Geltung,
was seines Ortes vom Umfange desHerzstosses gesagt wurde.
Der Umfang der Herztöne wird übrigens bei concentri-
scher Hypertrophie , Atrophie, Erweichung oder einem Lun-
genemphyseme vermindert.
III. Die Stärke der Herztöne hängt von verschiede-
nen Umständen ab , ihre Betrachtung ist aber bei weitem
nicht so entscheidend , als man glauben sollte. Im Allgemei-
nen gehorcht sie denselben Verhältnissen , welche die Kraft
des Herzstosses bedingen. In seltenen Fällen werden die
Töne so verstärkt , dass man selbe , besonders den ersten
Ton , auch aus der Entfernung hört.
IV. Die Veränderungen des Rhythmus der Herztöne
betreffen deren Frequenz, Aufeinanderfolge und Zahl der
Töne , haben aber gleichfalls nur einen untergeordneten se-
miotischen Werth.
d) Frequenz. Diese ist von allen Umständen ab-
hängig , welche den Puls beschleunigen. Anämie und plötz-
liche Bildung von Blutconcretionen im Herzen haben äus-
serst schnelle Herzschläge zur Begleitung ; bei Gehirn- und
Rückenmarksleiden und unter dem Gebrauche von Digitalis
können die Herzschläge auf 16 in der Minute sinken.
(A n d r a 1.)
6} Aufeinanderfolge. Der erste Ton kann ver-
längert sein , welche Erscheinung Barth in manchen Fäl-
len von Hypertrophie mit Stenose der Arterienmündung beob-
achtete — oder die Pause erscheint bei langsamer Circula-
tion gedehnter. Oft ist eine Reihe von raschen Herzschlägen
bemerkbar, welcher eine von langsamen folgt; oft bleiben
gewisse Herzschläge in einer Reihe aus (intermittiren), und
349
zeigt sich in all' diesen Unregelmässigkeiten doch ein« ge-
wisse Symmetrie. Bouillaud spricht noch von einer fal-
schen Intermission der Herztöne , wobei das bei Stenose der
venösen Mündung nicht vollends erfüllte Herz nur auf eine
geringe Blutmenge und sehr schwach wirkt , und vergleicht
sie mit einem Fehltritte des Fusses.
c) Zahl der Töne. Der zweite Ton kann so schwach
sein , dass er fast unhörbar wird , oder durch ein Afterge-
räusch verdeckt erscheinen. Bouillaud fand bei Veren-
gerung des Ostium venosum drei Herztöne als Tic-tac-tac,
und sucht deren Erklärung in dem Umstände, dass ein Ven-
trikel , gewöhnlich der linke , sich langsamer als der andere
entleert, und somit der Rückstoss der Blutsäule auf die Aor-
taklappe etwas später geschieht als jener auf die Klappen
der Lungenarterie. — Übrigens können selbst tumultuari-
sche und in ihrem Rhythmus gänzlich unordentliche Herzac-
tionen gehört werden , ohne dass aber ihre Wahrnehmung
für die Diagnose entscheidenden Werth hätte.
V. Timbre- und Char akt er vers chiedenhei-
ten der Herztöne. Die Herztöne werden dumpfer ge-
hört bei Hypertrophie der Herzwandungen , heller und kür-
zer bei deren Verdünnung in der Dilatation. — Zuweilen
vernimmt man den ersten Ton fast metallisch klingend , wie
wenn man die Fläche der Hand auf das Ohr legte und auf
ihren Rücken mit dem Finger der andern Hand kurz und
schnell schlüge. Hope sucht diess Phänomen durch An-
schlagen der Herzspitze an einem vorragenden Rippenrand
bei sehr magern Individuen zu erklären. Delaberge und
Piorry leiten es von dem Mitklingen des von Gas aufge-
blähten Magens ab; jedenfalls ist dahinter nicht so viel zu
suchen , als man wohl glauben könnte.
VI. Beimischung fremdartiger Geräusche.
1. Das Rotationsgeräusch. Andry beobachtete in
drei Fällen ein so starkes Geräusch der Brustmuskel , dass
die Herztöne dadurch gänzlich verschleiert wurden , auf
350
ähnliche Weise , wie diess zuweilen mit den Respirations-
geräuschen geschieht.
2. Fluctuationsgeräusch. Iin sehr seltenen Hy-
dro-Pneumopericardium soll nach Bricheteau nicht allein
heller Percussionston , sondern auch ein deutliches Fluctua-
tionsgeräusch , wovon übrigens schon Morgagni spricht,
zu hören sein. Hieher glaube ich auch das von And r alan-
gegebene Gurgelgeräusch beziehen zu müssen.
3. Reibungsgeräusch des Herzbeutels. Geht
das Epithelium der beiden sich zugekehrten Flächen der Peri-
cardialblätter verloren , so wird deren sonst glatte Oberfläche
rauh , und um so unebener, je mehr plastisches Exsudat auf
diese abgelagert ist.
Ist die abgeschiedene Masse noch weich und zartflockig,
so erhalten wir ein sanftes Geräusch , ähnlich dem Reiben
einer Banknote zwischen den Fingern, dem Streifen letzte-
rer über Atlas (JBruit de frolemenQ. Wird das gebildete Ex-
sudat rauher und fester und ist nur wenig Flüssigkeit vor-
handen , so hört man auch ein rauhes Kratzen, Schaben oder
Knarren, wie von neuem Leder QBruit de raclemenQ.
Es ist oft verbreitet, oft nur auf eine kleine Stelle be-
schränkt, begleitet nur die Systole, oder beide Herztöne,
gehorcht nicht immer deren Rhythmus und scheint nicht selten
sich denselben gleichsam nachzuschleppen, durch welchen Um-
stand man es von Geräuschen , welche im Herzen selbst ent-
stehen, unterscheidet.
Es ist ein sicheres Zeichen von Pericarditis, doch kann
es in dieser auch fehlen, und wird gewöhnlich in deren Be-
ginne und am Schlüsse nach Resorption des flüssigen Exsu-
dates gehört, welches die Berührung und Reibung derPeri-
cardialblätter hinderte. So lange seröser Erguss in hinrei-
chender Menge vorhanden ist , kann kein Reibungsgeräusch
entstehen.
4. Aftergeräusche im Herzen und den Ge-
fässen. Mit diesem Namen bezeichnen wir Geräusche,
351
welche von verschiedenem Charakter, als blasende, sausende,
schabende , feilende , schnurrende , singende u. s. w. die
Herztöne begleiten oder selbst absorbiren.
Die Charakterverschiedenheiten wechseln sehr häufig* an
demselben Kranken, auch wird ein Geräusch, das ein Arzt
als ein blasendes erkennt, von einem andern als feilendes
beschrieben u. s. w. Derlei Bezeichnungen ermangeln aller
diagnostischen Wichtigkeit, und nur annäherungsweise
schliessen wir aus der Gegenwart eines blasenden, weichen
Geräusches auf ein Circulationshinderniss geringeren Grades,
aus der Gegenwart rauher , raspelnder Geräusche auf das
Bestehen einer organischen Veränderung stärkerer Art. Das
Aufhören schon bestandener Geräusche deutet bei organi-
schen Klappenkrankheiten nicht auf eine Besserung des Zu-
Standes, sondern auf Erlahmung der Herzthätigkeit und da-
durch verringerte Reibung des Blutstromes an dem Klappen-
apparate.
Für die Diagnose hat nur die Bestimmung eigentlichen
Werth, ob ein Aftergeräusch vorhanden sei oder nicht, und
ob es der Systole oder der Diastole angehöre.
A) Im Herzen.
Linker Ventrikel.
Geräusch statt des ersten Tones, am stärksten nach
aussen in der Gegend der Mitralklappe hörbar, bezeichnet
zwei Zustände , nämlich: Insufficienz der Bicuspi-
dalklappe oder Rauhigkeiten an der Mündung
der Aorta. Die Unterscheidung geschieht dadurch, dass
man bei Ersterem zugleich häufig den zweiten Ton der Lun-
genschlagader abnorm verstärkt, und im zweiten Falle das
Geräusch weiter in die Aorta verbreitet findet.
Der zweite Ton der Lungenschlagader erscheint ver-
stärkt , weil der linke Vorhof nicht allein durch die Lungen-
venen Blut erhält, sondern weil in denselben auch noch
welches durch die insufficiente Klappe regurgitirt. Hiedurch
962
wird dem Einströmen des Blutes aus den Lungenvenen ein
Hinderniss gesetzt, der Lungenkreislauf überfüllt, das rechte
Herz zu übermässiger Kraftanstrengung angespornt und ver-
grössert, der Druck und die Contractionsthätigkeit der durch
Blutüberfüllung* gespannten Lungenarterie vermehrt und der
Anstoss der Blutsäule an deren halbmondförmigen Klappen
verstärkt, wodurch der zweite Ton der Pulmonalarterie mehr
accentuirt erscheint.
Übrigens ist oft in der Pneumonie, im 1. Stadium des
Typhus, bei Chlorotischen, zuweilen bei Schwangeren (Ja-
quemier) nach Hämorrhagien der erste Herzton von einem
blasenden Geräusche begleitet, ohne dass eine organische
Veränderung bestände. Auch kann durch Compression der
grösseren Arterienstämme, in der Strecke, in welcher sie
noch vom Pericardium begleitet werden, von Seite eines gros-
sen serösen Exsudates im Herzbeutel ein blasendes Geräusch
entstehen, ohne dass eine Endo-Pericarditis vorhanden ist.
Endocarditis gibt nur durch Anschwellung der Klappen und
Exsudativprocesse auf jenen und den Ostien Aftergeräusche,
und kann nur durch die Vergleichung und Abwägung aller
übrigen Symptome erkannt werden.
Geräusch mit dem zweiten Tone bedeutet: Ver-
engerung des Ostium venosum, Rauhigkeiten
an der Bicusp id alklapp e, oder Insufficienz
der Aortenklappe.
Bei Stenose des Ostium venosum ist das Geräusch im
ganzen Ventrikel, besonders nach aussen zu hören; der
rechte Ventrikel vergrössert , und durch Blutüberfüllung des
linken Atrium und der Capillarbahn der Lungen der zweite
Ton der Pulmonalis verstärkt. Nicht selten findet man auch
Katzenschwirren.
Geräusch ohne Zunahme des rechten Ventrikels und
ohne Verstärkung des 2. Tones der Lungenschlagader spricht
für Rauhigkeiten an der Bicuspidalklappe.
Bei der sehr häufigen Verbindung der Stenose des lin-
353
ken Ostium venosum mit Insufficienz der Bicuspidalklappe
ist das erste Geräusch oft kaum wahrzunehmen, das zweite
hingegen scharf und gedehnt.
Geräusch mit dem zweiten Tone, welches weniger deut-
lich an der Herzspitze als in der Gegend der Semilunar-
klappen gehört wird und sich selbst in die Aorta verbreitet,
spricht besonders bei gleichzeitiger Vergrösserung des lin-
ken Ventrikels für Insufficienz der Aortenklappen.
Im rechten Ventrikel.
Hier kommen Klappenfehler und Stenosen selten vor.
Bei Insufficienz der dreizipfligen Klappe hört man ein
systolisches Geräusch und sieht die Jugularvenen
strotzend und pulsirend; eine Erscheinung, deren Erklä-
rung schon gegeben wurde. Fehlt die Pulsation der Jugu-
larvenen, so schliessen wir auf Rauhigkeiten am freien Rande
der dreizipfligen Klappe.
Insufficienz der Lungenarterienklappen ward bis jetzt
noch nicht beobachtet.
B) In den grossen Arterien.
Aorta. Geräusch statt des ersten Tones deutet
auf Rauhigkeiten an der Gefässwand oder an den Klappen.
In letzterem Falle dehnt sich das Rauschen auch auf den lin-
ken Ventrikel aus.
Insufficienz der Aortenklappen wird durch ein in den
linken Ventrikel verbreitetes diastolisches Geräusch
erkannt.
Lungenschlagader. In Fällen von Auflockerung
der Gefässhaut bei gleichzeitiger Insufficienz der Bicuspi-
dalis , so wie in Fällen von Druck auf die Arterie durch Tu-
berkelinfiltrat hat man blasende Geräusche mit dem ersten
Tone gehört.
Stärkere Accentuirung des zweiten Tones deutet
auf excentrische Hypertrophie des rechten Ventrikels und
Überfüllung der Capillarbahn der Lungen mit Blut.
Gaal Diagnostik. 23
954
In derCarotis und Subclavia hören wir häufig Ge-
räusche, welche im Herzen oder der Aorta entstehen und
sich dorthin verpflanzen. Auch das Katzenschnurren wird dort
leicht wahrgenommen.
Blasende Geräusche kommen durch schiefes Aufsetzen
des Stethoscopes , durch Druck auf die Arterie von Seite
einer grösseren Geschwulst , Struma u. s. w. Rauhigkeiten,
Aneurysmen etc. zu Stande. Ist das Geräusch ein fortge-
pflanztes, so lässt es sich bis zu seiner Entstehungstelle
mit dem Stethoscope verfolgen und wird daselbst am stärk-
sten gehört.
Ein eigenes Phänomen ist das Kreiselgeräusch
(Bruit de diable ; cantus musicus) , welches in der Chlo-
rose und Anämie beobachtet wird. Es ist durch längere Zeit
continuirlich und lässt während dieser weder Systole noch
Diastole deutlich unterscheiden , doch ist oft die Systole als
rhythmisch wiederkehrende Verstärkung des Geräusches zu
erkennen. Es hat alle möglichen Nuancen vom Girren einer
Taube angefangen , bis zu dem Schnurren eines Kreisels,
(Nonc , daher auch Nonengeräusch) und pflanzt sich selten
auf das Herz fort.
Über die Ursache dieser Erscheinung ist man noch im
Dunkeln. Vernois glaubt sie in einer Zurückziehung der
Gefässwandungen in sich selbst und Bildung von Querfalten
in denselben, an welchen sich der Blutstrom reibt, suchen
zu müssen. Eine solche Einschrumpfung der Gefässwand
könnte vielleicht entweder einem Accomodationsbestreben der
Gefässe an die verringerte Blutmasse oder einem krampf-
haften Zustande zugeschrieben werden.
355
"D t agnoi e
der wichtigsten
Krankheiten der Kreislaufsorgane.
Pericarclitis. Entzündung des Herzbeutels.
Ein theilung.
JLfie der Pleuritis nicht unähnliche Entzündung des Herz-
beutels entsteht entweder primär, veranlasst durch trau-
matische Einwirkung', Verbreitung* entzündlicher Processe
auf den Herzbeutel von der Pleura, der Lunge, den Gelen-
ken; oder sie entsteht seeundär durch Aufnahme von
Eiter in die Blutmasse , wie sie bei Phlebitis, eitrigen Exsu-
daten in verschiedenen Höhlen , im Suppurationsstadium «1er
Blattern etc. etc. und überhaupt als Metastase verschiedener
Processe vorkommt.
Sie erscheint entweder verbreitet, oder auf eine kleine
Stelle umschrieben , einfach oder complicirt, acut oder chro-
nisch verlaufend.
Männliches Geschlecht und blühendes Alter gelten als
disponirend; besonders steht aber acuter Gelenksrheumatis—
mus mit der Pericarditis in ursächlichem Verhältnisse , so
dass der Arzt nie unterlassen sollte , bei an acuter Gelenks-
gicht Leidenden die Herzgegend zu untersuchen, um gegen
ein beginnendes Übel gleich ankämpfen zu können.
Anatomisch-pathologische Charaktere.
Mit dem Beginne der Entzündung treten am Herzbeu-
tel rothe Pünctchen, feine Gefässtreifen und Ramificationen
auf; ausgetretenes Blut bildet hie und da Ecchymosen und
das Pericardium wird einem matt geschliffenen rothen Glase
ähnlich, da es durch Abstossung desEpitheliums auch Glanz
und Durchsichtigkeit verliert. Bald bemerkt man einen Anflug
von zarten weissen Exsudatflocken , die durch Resorption
23 #
356
wieder verschwinden können, wenn der entzündliche Process
mit ihrer Abscheidung erloschen ist.
Ist diess aber nicht der Fall, so macht unter allmäliger
Abnahme der Entzündungsröthe die Absetzung* von Exsuda-
ten rasche Fortschritte. Diese bestehen entweder aus ur-
sprünglichen Bestandteilen des Blutes, primäre Exsu-
date, oder aus solchen, welche erst eine Umwandlung er-
litten haben: secundäre Exsudate.
I. Primäre Exsudate.
Hieher gehören die plastischen Exsudate (faserstoffiges
und albuminöses E.), das seröse und dasprimär-hämorrhagi-
sche Exsudat.
a) Plastische Exsudate.
Der Name plastisch ist nur uneigentlich, indem auch
das seröse Exsudat nicht ohne plastische Bestandtheile ist ;
allein da die in Rede stehenden Ausscheidungen doch vor-
zugsweise an plastischen Bestandtheilen , Faserstoff oder
Eiweiss reich sind, halten wir die Benennung hinlänglich
entschuldiget.
1. Das faserstoffige Exsudat.
Derlei Exsudate werden in jungen, kräftigen Individuen
ausgeschieden, und sind Entladungen der faserstoffigen Blut-
mischung, begleiten daher auch faserstoffige Entzündungen
anderer Organe , Pneumonie, Pleuritis, Gelenksentzündung,
Endocarditis u. s. w.
Im Beginne der Exsudation, und wenn diese nicht bedeu-
tend ist, bildet sie den schon beschriebenen, leicht abstreif-
baren und durch Resorption wieder verschwindenden Anflug,
der bei Zunahme des Processes auf der freien Oberfläche des
Pericardium, besonders entwickelt an dem das Herz selbst
überkleidenden Blatte (cor villosum der Alten) als gelbliches,
gallertartiges Coagulum , oder als unregelmässige Stränge
oder Zoten erscheint, welche von einer grösseren oder klei-
neren Menge Serum durchfeuchtet sind. Das Herzfleisch
357
selbst findet man unter dem Exsudate entfärbt, gelockert,
zerreisslich und seiner Elasticität beraubt.
Wird das Exsudat nicht resorbirt , so unterliegt es den
weiteren Metamorphosen plastischer Exsudate überhaupt; es
kann: 1. sich organisiren , 2. obsolesciren , 3. verkalken,
und 4. sich in secundäre Exsudatformen verwandeln.
Ad 1. Organisirt sich das Exsudat , so bilden sich von
dort, wo es auf dem des Epithelium baren Pericardium auf-
liegt , Granulationen , Zellen und endlich Exsudatfasern, die
sich zu Pseudomembranen verweben, die an ihrer freien
Oberfläche rauh, zotig und gefurcht erscheinen, während
ihre untere Fläche , die sich vom Herzbeutel leicht abziehen
lässt, glatt gefunden wird. Bald erscheinen in der Exsudat-
schwarte hie und da zerstreute Blutzellen, die sich ferner zu
äusserst zarten, leicht zerreisslichen Gefässchen entwickeln,
durch welche in späteren Perioden Stoffwechsel und Aufsau-
gung zu Stande kommt , so dass das schon organisirte Ex-
sudat endlich mit seinem Mutterboden verschmilzt, und so ,
wie dieser selbst, den Sitz neuer Entzündungen abgeben kann.
Dort wo die Bewegung des Herzens eine geringere ist ,
also an der Basis , wird dieses gerne durch plastisches Ex-
sudat an das Pericardium gelöthet, und von da kann es selbst
zur gänzlichen Verwachsung beider mit einander kom-
men, so dass es den Anschein hat, als hätte das Herz nie
ein Pericardium besessen. Theilweise Anlöthung bedingt an
den Stellen, die der Bewegung mehr ausgesetzt sind, zel-
lige Stränge und Fäden. Wird in einem umschriebenen
plastischen Exsudate das Flüssige gänzlich aufgesogen, so
kommt es , so wie auf der Pleura, zur Bildung der weissen,
glatten, glänzenden, aus verworrenen Fasern zusammenge-
setzten Sehnen flecken, die häufig am rechten Herzen
gefunden werden.
Ad 2. Wird das Exsudat keiner weiteren Metamorphose
mehr fähig, und erlischt darin aller Organisationstrieb , so
sagt man, es obsolescire. Dazu müssen nothwendig mehrfache
358
Schichten der Gerinnung übereinander liegen, so dass deren
centrale Theile dem vitalen Einflüsse des Mutterbodens ent-
zogen werden. Diese zerfallen dann gerne in eine schmie-
rige , käseartige Masse.
Ad 3. Zuweilen nimmt das faserstoffige Exsudat kohlen-
saure und phosphorsaure Kalksalze in sich auf, was beson-
ders gerne in der Querfurche des linken Herzens geschieht ,
und mit ähnlichen Ablagerungen am Insertionsringe der
zweispitzigen Klappen gleichzeitig vorkömmt; es scheint,
dass beide als Folge einer Endo-Pericarditis auftreten. Man
nennt diesen Vorgang Verkreidung oder Verknöche-
rung des Exsudates 5 letzteres jedoch mit Unrecht, da der
Ablagerung alle Elemente des Knochens (Markröhren, Kno-
chenzellen) fehlen.
Ad 4. Von den secundären Exsudaten wird weiter un-
ten gehandelt werden.
Folgezustände. Die Muskelfaser des Herzens wird,
wie schon erwähnt, unter dem pericardialen Exsudate entfärbt,
weniger elastisch, zerreisslich , zeitweilig gelähmt, daher
seine Thätigkeit unregelmässig.
Weitere Forschungen in unserem Gegenstande werden
darthun , wie durch diesen Umstand es zu passiver Erweite-
rung der Kammern kömmt; wie unter dem Drucke dichter
Exsudatschwarten selbst das Muskelgewebe des Herzens
atrophirt, und wie Kalkauflagerungen nicht allein dasselbe
paralysiren , sondern selbst zum Schwinden bringen.
2. Das albuminöse Exsudat.
Die bis jetzt angeführten pathologischen Verhältnisse
betrafen das faserstofßge Exsudat ; sie finden in dem eiweiss-
hältigen wenig Wiederholung , da in demselben nur gerin-
ger Organisationstrieb rege ist. Dasselbe wird leicht resor-
birt, oder es verwandelt sich gerne in Eiter, Jauche oder
359
Krebsmassen. Es charakterisirt sich durch stärkeren Glanz,
öhlartige Consistenz , und das chemische Verhalten hei
derReaction auf Albumen ; es ist der Ausdruck einer Eiweiss-
dyscrasie des Blutes. Wir finden daher albuminöse Exsudate
bei kleinen Kindern, acuten Exanthemen, Typhus, M.
Brightii, Fallsucht, Säuferdyscrasie u. s. w.
b) Das seröse Exsudat.
Auch diesem Exsudate ist die Plasticität nicht abzu-
sprechen, auch kommt es häufig' mit dem rein faserstoffigen
vor. Es ist auch nur dann Folge von Entzündung , wenn es
Faserstoff enthält, der in Gestalt von Flocken darin herum-
schwimmt, die sich in der Ruhe zu Boden setzen. Dasselbe
ist eine durchsichtige, gelb - grünliche, nicht klebrige Flüs-
sigkeit, deren Quantität von der kleinsten, bis zu der von
sieben Pfunden steigen kann. Es wird leicht resorbirt, wenn
nicht Entzündungsschwarten der Aufsaugung hemmend im
Wege stehn.
Folgezustände. Das seröse Exsudat hindert durch
sein Dazwischentreten die Reibung beider durch plastische
Ablagerungen rauh gewordenen, sich entgegensehenden Flä-
chen der zwei Blätter des Pericardium. Ist es in grosser
Menge angesammelt , so wird das Pericardium ausgedehnt,
und das Herz sinkt, wenn es nicht Verwachsungen an seiner
Basis , oder an der Aorta und Lungenschlagader daran hin-
dern, als schwererer Körper in der Flüssigkeit unter, so dass
diese sich ober demselben ansammelnd, bis zur dritten linken
Rippe reichen kann. Durch den Druck des Exsudates er-
lahmt die Thätigkeit des Herzens, und sein geschwächter Im-
puls wird auch noch durch das Dazwischentreten der Flüs-
sigkeit gebrochen, an der Brustwand vermindert wahrge-
nommen. Die Herzgegend erscheint gewölbt, diebetreffen-
den Intercostalmuskeln erlahmen , die linke Lunge und die
grossen Arterienstämme werden comprimirt , so dass daraus
das schnelle Zustandekommen einer Cachexie nothwendig
360
folgen imiss , die sich durch Ödem der Fasse , der Lungen
und wässrige Ergüsse in verschiedene Höhlen äussert, aber
auch zuweilen mit Hyperämie der Leber und des Gehirnes
im Vereine vorkommt.
e) Das primäre hämorrhagische Exsudat.
Ist einem plastisch -serösen Ergüsse Blutfarbestoff bei-
gemischt , so erscheint die genannte Form. Es ist immer
flüssig, ohne Coagulum , enthält nur Pigment, aber keine
Blutkugeln , ist hellroth und wird durch längeres Bestehen
dunkler , selbst schwarzroth gefärbt. Es unterliegt nicht
leicht andern Veränderungen , und begleitet Zersetzungs-
krankheiten : M. hämorrhagicus , Scorbut, Säuferdyscrasie,
Petechialtyphus, Eitergährung des Blutes. Gewöhnlich fin-
den sich zugleich auch Exsudate in andern Höhlen des Kör-
pers.
II. Secundäre Exsudate.
Diese sind: das eitrige, das jauchige , das secundär-
hämorrhagische , das tuberculöse, das krebsige und das me-
tastatische Exsudat.
a) Das eitrige Exsudat.
Eiterbildung ist als der erste Grad von Organisation
eines Exsudates zu betrachten, sei dieses nun ein faserstof-
figes oder ein albuminöses; verhindern widrige vitale und
chemische Verhältnisse die weitere Entwicklung desselben ,
so bleibt es auf der Stufe der Eiterbildung stehen. Die Farbe
des eitrigen Exsudates ist gelbgrün , wenn nicht durch bei-
gemengten Blutfarbestoff verändert; die Consistenz entwe-
der dünnflüssig oder rahmartig, in der Ruhe setzt es einen
leicht beweglichen Bodensatz ab.
Häufig findet man alle Organisationsstufen der Exsudate
neben einander vorkommend , denn nur selten bleiben diese,
besonders bei ausgebreitetem Umfange, auf der Stufe der
Eiterbildung* stehen.
861
Eiter findet sich auch zuweilen in Folge von Eitergäh-
rung des Blutes , im Verlaufe von Phlebitis , Puerperal-
process, anomalem Typhus, Variolen u. s. w. als metastati-
sche Abscheidung auf dem Pericardium.
Das eitrige Exsudat wird nur unter günstigen Umstän-
den zum Theile resorbirt, zum Theile durch Aufnahme von
Kalksalzen unschädlich gemacht; meistens geht es in Ver-
jauchung über.
b) Das jauchige Exsudat.
Tritt bei grossem Sinken der Lebenskräfte (anomalem Ty-
phus, Scorbut, Säuferdyscrasie, Eitergährung etc.) einmal
Verjauchung in einem Exsudate ein, so ist dessen ganze
Masse demResolutionsprocesse verfallen; es entwickeln sich
dann aus der grünlich-braunen, stinkenden Flüssigkeit Gase,
und das Pericardium würde von derselben arrodirt werden,
wenn nicht früher der Tod einträte.
e) Das secundär-hämorrhagische Exsudat.
Solches entsteht nur aus schon organisirten Entzün-
dungsschwarten, wenn die darin sich entwickelnden zarten
Gefässe dem Blutdrucke , der entweder durch Congestion,
oder durch recidivirende Entzündung herbeigeführt wird,
nicht zu widerstehen vermögen, so dass sie bersten, und
ihren Inhalt in das Cavum pericardii ergiessen. Die rothe
Flüssigkeit enthält dann Blutkugeln und wird nicht resorbirt,
um so weniger, da der Process meist unter der ungünstigen
Herrschaft einer tuberculösen Blutmischung steht.
dj Das tuberculöse Exsudat.
Unter dem Einflüsse der Tuberculöse werden plastische
Exsudate im Pericadium gerne zum Theile in hirsekorngrosse
Tuberkel verwandelt , deren weitere Metamorphosen daselbst
wohl kaum beobachtet werden. Gerne ist zugleich ein bedeu-
tender seröser Erguss zugegen, der oft durch secundär - hä-
morrhagisches Exsudat dunkelroth gefärbt erscheint.
389
e) Das krebsige Exsudat.
Unter der Herrschaft derKrebsdyscrasie verwandelt sich
albuminöses Exsudat zuweilen in Medullarkrebs, der in Form
glatter, runder Knoten am Pericardium beobachtet wurde.
Begleitende seröse Ergüsse sind meist von secundären Blu-
tungen tief roth gefärbt.
Diagnose
Allgemeine Erscheinungen.
Die Krankheit beginnt mit heftigem Fieberfroste, wobei
der anfangs schnelle , kleine, härtliche Puls zu den heftigen
Herzschlägen in keinem Verhältnisse steht ; hat sich aber
einmal Exsudat gebildet, so wird er leicht zu unterdrücken,
weich , zitternd und unregelmässig , wiewohl nicht lang-
samer.
Nicht immer klagen die Kranken über einen , dem pleu-
ritischen ähnlichen Schmerz in der Herzgegend , der sich
zuweilen auch weiter über die linke Brusthälfte verbreitet,
und durch Druck auf der Herzgrube, besonders wenn die-
ser unter das Sternum und die benachbarten linken Rippen
nach aufwärts gerichtet ist, bedeutend vermehrt werden kann.
Zuweilen , vornehmlich nach geschehener Exsudatbildung,
ist es bloss das Gefühl der Beklemmung, welches den Kran-
ken ängstiget. Gewöhnlich wird die Respiration erschwert,
sehr kurz und schnell , zuweilen durch Seufzer unterbro-
chen. Das Gesicht verfällt bald , so dass es verlängert er-
scheint, ist oft schmutzig gelblich gefärbt (Facies cardiaca
Einiger^ und meistens heiss , während die Extremitäten kalt
gefunden werden. Ungleiche klebrige Schweisse, besonders
im Gesichte und an der Brust, Livor, Heiserkeit, leichte
Delirien, Sopor , Erbrechen und Schluchzen gelten im wei-
tern Verlaufe als ominöse Erscheinungen.
Aber alle angeführten Symptome können sowohl andern
Krankheiten zukommen, als in der Pericarditis fehlen ; eine
863
richtige Diagnose ist daher nur durch die physicalische Un-
tersuchung* möglich.
Inspection. Anfangs zeigt sich ein heftiger und über
die ganze Herzgegend verbreiteter Impuls, der aber später
gänzlich verschwindet. Kommt es zur Exsudatbildung, so kann
durch diese die Regio praecordialis gewölbt erscheinen }
besonders wenn die Intercostalmuskel durch Verbreitung der
Entzündung auf ihre serösen Scheiden erlahmen , und wenn
die Biegsamkeit der Brustwand diess zulässt, wie es bei ju-
gendlichen Individuen der Fall ist. In seltenen Fällen bringt
der Herzschlag in der Flüssigkeit, eine äusserlich sichtbare
undulatorische Bewegung hervor.
Sanders glaubt für Verwachsung des Peri-
cardiums mit dem Herzen in Folge von Ent-
zündung ein Einziehen der unteren Rippengegend mit der
Systole und eine Erhebung dieser Stelle mit der Diastole
als characterisirend annehmen zu können , darauf gestützt,
dass die an das Herz abnorm gehefteten Theile alle Bewe-
gungen desselben nothwendig mitmachen müssen. Hope
schliesst auf Verwachsung nach Pericarditis, wenn das Herz,
ungeachtet seiner Vergrösserung, eben so hoch anschlägt,
wie im Normalzustande ; allein dieses Symptom , so werth-
voll es auch sei, verliert seine bezeichnende Kraft, da es
bei jeder Hypertrophie und Dilatation des Herzens ohne
gleichzeitige Verwachsung sich findet. (Z e h e t m a y e r.)
Palpation. Anfangs findet man schnelleren und hefti-
geren Herzirapuls. Mit dem Auftreten eines Ergusses, beson-
ders wenn dieser decomponirt ist, wird der Herzschlag unre-
gelmässig, zitternd, schwach, auch unfühlbar, oder gleichsam,
als ob die Herzspitze an mehreren Puncten an die Brustwand
schlüge. Bei zersetzten und hämorrhagischen Exsudaten
fand Zehetmayer #J auch einen tieferen Standpunct und
*) Herzkrankheiten, pag. 118.
364
eine Lageveränderung der Herzachse , so dass diese mehr
horizontal von rechts nach links ging, und die Herzspitze
mehr nach links und aussen getroffen ward , und erklärt
diese Erscheinung aus der verminderten Elasticität derArte-
rienhäutc , an denen das Herz schwebend befestigt ist , und
aus der theilweisen Lähmung des tiefer herabsteigenden Dia-
phragma.
Wenn durch plastisches Exsudat die beiden Blätter des
Herzbeutels an ihrer freien, einander zugekehrten Seite
rauh geworden sind , so bringt die Bewegung des Herzens
eine Reibung hervor, die nicht allein gehört, sondern
häufig auch gefühlt, ja von dem Kranken selbst wahrgenom-
men wird. An der Basis des Herzens ist diese Erscheinung
gewöhnlich deutlicher ausgeprägt zu bemerken, als in der
Gegend der Spitze. Da nach Resorption eines flüssigen Er-
gusses das Pericardium durch plastische Niederschläge und
Exsudatschwarten gleichfalls uneben gefunden wird , ist nicht
zu wundern , dass der Affrictus auch diesen Vorgang zu
begleiten pflegt.
Percussion. So lange noch kein grösseres flüssiges Ex-
sudat vorhanden ist, zeigt das Plessimeter in der Regel nichts
Abnormes , deutet aber in einem der Menge der Flüssigkeit
ziemlich entsprechenden Umfange deren Gegenwart durch
dumpfen Schall an, sobald es zu einem bedeutenden Ergüsse
gekommen ist. So kann der gedämpfte Percussionsschall selbst
bis zur zweiten Rippe reichen , wrird aber in jedem Falle dem
Längendurchmesser des Herzens nach vorwaltend sein. Die
Menge der Flüssigkeit lässt sich durch das Plessimeter nicht
wohl bestimmen , denn kleine Quantitäten bringen zuweilen
ausgebreitete Dämpfung hervor und umgekehrt. Nicht zu
übersehen ist übrigens der Zustand der Nachbartheile ; Em-
physem der angränzenden Lungenpartie , z. B. würde die
Dämpfung des Percussionsschalles auf einen kleineren Raum
beschränken.
365
Auscultation. Im Beginn der Pericarditis wird der Kopf
des Auscultirenden durch den Herzschlag kräftig erschüttert 5
durch einen flüssigen Erguss aber wird die Kraft des Herzstos-
ses nicht allein gelbrochen , sondern derselbe auch wirklich
schwächer, da die oberflächlichen Muskelfasern durch die Trän-
kung und den Druck ohnediess paralysirt werden. Besteht
somit ein seröses Exsudat im Herzbeutel, so verschwin-
det häufig der Herzstoss. Bildet sich ein plastisches
Exsudat, oder ist ein flüssiger Erguss durch Resorption
entfernt, haben sich die plastischen Theile niedergeschla-
gen und sind die beiden Pericardialblätter rauh geworden, so
hört man einReibungsgeräusch in allen seinen Nuan-
cen, vom feinen, weichen Streifen bis zum Schaben und Kra-
tzen. Dieses Geräusch dauert mehr oder weniger constant,
so lange , bis ein grösserer seröser Erguss durch sein Da-
zwischentreten die Reibung beider Lamellen verhindert, oder
nach dessen Resorption , bis die rauh gewordenen Pericar-
dialblätter sich aneinander glatt gerieben haben.
Das pericardiale Reibungsgeräusch kann mit dem pleu-
ritischen verwechselt werden; dass es sich aber um kein
solches handle , beweiset das Verschwinden des Letzteren,
wenn der Kranke einige Augenblicke den Athem an sich
hält. Das Reibungsgeräusch im Pericardium könnten Un-
geübte auch für ein im Herzen selbst erzeugtes Rauschen
halten , es wird aber von Letzterem dadurch unterschieden,
dass es oberflächlicher ist (was sich übrigens nicht immer
erkennen lässt, da starke Geräusche gewöhnlich für ganz
nahe, unter dem Ohre entstehende gehalten werden) ; ferner
dadurch; dass es weder der Systole noch der Diastole des
Herzens eigentlich angehört, sondern unabhängig von den
Herztönen sich diesen nachschleppt.
Blasende Herzgeräusche können übrigens auch bei
serösem Ergüsse im Herzbeutel wahrgenommen werden, und
kommen , wie es scheint , durch Compression des Anfangs-
360
Stückes der Aorta, dessen Gewebe auch durch Tränkung
seine Elasticität verliert, zu Stande.
So wie der Herzstoss verschwinden auch die H e r z-
töne, so lange ein grösserer seröser Erguss im Pericar-
dium sich befindet.
Durch die physicalische Untersuchung ist es somit mög-
lich, Exsudate im Herzbeutel zu erkennen und selbst zu
bestimmen, ob diese plastischer oder vorwaltend flüssiger Na-
tur seien. Ob aber die ergossene Flüssigkeit mehr aus Se-
rum besteht, oder ein eitriges oder ein hämorrhagisches Ex-
sudat sei, ob Tuberculose oder krebsige Ablagerungen auf
dem Herzbeutel Statt gefunden haben oder nicht, vermag
jene nicht zu entscheiden, und nur die genaue Würdigung
aller begleitenden Symptome, z. B. des Kräftezustandes, der
Fieberanfälle , tuberculöser Ablagerungen in der Lunge etc.
kann zu einem Wahrscheinlichkeitsschlusse führen. Jauchige
Exsudate geben übrigens zuweilen einen tympanitischen Per-
cussionsschall am Grunde des Herzens , wegen der gleich-
zeitigen Gasentwicklung.
Herzbeutel Wassersucht.
Seröse Mischung des Blutes bei scrophulösen _, chloro-
tischen oder tuberculösen Individuen , nach Schwächungs-
krankheiten , grossen Faserstoffabscheidungen etc. hat zu-
weilen wässrigen Erguss in den Herzbeutel zur Folge, ohne
der Vermittlung eines entzündlichen Processes hiezu zu be-
dürfen. Das Pericardium ist dabei getrübt und verdickt , die
Herzsubstanz Mass und mürbe, und es bestehen zugleich
hydropische Erscheinungen in andern Theilen des Körpers.
Das Pericardium enthält dabei eine grössere oder kleinere
Quantität durchsichtigen , klaren Serums , ohne beigemisch-
ten Faserstoff; riur dann wird dasselbe braunroth und stin-
kend erscheinen , mit den Zeichen der Resolution am gan-
zen Körper, die den Kranken auch bald zu Grabe bringt,
wenn derselbe durch bedeutende albuminöse Abscheidungen
erschöpft ist, wie es z. B. nach Typhus, im M. Brightii,
im Desquamationsstadium acuter Ausschläge geschieht.
Die physicalischen Zeichen stimmen mit denen des peri-
cardischen Exsudates überein. Nur die Auftreibnng der Prä-
cordialgegend und Unbeweglichkeit der Zwischenrippenmus-
kel daselbst mangelt , da das diese Organe lähmende Mo-
ment, die Entzündung, nicht vorausging.
Gas ansammlung im Pericardium.
Diese kann entweder in Folge traumatischer Einwir-
kung oder durch Decomposition eines flüssigen Exsudates
im Herzbeutel zu Stande kommen , gehört aber jedenfalls
zu den Seltenheiten.
Nach dem bereits Abgehandelten dürfte es nicht schwie-
rig sein , die Diagnose zu stellen.
Endocarditis. Entzündung? der inneren Haut
des Herzens*
Sitz. Da das Endocardium in seinem ganzen Zuge
durch die Herzhöhlen , als Bekleidung der Papillarmuskel
und Sehnen und selbst im Klappenapparate nirgends blutfüh-
rende Gefässe besitzt; da ferner seine Ernährung nur durch
flüssiges Plasma, das aus der unterliegenden Zellgewebs-
schichte abgesondert wird, zu Stande kommt; so können
wir nur diese letztere als eigentlichen Sitz der Endocarditis
betrachten. Das Exsudat wird von derselben geliefert , und
durchdringt entweder alle überliegenden Schichten des En-
docardium, oder stüsst selbe ab, oder letztere gehen durch
eitrige Schmelzung zu Grunde; der in Rede stehende Pro-
cess mag nun eine kleine , umschriebene Stelle des Endo-
cardiums, oder der Herzklappen oder einen grössern Ab-
schnitt dieser Haut befallen haben. Eine besondere Vorliebe
hat die Endocarditis für das linke Herz? daher auch ihre
368
Folgezustände in diesem Abschnitte desselben häufiger ge-
troffen werden ; von den Klappenapparaten befällt die Ent-
zündung am häufigsten die Bicuspidalis und das linke Ostium
venosum, minder oft die Aortenklappen, selten die dreizipf-
lige Klappe und kaum je die der Lungenarterie.
Anatomische Charaktere. Nur in seltenen Fäl-
len geschieht es , dass eine Endocarditis im ersten Keime
der anatomischen Beobachtung sich darbietet ; meistens wird
sie erst in einem spätem Stadium Vorwurf des Secirtisches,
und auch dann kann es geschehen , dass eine vorausgegan-
gene Entzündung sich entweder gar nicht oder nur höchst
unvollkommen nachweisen lässt.
Im Beginne der Krankheit dürfte die punctirte oder zweig-
artig verlaufende II ü the sich bei hinreichender Beleuchtung
und Aufmerksamkeit von der wolkigen Imbibitionsfärbung ,
wie sie z. B. bei Blutzersetzungskrankheiten vorkommt, un-
terscheiden lassen. Durch das schon im Verlaufe weniger
Stunden gebildete Exsudat verliert sich die Röthe , wird das
Endocardium ge trüb t, matt, mürbe und gewulstet,
und erhält eine weiss gelbliche Färbung, die im Umkreise
verwaschen endet. Der abgeschiedene Faserstoff bleibt
entweder zwischen den Schichten des Endocardium einge-
schlossen oder erscheint nach Abstossung des Epithelium
auf der rauhen und matten Oberfläche als flockiger Beschlag,
der zum Theile vom Blutstrome fortgerissen und aufgelöst
wieder in den Kreislauf aufgenommen wird, zum Theile aber,
und besonders an Orten, auf welche der Blutstrom minder
kräftig einwirkt, zu unförmlichen, rohen Massen ge-
rinnt, und den Veränderungen unterliegt, welche der
Faserstoff immer eingeht, wenn er auf entzündlichem Bo-
den sitzt.
Solche Gerinnungen bilden an den Klappen (meistens
den Bicuspidal- und Aortenklappen) , an deren freiem Rande
sie häufig aufzusitzen pflegen, Excrescenzen und V e g e-
369
t a t i o n c n, die man ehedem fälschlich für Condylome hielt,
und sich vergebens bemühte , ihre Entstehung mit einer oft
nur imaginären Syphilis in Zusammenhang zu bringen. Das
unterliegende Endocardium findet man des Epitheliums be-
raubt , rauh und wulstig. Die Form der Wucherungen ist
verschieden, zottenförmig, gestielt oder maulbeerartig u. s.w.
Ihre Consistenz nimmt mit der Dauer ihres Bestehens zu,
zugleich schrumpfen sie ein , und werden sowohl dadurch,
als durch immerwährende Reibung an dem Blutstrome nach
und nach kleiner , ja können selbst gänzlich verschwinden.
Ihre röthliche Farbe verblasst endlich auch bis zu der des
ausgewaschenen Faserstoffes.
Wir können nicht umhin , bei dieser Gelegenheit zu be-
merken , dass nicht alle Wucherungen , oft nur ein kleiner
Theil derselben ihren Entstehungsgrund in der Entzündung
haben und als Exsudat auftreten , während eine grössere
Menge als Auflagerung erscheint und im entfernteren
Zusammenhange mit der Endocarditis steht.
Zehetmayer hat diesem Umstände volle Aufmerk-
samkeit geschenkt , wir glauben daher im Interesse unserer
Leser zu verfahren , wenn wir in Folgendem das Wichtigste
seiner Abhandlung #) entlehnen.
Eine veränderte Blutmischung, wozu das Wegschwem-
men und die Subaction bereits exsudirten Faserstoffes ge-
wiss auch das Ihrige beitragen, besonders durch das me-
chanische Moment begünstigt , dass der Blutstrom an den
durch Exsudation zottig gewordenen Rändern der Klappen
und den Papillarsehnen gebrochen, ja gleichsam gepeitscht
wird , macht die unmittelbare Abscheidung des Faserstoffes
aus dem Blute und die Auflagerung desselben auf schon be-
stehende Exsudatmassen möglich, die dadurch dann an Um-
fang gewinnen. Diese lockern Auflagerungen können die Ver-
*) Pag. 241.
Gaal Diagnostik. g£
370
flüssigung und Resorption unterliegender Exsudationen be-
günstigen , ja sie selbst können wieder in den Blutstrom
fortgerissen und darin aufgelöst werden , bleiben aber immer
auf der Stufe roher Granulationen stehen, ohne, wie die un-
terliegenden exsudirten Vegetationen, höhere Entwicklungs-
stufen erreichen zu können. Findet man daher weiter orga-
nisirte Faserstoffpartien, so ist immer Grund vorhanden, eine
vorausgegangene Endocarditis zu verniuthen. Sitzen Faser-
stoffablagerungen nicht auf Entzündungsproducten auf, so
findet man darunter das normale mit seinem Epithelium be-
kleidete Endocardium , von dem sie leicht abgezogen wer-
den können, sie sind dann auch roh und zeigen kein Be-
streben zur Organisation.
Weitere Veränderungen , denen die Excrescenzen an
den Klappen , so wie überhaupt das faserstoffige Exsudat an
jeder Stelle des Endocardium unterliegen, sind: 1. Orga-
nisation; 2. Obsolescenz und Atherombildung; 3.
Verkalkung, endlich 4. eitrige Zer flies s ung.
Zu i. Jedes faserstoffige Exsudat trägt den Keim der
Organisation in sich , diese kann aber nur durch die Berüh-
rung mit entzündlich gestimmten Nachbartheilen erregt und
genährt werden , es ist daher die Organisation nur an jenen
Stellen möglich , wo das Exsudat unmittelbar auf dem ent-
zündeten , vascularisirten Mutterboden aufsitzt, und nimmt
mit der Entfernung von diesem Orte in dem Grade ab ? dass
man oft daselbst schon faseriges Gewebe findet, während in
den entfernteren Schichten noch Zellenbildung vor sich geht,
oder gar erst blosse Granulationen bemerkbar sind. In der
höchsten Stufe der Organisation erlangen die Wucherungen
eine entfernte Ähnlichkeit mit den Knorpeln , daher sie auch
unter dem Namen knorpelige Wucherungen vorkommen.
Durch gleichzeitige Resorption der flüssigen Theile wird
dann ihr Umfang verkleinert. Wird das Exsudat am Endo-
cardium nicht in Form von Vegetationen abgeschieden und
371
organisirt sich dasselbe; so stellt es sich zuweilen als blau-
weisser, glänzender, leicht abziehbarer Sehnenfleck dar.
Dass durch die löthende Eigenschaft des Faserstoffes Klap-
penzipfel unter sich, oder mit der Haut des Herzens oder
des umgebenden Gefässes verwachsen können, leuchtet
von selbst ein, besonders wenn man bedenkt, dass die be-
treffenden Stellen durch die Entzündung meist ihr Epithe-
lium eingebüsst haben.
Z u 2. Kommt keine Organisation zu Stande, so ob so-
lescirt der Faserstoff, d. h. er schrumpft ein , und es er-
lischt in ihm alle Neigung zu fernerer progressiver Meta-
morphose.
Verwandelt er sich in eine Masse, die aus Granulatio-
nen , Fett und den glimmerartig glänzenden Cholestearin-
krystallen besteht, so stellt diese das Atherom dar. Diese
Verbildung beginnt von aussen nach innen, und ist weder
ein Geschwür, noch ein Krebs des Herzens gegen die Mei-
nung einiger älteren Pathologen, schützt auch nicht im min-
desten vor Lungentuberculose, wie man ehedem fälschlich
glaubte.
Das Atherom kann sich in eine käsige, schmierige, ei-
terartige Masse umstalten , die aber kein Eiter ist , da es
zwar neben Eiter bestehen , nie aber in solchen verwandelt
werden kann. Die einzige Metamorphose, die dasselbe ein-
geht, ist die Verkalkung, eine Umbildung, deren jedes ob-
solete Exsudat fähig ist.
Z u 3. Durch Aufnahme von kohlensauren und phos-
phorsauren Kalksalzen kommt die sogenannte Verkrei-
dung oder Verknöcherung der faserstoffigen Exsudate
zu Stande. Selbe befällt meistens die Klappen und den Ring,
der diese umschliesst und gibt so zu mancherlei Störungen
Anlass. Nicht selten wird dieser Vorgang am Insertionsringe
der zweispitzigen Klappen zugleich mit derartigen Massen
24 #
372
in der Querfurche des linken Herzens beobachtet und scheint
Folge einer Endo-Pericarditis zu sein. Dass die Benennung
Verknöcherung* eine uneigentliche ist , erhellt wohl daraus,
dass dem verkreideten Exsudate die eigentlichen Elemente
des Knochens, z. B. Markröhren mangeln.
Zu 4. Die eitrige Schmelzung entsteht durch weitere
Entwicklung des Faserstoffes zu Eiterzellen , ist somit als
secundäres Exsudat zu betrachten, welches daher nicht an
der freien Fläche des Endocardiums als Eiterablagerung auf-
tritt , sondern sich erst innerhalb der einzelnen Gewebs-
schichten aus den Granulationen bildet, in welche das Fi-
brin zerfiel. Es ist hiebei nicht nothwendig , dass aller ab-
geschiedener plastischer Stoff zu Eiter werde^ sondern es
kann ein Theil desselben sich zu Fasern entwickeln , sich in
Atherome verwandeln oder verkreiden, es können somit alle
eben angeführten Fälle zugleich bestehen. Die Berührung
der umgebenden Gewebe mit Eiter macht dieselben mürber,
lockerer, und gestattet letzterem leicht den Durchbruch.
Durch eitrige Schmelzung in dem Klappenapparate entstehen
Abscesse in demselben. Dass das eitrige Exsudat sich or-
ganisiren , dass sich aus demselben Fasern entwickeln kön-
nen, versteht sich von selbst. Kann der Eiter, von callösen
Massen eingeschlossen , selbe nicht durchbrechen , so kann
er verkreiden , sich in Atherome oder selbst in Tuberkel
umwandeln. Eben so ist die Metamorphose in K r eb smass e
nicht zu bestreiten.
Auf gleiche Weise wie faserstoffige können auch albu-
minöse Exsudate bei einer Endocarditis abgelagert
werden ■ allein ihr geringeres Haften an dem Mutterboden,
so dass sie von dem Blutstrome bald fortgerissen werden, so
wie die Neigung , schnell in Eiter zu zerfallen , machen es
unmöglich, solche noch im primitiven Zustande mit dem
anatomischen Messer nachzuweisen. Die Zeichen albuminö-
ser Blutmischung ? schneller Eiterbildung und daraus ent-
373
springender Blutvergiftung erlauben das Vorausgehen einer
Endoearditis mit albuminösera Exsudate zu vermuthen.
Folgen der Endoearditis.
Unter den Folgen der Endoearditis sind wohl die häu-
figsten die Klappenkrankheiten wie die Verengerung des
Lumens der Ostien , Klappeninsufficienz , weniger oft wer-
den Aneurysmen und die Bildung von Abscessen beobachtet;
glücklicher Weise kommt es am seltensten zur Aufnahme von
Eiter in den Kreislauf.
1, Stenose.
Wenn das Entzündungsproduct sich die Klappen zum
Sitze erwählte und starr geworden , so geht dadurch die
Elasticität und Beweglichkeit derselben verloren , sie blei-
ben gegen die Lichtung des betreffenden Ostium hingeneigt,
verengen dieselbe und um so mehr, wenn noch auf ihrer
freien Fläche Wucherungen aufsitzen. Derselbe krankhafte
Zustand wird eingeleitet, wenn zwei Klappenzipfel durch
Faserstoff aneinander gelöthet werden , oder wenn kalkartige
Ablagerungen den Insertionsring der Klappen betreffen. Ver-
dickung und Verkürzung der Papillarsehnen können bewir-
ken , dass die zwei- und dreizipfligen Klappen trichterartig
in die Herzkammer hineinragen, wodurch ebenfalls die Blut-
bahn beengt wird.
2. Insufficienz der Klappen.
Der Druck des callösen , plastischen Exsudates macht
die unterliegende Klappe in ihrem Durchmesser schwinden,
atrophirt dieselbe , so dass sie nicht mehr schliesst. Der-
selbe Zustand wird noch durch Verwachsung der Papillar-
sehnen mit der untern Klappenfläche und durch viele andere
am geeigneten Orte weitläufiger zu erörternde Vorgänge her-
beigeführt, die aber sämmtlich Folgen von Endoearditis sind.
3. Aneurysmenbildung.
Die Lockerung des entzündeten Endocardiums und die
dadurch leichtere Zerreissbarkeit desselben begünstigt die
374
Bildung von Herzaneurysmen , wovon später noch die Rede
sein soll. Aber auch in den Klappen kommen Aneurysmen zu
Stande , wenn nach Zerstörung' der oberflächlichen Schichten
die unterliegenden dem Andränge des Blutes nicht widerste-
hen können , und von demselben seiner Richtung* entspre-
chend (somit an den venösen Klappen gegen das Atrium, an
den Aortenklappen gegen den Ventrikel hin) halbkugelför-
mig ausgebuchtet werden. Berstet endlich auch diese Vor-
treibung, so ist die Klappe durchlöchert und somit ineufficient,
4. Abscessbildung.
Erwähnt wurde schon die durch eitrige Schmelzung
herbeigeführte Abscessbildung, die in manchen Fällen be-
trächtlich sein kann , und in der Herzmuskelsubstanz sich
verbreiten , ja letztere selbst durchbohren kann.
5. Eiterdyscrasie.
Wird der gebildete Eiter in den Kreislauf aufgenommen,
so entsteht die unter dem Namen Eiterdyscrasie bekannte Ent-
mischung des Blutes , mit Neigung desselben einen Theil
seiner plastischen Bestandtheile in Eiter zu verwandeln
(Eitergährung) und, wenn nicht gleich der Tod erfolgt, diesen
in verschiedene Organe, z. B. Nieren, Milz, die Gelenke ab-
zuscheiden. Hieher scheint auch , nach Engels Beobach-
tungen, ein schnell tödtendes Erysipelas maliynum, und
das Auftreten von Pusteln unter typhösen Erscheinungen zu
beziehen zu sein.
Verhältniss zu anderen Krankheiten. Eine
der häufigsten Verbindungen der Endocarditis ist die
mit gleichzeitiger Entzündung des Herzbeutels
als sogenannte Endo-Pericarditis. Nicht minder kommt
es bisweilen zu einer weiteren Verbreitung der Endocarditis
auf die eigentlichen Herzmuskel QCardilisJ und in Folge
deren zur Bildung eines Herzaneurysmas.
Ferner wird die Endocarditis im Vereine mit Pleuri-
375
tis und Pneumonitis der linken Seite mit ausge-
breiteter Peritonitis, mit dem Puerperalprocesse,
mit acutenExanthemen und mit Morbus Brightiis
beobachtet.
Der acute Gelenksrheumatismus (die acute
Gelenksgicht) hat aber eine grössere Verwandtschaft zurEn-
docarditis , als alle eben angeführten Krankheitsprocesse.
Diess Verhältniss verleitete Bouillaud zu dem allerdings
etwas verwegenen Ausspruche , dass die Hälfte an Gelenks-
rheuma Erkrankter zugleich eine Endo- oder Pericarditis zu
bestehen habe. Doch treten letztere sehr häufig, meistens
im Verlaufe eines acuten Gelenksrheuma auf, und kaum dürf-
ten zahlreiche Fälle vorkommen, in denen das umgekehrte
Verhältniss Statt gefunden hätte. Die Entstehung der Hcrz-
affection scheint dabei durch Verbreitung der rheumatischen
Affection von den Gelenken auf das Endocardium zu Stande
zu kommen und wir glauben dieser Ansicht um so mehr hul-
digen zu können, da sich das Fortschreiten der Krankheiten
in verwandten Geweben eher begreifen lässt, als die etwas
willkürliche Annahme von Gichtmetastasen, womit Ärzte der
früheren Zeit, das plötzliche und unerwartete Auftreten von
tödtlichen Herz- und Brustzufällen, hinlänglich entschuldigt
zu haben glaubten.
Der Verlauf der Endocarditis ist acut oder chronisch,
wiewohl die in Rede stehende Krankheit eine und dieselbe
Stelle des Herzens in schnell einander folgenden Nachschü-
ben befallen kann.
Ihre Ausgänge sind entweder in Lösung* und voll-
kommene Gesundheit, oder diese wird durch einige der oben
beschriebenen Folgezustände , wiewohl unvollkommen, her-
beigeführt, oder in den Tod, durch acutes Lungenödem,
Herzlähmung oder andere entferntere pathologische Vorgänge,
die ihrerseits wieder in den genannten nächsten Folgen der
Endocarditis ihren Entstehungsgrund erkennen.
376
Erscheinungen der En d o carditis.
A. Locale Symptome.
Inspection. Einige Autoren führen unter den Zei-
chen der Endocarditis grössere Wölbung' und Vortreiben der
Herzgegend an , was nur für die zwei Fälle volle Geltung
hat, dass zugleich entweder ein bedeutender Erguss den
Herzbeutel erfüllt, also bisweilen in der Endo-Pericarditis,
oder dass die Endocarditis ein schon von früher her sehr
hypertrophisches Herz befällt.
Wir sehen also bloss einen vermehrten Anschlag
des Herzens an die Brustwand.
Palpation. Auch die aufgelegte Hand fühlt einen
stärkeren Herzschlag. Gleichzeitig wahrnehmbares Schwir-
ren kommt nicht der Endocarditis, sondern der Complication
mit anderen Zuständen , z. B. Verengerung der Herzmün-
dungen zu.
Percussion. Durch dieselbe ist es allerdings mög-
lich , eine massige Vergrösserung des Herzens nachzuwei-
sen , die aber nur in dem Falle , dann aber besonders leicht
und überraschend schnell auftritt, wenn der entzündliche
Process den Klappenapparat befallen, dessen Function ge-
stört und der Blutbahn ein mechanisches Hinderniss entge-
gengestellt hat. Hiedurch werden einerseits die Höhlen des
Herzens ziemlich schnell ausgedehnt , anderseits die Mus-
kelsubstanz desselben zu erhöhter Thätigkeit angespornt.
Auscultation. Diese leistet hier mehr, als die an-
deren localen Untersuchungsmittel. Man hört in den meisten
Fällen blasende Geräusche von verschiedener Intensität , die
an den Stellen am deutlichsten wahrgenommen werden, unter
welchen der entzündliche Process zu ihrer Entstehung Anlass
377
gibt. Sie werden dadurch hervorgerufen, dass der Blutstrom an
einer angeschwollenen, von Vegetationen besetzten Klappe sich
reibt, durch eine verengerte Mündung sich drängt oder durch
schliessungsunfähige Klappen zum Theile wieder gegen die
Richtung der Bahn zurückgeworfen wird. Geräusche ent-
stehen somit nur durch die Klappenfehler, welche durch die
Entzündung entweder vorübergehend oder bleibend gesetzt
werden, und sind demnach auch nur für einige Zeit zu hö-
ren oder werden constant. Wir vernehmen demnach ein bla-
sendes Geräusch im linken Ventrikel:
mit dem ersten Tone, wenn die Bicuspidalklappe
leidet ,
mit dem zweiten Tone, wenn das Ostium venosum
verengt ist , in der Gegend der Aortenklappen.
Über der Aorta. Mit dem ersten Tone bei Ver-
engerung der Mündung oder wenn der Blutstrom über daselbst
befindliche Rauhigkeiten geht.
Mit dem zweiten Tone, wenn die Aortenklappen
nicht schliessen und das Blut regurgitirt.
Im rechten Ventrikel, der wohl seltener den Sitz
der Entzündung abgibt :
Mit dem ersten Tone, wenn die Tricuspidalklappe
durch die Entzündung insufficient geworden ist.
Geräusch mit dem zweiten Tone ist bisher kaum
beobachtet worden.
Ein doppeltes Blasegeräusch spricht für das gleichzei-
tige Bestehen der durch jedes einzelne characterisirten Zu-
stände, z. B. InsufFicienz der zweizipfligen Klappe mit Ver-
engerung der betreffenden venösen Mündung etc.
Gibt sich eine gleichzeitig verlaufende Pericarditis durch
ein starkes Reibungsgeräusch kund , so wird dadurch das
blasende Geräusch der Endocarditis gedeckt und es ist un-
möglich, letztere zu erkennen.
Unterscheidung. Mit dem Reibungsgeräusche der
378
Pericarditis ist bei einiger Aufmerksamkeit, Verwechslung
nicht so leicht möglich. Dasselbe ist mehr oberflächlich und
nicht von der Systole und Diastole abhängig, sondern schleppt
sich den Herztönen nach.
Besteht ein grösseres Exsudat im Herzbeutel, so findet
man die Regio praecordialis hervorgetrieben , den Herzschlag
vermindert , und den Percussionsschall in grösserem Um-
fange gedämpft, was Alles von der Endocarditis nicht gilt,
welche auch nur dann durch matten Percussionston in wei-
terer Verbreitung sich verräth , wenn das Herz schon erwei-
tert und hypertrophirt worden ist.
Aber es gibt noch andere Krankheitszustände, in denen
Blasegeräusche vorkommen , welche lür Zeichen einer En-
docarditis gehalten werden könnten. Besondere Aufmerksam-
keit verdient in dieser Hinsicht ihr Erscheinen in manchen
Fällen von Pneumonie besonders aber von Arthro-
rheuma, wo nur die genaueste Würdigung aller begleiten-
den Symptome einiges Licht geben dürfte. Leichter ist die
Diagnose in der Anämie nach Blutverlusten und bei bleich-
süchtigen Mädchen, wo die Geräusche mehr continuir-
lich , als der Systole und Diastole entsprechend und deutli-
cher in den grossen Gefässen, z. B. der Carotis , als im Her-
zen selbst zu hören sind.
Im ersten Stadio des Typhus sowohl, als während
des Ausbruches acuter Exantheme hört man zuweilen
den ersten Ton des Herzens wie verwischt , oder von einem
schwachen Geräusche begleitet. Übrigens ist der seltene Fall
gedenkbar, dass durch Eiteraufnahme in die Blutmasse
im Verlaufe einer Endocarditis typhöse Erscheinungen ent-
stehen , und vielleicht vorhandene Blasegeräusche auf das
Grundleiden hindeuten.
Die Verengerungen der Mündungen und
Klappenfehler stimmen gänzlich mit den physicalischen
Zeichen der Endocarditis überein; da jene durch letztere,
wenn auch in den meisten Fällen, nur transitorisch herbei-
079
geführt werden. Genaue Abwägung* aller Krankheitserschei-
nungen und besondere Rücksicht auf die Dauer derselben
sichern in beiden Fällen die Diagnose, letztere wird aber
fast über jeden Zweifel erhaben , wenn zugleich Zeichen
der gewöhnlichen Folgen organischer Herzleiden auftreten ,
wie z. B. Verstärkung des zweiten Tones der Lungenschlag-
ader, consecutive Hypertrophie und Dilatation eines oder des
andern Ventrikels u. s. w., Zustände, welchen wir bei Ab-
handlung der organischen Herzfehler besondere Rücksicht
widmen wollen. Gesellt sich aber zu einem seit längerer Zeit
bestehenden organischen Herzleiden ein heftiges entzündli-
ches Fieber mit starkem Herzschlage , so ist es schwierig
zu erkennen , ob es sich zugleich um eine Endocarditis
handle ; oder um die Entzündung eines anderen Organes ,
so lange nämlich letztere sich noch nicht deutlich kund
gegeben.
IT) Allgemeine Symptome.
Diese sind die, heftiger entzündlicher Fieber im Allge-
meinen. Die Krankheit beginnt mit starkem Froste, der
sich nur bei Eiteraufnahme in den Kreislauf wiederholt und
mit schnellem kleinen Pulse an den Arterien (120 — 140) im
Widerspruche mit dem starken Herzschlage. Bei Compli-
cation mit Pericarditis oderEitergährung des Blutes wird der
Puls unregelmässig und aussetzend. Das entzündliche Fieber
nimmt einen adynamischen Charakter an bei Lähmung der
Herzaction durch Druck , herbeigeführt durch einen bedeu-
tenden serösen Erguss ins Pericardium , bei Eiteraufnahme
ins Blut, bei Hindernissen des Kreislaufes durch Complica-
tion mit Pneumonie, acutem Lungenödem, bei Gehirndruck
und allgemeiner Schwäche. Die Haut ist trocken, heiss
und besonders bei längerer Dauer des Leidens gelblich ge-
färbt, diess besonders auffallend bei Eiterresorption. Das Ge-
sicht, das anfangs roth und voll ist, verfällt nach und nach.
Schmerz wird nicht beobachtet, ausser im Complications-
380
falle mit Pleuritis oder Pericarditis. Die Respiration ist
frei , ausser es wären schon Störungen im kleinen Kreis-
laufe, z. B. durch acutes Lungenödem eingetreten; diess
gilt besonders von gleichzeitiger Pericarditis. Die Ver-
dauungssymptome sind für die in Rede stehende Krank-
heit nicht charakteristisch.
Die Ilerzfleisclteiilzüiitliiiig , Carditis.
Sitz. Diese seltene , meist mit Endo- oder mit Pericar-
ditis verbundene Krankheit befällt gewöhnlich den linken
Ventrikel und häufig dessen Spitze und äussere Wand —
kann aber an jeder Stelle des Herzens und in grösserer oder
kleinerer Ausbreitung vorkommen.
Anatom, patholog. Ch arakt er. Die Entzündung
des Herzfleisches durchläuft dieselben Stadien und ihr Ex-
sudat gehorcht denselben Gesetzen, welche bei der Entzün-
dung überhaupt Geltung haben.
Im Stadium der Hyperämie und der Stase sind die Wände
des Herzens fester und durch die Injection der Capillarge-
fässe dunkelroth gefärbt. Tritt einmal Exsudatbildung ein,
so wird das Zellgewebe von Faserstoff infiltrirt , die rothe
Farbe weicht der blassen , die Muskelfasern verlieren ihre
Elasticität und erscheinen gleichsam macerirt. Das Exsudat
kann nun resorbirt werden , oder sich weiter fortbilden , und
selbst in eine schwielige Masse verwandeln , durch deren
Druck die normale Muskelfaser atrophirt wird. Dass unter
den bekannten Umständen auch Verkreidung , ja selbst Ab-
lagerung einzelner Exsudattuberkel zustande kommen kann,
wird Niemanden befremden, dem die Metamorphosen der Ex-
sudate überhaupt nicht fremd sind.
Ist mit dem Faserstoff viel Serum abgeschieden wor-
den, so wird dieses leicht aufgesogen, und die zurückge-
381
bliebene Fibrin bildet endlich streifige Fasern , die zuweilen
verkreiden.
Entwickelt sich das eitrige Exsudat nicht weiter zur
Faser, so macerirt es das Muskelfleisch, so dass der ge-
ringste Druck hinreicht , es in eine breiige Masse zu ver-
wandeln , oder es bildet sich in der Herzwand ein Abscess
von der Grösse einer Erbse bis zu der einer Haselnuss. Ber-
stet nun ein solcher , was nicht selten geschieht , so dringt
das Blut mit grosser Gewalt in selben ein und zerreisst die
benachbarten noch normalen Schichten.
Albuminöses Exsudat hat man im Herzmuskel bis jetzt
noch nicht nachgewiesen, doch gestattet die Analogie an-
zunehmen, dass eine Carditis, die während einer albuminö-
sen Blutmischung entsteht, ein eiweisstoffiges Exsudat lie-
fern müsse.
Der Tod kann durch Lähmung des Herzens , durch
Zerreissung desselben oder durch Eiteraufnahme in den
Kreislauf vermittelt werden.
Diagnose. Diese ist nach dem jetzigen Stande der Wis-
senschaft noch unmöglich. Doch könnte die durch Entzündung
gesetzte geringere Contractionskraf t der Wandungen und de-
ren Nachgiebigkeit den Umfang der Herzhöhlen vergrössern,
es wäre somit denkbar, dass dieser Grössenzunabme ent-
sprechend, der Percussionsschall gedämpft erscheint; fer-
ner dürfte der Herzimpuls schwächer gefühlt werden , so-
bald durch Ablagerung des Entzündungsproductes die Con-
tractionsfähigkeit der Muskeln gebrochen ist. In dem ver-
minderten Einflüsse der Herzcontractionen auf die enthal-
tene Blutmasse ist auch die Erklärung des von Hamer-
njk#) beobachteten kleinen, leicht unterdrückbaren, in
*) Med. Jahrbücher des österreichische! Kaiserstaates. 1843,
7. Heft.
382
keinem Verhältnisse zur Herzsubstanz stehenden Arterien-
pulses zu finden.
Das Herzaneurysma.
Begriff. Nach Rokitansky ist unter Herzaneu-
rysma eine umschriebene, in einer Texturkrankheit des En-
docardium und der Herzmuskel begründete Erweiterung einer
Herzhöhle. Die Ähnlichkeit mit dem Aneurysma der Arte-
rien besteht also höchstens darin, dass beiden eine Textur-
krankheit zu Grunde liegt.
Pathol. Anatom. So vielerlei Arten von Herzaneu-
rysma beschrieben wurden, so lassen sie sich doch auf zwei
zurückführen, deren eine acut, die andere chronisch zu
Stande kommt, und welche beide ursprünglich in einer Myo-
carditis ihren Entstehungsgrund erkennen.
Das acute Aneurysma entsteht dadurch, dass ent-
zündlich gelockertes Muskelgewebe an einer Stelle einreisst,
und durch die Gewalt des eindringenden Blutes nach allen
Richtungen selbst bis in die gesunden Fleischpartien zer-
stört wird. Dadurch entsteht nun eine Höhle , welche mit
Fibrincoagulum sich ausfüllt, das sich aber nicht weiter or-
ganisirr.
Ungleich öfter findet sich das chronische Aneu-
rysma, welches dadurch zu Stande kömmt, dass das,
durch eine Endo- und Pericarditis gesetzte Faserstoffexsu-
dat in ein dichtes, callöses Gewebe verwandelt wird, unter
welchem die Herzmuskel atrophisch werden. Das Exsudat-
gewebe kann aber von dem Blutdrucke in einer Richtung
ausgedehnt , sich nicht wieder zusammenziehen, da ihm der
nöthige Elasticitätsgrad mangelt-, hiedurch wird nun eine
Erweiterung" gesetzt , deren Gränzen bis an das gesunde
Herzfleisch reichen.
Diese Art von Aneurysmen findet sich meistens am lin-
ken Herzen und an dessen Spitze , sie stehen einzeln oder
383
mehrere nahe aneinander; sind von der Grösse einer Erbse
bis zu der eines Hühnereies , und stellen bald eine sackför-
mige Ausbuchtung* dar , bald eine Höhle , die durch einen
engen Hals mit dem Herzen zusammenhängt. Die Wand bil-
det bloss callöses Gewebe , das dem Grade der Ausdehnung
entsprechend verdünnt is( ; die Höhle des aneurysmatischen
Sackes wird von geronnenem Faserstoffe ausgefüllt, unter
welchem man das Endocardium verdickt findet. Sollten sich
aus der daselbst abgelagerten Fibrine Atherome gebildet ha-
ben , so stehen diese in keinem ursächlichen Zusammenhange
mit dem Herzaneurysma.
Gewöhnlich ist der betreffende Ventrikel dilatirt und hy-
pertrophisch ; zuweilen begleiten das Aneurysma auch Klap-
penfehler. Dass durch übermässige Dehnung des Aneurysma,
wie es in seltenen Fällen geschieht, dasselbe bersten kann,
versteht sich von selbst.
Diagnose. Nur die begleitende excentrische Hyper-
trophie oder ein Klappenfehler vermögen erkannt zu werden,
nie aber das Herzaneurysma. Gendrin's Behauptung', dass
man dabei mit beiden Herztönen trockene , abgebrochene,
blasende , selbst pfeifende Geräusche höre , deren erstes
durch Reibung des in den aneurysmatischen Sack dringen-
den Blutstromes entstehe , deren 2. aber durch Zusammen-
ziehung der Höhle und dadurch bewirkte Entleerung dersel-
ben bedingt sei, — widerspricht der Umstand, dass indem,
vom Coagulum erfüllten Sacke gewöhnlich kein Raum für
neues Blut vorhanden ist, noch mehr aber, dass das einmal
ausgedehnte callöse Gewebe des Aneurysma sich nicht mehr
zusammenzuziehen vermag.
Die Hypertrophie des Herzens«
Unter allen Muskeln des menschlichen Körpers wird
wohl keiner häufiger von Hypertrophie befallen, als das
Herz.
384
Begriff der Herzhypertrophie.
Um zu wissen, welches Herz hypertrophisch zu nennen
sei, ist es nöthig, die Verhältnisse des gesunden Herzens
zu kennen , welche wir schon besprochen haben ; werden
diese nun überschritten, so handelt es sich um Hypertrophie
desselben. Es ist somit ein linker Ventrikel von 6 Pariser
Linien bis 2 Zoll Dicke und darüber , und ein rechter von
3 bis 9 Linien mit Recht hypertrophisch zu nennen. Mit der
Dicke der Wandungen nimmt das Gewicht des Herzens zu.
Sitz der Krankheit.
Die Hypertrophie betrifft selten die Muscularsubstanz
des ganzen Herzens (totale Hypertrophie) und kommt
kaum anders zu Stande , als dass der krankhafte Process
sich von einem Theile (partielle Hypertrophie), den
er früher befallen , weiter auf das Herz verbreitet. — Im
linken Ventrikel erreicht die Hypertrophie gewöhnlich den
höchsten Grad , tritt in demselben dort am deutlichsten aus-
geprägt hervor , wo die Balkennetze am dichtesten sind und
die Dicke der Wände am meisten vorwiegt. Zuweilen ge-
schieht es , dass die Fleischbündel und Papillarmuskeln ge-
ringeren Antheil an der Vergrösserung nehmen , hauptsäch-
lich dann, wenn die Hypertrophie sich mit Erweiterung der
Kammer verbindet. Von den Vorkammern ist es die rechte,
wo die Volumsvermehrung sich deutlicher ausspricht , als in
der linken , da die Kammuskeln hier stark entwickelt sind.
Beim Weibe erreicht die Hypertrophie nie den Grad der
Entwickelung als beim Manne.
Anatomische Charaktere.
Mehr als die Dicke der Wandungen, welche man erst
abschätzen kann, wenn man das Herz schon aus dem Brust-
körbe genommen und seine Höhlen geöffnet , fällt beim er-
sten Anblicke die Form desselben in die Augen. Bei Hy-
pertrophie des linken Ventrikels nähert sich die Gestalt des
385
Herzens der eines Cylinders , ausser in dem Falle , dass
bloss dessen Basis erkrankt wäre, wodurch es die Form eines
Keiles annimmt. Hypertrophie der rechten Kammer des Her-
zens macht dieses breiter, fast scheibenförmig aussehend. Hy-
pertrophie beider Ventrikel bedingt eine fast dreieckige Ge-
stalt desselben. Mit der Zunahme der Hypertrophie wird auch
die Lage des Herzens geändert, seine Achse nimmt eine
mehr quere Richtung an , die Spitze sinkt tiefer nach links
und der Grund desselben unter das ßrustblatt. Die Farbe
des Muskelfleisches ist roth , dessen Faser derb, nicht leicht
von den unterliegenden Schichten zu trennen und zuweilen
selbst von lederartiger Dichte. Nur in dem Falle eines serö-
sen Ergusses im Herzbeutel findet man das Muskelfleisch
blass und mürbe. Rokitansky sah dieses mehr bräunlich
gefärbt und brüchig , wenn sich Fettkugeln in dasselbe ge-
lagert hatten-, dass dadurch Erweiterung des Herzens, ja
selbst dessen Ruptur eingeleitet werden könne , entbehrt
nicht aller Wahrscheinlichkeit.
Eintheilung.
Am einfachsten wird die Hypertrophie betrachtet ;
a) als einfache Hypertrophie,
b) als excentrische , und endlich
c) als concentrische.
Bei all' diesen drei Arten der Hypertrophie wird das
Volumen des Herzens vergrössert, das Unterscheidende liegt
aber in dem Rauminhalte der Herzhöhlen. Bei der excentri-
schen Hypertrophie nimmt dieser zu , bei der concentrischen
wird er durch die Verdickung der Wände verkleinert. Die
einfache Hypertrophie wird nicht häufig beobachtet, es scheint,
dass sie bald in die excentrische übergehe , welche unter
den drei Formen am öftesten gefunden wird, und eine be-
sondere Vorliebe für den linken Ventrikel darlegt. Das Vor-
kommen der concentrischen Hypertrophie wurde durch Ro-
kitansky und Hasse über jeden Zweifel gestellt, galt
Gaal Diangostik. 35
386
aber früher schon als wahrscheinliche Folge von Anämie,
wenn sich das Herz der verringerten Blutmasse anpasst und
durch lebhaftere Action hypertrophirt.
Ursachen der Herzhypertrophie.
Die nächste Ursache ist in einer erhöhten Thätigkeit
der Muskelsubstanz zu suchen , welche im Herzen nicht
minder , als in andern Organen , z. B. den Extremitäten,
vermehrten Säftezufluss und dadurch Zunahme der Ernäh-
rung bewirkt. Alle Einflüsse daher , welche die Thätigkeit
des Herzens erhöhen , sind hierher zu beziehen , als : z. B.
Plethora , Spirituosa, geschlechtliche Ausschweifungen,
Beschäftigungen , welche durch Muskelanstrengung heftige
Herzbewegungen hervorrufen. Als die fruchtbarste Quelle
der Herzhypertrophien sind aber mechanische Hindernisse
der Circulation zu bezeichnen, welche theils im Pericar-
dium, theils im Herzen selbst, theils in der Aorta,
theils im Capillarsysteme der Lungen bestehen.
a) Zuweilen ist P ericarditis als Ursache der Herz-
hypertrophie anzuklagen, wenn eine theilweise Verwachsung
des Pericardium mit dem Herzen die Bewegungen des letz-
tern hemmt , so dass dasselbe zu erhöhter Thätigkeit ange-
spornt, der gewöhnlichen Folge übermässiger Muskelanstren-
gung verfällt, nämlich hypertrophisch wird.
#) Die das Herz selbst betreffenden mechanischen Hin-
dernisse der Circulation bestehen in Insuffizienz und Steno-
sirung der Klappenapparate, deren schädliche Einwirkung
auf das Herz erst nach dem Studium des den Klappenkrank-
heiten gewidmeten Abschnittes gehörig gewürdigt werden
dürfte. Aus demselben wird hinreichend erhellen, dass, was
die Hindernisse im Herzen selbst betrifft, Insu ff ici enz
der Bicu spidalklappe oder Stenose des linken
O stium v enosum excentrische Hypertrophie
des rechten Ventrikels bedingen, und dessen Höhle
dabei auch vorzüglich erweitern. Denn wird während der
387
Systole im ersten Falle ein Theil des im Ventrikel enthalte-
nen Blutes durch die offen stehenden Klappen in den Vorhof
geworfen, oder entleert sich dieser im zweiten Falle nicht hin-
länglich seines Inhaltes , da die Mündung" in die linke Herz-
kammer zu enge ist, so ist die Folge in beiden Zuständen
Blutanhäufung im linken Vorhofe , und wie ein Bach, dessen
Abfluss durch Schleussen verhindert wird, schwillt, so nimmt
auch die Menge des Blutes in dessen ganzer Bahn vom Vor-
hofe zurück zu , es entsteht Hyperämie in den Lungenvenen
und den Capillargefässen der Lungen , ja , wenn wir die
Blutbahn noch weiter verfolgen in der Lungenarterie und dem
rechten Ventrikel , dessen energische Anstrengungen , um
das sich immer vergrössernde Hinderniss hinwegzuräumen,
nicht, ohne Zunahme der Muskelsubstanz im Gefolge zu ha-
ben , denkbar sind , während die Erweiterung besonders da-
durch zu Stande kommt, dass seine dünnen Wände dem
Drucke des Blutes nachgeben und sich der Quantität dessel-
ben anschmiegen.
Insufficienz der Aortenklappen, Stenose
der Aortenmündung oder beide Zustände zu-
gleich haben fast jedesmal excentrische Hy-
pertrophie des linken Ventrikels zur Folge, indem dabei
letzterer mit Blute überfüllt , nur mit der grössten Anstren-
gung sich des ihm im Übermasse aufgebürdeten Inhaltes zu
entleeren vermag, der ihm bei Insufficienz durch Re-
gurgitation eines Theiles des durch die Systole der Aorta
fortzubewegenden Blutes, bei Stenose durch Verhaltung
desselben , da es während der Kammersystole durch die ver-
engte Mündung nicht vollständig entleert werden kann, zu-
kommt.
Insufficienz der dreizipfligen Klappe hat
wohl Erweiterung des rechten Vorhofes im Gefolge, die Zu-
nahme der Muscularsubstanz spielt aber hierbei eine mehr
untergeordnete Holle, als man bei oberflächlicher Betrachtung
glauben sollte.
26*
388
Es erhellt aus vorhergehendem , dass Endocarditis,
mittelst der durch dieselbe gesetzten Klappenkrankheiten Hy-
pertrophien herbeiführt, und ist somit nicht unwahrscheinlich
dass letzterer Zustand bei Neugebornen in einer fötalen
Endocarditis begründet sei.
Aber nicht allein im Herzen stellen sich der Blutströ-
mung mächtige Hindernisse entgegen, sondern auch in den
zunächst gelegenen Gefässen kommen solche vor, besonders
c) in der Aorta. Ihre Verengerung' bewirktauf
ähnliche Weise , wie die Stenose der Aortenmündung* ex-
centrische Hypertrophie des linken Ventrikels , die bald das
ganze Herz in den Kreis der Entartung* zieht.
Aneurysmatische Erweiterung* des Aortarohres hat
dieselbe Krankheit zur Folgte, weil dabei die verminderte Ela-
sticität der Arterienhäute deren Thätigkeit lähmt, so dass sie
nicht im Stande sind, durch hinlänglich kräftige Zusammen-
ziehungen ihren Blutinhalt gehörig* weiter zu befördern. Letz-
terer aber hindert die Entleerung* des linken Ventrikels, und
bedingt dadurch dessen Überfüllung' und excentrische Hyper-
trophie.
d) Im Capillargefässysteme der Lungen.
Alle Krankheits - Processe, welche Unwegsamkeit eines
grössern Abschnittes der Lungen und somit ihrer Capillar-
gefässe bewirken , bedingen hiedurch excentrische Hyper-
trophie des rechten Herzens, als nothwendige Folge, indem
das venöse Herz durch gesteigerte Thätigkeit das Hinder-
niss der Circulation zu beseitigen strebt, zugleich aber die
Zunahme seines Inhaltes auf die nachgiebigen Wandungen
zurückwirkt. Von Lungenkrankheiten , die auf das rechte
Herz den genannten nachtheiligen Einfluss ausüben, sind
vornehmlich nachstehende hier aufzuführen.
Alle jene Zustände , durch welche das Lung'engewebe
comprimirt wird und einschrumpft, als bedeutendere
pleuritische Ergüsse , oder nach deren Entfernung plastische
Exsudate , welche einen Theil der Lungen überziehen und
389
in ihrer Entfaltung hindern , Verwachsung der beiden Pleu-
raflächen, Einsinken des Thoraxraumes nach Resorption eines
grössern pleuritischen Ergusses , Verkrümmung der Wirbel-
säule , des Brustblattes aus derselben oder einer andern Ur-
sache und dadurch veranlasste Compression der Lungen, in-
durirte Hepatisation , ausgebreitetes vesiculäres Emphysem
der Lungen, wobei die Capillargefässe durch den Druck der
vergrösserten Bläschen verengt und blutarm gemacht werden,
bedeutende Bronchialerweiterung mit Erlahmung des Roh-
res, welches durch seinen Druck das umgebende Lungen-
parenchym atrophisch macht.
Tuberculöse Infiltration hat nicht denselben Einfluss auf
das rechte Herz, den wir der indurirten Hepatisation zu-
schreiben müssen und der zu erwarten wäre, wenn nicht mit
der Consumtion aller Gewebe, welche die Phthisis begleitet,
die Verminderung der ßlutmasse gleichen Schritt hielte, so
dass beiPhthisikern das Herz häufiger atrophisch wird, als in
seiner Masse zunimmt.
Besteht aber zugleich mit der Tuberculöse eine bedeutende
Verkrümmung der Wirbelsäule, so kann durch die dadurch
herbeigeführte Compression des Lungengewebes rechtseitige
Hypertrophie des Herzens zu Stande kommen , und nur die
dabei auftretende venöse Blutmischung vermag den Fort-
schritten der Tuberculöse Einhalt zu thun.
Die Frage , woher es kommt, dass der linke Ventrikel
häufiger hypertrophisch wird, als der rechte? glauben wir
in Folgendem beantworten zu können. Wenn Bertins An-
sicht, dass das arterielle Blut auf den linken Ventrikel einen
grössern Reiz ausübt, als das venöse auf den rechten, eine
unbedingt richtige wäre; so müssten wir sehen, dass der
linke Vorhof häufiger von Hypertrophie befallen werde, als
der rechte, während wir uns vom Gegentheile überzeugen —
der Reiz des arteriellen Blutes auf das linke Herz ist auch
nicht so hoch anzuschlagen , da er für dasselbe immer nur
der normale ist ; der Grund liegt vielleicht in dem häufigeren
890
Vorkommen derEndocarditis mit ihren Folgen im linken Ven-
trikel als im rechten, und in dem Umstände, dass im Allge-
meinen stärkere Muskel mehr der Hypertrophie ausgesetzt
sind , als schwächere. Die linke Kammer ist nun rast um das
Dreifache stärker, als die rechte, und in dem Sinne mag* das
darin bewegte Blut (ohne Rücksicht auf dessen arterielle
oder venöse Beschaffenheit) der stärkeren Musculatur als
Reiz gelten, sich kräftig zusammenzuziehen, während es den
schwächern Hohlmuskel nur erweitert , der nicht hinreichend
seinem Inhalte zu widerstehen vermag.
Verlauf und Ausgänge.
Die Herzhypertrophie zeigt sich immer als chroni-
sche Krankheit, besonders langsam verläuft die einfache;
sie ist es aber auch , welche den Kranken , ohne sich
ihm früher durch Vorboten kund zu geben , plötzlich hin-
wegrafft. Noch schneller aber führt die excentrische Hyper-
trophie denselben seinem Ende entgegen , als die letztge-
nannte und selbst trotz der regelmässigsten Diät. Die Aus-
gänge der Herzhypertrophie sind: Heilung, andere
Krankheiten und der Tod.
a) Heilung ist kaum denkbar, den einzigen Fall
ausgenommen , dass zuweilen im Kindesalter entstandene
Hypertrophien von den Pubertätsjahren an sich nicht mehr
weiter entwickeln, so dass dann zwischen der Entwickelung
des Körpers und der des Herzens das normale Verhältniss
eintritt.
ft) Unter den krankhaften Zuständen, welche durch die
Herzhypertrophie eingeleitet werden , fallen zunächst fol-
gende auf: eine gewaltsame Herzaction , Herzklopfen , be-
schleunigte Circulation, inflammatorische Blutmischung, Nei-
gung zur Entzündung edler Organe, oder wenigstens Hy-
perämie derselben, namentlich des Gehirnes, Apoplexie;
letztere wird besonders durch Hypertrophie des linken Ven-
trikels herbeigeführt. — Ist aber einmal Überfüllung des Ca-
391
pillargefässystemes der Lungen vorhanden , so sind die Fol-
gekrankheiten der Herzhypertrophie von den genannten gänz-
lich verschieden ; dann entstehen asthmatische Anfälle, Lun-
genblennorrhöen und Blutungen , eine vorwaltende venöse
ßlutmischung und hydropische Abscheidungen , die aber bei
Erkrankung des linken Herzens anfangs nur vorübergehend
sind , und nie den hohen Grad erreichen , auf den sie die
Hypertrophie des rechten Ventrikels gewöhnlich bringt.
c) Dass der Tod durch Ödem der Lungen, sich hinzu-
gesellende Pneumonie, durch Apoplexie des Gehirnes und
zuweilen durch Erlahmung der Herzthätigkeit eingeleitet
werden kann , bedarf nach dem Vorhergehenden kaum mehr
einer weitläufigen Erörterung.
Diagnose.
Von den subjectiven Erscheinungen ist es zu-
erst das Herzklopfen, das den Kranken an das Vorhan-
densein eines Leidens mahnt, und besonders nach körperli-
cher und psychischer Aufregung, bei Ersteigung von Trep-
pen, beim Gehen gegen den Wind, durch Aromatica, Spiri-
tuosa, Flatulenz und Lage auf der linken Seite verstärkt wird.
Wohl kann diess Symptom auch fehlen , und dennoch
Hypertrophie des Herzens vorhanden sein, so wie anderseits
dasselbe in nervösen Subjecten mit tuberculöser Anlage zu-
weilen erscheint, ohne in einer organischen Herzkrankheit be-
gründet zu sein. Die Dyspnoe ängstigt den Kranken erst,
wenn schon ein bedeutendes Missverhältniss zwischen den
Functionen beider Ventrikel eingetreten , und steigert sich ,
wenn es schon zu Stasis in den Lungen gekommen ist, zu
schrecklicher Höhe. Die Anfälle werden besonders zur Nacht-
zeit sehr heftig und nicht selten nur durch Aushusten blutge-
färbter Sputa gelindert; sie scheinen in der Zeit ihrer Wie-
derkehr zuweilen eine gewisse Regelmässigkeit zu beobach-
ten , besonders sind es die Äquinoctien , wodurch sie öfter
bedeutend gesteigert werden. Der Husten und der Puls
39»
gewähren keine constanten Erscheinungen, letzterer ist im
Allgemeinen wohl voll und kräftig' und zwar desto mehr , je
näher die untersuchte Arterie dem Herzen liegt, wird aber
durch die meist zugleich bestehenden Klappenfehler bedeu-
tend verändert. Anfangs und vornehmlich bei Hypertrophie
des linken Herzens zeigen sich oft Kopfschmerz, Ohrensau-
sen , Röthe des Gesichtes , Nasenbluten , kurz alle Zeichen
von Congestionen zum Gehirne. Bei länger dauernder Hyper-
trophie , besonders wenn schon Stasis in den Lungen eintrat,
wird das Gesicht livid , die Lippen , besonders die untern ,
erscheinen verdickt, und die Venen an der ganzen Körper-
oberfläche voll und aufgetrieben.
Physicalische Symptome.
Inspection. Bei jugendlichen Individuen mit biegsa-
men Rippen zeigt sich eine grössere Wölbung der Prä-
cordialgegend. Irrig ist die Meinung Piorry's, dass bei
Hypertrophie des Herzens die Wölbung mehr links , bei se-
rösem Ergüsse im Herzbeutel mehr gegen das Sternum ge-
funden werde; nicht minder, dass man daraus, ob die Vor-
treibung der Präcprdialgegend mehr links oder mehr rechts
auftritt, auf eine Hypertrophie des linken oder eine des rech-
ten Ventrikels schliessen könne, denn der Ort der stärkeren
Wölbung hängt oft nur von der, aus was immer für Ursachen
herbeigeführten , mehr verticalen oder mehr horizontalen La-
ge des Herzens ab.
Ferner findet man bei Herzhypertrophie eine sicht-
bare Verstärkung des Herzschlages, der sich
bei höherem Grade des Übels, bei excentrischer Hypertrophie,
auf mehrere Zwischenrippenräume verbreitet. Betrifft letztere
das ganze Herz, oder den linken Ventrikel mit Aortenklap-
peninsufficienz , so erscheint der Herzschlag so heftig, dass
er sich den Kleidern und Bettdecken des Kranken mittheilt.
Während der Systole erscheint zuweilen in horizontaler
398
Lage über hypertrophischen Herzen eine Einziehung der
Herzgrube und des obern Theiles der geraden Bauch-
muskel , welche während der Diastole wieder verschwindet,
die aber zu dem irrigen Glauben Anlass gegeben , dass es
sich in diesem Falle um Verwachsung des Pericardium mit
dem Herzen handle. Eine ähnliche Erscheinung beobachtet
man bei excentrischer Hypertrophie bejahrter Kranken mit
herabgesunkenem Thorax und weiten Zwischenrippenräumen,
nämlich ein Einsinken des Intercostalraumes über dem Orte,
der durch den Impuls der Herzspitze während der Systole
vorgetrieben wird, worauf ein Vortreiben derselben Stelle
während der Diastole erfolgt.
Übrigens kann sowohl die Vortreibung der Präcordialge-
gend, als auch die sichtbare Verstärkung des Herzstosses
bei bedeutenden Hypertrophien mangeln , z. B. bei zugleich
bestehendem Lungenemphysem der linken Seite, während an-
derseits dieselben Symptome für sich allein vorkommend kei-
nen diagnostischen Werth haben und verschiedenen Zustän-
den zukommen können.
Palpation. Im Allgemeinen gilt der Satz : Je beträcht-
licher der Umfang des Herzens ist, in desto grösserem Räu-
me werden die kräftigen Herzschläge von der aufgelegten
Hand wahrgenommen. Doch gibt es manche Ausnahmen.
Excentrische Hypertrophie des linken Ventrikels mit In-
suffizienz der Aortenklappen gibt einen heftigen Herzstoss,
da dabei der Inhalt desselben vermehrt wird; ist aber die
Aortenmündung in dem hypertrophischen Herzen verengt, so
ist der Herzschlag nicht immer verstärkt, da dieMuskelcon-
traction des Ventrikels so wie die Entleerung der Kammer
unvollständig geschieht (Z eh et may er). Liefert ein nor-
mal beschaffener rechter Ventrikel dem hypertrophischen lin-
ken nicht so viel Blut, als dieser erheischt, so kommt es
nur zu zeitweiliger Verstärkung des Herzstosses. — Excen-
trische Hypertrophie beider Hälften des Herzens gibt sich ,
394
besonders bei tieferm Stande dieses durch einen doppelten
Choc zu erkennen, der die Systole und Diastole begleitet.
Appliciren wir das Stethoscop , um die Stärke des Herz-
stosses zu bemessen, so wird der Kopf von letzterem zuwei-
len erschüttert; totale excentrische Hypertrophie, oder der-
selbe Zustand auf die linke Kammer beschränkt, aber mitAor-
tenklappeninsufficienz verbunden, geben sich durch einen
Herzimpuls zu erkennen , welcher den Kopf des Untersu-
chenden hebt.
Die Richtung, in der sich die Verstärkung des Herz-
schlages äussert, berechtigt nicht anzunehmen, dass dieser
oder jener Ventrikel erkrankt sei , denn auch auf diese wie
auf den Ort der grössten Vortreibung der Präcordialgegend
übt veränderte Stellung der Achse des Herzens häufig nicht
unbedeutenden Einfluss aus.
Dass auch verstärkter Herzstoss bei Hypertrophien feh-
len könne, und für sich allein noch zu keinem diagnostischen
Schlüsse berechtige , bedarf kaum einer Erwähnung.
Percussion. Erst mit zunehmender Vergrösserung
bemerkt man einen matten Percussionsschall in ausgebreite-
terem Umfange, als dem normalen Herzen zukommt, und
zwar in geradem Verhältnisse zu der Volumsvermehrung des
Letztern ; es leuchtet demnach von selbst ein , dass , wenn
mit der Herzhypertrophie sich Erweiterung verbindet, der
Umfang des dumpfen Schalles ein grösserer sein müsse, als
wenn jene allein vorkommt.
Mit der Verbreitung der Mattheit des Percussionsschal-
les fühlt der Finger einen vermehrten Widerstand , nie aber
in dem Grade , wie bei serösem Ergüsse ins Pericardium.
Um zu bestimmen , ob der linke oder der rechte Ventri-
kel erkrankt ist , hält man sich an Folgendes. Hypertrophie
des linken Herzens gibt die Zeichen der Percussion in
grösserer Dimension der Achse des Herzens nach. Ist der
rechte Ventrikel der leidende, so reicht der matte Per-
cussionsschall mehr quer gegen und selbst über das Sternum.
395
Dass Krankheiten der Nachbartheile, Lungenemphy-
sem, Pneumonie, pleuritisches Exsudat der linken Seite
den Percussionston sehr verändern, ja es bisweilen unmöglich
machen , die Gränzen des Herzens und somit seiner Ver-
grösserung zu bestimmen , ist unsern Lesern hinlänglich
bekannt.
Auscultation. Das angelegte Ohr hört die Herztöne
rein, nie von einem Geräusche begleitet, ausser es wäre
ein Klappenfehler zugleich vorhanden. Wohl vernimmt man
in Folge des Druckes , den die hypertrophischen Herzwände
auf das zwischen denselben enthaltene Blut ausüben, häufig
den ersten Ton gedämpfter und gedehnter, so dass die kleine
Pause darnach beinahe verschwindet, dann folgt schnell
der kurze, klanglose zweite Ton. Bei bedeutenden Hyper-
throphien werden beide Töne nicht allein an der ganzen Vor-
derfläche der Brust, sondern selbst am Rücken wahrgenommen.
Synopsis der physicalischen Symptome der
Herzhypertrophie.
Einfache Hypertrophie gibt sich durch folgende
Erscheinungen zu erkennen: Wölbung derPräcordialgegend,
sichtbare Verbreitung des Herzschlages in grösserem Umfange,
stärkerer Choc desselben , selbst mit Emporheben der Brust-
wand, wo die Herzspitze anschlägt, Dämpfung des Percus-
sionsschalles in grösserem Umfange entweder nach dem Län-
ge - oder nach dem Breitedurchmesser des Herzens , etwas
vermehrter Widerstand beimPercutiren, Dämpfung der Herz-
töne , wovon der erste gedehnt zu hören ist.
Excentrische Hypertrophie lässt sich aus den-
selben Erscheinungen höhern Grades und in vergrössertem
Räume erkennen , dazu kommen noch folgende : der Herz-
schlag wird in mehreren Intercostalräumen sichtbar, von de-
nen der ober der Herzspitze zunächst gelegene häufig wäh-
rend der Systole einsinkt und während der Diastole wieder
sich ausfüllt, starke Erschütterung der aufgelegten Hand und
396
des Kopfes des Auscultirenden , der mit der Brustwand ge-
hoben wird und sinkt.
Concentrische Hypertrophie ist am Leben,
den noch nicht erkannt worden. Matter und umschriebener
Herzstoss, kleiner Puls, schwache Herztöne dürften nebst
den schnell eintretenden gewöhnlichen Folgen der Herzhy-
pertrophie als Fingerzeige dienen.
Hypertrophie des linken Ventrikels gibt
sich zu erkennen dadurch:
1. Dass die Wölbung" der Präcordialgegend nach aussen
am stärksten hervortritt (vorausgesetzt , dass dabei keine
Abweichung der Herzachse statt findet).
2. Dass an demselben Orte der Herzschlag in mehreren
Zwischenrippenräumen sichtbar und verstärkt zu fühlen ist.
3. Dass der Percussionsschall in vermehrtem Umfange ,
doch aber mehr der Längenachse des Herzens nach , ge-
dämpft erscheint , mit etwas vermehrtem Widerstände beim
Anschlage.
4. Dass im linken Ventrikel des erste Ton gedämpft
und gedehnt gehört wird.
Nächst dem harten , vollen Arterienpulse sind hier alle
die schon angeführten mehr eine active. Form anzeigenden
Folgezustände zu rechnen.
Die Hypertrophie des rechten Ventrikels
wird erkannt , wenn die Lage des Herzens nicht abnorm ist,
dadurch , dass
1. die Wölbung und die sichtbaren und fühlbaren Herz-
schläge mehr gegen das Sternum und die Herzgrube zu be-
merkbar sind , als gegen links. Letztere sind daselbst bis-
weilen stärker zu fühlen, als an dem Orte, an dem die Herz-
spitze anschlägt.
2. Dass die Dämpfung des Percussionstones in grösse-
rer Ausdehnung nach der Quere gehört wird.
3. Dass die Herztöne aus dem rechten Herzen oft stär-
ker vernommen werden, als aus dem linken, und dass der
397
zweite Ton der Lungenschlagader auffallend verstärkt zu hö-
ren ist. Die hieher bezüglichen consecutiven Erscheinungen
sind mehr passiver Form ; Venosität , asthmatische Anfälle
und endlich hydropische Aussehwitzungen gehören dieser
Krankheit an. Die häufig zu beobachtende Schwellung der
Drosseladern ist nicht mit deren Pulsation zu verwechseln,
welche Insufficienz der dreispitzigen Klappe anzeigen würde.
Hypertrophie der Vorhöfe als solche allein
lässt sich nicht erkennen.
Unterscheidende Diagnose.
1. Hypertrophie könnte mit einem serösen Er-
güsse im Pericardium verwechselt werden, allein
bei letzterem
a) Ist die Wölbung nach ohen an der Basis des Her-
zens am stärksten.
bj Sind die Pulsationen schon schwächer, selbst un-
deutlich } wenn die Anwesenheit des Exsudates durch den
Percussionsschall erkennbar wird.
cj Die Mattheit des letzteren ist stärker , der Schall
mehr leer, die Resistenz grösser.
d) Die Herztöne sind häufig schwächer, gleichsam
wie aus der Entfernung vernehmbar.
e) Der Kranke verfällt sichtlich , und hydropische Er-
scheinungen kommen auffallend schnell zur Entwickelung.
2. Erweiterung des Herzens hat mit der Hyper-
trophie die verstärkten Herzimpulse und die Dämpfung des
Percussionsschalles in grösserem Umfange gemein , allein
aj Der Herzschlag ist unregelmässig , nur zuweilen
gewaltsam , und wird im Gegentheile oft kaum fühlbar.
b) Die Herztöne sind heller und klarer zu hören als im
Normalzustande.
c) Die Entwickelung der hydropischen Erscheinungen
geht schneller vor sich , als bei Hypertrophie.
3. Aneurysma der Aorta, wenn es noch nicht zu
consecutiver Herzhypertrophie gekommen ist, lässt sich von
398
letzterer dadurch unterscheiden , dass bei Aneurysmen zwei
Pulsationen wahrgenommen werden, eine dort, wo die Herz-
spitze anschlägt , die andere ober dieser Stelle nach rechts ,
wo die aneurysmatische Geschwulst an die Brustwand an-
liegt. Dort ist auch zuweilen gedämpfter Percussionsschall
zu finden. In dem Räume zwischen den bezeichneten Orten
ist keine Pulsation zu bemerken. Über dem aneurysmatischen
Sacke wird zuweilen ein blasendes Geräusch gehört, das
aber auch fehlen kann.
4. Nervöses Herzklopfen kann leicht den Ver-
dacht von Hypertrophie erwecken. Doch fehlen ausser dem
unsteten Herzimpulse, der durch Aufregungen leicht hervor-
gerufen wird , alle physicalischen Symptome.
Von der Atrophie des Herzens.
Begriff. Die Atrophie des Herzens besteht in Vermin-
derung der Muskelsubstanz desselben. Um diese Krankheit
richtig zu erkennen , ist es nöthig , das Volumen und Ge-
wicht des zu untersuchenden Herzens mit dem eines gesun-
den zu vergleichen , indem oft nach Blutverlusten das Herz
sich ausserordentlich zusammenzieht, in welchem Falle dann
das Gewicht zu Rathe gezogen werden muss, um eine irrige
Diagnose zu vermeiden.
£ in th eilung. Wir unterscheiden :
1. Die einfache Atrophie, als Verminderung der
Muskelsubstanz und des Gewichtes mit normaler Weite der
Herzhöhlen.
2. Die excentrische Atrophie, welche in Ab-
nahme der Muskelsubstanz und des Gewichtes mit erweiter-
ten Herzhöhlen besteht , und nicht mit Herzerweiterung ver-
wechselt werden darf, wobei die gesunde Muskelsubstanz
sich nur auf einen grösseren Raum ausdehnt, das Gewicht
aber dasselbe bleibt, und endlich
3. die concentrische Atrophie, welche am öf-
testen beobachtet wird, mit verkleinerten Herzhöhlen , wobei
399
aber die Dicke der Herzwände normal beschaffen oder selbst
vermehrt sein kann , weil die Muskelsubstanz gleichsam sich
in sich selbst zusammengezogen hat, so dass sie um das
dicker wird, was sie an Länge einbüsst. Das verminderte Ge-
wicht löst auch in diesem Falle jeden Zweifel.
Sitz. Sie befällt entweder das ganze Herz oder nur
einen Abschnitt desselben.
Anatomische Charaktere.
Ausser den schon angeführten, das Volumen und Ge-
wicht betreffenden , fallen folgende Erscheinungen in die
Augen : Häufige Verdickung und Schrumpfung des Herzbeu-
tels , Schwinden des Herzfettes , stärkere Schlängelung der
Kranzgefässe, blasse, gelbliche Färbung der leicht zerreiss-
lichen Herzsubstanz. (Letztere erscheint dagegen zuweilen
derb , zähe und rothbraun gefärbt.)
Ursachen. Als solche werden alle Blutkrankheiten
angesehen, welche mit Abnahme der Ernährung einhergehen,
Schwächekrankheiten in Folge von tuberculöser oder krebsi-
ger Schmelzung, Reconvalescenz von Typhus, Anämie durch
ungenügende Nahrung oder Blutverluste herbeigeführt. Doch
hat nicht jede Verminderung der allgemeinen Ernährung
Atrophie des Herzens zum Begleiter, im Gegentheile findet
man zuweilen in gänzlich herabgekommenen Individuen ein
hypertrophisches Herz. Viele Ursachen der in Rede stehen-
den Krankheit sind im Herzen selbst gegeben , so vermag
Druck auf dessen Muskelsubstanz durch pericarditisches Ex-
sudat, Entzündungsschwarten etc. Obliteration seiner er-
nährenden Gefässe, Fettsucht des Herzens das Muskelge-
webe desselben zu atrophiren.
Verlauf. Derselbe kann kaum anders, als chronisch
sein. Die Würdigung der erst angeführten Ursachen der Herz-
atrophie mag den Übeln Ausgang derselben, der gewöhnlich
beobachtet wird, erklären.
Diagnose. Von den allgemeinen Symptomen,
400
welche diese Krankheit begleite» , sind vorzüglich folgende
zu nennen : Schwäche des Pulses , die sich durch Trägheit
und Kleinheit desselben kund gibt , während er nach gerin-
gen Reizen zitternd und schnell wird, Herzklopfen, Neigung
zu Ohnmächten , immerwährendes Gefühl von Kälte, Darnie-
derliegen aller von der Circulation abhängigen Functionen ,
allgemeine Blässe und Abmagerung.
Inspection. Trotz der meist mit der Herzatrophie
verbundenen Abmagerung, trotz der erweiterten Intercostal-
räume ist fast nur nach Einwirkung heftiger Reize ein An-
schlagen der Herzspitze an die Brustwand ersichtlich.
Palpation. Der Herzschlag wird schwach und auf
einen kleinen Raum beschränkt gefühlt ; doch können einzelne
tumultuarische Impulse dazwischen gefühlt werden, welche
entweder aus gestörter Innervation entspringen oder in der
Combination der Atrophie einer Herzkammer mit Hypertrophie
und Klappenfehlern der anderen begründet sind.
Percussion. Der gedämpfte Percussionsschall er-
scheint in kleinerem Räume, als dem Umfange des Herzens zu-
kommt; in gleichem Maasse nimmt auch der Widerstand, den
der anklopfende Finger erfährt, ab. Piorry räth mit stei-
gender Kraft zu percutiren, um auch dort noch aus der Däm-
pfung des Schalles das Herz zu erkennen, das von den sich
darüber legenden Rändern der Lungen (z.B. bei Emphyseme)
versteckt wird.
Auscultation. Bis jetzt gibt es noch keine bestimm-
ten Merkmale, welche die Herzatrophie durch das Stetho-
scop erkennen Hessen.
Die Erweiterung des Herzens«
Begriff. Das Essentielle dieser Krankheit besteht in
räumlicher Vergrösserung der Herzhöhlen mit Verdünnung
der Wände. Dass man , wie es früher geschah , die excen-
trische Hypertrophie des Herzens mit Unrecht hieher rech-
nete, erhellt aus der Begriffsbestimmung beider Krankheiten.
401
Sitz. Sie] befällt entweder das ganze Herz (als totale
Dilatation) oder einen oder den anderen Abschnitt des-
selben (partielle Dilatation) und vermag* sich mit allen
Volumsveränderungen verschiedener Theile des Herzens zu
combiniren. Häufiger wird sie in dessen rechter Hälfte, be-
sonders im Hohlvenensacke beobachtet, als in dem linken
Herzabschnitte.
Anatomische Charaktere.
Vor Allem fällt die äussere Form des Herzens in die
Augen. Dasselbe wird sehr breit und dessen Spitze stumpfer.
Der rechte Ventrikel reicht so tief zur Herzspitze hinab, als
der linke. Schneidet man die Höhlen auf, so fallen sie zu-
sammen, was sonst wenigstens vom linken Ventrikel nicht
beobachtet wird. (Wären die Vorhöfe bloss durch angehäuf-
tes Blut ausgedehnt, wie diess nach langer Agonie häufig
der Fall ist, so ziehen sie sich nach der Entleerung dessel-
ben wieder auf ihr normales Volumen zusammen, dieser Um-
stand und die Berücksichtigung der übrigen anatomischen
Charaktere sichert dann davor, beide Fälle zu verwechseln.)
Die Höhlen selbst sind erweitert, das Endocardium der Vor-
höfe ist meist verdickt, die Muskelbündel, besonders an den
äusseren Herzwänden, sieht man blass, auseinander gedehnt,
zuweilen selbst zerrissen. Oft ist das schlaffe, mürbe, leicht
zerreissliche Muskelfleisch so sehr verdünnt; ja beinahe ge-
schwunden, dass besonders an der Herzspitze Endo- und
Pericardium nur durch eine schmächtige Lage Zellgewebes
von einander getrennt gehalten werden. Die Farbe der Mus-
kelfaser ist verschieden, meist durch Tränkung mit Blutfarbe-
stoff dunkelroth , seltener blass, fetthaltig; war Pericar-
ditis vorangegangen , so sieht das Fleisch wie ausgekocht
oder schmutzig gelbbraun aus.
Mit den Herzhöhlen erweitern sich auch die Mündungen
derselben , besonders das linke Ostium venosum. Dass die
Natur durch Vergrösserung und Ausdehnung der Klappen
Gaal. Diagnostik. 26
402
ihrer Schliessungsunfähigkeit zuweilen vorbeugt, wurde sei-
nes Ortes schon dargelhan.
Ursachen der Herzerweiterung.
Als nächste Ursache erkennen wir ein Missverhältniss
zwischen der Elasticität und Propulsivkraft der Wandungen
der Herzhöhlen und ihrem Inhalte. Ist ein solches vorhan-
den (wie es zuweilen beim weiblichen Geschlechte angebo-
ren vorkommt) oder tritt es ein, so kommt die Entleerung des
Herzens nur unvollkommen zu Stande, die Wände vermögen
dem Drucke ihres Inhaltes nicht zu widerstehen, und werden
zu Gunsten der Herzhöhle ausgedehnt, die selbst das Dop-
pelte, ja Dreifache ihres normalen Umfanges erreichen kann.
Alle schwächenden Potenzen, lange bestehende nie-
derdruckende Gemüthsaffecte, Ausschweifungen, Missbrauch
von schwächenden Arzneien, Jod- und Mercurialcuren, Ent-
kräftung nach Typhus, Bleichsucht, Herzkrämpfe und oft
wiederkehrendes nervöses Herzklopfen, so wieAnhäufung
des Blutes im Herzen und den grossen Gewissen y wie
sie durch heftige convulsivische Krankheiten bewirkt wird,
können hieher bezogen werden. Einen gewichtigen Einfluss
üben ferner alle mechanischen Hindernisse der Circula-
tion, welche auch als Ursachen der Herzhypertrophie ange-
geben wurden, und nach uns noch unbekannten Gesetzen,
bald die eine, bald die andere dieser Krankheiten ins Dasein
rufen , bald wieder zur Verbindung beider Anlass geben.
Nach Allem scheint es, dass plötzlich einwirkende mechanische
Ursachen der Erzeugung einer Dilatation günstiger sind, als
der Hypertrophie , die zu ihrer Heranbildung ohnediess län-
gere Zeit erheischt. Erweiterung der Vorhöfe verdankt ge-
wöhnlich einer Blutanhäufung in denselben in Folge von Feh-
lern der Klappen oder der Ostien ihre Entstehung.
Pericarditisches Exsudat erlahmt immer, be-
sonders aber, wenn seine Bestandtheile sich in Eiter oder
in Jauche verändert haben, die oberflächlichen Muskelschich-
ten des Herzens ? so dass diese dem Blutdrucke in ihren
403
Bohlen nur geringen Widerstand entgegenzusetzen vermö-
gen. Dieselbe Wirkung haben dichte Exsudatschwarten auf
die Oberfläche des Herzens und Verwachsung des letztern
mit dem Pericardium.
Dass Endocarditis und Entzündung des
Herz fle isch e s auf letzteres erlahmend einwirken, ist
aus den diesen Krankheiten gewidmeten Abschnitten hin-
länglich bekannt. Einlagerung von Fett in die Herzmuskel
bringt diese ebenfalls zum Schwinden.
Dass das rechte Herz häufiger der Dilatation unterliegt,
als das linke, liegt darin, dass jenes schon im Normalzu-
stände dünnere, weniger resistirende Wandungen besitzt,
und dass die meisten Herz- und Lungenkrankheiten Stasis
in dem kleinen Kreislaufe herbeiführen , an deren Bestehen
Blutanhäufung im rechten Herzen und Erweiterung dessel-
ben sich nothwendig ketten.
Wirkungen und Folgezustände der Herz-
dil ata tion.
Durch die Verdünnung des Muskelfleisches des Her-
zens wird auch seine Contractionsfähigkeit vermindert , das
Resultat davon ist ein schwächerer Herz- und Puls-
schlag. Dass mit der Abnahme der Energie des Kreislau-
fes auch die Wärmeentwicklung nur eine verringerte sein
könne, ist einleuchtend.
Das venöse Blut wird aus dem ausgedehnten rechten
Herzen mit verminderter Kraft durch die Lungenarterien dem
Lungenkreislaufe zugeführt , und bewegt sich daselbst zö-
gernd ; passive Lungenhyperämie, chronische Blen-
norrhoe , asthmatische Anfälle , passive Blutungen, Lun-
genödem , unvollkommene Oxydation des Blutes , das da-
durch eine mehr venöse Mischung erhält , sind nothwendige
Folgen der aufgeführten pathologischen Verhältnisse. Die
Erweiterung des venösen Herzens, das bei seiner Überfül-
lung das zurückkehrende Venenblut nur unvollkommen auf-
26 #
40*
nehmen kann , theilt sich den von Blut strotzenden Venen-
stämmen und ihren Zweigen im ganzen Körper mit, so dass
nicht allein die grossem und oberflächlichen derselben (Ju-
gularvenen, Varices der Füsse) geschwellt erscheinen, son-
dern eine durch dieEntwickelung der Blutadern in allen Pro-
vinzen des Körpers sichtbare Venosität und zeitweilige
oder dauernde Cyanose herbeigeführt wird.
Dass die Überfüllung der Blutleiter des Gehirnes auf
dasselbe nur schädlich einwirken und zu mancherlei Kopf-
krankheiten als Apoplexie , Durchfeuchtung etc. Anlass ge-
ben könne, bedarf wohl keines Beweises. Manche Störun-
gen der Circulation im Pfortadersystem und den Unterleibs-
eingeweiden und daraus entspringende Leberleiden , Hämor-
rhoidalaffectionen und Verdauungsstörungen etc. finden in
der durch die Herzerweiterung gesetzten Venosität ihre Er-
klärung. Durch die Überfüllung des Capillarsystemes und die
träge Blutbewegung werden seröse Exhalationen und h y-
dropische Anschwellungen begünstigt.
Der Tod kommt durch Herzlähmung, acutes Lungen-
ödem, Hirnapoplexie, seltener durch passive Lungenblu-
tung zu Stande.
Diagnose. Da die meisten Erscheinungen, womit die
in Rede stehende Krankheit verlauft, auch der Hypertrophie
des Herzens zukommen , so wollen wir sie hier nicht wie-
derholen. Dass der Puls schwach und gleichsam unterdrückt
zu fühlen ist, wurde schon dargethan ; gleichzeitig beste-
hende Klappenfehler können aber seine Qualität verändern.
Inspection. Die Jugularvenen sind häufig geschwellt,
besonders bei Dilatation des rechten Ventrikels und können
selbst pulsiren, wenn das Ostium venosum, bei der Aus-
dehnung des rechten Herzens durch die Klappen, nicht mehr
geschlossen werden kann , oder diese so verdünnt und ge-
dehnt sind, dass sie bei der Zusammenziehung des Herzens
sich wölben und gegen den rechten Vorhof hin aufgedrängt
405
werden, so dass in beiden Fällen die Herzsystole auf das in das
Atrium einströmende Blut eine rückgängige Bewegung ausübt.
Der Anschlag der Herzspitze ist kaum sichtbar und er-
scheint bei aufrechter Stellung des Kranken selbst tiefer ge-
gen die Herzgrube zu wahrzunehmen.
Palpation. Ist der Herzschlag zu fühlen, so ist er
jedenfalls schwach aber ziemlich verbreitet. Zuweilen wird
derselbe fast zitternd oder selbst, besonders nach vorüber-
gehender Aufregung, zeitweilig unfühlbar.
Percussion. Das Plessimeter gibt in einem gewöhn-
lich grossen Umfange gedämpften Schall beim Anklopfen mit
etwas Resistenz. Besteht zugleich Lungenemphysem der vor-
dem linken Seite , so gehen die Marken der Dämpfung des
Schalles verloren.
Auscultation. Man hört, wenn die Krankheit nicht
mit Klappenfehlern complicirt ist, nie ein Geräusch , sondern
beide Töne gleich kurz und klarer als im Normalzustande,
was besonders vom ersten Tone gilt, der im Normalzustande
dumpfer und länger gehört wird, als der zweite. Weitere
Verbreitung der Herztöne, welche Ho pe als bezeichnend
anführt, können wir nur als ein zufälliges, von Nebenum-
ständen abhängiges , keineswegs aber der Herzdilatation ei-
genthümliches Symptom gelten lassen.
Differenzen. 1. Hypertrophie des Herzens, die üb-
rigens häufig mit Dilatation vereint vorkommt , charakteri-
sirt sich durch den sichtbaren und fühlbaren Herzimpuls, der
die Brustwand und die aufgelegte Hand hebt, und den im
grösseren Umfange gedämpften Percussionsschall ; durch
das Stethoscop vernehmen wir von den beiden Herztönen
den ersten dumpf und gedehnt, während er bei der Dilatation
kurz und hell ist. Hydropische Erscheinungen entwickeln
sich erst spät bei Hypertrophie, der Puls ist kräftig, und
die Jugularvenen verhalten sich normal.
2. Lungenemphysem der linken Seite wird wohl
auch von Fehlen des Herzimpulses oder von dessen Gegen-
406
wart in der Herzgrube, Erscheinungen der Venosität und
zuweilen von Schwellung der Drosselvenen begleitet, allein
das Herz ist aus seiner Lage verdrängt , der Percussions-
schall in der Regio praecordialis hell und klar und selbst im
nicht seltenen Complicationsfalle mit excentrischer Hyper-
trophie des rechten Herzens in geringerem Umfange ge-
dämpft.
Für die Erweiterung der Vorhöfe haben wir
noch keine physicalischen Kennzeichen.
Hie organischen Klappeiikraiikheiten.
Unter denselben sind die meisten als Folgen einer En-
docarditis zu bezeichnen und kommen so wie diese am häu-
figsten im linken Herzabschnitte vor.
Hypertrophie und Verdickung einer oder der
andern Klappe entstehen zuweilen aus Reichthum an plasti-
scher Materie und lebendigerem Bildungstriebe oder sie sind
Folgen der Endocarditis , wenn nach deren Verlaufe das fa-
serstoffige Exsudat sich bis zu physiologischem Fasergewebe
organisirt. Gewöhnlich wirkt eine derartige Krankheit nicht
besonders schädlich auf das freie Spiel der Klappen ein.
Vergrösserung und Verdünnung der Klappen
scheint in Fällen von Erweiterung des betreffenden Ostium
das Heilbestreben der Natur zu bezeichnen, welche dadurch
einer Insufficienz der Klappen vorbeugt.
Von den Vegetation en ward schon in dem der En-
docarditis gewidmeten Abschnitte gehandelt.
Verwachsung der Klappenzipfel unter sich oder mit der
Herzwand, oder den Sehnenfäden , so dass die Täschchen
an ihrer Insertion verschwinden , kommt bei der grossen Lö-
thungsfähigkeit des Faserstoffes um so leichter zu Stande,
da die genannten Gebilde durch den entzündlichen Process
ihres Epithelium beraubt sind.
Dass die knorpelartige Verdickung hauptsäch-
lich den Insertionsring ?der Klappen betrifft , aber auch letz-
407
tere allein oder zugleich ihre Papillarsehnen ergreifen kann,
ist ebenfalls bekannt.
So wie die knorpelartige Verbildung, eben so betrifft die
sogenannte Verknöcherung' oder Verkalkung' sehr
häufig* den Insertionsring' der Klappen und setzt sich , wie
schon erwähnt wurde , selbst nach aussen ans Pericardium
fort. Hiedurch wird die Klappe zu ihrer Function untaug-
lich und steht starr gegen das betreffende Ostiura gerichtet.
An den Klappen der Aorta greift der Verknöcherungspro-
cess , der hier besonders gedeiht, nicht selten in letztere
über, ein Umstand, der an dieser Stelle mehreren Krank-
heiten zukommt.
Dass Atherome an den Klappen vorkommen, ist schon
erwähnt worden. Es versteht sich übrigens von selbst, dass
ein faserstoffiges Exsudat an einer und derselben Klappe alle
angeführten Entwickelungsstufen darbieten kann.
Die Bildung* von Abscessen, Geschwüren in den
Klappen , welche selbst letztere durchbohren können , und
die Entstehung von Klappenaneurysmen braucht hier
nicht wiederholt zu werden , ich verweise desshalb auf den
Artikel Endocarditis.
Durch den Druck, den callös gewordene 'Exsudate, Ver-
meidung derselben oder Atherombildung auf eine Klappe aus-
üben , erfolgt Schwund ihres Gewebes in allen Durch-
messern und zuweilen in dem Grade , dass nur noch am In-
sertionsringe Spuren derselben bemerkt werden.
Eine andere Art von Atrophie der Klappen ist aber der
Involutionsperiode eigen und zeigt sich in Verdünnung, ja
selbst Durchlöcherung der Valveln. Zu bemerken ist, dass
dieser Zustand häufig an den Aortenklappen vorkommt und
dann oft mit Erweiterung des linken Ventrikels und der Aor-
tenmündung einhergeht.
Eintheilung. Der Einfluss , den die Klappenfehler
zunächst auf die Circulation ausüben , ist zweifach , dem
zufolge werden sie auch in zwei Klassen eingetheilt: 1. Ia
408
die der Insufficienz oder regurgitircnden Klappenkrank-
heiten (Williams); 2. die der Verengerung oder Ste-
nose der Herzmündung.
Sitz der Klappen kr ankheite n.
Nach der Häufigkeit ihres Vorkommens können sie in
folgende Reihe gebracht werden: Krankheiten der Bicuspi-
dalklappe des linken Ostiurn venosum , der Aorten- und end-
lich der dreizipflijren Klappe.
1. Insufficienz der Klappen.
Begriff. Darunter wird ein Zustand verstanden, wo
das nicht Schliessen der Klappen dem Blute den Rückfluss
in den Ventrikel gestattet, der doch im Normalzustande ge-
hindert ist.
Aus Vorhergehendem erhellt, dass die Krankheitszu-
stände , welche eine Klappe schliessungsunfähig machen,
diese entweder selbst betreffen , oder in einer krankhaften
Veränderung der Papillarsehnen, Warzenmuskeln, der Herz-
wände oder mehrerer zugleich begründet sind , nämlich :
«) In den Klappen.
Schwund derselben durch Druck, Geschwürsbildung und
dadurch oder durch Atrophie bedingte Durchlöcherung, Zer-
reissung durch entzündliche Auflockerung und endlich Athe-
rombildung.
b) In den Papillarsehnen.
Verdickung und Verkürzung derselben durch Faserstoff-
exsudat, strangartige Verwachsung einiger Sehnenfäden,
Anlöthung derselben an die untere Fläche der Klappe , wo-
durch diese in ihrem Spiele gehindert wird , Zerreissung
der Sehnen.
c") In den Papillarmuskeln.
Verminderte Elasticität durch entzündliche Lockerung,
Verkürzung, Atrophie durch Druck, eitrige Zerfliessung
des abgelagerten Exsudates, fettige Entartung des Muskel-
409
fleisches , endlich Zerreissung desselben aus was immer für
Ursachen.
d) In den Herzwandungen.
Herzaneurysma , so wie Dilatation der Kammern , wenn
sie so beträchtlich ist, dass auch die Herzmündungen erwei-
tert und von den Klappen nicht mehr hinlänglich geschlossen
gehalten werden.
2. Die Stenose der Herzmündungen.
Begriffsbestimmung. Unter diesem Zustande ver-
steht man organische Krankheiten, welche die Herzmündun-
gen in dem Grade verengen , dass dadurch der Blutströ-
mung Hindernisse gesetzt werden (nach Williams obstru-
ctive Krankheiten) ; diese sind :
d) Verengung des Insertionsring'es der
Klappen durch Excrescenzen , Callositäten , Kalkconcre-
mente.
b) Rigidität der Klappenzipfel, so dass diese
von dem Blutstrome unbewegt, starr gegen die Herzmündung
geneigt bleiben.
c) Verwachsung der Klappenzipfel unter sich oder
mit der Herz- oder Gefässwand, im ersten Falle entsteht eine
trichterförmige Verengerung.
Verhältniss der Stenose zur Insufficienz.
Länger andauernde Stenosen haben häufig Klappenin-
sufficienzen in ihrem Gefolge, aber nicht umgekehrt , da die
krankhaften Processe, wodurch jene bedingt sind, endlich
Schwund der Klappen herbeiführen.
Von den einzelnen KlapnenkrankheHen ins*
besondere.
Schliesst die zweispitzige Klappe nicht
hinlänglich , so strömt ein Theil des im linken Ventrikel be-
findlichen Blutes , während dessen Systole , in den linken
Vorhof zurück. Dieser aber ist ohne diesen Zuschuss, schon
von dem durch die Lungenvenen einströmenden arteriellen
410
Blute erfüllt, und wird, nicht mehr im Stande der unverhält-
nissmässigen Blutmenge zu widerstehen , von derselben
ausgedehnt ; im Bestreben aber sie durch vermehrte Muskel-
contraction zu überwinden, hypertrophisch. Da aber das aus
dem Ventrikel zurückgeworfene Blut mit einer grösseren Kraft
dem Strome aus den Lungenschlagadern begegnet , als die-
ser zu bewältigen vermag, so wird derselbe nicht vollstän-
dig entleert und es entsteht Blutüberfüllung in den Capillar-
gefässen der Lunge. Diese wirkt aber ferner auf das in der
Lungenarterie enthaltene venöse Blut zurück , so dass Er-
weiterung letzterer entsteht, welche wieder Dilatation
und Hypertrophie des rechten Ventrikels in
ihrem Gefolge hat , indem sich dieser nicht seines Inhaltes
gehörig entleeren kann, ja noch mehr ! selbst der rechte Vor-
hof und die in denselben mündenden Venenstämme entgehen der
Blutüberfüllung nicht.
Die durch diess mechanische Hinderniss der Blutbahn
bewirkte Hyperämie der Lungen erzeugt wieder mannigfache
Leiden derselben, als: Häufige Dyspnoe, asthmatische An-
fälle, Catarrhe, Blennorrhöen, Bluthusten, Bronchialerweite-
rung einerseits, anderseits hingegen Verdickung der Schleim-
haut und dadurch bedingte Verengerung eines Bronchial-
astes mit consecutivem Lungenemphyseme und Ödem der
Lungen.
Die unvollkommene Aufnahme des ins rechte Herz strö-
menden venösen Blutes bedingt vorwaltende Venosität des
ganzen Körpers und dadurch Congestionen zum Gehirne, An-
schwellungen der Leber, der Milz , Goldaderbeschwerden,
varicöse Geschwüre , Ödem an den Füssen, alle Formen von
Hydrops, Bright's Nierengranulation und selbst in seltenen
Fällen eine Entmischung des Blutes, die sich der scorbuti-
sehen nähert.
Man hat aber auch nicht selten Fälle beobachtet, in
denen die venöse Blutcrasis den Kranken zum Heile diente,
denn sie ist es , welche viele Leiden , die in einer arteriel-
411
len Blutmischung wurzeln , aufhebt und ausschliesst, z. B.
die Tuberculose der Lungen, indem sie dafür eine andere
Krankheit setzt, der ihre Opfer nicht unbedingt oder wenig-
stens langsamer unterliegen.
Diagnose. Nur durch die physicalische Untersuchung
ist man im Stande , auf diese Klappenkrankheit, so wie auf
alle andern , einen sichern Schluss zu fällen.
Die consecutive Hypertrophie und Erweiterung des rech-
ten Herzens gibt sich durch verstärkten Herzstoss
und den eine grössere Ausdehnung nach der Breite des
Herzens einnehmenden P ercuss i o n s s ch all zu erken-
nen. Durch die Ausculfation hören wir mit der Systole
ein blasendes Geräusch, dessen grösste Intensität
der Gegend der Bicuspidalklappe zukommt , der zweite Ton
des Herzens kann vernehmbar oder undeutlich erscheinen.
Der zweite Ton der Lungenschlagader ist fast
immer verstärkt. Zugleich erscheint weicher, zusammen-
drückbarer Art eri e npuls , da wegen des Regurgitirens
des Blutes in dem linken Vorhof eine geringere Menge des-
selben in die Aorta getrieben wird.
Stenose des linken 0 siium veno s um.
In diesem Falle ergiesst sich das Blut aus dem Vorhofe
unvollkommen in die Kammer, reibt sich an der verengten
und meistens auch rauhen Eingangsstelle und hat den Ven-
trikel noch nicht erfüllt, wenn schon dessen Systole beginnt.
Das im Vorhofe zurückbleibende Blut verhält sich zu dem
neu einströmenden, so wie das bei der Insufficienz der zwei-
spitzigen Klappen in den Vorhof zurückgeworfene. Das me-
chanische Hinderniss ist in beiden Fällen dasselbe, Blut-
überfüllung im Vorhofe hier und dort, es ist daher einleuch-
tend, dass die weiteren Folgen der Stenose mit denen der
genannten Insufficienz übereinstimmen , nur treten sie bei
Verengerung schneller auf, und erreichen einen hohen Grad,
41»
wenn beide Zustände sich miteinander combiniren , was sehr
häufig' geschieht.
Hier sind wieder die Erscheinungen der consecutiven
Hypertrophie (mit und ohne Dilatation) des rechten Herzens
auffallend, nämlich verstärkter Herzimpuls, matter
Percussionsschall der Breite des Herzens nach, wie
bei der Insufficienz der Bicuspidalklappe, nur die Ausculta-
tion zeigt statt des zweiten Tones im linken Ven-
trikel ein gedehntes Rauschen; der zweite Ton
der Lungenschlagader ist häufig verstärkt. Die aufgelegte
Hand fühlt ein Schwirren, das nach längerer Dauer des
Leidens, wenn die Kraft des Herzens endlich erlahmt, ver-
schwindet. Der Puls der Arterien ist wie bei der Insufficienz
der Mitralklappen.
Häufig ist diese Krankheit mit letzterer complicirt , in
diesem Falle hört man während der Systole und Diastole
Geräusche.
Insufficienz der Aortenklappen.
Schliessen die halbmondförmigen Klappen nicht, so stürzt
bei jeder Erweiterung des linken Ventrikels ein Theil des durch
dessen Zusammenziehung der Aorta überantworteten Blutes
wieder in denselben zurück. Hiedurch entsteht Blutanhäu-
fung in der Herzkammer , die sich endlich erweitern muss,
durch verstärkte Muskelkraft sich des ihr aufgebürdeten
Inhaltes zu entleeren strebt, und dadurch dem Gesetze ver-
fällt , nach welchem jeder übermässig angestrengte Muskel
hypertrophisch wird.
Die Aorta entleert sich bei jeder Systole nach zwei Sei-
ten, nach der Blutbahn nämlich und nach der entgegenge-
setzten durch ihren insufficienten Klappenapparat, hiedurch
geschieht es , dass sie plötzlich zusammenfällt , um dann
schnell von der neu eindringenden Blutwelle wieder ausge-
dehnt zu werden. Hierauf beruht der diesem Klappenfehler
eigenthümliche Puls, von dem weiter unten die Rede sein
wird. Die Arterien der oberen Hälfte des Körpers werden
413
nach und nach verdickt und verlängert , so dass sie in mehr
Krümmungen verlaufen.
Die Blutmischung ist bei diesem Klappenfehler eine ar-
terielle und führt alle dieser entsprechenden Krankheiten in
ihrem Gefolge , als : Neigung zur Cerebralapoplexie , zu
Entzündungen etc. Erst wenn die consecutive Hypertrophie
des linken Ventrikels auch den rechten in die Sphäre der
Erkrankung* gezogen, was meistens sehr spät geschieht,
oder im Complicationsfalle mit einer organischen Krankheit
des linken Ostium venosum zeigen sich Blutüberfüllung der
Lungen, Ödem derselben oder hydropische Erscheinungen.
Der Tod erfolgt meistens durch acutes Lungenödem, Ge-
hirnapoplexie oder durch Herzlähmung.
Diagnose. Aus den vorhergehenden, pathologisch-ana-
tomischen Angaben erhellt, dass es derphysicalischen Untersu-
chung hier besonders obliegt , die Zeichen der consecutiven
Hypertrophie des linken Herzens (mit oder ohne dessen Erwei-
terung) und die dem Übel selbst eigenthümlichen Geräusche
aufzufinden. Es erscheint somit ein kräftigerHerzimpuls,
der die Brustwand erschüttert, der P er cus sionss ch all
nach dem L ängendurc hm e sser des Herzens in grös-
serer Ausdehnung gedämpft ; im linken Ventrikel hört man
gleich nach der Systole und mit dem zweiten Tone ein
Geräusch, dessen grösste Stärke in der Gegend der Aorten-
klappen ist , und das gegen die Herzspitze zu abnimmt, sich
aber durch die Aorta hin selbst bis in die Carotiden fort-
pflanzt. Der erste Ton der Aorta ist meistens auch unrein,
da sich gewöhnlich zugleich Rauhigkeiten in derselben vor-
finden. Der Puls der kleinen Arterien wird kurz , schnellend
und gleich wieder zusammensinkend gefühlt.
Stenose der Aortenmündung.
Diese bewirkt in Hinsicht auf den linken Ventrikel das-
selbe , was wir der Aortenklappeninsufficienz zur Last ge-
legt haben , nämlich BlutüberlüUung und consecutive Hyper-
414
trophie mit Dilatation desselben, die bald beträchtlich zu-
nimmt und sich endlich über das ganze Herz erstreckt ; nur
ist hier die verengerte Aortenmündung das Hinderniss, wel-
ches den Austritt des Blutes aus der Herzkammer hemmt,
indem derselben neues Blut zugeführt wird , während dort
dieses aus der nicht vollkommen abgeschlossenen Aorta re-
gurgitirt. Die Stenose erreicht an der Aortenmündung oft
einen sehr hohen Grad, um so mehr, wenn auch noch Kx-
crescenzen zur Verkleinerung des Canales , den der Blut-
strom passiren soll, das Ihrige beitragen. Zuweilen combi-
nirt sich dieser Zustand mit consecutiver Insufficienz der Se-
milunarklappen. Dass durch diese Stenose Blutarmuthin den
Arterien, Anämie des Gehirns etc. und ein kleiner Puls ent-
stehen, erhellt aus den angeführten pathologischen Ver-
hältnissen.
Diagnose. Da diese Krankheit in den nächsten Wir-
kungen mit denen der Bicuspidalinsufficienz übereinstimmt,
so zeigt sich auch in den physicalischen Zeichen beider ein
Einklang. Doch ist der Herzstoss hier nicht so bedeu-
tend (ausser es bestände zugleich Insufficienz der Semilu-
narklappen) ; häufig tritt fühlbares Schwirren hinzu und
man hört im linken Ventrikel ein Geräusch mit dem
ersten Tone, das sich in die Aorta verbreitet. Ist die
Stenose beträchtlich, so wird das Geräusch scharf, fast
pfeifend j im höchsten Grade aber derselben oder bei Erlah-
mung der Herzthätigkeit verschwindet es, da im ersteren
Falle der Blutstrom ein zu kleiner , somit auch seine Rei-
bung eine zu geringe ist, um ein auffallendes Geräusch zu
bewirken. Der zweite Ton erscheint so lange rein, als die
Klappen nicht schliessungsunfähig geworden sind.
Insufficienz der drei zipflige n Klappe.
Diese kommt im Allgemeinen ziemlich selten vor, da
der endocarditische Process fast nur den linken Ventrikel
befällt , und wird bisweilen in Verbindung mit Bicuspidal-
415
klappenin sufficienz beobachtet. Durch das Offenstehen des
rechten Ostium venosum gelangt während der Systole der
Kammer ein Theil des Blutes in den rechten Vorhof, erwei-
tert und hypertrophirt denselben nach den bekannten Gese-
tzen, so wie es die Stämme des ganzen Venensystems aus-
dehnt, die ihrer Structur nach demselben nur einen geringe-
ren Widerstand zu leisten im Stande sind; dadurch sehen
wir die Drosseladern geschwollen und wie sich derStossder
zurückgeworfenen Blutwelle selbst in diese fortpflanzt, wo
er als Venenpuls erscheint. Hiedurch entstehen vorwaltende
Venosität , passive Lungencongestionen , Cyanose und hy-
dropische Blutmischung.
Combination mit Stenose des linken Ostium venosum
schwächt die schädliche Einwirkung des eben abgehandelten
Klappenfehlers auf die Lungen.
Die Zunahme des rechten Vorhofes bewirkt einen nach
der Breite des Herzens bis über den rechten Rand des Brust-
beines reichenden , matten Perc us sio n sto n. Der erste
Ton ist im rechten Ventrikel durch ein Geräusch ersetzt, der
zweite meistens undeutlich. Ein charakteristisches Kenn-
zeichen gibt für diesen Herzfehler die Schwellung und Pul-
sati on derJugularvenen ab, welches mit der auffal-
lenden Entwickelung des Venensystems gleichen Schritt hält.
Stenose des rechten Ostium venosum ward
einmal im Vereine mit Insufficienz und Stenose der Bicuspi-
dalklappe von Zehetmayer beobachtet.
Die Klappen der P ulm onalar ter ie erkranken äus-
serst selten, und haben Dilatation und Hypertrophie des rech-
ten Ventrikels in ihrem Gefolge. Ihre physicalischen Sym-
ptome wurden noch nicht mit hinreichender Bestimmtheit
erkannt.
Rauhigkeiten am Endocardium bewirken auch Ge-
räusche; sind dabei die Klappen normal beschaffen, so hört
man am Ende derselben die Herztöne deutlich. Nach Ha-
mernjk bewirkt anch der anomale Verlauf schwin-
416
gungsfähiger Sehnenfäden während der Systole Geräusche ,
da die Blutströmung während der Diastole nicht hinreichend
kräftig* ist, solche hervorzurufen. Welcher von beiden Zu-
ständen aber Statt finde, zu entscheiden, ist erst der Zukunft
vorbehalten.
Durch die physicalische Untersuchung werden wir somit
von dem Vorhandensein einer Insufficienz oder einer Stenose
mit grosser Wahrscheinlichkeit in Kenntniss gesetzt ; wel-
cher Art aber die zu Grunde liegenden Krankheitsprocesse
seien, ob das Entzündungsproduct als callöse Masse, als
kalkartige Ablagerung oder als Atherom etc. störend ein-
wirke, zu erkennen, liegt ausser dem Bereiche der Au-
scultation.
Die Cyanose.
Begriff. Diese Krankheit, welche so wenig als selbst-
ständiges Leiden zu betrachten ist, als z. B. Icterus, son-
dern nur als ein Symptom verschiedener Circulationskrank-
heiten angesehen werden soll, äussert sich durch blaue Fär-
bung der Haut , besonders an ihren sonst rötheren Theilen.
Ursachen. Alle Krankheiten, welche eine venöse Cra-
sis und capilläre Blutüberfüllung in ihrem Gefolge haben,
sind als Ursachen der Cyanose zu bezeichnen; und so wie
diese entweder permanent oder vorübergehend einwirken, er-
scheint auch die Blausucht bleibend oder wandelbar. Zuwei-
len tritt die Krankheit erst spät nach der Geburt auf, vielleicht
erst dann, wenn das Missverhältniss eines Gefässtammes
zu dem Herzen oder zur ganzen Blutmasse sich hinreichend
entwickelt hat.
Man ist gewohnt , das Offenbleiben des Foramen ovale
oder des Ductus Botalli (die sich gewöhnlich bis zur dritten
Woche nach der Geburt schon geschlossen haben) , so wie
das Fehlen der Vorhofsscheidewand und die dadurch veran-
lasste Beimischung von venösem Blute unter das arterielle ,
als Ursache der Cyanose zu betrachten , allein mit Unrecht ;
denn so lange die grossen Gefässe und die Herzmündungen
417
im normalen, räumlichen Verhältnisse stehen, kommt die ge-
nannte Blutmischung* gar nicht zustande und es liegen häu-
fige Beispiele obiger Bildungsfehler vor, ohne dass im Leben
irgend ein krankhaftes Symptom auf das Bestehen eines der-
selben hingewiesen hatte.
Fin Anderes ist es , wenn bei offenem ovalen Loche das
Verhältniss der Gefässstämme zum Herzen oder zur Blutbahn
ein abnormes ist, z. B. in den Fällen, in welchen zugleich
entweder die Aorta oder die Lungenarterie verengt ist. In
jedem dieser beiden Fälle kann sich der Ventrikel nicht seines
Inhaltes vollkommen entleeren und hemmt dadurch auch den
Übertritt des Blutinhaltes des Atrium in die Kammer. Auf diese
Weise wird dann derÜberschuss des Blutes durch das offene
eirunde Loch aus einem Vorhofe in den andern getrieben und
eine Vermischung beider Blutströme herbeigeführt. — -
Dasselbe geschieht auch, wenn eine angeborne Stenose des
Ostium venosum oder seiner Klappen Blutanhäufung* im Vor-
hofe bewirkt.
Strömt durch den offenen Ductus Botalli , der die Ar~
teria pulmonalis mit der Aorta verbindet , venöses Blut aus
der Lungenarterie in die Aorta, so empfängt der rechte Vor-
hof aus den Hohlvenen eine grössere Blutmenge , als dem
linken Atrium zuströmt und übergibt dem letzteren seinen
Überschuss durch das offene eirunde Loch. — Findet der ent-
gegengesetzte Fall Statt, nämlich dass die Lungenarterie
durch den erweiterten Botallischen Gang arterielles Blut
aus der Aorta empfängt , so wirkt die Blutüberfüllung der
Lungenarterie auf das rechte Herz zurück, und bedingt
gleichfalls das Überströmen des Blutes aus dem strotzenden
rechten Vorhofe in den linken, und somit Cyanose.
Mangel der Scheidewand der Vorhöfe bewirkt an und
für sich noch keine Blausucht , wohl aber bei bedeutender
Verengerung* oder Verschliessung der Lungenarterien, so
dass die Aorta zugleich aus beiden Ventrikeln entspringt,
und sowohl die grosse als kleine Blutbahn versehen muss;
Gaal Diagnostik. 27
418
untüchtig* zur Erfüllung- dieser doppelten Function , hindert
sie das Einmünden des aus der Peripherie des Körpers zu-
rückkehrenden Blutes in das rechte Herz, bewirkt auf diese
Weise Überfüllung des ganzen capillaren Systemes, und
hiedurch Cyanose«
Wichtig ist es, dass nach Breschet's Beobachtung
die Arieria subclavia der linken Seite aus der Arteria pul-
monaüs entspringen , mithin offenbar venöses Blut führen
kann, ohne dass die entsprechende Extremität eine veränderte
Färbung gezeigt, die nur dann entsteht, wenn bei einem
Aneurysma caricnsum durch das Einströmen des arteriösen
Blutes in eine Vene, die Rückkehr des venösen Blutes ver-
zögert wird; eine Erscheinung, die man an jeder Extremi-
tät nach Belieben nachahmen kann, wenn man durch Ligatur
und Compression derselben die Entleerung des Venenblutes
verhindert {jL e he tm ay er #).
Zur Entstehung der cyanotischen Färbung tragen übri*
gens alle organischen Herzkrankheiten bei, welche die Lun-
gencapillarbahn überfüllen und excentrische Hypertrophie des
rechten Herzens und dadurch Blutanhäufung in dem Venen-
system bedingen. Denselben causalen Einfluss üben auch
viele entweder selbstständige oder durch Herzfehler ins Da-
sein gerufene Lungenkrankheiten aus, als: Chronischer
Bronchialcatarrh und Bronchiectasie, Stasis, Ödem und ve-
siculäres Emphysem der Lungen, umfängliche Unwegsamkeit
derselben durch Hepatisation, tuberculöse Infiltration oder
Compression von Seite eines pleuritischen Ergusses etc.
Die venöse Blutmischung gewährt wohl Sicherheit vof
Tuberculöse oder wenigstens vor ihrer weiteren Entwicke-
lung und grossen Faserstoffexsudationen ? nicht aber vor
Entzündungen mit albuminösen Exsudaten und geht gerne
in die hydropische, bisweilen scorbutische Crasis über.
*) 1. c. p* 340.
419
Diagnose. Die subjectiven Erscheinungen, als Asth-
ma, Herzklopfen etc. sind je nach den zu Grunde liegen-
den pathologischen Verhältnissen verschieden. Unter den ob-
jectiven Symptomen ist es die livide Färbung der Haut,
welche unsere Aufmerksamkeit erregt und welche besonders
dort, wo sie sonst durch Capillarnetze röther gefärbt ist, am
deutlichsten ausgeprägt erscheint, als an den Wangen,
Lippen, Nägeln. Zugleich ist die thierische Wärme bedeu-
dend gesunken , besonders an den Extremitäten.
Physicalische Diagnose. Dieselbe hat die Auf-
gabe, die zu Grunde liegende organische Herzkrankheit^
Verengerung der Mündungen, Klappenfehler u. s. w. oder
das mit der Cyanose verbundene Lungenleiden zu enträtfch-
sein. Verengerungen der Lungenarterie oder der Aorta,
Offenbleiben des ovalen Loches oder des Botallischen Gan-
ges an und für sich , dürften der physicalischen Diagnose
sich wohl entziehen.
Das nervöse Herzklopfen.
Excessive Herzthätigkeit äussert sich durch vermehrten
Impuls, wie er bei fast allen organischen Herzkrankheiten
und jenen, welche die Circulation in der Lungencapillarbahn
hindern, als Pneumonie, pleuritischem Exsudate, Tuberculose
beobachtet wird. Auch Erethismus und Schwäche , seien sie
durch Blutverluste , erschöpfende Krankheiten oder durch
Ausschweifungen bedingt , vermögen den Cardiopalmus her-
vorzurufen.
Es ist aber nicht selten der Fall, dass diess lästige
Symptom , ohne irgend eine nachweisbare materielle Verän^
derung im Herzen, und ohne mit einem der genannten Zu-
stände in nahem Zusammenhange zu stehen, erscheint, und
zwar wie es bei jungen, reizbaren Individuen, im Wurm^
leiden, bei Hysterischen und Hypochondristen anzunehmen
ist , aus antagonistischer oder sympathischer Reizung der
Herznerven zu Stande kommt. Dass durch die oft gewaltsam
27 #
420
men Athmungsbcschwerden , die das nervöse Herzklopfen
begleiten, endlich selbst excentrische Herzhypertrophie her-
beigeführt werden könne, ist erwiesen.
Diagnose. Das Herzklopfen erscheint nach Interval-
len von unbestimmter Dauer, anfallsweise und ist kurz,
schnell, zuweilen so heftig, dass es von aussen durch die Klei-
der gesehen werden kann, und sich dem Gefühle der Kran-
ken nach in die Carotiden verbreitet. Es wird durch Liegen
auf der linken Seite und durch alle Reize vorübergehend
vermehrt, ist meist mit Dispnöe und Neigung zur Ohnmacht
verbunden, und lässt nach dem Anfalle das Gefühl von Ab-
gespanntsein zurück. Der Urin ist meistens, der bisweilen
scheinbar auttretenden Fieberbewegungen ungeachtet, blass
und spastisch. Massige Bewegung kürzt nicht selten den
Anfall ab. Nicht zu übersehen ist hierbei das Vorhandensein
von nervösen Erscheinungen in andern Organen.
Physicalische Symptome. Nur durch diese ist
man im Stande zu unterscheiden , ob dem Herzklopfen ein
organisches Leiden zu Grunde liegt oder nicht. Die Per-
cussion vermag da bessern Aufschluss zu geben, als In-
spection und Palpation, wenn nicht der Fall von Com-
plication mit Lungenemphysem eintritt, wobei die linke auf-
getriebene Lunge dieGränze des Herzens verbirgt, oder ein
pleuritischer Erguss vorhanden ist, welcher das Herzaus
seinem gewöhnlichen Orte verdrängt. Oftmalige Untersuchung
und genaue Würdigung aller begleitenden Umstände geben
in solchen Fällen der Diagnose eine festere Begründung.
Die Auscultation vernimmt über dem Herzen
schwach blasende Geräusche , die aber nach Beendigung des
Anfalles den reinen Herztönen Platz machen. Das Wech-
seln dieser Aftergeräusche , die häufige Verbreitung dersel-
ben in grössere Arterienstämme , wo sie sich bisweilen zum
Kreiselgeräusche gestalten und mit Schwirren verbinden,
sind Umstände, deren sorgsame Beachtung selbst in compli-
cirteren Fällen jeden Zweifel zu lösen vermag.
4Äi
Die Zerreissung des Herzens.
In Folge äusserer Gewalt oder spontan, ohne dieselbe
kann die Muskelsubstanz desHersens zerreissen. Diese Tren-
nung des Zusammenhanges durchdringt entweder die ganze
Muskelsubstanz bis in den Ventrikel, oder sie stellt sich nur
als oberflächlicher Spalt dar , oder betrifft ein Muskelbündel,
eine Sehne oder eine Klappe. Am häufigsten ist der linke
Ventrikel, und zwar dessen vordere Seite, Sitz der Ruptur,
die meist nur an einer Stelle vorkommt , doch können auch
mehrere Risse neben einander bestehen.
Ursachen. Als disponirend wird hohes Alter angese-
hen, Hypertrophie des Herzens, besonders jene Art dersel-
ben , wo die Muskel durch eingelagertes Fett ihrer Elasti-
cität beraubt sind; Lockerung und leichtere Zerreissbarkeit
des Fleisches durch vorausgegangene Endocarditis , Ge-
schwüre und Abscesse sind besonders die krankhaften Vor-
gänge, welche die Ruptur des Herzens herbeiführen, und
weil diese häufiger am linken Herzen vorkommen, ist es auch
erklärlich , dass das rechte Herz seltener Sitz des Leidens
wird. Verdünnung und Erweiterung geben weniger zur Rup-
tur Veranlassung, als man glauben sollte.
Anatom, patholog. Charaktere.
Der Riss ist entweder ein Spalt von verschiedener Län-
ge, durchdringend oder nicht, oder ein einfacher Gang, oder
stellt eine unregelraässige Zerklüftung des Gewebes dar,
besonders wenn die Ruptur die innere Schichte betrifft. In
den Zwischenräumen findet man häufig geronnenes Blut als
Zeichen von sogenannter Herzapoplexie.
Ausgänge. Nur durchdringenden Rissen folgt unaus-
bleiblich der Tod ; doch kann dieser einige Tage verzögert
werden, wie es seltene Fälle darthun, in welchen Fa-
serstoffgerinsel den Canal eines schief verlaufenden Risses
verstopften , oder das verletzende Werkzeug in der Wunde
stecken blieb. Der Tod erfolgt nicht durch Verblutung, son-
423
dem durch Anämie des Gehirnes , da aus dem linken Ven-
trikel die Blutzufuhr zu jenem unterbrochen wird.
Diagnose. Die Erscheinungen sind sehr verschieden,
nach der Art der veranlassenden Ursache und des Auftretens
der Ruptur.
Durchdringender Berstung soll in einigen Fällen heftig
reissender Schmerz in beiden Schultern vorangegangen sein;
der Moment der Ruptur selbst ist aber von einem heftigen
Wehe in der Herzgegend bezeichnet, worauf der Kranke
ohnmächtig zusammen stürzt und in kurzer Frist stirbt.
Dass dabei der Puls klein und die Extremitäten kalt
sind, versteht sich wohl von selbst; ferneren physicalischen
Symptomen aber nachzuforschen , so folgerecht man diesel-
ben a priori annehmen kann , dürfte wohl kaum Zeit übrig
bleiben. Vielleicht dass mit Schwinden des Herzschlages und
der Töne, so dass sich diese der aufgelegten Hand und dem
lauschenden Ohre entziehen, gedämpfter Percussionsschall
in ausgebreiteterem Umfange wahrzunehmen wäre, wenn die
Schnelligkeit des Verlaufes eine Untersuchung erlaubte.
Ist der Riss klein , und betrifft er zum Klappenapparate
gehörige Theile, so entstehen meist Klappenkrankheiten,
deren Diagnose in diesen Blättern ein eigener Abschnitt ge-
widmet ist.
Die Fettsucht des Herzens.
Von dieser Krankheit sind bis jetzt drei Formen beob-
achtet worden , jederzeit war es aber das höhere Alter und
das weibliche Geschlecht, bei welchem dieselbe häufiger vor-
kam. Die beiden ersteren Formen betreffen meistens den
rechten Ventrikel und ziehen erst später den linken in den
Kreis der Erkrankung.
Gewöhnlich ist die Fettsucht des Herzens mit der allge-
meinen in Verbindung , zuweilen combinirt sie sich mit dem
Atheromprocesse an der Aorta und mit Verknöcherung der
Kranzarterien, oder mit der fettigen Entartung der Leber.
423
Anatom. Charaktere. In der ersten Form bemerkt
man starke, lappige Fettablagerungen über dem Herzen, be-
sonders über dessen venösem Abschnitte; das Muskelfleisch
darunter ist welk, blass und dünn, und die Wände erschei-
nen schlaff.
In einer andern Form bemerkt man, dass die Fettkugeln
zwischen die Muskelsubstanz des Herzens selbst sich einla-
gern, welche dadurch atrophisch wird und bedeutend schwin-
det. Man findet sie mürbe, schlaff und blass, und das ent-
haltene Fett lässt sich zwischen Papier ausdrücken. Diese
Fetteinlagerung beginnt von der Herzspitze und schreitet ge-
wöhnlich über den rechten Ventrikel fort, den sie durch
Druck atrophirt und sehr verdünnt , so dass dadurch ein ge-
ringerer Grad von Erweiterung mit Leichtigkeit entsteht. Zu-
weilen combinirt sie sich mit dem Atheromprocesse in den
Arterien.
Eine dritte, erst von Rokitansky entdeckte Form
der Fettdegeneration des Herzens wird an demselben bei ex-
centrischer Hypertrophie beobachtet, meistens in Folge vor-
ausgegangener Entzündung. Gewöhnlich ist diese Entartung
nur bei einzelnen Stellen von geringerer Ausdehnung be-
schränkt und durchdringt auch nicht die ganze Muskelwand;
nur selten fand man die ganze innere Muskellage erkrankt.
Das Herzfleisch ist dabei stellenweise fahl, gelb, oder
gelbbraun gefärbt und so mürbe , dass es leicht durch den
Finger zerdrückt werden kann Betrifft die in Rede stehende
Entartung die Papillarmuskel , so geht ihre Spannung ver-
loren und es entsteht Klappeninsufficienz mit ihren weiteren
Folgen. Die eben beschriebene Art der Fettsucht des Herzens
kommt meistens am linken Ventrikel vor.
Diagnose. Die Fettsucht des Herzens lässt sich in
physicalischer Hinsicht von der einfachen Erweiterung nicht
unterscheiden. Wir können sie wohl vermuthen, wenn die
Zeichen der letztern in einem, an allgemeiner Fettsucht lei-
denden, alten Individuum vorkommen. Sollte sich Klappenin-
424
sufficienz bilden , so wird diese durch keine andern Sympto-
me erkannt, als jede auf anderem Wege zu Stande ge-
kommene.
Aortitis»
Nur in seltenen Fällen finden wir die Aorta als Sitz eines
entzündlichen Leidens, und auch dann ist es nicht immer
möglich, die Erscheinungen der Entzündung und aller Ver-
änderungen , denen das durch dieselbe abgesetzte Exsudat
unterliegt, am Secirtische nachzuweisen; das Vorkommen
der Aortitis wird daher noch von Manchen geläugnct; man
braucht aber nur die analoge Structur des Endocardiums und
der Aorta zu betrachten , um nicht allein über das Vorkom-
men der in Rede stehenden Krankheit ausser Zweifel zu sein,
sondern selbst auf die Art und Wesenheit der entzündlichen
Vorgänge in beiden Organen zu schliessen.
Als Sitz der Entzündung müssen wir die Zellschichte
der Aorta bezeichnen ; das von ihr gelieferte Product ist aber
im Stande alle sechs Häute der Schlagader zu durchdringen
und selbst auf der innern freien Wand zu erscheinen. Dass
der eben ausgesprochene Satz nicht das Ergebniss einer
willkührlich angenommenen Hypothese , sondern durch die
Structur der Aorta selbst bedingt ist, wird wohl jedem, der
mit dem Baue und den physiologischen Functionen letzterer
vertraut ist, einleuchten. So wie die Ernährung des Endo-
cardiums durch die der Zellschicht desselben innewohnenden
Gefässe und das von denselben gelieferte Plasma zu Stande
kommt, und bei deren Erkrankung verhindert wird, trotz dem
immerwährenden Contacte mit dem in den Kammern enthal-
tenen Blute, so gilt derselbe Vorgang von der Aorta, die
schon durch einen analogen Bau mit dem Endocardium zu
denselben krankhaften Processen , denen dieses unterworfen
ist, disponirt erscheint. Mehr noch als im Endocardium
scheint aber der Durchgang sowohl der Ernährungsflüssig-
keit, als im Erkrankungsfalle des Entzündungsproductes ,
425
durch den lockern Zusammenhang der einzelnen Gefäss-
schichten der Aorta begünstigt zu werden. Dem Zweifel,
den vielleicht noch Einige an dem Bestehen einer Aortitis he-
gen, begegnen wir durch die positive Nachweisung desEnt-
zündungsproductes und seiner Entwickelungsstufen in den
verschiedenen Stratis der Häute, wie sie das Microscop dar-
thut , und durch die Analogie; denn wenn die Aorta auch
um einige Schichten mehr zählt, als die kleineren Arterien,
so hört sie nicht auf, mit denselben gleiche Structur und
gleiche physiologische Verhältnisse zu theilen , und es wäre
kaum denkbar, dass sie von den Krankheiten, die an Arte-
rien im Allgemeinen vorkommen, frei sei.
Man hat angenommen, dass die Entzündungsproducte,
die man bisher auf der innern Gefässwand gefunden ,
aus dem Blutstrome abgelagerter Faserstoff seien, der erst
durch sein Aufliegen auf derselben eine entzündliche Reac-
tion in der Zellschicht hervorrufe. Allein würde man diese
Annahme gelten lassen , wie wäre eine Organisation der ab-
gelagerten Fasermasse denkbar, ohne Verlust des Epithelium
der Membrana inlima , und ohne dass die nächste Schicht
sich vascularisirt hätte? Kaum würde auch die Macht des
Blutstromes in der Aorta ein abgelagertes Product auf der
innern glatten Gefässhaut haften lassen, noch ist es denkbar,
dass dasselbe von dem Blutstrome genährt werde, um so
weniger, weil die Nutrition an keinem Orte des Organismus
auf diese Weise geschieht. Wir müssen also zu der Meinung
uns hinneigen, dass wie die Ernährung der Gefässhäute
durch Tränkung derselben mittelst des von der Zellhaut ge-
lieferten Plasmas zu Stande kommt , auch die von dieser ab-
gesetzten Entzündungsproducte denselben Weg nehmen , da
auch im ganzen Organismus kein dieser Ansicht widerstre-
bender Vorgang zu treffen ist. Als Sitz der Aortitis ist somit
die Zellschicht nachgewiesen. Häufiger befällt übrigens diese
Krankheit die aufsteigende Aorta als die descendem oder die
abdominalis.
426
Anatomis ch - p athologische Charaktere.
Der entzündliche Process kommt bei seinem Auftreten
kaum vor die Augen des Beobachters, es ist daher auch sel-
ten eine wirkliche, durch ästige Streifung* charakterisirte
Entzündungsröthe wahrzunehmen, ausser man würde fälsch-
lich die Imbibitionsfärbung dafür halten. Hat sich das Exsudat
gebildet, so tritt eine gelbliche Tingirung auf, die Häute wer-
den von einer serös-faserstoffigen Flüssigkeit durchdrungen,
g*elockert, brüchig, gewulstet und von einandertrennbar. Die
innere Membran wird getrübt, matt und ihres Epitheliums ledig,
oft noch mit zarten leichten Flocken Exsudates bedeckt. Dass
das durch Aortitis gelieferte Exsudat denselben Bildungsgese-
tzen unterliegt, die demselben an andern Organen zukommen,
ist nicht befremdend, und wir finden demnach, dass dasselbe
sich durch Serum lösen und zertheilen , so wie weiter zu
Eiterzellen, selbst zur Faser entwickeln könne, wodurch
Hypertrophie des nächsten Gewebes bedingt wird. Verknor-
pelung , Atherome und Bildung von Sehnenflecken wurden
auch als Folgen der Aortitis beobachtet.
Eben so finden sich Abscesse und Geschwüre , welche
die Arterie durchbohren und zu Blutungen Anlass geben.
Kurz alle schon in dem der Endocarditis gewidmeten Abschnitte
hinlänglich gewürdigten Metamorphosen des faserstoffigen
Exsudates, sind hierher zu beziehen und wurden, um Wie-
derholung zu vermeiden, nur namentlich aufgeführt. Aus
dieser Betrachtung erhellt, dass die meisten organischen
Krankheiten des Gefässrohres , die man bisher als Hete-
rotrophien betrachtete , eigentlich nur Folgezustände der
Entzündung sind. Einige derselben sind aber durch die be-
sondere Structur der Aorta von besonderer Beziehung zu
deren Function , und verdienen daher näher besprochen zu
werden.
Durch die Lockerung der Gefässhäute und deren grös-
sere Brüchigkeit, durch Atherombildung und Verkalkung
und dadurch bewirkte Atrophie derselben geschieht es leicht,
427
dass bei gewaltsamer Herzthätigkeit eine oder die andere der
Schichten zerreisst, und es zur Bildung eines Aneurysma
kommt; zuweilen betrifft aber der Riss sämmtliche Häute,
besonders bei Complication mit Endo-Pericarditis. Meistens
geschieht diess an der vorderen Wand der aufsteigenden
Aorta und bedingt fast augenblicklichen Tod.
Wird durch den entzündlichen Process die Zellhaut ge-
lähmt, so geht die Elasticität des ganzen Gefässrohres an
der betreifenden Stelle verloren , und dieses wird durch die
andringenden Blutwellen mit Leichtigkeit ausgedehnt. Die
Erweiterung der Aorta aber, die entweder als gleich-
förmige, diffuse oder als umschriebene locale erscheint, ver-
mindert auch die Contractions- und Propulsivkraft derselben,
dadurch häuft sich das Blut und wirkt auf das neu einströ-
mende zurück, so dass es hiedurch zur Dilatation des linken
Ventrikels kommen kann. Der Verlauf der in Rede stehenden
Krankheit ist acut oder chronisch.
Diagnose. Dieselbe ist sehr schwierig, denn das be-
gleitende entzündliche Fieber, die Oppression unter dem
Brustblatte und das Klopfen der Aorta können eben so auf
Endocarditis bezogen werden als auf Aortitis, und selbst nur
auf erstere, wenn beide Krankheiten vereint auftreten, was
wohl am häufigsten geschieht. Erst wenn es schon zur Er-
weiterung des Gefässrohres oder zur Bildung von Concre-
menten auf der innern Membran gekommen ist, gewährt die
physicalische Untersuchung einige Anhaltspuncte für die
Diagnose.
Percussion. Berührt nämlich das erweiterte Gefäss-
rohr die Brustwand , so fühlt man dort vermehrte Pulsation,
und findet den Percussionsschall gedämpft, mit vermehrtem
Widerstände gegen den percutirenden Finger.
Auscultation. Durch dieselbe vernehmen wir an der
Stelle der beträchtlichsten Rauhigkeiten ein den ersten Ton
begleitendes Geräusch, der zweite ist schwach, dadieCon-
tractionskraft der Aorta vermindert ist, im linken Ventrikel
428
sind aber beide Töne rein und deutlich. Besteht zugleich
Klapp eninsufficienz in der Aorta, so hört man über derselben
ein rauhes Geräusch , das beide Töne verschlingt.
Obliteration der Aorta.
Diese sehr selten vorkommende Krankheit ist Folge ei-
nes Bildungsfehlers und im Leben nicht zu erkennen.
Erweiterung der Aorta.
Diese betrifft, wie schon erwähnt, das Gefässrohr ent-
weder als gleichförmige die Cylindergestalt desselben
nicht verändernde Vergrösserung seiner Durchmesser, oder
als locale, um s chrie be n e Erweiterung, welche taschen-
artige Ausbuchtungen darstellt. Die Arterienhäute sind dabei
entweder gänzlich unversehrt, oder im Zustande chronischer
Entzündung , deren Folgen selbst zur Bildung eines Aneu-
rysma führen könnten , wie diess so oft an dem vom Peri-
cardialblatte überkleideten Theile der Aorta wahrgenommen
wird, indem die nicht seltene Pericarditis sich gerne auch
auf diese Arterie fortpflanzt.
Dass die Erweiterung dort , wo die Ader dem stärksten
Blutstrome ausgesetzt ist, am häufigsten vorkommt, ist wohl
einleuchtend; wir finden sie daher öfter am aufsteigenden
Theile und Bogen, als am absteigenden oder am Bauchstücke
der Aorta.
Diagnose. Die Erkennung ist sehr schwierig , wenn
die Gefässhäute nicht erkrankt sind , unmöglich , und man
wird selbst in dem Falle, dass die Erweiterung so gross ist,
dass die Aorta unmittelbar an der Brustwand anliegt, nur durch
genaue Erwägung aller Nebenumstände vielleicht im {Stande
sein, diese Krankheit von dem weiter zu beschreibenden
Aneurysma der Aorta zu unterscheiden. Die physicalischen
Zeichen sind für beide Krankheiten dieselben, und sollen im
nächsten Abschnitte näher gewürdiget werden.
429
Das Aneurysma der Aorta.
Dieses sind wir geneigt kaum anders, denn als Folge
einer durch vorausgegangene Aortitis eingeleiteten Erkran-
kung der Gefässhäute anzusehen , indem alle andern Ursa-
chen, die von den Autoren angeführt werden, kaum oder
höchst selten nachgewiesen werden können , als Bersten ei-
ner Gefässhaut und Ausdehnung der übrigen Schichten an
derselben Stelle , veranlasst durch heftiges Schreien, Heben
schwerer Lasten etc. , Bestehen einer eigenen aneurysmati-
schen Dyscrasie oder einer krebsigen oder syphilitischen Ent-
artung der Arterien u. s. w.
Eintheilung. Nach seiner Verbreitung auf einen
grössern oder kleinern Raum ist das Aneurysma ein diffu-
sum und ein circumscriptum.
Ersteres hat wieder entweder eine gleichförmige cylin-
drische Form (Aneurysma cylindricuni) , oder es stellt das
spindelartige Aneurysma (fusiforme) dar, wenn dasselbe an
beiden Enden gleichsam wie verwaschen in das gesunde Ge-
fässrohr übergeht.
Das umschriebene Aneurysma ist meist halbkugel-
oder sackförmig. Bisweilen findet man auf diesen oft nicht
unbeträchtlichen Vortreibungen wieder mehrere kleinere Aus-
buchtungen aufsitzend. Nicht selten entspricht bei genauer
Begränzung der Erkrankung der leidenden Stelle im gesun-
den Gefässrohre ein Loch, wodurch das oft sehr ausgedehnte
Aneurysma aus der Aorta seinen Inhalt empfängt. In diesem
Falle haben wir ein mit einem Halse aufsitzendes
Aneurysma vor uns. Alle übrigen Eintheilungen der Au-
toren sind theils überflüssig , theils gehören sie nicht hieher.
Anatomiseh-puthologische Charaktere.
In der Höhle des Aneurysmas finden wir Blut- und Fa-
serstoftgerinnungen , die, besonders gegen die Wände zu,
an Dichte zunehmen und dort gleichsam ein weisses , ver-
filztes Gewebe darstellen. Die Häute selbst finden wir vom
430
Exsudate infiltrirt , der Elasticität beraubt, hie und da zer-
rissen, wenn derProcess noch neu ist; die innern Schichten
trübe und geschwellt , die Zellhaut gewulstet ; besteht er
aber schon lange genug*, so sind die innern Strata weiss, mit
Atheromen und Kalkablagerungen versehen , die Ringfaser-
haut rissig, die übrigen Membranen verdichtet und callös.
Hat besonders das Aneurysma schon einen grössern Umfang
erreicht , so werden die sämmtlichen Gewebsschichten ver-
dünnt und gezerrt, sie zerreissen, da sie ihre Elasticität ver-
loren haben , und es bleibt von denselben oft kaum mehr zur
Erhaltung des Sackes übrig, als die Zellhaut und ergossene
Faserstoffmassen.
Zu bemerken ist übrigens, dass die Gefässäste, welche
die aneurysmatische Aorta abgibt, gewöhnlich verengt ge-
funden werden.
Sitz und Vorkommen.
Das Aneurysma wird beim männlichen Geschlechte häu-
figer als beim weiblichen beobachtet und meistens nur in In-
dividuen zwischen 30 — 60 Jahren gefunden. Das Aneurysma
kann an allen Stellen der Aorta vorkommen, gedeiht aber be-
sonders an der convexen und Vorderseite des aufsteigenden
Theiles und des Bogens derselben zu beträchtlicher Grösse;
daselbst kann es nach vorne an der rechten Seite des Brust-
beines von der ersten bis zur sechsten Rippe sich erstrecken.
Entsteht es dort an der concaven Seite der Pars adscendens,
so erstreckt es sich von dem Stamm der Lungenarterie selbst
bis zum linken Atrium. Entwickelt es sich von der Hinter-
seite des Aortabogens , so legt es sich meistens an die Tra-
chea und die Bronchialstämme an.
Verlauf und Ausgang.
Die Aneurysmen pflegen durch den Druck, den sie aush-
üben und der bei ihrer Vergrösserung immer bedeutender
wird, die angränzenden Theile nicht allein zu verengen, zu
431
verdrängen , sondern selbst , wenn diese nicht nachgiebig
sind , wie die Knochen , durch Detritus zu zerstören. Mit
dem Verluste der Knochen schwindet aber zuweilen die die-
selben berührende Wand des Aneurysma und geht durch De-
tritus zu Grunde, so dass die Endtheile der abgeriebenen
Knochen frei in den aneurysmatischen Sack hineinragen. Es
ist so möglich, dass das Aneurysma nach Zerstörung der
Rippen und des Sternums an der Vorderfläche der Brust zum
Vorscheine kommt , dass es den Ösophagus , die Trachea,
die Bronchien bis zur Erstickungsgefahr comprimirt , durch
die immerwährende Pulsation vernichtet und seinen Inhalt in
dieselben ergiesst, oder dass derselbe Vorgang die Lungen-
arterie, den linken Vorhof oder den Herzbeutel betrifft. Das
Aneurysma der absteigenden Aorta zerstört gerne die Kör-
per der Wirbelsäule durch Detritus, so dass diese seine hin-
tere Wand bilden und frei in seine Höhle hineinragen, oder
dieses eröffnet sich selbst den Canal der Wirbelsäule und
ergiesst sich in diesen. Nicht immer aber kommen Aneurys-
men durch das Abreiben zum Bersten, sondern diess ge-
schieht besonders bei grossen , auch durch blosse Verdün-
nung der ihrer Elasticität beraubten Wände. Dass ein sol-
cher Ausgang nur tödtlich sein kann , bedarf keiner Erwäh-
nung, doch braucht es oft sehr lange und eine Entwicklung
zu bedeutender Grösse , bis ein solcher herbeigeführt wird *,
anderseits tödten oft sehr kleine Aneurysmen und bestehen
grosse jahrelang , ohne zu bersten — es gibt hierüber keine
bestimmte Regel. Übrigens gibt es einige wenige Beispiele
von Naturheilung der mit einem engen Halse aufsitzenden
Aneurysmen. Sie schien dadurch zu Stande zukommen, dass
der Sack sich gänzlich mit Faserstoffcoagulum erfüllte und
endlich zusammenschrumpfte.
Folgezustände. Einer der constantesten Folgezu-*
stände der Aorta-Aneurysmen ist excentrische Vergrösserung
des Herzens , namentlich des linken Ventrikels ; da nämlich
an der aneurysmatischen Stelle das Arterienrohr nicht die
43*
Kraft besitzt, durch seine Zusammenziehung die in dasselbe
getriebene Blutmasse weiter zu befördern, entsteht daselbst
Blutanhäufung' und wirkt das dem Blutstrome entgegenge-
stellte Hinderniss auf das Herz zurück, das es durch ange-
strengtere Muskelwirkung zu überwinden strebt und dadurch
hypertrophirt. Ist das Aneurysma am Bogen der Aorta, so
erlahmt derselbe, und das daran befindliche Herz nimmt einen
tieferen Stand ein. Durch den Herzfehler sowohl als durch
den oft nicht unbedeutenden Verlust des Blutes an Faserstoff,
da der aneurysmatische Sack mit Fibringerinsel gefüllt ist,
wird eine venöse, ja zuweilen eine hydropische Crasis her-
beigeführt, und nur in der von dem begleitenden Herzfehler
abhängigen Venosität des Blutes glaube ich eine genügende
Erklärung des gegenseitigen Ausschliessens des Aneurysma
und der Tuberculose zu finden.
Diagnose. Sowohl die subjectiven als die objectiven
Erscheinungen sind nach dem Sitze des Leidens verschie-
den, geben sich aber nur, wenn das Übel schon einen ziem-
lichen Entwickelungsgrad erreicht , kund.
1. Bei Aneurysma der Pars adscendens und des
Bogens der Aorta.
Die Kranken leiden an schwerem Athem , der sich nach
heftigen Bewegungen und des Nachts selbst zu asthmatischen
Anfällen steigert, verbunden mit einem schweren Husten,
der des Morgens durch Erscheinen einer zähen, zuweilen
etwas blutigen Expectoration etwas gemindert wird. Aufrechte
und vorgebeugte Stellung bekömmt den Leidenden am be-
sten , weil sie den Druck des Aneurysma auf die Nachbar-
theile möglichst verringert. Herzklopfen, Venosität, Ödem
der Füsse hängen von dem begleitenden Herzfehler ab. Zu-
weilen klagen die Kranken über Taubheit in einem Arme und
über Schmerz in dem Brustkorbe, wenn durch Anliegen der
Geschwulst die Knochen ergriffen werden.
483
Physicalische Erscheinungen.
Nur durch diese ist eine bestimmte Erkenntniss möglich,
aber auch nur erst dann, wenn das Aneurysma an der Brust-
wand anliegt.
Inspection. Sowohl dort, wo das Aneurysma die vor-
dere Brustwand berührt , als auch mehr nach abwärts und
links von dem Orte, wo die Herzspitze gewöhnlich anschlägt,
sieht man deutliche Pulsation. (Dass das Herz gewöhnlich
etwas tiefersteht, woraus sich letztere Erscheinung erklärt,
wurde schon angegeben.)
Palpation. An den beiden genannten Orten fühlt man
durch die aufgelegte Hand die Pulsation, undwenn das Aneu-
rysma die Brustwand zu einer Wölbung vorgetrieben , zu-
weilen selbst eine Art Rückstoss. Steht das Aneurysma hoch
an der Convexität des Aortabogens, so wird die Pulsation
auch dem hinter der Handhabe des Brustblattes in das am
Halse befindliche Grübchen eingedrückten Finger bemerkbar.
Über der Geschwulst fühlt man fast immer ein Schwirren, das
sich bis in die Carotiden verbreitet , aber für das Bestehen
eines Aneurysma nicht charakteristisch ist , indem es auch
durch Rauhigkeiten im Aortarohre hervorgebracht wird.
Percussion. Der Umfang der Geschwulst lässt sich,
wenn sie an die Brust anliegt , ziemlich genau durch das
Plessimeter bestimmen ; das Gefühl des vermehrten Wider-
standes fehlt dabei gleichfalls nicht. Die meistens damit ver-
bundene, consecutive , excentrische Herzhypertrophie wird
ebenfalls leicht nachgewiesen.
Auscultation. Durch das Stethoscop empfängt das
Ohr ausser dem heftigen Impulse noch den Eindruck eines
doppelten rauhen Geräusches, das gegen das Herz
hin verschwindet, wo die reinen Klappentöne wahrgenommen
werden , so lange die Semilunarklappen nicht insuflficient
sind. (Wäre letzteres der Fall, so Hesse es sich aus dem
diastolischen Geräusche im linken Ventrikel erkennen. — Be-
Gaal Diagnostik. 28
434
stände zugleich Stenose der Aortamündung , so würde das
erste Geräusch in der Aorta, wegen des geringen Blutstro-
mes geschwächt oder undeutlich wahrgenommen.) In der
Subclavia und der Carotis hört man dieselben Geräusche, die
sich dahin aus der Aorta fortpflanzen.
Differenzen. Ein Aneurysma der Subclavia lässt sich
von dem in Rede stehenden durch den Ort des Vorkommens
der physicalischen Erscheinungen , durch das nur einseitige
Schwirren und die Verschiedenheit des Radialpulses an bei-
den Armen unterscheiden.
Von Herzvergrösserung und Erweiterung ist der Unter-
schied darin gegeben , dass die Erscheinungen beim Aneu-
rysma auf zwei Puncte sich concentriren , davon einer dem
Orte entspricht, wo das Aneurysma die Brustwand berührt;
deren anderer der Lage des Herzens zukommt, in der Strecke
zwischen beiden mangeln alle Zeichen, welche zur Annahme
einer Abnormität in den Kreislaufsorganen berechtigen. Im
Herzen sind bei einfacher concentrischer Hypertrophie keine
Geräusche zu hören , nur wenn zugleich Klappenfehler vor-
handen wären , erscheinen solche. Dass sie aber im Herzen
entstehen und nicht einem Aneurysma zuzuschreiben sind,
erkennt man dadurch , dass sie in gleichem Verhältnisse, als
man das Ohr von ihrem Entstehungsorte entfernt, immer
schwächer vernommen werden, und endlich ganz verschwinden.
2. Das Aneurysma der absteigenden Aorta.
Diess ist sehr schwer zu erkennen. Die subjectiven
Erscheinungen kommen mit denen der vorigen Species im
Allgemeinen überein , betreffen aber hier mehr den Rücken
und die Wirbelsäule, die dem beständigen Drucke nach einer
Seite ausweicht, der aber so sehr überhand nehmen kann,
dass es ausser den vorübergehenden Erscheinungen des Rü-
ckenmarksdruckes, als Dysphagie, Erbrechen, Convulsio-
nen etc. zu bleibenden Lähmungen der Schliessmuskel ver-
schiedener Eingeweide, der Muskel der Extremitäten und
435
zur Entzündung* der dura meninx des Rückenmarkes kom-
men kann. Inspection, Palpation und Percussion
vermögen nur dann das bestehende Leiden zu verrathen, wenn
die Ausbuchtung des aneurysmatischen Sackes mehr seitlich
von der Wirbelsäule gegen die Rippenwand zu gerich-
tet ist.
Auscult ation. In manchen Fällen wird es möglich
sein , zugleich mit der Systole des Herzens ein Geräusch
zu hören , das sich von der leidenden Stelle mehr nach ab-
wärts als nach aufwärts verfolgen lässt, das aber für die
Diagnose nicht entscheidend ist, da es auch in Rauhigkeiten
in dem Aortarohre seinen Entstehungsgrund erkennt und
anderseit fehlen kann, wiewohl ein Aneurysma besteht.
3. Aneurysma der Bauchaorta.
Die subjectiven Erscheinungen , welche diese Krank-
heit begleiten, entspringen aus der beeinträchtigten Function
mehrerer Unterleibsorgane, können aber allein für Ver-
dauungs- , Blähungs- , Nieren- oder Goldaderbeschwerden
gehalten werden; oft erscheinen Leberleiden, Polycholie,
Coliken , Erbrechen , Kreuzschmerzen u. s. w. Ist aber De-
tritus der Wirbelsäule entstanden, dann weicht die Achse
dieser krankhaft aus , und es kommt zuweilen zu Convulsio-
nen , Paraplegie , Lähmungen etc.
Inspection. Wir sehen in den meisten Fällen, be-
sonders bei magern Individuen , und wenn man die Bauch-
decken über dem Aneurysma spannt, dessen Pulsation deutlich.
Palp ation. Durch die relaxirten Bauchdecken greift
man eine umschriebene , nicht verschiebbare pulsirende Ge-
schwulst an dem Verlaufe der Aorta , während die tastenden
Finger zugleich die Erscheinung des Schwirrens wahr-
nehmen.
Percussion. Die Gränzen der aneurysmatischen Ge-
schwulst lassen sich auch durch die Percussion nachweisen
besonders , wenn man dabei das Plessimeter tief eindrückt.
88 #
436
Entwickelt sich consecutiv excentrische Hypertrophie der
linken Herzkammer , so ist auch diese durch das Plessimeter
zu erforschen.
Auscultation. Gleichzeitig mit dem Herzschlage und
besonders bei erschlafften Bauchdecken und angezogenen
Schenkeln hört man ein scharfes Geräusch , das nach dem
Verlaufe der Aorta sich ziemlich gut nach aufwärts mit dem
Stethoscope verfolgen lässt. In einigen selteneren Fällen
hörte ich es auch am Rücken der Kranken.
Differenzen. 1. Geschwülste, welche auf der
Aorta aufliegen, können die Pulsation fortpflanzen und aussen
auf den Bauchdecken sichtbar und fühlbar machen und geben
auch bei der Percussion einen gedämpften Schall — allein
sie sind meistens verschiebbar, bärtlich, uneben und es las-
sen sich zugleich an andern Stellen der Bauchhöhle ähnliche
Afterproducte auffinden. Ferner haben sie keine excentrische
Herzhypertrophie zur Folge, und wäre es zur Entwickelung
von Hydrops gekommen , so würde er als Ascites begonnen
haben (indem Hydropsien, welche von Herzfehlern bedingt
werden , gerne mit Ödem der Füsse beginnen und dann auf-
wärts schreiten). Sollten harte Fäcalmassen hei oberflächli-
cher Untersuchung einige Erscheinungen des Aneurysma
hervorrufen , so werden diese nach Hebung* der Stuhlver-
stopfung verschwinden.
2. Nervöses Pulsiren. Zuweilen werden hy-
pochondrische oder hysterische Individuen von heftiger
Pulsation der Bauchaorta geplagt • dieselbe ist aber be-
sonders kurz , schnellend und nicht constant, sondern er-
scheint nach unbestimmten Zeitabschnitten , gleichsam
in Paroxysmen und in Gesellschaft anderer Symptome,
welche auf gestörte Innervation deuten , wieder. Weder
Palpation noch Percussion vermögen etwas Abnormes zu
ermitteln , und das unbeständige Geräusch , das man durch
das Stethoscop wahrnimmt , ist schwach , blasend, nichts
437
weniger als scharf, und meistens zugleich in andern grossen
Gefässen zu hören.
Krankheiten der Lungen Schlagader.
Hierüber ist noch sehr wenig bekannt. Dass Entzün-
dung an derselben vorkommt, ist erwiesen, nicht minder
ist es einleuchtend , dass ihre Producte denselben Metamor-
phosen unterliegen müssen, die sie an der Aorta ein-
gehen.
Die gleichförmige Erweiterung der Arteria
p ulmonalis.
Es wird noch erinnerlich sein , dass alle Krankheiten ,
welche das Austreiben des venösen Blutes aus dem rechten
Herzen behindern, Hyperämie der Lungencapillargefässe und
Blutanhäufung in derPulmonalarterie zur Folge haben, welch
letztere, so wie das rechte Herz durch dieselbe ausgedehnt
wird; nicht minder wird es noch in frischem Angedenken un-
serer Leser sein, dass eine diesen Zustand begleitende stär-
kere Markirung des zweiten Tones auf die Erkenntniss der
Bicuspidalklappeninsulficienz und der Stenose des linken
Oslium vertosum nicht ohne Einfluss ist. Ist die Erweiterung
beträchtlich^ so können bei jungen mageren Individuen die
starken Pulsationen der Lungenschlagader vorne in der Ge-
gend zwischen der zweiten und dritten Rippe deutlich sicht-
bar werden , nie aber wird die Erweiterung den Grad errei-
chen , dass sie den Percussionsschall verändert.
Aneurysma der Lungenschlagader.
Diese hat hypertrophische Erweiterung des rechten Ven-
trikels und Verengerung aller ober demselben entspringenden
Äste im Gefolge , und combinirt sich zuweilen mit einem
Aneurysma der Aorta.
Dass die Ausbuchtungen der Lungenarterie, welche
438
sich in tuberculösen Cavernen vorfinden, und nur durch Aus-
dehnung der von der Jauche gelockerten Häute entstehen ,
die um so leichter zu Stande kommen , weil die Arterie ihre
Stütze verloren hat , keine Aneurysmen sind , bedarf keines
weiteren Beweises. Das Bersten derselben verursacht die den
Phthisikern tödtlichen Lungenblutungen.
Die wenigen Fälle , welche über Aneurysma der Lun-
genarterie vorliegen , gestatten noch keine dasselbe bezeich-
nenden Symptome aufzustellen.
439
Untersuchung
des Bauches und Unterleibes.
Wir haben nun die Untersuchung* des Kopfes und der
Brust in möglichster Vollständigkeit abgehandelt und beson-
ders Letzterer so weitläufig gedacht, als es die beschränkten
Gränzen dieser Schrift gestatten. Wenden wir nun unsere
Aufmerksamkeit auf die nach anatomischer Ordnung folgende
Provinz des menschlichen Körpers, so werden der Bauch und
Unterleib, die Verdauungsorgane mit ihren Anhängen, sodann
die Geschlechts- und Harnwerkzeuge den Vorwurf dieses
Abschnittes ausmachen.
Bauclideckcn und Peritoiiaeum.
Inspection. Durch das Auge werden vorzüglich Form-
veränderungen des Bauches und seiner Decken, so wie seine
Vergrösserung , Anschwellung und Verkleinerung erkannt.
Die Vergrösserung ist entweder allgemein , oder betrifft
nur einen Abschnitt des Bauches, so dass dieser selbst spitzig
oder abgeplattet erscheint. Diese Formverschiedenheiten wer-
den durch Fettablagerung, Exsudat in der Bauchhöhle und
Krankheiten der unterliegenden Organe bedingt. Bei den ver-
schiedenen Bauchwassersüchten ist die Form des Bauches häu-
fig eine verschiedene. So wird durch beträchtlichen Erguss
in die Bauchhöhle die Bauchwand sehr gewölbt , und der
Nabel vorgetrieben. Bei geringerer Menge von Flüssigkeit
erscheint der Unterleib flach, werden die Weichen nach aus-
sen getrieben oder gespannt, und nach den Eingeweiden ge-
staltet; besonders bei abgesackter Bauchwassersucht kann
die Form des Bauches eine unsymmetrische werden. Bei Kin-
dern ist Auftreibung des Bauches ein häufiges Zeichen von
Überfütterung und Scropheln , bei reifen Mädchen von Arne-
440
norrhoea per retentionem. Eine strangartige Anschwellung,
die von den Schambeinen zum Nabel zieht, deutet auf Entzün-
dung der Nabelarterie. Zuweilen ändert die Anschwellung
des Bauches ihren Ort bei veränderter Lage des Kranken ,
wenn nämlich nur so viel Flüssigkeit angesammelt ist, dass
sie frei beweglich bleibt.
Einsinken der Bauchdecken begleitet viele Zehrungs-
krankheiten , Krampfzufälle , Colica saturnina u. s. w., nach
Piorry ist bei acuter Peritonitis , ehe es noch zur Exsu-
datbildung kommt, der Bauch eingezogen, und sind die
Muskel so contrahirt, dass die Heyiones iliacae , die keine
so starken Muskel besitzen , als die andern Gegenden des
Unterleibes, vor diesen zuweilen vorstehen.
Palpation. Durch den Tastsinn erkennen wir wie ge-
wöhnlich die Resistenz der Bauchwände und nehmen unter
Einem zugleich deren Temperatur in Betracht.
Man untersucht den Kranken am besten in der schon
angegebenen Rückenlage mit angezogenen Schenkeln , ver-
meidet , wenn die Theile schmerzhaft sind , starken Druck ,
ausser es wäre dringende Nothwendigkeit vorhanden, die
Theile trotz ihrer Empfindlichkeit gleich vollends durch die
Palpation zu erforschen.
Sonst kann man immer kräftig drücken. Unterliegende
Geschwülste u. dgl. werden durch den Tastsinn oft dadurch
deutlicher erkannt, dass man beide übereinander gelegte
Hände in die Bauchwand eindrückt, die obere zur Fixirung
an der zu untersuchenden Stelle festhält, und mit der andern
Hand darunter drückend streift. So unternimmt man vom Na-
bel ausgehend nach allen Richtungen des Bauches die Inda-
gation, und prüft alle durch Abnormität auffallenden Stellen
betreffs der Form , Resistenz , Oberfläche und (was zwar
strenge genommen nicht hiehergehört) ihrer Empfindlichkeit.
Ein Gefühl von Widerstand und Elasticität bei grösserer Aus-
dehnung des Bauches deutet auf Gasansammlung in diesem ;
441
fehlt die Elasticität und fühlt sich der Leib weich an , so ist
Flüssigkeit in diesem enthalten.
Die Art Fluctuation hervorzurufen , wurde schon be-
sprochen.
Mensuration. Das hieher Bezügliche ist gleichfalls
schon im allgemeinen Theilc enthalten.
Percussion. Wenn in Folge von Peritonitis ein Ex-
sudat abgesetzt wurde, ist in der Rückenlage des Kranken
der Percussionsschall in der Mitte des Bauches heller , hö-
her und metallisch klingend , weil die gashaltigen Darm-
schlingen in der Flüssigkeit schwimmen , und sich in der
Nabelgegend zusammendrängen. An den Seitengegenden und
den tiefen Partien findet sich der Flüssigkeit entsprechend
dumpfer Schall, mit bedeutendem Widerstände beim An-
klopfen. Diese Schallverschiedenheit lässt sich bei Lagever-
änderung des Kranken immer nach dem Stande der Flüssigkeit ,
die sich nach unten sammelt, und dem der lufthaltigen Därme,
die oben auf schwimmen^ verfolgen, so dass bei der Knieell-
bogenlage die Nabelgegend die meiste Dämpfung des Schal-
les ergeben muss (Schön lein).
Ist die Exsudatmasse aber sehr gross , dass kein luft-
haltiger Darm an der Bauchwand anliegt, so ergibt sich
allenthalben dumpfer Schall , mit Ausnahme der Magenge-
gend, der aber durch tiefes Eindrücken des Plessimeters,
wenn dadurch ilie Därme doch zum Tönen gebracht werden,
etwas tympanitisch erscheinen kann.
Abgesackte Bauchwassersucht dämpft ihrem Umfange
entsprechend den Percussionsschall. Abscesse des Perito-
näums werden durch den matten Ton leicht erkannt. Medul-
larkrebs und Tuberculose des Bauchfelles erreichen selten die
Grösse , dass sie eine merkliche Schallverschiedenheit beim
Anklopfen bewirken. Afterproducte des Netzes hingegen wer-
den leicht durch das Plessimeter erkannt.
Gasförmige Flüssigkeit entwickelt sich im Bauchraume
entweder aus jauchigem Exsudate oder tritt aus den Ge-
Hl
därmen bei deren Durchbohrung*. Dabei ist der Percussions-
ton voll, aber weniger tympanitisch als im Normalzustande,
und der Bauch sehr aufgetrieben.
Auscultation. Die Bewegung, welche die Gedärme;
das Herabsteigen des Zwerchfelles und dieZusamrnenziehung
der Bauchmuskel machen , bewirkt im Normalzustande nie
ein hörbares Anstreifen der beiden Peritonäalblätter , da sie
immer glatt und schlüpfrig sind. Wird ihre Oberfläche aber
durch plastisches Exsudat rauh, so vernimmt man ein schwa-
ches Reibungsgeräusch, das so wie das pleuritische mit Zu-
nahme des flüssigen Exsudates verschwindet, nach dessen
Resorption aber so lange gehört wird, bis die beiden serösen
Blätter sich an einander glatt gerieben haben. Tuberculöse
Peritonitis dürfte die Entstehung des Reibungsgeräusches
besonders begünstigen. Das Fehlen desselben spricht aber
nicht gegen das Bestehen von Peritonitis. Nach Despres
ist die Wahrnehmung des Peritonäalreibens nicht ohne Be-
lang bei der Diagnose nicht reponirbaier Brüche , indem die
Symptome der scheinbaren Einklemmung oft in der gleichzei-
tig* sich entwickelnden Bauchfellentzündung ihren Entste-
hungsgrund erkennen. Nach Moser zeigt das locale Rei-
ben die Stelle an , an welcher es gelang , behufs der Eröff-
nung von Leberabscessen oder Hydatiden adhäsive Entzün-
dung hervorzurufen, und sein Verschwinden, dass die An-
löthung vollendet ist. Ebenso wird das Vorhandensein des
Geräusches abhalten , an derselben Stelle zu operiren , um
nicht in Gefahr zu gerathen, einen an die Bauchwand gekleb-
ten Darm zu eröffnen.
Untersuchung* des Magens und Pancreas.
Inspection. Im Normalzustande und in der Rücken-
lage des Kranken findet man bei leerem Magen unter dem
schwertförmigen Fortsatze und dem unteren Rande des Brust-
korbes einen Eindruck, der aber bei vollem Magen und in
manchen krankhaften Verhältnissen sogar gewölbt erscheint,
443
und dann durch den ersten sehnigen Einschnitt des geraden
Bauchmuskel begränzt wird. Nach Piorry sieht man in ge-
wissen Zuständen und bei hinlänglicher Ausdehnung des
Magens dessen Bewegungen, z. B. vor dem Erbrechen, docfc
nur wenn zugleich die Bauchmuskeln mitwirken.
Palpation. Durch den Tastsinn prüfen wir die Resi-
stenz, Elasticität, Oberfläche und Temperatur der Magen-
gegend. Dabei muss man sich hüten, die zusammengezoge-
nen Bauchmuskel für Geschwülste zu halten, und durch
den Tastsinn sowohl als durch die Percussion die Gränzcn
der Magengegend genau ermitteln.
Nach Abercrombie wird Verhärtung des Pylorus
durch geringen Druck leicht erkannt (auch ist dabei grosse
Empfindlichkeit bemerkbar) und die Bauchdecken erscheinen
hart und gespannt ; Verhärtung des Pancreas hingegen gibt
sich durch eine nur dem tiefern Drucke zugängliche, quer
unter dem Magen gelegene (weniger empfindliche) Geschwulst
zu erkennen, besonders wenn man den Kranken in der Knie-
ellbogenlage untersucht ; die Bauchdecken sind dabei weich
und aufgetrieben.
Ist der Magen nicht ganz von Flüssigkeit erfüllt, so ist
es möglich , auf die gewöhnliche Weise fühlbare Fluctuation
hervorzurufen. (Moser.) Das Sondiren des Magens liefert
keine befriedigenden Aufschlüsse , und ist eine schwierig
auszuführende Operation.
Percussion. Selbst ungeübte Ohren sindjm Stande
die Gränzen des Magens durch das Plessimeter zu bestim-
men. Nach links berührt er die Milz, nach oben wird er vom
Herzen und der Lunge begränzt; rechts lagert sich der linke
Leberlappen über denselben und dämpft seinen Schall. Die
Cardia befindet sich in der Herzgrube hinter dem Proc. xy-
phoideus und der Spitze des kleinen Leberlappens, der Grund
reicht zuweilen bis in die Nabelgegend hinab. Der massig
erfüllte Magen klingt hell, voll und etwas tympanitisch, ohne
fühlbaren Widerstand ; übrigens dürfte unter gewissen Um-
444
ständen links der Magenton sich etwas weiter hinauf in die
Brusthöhle verbreiten, als nach dem Umfange dieses Orga-
nes eigentlich sein sollte. Die Quantität des Mageninhaltes
ist übrigens nicht ohneEinfluss auf die Resultate seiner Per-
cussion. Dass bei kleinen Kindern der Magen umfänglicher
und sein Percussionston weiter verbreitet ist , ist schon er-
wähnt worden. Kann man den Magen nicht von den benach-
barten Gedärmen unterscheiden , so lasse man den Kranken
schnell ein Paar Gläser Wasser trinken , worauf es keinen
Schwierigkeiten unterliegen wird, die Anwesenheit der Flüs-
sigkeit im Magen durch das Plessimeter zu bestimmen.
Durch die Percussion kann die Gegenwart anderer Ge-
schwülste, als der Medullarsarcome im Magen nicht nach-
gewiesen werden , da sie alle nicht die gehörige Grösse er-
reichen , auch hat die Verdickung* der Häute auf den durch
Klopfen hervorgebrachten Schall keinen Einfluss; liegen Ge-
schwülste oberflächlich, so wird ihr Schall nur bei schwa-
chem Percutiren gedämpft tönen , liegen sie in der Tiefe, so
wird diess nur der Fall sein , wenn man das Plessimeter
mehr eindrückt und stark klopft , sonst wird man immer den
hellen Magenton vernehmen.
Gasansammlung und Flüssigkeit im Magen werden beson-
ders bei aufrechter Stellung des Kranken , durch den hellen
Percussionsschall im obern , und den matten Ton im untern
Theile der Magengegend erkannt. Mit Veränderung der Lage
werden auch die plessimetrischen Schallverschiedenheiten
andere. Will man die Menge der im Magen befindlichen Flüs-
sigkeit schätzen , so lasse man den Kranken auf die rechte
Seite legen , da die Flüssigkeit wegen engerer Beschaffen-
heit des rechten Magenendes hier höher steigt (Moser).
Nach Maillot erkennt man die Anwesenheit von Flüssig-
keit auch an dem Gefühle von Fluctuation, die durch star-
ken plötzlichen Anschlag an das Plessimeter erregt wird.
Auscultation. Die Auscultation hat hier wenig Nu-
tzen, denn ausser einem schon oft in der Entfernung hörba-
445
reu Glucken und Gurgeln, ausser dem hörbaren Geräusche
der Ructus und der Fluctuation , die zuweilen durch Rütteln
des Kranken hervorgerufen wird , ist hier kein Zeichen von
besonderer Bedeutung*. Zugleich hört man oft ein metalli-
sches Klingen , wenn Flüssigkeit und Gas zugleich vorhan-
den sind. Nur die Häufigkeit oder die beständige Gegenwart
der genannten Geräusche deutet auf allgemeine oder örtli-
che Schwäche des Magens , Erweiterung' desselben, Hyste-
rie u. s. w.
Untersuchung' der Gedärme und des Gekröses.
Inspection. Die Besichtigung vermag nur eine Um-
fangs - Zunahme des Bauches (wie bei Tympanites, Meteo-
rismusj und ein Einsinken desselben nachzuweisen. Mehr
Aufschluss geben die andern diagnostischen Behelfe.
Palpation. Hier erwirbt sich derWerth der genauen
Kenntniss der einzelnen Gegenden des Unterleibes , wie sie
in der Einleitung* dargestellt wurden, volle Geltung. Bei der
Untersuchung , die in der Rückenlage vorgenommen wird ,
sucht manjsich zuerst die Gränzen des Magens, der Leber,
der Milz und der Harnblase zu bestimmen, und befühlt dann
mit wechselndem Drucke die von den genannten Organen ein-
geschlossenen Därme. Das unter der Leber gelegene Duode-
num ist der Indagaüon nicht zugänglich. Das Colon umgibt
die übrigen Därme kreisförmig, besonders wichtig ist die
Gegend des Blinddarmes für die Diagnose vieler Krankheiten.
Im Normalzustande greift sich der Bauch massig elastisch
und weich an, und nur krankhafte Zustände vermögendem
Finger einzelne Windungen der Gedärme fühlbar zu machen.
So findet man z. B. bei Ausdehnung des Colons durch Gas
an diesem runde , kropfige Vortreibungen , häufig ist aber
der Bauch bei Tympaniles intestinalis gleichförmig* gespannt
und aufgetrieben. Die Anschwellung zeigt in diesem Falle
keine Fluctuation und wird bei dem Versuche sie von der
Seite mit den Händen gleichsam aufzuheben leichter gefun-
446
den als bei Ascites. Krampfhafte Zusammenziehung* des Darm-
canals ist meistens mit dem gleichen Zustande der Bauch-
decken vergesellschaftet, und lässt sich nicht selten durch
den Tastsinn erkennen. Im Blinddarme und am untern Theile
des Dickdarmes werden verhärtete Fäcalmassen , die oft wie
Knöpfe eines Rosenkranzes an einander gereiht sind ,
durch die Indagation mit Leichtigkeit bemerkt, und es lassen
sich deren Veränderungen, Vorwärtsschreiten, Verschwinden
u. s. w. nach Gebraucli von Laxanzen , durch Palpation, so
v/ie zuweilen selbst durch Percussion genau verfolgen.
Durch das Gefühl wird häufig in den Weichen Crepita-
tion wahrgenommen, ein Symptom, dem man zu grossen Werth
beigelegt hat, namentlich für die Diagnose des Typhus, es
bedeutet weiter nichts als Anwesenheit von Luft und von
Flüssigkeit, und kann in allen mit Diarrhöe verbundenen Zu-
ständen gefunden werden.
Percussion. Die dünnen Därme geben bei massiger
Erfüllung* von Luft einen hellen, leeren, tympanitischen Per-
cussionsschall 9 mit ziemlicher Elasticität beim Anschlage.
Der Dickdarm tönt voller als das Ileum ; dieses und das
Jejunum tönen einige Zeit nach der Verdauung* dumpfer,
als der Dickdarm; je mehr Gas in den Gedärmen enthalten
ist, desto sonorerklingen sie, ausser es würden dabei die
Bauchdecken sehr gespannt , wobei der tympanitische Per-
cussionsschall sich verliert.
Fäcalmassen dämpfen den Percussionston , und geben
sich zugleich durch vermehrten Widerstand kund, eben so
die bei Kindern häufig vorkommenden Geschwülste der Ge-
krösdrüsen. Ob aber derlei Afterproducte in dem Gekröse
oder im Netze ihren Sitz haben, lässt sich nicht unter-
scheiden.
Piorry empfiehlt zur genauen Lagebestimmung ein-
zelner Theile der Gedärme Clystiere zu geben , und dann
wieder zu percutiren , wobei der Dickdarm sich durch mat-
ten Ton zu erkennen geben wird. Alles andere hell klin-
447
gende ist Dünndarm und Magen. Letzterer wird aber, wie
schon erwähnt wurde , durch eine nach Zusichnahme von
Getränken bemerkbare Leerheit des plessimetrischen Schal-
les von den Gedärmen unterschieden. Voller Ton über dem
Dickdarme und Mattheit über dem Dünndarme deutet auf Gas-
ansammlung' im ersteren und Kothanhäufung; oder Verenge-
rung" im letzteren. Kothanhäufung bewirkt zugleich, dass
das Jejunum einen grösseren Raum einnimmt. — Voller Ton
über dem Dünndarme und matter Percussionsschall über dem
Colon deutet auf Verstopfung des letzteren, wodurch das in
jenem angesammelte Gas sich nicht entleeren kann (Mos er).
Auscultation. Durch dieselbe hören wir nur die
mannigfachen Tonverschiedenheiten von Borborygmen bei
Diarrhöe, Flatulenz, Hysterie, Missbrauch von Schnür-
miedern u. s. f.
Untersuchung des Mastdarmes.
Inspection. Die Besichtigung betrifft entweder den
After und seine Umgebung, oder sucht in den Canal des
Mastdarmes einzudringen. Dazu gebe man dem Kranken eine
Seitenlage mit ausgestrecktem Fusse der Seite, worauf er
liegt und mit gebogenem Knie des andern Fusses, entferne
die Nates von einander, und suche sich durch massiges Aus-
einanderziehen der Aftermündung, während der Kranke wie
zum Stuhlgange drängt, Einsicht zu verschaffen. Ist diese
nicht hinreichend, so bringe man das hier abgebildete Af-
terspeculum ein, welches auch zur Untersuchung der
Scheide passend verwendet wird, aus 3 Blättern besteht und
durch eine im Griffe befindliche Schraube erweitert und ge-
schlossen werden kann. In denselben steckt ein hölzerner
Zapfen zum Schutze der Theile vor (während des Einfah-
rens leicht möglicher) Verletzung. Ist das erwähnte und
beöhlte Instrument eingebracht und ein wenig geöffnet, so
kann man den nun locker gewordenen Zapfen leicht entfer-
nen. Die Führung des Speculums geschieht zuerst mit der
448
Achse des Körpers parallel, dann nach der Krümmung*, wel-
che die vordere Fläche des Steiss- und Heiligenbeines bil-
det. Bei künstlicher Beleuchtung und unter langsamer Ent-
fernung des Instrumentes kann man dann die an seinem Ende
sichtbare Schleimhaut untersuchen.
Durch den Gesichtssinn erkennt man in der Umgegend
des Afters oder an diesem selbst haftende Wucherungen, Con-
dylome, Polypen, Geschwüre, Blennorrhoe, Goldaderknoten,
Vorfall der Mastdarmschleimhaut, Fissuren in den Falten der
Aftermündung* oder höher oben in der Gegend des Schliess-
muskels, skirrhöse Geschwülste , Fisteln, Stricturenu. s. w.
Geschwülste jeder Art . Reclination der Gebärmutter , De-
generationen der Nachbarorgane , wie der Ovarien können
den Mastdarm bedeutend verengen. Bei Kindern kann selbst
eine angeborne Verschliessung* vorkommen, die sich
als eine beim Schreien vortretende, gewölbte Haut kund gibt,
durch welche das Meconium durchscheint ; abnorme Af-
termündungen und Kothlisteln kommen häufig in der Va-
gina vor, können aber selbst an jeder Stelle der vorderen
449
Bauchwand sieb finden , wobei die Haut rund um eingezo-
gen , strahlig gerunzelt und mit den Muskeln fest verwach-
sen erscheint. Gewöhnlich ist nur ein Fistelgang vorhanden,
oft aber münden deren mehrere in einen Canal. Da diese Af-
ter keine Schliessmuskel haben , fliesst beständig der Darm-
inhalt aus , und aus dem Mastdarme kommt nur das Secret
des Dickdarmes , als schleimige , weissliche Flüssigkeit von
verschiedener Consistenz.
Palpation. Die vorsichtige Einführung des beöhlten
Fingers in den After gibt über viele organische Krankheiten
des Mastdarmes Aufschluss. Besonders wichtig ist in dieser
Hinsicht die Gegend des Schliessmuskels. Durch den Tast-
sinn ermitteln wir den Sitz von Structuren, die so hoch ge-
legen sind , dass sie dem Gesichtssinne nicht leicht zugäng-
lich werden , und beurtheilen die Beschaffenheit der unter-
suchten Tlieile , ob sie weich oder hart, selbst callös, feucht
oder trocken , glatt oder mit höckeriger oder schwammiger
Oberfläche versehen sind ; durch den Finger oder eine ela-
stische, dickere Sonde erkennen wir häutige Verwachsungen
als fluetuirende Stellen , und die Diagnose wird noch durch
die Beobachtung gesichert , dass kein Koth abgesetzt wird,
und ein eingebrachtes Clysticr nicht weiter eindringt und
schnell zurückfliesst.
Percussion. Das Plessimeter vermag nur in dem Falle
von Kothanhäufung im Rectum und S romanum diese zu
erkennen zu geben, und könnte bei so hoch gelegener Ver-
engerung oder Verschliessung des Dickdarmes, dass sie mit
dem Finger oder der Sonde nicht erreicht wird , ihren Sitz
mittelst reichlicher Clystiere kund geben , welche bis zur
erkrankten Stelle dringen, ohne sie zu überschreiten, un-
terhalb hörte man den matten Ton der eingespritzten Flüssig-
keit, oberhalb den normalen Darmton.
Untersuchung der lieber.
Inspection. Für die Untersuchung der Leber gibt die
Besichtigung nur unsichere Resultate. Die Lage des Kran-
Gaal. Diagnostik. 29
450
ken ist häufig' zu berücksichtigen ; bei schmerzhaften Leber-
leiden ist die aufrechte , sitzende Lage oft peinlich, und die
Kranken liegen gerne auf der empfindlichen Seite. Die An-
schwellung der Leber müsste schon bedeutend sein , wenn
sie sich äusserlich sichtbar macht, und auch dann erhebt
sich die Leber meistens mehr in den Thorax als zur Seite.
Zu dem darf man nicht übersehen , dass Auftreibungen der
Hypochondrien auch ohne Leberkrankheiten vorkommen kön-
nen. Die Gallenblase dürfte kaum so vergrössert werden,
dass ihre Vortreibung äusserlich zu sehen wäre; dennoch
beschreibt P etit dieGallengeschwülste als umschrie-
bene , scharf begränzte , nicht mit der Haut verschmolzene
Vortreibungen , die von keinem Ödeme begleitet sind , und
unter den falschen rechten Rippen und dem geraden Bauch-
muskel liegen , und unterscheidet sie von Leberabsces-
s e n , die weniger umschriebene, scheinbar in die Haut über-
gehende und an verschiedenen Stellen vorkommende Ge-
schwülste darstellen.
Mensuration. Misst man von der weissen Bauch-
linie bis zu dem Dornforlsatze der Wirbel beiderseits, so er-
hält man dieMaasse beider Hypochondrien, welche man ver-
gleichen kann.
Palpation. Man untersucht die Lebergegend in der
Lage , welche für die Untersuchung des Bauches überhaupt
angegeben wurde , durch Druck , den man von den falschen
Rippen ausgehend auf die Lebergegend nach verschiedenen
Richtungen ausübt. Zugleich versucht man, ob man ober der
Leber unter den Rippen einige Finger einschieben könne oder
nicht , letzteres ist bei Auftreibung dieses Eingeweides häufig
der Fall. Hat man den unteren Leberrand durch Palpation
ermittelt, trachtet man ihn weiter zu verfolgen, und berück-
sichtiget dabei besonders den linken und den Spigelischen
Leberlappen und die Gallenblase. Andral empfiehlt zur Un-
tersuchung der Leber die Hand auf folgende Weise zu ge-
brauchen: Man soll die mit Ausnahme des Daumens ausge-
451
streckten und zusammengelegten Finger auf die rechte Rip-
penreihe derart bringen, dass der äussere R?»nd des Zeige-
fingers , seiner ganzen Länge nach , die Bauchwand be-
rührt ; in dieser Richtung* drücke man nun die Hand von vorne
nach rückwärts ein, und gehe schnell von unten nach oben, in-
dem man den Cubitalrand der Hand der Bauchwand nähert und
sie in dieser neuen Richtung mit dem Radialrande eindrückt.
Die Palpation leistet weniger für die Bestimmung der
Grösse der Leber, als für die Ermittelung der Beschaffen-
heit deren Oberfläche.
Pet it unterscheidet Le ber ab s ces se von der Er-
weiterung der Gallenblase durch das Gefühl der
Fluctuation. Bei ersteren nämlich ist die Umgegend immer
etwas geschwollen und die Fluctuation wird erst spät fühl-
bar; bei Ausdehnung der Gallenblase ist keine Härte im
Umkreise wahrzunehmen, und die Fluctuation ist gleich an-
fangs bemerkbar und in der ganzen Geschwulst zu fühlen.
Percussion. Die Leber liegt unter der rechten etwas
kürzeren Lunge im rechten Hypochondrium in der Höhlung,
welche die untere Hälfte des Zwerchfelles zu ihrer Auf-
nahme bildet. Eine Linie, welche wir uns vom Ende des
schwertförmigen Knorpels nach rechts senkrecht auf die Wir-
belsäule gezogen denken , entspricht so ziemlich der oberen
Fläche der Leber. Der linke Lappen derselben erstreckt sich
bis in die Herzgrube , wo er sich über den Magen lagert.
Zur Bestimmung der Ausdehnung der Leber muss man
von der Brustwarze und unter der Achselhöhle so weit nach
abwärts percutiren , bis der matte Leber- in den Darmton
übergeht, und dann unter den Rippen von rechts nach links
untersuchen , um die Breite dieses Organes zu erforschen.
Bei der Percussion ergibt sich matter, dumpfer Schall
mit ziemlichem Widerstände, da das untersuchte Organ dicht
und vollkommen luftleer ist. Dieser Percussionsschall ist im
Normalzustande in der Breite von vier Zollen unter der Ach-
selhöhle in der bezeichneten Gegend zu hören , beträgt un-
29 #
452
ter der Brustwarze bei drei Zolle, 2'/2 Zoll rechts vomPro-
cessus ensiformis } und noch zwei Zolle auf dessen linker
Seite, dem linken Leberlappen entsprechend.
Durch die Percussion können somit die Gränz'en der Le-
ber aut das Genaueste dargethan werden ; nach oben wird
sie vom sonoren und hellen Lungentonc berührt , nach unten
vom Darmtone , und links scheidet sich ihr Percussionston
von dem des tympanitisch klingenden Magens. Am Rücken
wird der obtuse Schall der Leber bei leisem Anschlage nicht
deutlich wahrgenommen , da sich der untere Lungenlappen
daselbst tiefer herab senkt und jene bedeckt ; klopft man aber
stärker, so muss der matte Ton der Leber den hellen
Schall des darüber gelagerten Lungengewebes durchdringen
und selben dämpfen. An der Vordcrflächc des Bauches finden
wir hingegen bei schwachem Anschlage den matten Ton der
Leber, die sich mit ihrem vordem, scharfen Rande über die
Gedärme lagert ; bei starker Percussion klingen letztere durch
die Leber durch.
Grösscnveränderungen der Leber werden mit Leichtig-
keit durch das Plessimeter nachgewiessn , seien sie nun Hy-
pertrophie , Atrophie , Abscessc , Hydatiden oder Krebsge-
schwülste. Oft betrifft die Volums-Zu- oder Abnahme die
ganze Leber, oft nur einen einzelnen Theil, die Breite oder
die Höhe derselben. Welcher Art aber die Krankheiten der
Leber seien , vermag das Plessimeter nicht zu bestimmen,
eben so wenig, als es für die Erforschung von Krankheiten
der Gallenblase etwas zu leisten vermag. Moser #) ver-
sichert zwar beim Anklopfen an die erfüllte Gallenblase ei-
nen in deren Mitte besonders matten Ton erhalten zu haben,
der zuweilen von leisem Metallklirren und hydropneumati-
schem Geräusche begleitet war; meines Dafürhaltens aber
dürfte diese Wahrnehmung nur den seltensten Fällen ange -
*) 1. c. p. 261.
453
hören und möchte den benachbarten Gedärmen und dem Ma-
gen ihr Antheil an der Erzeugung* des metallischen Geräu-
sches nicht ganz abzusprechen sein.
Die Durchmesser der Leber werden ausser den ange-
führten Krankheiten noch in Hepatitis , Herzleiden , zuwei-
len auch in Pneumonie, Bronchitis und Arthrorheuma ver-
grössert gefunden. Wechselfieber geht mehr mit Volumszu-
nahme der Milz einher, als es auf die Leber influirt.
Nicht zu vergessen ist , dass Krankheiten der Brust-
organe den Stand der Leber ändern (z. B. Emphysem, Pneu-
mothorax) und dass es oft unmöglich wird, zu bestimmen,
wo ein rechtseiliger pleuritischer Erguss aufhört und die
Leber beginnt.
Auscul f atio n. Durch das Stethoscop hören wir das
Athmungsgeräusch am Thorax , so weit herab, als die Lunge
reicht, sein Schweigen wird uns somit im Bunde mit der
Percussion die obere Gränze der Leber angeben, wobei aber
nicht zu vergessen ist , dass die obere gewölbte Fläche die-
ses Organes etwas weiter unter die Lungen hinaufreicht, als
es deren Admvungsgeräusch immer anzeigt. Mangelt das
Athmungsgeräusch höher hinauf, als es dem normalen Stande
der Leber zukommt , und ist kein pleuritisches Exsudat als
Ursache zu erkennen, so ist die Leber vergrößert, oder hat
wenigstens einen höheren Stand.
Lännec, P i o r r y und Roger haben ein eigenthüm-
liches Schwirren oder Erzittern vernommen, wenn einge-
schlossene Acephalocysten bewegt wurden , eben so haben
Lisfranc und Piorry die Crepitation von Gallensteinen
gehört, welche bei der Section sieh wirklich vorfanden.
Lännec gibt ferner an, dass Leberabscesse und Cy-
sten durch das Stethoscop erkannt werden können, wenn sie
sich in die Lungen oder in den Danncanal öffnen-, denn im
ersteren Falle können cavernöser Husten , cavernöse Respi-
ration und Stimme , ja selbst Metallklingen über der Höhle
gehört werden-, im letzteren müsse bei angebrachtem Drucke
454
auf den Bauch , die in den Gedärmen oder dem Magen ent-
haltene Luft mit einem gurgelnden Geräusche in die Caverne
eindringen.
Unterguehung der Milz.
Die Inspection kann nur eine sehr bedeutende An-
schwellung des linken Hypochondriums erkennen.
Mensuration. Die Mensuration wird auf gleiche Weise
vorgenommen , wie diess für die Leber angegeben wurde.
Palpation. Die Milz ist dem Tastsinn nur wenig zu-
gänglich, da sie unter den linken Rippen verborgen ist, und
derselbe kann daher über Volumsveränderungen dieses Or-
ganes nur geringen Aufschluss geben; die Bestimmung der
Lage der Consistenz und der Beschaffenheit der Oberfläche
sind die einzigen Puncte, über welche man durch den Tast-
sinn belehrt wird. Man drückt zu dem Ende die Hand lin-
kerseits unter die letzten falschen Rippen ein , um den vor-
dem Milzrand zu finden , lasse sich aber nicht durch Ein-
kerbungen der BauchmuskeJ täuschen.
Percussion. Dem Stande der Milz entsprechend,
finden wir bei zweckmässiger Lage des Kranken auf der rech-
ten Seite , und indem er den linken Arm vom Stamme ent-
fernt , im linken Hypochondrium in der Seiten- und Rücken-
gegend von der 4. Rippe angefangen über den letzten fal-
schen Rippen einen matten und leeren Percussionsschall von
etwa drei Quadratzollen im Umfange begränzt vom Lungen-
tone nach oben, nach vorne und rechts vom Magentone, nach
abwärts von dem der Gedärme.
Vergrösserung der Milz gibt entsprechende Zunahme
des matten Percussionstones. Ich habe Fälle beobachtet, wo
der Milzton bis nahe an die Bauchlinie reichte; auffallend
aber ist die bedeutende Vergrösserung des in Rede stehen-
den Organes bei Wechselfiebern , und wird besonders im
Kältestadium leicht nachgewiesen, während sie in der Pe-
riode der Hitze und des Schweisses ziemlich abnimmt.
»
Eine für den Practiker besonders wichtige Erscheinung
ist die Zunahme der Milz im Typhus, die zuweilen so bedeu-
tend ist, dass der matte Percussionston bis zur 6. Rippe
aufwärts reicht.
Exsudat in der Bauchhöhle und Vergrösserung des Her-
zens können zuweilen über den Umfang der Milz täuschen.
In letzterem Falle weiset das Stethoscop die Herztöne an
der entsprechenden Stelle nach; Exsudate in der Bauchhöhle
werden, wenn sie flüssig sind, bei Lageveränderung des Kran-
ken den Gesetzen der Schwere zu Folge, sich an den tie-
fest gelegenen Stellen sammeln, und daselbst den Percus-
sionston dämpfen.
Die Auscultation findet hier keine Anwendung.
Uli t ei'&ir cliu itg der Nieren«
Inspection. Die Besichtigung gibt nur schr unsichere
Resultate; und eine Vergrösserung der Nieren muss schon
bedeutend sein, wenn sie die bedeckenden Theile in dem
Grade hebt, dass sich äusserlich eine Auftreibung bemerken
lässt. Bei der Besichtigung werde die Richtung der Wirbel-
säule wohl berücksichtiget, und muss der Kranke gerade
stehen, da sonst durch das Vortreten einer oder der andern
Weiche Täuschung verursacht werden könnte.
Mensuration. NachPiorry kann man die Dicke der
Nieren annäherungsweise bestimmen , wenn ihr Sitz schon
durch Percussion ermittelt ist. Man setzt dann einen Knopf
des Tasterzirkels auf das Plessimeter, den anderen rückwärts
auf die entsprechende Lendenfläche, und zieht von dem Er-
gebnisse die wahrscheinliche Dicke der Bauchwandungen ab.
Palpation. Die Nieren liegen an der Seite des 1. und
3. Lendenwirbels in der Regio lumbalis, vor den zwei letz-
ten falschen Rippen ; die rechte Niere steht etwas tiefer als
die linke , hinter dem rechten Leberlappen , dem Duodenum
und Colon adscendens , die linke Niere wird von dem unteren
456
Ende der Milz , dem Schwänze der Bauchspeicheldrüse und
dem absteigenden Grimmdarme bedeckt.
Man kann die Nieren von rückwärts , von der Seite und
von vorne untersuchen , diesen verschiedenen Explorations-
weisen muss auch die Lage des Kranken entsprechen.
Indem man nun mit wechselndem Drucke die Gränzen
der Nieren und ihrer Nachbarorgane bestimmt, erhält man Auf-
schluss über die Form der ersteren, ihren Umfang, ihre Con-
sistenz und die Beschaffenheit ihrer Oberfläche.
Percussion. Diese Organe sind dem Plessimeter
äusserst schwer zugänglich. Doch findet man in der Lenden-
gegend beiderseits einen gedämpften Schall im Umfange von
l'/2 — 3 Zollen. Die Untersuchung soll nur bei Kranken ge-
macht werden, die längere Zeit gefastet haben.
Die Percussion von vorne und von der Seite dürfte nur
bei sehr umfänglicher Vergrösserung der Nieren einige dia-
gnostische Sicherheit gewähren. Piorry räth bei der Unter-
suchung in der Bückenlage die beweglichen Baucheingeweide
durch einen Gehülfen nach aufwärts verschieben zu lassen ,
wobei die fest in ihrer Lage beharrenden Nieren dem tief ein-
gedrückten Plessimeter zugänglicher werden.
Dass man Harnstein , Abscesse, Tuberkel u. s. w. durch
die Percussion ermitteln könne, ist eben so unwahrscheinlich,
als dass Beibung von Nierensteinen , bei äusserlich an-
gebrachtem Drucke , durch die Ausculfation zu verneh-
men sei.
Die Uretheren können nur durch den Tastsinn unter-
sucht werden. Man fühlt zu dem Ende in einer von der Niere
zur Blase vorlaufenden Linie sowohl an der vordem als an
der hintern Bauchwand, ob man etwas Abnormes bemerke.
Aber nur bei sehr starker Ausdehnung der Harnleiter und an
sehr mageren Personen dürfte die Palpation befriedigende
Aufschlüsse geben, in allen anderen Fällen ist die Untersu-
chung vergeblich.
457
Untersuchung der Harnblase,
I nspection. Die Besichtigung* ist für die Diagnose
von geringem Werthe, da nur sehr bedeutende Ausdehnung
der Blase äusserlich eine Wölbung bemerken lässt.
Palpation. Die Blase ist dem Tastsinne durch die
Bauchdecken zugänglich , und greift sich daselbst im Zu-
stande der Erfüllung als elastische, ziemlich resistente, zu-
weilen grosse Kugel über den Schambeinen an, ich fand sie
sogar bis über den Nabel reichend, deren Glänzen sich mit
den Fingern genau umschreiben lassen. Im leeren Zustande
zieht sie sich ins Becken zurück ; und wird dem Tastsinne
weniger zugänglich.
Ferner untersucht man die Blase vom Mastdarme aus mit
einem Finger, der über die Prostata vorzudringen sucht,
und in manchen Fällen durch die Scheide.
Von der Untersuchung mittelst Sonden wird bei Gele-
genheit der Exploration der männlichen Geschlechttthcile die
Rede sein.
Das Zufühlen hat hauptsächlich den Zweck die Gegen-
wart von Harnsteinen zu ermitteln.
Percussion. Das Plessimeter vermag nicht die leere
Harnblase kund zu geben , allein wenn sie von Urin erfüllt
ist, ergibt sich lange bevor die Palpation imstande ist, sie
aufzufinden, dort wo sie an die Bauchwand anliegt, ober
den Schambeinen ein dumpfer, leerer Schall. Der Kranke
muss dabei vollkommen horizontal liegen, damit die Darm-
schlingen , welche etwa die Harnblase bedecken, von dersel-
ben weggleiten.
Da die Harnblase kugelförmig gewölbt ist , kann ihr
Grund nicht die Bauchdecken berühren, und wird durch Darm-
schlingen von letzteren fern gehalten. Bei der Percussion
der Harnblase ist es daher nöthig, das Plessimeter langsam
tief in ihrer Gegend einzudrücken um die etwa Yorgedräng-
m
ten Gedärme , welche den Schall modificiren würden , weg-
zuschieben.
Räthlich ist es auch von oben längs der weissen Bauch-
linie herab percutirend den Schambeinen sich zu nähern, um
mit Gewissheit den Körper der Blase zu treffen. Hat man
sich tiberzeugt, dass man denselben unter dem Plessimeter
habe , so rückt man mit letzterem auch nach beiden Seiten,
um die Gränzen der Blase mit möglichster Genauigkeit zu
bestimmen.
Wird der Urin von selbst oder durch den Catheter ent-
leert , so schmilzt der matte Percussionston immer mehr auf
einen beschränkteren Raum zusammen , bis er endlich dem
vollen und hellen Darmtone gänzlich weicht.
Von Hydrops ovarii saccatus wird die volle Harnblase
leicht unterschieden, da jener ein Zustand von längerer Dauer
ist , und die Entleerung der Blase jeden Zweifel hebt. Asci-
tes kann eben so wenig mit der Ausdehnung der Harnblase
verwechselt werden , da der matte Percussionsschall bei
Lageveränderungen des Kranken, dem Stande der Flüssig-
keit folgt.
Hypertrophie der Blasen wände mit Umfangs-
vergrösserung dieses Organes gibt permanenten dumpfen Per-
cussionsschall mit bedeutenderer Resistenz, als die von Urin
ausgedehnte Blase. Schrumpfen der Blase ist durch das Ples-
simeter nicht nachzuweisen. (Zehetmayer.) Blasensteine
können durch die Percussion nicht aufgefunden werden.
Nicht ohne Belang ist die plessimetrische Untersuchung
der Blase vor der Operation des hohen Blasenschnittes, in-
dem durch sie die Stelle angezeigt wird, an welcher die
Blase die vordere Bauchwand berührt, und vorgelagerte
Darmschlingen vermieden werden können.
Auscultation. Wendet man die Untersuchung mit-
telst der Sonde , welche in die Blase eingeführt ist und des
Stethoscopes, das äusserlich angewendet wird, zugleich
an , so hört man im Falle der Gegenwart von Harnsteinen
459
deren eigenes metallisch klirrendes Geräusch bei Berührung
mit dem metallenen Catheter. Die Auscultation ist somit im
Stande , die Gegenwart von Harnsteinen mit Sicherheit nach-
zuweisen. Noch deutlicher vernimmt man das angeführte Ge-
räusch, wenn man mit dem Catheter die elfenbeinerne Ohr-
platte des Stethoscopes durch ein zwischengelegtes Stück
Kork verbindet und an der Sonde selbst auscultirt.
Unterleibsbrüche (HerniaeJ.
Tritt ein Organ aus der UnterleibshüMe hervor , wobei
es aber immer noch vom Bauchfelle, der äusseren Haut,
oder doch wenigstens von Schleimhaut bedeckt erscheint, so
heisst diess eine Vorlagerung oder Bruch. Nur am Unterleibe
kommen eigentliche Hernien vor; am Kopfe und der Brust
sind sie Fehler der ersten Bildung oder zufälliger Ver-
wundung.
Nach dem Inhalte der Brüche sind sie Darm- oder Netz-
brüche, häufig beides zugleich. Übrigens gibt es seltene Fälle
von Hernien, welche die Harnblase, ein Ovarium enthal-
ten u. s. w.
Nach dem Orte des Erscheinens theilt man sie in Lei-
sten-, Schenkel-, Nabel - Bauchbrüche, und in solche,
welche am eiförmigen Loche , dem Sitzbeinausschnitte, dem
Mittelfleische , der Scheide und dem Mastdarme erscheinen.
(T ex t o r.) Die Brüche sind beweglich oder nicht; in
letzterem Falle entweder eingeklemmt oder ver-
wachsen.
Inspection. Jeder Bruch erscheint als von der Haut
(oder Schleimhaut) bedeckte Geschwulst von verschiedenem,
selbst enormen Umfange. Aufrechte Stellung, Niesen, Drän-
gen , Blasen in die gefalteten Hände vergrössern zuweilen
die Anschwellung und bringen in ihr ein eigenthümliches
Geräusch hervor.
Freie oder bewegliche Hernien gehen in horizontaler
Lage des Kranken oder durch zweckmässig angebrachten
4«0
Druck zurück, die nicht beweglichen können nicht repo-
uirt werden.
Palnation. Nefzbrüche fühlen sich knotig' und un-
gleich an, sind durch Druck nur allmälig zurückbringbar,
was ohne Erzeugung eines Geräusches geschieht, und kön-
nen bei Männern leicht mit Varicosität des Samenstranges
verwechselt werden. Darmbrüche fühlen sich blasig oder tei-
gig an und gehen beim Drucke plötzlich und mit Kollern zu-
rück. Drängen und Niesen treibt die Gedärme fühlbar gegen
den angelegten Finger an.
Percussion. Wenn das Plessimeter über einer Vor-
lagerung einen hellen Schall gibt, so ist dieselbe lufthaltig,
ist der Schall dumpf, so enthält sie Fäcalmassen. Nach
Piorry kann bei Vorlagerung eines Dickdarmes, wenn nicht
Einklemmung besteht, der früher helle Percussionston nach
Application eines Clystieres in den dumpfen verwandelt wer-
den. Wechselt der Percussionston über Probasen zu ver-
schiedener Zeit, so dient diess zum Beweise, dass im Bru-
che die freie Communication nicht unterbrochen ist.
Auscultation. Das Stethoscop leistet hier Nichts;
ausser man wollte das Kollern behorchen, womit freie Brüche
oft zurückweichen.
Untersuchung der männlichen Harnröhre und
Geschlechtstheile.
A. Die Harnröhre.
Inspection. Ausser den angebornen Bildungsfehlern,
als häutiger Verschliessung der Harnröhrenmündung, Hypo-
spadie u. s. w. ist noch die Richtung des männlichen Glie-
des (beiOnanisten häufig nach rechts, da sie die rechte Hand
zu Masturbation gebrauchen) , so wie seine normale Grösse,
sein Einschrumpfen zur Zeit des Erlöschens derGeschlechts-
funetion u. s. w. wohl zu beachten. Der Zustand der Vor-
haut, ob sie über die Eichel zurückziehbar ist oder nicht
(Phimosis} , ihre Geschwulst ; so dass sie das Glied ein^
461
schnürt und nicht in die normale Lage reponirt werden kann
(Paraphimosis) , darf wie billig bei der Untersuchung* nicht
unberücksichtigt bleiben. Nicht zu übersehen sind ferner
Ausflüsse aus der Harnröhre, und die durch selbe bedingte
Färbung der Wäsche (gelb Tripperschieini, stärkwasserähn-
lich prostatischer Saft), so wie der Strahl des Urines, ob er
vollkommen, unterbrochen, dünn, spiralförmig, oder tropfen-
weise abgeht u. s. w\
Erwecken schon die genannten krankhaften Verhältnisse
und der Umstand , ob und wie Erectionen statt finden , un-
sere Aufmerksamkeit , so sind syphilitische Affectionen, Ge-
schwüre, Condylome u. dgl. zu wichtig, um von uns über-
gangen zu werden.
Die primär-syphilitischen Geschwüre wurden
schon zugleich mit Herpes praeputii, die secundären mit den
Mercuriellen beschrieben , ebenso geschah der Condylome
und Exantheme Erwähnung. Zu bemerken ist, dass syphili-
tische Geschwüre von anderen sich der äusseren Form nach
häufig nicht unterscheiden , und dass die Form selbst nach
dem Verlaufe eine sehr verschiedene sein kann. Daher die
vielerlei Eintheilungen der Schanker. Zu beobachten sind
immer an den syphilitischen Geschwüren die Ränder, ob
selbe schlaff oder callös sind (Hunterischer Schanker), das
Umsichgreifen derselben (serpiginöser, phagadänischer, per-
forirender Schanker) und die Beschaffenheit des Grundes, ob
dieser sich schon gereinigt hat , oder noch von einem spe-
ckigen , gelblichen , festanhängenden Schleime bedeckt ist,
oder mit einer pelzigen Haut überzogen erscheint (diphthc-
ritischer Schanker) , oder als ungleich, lax, missfärbig, sa-
niösen Eiter absondernd erkannt wird. Gewöhnlich sitzen
primär-syphilitische Geschwüre an der Aussenseite des Glie-
des der Vorhaut, häufig am Frenulum ; zuweilen sind sie aber
auch in der Harnröhre versteckt , und werden hinter der
Maske eines gewöhnlichen Trippers gar nicht vermuthet. Die
Inoculation des Secretes würde in einem zweifelhaften Falle
462
Aufschluss geben, um was es sich handelt, indem nur der
Schankereiter wieder einen Schanker zu erzeugen vermag.
Übrigens könnte der Umstand, dass nach Eisenmoor Trip-
perschleim alcalisch , Schankereiter hingegen sauer reagirt,
zur Sicherheit der Diagnose etwas beitragen.
Häufig wird die Untersuchung der Harnröhre selbst als
nöthig erkannt , um über daselbst bestehende Verengerun-
gen, Geschwülste der Prostata, Beschaffenheit der Blase,
Vorhandensein eines Harnsteines u. s. w. einigen Aufschluss
zu erlangen.
Mehr als geschichtliche Notiz , als von der p ctischen
Anwendbarkeit überzeugt , erwähne ich hier der von B o m-
botziniund Segalas erfundenen Specula und Beleuch-
tungsapparate, womit man ausser den Magenwänden und
denen des Dickdarmes auch jene der Harnröhre und der Blase
genau zu besichtigen im Stande sein soll — gleichwohl ist
über die erfolgreiche Anwendung dieser sehr complicirten In-
strumente nichts bekannt.
B o m b o t z i n i's Instrument besteht (nach Murat) aus
zwei neben einander liegenden Röhren, an deren einem Ende
zwei Spiegel angebracht sind, welche das Bild der Höhle
zurückwerfen j durch die eine Röhre tritt das Licht in die
Tiefe ein , durch die andere wird das Bild auf einen aussen
befindlichen weissen Körper reflectirf. Unbegreiflich erscheint
es , wie man mit diesem Instrumente in die Blase gelangt.
Die Beleuchtung geschieht mit einer Reflexionslampe oder
einem von Segalas angegebenen Apparate, der aus zwei
Kerzen , zwei Spiegeln und cylindrischen Röhren besteht,
und von dem Erfinder Speculum urethro-cysticum genannt
ward.
P a 1 p a t i o n. Durch die Betastuug des Gliedes von aus*-
sen erhalten wir wenig erhebliche Resultate. Callositäten,
Narben , eingeklemmte Steine u. dgl. können wohl durch das
Zufühlen erkannt werden ; mehr Aufschluss gibt die Sondi-
rung , welche im Falle von Fisteln durch gewöhnliche Son<-
463
den, wo es sich aber um um die Erkenntniss von organischen
Krankheiten der Harnwege , von der Eichelmündung* bis zur
Blase handelt, durch eigene Steinsonden oder Cathetcr aus-
geführt wird.
Die Cathetersind entweder fest , biegsam oder ela-
stisch. Man soll sie von verschiedenem Caliber vorräthig ha-
ben (für Erwachsene beträgt die gewöhnliche Dicke 2'/3 Li-
nien). Ihre Länge beträgt 10 — 11 Zolle, an dem vorderen
Drittheile sind sie in dem Segmente eines Kreises gebogen,
der einen Durchmesser von 6 Zollen hat (Desault); das
vordere oder Blasenende ist gehörig abgerundet und mit
zwei seitlichen Fenstern, der etwas erweiterte Handgriff, Pa-
villon, mit zwei seitwärts befindlichen Ringen versehen. In
der Röhre des Catheters ist ein Stilet (Dogge) aus Draht be-
findlich , das bei elastischen Instrumenten deren Form be-
stimmt. Zur Exploration müssen die Instrumente immer gra-
duirt sein.
Die Einführung des Catheters ist eine der schwierigsten
Operationen, welche genaue anatomische Kenntnisse und ma-
nuelle Fertigkeit voraussetzt. Sie wird nach Entleerung des
Mastdarmes meistens in horizontaler Lage am linken Bett-
rande mit gebogenen und obducirten Schenkeln vorgenom-
men , doch auch im Stehen , wiewohl in seltenen Fällen aus-
geführt. Der Arzt steht zur linken Seite des Kranken , und
hält die erwärmte , beöhlte Sonde zwischen ihrem mittleren
und unteren Drittheile nach Art einer Schreibfeder, in der
rechten Hand vollkommen horizontal , mit nach abwärts se-
hender Concavität , und mit dem Griffe etwas gegen die linke
Schulter des Kranken geneigt, erhebt mit der Linken den
Penis, so dass er zum Körper einen Winkel von 45° bildet, um
die 3 Krümmungen der Harnröhre in zwei zu verwandeln,
und führt das Instrument in denselben ein. Im ersten Zeit-
räume gelangt der Catheter bis unter die Symphyse , dabei
muss man das Instrument weniger vorschieben , als den Pe-
nis durch Dehnen über dasselbe ziehen. Ist man hier ange-
M4
langt , so wird der Pavillon langsam erhoben , und in eine
senkrechte Richtung gebracht , wobei man das Instrument
etwas verschiebt, aber immer an der obern Harnröhrenwand
und der Symphyse zu bleiben sucht (2. Moment). Nun dringt
man unter dem Gefühle der Überwindung* eines Hindernisses
in die Blase, indem man die Sonde nach und nach senkt.
(3 Moment.) Man hat noch andere Weisen , den Catheter
einzuführen, z. B. die Meistertour, welche aber für den
Zweck der Untersuchung weniger passen , als die gewöhn-
liche eben angegebene.
Dass man in die Blase gelangt sei, erkennt man an dem
eigenen Gefühle des überwundenen Widerstandes, der freien
Beweglichkeit des Instrumentes, und dem gewöhnlich erfol-
genden Abfliessen des Urines.
Elastische Catheter werden auf dieselbe Weise einge-
führt , und gewähren noch den Vortheil, dass man durch den
Mastdarm ihre Krümmung verändern kann.
Die Stärke der Bougies sowohl als der Catheter wird
nach der Dicke des Urinstrahles bemessen.
Kann man der Bougie keine entsprechende Krümmung
geben, so muss man, sobald sie an den Schoossbogen ge-
langt ist, den Penis senken, um die Krümmung des Canales
zu mildern , die Bougie beim Fortschieben sanft drehen, und
durch Anlegen der Finger am Damme noch helfen.
Sehr zweckmässig sind die mit Modellirwachs versehe-
nen Ducampschen Bougien, um sich den Abdruck einer
verengerten Stelle, eines falschen Weges u. s. w. zu ver-
schaffen.
Hindernisse erfährt das Instrument am Vordringen durch
Krampf und durch eine normale Verengerung der Harnröhre
am Übergange der Pars bullosa in den häutigen Theil der-
selben; durch eine Vertiefung, die zuweilen hinter dem vor-
springenden Veru montanum sich befindet , und in welcher
so wie in den übermässig erweiterten Ausführungsgängen
den Samenbläschen und Prostata der Schnabel des Instru-
465
mcntcs sich fängt ; durch Anschwellung* der Vorsteherdrüse,
wobei man aber durch Nachhilfe von Seite des Mastdarmes
die Operation nur noch mehr erschwert, wiewohl man dazu
gewöhnlich seine Zuflucht nimmt; durch eine hinter dem
Blasenhalse gelegene Geschwulst, Lieutaud's Blasen-
zäpfchen, in deren Nachbarschaft man, besonders bei alten
Leuten, häufig in einen blinden Sack eindringt. Hat man sich
falsche Wege gebildet, so erkennt man dieses an einer Mo-
dellirbougie , die dann 2 Coni zeigt. Wird die Sonde an ir-
gend einem der genannten Orte oder an einem andern ange-
halten, so sucht man weniger durch Gewalt, als durch ge-
lindes Balanciren sie weiter zu bringen, und bemerkt sich,
gelingt diess nicht, am Instrumente hart ober der Mündung
des Penis die Stelle , bis wie weit dasselbe eingedrun-
gen ist.
Die Länge der Harnröhre ergibt sich, wenn man
den Catheter während des Ausströmens des Urins langsam
zurückzieht, bis er an die BlasenöfiTnung* gelangt ist, wo
der Ausfluss dann stockt, und dann erst wieder erscheint, wenn
man den Catheter zurückschiebt. Bezeichnet man sich diese
Stelle hart ober dem Penis , so ergibt sich von da bis zum
Fenster des Catheters die Länge der Urethra.
Zur Exploration der ganzen Blase empfiehlt sich der
Catheter von L ero y d'Etiolles, der eine nur 17 — 18 Li-
nien lange kleine Krümmung (von etwa 45°) besitzt , die
Mercier noch verringerte.
Ist nicht genug Harn in der Blase , so mache man eine
Injection von einigen Unzen lauen Wassers in dieselbe. Hier-
auf bringe man den Catheter in der Rückenlage des Kranken
ein, zuerst in einer mit dieser parallelen Richtung, ziehe
dann denselben in der nämlichen Stellung bis zum Scham-
beine und von da zum Kreuzbeine, um das beiläufige Lumen
der Blase zu messen. Zugleich berücksichtige man die Menge
der injicirten Flüssigkeit und nach der Art ihres Ablaufens
die Contractilität der Blase.
Gaal Diagnostik. 3q
466
Hierauf senke man das äussere Ende der Sonde, be-
streiche damit die vordere und obere Wand der Blase, mache
eine halbe Achsendrehung' und untersuche die vordere Wand
derselben, indem man immer von vorne nach hinten geht.
Darnach erforsche man noch die Blase im schiefen Durch-
messer dadurch , dass man den Catheter in eine Querlage
bringt.
Stösst man dabei auf einen Stein , so kann man dessen
Grösse dadurch schätzen, dass man den Weg*, den der Pa-
villon beschreibt, während die Spitze des Instrumentes von
einem Ende des Steines zum andern gelangt, durch 2 theilt ;
z. B. beträgt die Bewegung des Pavillons einen Zoll, so
kann man die Breite des Steines auf '/, Zoll schätzen. Durch
die derartige Untersuchung erkennt man die Beschaffenheit
der inneren Blasenwände ziemlich genau , und entdeckt et-
waige Muskelhypertrophie , Aussackungen , stärkere Ent-
wicklung des Corpus trigonum u. s. w.
M e r c i e r erkennt durch sein eigenes Instrument : a) Ge-
schwülste der Prostata, welche in die Blase ragen, dadurch,
dass er den Catheter gegen den vorderen Rand des Blasen-
halses in eine mit der Achse des Körpers parallele Stellung
zieht , und ihn , indem er ihn bald rechts , bald links dreht,
um die ganze Circumferenz dieser Mündung herum laufen
lässt, dabei aber immer den Griff gelinde anzieht. Ist die
Prostata normal, so stosst das Instrument bei Durchlaufung
des Kreises auf kein Hinderniss ; ist aber eine Vorragung
vorhanden , so muss man es erheben , um diese zu über-
schreiten. Der Griff der Sonde zeigt die Seite des Hinder-
nisses an, der Kreisbogen, den sie durchläuft, von dem Orte
angefangen , wo sie wieder ihre frühere Stellung einnehmen
konnte, gibt die Breite der Geschwust an 5 die Höhe der
letztern wird erkannt, wenn man ober der Eichel, nachsieht,
um wie viel Linien die Sonde gehoben werden musste. Na-
türlich ist eine Untersuchung nicht hinreichend, und müssen
solche wiederholt werden, b) Hypertrophien im Blasenhalse,
467
welche meistens klappiger Art sind, werden an Mercier's
Instrumente leicht durch das eigentümliche Gefühl beim Ein-
führen und Wenden erkannt; eben so e) Hypertrophien,
welche in den prostatischen Theil der Harnröhre ragen , in-
dem , wenn er den Catheter von hinten nach vorne auf die
untere Harnröhrenwand drückend herausführt, sich der Schna-
bel nach der der Vorragung entgegengesetzten Seite neigt,
wenn dieselbe bloss auf einer Seite besteht. Vergrösserung
der Blase von vorne nach hinten wird dadurch erkannt, dass
das Instrument leicht durchgeht, während demnach die Un-
tersuchung durch den Mastdarm eine Anschwellung nach-
weist.
B) Die Prostata.
Die Anschwellung der Prostata wird durch Befühlen
von aussen und durch den Mastdarm erkannt , erreicht aber
selten eine solche Grösse, dass sie sichtbar würde, oder
durch das Plessimeter zu entdecken wäre. Die Untersuchung
durch die Harnsonde leistet hier viel mehr, und aus Vorher-
gehendem dürfte es nicht schwer sein , das Leiden zu er-
kennen. Hat man übrigens den Catheter bis zur hypertrophi-
schen Drüse geführt, und lässt man den Pavillon einen Augen-
blick aus der Hand , so wird das ganze Instrument gewis-
sermassen in die Höhe geschnellt.
C) Hoden und Hodensack.
Die Orchitis bietet die gewöhnlichen Zeichen der
Entzündung dar. Das Exsudat ist entweder ein mehr flüs-
siges oder ein plastisches; hämorrhagisches wird nur durch
Zerreissung der Gefässe bedingt beobachtet.
Bei Sarcom fühlt sich der massig vergrösserte Ho-
den gleichmässig resistent an mit ebener Oberfläche. Der
Nebenhoden ist meist mit verwachsen, bildet aber zuweilen
einen verhärteten Anhang. Bei längerer Dauer der Krank-
heit wird wohl auch der Samenstrang mit in den Krankheits-
process verflochten, nie aber knotig und hart.
30 #
468
Verdickung* der Albuginea wachst sehr lang-
sam, und ist meist mit wässrigem Exsudate in der Scheiden-
haut verbunden.
Krebs des Hodens charakterisirt sich durch die
knotige Härte , welche sich bald auf den Samenstrang ver-
breitet , und mit sympathischer Anschwellung der Nachbar-
drüsen vergesellschaftet. Vom Schornsteinfegerkrebse ward
schon gesprochen.
Markschwamm wächst schnell, und wird als eine
weiche , zuweilen scheinbar fluctuirende Geschwulst er-
kannt.
Hydrocele tunicae vag inalis lestis wird an
der Durchsichtigkeit beim Gegenhalten eines Lichtes an ei-
nem dunklen Orte erkannt, und stellt eine anfangs ovale, bei
Zunahme der Flüssigkeit aber birnförmige, gespannte, glatte
Geschwulst des Hodensackes dar, an dem die Runzeln sich
verlieren und die Raphe zur Seite verschiebt, und welche
zuweilen eine solche Grösse erreicht, dass der Penis ganz
zurückgezogen erscheint. Fluctuation ist meistens zugegen.
Die Hydrocele funiculi spermatici zeigtdie-
selben Eigenschaften, nur ist hier die Geschwulst länglich
nach dem Bauchringe hin sich ziehend , und wenn der Schei-
dencanal nach oben offen wäre (H. adnatri), in horizontaler
Lage des Kranken durch Druck in den Bauch zu entleeren.
Der Hode ist frei, und an der Basis der Geschwulst deutlich
zu fühlen.
0 edema s cro ti ist eine Wasseransammlung im Zell-
gewebe des Hodensackes, und unterscheidet sich in nichts
von ödematösen Geschwülsten anderer Organe.
Hämatocele äussert sich durch ähnliche Symptome
wie die Hydrocele ; die dabei enthaltene Flüssigkeit ist Blut,
das durch Verletzung aus den Gefässen austritt.
Varic oc el e stellt sich als ein Paquet weicher, kno-
tiger, wellenförmiger Stränge längs des b'uniculus sperma-
ticus dar , die durch Fingerdruck auf einen Augenblick ver-
469
schwinden , und zuweilen Morgens im Bette klein sind. Das
Scrotum ist auf der betreffenden Seite schlaffer und schwitzt
mehr als auf der andern.
DJ Die umgebenden T heile.
B ubon e n nennt man harte, unebene, etwas verschieb-
bare Geschwülste der Leistengegend, die durch aufrechte
Lage , Husten und Drängen nicht vergrössert werden, und
mit den nahen Lymphgefässen in fühlbarer Verbindung stehen.
Meistens ist Syphilis als Ursache nachweisbar. Häufig geht
die Leistenbeule in Abscessbildung über unter den gewöhn-
lichen bekannten Erscheinungen.
Verwechslung mit einer Hernie ist kaum denkbar. Mit
Zurückbleiben eines Hodens im Leistencanale und Entzün-
dung desselben durch Einklemmung oder Quetschung stim-
men die Erscheinungen wohl ziemlich überein , doch hellt
die Abwesenheit des Hodens im Scrotum den Irrthum auf.
Untersuchung der weiblichen Geschlecht s-
theile.
Die Untersuchung derselben erfordert grosse Übung des
Tast- und Gesichtssinnes , um so mehr , da die Exploration
des Uterus durch dessen verborgene Lag*e und durch die
vielen Veränderungen, die er in den Geschlechtsphasen des
Weibes erfährt, die aber oft individuelle Verschiedenheiten
darbieten, mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen hat.
Percussion und Auscultation geben besonders für die Er-
kenntniss der Schwangerschaft werthvolle Zeichen.
Die Untersuchung zerfällt in eine äussere und eine
innere.
A. Äussere Untersuchung.
Inspection. Die Untersuchung durch den Gesichts-
sinn verletzt zwar den Anstand mehr, als jene durch Palpa-
tion , ist aber in vielen Fällen unerlässlich.
470
Behufs derselben muss die zu untersuchende Frau auf
den Rand eines dem Tages- oder Kerzenlichte zugekehrten
Tisches oder Bettes mit dem Steisse sitzen, den Oberleib
stark zurückbiegen, und die Füsse mit weit von einander ent-
fernten Knien auf zwei Stühle stellen. Nun betrachtet man
die Form und Grösse des Unterleibes , die Einbiegung am
Kreuzbeine, berücksichtigt das Verhalten des Nabels und
der Bauchdecken, ob diese faltig, schlaff, mit narbenartigen
Streifen besetzt (bei solchen, die schon geboren haben)
oder gespannt sind. Unter einem nehme man nicht allein auf
die Grösse der Brüste und die Färbung des Hofes ihrer War-
zen Rücksicht (in der Schwangerschaft, besonders in der
ersten Hälfte wird diese braun), sondern betrachte auch die
weisse Bauchlinie, welche meistens bei Brünetten zur Zeit
der Gravidität braun tingirt erscheint.
Zur Besichtigung des Scheideneinganges entferne man
die grossen und kleinen Schamlippen von einander, und be-
trachte besonders die innere Fläche der Letzteren. Hier hat
man zu beachten , ob der Scheideneingang' weder zu weit
vorne, noch zu weit hinten liegt, und werden zuweilen die
Clitoris Betreffs ihrer Grösse , die kahnförmige Grube , die
Harnröhrenmündung , das Hymen und die Carunculae myr-
tiformes , welche man nicht mit gespitzten Condylomen ver-
wechsle , Objecte der Untersuchung.
Aus den Ausführungsgängen der Bartholinischen Drü-
sen kommen zuweilen, bei Abscess derselben, durch ange-
brachten Druck Eitertropfen zum Vorscheine.
Der Damm wird, um einen vorhandenen Einriss, Gan-
grän u. s. w. zu erkennen, am passendsten in der Seitenlage
besichtiget, wobei man dieNates etwas von einander entfernt.
Mensuration. Bei Schwangern ist es wichtig , sich
über die räumlichen Verhältnisse des Beckens Aufschluss
zu verschaffen. Man kann im Allgemeinen annehmen, dass
wenn regelmässiger Körperbau , guter Gang auf nicht ver-
krümmten Beinen und gehörige Haltung des Rumpfes gefun-
471
den werden , auch das Becken wenig* Abnormitäten dar-
bieten wird.
Um den Abstand der Hüftbeine von einander , der im
Normalzustande bei ausgebildeten Frauen 9—10 Zolle be-
trägt, zu bemessen, legt man an jeden Hüftbeinkamm eine
Hand , und schätzt ihre gegenseitige Entfernung obenhin ab,
oder bedient sich des graduirten Bandes. Ebenso beurtheilt
man den Abstand beider Trochanteren (der 12 — 13 Zolle be-
trägt) und die Entfernung der Schambeinvereinigung* von
dem oberen Theile des Kreuzbeines. (Normal: 7 Zolle.)
Dass solche Messungen, selbst bei grosser Übung, nur
ungefähre Bestimmungen ergeben, ist wohl einleuchtend; doch
möchten sie für practische Zwecke gewöhnlich hinreichen.
Handelt es sich um grössere Genauigkeit, so nimmt man den
Tasterzirkel zu Hilfe.
Den Abstand der Tubera Ischii erhält man nach
Siebold, wenn die auf dem Rücken liegende Frau die
stark ausgespreizten Beine gegen den Bauch richtet , durch
Messen mit dem Tasterzirkel.
Palpation. Der Tastsinn sucht sich nicht allein über
die Beschaffenheit der äusseren Theile des Unterleibes , des-
sen Form, Glätfe, vorhandenen Narben u. s. w. in den Bauch-
wandungen , die Stärke der Muskeln und der Fettablagerung
Aufschluss zu verschaffen, sondern prüft besonders die tiefer
gelegenen Organe auf Form , Umfang , Resistenz und Be-
weglichkeit.
Die Untersuchung wird in verschiedenen Lagen vorge-
nommen, doch ist meistens die Rückenlage mit sehr angezo-
genen Füssen für die Untersuchung der in der Bauchhöhle
gelegenen Organe die passendste, da bei Erschlaffung der
Bauchdecken diese dem Tastsinne mehr zugänglich werden.
Die Untersuchung im Stehen wird vorgezogen, wenn
man die anomale Vorwärtsneigung* des ausgedehnten oder
schwangeren Uterus schätzen will, oder Hernien oder andere
Geschwülste im Stehen mehr vortreten. Die untersuchende
472
Hand sei massig1 erwärmt, und ihr Druck werde auf den nack-
ten Unterleib nur mit steigender Stärke, nie plötzlich aus-
geübt.
Der Arzt stehe bei der Untersuchung* im Liegen zur
rechten Seite der Kranken, da auch seine rechte Hand vor-
zugsweise in Anspruch genommen wird. Bei der Exploration
im Stehen knie der Arzt vor der mit dem Rücken an die
Wand gelehnten Kranken mit dem Knie derjenigen Seite
nieder, welcher die untersuchende Hand angehört. Einige
hingegen wollen , dass man, wenn man mit der rechten Hand
untersucht, aufs linke Knie sich niederlasse, den Ellenbo-
gen aber auf das rechte Knie stütze, um der Hand dadurch
mehr Kraft und Ausdauer zu geben, an welcher es, wenig-
st ens für die äussere Untersuchung, kaum Jemand fehlen dürfte.
Die Untersuchung selbst beginnt damit, dass die rechte
Hand des Arztes vom linken Fussgelenke der zu Untersu-
chenden über den Schenkel derselben zum Trochanter streift,
und sich auf diesem Wege über die Beschaffenheit der H-aut,
der Musculatur, die Stellung desFusses, vorhandene Vari-
cositäten u. s. w. zu belehren sucht. Nun wendet sich die
Hand zur Kreuzgegend, untersucht deren Einbiegung und
die Breite und Vorragung des Os sacrum. Dann schreite man
über den linken Hüflbeinkamm, dessen Neigung berücksich-
tigend , zum Unterleibe der Frau, und prüft diesen auf alle
palpablen Eigenschaften. Geht man dann zu den Weichen
herab, so ist zu beachten, ob sich nicht Bubonen, Hernien
u. s. w. daselbst vorfinden, und die Breite, Wölbung und Be-
haarung der Schamgegend zu schätzen. An den Schamlip-
pen fühlt man deren Grösse, Form, Vorragung der Nymphen,
Abstehen von einander, ödematöse öder varicöse Beschaffen-
heit u. s. w., untersucht die Scheidenklappe und den Damm
auf vorhandene Cohäsionsfehler, Excrescenzen u. dgl. End-
lich streift man mit der Hand über den rechten Schenkel von
dessen Hüftbeinkamme herab und beachtet dasselbe , was am
linken Fusse die Aufmerksamkeit erweckte.
473
Zur Untersuchung' der Gebärmutter setzt man eine Hand
quer auf den Unterleib dort auf, wo man den Fundus uteri
vermuthet , und drückt während des Ausathmens der Frau
den Ulnarrand der Hand über denselben möglichst tief ein,
und sucht dann den runden härtlichen Körper zu umschreiben.
Doch ist es in vielen Fällen kaum möglich , den Uterus an
seiner Resistenz zu erkennen , besonders in den ersten Mo-
naten der Schwangerschaft; oft schmilzt auch seine Form
mit angränzenden Geschwülsten zusammen, so dass sie sich
nicht immer umschreiben lässt. Zu bemerken ist übrigens ,
dass die Gebärmutter nicht selten ausser der Mittellinie des
Körpers zu liegen kommt, und es ist oft im Puerperalzu-
stande der Fall, dass sie sich in der rechten Weiche befin-
det, wo man sich hüten muss, sie mit dem Eierstocke zu
verwechseln.
Will man die Grösse des Uterus annäherungsweise durch
die Palpation erkennen, so drückt man, besonders in auf-
rechter Stellung des Weibes, mit dem in die Scheide ge-
brachten beölten Zeigefinger einer Hand die Gebärmutter
gegen die andere, aussen am Bauche angelegte in die Höhe.
Die Bewegung der Kindestheile verräth sich der aufge-
legten Hand bei hinreichender Erschlaffung der Bauchdecken
durch das Gefühl kleiner, harter, unter den Händen hinrut-
schender Theile. Diese Bewegungen sind des Morgens, und
wenn die Hände kalt sind, besonders deutlich, doch entste-
hen durch die Kälte nicht selten convulsivische Bewegungen
einzelner Theile der Bauchmuskeln, womit man das Anstrei-
fen der Kindestheile nicht verwechseln soll. Bisweilen kann
man dieFluctuation des Fruchtwassers äusserlich wahrnehmen.
Da alle Geschwülste der Tuben , der Eierstöcke u. s. w. dem
Tastsinne ziemlich zugänglich sind, so ist bei deren Gegen-
wart die manuelle Untersuchung mit möglichster Genauigkeit
vorzunehmen, und deren Form, Beweglichkeit, glatte oder
höckerige Oberfläche und Resistenz sorgfältig' zu prüfen.
Percussion. Der normale, nicht schwangere Uterus
474
ist im kleinen Becken begraben, und erst am Ende des dritten
Schwangerschaftmonates steigt dessen Grund so weit über
den Beckeneingang, dass er derPercussion zugänglich wird.
Hat man die schwangere Gebärmutter in dieser oder
einer späteren Zeitperiode durch die Percussion zu untersu-
chen, so muss, nach vorläufiger Entleerung der Urinblase
und des Mastdarmes, das Plessimeter gehörig tief in die
Bauchdecken eingedrückt werden, um der Gebärmutter mög-
lichst nahe zu kommen, und um etwa vorgelagerte Darm-
schlingen zu entfernen.
Die Percussion gibt dann leeren, dumpfen Schall, der
im Umkreise in denDaimton übergeht, mit nicht unbedeuten-
dem Widerstände.
Mit der Zunahme der Schwangerschaft steigt dieser
Percussionsschall nach aufwärts , selbst bis über den Nabel
und gränzt dort an den Magenton. Es lässt sich dann durch
die ganze Dauer der Schwangerschaft der Umfang des Ute-
rus ziemlich genau angeben. Allein selbst nach der Entbin-
dung und nach Wegnahme des Mutterkuchens wird durch
die Percussion die Gebärmutter in Gestalt einer faustgrossen,
resistenten Kugel über den Schambeinen nachgewiesen.
Bei erschlafften Bauchdecken und mageren Individuen
ist es möglich, durch den Widerstand bei der Percussion den
unter dem Plessimeter gelegenen Kopf des Kindes zu er-
kennen.
Was die Percussion für die Diagnose der Hypertrophie
des Uterus, dieFibroide u. s. w. zu leisten im Stande ist,
ist einleuchtend. Innere Blutung nach der Entbindung gibt
sich durch matten Percussionsschall in grösserer Ausdehnung,
ohne bedeutenden Widerstand zu erkennen. Die Zeichen der
Hydrometra dürften dieselben sein.
Tympanitis uterinalis Hesse sich, ausser der fühlbaren
Vergrösserung und Zunahme der Elasticität , durch einen
tympanitischen Percussionschali erkennen.
An den Muttertrompeten könnten der seltene Hy-
%75
drops und die Tubenschwangerschaft durch dieplessimetrische
Untersuchung nachzuweisen sein.
Die Eierstöcke werden nur im krankhaften Zustande
Objecte der Untersuchung durch Percussion. So lange das
Volumen derselben nicht besonders vergrössert wiid, so
bleiben sie zwischen Uterus und seinen seitlichen Anhängen
im Becken gleichsam eingekeilt. Bei ihrer Vergrösserung
aber durch Entzündung, Abscess, Hypertrophie, Cystenbil-
dung, Krebs u. s. w. wächst ihr Umfang, im Falle sie durch
pseudomembranöse Adhäsionen fixirt sind , nach aufwärts ;
ist letzteres aber nicht der Fall, so steigen sie in den Bauch-
raum herauf und stellen dort verschiebbare Geschwülste dar,
die nur durch Anlöthungen an Nachbargebilde , oder durch
übergrosse Ausdehnung unbewegbar werden , sich aber im-
mer durch den matten Percussionsschall und vermehrten Wi-
derstand zu erkennen geben. In den Ovarien eingeschlossene
Flüssigkeit kann unter günstigen Umständen durch den schon
beschriebenen vibrirenden Hydatidenton beim Anklopfen sich
äussern.
In der Regel erkrankt nur ein Eierstock, demgemäss
werden die plessimetrischen Zeichen nur auf einer Seite ge-
funden. Darmschlingen über dem erkrankten Ovarium geben
sich durch hellen , leeren , tympanitischen Schall zu erken-
nen. Verwechslung mit Ascites ist nicht wohl möglich, in-
dem die Flüssigkeit, mithin auch der matte Percussionsschall,
bei geänderter Lage des Kranken ihren Platz wechselt, bei
Hydrops Ovarii aber diess nicht Statt findet.
Auscultation. Die Anlegung des blossen Ohres an
den Uterus ist Anstandshalber nicht zulässig. Die von N au-
ch e und Anderen empfohlenen Metroscope, welche man
durch die Vagina an den Uterus applicirt, haben keine Auf-
nahme gefunden; die Auscultation mittelst des an die vordere
Bauchwand gesetzten Stethoscopes ist auch in allen Fällen
vorzuziehen.
Die Lage des zu untersuchenden Weibes kann verschje-*
476
den sein , doch habe ich fast immer die Indagation in der
Rückenlage vorgenommen. Die Ordnung, welche dabei beob-
achtet wird, ist, dass wir mit demStethoscope an der Linea
alba von oben nach abwärts rücken, und dann die Seiten-
teile mit einander vergleichen.
Lejumeau de Kergeradec war der erste, der
seine Zeitgenossen darauf aufmerksam machte, dass die
Schwangerschaft auch durch gewisse auscultatorische Er-
scheinungen erkannt werde.
Die Bewegung der Frucht gibt sich, wiewohl erst
in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft, doch nach Nae-
gele schon einige Wochen früher dem Ohre zu erkennen,
als der aufgelegten Hand. Es ist eine Art von Reibungsge-
räusch , das mit dem Alter des Fötus an Stärke zunimmt,
und solange es besteht, als untrügliches Zeichen des Le-
bens desselben gelten kann.
Muskelcontractionen der Gebärmutter während intensi-
ver Wehen , nach dem Sprunge der Blase stellen das soge-
nannte Wehenknarren dar.
Nach Adelmann's Beobachtung sollen jene Frauen,
bei denen es stark entwickelt zu hören war, später in Peri-
tonitis verfallen sein; vielleicht trägt schon ein subinflamma-
torischer Zustand der beiden Peritonäalblätter das S einige
zur Erzeugung desselben bei; — jedenfalls ist dessen Vor-
handensein nicht ohne Bedeutung für die Prognose des Puer-
perium.
Durch die Auscultation hört man zuweilen ein Fluc-
tuationsgeräusch des Fruchtwassers, ohne dass man
aber daraus besonderen Nutzen für die Diagnose ziehen
könnte.
Das Uteri nalge rausch ist ein, selten vor Ende
des 4. Schwangerschaftsmonates zu vernehmendes , eigen-
tümlich blasendes, bald dröhnendes, bald metallisch klin-
gendes Geräusch, von wechselnder Siirke, das an einer
Stelle des Uterus , meist an dem Grunde desselben , aufge-
477
fanden wird , häufig' aber seinen Ort verändert. Es entsteht
nach Dubois in den Gefässen der Gebärmutter, und nicht,
wie Kergeradec glaubt, in der Placenta, da es sonst
seinen Sitz nicht so oft wechseln und selbst nach Austrei-
bung derselben noch fortbestehen könnte, ja zuweilen selbst
im nicht schwangeren Uterus gehört würde , z. B. wenn Ge-
schwülste in ihm wachsen. Da die Gefässe der Gebärmutter
in der Nähe der Placenta am stärksten entwickelt sind, so
ist es auch häufig daselbst stärker zu hören , ohne aber den
Sitz des Mutterkuchens mit Bestimmtheit dadurch anzuzeigen.
Ungleich wichtiger, als alle eben angeführten Geräusche
ist für den Arzt der Fötalpuls, ein demTik-tak einer
Taschenuhr nicht unähnlicher, wie aus der Entfernung zu
vernehmender Doppelschlag.
Derselbe ist von den Pulsschlägen der Mutter ganz un-
abhängig , wird mit der Entwicklung des Fötus stärker,
aber langsamer, so dass er von 150 auf 130 Schläge in der
Minute sinkt, ist meistens an der der Insertion der Placenta
entgegengesetzten Stelle deutlicher hörbar, wechselt aber
häufig seinen Ort , besonders, wenn der Fötus sich bewegt,
und verschwindet oft für einige Stunden gänzlich.
Morgens ist der Doppelschlag gewöhnlich schneller als
Abends , und wird durch eine, für die Schallleitung günstige
Lage des Kindes, wenn z. ß. durch dessen Rücken die vor-
dere Uterinalwand an die Bauchdecken angepresst ist, be-
sonders stark dem Beobachter zugemittelt. Ist aber die Lage
ungünstig für die Schallleitung, oder ist viel Fruchtwasser
vorhanden , so kann man den Herzschlag des Fötus nicht
hören. Derselbe rückt mit der Frucht während der Geburt
tiefer ins Becken herab, und verschwindet nach deren Vollen-
dung, wenn nur ein Kind in der Gebärmutter eingeschlos-
sen war.
Der Doppelschlag ist dem zu Folge ein untrügliches
Zeichen der Schwangerschaft , selbst wenn andere Symp-
tome derselben fehlen sollten; sein Dasein gibt über dasLe-
478
ben des Kindes Gevvissheit , wenn auch dessen Bewegung
nicht gefühlt werden könnte. Sollte er aber durch einige
Tage nicht mehr zu finden sein , so dürfte die Leibesfrucht
kaum mehr am Leben sein.
Der Fötalpuls ist es, welcher gewisse operative Ein-
griffe dem Geburtshelfer unerlässlich gebietet , viele modifl-
cirt, andere als überflüssig oder selbst schädlich erkennen
lässt. So wird bei Wehenschwäche , wenn der Doppelschlag
matt j oder gar aussetzend vernommen wird , nur schleunige
Anwendung der Zange das Kind lebend ans Licht fördern ;
wird man, wenn dieses scheintodt geboren wurde, Belebungs-
versuche beharrlich anwenden , wenn man kürzlich erst die
Pulsation gehört hat; so wird das Fehlen des Doppelschlages
den Kaiserschnitt verbieten, und die Zerstückelung als nöthig
erkennen lassen , um das Leben der Mutter nach Möglich-
keit zu schonen; er wird im Gegentheile von letzterer Ope-
ration abhalten, so lange der Tod der Leibesfrucht noch nicht
mit Gewissheit nachgewiesen ist. Selbst für die Diagnose von
Zwillingsschwangerschaften ist die Beachtung dieses Zei-
chens vom Belange, wenn nämlich an beiden Seiten des Ute-
rus Doppelschläge gehört werden, welche in Zahl und Rhyth-
mus mit einander nicht übereinstimmen , oder wenn ein sol-
cher nach Austreibung einer Frucht noch zu vernehmen ist.
Nach Stolz, Nägele und Depaul dient die Aus-
cultation des fötalen Herzschlages selbst zur Bestimmung
der Kindeslage, und ich verweise auf deren Werke, worin
die geburtshilfliche Auscultation vollkommen dargestellt sich
findet.
Die Pulsation der Nabelschnurarterien soll
nach Adelmann und Nägele mit dem ersten Tone des
Doppelschlages isochron, als ein dem Nonnengeräusche
Chlorotischer zu vergleichender Schall zu hören sein.
Ohne nun die Richtigkeit dieser Beobachtung in Zweifel
zu ziehen, glaube ich nur, dass sie sich sehr schwierig ma-
chen lasse , und dass diess Geräusch vielleicht nur in dem
479
Falle von vielfacher Windung* der Nabelschnur und Com-
pression derselben zwischen dem Kindskopfe und der vor-
dem Uterinalwand zu hören sein dürfte. Nägele hörte es
bei Umschlingung der Nabelschnur um den Hals der Frucht,
und schloss auf Kopflage , wenn er es tief im Becken , auf
Steisslage derselben, wenn er es hoch oben am Fundus
uteri vernahm.
Dass die Diagnose von Ex trau t erinsc hwang'er-
schaft durch die Auscultation wesentlich gefördert werde,
ist aus Obigem zur Genüge ersichtlich.
B) Innere Untersuchung.
Inspection. Die Besichtigung der Scheide und des
unteren Abschnittes des Uterus wird mittelst der Schei-
denspiegel vollführt.
Dieselben sind entweder aus einem röhrenförmig'en Stücke
bestehend, oder aus mehreren Blättern zusammengesetzt.
Erstere , die man wenigstens von dreierlei Länge und Cali-
ber vorräthig haben muss , gewähren den Vortheil , dass
man bei nur einigermassen weiter Vagina deren Wände se-
hen und deren Faltung folgen, somit auch genauer in der
Führungslinie derselben vordringen kann , während die ge-
seilten Specula leichter selbst in enge Scheidencanäle ein-
zubringen sind, und besonders, wenn sie an ihrem vordem
Ende mehr erweitert werden können , einen grösseren Theil
der Vaginalportion sichtbar machen. Die zweiblättrigen Spe-
cula sind nur bei straffer Scheidenwand anwendbar, indem
sich gerne Schleimhautfalten zwischen die aus einander tre-
tenden Blätter senken; besser begegnen diesem Übelstande
die vierblättrigen Mutterspiegel.
480
Beigefügte Abbildung' versinntlicht die
ganzen Specula; sie sind von Zinn oder Glas,
letztere jedoch weniger für die Exploration
tauglich , als zur Injection caustischer Flüs-
sigkeiten.
Ricord's Speculum besteht aus zwei
rinnenförmigen conischen Blättern, deren un-
teres Drittheil etwas nach aussen umgebogen
ist. Hier ist der untere Rand der Blätter durch
ein Gelenk beweglich verbunden, damit nicht der empfind-
liche Scheidenring* durch dieses gezerrt werde. AriTäusseren
Ende kann das Instrument hebelartig durch Handhaben ge-
schlossen und geöffnet werden. Letztere sind noch durch
einen grnduirten Kreisbogen verbunden , und können durch
eine daran angebrachte Schraube festgestellt werden.
Das Weisse'sche Speculum hat drei Arme, wie
das zur Untersuchung des Afters bereits angegebene. Char-
riere hat Rico r d's Instrument noch mit zwei Blättern ver-
sehen, welche eine etwas abgeplattete, am unteren Ende
sich trichterartig erweiternde Röhre darstellen. Um die Ein-
führung zu erleichtern ; ist es mit einem an einem Ende
stampf kegelförmig zugespitzten Leitungsknopfe versehen.
Segalas empfiehlt noch ein Speculum, das erweitert
eine vollständige Röhre darstellt, und aus drei rinnenarti-
4SI
gen, geraden Blättern besteht, deren eines mit den beiden
übrigen nach der ganzen Länge seiner Ränder durch ein
Charnirgelenk verbunden ist. Eines dieser zwei Blätter wird
von dem andern dachziegelförmig bedeckt , so dass das In-
strument im geschlossenen Zustande als stark abgeplattete,
beim Öffneu aber als runde Röhre erscheint , deren Wände
von den drei Blättern gebildet werden. An den äussern En-
den der zwei untern Blätter sind zwei hebelarüg wirkende
Handhaben befestiget, bei deren Zusammendrücken die Blät-
ter sich von einander entfernen. An dem Speculum sind fer-
ner der Leitungsknopf und die Stellschraube nicht vergessen.
Einführung des Mutter spie g eis.
Ehe man zur Untersuchung schreitet , lasse man Blase
und Mastdarm entleeren, und sorge für zweckmässige Lage-
rung der Kranken auf dem Sp ec ulirb e t te , welches aus
Kissen derart aufgerichtet wird , dass der Steiss am höch-
sten liegt , und der zurückgebeugte Oberleib nur eine nie-
dere Unterlage bekömmt, die Füsse stark angezogen, die
Knie von einander entfernt sind , und dem durch ein Fenster
einfallenden Lichte der Zugang zu den Geschlechtstheilen
gestattet ist. In der Privatpraxis ist Querlage auf dem ähn-
lich zugerichteten Bette und Aufstellen der Füsse auf zwei
Stühle hinreichend. Selten bedarf man der Knieellbogenlage
zur Exploration. Kiwisch von Rot t er au empfiehlt zur
Schonung des Schamgefühles das Speculum von einem wohl-
eingeübten Weibe einführen , und alle Theile herum bede-
cken zu lassen , so dass die zu Untersuchende vor den Au-
gen des Arztes äusserlich gar nicht entblösst erscheint.
Gut ist es , vor der Einführung des Instrumentes die
Scheide mit einem Finger zu untersuchen, um über die Wahl
der Instrumente, die Lage und Richtung des Uterus und den
Zustand der Vagina vorläufig das Nöthige zu erfahren.
Mit dem Zeige- und Mittelfinger der linken Hand ent-
Gaal Diagnostik. 31
482
fernt man nun die grossen und kleinen Schamlippen und macht
den Vaginalmund zugängig.
Nun führt man das massig erwärmte und aussen beöhlte,
geschlossene Speculum in gleicher Richtung mit der Achse
des Scheideneinganges in denselben , indem man es an die
hintere Commissur, oder wo das Hymen noch vorhanden ist,
an letzteres etwas andrückt. Nun bewegt man das Instrument
in gelinde drehender Bewegung gegen die Kreuzbeinaus-
höhlung, lässt nun die Schamlippen aus der linken Hand,
da sonst schmerzhafte Spannung entstände, vermeide dabei
Haare einzuklemmen, und wende nie gegen etwaige Hinder-
nisse Gewalt an.
Ist der Scheidenspiegel fast zur Hälfte eingedrungen,
so muss man sein vorderes Ende noch mehr gegen die Kreuz-
beinaushöhlung senken, um den Mutterhals in das Gesichts-
feld zu bringen.
Ganze Specula werden leicht in der Richtung einge-
bracht , in der die quere Spalte , welche durch Aneinander-
liegen der obern und untern Vaginalwände entsteht, zu fin-
den ist, und in die Mitte der Lichtung gebracht werden kann;
auf diese Weise und indem man dieser Querfalte folgt , ist
es selten schwierig, den Muttermund zu tretfen , natürlich
muss man dabei immer in das Instrument blicken.
Ist das Instrument wohl eingebracht , so geschieht es
dennoch , dass sein Lumen nur von der Scheidenhaut erfüllt
wird , dass man nur einen blinden Sack des Scheidengewöl-
bes zu Gesichte bekömmt, oder dass die Vaginalportion der
Gebärmutter sich an einen oder den andern Rand des Spe-
culums legt. In diesen Fällen ziehe man letzteres ein wenig
zurück, um es neuerdings vorzuschieben. Würde man aber
die Stellung des Instrumentes ändern , um den Muttermund
zu fassen, ohne es wieder zurückzuziehen, so würde man
ihn sicher nicht ins Gesichtsfeld bekommen.
Zuweilen sucht man den Muttermund durch Einführen
eines mit einem weichen Knopfe versehenen Stäbchens in die
483
Öffnung' des Instrumentes zu bringen , was in allen Fällen
möglich ist, in welchen die Dislocation keine unveränder-
liche ist.
Madame Boivin hat zu diesem Zwecke, besonders,
wenn der Mutterhals stark nach vorn gerichtet ist, ein S-för-
miges , vorne mit einem Ringe versehenes Stäbchen em-
pfohlen.
Die sich öffnenden Mutterspiegel werden auf gleiche
Weise wie die geschlossenen eingeführt , und dann allge-
mach geöffnet, wobei die Schenkel durch die Stellschraube
fixirt werden, und man den locker gewordenen Leitungs-
knopf zurückzieht.
Das Herausnehmen der Specula geschehe vorsichtig,
langsam und ebenfalls nach der Führungslinie; hat man ein
mehrblättriges Instrument zu entfernen , so schliesse man
die Blätter der Schraube durch langsames Zurückdrehen der-
selben, um Zerrung und Einklemmung der Scheidenschleim-
haut zu vermeiden.
Zuweilen ist es nöthig , statt des Tageslichtes künst-
liche Beleuchtung zu Hilfe zu nehmen, so wie angesam-
melte Secrete durch Wegwischen mit Charpiepinseln oder
Injectionen zu entfernen.
Manche schmerzhafte und entzündliche Zustände der
Vagina verbieten die Untersuchung durch den Scheidenspie-
gel. Bei enger Scheide hat man gerathen , diese durch vor-
läufiges Einlegen von Pressschwamm oder nach Fenner
durch ein kleines vor dem Speculum befestigtes Luftkissen
zu erweitern.
Die Ergebnisse der lnspection sind sehr verschieden.
Die Vagina hat verschiedene Farben, vom schmutzigen Weiss
bis zum violetten Blau. Letzteres rührt von grösserem Blut-
gehalte der Scheide her , und ist bei der Menstruation und
in den letzten Schwangerschaftsmonaten kein seltener Be-
fund. Zuweilen findet man dann auch die Schleimdrüsen sehr
vergrössert und ein rahmartiges Secret absondernd.
31 *
484
Ferner betrachtet man am Uterus sowohl, als an der Va-
gina Continuitätsstörungen , Excoriationen und Geschwüre ,
Excrescenzen fungöser und condylomatöser Art, Polypen
u. s. w. In der Scheide habe ich fast nur gespitzte Condy-
lomen gefunden , am Uterus hingegen häufig breite , die nur
als wenig erhabene, weissliche, rundliche, nicht wegwisch-
bare Körper zu erkennen waren. Das aus dem Uterus quel-
lende Secret ist mit einem Pinsel aufzufangen und genau,
selbst microscopisch zu untersuchen. Zäher, glasartiger oder
trüber Schleim hängt oft am Orificium uteri , nach Art eines
Wasserfalles , als bandförmiger Streif herab.
Nothwendig ist es, die Beschaffenheit der sichtbaren
Vaginalportion des Uterus im physiologischen Zustande zu
kennen, um dessen krankhaftes Verhalten mit Sicherheit beur-
theilen zu können.
Die Vaginalportion ist in der Regel an der hinteren
Fläche um etwas länger, als an der vordem, und scheinbar
im Ganzen um so viel mehr, als der Uterus tiefer steht, die
Cervicalportion schlanker und der Scheidengrund schlaffer
ist. (Kiwis eh.) — Wird aber der Uterus in die Höhe ge-
hoben , oder der Cervicaltheil so sehr vergrössert , dass er
den Scheidentheil nicht einstülpen kann, so verschwindet
diese scheinbare Länge der Vaginalportion.
Bei der Jungfrau ragt die vordere Muttermundlippe über
die hintere vor*, zwischen beiden zeigt sich das Orificium als
quere Spalte , das Gefüge als derb , elastisch und die Farbe
als rosenrothe. Doch kommen selbst im Normalzustande, z. B.
während der Menstruation, häufig Abweichungen von diesen
Verhältnissen vor.
Während der Schwangerschaft erweicht sich der ganze
Vaginaltheil und verklebt (besonders bei Erstgebärenden)
der Muttermund , so dass er selten offen gefunden wird. Im
Anfange der Schwangerschaft erscheint der Vaginaltheil ver-
längert und rückt tiefer herab ; im späteren Verlaufe derscl-
485
ben wird er kürzer, die Scheide verlängert und der Mutter-
mund schräg* nach rückwärts gerichtet.
Bei Personen; die schon geboren haben, ist der Mutter-
mund häufig narbig eingezogen und zerklüftet, die Gestalt
der Lippen mannigfach verändert.
In der Periode der Involution sieht man den Canal des
Mutterhofes verengt, und kann durch gleichzeitiges Zufüh-
len den Vaginaltheil schlaff, lederartig und selbst von knor-
peliger Härte finden.
Palpation. Diese Untersuchungsweise, welche für
den Geburtshelfer die nützlichste ist, die aber grosse Übung
erfordert, geschieht entweder durch die Scheide oder durch
den Mastdarm.
Untersuchung durch die Scheide,
Man erfährt hiedurch zuerst den Zustand der äussern
Geburtstheile , da man nur über diese zu den innern Par-
tien gelangen kann. Ist man in die Scheide gelangt, so achte
man auf die Form des Einganges, die Länge und Weite der
Vagina, ihre Verbindung mit dem Uterus, Verschliessung,
Endigung in einem blinden Sack, Duplicität, Geschwülste,
den Zustand der Schleimhaut, ob sie straff, rigide, oder
schlaff, vorgefallen, feucht oder trocken sei, welcher Art
das Secret sich erkennen lasse, ob ihre Temperatur normal
oder erhöht gefühlt werde u. s. w. Dann suche man sich über
die Grössenverhältnisse und Resistenz des Mutterhalses, so
wie seine Oberfläche Aufschluss zu verschaffen.
An dem Muttermunde ist zu berücksichtigen : die Grösse
und Stellung seiner Lippen, seine Form , glatte oder narbige,
eingerissene Beschaffenheit , ob derselbe offen stehe oder
nicht, und wie tief die Fingerspitze in denselben eingebracht
werden kann; durch Drängen des Scheidengewölbes nach
oben sucht man dem Gebärmutterkörper seitlich beizukom-
men, und dessen Form und Lageverhältnisse, Resistenz,
Schwere und Beweglichkeit zu erforschen. Zuweilen kann
486
man auch zugleich die erkrankten Eierstöcke mit dem Finger
erreichen und durch das Gefühl prüfen.
Sehr wichtig* aber ist die Untersuchung des Beckens
durch die Palpation , welche sich hier mit der Mensuration
verbindet.
Die Untersuchung im Stehen ist gewöhnlich die zweck-
mässigste , doch wird dieselbe auch im Liegen vorgenom-
men , besonders bei stark beleibten Personen, bei welchen
das Gewicht der Unterleibsorgane die tiefer gelegenen Theile
im Stehen zu sehr herabdrückt (Lisfranc), oder wenn
Lageveränderungen erforscht werden sollen, die nur im Lie-
gen hervorgebracht werden. In der Rückenlage muss der
Steiss durch untergeschobene Kissen stark erhöht werden.
Zuweilen wird die Indagation auch in der Seitenlage vorge-
nommen, besonders wenn man dieselbe durch die Scheide
und den Mastdarm machen, oder über seitliche Abwei-
chungen des Uterus, gewisse Kindcslagen u. s. w. Aufschluss
erhalten will. Zwischen die Knie ist dabei ein Kissen zu ge-
ben, und die Oberschenkel müssen stark angezogen werden.
Die Knieellbogenlage ( d la vache) ist fast ausser Gebrauch,
und dürfte höchstens bei Rückwärtsbeugung des Uterus, wenn
man den nach vorne gelagerten Muttermund in keiner andern
Stellung erreichen kann, zu empfehlen sein.
Die Untersuchung im Sitzen auf dem Bett- oder Stuhl-
rande findet bei Kreissenden zuweilen Anwendung.
Die Indagation geschieht entweder mit dem Zeigefinger
oder mit 2 Fingern , wobei man um '/, Zoll höher gelangt,
der halben und selbst der ganzen Hand. Der Arzt muss beide
Hände gleich geübt haben, die Nägel der Finger sollen wohl
abgeschnitten sein , und jene selbst nur erwärmt und beöhlt
eingebracht werden. Untersucht man mit zwei oder mehreren
Fingern, so suche man damit die fühlbaren Gegenstände zu
umgehen, und aus dem Abstände der an gewisse Puncte auf-
gestellten und ausgespreizten Finger von einander die Ent-
fernung jener zu schätzen.
487
Bei der Untersuchung mit einem Finger , welche die
häufigste ist , führe man diesen vom Perinäum mit der Rü-
cken fläche gegen die hintere Commissur der Schamspalte, und
dringe mit möglichster Schonung, und indem man die übri-
gen Finger an das Mittelfleisch andrückt, in die Scheide
ein (der Daumen kann an den Schambogen gelegt werden ;
die übrigen Finger einzuschlagen , wie es in vielen Hand-
büchern angegeben wird, ist unzweckmässig), und sucht den
Muttermund zu erreichen. Während der Menstruation nimmt
man keine Untersuchung vor , doch kann es als passend er-
kannt werden, eben während derselben zu touchiren. Ist der
Muttermund offen , so sucht man schonend so tief als mög-
lich einzudringen , und sich von der Beschaffenheit des Cer-
vicaleanales zu überzeugen.
Drückt man den Muttergrund durch die aussen ange-
legte Hand gegen die in der Scheide untersuchenden Finger,
so erhalten diese eine deutlichere Wahrnehmung*; eben so
kann man durch leichtes Anstossen mit letzteren auf den
Mutterhals den Uterus emporheben und wieder zurücksinken
lassen , und erkennt daraus seine Beweglichkeit , sein Ge-
wicht und zuweilen selbst in ihm enthaltene Flüssigkeit durch
Fluctuation.
Ki w i s ch #) macht darauf aufmerksam, dass man ohne
gleichzeitige Anlegung der Hand von aussen , bei Prüfung
des Uterus auf Beweglichkeit zuweilen getäuscht werden
kann, indem bei gewissen Zuständen, z. B. Erweichung
und Vergrösserung der Gebärmutter, ihr Cervicaltheil wohl
bewegt wird, ihr Körper aber an der Locomotion keinen An-
theil nimmt.
Hat man die ganze Hand einzuführen , so lege man die
Finger conisch zusammen, und führe sie mit ihrem Querdurch-
*) Clinische Vorträge über specielle Pathologie und Therapie
der Krankheiten des weiblichen Geschlechtes. Prag 1845.
488
messer durch den geraden Durchmesser des Beckeneingan-
ges , gehe dann sanft drehend an der hintern Wand der
Scheide zum Muttermunde, indem man die Rückenfläche der
Hand dem Kreuzbeine zuwendet. Ist man mit den Mittelhand-
gelenken eingedrungen , so muss man ein wenig inne hal-
ten , und geht erst weiter, wenn der erste Seh merz ein druck
vorüber ist.
Durch Einbringung der Gebärmuttersonden er-
halten wir über die Durchgängigkeit des Cervicalcanales
Aufschluss , was für die Diagnose von Schwangerschaft in
den ersten Monaten besonders wichtig ist, da während der-
selben jener meistens verklebt gefunden wird.
Ferner lässt sich die Länge der Gebärmutterhöhle ge-
nau bestimmen , wenn man den Zeigefinger der rechten Hand,
an dessen Hohlhandseite die mit der linken Hand gefasste
Sonde eingeführt wurde, am Instrumente fixirt, wenn es
nicht mehr weiter dringt und beide gleichzeitig hervorzieht.
Der Längendurchmesser beträgt im Normalzustande 2 Zoll,
4 — 5 Linien.
Durch die Sonde erfahren wir ferner die Stellung und
Einfachheit oder Duplicität der Gebärmutter. Durch die Deut-
lichkeit, mit der wir den Sondenknopf an der Bauchwand
oder durch den Mastdarm zu fühlen im Stande sind , ver-
mögen wir die Dicke und Resistenz des Uterus zu schätzen,
und können aus der Leichtigkeit, mit welcher der Gebär-
mutterkörper durch die Sonde hin und her bewegt und ge-
hoben werden kann , auf dessen normale oder abnorme Ver-
bindungen , Geschwülste und Krankheiten der Nachbaror-
gane schliessen. Wird die Sonde entfernt, so kann man aus
der , an derselben haftenden Flüssigkeit auf den Inhalt der
Gebärmutterhöhle schliessen.
Übrigens kann die Sonde auch noch dazu dienen , den
Muttermund mit Sicherheit in das Lumen eines gewöhnlichen
Speoulums zu stellen , das man über den Stab des einge-
führten Instrumentes gleiten lässt.
489
Erweichung' , acute Entzündung, Neigung zur Blutung
und häufig Gravidität sind Gegenanzeigen der Untersuchung
mittelst der Sonde.
Der in Rede stehenden Instrumente muss man mehrere
von verschiedener Dicke haben. Sie sind von biegsamen Sil-
ber oder Pakfong verfertigt , von der Länge einer Stein-
sonde, mit einer Handhabe versehen und beiläufig 2 Zolle
vom obern, in einen gut polirten Knopf ausgehenden Ende,
der Beckenachse entsprechend gekrümmt. 2 Zolle 4 Linien
unterhalb des Knopfes befindet sich eine kleine Erhabenheit,
welche die Stelle anzeigt, bis zu welcher das Instrument
bei normaler Länge der Gebärmutter eindringt. Am leichte-
sten gelingt es, im Stehen die Sonden einzubringen, doch
ist die Untersuchung im Liegen zuweilen nicht bloss leich-
ter, sondern selbst nöthig.
Untersuchung durch den Mastdarm.
Es gibt Fälle , wo man durch die Scheide nicht unter-
suchen kann, und bloss auf die in Rede stehende Indaga-
tion angewiesen ist. Doch sollen, wenn es möglich ist, im-
mer beide Untersuchungsarten vereint angewendet werden,
indem eine die andere vervollständigt.
Man gelangt durch den After ungefähr bis zur Hälfte
des Uteruskörpers, und lasse behufs der Untersuchung den
Darm früher durch ein Clystier entleeren , und der Kranken
eine Seitenlage geben, wobei der nach oben liegende Schen-
kel etwas mehr gebeugt sein soll , als der unter demselben
sich befindende.
Nun bringe man den beöblten Zeigefinger sehr vorsich-
tig ein , und dringe , indem man von links nach rechts und
umgekehrt horizontal streift, so weit nach aufwärts, als es
geht. Man findet dabei die hintere Uteruswand gewöhnlich
grösser, als sie wirklich ist, da sie mehrere Häute bedecken.
Der Mastdarm wird aber durch Vergrösserung der Gebär-
mutter , durch ihre Rückwärtsbeugung , Fremdbildungen im
490
Dou glas'schen Räume, Extrauterinschwangerschaft , Ge-
schwülste der Eierstöcke u. s. w. bedeutend verengt.
Mensuration. Die Mensuration hätte der in diesen
Blättern gewohnten Ordnung* zu Folge vor der Palpation
abgehandelt werden sollen, wird aber am passendsten durch
Einbringung* der Finger vollführt, kann daher auch nur der
Untersuchung durch den Tastsinn angereiht werden. Man
hat auch mehrere Instrumente ersonnen , um grössere Ge-
nauigkeit der Messungen des weiblichen Beckens zu be-
wirken , doch stehen sie fast alle in Hinsicht der leichten
Anwendbarkeit der Mensuration mittelst der Finger nach. Es
trifft sie erstens der Vorwurf, dass zu ihrer Einführung den-
noch die Hand eingebracht werden muss , ein Vorwurf von
Belang , da die weiblichen Geschlechtstheile selten hinläng-
lichen Raum dazu darbieten , und zweitens , dass der tiefe
Stand des Uterus und der Kindstheile oft ihre Anwendung-
vereitelt.
Will der Geburtshelfer nur einige Wahrscheinlichkeit
von den Resultaten seiner Messungen erwarten, so muss er
mit den Massen seiner Hand , des Zeigefingers und Mittel-
handknochens desselben, bei im rechten Winkel abducirten
Daumen sich vorläufig* vertraut machen.
Um die Conjugata des kleinen Beckens zumessen,
stützt man nach Grenser #) die Spitze des Zeigefingers
an den Vorberg', drückt dann das andere Ende desselben ge-
gen den Scheitel des Schoossbogens, und bezeichnet mit dem
Fingernagel der freien Hand die Stelle, wo die Schambeins-
vereinigung auf dem untersuchenden Finger aufliegt. Erreicht
man aber den Vorberg mittelst des Zeigefingers nicht, so
zeigt diess schon an, dass die Conjugata über 3 Zolle be-
trägt, und man kann ihre Grösse äusserlich mittelst des Taster-
zirkels , oder innerlich mittelst eines gmduirten weiblichen
*) Schmidts Encyklopädie.
491
Catheters oder Stein's Beckenmesser erforschen; oder
man bringt , was nur bei Gebärenden nach hinlänglicher Er-
weiterung derWeichtheile möglich ist, die halbe oder ganze
conisch zusammengelegte, beöhlte Hand ein, stellt dann den
kleinen Finger an den Vorberg, den Zeigefinger aber, oder
wenn es nöthig ist , den Daumen an die hintere Wand der
Schambeinsvereinigung; aus der dazu nöthigen Entfernung
der Finger von einander schliesst man auf dasMaassderCon-
jugata. Barovero will noch, grösserer Genauigkeit wegen,
zwischen die ausgespreizten Finger hölzerne Keile gelegt
wissen. Im Normalzustande beträgt am trockenen Becken die
Conjugata 4 Pariser Zolle.
Der Querdurchmesser des Beckeneingan-
ges (normal 5 Par. Zolle) wird durch Einbringung von 4
neben einander gelegten Fingern , deren Rückenfläche dem
Kreuzbeine zugekehrt ist, so dass die Breite der Hand in
jenem zu stehen kommt, gemessen. Ist aber der Querdurch-
messcr grösser, so kann man nach Hohl Zeige- und Mit-
telfinger so wie Ring- und kleinen Finger an einander le-
gen, dann Ring- und Mittelfinger von einander so weit ent-
fernen , bis die Radialfläche des Zeigefingers und die Ul-
narfläche des kleinen Fingers seitlich die ungenannte Linie
berühren , und dann die Daumenspitze in den Raum an der
Wurzel des ausgespreizten Mittel- und Ringfingers zwän-
gen , wodurch man das unveränderte Maass erhält.
Den grossen oder geradenDurchmesser der
Becken höhle erhält man , wenn man den Zeigefinger an
die Mitte des Kreuzbeines setzt , nun den aussen befindli-
chen Daumen erhebt, den Mittelhandknochen gegen den un-
tern Rand der Symphisis ossium pubis drückt, und sich die-
sen Ort markirt. Diess geht aber nur bei Beckenverengerung,
oder wenn ein Dammriss dem Zeigefinger gestattet, so tief ein-
zugehen, sonst muss man 4 Finger einbringen, und die Spitze
des Zeigefingers an die Schambeinfuge zu legen suchen.
4<>2
(Im Normalzustände befragt dieser Durchmesser am trocke-
nen Becken 4'/, Par. Zoll.)
Der quere Durchmesser der Beckenhöhle
(= 4 Zolle) wird eben so gemessen , wie der quere Durch-
messer des Einganges.
Der gerade Durchmesser d e<# Ausganges
ergibt sich durch Ansetzen der Spitze des Zeigefingers an
die Spitze des Steissbeines (auf dessen Beweglichkeit man
zugleich achtet) und Andrücken seiner Wurzel an den Schei-
tel des Schoossbogens. (= 3'/2 — 4'/4 Zoll beiläufig.)
Das Maass des queren Durchmessers des
Ausganges wird beiläufig erhalten , wenn man einen ein-
gebrachten Finger von einem Sitzhöcker zum andern be-
wegt , oder wenn grössere Genauigkeit gewünscht wird,
durch Ansetzen des Tasterzirkels an die genannten Puncte.
(= 4 Zoll.)
Beigefügte Abbildung #) versinnlicht die horizontalen
Durchschnitte des weiblichen Beckens,
I.
II.
III.
I. Zeigt die obere Öffnung des kleinen Beckens ; sie
bildet einen Kreis , von dem das Einspringen des Vorberges
(a) einen halbmondförmigen Theil wegnimmt, a b Conju-
gata; c d Querdurchmesser; e fy g h schräge Durch-
messer.
II. Die mittlere Öffnung des kleinen Beckens bildet einen
*) Aus Carus Lehrbuche der Gynäk. logie. Leipzig 1838,
3. Auflage, 1. Theil.
493
Kreis, dem durch die Einbiegung' des Kreuzbeines ein halb-
mondförmiges Stück zugegeben wird, a b gerader; c d
Querdurchmesser.
III. Der Ausgang des kleinen Beckens ist ein Kreis,
von dem durch die Einbiegung des Steissbeines , welche
ausser der Geburtsperiode Statt findet, ein Stück wegge-
nommen wird; a b gerader, c d Querdurchmesser.
Unter den Beckenmessern, deren es eine grosse
Anzahl gibt, ist der älteste, von Stein (1772) erfundene,
der brauchbarste ; derselbe besteht aus einem 8 Zolle lan-
gen, runden Holzstäbchen, das in ganze und Viertelzolle
eingetheilt ist , und an welchem ein messingener Index sich
hin und her schieben , und durch eine Schraube auf einem
beliebigen Puncte feststellen lässt. Er wird wohl beöhlt ,
möglichst tief gegen den Vorberg eingebracht, und der Zei-
ger an der innern Schamfugenfläche fixirt , wobei sich die
Diagonalconjugata der Beckenhöhle ergibt , wovon man, um
die eigentliche Conjugata des Einganges zu finden , noch
'/a Zoll abziehen muss.
Noch einfacher und jeden Augenblick zu verfertigen
ist Stark's Beckenmesser, welcher aus einem Faden be-
steht, den man um den Zeigefinger schlingt, und der durch
ein Korkscheibchen geht. Um ihn anzuwenden , legt man
Zeigefinger und Daumen an einander, stellt die Korkscheibe
auf den Daumennagel , geht in die Vagina ein , entfernt nun
beide Finger möglichst weit , und misst dann die Entfernung
des Scheibchens von der Zeigefingerspitze.
Der Tasterzirkel von Baudelocque (Compas
d'epaisseur) ist ein sehr brauchbares Instrument, sowohl
um niedere Grade von Beckenverengerung und das gleich-
massig verengte Becken , als den Absland der Hüftbeine,
Trochantcren u. s. w. zu erkennen. Will man die Conjugata
des Eiuganges damit messen, so kniet man vor der stehen-
den Frau zur Rechten nieder, und stellt eine Spitze des In-
494
strunientes an das obere Ende der Schambeinvereinigung,
das andere etwas unter dem Stachelfortsatz des letzten Len-
denwirbels, zieht aber dann von dem sich ergebenden Maasse
(7 Zoll) 3 Zoll (2/2 für die Dicke des Kreuzbeines und
'/, Zoll für die der Schambeinvereinigung) ab.
Misst man die Querdurchmesser des Beckeneinganges
durch Aufsetzen des Instrumentes an die Trochanteren
(12 Zoll) , so hat man 7 Zolle für die Seitenwände und
den Schenkelhals abzuziehen.
Die Neigungsmesser (Cliseometer) des Beckens
sind theils unanwendbar, theils in der Praxis überflüssig. Es
genügt dafür, zu erkennen, ob ein Becken regelmässig, oder
zu viel, oder zu wenig geneigt sei, was durch Berücksich-
tigung der Stellung des Scheideneinganges und des Grades
der Einbiegung in der Gegend des Kreuzbeines sich leicht
ergibt.
Nach der nun angegebenen Skizze wird jeder Arzt im
Stande sein , nicht allein vorhandene Schwangerschaft mit
möglichster Sicherheit zu diagnosticiren , sondern auch alle
sich durch physicalische Symptome äussernden Krankheiten
der weiblichen Geschlechtstheile zu erkennen; die specielle
Diagnostik der Letzteren hier zu geben , verbietet der mir
vorgeschriebene Raum dieser Blätter.
Untersuchung der weiblichen Urethra.
Inspection. Mit der Exploration der äussern Ge-
schlechtstheile des Weibes wird die der Urethra gewöhnlich
verbunden. Man betrachtet die Mündung der Harnröhre in
Hinsicht ihres Vorhandenseins, ihrer Weite, Färbung, mehr
oder weniger wulstigen Beschaffenheit, Continuität; sieht,
ob aus derselben nicht Wucherungen vorragen, die Schleim-
haut vorgefallen ist, oder ob bei angebrachtem Drucke durch
den vor der Scheide aufwärts pressenden Zeigefinger sich
nicht ein eiterartiges oder schleimiges Secret zeige, wie bei
495
der mit Scheidenfluss häufig' verbundenen Blenorrhoe der
Urethra u. s. w. Zu bemerken ist übrigens, dass die unter der
Clitoris an der obern Wand der Scheide als kleine Vorra-
gung sichtbare Harnrohrenmündung sich bei altern Indi-
viduen gänzlich zurückzieht , so dass sie vom Scheidenein-
gange nicht mehr geschieden ist.
Die Untersuchung durch P alp ati o n geschieht durch
Zufühlen mit dem Zeigefinger an der obern Wand der Scheide,
und durch Sondirung der Harnröhre mittelst einer geeigneten
dicken Sonde, oder mittelst des gewöhnlichen fast ganz ge-
raden weiblichen Catheters , von 6 Zoll Länge , 2 Linien
Dicke für Weiber ; 4 — 5 Zoll Länge und 1'/., Linien Dicke für
Mädchen.
Derselbe wird entweder in der Rücken- oder in der Sei-
tenlage auf folgende Weise eingebracht : Der Arzt stehe zur
Rechten der Kranken, und ziehe mit Daumen und Zeigefinger
der linken Hand die kleinen Schamlefzen von einander. Der
Daumen , Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand hält
den Catheter derart, dass derselbe der Länge nach auf die
Volarfläche des Zeigefingers zu liegen kommt , und die Con-
cavität der kleinen Biegung nach aufwärts gegen die Scham-
beine gerichtet ist. Nun bezeichnet man sich mit dem linken
Zeigefinger die Harnröhrenöffnung , und schiebt an dessen
Nagel das Instruinen i langsam nach der Mündung des Scham-
bogens in die Urethra, senkt dann dasselbe ein wenig, um
so in die Blase zu gelangen. Während der ganzen Operation
ist aber Entblössung der Geschlechtsteile so viel als mög-
lich zu vermeiden. Maunsell empfiehlt den Catheter in
der Seitenlage einzuführen , wobei die Clitoris nicht be-
rührt wird.
Larcher führt in der Rückenlage der Kranken den
Zeigefinger der linken Hand von der hintern Commissur an
die vordere Scheidewand , in einer Richtung von vorne nach
hinten und unten nach oben, und sucht durch einen in dieser Di-
rection ausgeübten, gelinden, ziehenden Druck die untere
496
Harnröhrenwand etwas nach rückwärts zu drängen, und der
Mündung eine grössere Ausdehnung in die Quere zu verlei-
hen. Nun wird auch der Catheter in der angegebenen Rich-
tung leicht eindringen. Der Finger bleibt während der Ope-
ration liegen, um jedes Hinderniss derselben durch Ge-
schwulst u. s. w. zu controlliren ; die vorragende Handhabe
des Instrumentes zeigt die normale oder krankhafte Richtung
der Urethra an.
497
Untersuchung
der Extremitäten.
Dieser Abschnitt ist fast nur chirurgischen Krankheitert
gewidmet, und enthält auch nur in gedrängter Kürze das
Wichtigste derselben, in so ferne sie durch physicalische Un-
tersuchung ermittelt werden.
Unter allen Explorationsmethoden spielen wohl Inspec-
tion, Palpation und Mensuration hier diegrösste Rolle. Sehr
selten finden Auscultation und noch viel seltener Percussion
ihre Anwendung.
Erstere nur bei Fracturen tief gelegener Knochen, denn
in der Mehrzahl der Fälle wird die Crepitation besser gefühlt
als gehört , und das Stethoskop hat nur an solchen Stellen
eines Knochens, wo keine oder nur eine höchst unbedeu-
tende Form- und Richtungsveränderung möglich ist, z. B*
beim Rruche des Schenkelhalses innerhalb des Kapselban-
des, beim Bruche des Oberarmes am anatomischen Halse
u. s. w. einen unbedingten Werth ; ferner wird noch die Aus-
cultation bei Untersuchung von Aneurysmen angewendet.
Die physicalischen Erscheinungen, welche hier unser beson-
deres Augenmerk verdienen , sind hauptsächlich die Form ,
Stellung, Grösse (zu welcher sowohl abnormer Umfang, als
auch Länge und Kürze zu rechnen sind) , und die Be-
weglichkeit der Extremitäten und ihrer einzelnen Theile.
Ohne erst in weitschweifige allgemeine Erörterungen
dieser Puncte einzugehen, wollen wir gleich in anatomischer
Ordnung die krankhaften physicalischen Erscheinungen an den
Extremitäten durchgehen.
Was die Lage der kranken Extremitäten während der
Untersuchung betrifft, so müssen diese im Allgemeinen ganz
Gaal Diagnostik. 32
498
oder grösstentheils entblösst und so gelagert sein, dass die
leidende Stelle von allen Seiten zugänglich ist; oft aber ist
es nöthig , auch die entsprechende Extremität der gesunden
Seite zu entblösscn, um Vergleiche anstellen zu können.
Am besten ist es bei Krankheiten, die vorzüglich durch ver-
änderte Form und Richtung sich kund geben , den Kranken,
wo es nur immer möglich ist , in der aufrechten Stellung
zu untersuchen.
Untersuchung der Schulter.
Bei der Untersuchung der Schulter ist es nöthig, dass
der Hals und die obere Extremität wenigstens bis über das
Ellbogengelenk entblösst seien, besser aber ganz. Für den
Ungeübteren ist es immer nothwendig, auch die nackte gesunde
Seite mit zu vergleichen.
14 iioelienli Hielte».
1. Das Schi üs selb ein bricht grösstenlheils ausser-
halb seiner Wölbung.
Ph ysicali sehe Zeichen.
Inspection. Die Schulter ist abwärts und vorwärts
gesunken. Der Kranke neigt den Kopf gegen die kranke
Seite, unterstützt wohl gar den Ellenbogen der leidenden
Seite mit der Hand der gesunden.
Mensur ation. Der Abstand der Sterno-Clavicular-
Articulation von der Claviculo-Acromial-Articulation ist klei-
ner, als an der normalen Seite.
Palp ation. Legt man die in eine Ebene gebrachten
Fingerspitzen einer Hand an das Sternalende des Schlüssel-
beins, und führt dieselben gegen das Acromial-Ende hin , so
wird man die Hervorragung des Schlüsselbeines scharf be-
gränzt finden (Ende des innen Bruchstückes); gerade nach
rückwärts von dieser Stelle fühlt man das innere Ende des
äussern Bruchstückes. Crepitation ist hier schwer zu fühlen,
499
da die Bruchstücke bei Fractura transversa, welche die ge-
wöhnlichste ist, ganz ausser aller Berührung sind. Man muss
sich wohl hüten , das Knistern von Blutextravasat oder zu-
weilen entstehendem Emphyseme für die Reibung der Kno-
chenflächen zu halten.
Die Schulter ist leicht beweglich , die Vereinigung der
Bruchflächen aber sehr schwer,
2. Bruch des Acromialfortsatz es des Schulter-
bl attes.
Dabei ist fast nichts zu sehen. Die Palpation leistet hier
fast Alles. Führt man die (wie früher angegeben) aneinander
gereihten Fingerspitzen längst der Spina scapulae vom inne-
ren Rande gegen das Acromion hin , so findet man gewöhn-
lich eine kleine Abstufung und normwidrige Beweglichkeit.
Legt man die eine Hohlhand an die Spina, und bewegt mit
der andern den Oberarm der leidenden Seite, so fühlt man Cre-
pitation. Ist jedoch die Geschwulst sehr gross, so muss die
Diagnose verschoben werden, da man nicht deutlich fühlt,
bis das Abfallen jener die Palpation wieder gestattet.
Bruch des Halses am Schulterblatte.
Das Acromion ragt vor. Der Arm ist herabgesunken.
Im Schultergelenke normwidrige leichte Beweglichkeit und
Crepitation, die jedoch kein charakteristisches Merkmal ist.
3. Bruch des Oberarmbeines.
1. Am Halse, d.i. entweder nahe an, oder gerade
an den Höckern , oder am eigentlichen Colum anatomicum.
Diese Diagnose ist oft sehr schwierig; manchmal ganz
unmöglich. Die Verschiebung ist selten bedeutend, es sind
daher die objeetiven Erscheinungen beinahe nur auf Crepita-
tion beschränkt, und zuweilen ist es dem Tastsinne gestat-
tet, ein Bruchstück in der Achsel zu fühlen.
2. Am Körper kommt es auf die Bruchstelle an:
a. Oberhalb der Insertion des Musculus deltoideus ist die
32 #
500
Stelle des Armes, wo der Knochen gebrochen, unförm-
lich breiter, manchmal zugleich die Axe des Oberarmes
verkürzt.
Das Maass wird vom Acromion bis zum Condylus ex-
ternus oder bis zum Olecranon genommen.
Beim Versuche, passive Bewegungen zumachen, ent-
deckt man normwidrige Beweglichkeit an der Bruchstelle und
Crepitation. Um letztere zu ermitteln, fixirt man das obere
Bruchstück mit einer Hand, und bewegt mit der anderen das
untere der Art, dass sich die Flächen reiben müssen.
ß. Unterhalb der Insertion des Deltamuskels genügt
die leichte Beweglichkeit und Crepitation zur Diagnose, denn
die Verschiebung ist sehr geringe.
y. Am unteren Drittheile.
Der untere Theil des Armes erscheint unförmlich dicker,
der Vorderarm massig gebeugt und verkürzt , was ebenso
wie bei a ermittelt wird.
Betastet man die dickere Stelle, so entdeckt man die
Vorragungen der Bruchstücke : das obere vorne , das untere
hinten. — Crepitation nimmt man wahr, wenn man früher
etwas extendiren lässt, damit die Bruchflächen mit einander
in Berührung kommen.
Wenn die Condylen allein abbrechen , so ist nebst der
Beweglichkeit und Crepitation :
a. beim Bruche des äusseren Condylus der Vorderarm
supinirt ,
ß. beim inneren pronirt.
4. Bruch am Vorderarme.
a. Olecranon. Der Arm ist gebeugt, die normale Vor-
ragung des Olecranons fehlt, der Ellbogen erscheint nach
hinten abgerundet. Befühlt man die hintere Stelle des Ell-
bogens , so fühlt man die Fossa inteveondyloidea posterior
und die Trochlea-Streckung ist unmöglich.
ß. Beide Vorderarmknochen brechen meistens in der
Mitte.
501
Der Vorderarm ist an der Bruchstelle viel schmäler, da-
selbst entdeckt man leicht regelwidrige Beweglichkeit und
Crepitation beim Versuche des Arztes zu proniren und zu
supiniren, was der Kranke selbst nicht kann, wobei man
auch leicht erkennt, dass die oberen Bruchstücke diese Be-
wegungen nicht mitmachen.
y. Bruch des Radius allein. Der Vorderarm ist an der
Bruchstelle schmäler, die Hand in voller Pronation, als wäre
sie nach dem Handrücken verrenkt.
Führt man die zusammengelegten Fingerspitzen am Ra-
dialrande des Vorderarmes nach aufwärts, so entdeckt man
die Bruchstelle an der Einbiegung*, wo man auch beim Ver-
suche von Pro- undSupination Crepitation fühlt. Beim Bruche
des unteren Endes des Radius findet man alle diese Symp-
tome weiter unten. Dieser Bruch ist leicht mit einer Luxation
der Hand zu verwechseln , worauf wir bei der Luxation zu-
rückkommen werden.
d. Der Bruch der Ulna ist seltener als die früher genann-
ten, und äussert sich beinahe durch dieselben Symptome,
welche im vorigen Falle an der Radialseite beobachtet wur-
den , nur dass sie an der Ulnarseite vorkommen.
5. Bruch der Knochen der Hand.
Diese sind meistens Zermalmungen und von so zufälliger
Form, dass jeder Bruch besonders untersucht werden muss.
Brüche an den unteren Extremitäten*
1. Des Schenkelhalses.
Dieser bricht entweder innerhalb des Kapselbandes oder
ausserhalb desselben. Die Unterschiede in der Diagnose sind
meist nur gradativ, so dass sie immer auffallender werden,
je näher der Bruch dem grossen Rollhügel kommt. — Die
physicalischen Erscheinungen sind :
Inspection. Verkürzung der kranken Extremität ;
die Zehen sind nach aussen gekehrt und die Hervorragungen
des Trochanler major mehr oder weniger undeutlich.
602
Mcnsurat on. Um die Verkürzung zu ermittel n,muss
man zuerst auf völlig horizontale Lage des Rückens sehen ,
so dass eine zwischen beiden Spinis Hei antcrioribus supe-
rioribus gezogene Linie mit der Längenachse des Körpers
einen vollkommenen rechten Winkel bildet. Dann misst man
mit einem Faden von der Spina ilei ant. sup. bis zum inne-
ren Knöchel oder bis zur Spitze der Patella auf beiden Sei-
ten, und ermittelt so die Differenz; diese beträgt beim Bruche
innerhalb des Kapselbandes '/4 — '/a ja i Zoll (Earle
Smith), ausserhalb des Kapselbandes 1 '/2 — 2!/2 Zoll.
Zu empfehlen ist aber immer, zugleich auch die Höhe
der Fusswurzel zu messen, weil es oft geschieht, dass an-
geborene einseitige Verkleinerung des ganzen Fusses eine
Verkürzung bewirkt , die leicht täuschen könnte.
Ein leichter Zug am Fusse oder Knie stellt die normale
Länge der Extremität wieder her.
P a 1 p a t i o n. Untersucht man die Gegend des Trochan-
(er major, so findet man diesen emporgezogen und nach hin-
ten gerollt (aber nur bei mageren Personen). Legt man die
eine Hand an diese Gegend, und rotirt mit der andern den
beim Knie erfassten Oberschenkel, oder lässt diess bei ge-
streckter Extremität von einem Gehilfen am Fusse thun , so
bemerkt man, dass der Trochanter major einen desto kleineren
Bogen beschreibt, je weiter vom Kopfe der Bruch ist, so
dass er manchmal sich bloss um seine Achse dreht. Bei die-
ser Gelegenheit fühlt man meist Crepitation. Bei dicken In-
dividuen und beim Bruche innerhalb des Kapselbandes ist diese
undeutlich, und hier kann man sich des Stethoscopes bedie-
nen, von dem Lisfranc versichert, dass es immer die
Crepitation erkennen lässt. Um die Crepitation zu entdecken,
ist es immer nöthig, den Schenkel so zu extendiren, dass
sich die Bruchflächen berühren. Verwechselt werden kann
übrigens dieser Bruch mit einer Luxation nach vorne und
oben , was bei den Verrenkungen abgehandelt wird.
503
2. Bruch in der Diaphyse.
Im oberen, mittleren und unteren Drittheile.
Alle diese Arten lassen sich aus der Verunstaltung
des Schenkels in einer dieser 3 Gegenden, aus der nicht im-
mer bedeutenden Verkürzung (wo aber das Maass vom
Trochanter genommen werden kann) , der abnormen Beweg-
lichkeit und der Crepitation erkennen.
3. Bruch der Patella.
Meistens beobachtet man Querbruch , seltener Längen-
bruch , manchmal schiefen oder Splitterbruch.
I n s p e c t i o n. Die Extremität ist im Knie gebeugt, und
wenn nicht entzündliche Geschwulet es hindert, oder der
Kranke sehr fett ist, so kann man schon an der Vorderseite
des Knies die der Bruchstelle entsprechende Furche sehen.
Der Arzt kann die Extremität leicht strecken , der Kranke
gar nicht.
Palp ati on. Legt man die Fingerspitzen an die Vor-
derseite des Knies, so fühlt man dort, wo sonst die Patella
vorragt , eine tiefe Furche und in deren Grunde die rollen-
artige Aushöhlung zwischen den beiden Knorren. Unter-
halb dieser Furche fühlt man das untere Bruchstück , das
obere ist an einer härtlichen Stelle unter der Sehne desEx-
lensor quadrieeps ervris zu finden. Crepitation ist regender
zu grossen Entfernung der Bruchstücke nicht zu fühlen.
Den Verticalbruch erkennt man an der abnormen Be-
weglichkeit und Crepitation, wenn man abwechselnd mit dem
Finger die Ränder der Patella niederdrückt. Auf dieselbe
Weise entdeckt man Splitterbrüche.
4. Bruch der Unterseite ukelknoohen.
Tibia allein. Diese bricht häufig, und dann ist meist
der Bruch ein querer. Die Fragmente verschieben sich wenig
oder gar nicht , daher die physicalischen Kennzeichen nur
auf Crepitation und abnorme Beweglichkeit beschränkt sind,
504
welche beide aber oft nicht leicht ermittelt werden können.
Man pflegt in diesem Falle den Kranken den Unterschenkel
aufheben zu lassen, wo zuweilen eine leichte Biegung der
Achse desselben wahrgenommen wird.
Bruch der Fibula allein.
Inspection. Kaum merkliche Einbiegung an der
Bruchstelle. Weder Verkürzung noch Verlängerung.
P a 1 p a t i o n. Beim Hinübergleiten der an einander ge-
legten Fingerspitzen über die Gegend der Fibula fühlt man
h äufig die abnorme Beweglichkeit und Crepitation.
Dieser Bruch ist übrigens häufig mit Luxation des Astra-
galus combinirt.
Beide Unterschenkelknochen können an verschiedenen
Orten und in sehr verschiedenen Richtungen brechen; daher
lässt sich darüber nichts Bestimmtes sagen. Doch ist im All'
gemeinen die Formveränderung des Unterschenkels meistens
sehr gering, und selbst beim Vergleiche mit der andern Ex-
tremität nicht immer leicht zu erkennen.
Verkürzung kommt nur bei Schiefbrüchen vor. Erscheint
eine solche, so wird das Maass von der Patella bis zum in-
nern Knöchel genommen. Crepitation zeigt sich gewöhnlich
mehr oder weniger deutlich; nicht selten werden auch Wun-
den der Weichtheile mit beobachtet.
Brüche am Fusse.
Ausser dem hintern Fortsatze vom Fersenbeine bricht
kein Knochen allein, und die Fracturen sind fast immer mit
Zerquetschung und Verwundung der Weichtheile verbunden.
Bruch des Fersenbeines.
Inspection. Der Fuss ist mehr oder weniger gebeugt,
die Vorragung der Ferse verschieden, oft undeutlich.
Palpation. Erfasst man den Fersenhöcker und be-
wegt ihn nach der Seite hin , so entdeckt man abnorme Be-
weglichkeit, und wenn diess Bruchstück nicht sehr emporge-
zogen wird , selbst Crepitation.
505
P s eudarthrosen.
Diese Krankheilen geben sich durch wenige , aber so
auffallende physicalische Zeichen kund , dass es kaum mög-
lich ist , sie zu verkennen. Sie erscheinen zwar an allen
Röhrenknochen , finden sich aber doch am häufigsten am
Oberarme und Oberschenkel. Ihre Charaktere sind folgende :
Inspection. Eine auffallende Missstaltung des Glie-
des, welches bald dicker ist, bald winklig erscheint, fallt
in die Augen, und tritt vorzüglich beim Gehen hervor, wel-
ches manchmal ganz unmöglich ist. Hiebei wird das Glied
nach den verschiedensten Richtungen gebogen.
Mensuration. Bei manchen Pseudarthrosen mit schie-
fen Flächen erscheint bedeutende Verkürzung (am häufig«
sten am Oberschenkel) , welche auf die schon benannte Art
bemessen wird.
Palpation. Fixirt man in einem solchen Falle das
obere Stück, und zieht an dem untern an7 so kann man die
natürliche Länge des Gliedes leicht herstellen , wobei ge-
wöhnlich ein eigenthümliches Knacken zu vernehmen ist-
Gelenksmäuschen.
Diese fremden , in den Gelenkshöhlen gelegenen Kör-
per geben sich hauptsächlich durch Störungen der Bewegung
kund , und zeigen überhaupt mehr subjective als objective
Kennzeichen. — Die Inspection lässt nur die Schwie-
rigkeiten der Bewegung wahrnehmen. Findet man, dass die
Bewegung nur nach einer Richtung hin behindert ist, sq
kann man annehmen , dass der Körper angeheftet ist. Varii-r
ren diese Störungen , so kann man schliessen , dass das Ge^
lenksmäuschen frei ist.
Die Empfindung des Kranken ist jedoch ein viel zuver-t
lässigeres Moment.
Die Störungen der Bewegung bestehen darin, dass der
Kranke das betheiligte Glied entweder constant nicht voll-
kommen strecken oder beugen kann (bei festem Sitze des
606
sogenannten Mäuschens je nach der Lage an der Streck-
oder Beugseite des Gelenkes), oder abwechselnd (bei freien
Mäuschen) diese und jene Bewegung' nicht vollkommen aus-
führen kann (je nach der Lageveränderung des fremden
Körpers).
Palpation. Manchmal kann man sogar die Mäuschen
fühlen , wie z. B. zu beiden Seiten des Olecranon und der
Patella.
Auscultation. Die Gelenksmäuschen bewirken zu-
weilen , so wie gichtische Ablagerungen, bei Be-
wegungs-Versuchen rauhe , knackende Geräusche.
Luxationen.
Die physicalischen Zeichen der Luxationen im Allge-
meinen sind:
1. Veränderte Gestalt des kranken Gelenkes,
2. abnorme Stellung und Richtung der Achse des lu-
xirten Knochens und derlei Haltung des ganzen Körpers ;
3. Verlängerung und Verkürzung;
4. Abnorme Erhabenheiten und Vertiefungen am kranken
Gelenke ;
5. Beschränkung der Bewegungen.
Luxationen des Schlüsselbeines.
0) Das Sternalende kann nach vor- , nach auf- und
nach rückwärts luxiren.
Bei diesen Luxationen ist immer der Kopf nach der kran-
ken Seite hingeneigt , uud jede Bewegung des Halses und
Armes erschwert.
507
Luxationen nach
vorwärts.
Die häufigste ; am
vordem obern Theile
des Brustbeines ist eine
Vorraguug, welche bei
den Bewegungen des
Armes auf- und ab-
steigt.
Inspection,
Luxationen nach
aufwärts.
Seltener. Ganz oben
am Ausschnitte des Ma-
nu brium sterni eine
Hervorraguug, welche
bei starkem Rückwärts-
ziehen und Aufheben
der Schultern ver-
schwindet.
Luxationen nach
rückwärts.
An der Seite des
Manubrium sterni eine
Vertiefung, welche dem
Blustschlüsselbeine ent-
spricht und schwer
zum Verschwinden ge-
bracht werden kann.
Mensur ation.
Der Abstand vom
Brustschlüsselbein-Ge-
lenke bis zum Acro-
mion sehr wenig oder
gar nicht verkürzt.
Die eben bespro-
chene Hervorragung ist
deutlich fühlbar nach
innen scharf abge-
gränzt.
Dieser Abstand ist
verkürzt.
Palpation.
Dasselbe ist hier
am obern Rande des
Manubrium sterni zu
fühlen.
Ebenfalls wenig oder
gar keine Verkürzun-
gen.
Hier ist die Vertie-
fung nach innen scharf
begränzt durch den
Rand der Gelenkhöhle
des Manubrium sterni.
Luxation des Acromialgelenkes.
Dieses kann nur nach aufwärts luxiren.
Symptome.
Tiefer Stand der Schulter, ein deutlicher Zwischenraum
zwischen dem Acromion und dem Acromialende des Schlüs-
selbeines und ein Vorstehen des letzteren nach oben.
Der Abstand der Schulter vom Sternum ist geringer.
Die Vorragung* des Acromialendes der Clavicula ist
deutlich zu fühlen , leicht in die normale Stellung herabzu-
drücken , steigt aber bald wieder auf. — Ungewöhnliche
Beweglichkeit des Claviculo-Acromial-Gelenkes. Erschwerte
Bewegung des Armes.
Diese Luxation ist leicht mit einem Bruche des Acro-
mialendes nahe am Gelenke zu verwechseln, und in der That
oft dem Geübtesten schwer erkennbar.
508
Nur das zackige Ende des emporgehobenen Knochens
kann die Diagnose sicherstellen, jedoch ist dieses oft sehr
schwer zu ermitteln. Übrigens trägt noch die genaue Men-
suration beider Schlüsselbeine das Ihrige zur Erleichterung
der Diagnose bei.
Luxation des Oberarmes.
Wir wollen diese Luxationen nach den physicalischen
Erscheinungen bloss in dreierlei Hauptarten betrachten; die
Abtheilung in 4 Formen ist zur Darstellung physicalischer
Symptome überflüssig.
1. Luxationen nach abwärts, die häufigsten ;
9. Luxationen nach vorwärts oder innen , seltener vor-
kommend ;
8. Luxationen nach rückwärts oder aussen , am sel-
tensten,
Die Genauigkeit und Schwierigkeit der Untersuchung
einer derartigen Beschädigung erfordert , dass beide Arme
und die Brust entblösst werden.
Inspeetion.
Luxationen nach
unten.
Luxationen nach
vorne.
Die Gegend des Del-
ta-Muskels ist nach hin-
ten zu abgeflacht, dage-
gen erscheint nach vor-
ne unter dem Schlüssel-
beine eine ungewöhn-
liche Wölbung. Das
Acromion ragt mehr
hervor, als im Normal-
zustände, und zwar star-
ker nach hinten.
Der Oberarm
steht vom Brustkorb ab,
und zugleich ist der
Ellbogen nach rück-
wärts gestellt, der Vor-
derarm etwas gebeugt.
Der Kranke neigt sich
ganz nach der beschä-
digten Seite.
Die Gegend des
Delta - Muskels ist an
der Aussenseite am mei-
sten abgeflacht. Das
Acromion regt am mei-
sten vor unter allen
Luxationen. Die Ach-
selfallen sind ausgegli-
chen.
Der Oberarm steht
vom Rumple am mei-
sten ab, der Ellbogen
ist weder vor- noch
rückwärts gestellt. Der
Vorderarm ebenfalls ge-
beugt und der Kranke
unterstützt gewöhnlich
den Ellbogen mit de,
Hand des
Armes.
resunden
Luxationen nach
hinten.
Die Gegend des
Delta-Muskels ist vorne
abgeflacht , während
sich noch hinten in der
Gegend der Fossa in-
fraspinala eine unge-
wöhnliche Wölbung
zeigt. Das Acromion
ragt nicht so stark her-
vor, als bei den beiden
andern Arten.
Der Oberarm steht
wenig ab, der Ellbogen
ist dem Rumpfe am
nächsten unter allen
Luxationen.
609
Mensur ation.
Das Mass wird wie gewöhnlich mittelst einer Schnur oder
dem Saume eines hinlänglich langen Tuches genommen, in-
dem man damit vom Acromion bis zum äussern Knorren des
Oberarmes geht.
Der Aim ist etwas
verlängert.
Am meisten verlän-
gert.
Am wenigsten.
Palpation,
Unter dem Acro-
mion fühlt man die Ge-
lenkshöhle am deut-
lichsten. Der Processus
coracoideus ist hier zu
fühlen. In der Achsel-
höhle fühlt man den
Kopf.
Die Gelenkshöhle
ist vorne am deutlich-
sten zu fühlen; der
Processus coracoideus
steht am meisten vor.
Den Gelenkkopf ent-
deckt man als kugel-
förmige Erhabenheit
unter der Gräte des
Schulterblattes.
Unter dem Acro-
mion y vorzüglich nach
hinten, findet man eine
tiefe Grube und fühlt
in deren Grunde deut-
lich die Pfanne. Vorne
greift man den Gelenks-
kopfmehr oderweniger
deutlich, je nachdem
der Ropf unter dem
M. subscapularis oder
an dessen Vorderseite
ist.
Die Luxation nach unten hat einige Ähnlichkeit mit dem
Bruche des Halses vom Schulterblatte , unterscheidet sich
jedoch durch die leichte Beweglichkeit , leichte Reductibi-
lität und das Wiederherabsinken, wenn man den Arm aus-
lässt , nachdem man ihn früher gehoben , und endlich durch
die Crepitation, welche Erscheinungen dem Bruche wohl
zukommen , der Luxation aber fehlen.
Die Subluxalio Cooperi unterscheidet sich von der Lw-
xatio subscapularis (nach vorne) in ihren physicalischen
Kennzeichen nur dem Grade nach.
Luxationen im Ellbogen»
Diese sind im Allgemeinen selten , doch ist unter ihnen
die Luxation beider Knochen nach hinten die häufigste.
Luxation nach hinten.
Inspection. Der Ellbogen ist viel spitziger, als im
normalen Zustande ; über dem Olecranon sieht man einen
510
harten Strang (durch die gespannte Sehne des Triceps her-
vorgebracht) , zu dessen Seiten bald tiefere , bald seichtere
Furchen erscheinen. Der Vorderarm wird massig gebeugt
gehalten.
Mensuration. Misst man vom äusseren oder inneren
Knorren bis zum untern Ende des Vorderarmes, so ist der
Abstand an der kranken Seite geringer, als an der gesunden.
Palpation. An der Rückseite fühlt man das Olecra-
non vorragen , zu beiden Seiten desselben tiefe Furchen und
über ihm die gespannte Sehne des Musculus triceps.
Die Verrenkung nach vorne ist ohne gleichzeitigen
Bruch des Olecranons unmöglich.
Luxationen nach den Seiten.
Diese kommen selten vor, und sind auch, wenn nicht
alle Muskeln und die Haut mit zerrissen sind, immer incom-
plet. — Die Erkenntniss wird die auffallende Missstaltung
des Gelenkes erleichtern , indem die Vorragungen und Ver-
tiefungen, die am normalen Ellbogen vorkommen, nach
aussen oder innen verrückt erscheinen.
Wird die Ulna allein verrenkt, ohne dass zugleich der
Radius nach rückwärts auf den Humerus tritt, so ist die
Missstaltung des Armes bedeutend, und der Vorderarm und
die Hand nach einwärts verdreht. Das Olecranon ragt her-
vor, aber wenn man das Ellbogengelenk genau befühlt, so
findet man den Radius an seinem Orte.
Auch der Radius kann allein luxiren, und dann meistens
nach vorne. Die Hand ist dann pronirt, deren Bewegungen
erschwert, und wenn man das Ellbogengelenk betastet, so
findet man das Capitulum radii vorstehend.
Verrenkungen im Handgelenke.
Am Handgelenke nimmt man dreierlei Verrenkungen an :
a) Die Verrenkung beider Knochen des Vorderarmes.
b} Verrenkung des Radius.
511
c) Verrenkung* der Ulna.
a) der Carpus kann, wie man annimmt, nach 4 Rieh-
tungen luxiren , und zwar:
a. nach der Volarseite des Vorderarmes. Dabei ist
die Hand stark nach der Dorsalseite hin flectirt, und die Fin-
ger sowohl als der Vorderarm erscheinen gebogen.
Auf der Volarseite des Carpus ist ein Vorsprung* zu füh-
len, welcher der ersten Reihe der luxirten Knochen entspricht.
ß. Ganz die entgegengesetzten Erscheinungen sind bei
der Luxation auf der Dorsal fläche.
y. u. <\ Die Luxationen nach dem Radial- undUlnar-
Ende hin sind meistens unvollständig, und geben sich durch
die Verdrehung der Hand , und zwar im ersten Falle ge-
gen den Ulnar- , im zweiten gegen den Radialrand und die
entsprechenden Vorsprünge zu erkennen.
b) Alleinige Luxation des Radius. — Die äussere Seite
der Hand ist rückwärts gedreht und die innere vorwärts.
Der Processus slyloideus entspricht nicht mehr dem grossen,
vielwinkeligen Beine.
e) Wenn die Ulna mit ihrem untern Ende vom Os tvi-
quetrum weg luxirt (was sehr selten geschieht), so ist nach
rückwärts in der Gegend der Handwurzel eine Erhabenheit
zu sehen, welche durch Druck auf dieselbe leicht zum Ver-
schwinden gebracht werden kann, aber eben so schnell wie-
der erscheint , sobald man mit dem Drucke nachlässt.
Verrenkung der einzelnen Knochen der Hand.
Unter den Handwurzelknochen ist das einzige Os capi-
tatum, welches luxiren kann, und zwar nur auf den Rücken
der Hand. Man sieht dann auf demselben in der Richtung
des Mittelfingers in der Gegend des Os capitalum eine Erha-
benheit, die sich leicht einwärts drücken lässt , aber auch
gleich erscheint , wenn der Druck nachlässt.
Der Mittelhandknochen des Daumens ist allein einer
Verrenkung fähig, aus seiner Verbindung mit dem Os muH-
M2
angulum majus. Der Vorsprung* , den das luxirte Knochen-
ende blidet, ist sehr gering, der Daumen steht dann gegen
die Palmarfläche gebeugt, und kann nicht ausgestreckt werden.
Die Phalangen können nach der Volar- und Dorsalseite
luxiren (was aber selten geschieht), wobei man das luxirte
Gelenkende an dieser oder jener Seite der Finger fühlt. Zu-
gleich sieht man die Phalangen entweder gegen die Volar- oder
Dorsalseite flectirt.
Luxationen der untern Extremität.
I. Im Hüftgelenke. Im Hüftgelenke kommen 4 Ar-
ten der Luxationen vor, 2 nach einwärts von der Pfanne und
2 nach auswärts von derselben.
a) Luxation nach innen und oben oder vorn und oben,
auf den horizontalen Schambeinast.
ft) Luxation nach innen und unten oder vorne und un-
ten , ins Foramen ovale.
c) Hinten und oben oder aussen und oben, auf die hintere
äussere Fläche des Darmbeines.
d) Hinten und unten oder aussen und unten, in die
Incisura ischiatica.
Ehe ich zur speciellen Betrachtung dieser Luxationen über-
gehe, muss ich über die Art der Untersuchung etwas sprechen.
Es ist bei der Untersuchung nöthig, dass beide Extremitäten
nach unten entblösst seien, und dass das Becken vollkommen
horizontal stehe (d. i. dass eine , zwischen beiden Spinis ilei
ant. super, gezogene Linie sich mit der Längenachse des
Körpers rechtwinklig kreuze, was durch horizontale Rücken-
lage auf einer festen, wenig oder gar nicht nachgiebigen
Unterlage begünstiget wird). Kinder kann man von einem ge-
nug starken Individuum aufrecht halten lassen. Das Maass
Wird immer von der Spina ilei ant. sup. bis zur Spitze der
Kniescheibe genommen. Das Vorragen des Trochanter major
Wird dadurch bemessen, dass man beide Hände auf beide
Trochanteren legt.
513
i £ ~
4) tC
c
3 3:«
n 3 ;> *
« S .5
Ä ^ ^ =
j= «5
es
SC
£ * ev
ja . ja
= 3
C
ja
©
a
B
c
#b
2
Ä
es
i «>
O :«
M 3
'55
j* .5
■
ja 3
2 -a
.* N
Q «
3 a>
*3 ejc
B ^^ §
a
•b
B
TS 4> ß
5 a ->
§ S -a '-
•P
s
9
$
•**
«a
»P
s
p
c
sc
u
u
O
9
*p
&
p
u
CQ
CO
a
S
o
J3
• •*
"5
J3
:0
&
V
ab
wo
c
3
N
h
:3
J»i .
*• 32
► N
E
3
^
£ ü J? S ^ -o 3 «
5 6 1 .S s S -I J
O a
c ~N 'S - ^
P» «» H — H
J* a 2 a .« « - "
p»* i ~ ü; ra es
b „
* -3
Q
< :> "S
— In
"■N " 2 "3
-© -2 ja •
■ • b 9
03
G -a
B
JS
©
s
3
B
©
ü
es
»5
' -3
3 «s
ja
.5 -a
(« M
«) c
a
o
pB
-B
ü
Cd
? §
J* ^
c
3
N
U
:3
J4
-> o
£
3
fcr
e
3
-
B
■rt
"2
Q o .5 ^ - ^ -3 .2
V »• 3 2 -s .g ^ »S
SS'* ^i
£ 2. jz £ «» ° **
5 - r, J. ** '-* w
5 5} 3 Jrf 3 "3 •«
t 3 3 "3 «T « -a
.§ ^^ £^°S
1 ^ -ä O J2 s
8
Vi
•a E
See
• « .3
5 .2 fi •" 3 •
a o « - ^s •- ö
^ bo 5, J «JS-a
*e = a !— a «J a
r .3 o» a, «5 "3 i,
S «* =5 o « .5 «
g -a n Jai O .3 Q
6© • — — -3 |
3 •- — ~ J C
C « -3 - * es Q>
fe -a — S a ja -
S ^ -a ; « i*
, C a. o c «2 md
" " 3 aj w •"' r«
** ° ^ to
* a o c T •-
t « - -< _5 rr
„ Q a S = 2
3 :S « .2 A
«- ~ r -3 a
Q "2 %
oj r -r «
o
6J3
CS i.
3 2
3 O
co _a
s
eö
u
US
o
•p
ja
u
WD .2
u Q
o>
a
S
3 ••
Gaal, Diagnostik.
a
-a
o
S
a
<p
•p
tu
p
5»
• 2 N
£ 3
-= h
ü -3
*«n
ö §
0 8
h
:3
J4
•> 3 "3 S -Z «a -5
I 8 t § js c g
* -s > § ^ g ^ *
^ 4, " - •*; • «,
*; j - a w 's
« S fe -3 « 2 a ^»
5 »g jtf j S w -a s
«- «- ? 3 ja t_
93
« 9 *
X J? "3 -2 ^
Q cu ja -ö 3
514
Bei allen Luxationen ist die Bewegung des Oberschen-
kels nur dem Arzte, und zwar oft nur mit grosser Anstren-
gung möglich, so ist auch die Verlängerung (welche nur
bei der Luxation nach innen und unten vorkömmt) nur durch
die Extension von starken Gehilfen möglich. Diese Umstände
gelten als wichtige unterscheidende Merkmale der Verren-
kungen von Brüchen.
Die Luxation nach vorne und oben hat auf den ersten Blick
Ähnlichkeit mit dem Schenkelhalsbruche, wie er gewöhnlich
vorkömmt (d. i. mit Auswärtsrollung), aber die Unbeweg-
lichkeit, die Geschwulst unter dem Poupartschen Bande bei
der Luxation und die leichte Beweglichkeit und Ausdehnbarkeit
beim Bruche, unterscheiden diese beiden Krankheiten sattsam.
Nur in dem äusserst seltenen Falle, wo beim Schenkel-
halsbruch Einwärtsrollung vorkömmt, könnte eine Verwechs-
lung mit einer der beiden Arten von Luxation nach rückwärts
stattfinden , wo aber wieder die Beweglichkeit und Crepita-
tion beim Bruche zur Unbeweglichkeit bei der Luxation im
Gegensatze stehen.
Die huxatio femoris congenita ist immer nach hinten
Und oben , und unterscheidet sich von andern Luxationen ,
besonders aber von der huxatio spontanea dadurch, dass sie :
1. in der Regel an beiden Extremitäten vorkömmt, wie-
wohl nicht immer ;
2. dass keine Symptome von Coxalgie vorangingen ;
3. dass sie gewöhnlich zuerst bei den ersten Versuchen
eines Kindes zu gehen , wahrgenommen wird.
Im übrigen bietet sie die Symptome der Luxation nach
hinten und oben dar.
Luxation der Patella.
Diese Verrenkung ist eine ziemlich seltene Erscheinung,
doch kann sie nach aussen oder nach innen erfolgen.
Die erste Art ist noch bei weitem häufiger, als die
zweite. Die Erscheinungen sind :
515
Inspection. Das Glied ist ausgestreckt und schwer
zu beugen. Das Knie hat seine normale Gestalt verloren, die
Kniescheibe liegt schief und unbeweglich auf dem Condylus
externut.
Palpation. Bei der Luxation nach aussen fühlt man
durch die Haut die Erhabenheit des innern Condylus und
eine Abflachung an der innern Seite der Kniescheibe , und
wenn die Luxation vollständig ist, auf der äusseren Seite
eine durch die Patella bewirkte Hervorragung. Umgekehrt
ist diess bei der Luxation nach innen , welche übrigens fast
immer incomplet ist.
Luxationen des Kniegelenkes.
Diese Luxationen gehören wohl unter die seltensten Er-
scheinungen in der chirurgischen Praxis, und wenn sie vor-
kommen , so haben sie so auffallende Erscheinungen, dass übri-
gens sie unmöglich verkannt werden könnten. Sie sind fast immer
incomplet, denn eine vollkommene Luxation ist wojil ohne
Zerreissung der Gefiässe , Nerven , Muskeln und selbst der
Haut nicht denkbar.
Verrenkung der Fibula.
Diese kann aus ihrer obern und untern Gelenkverbin-
dung mit der Tibia gebracht werden , was aber leieht zu er-
kennen ist, indem man das Köpfchen an der Stelle fühlt,
wohin es ausgewichen ist.
33 #
516
3
9
3
Bt
3
8
De
stark li
su du
wiiklic
des ü
9?
o
er
o
A
CA
3 ö
A
8*
8
P
9
s
■
A
3
A
•"
3
A
5*'
e
►3»
1
3
1
3
►1
8-
r innere K
iervor, da
rchbohren
h durchbo
nterschenk
ö
OD
5
W
«3.
3
a>
an
a
»1
A
8
3
3
A
A
3
et
et
A
3
•»3
8
et
et
1
s'
n'
P
o
3*
ST
€-»
D
s*
s
►^
D"
o
er
CS
a
A
8:
*1
A er g 3
p-<
<tt
6
3
■i
O
3*
A
8
et
c
f* Cw A O
3
3
S
«0
«9
3
•
»
3
A
3
«>
o
8
04
2-
1
N
A
tritt so
ie Haut
it oder
ie Achse
rlängert
Cd
©
s
TT
OB
a
3
»
er
c
3
5
3
et
3
M
O
3"
o
er
A
3
3
3
3
et
et
et
A
8
8
et
et
Die e
scheinung
Puss ist n
a
9
O
s
3
e>
A
A
►1
et
3:
O
A
»A3
y.
D
1
A
1
A
1
O
3*
A
er c
T 4. A
= • O «
3 3 A
3^3
p
o
3*
er
»Ha
D
P
5
3
2 a«
P
C
^
3
8 V_ A
3
B
3
6
at
m
n
er
3
2 £? N
■
üq
•33
0
et
et
►5
et
5'
8
3"
— ** ~
S-- 1 A
O a
3
3
OD
OB
3
3
A
8
o
8
et
r» Ol
* 3 «
N V
CB*
o
a.
1
A 1
er
i— •
o
2 Ä a" 33
s
o
*j
*1
*J
3 3" 1 %
« A * 2-
^ 3 - » ö
0»
D
A
*t
ei
A
B>
3
sr
K:
►»
r»
et
8
et
et
et
►3
r*
»
er
8
e>
v>
1
o
A
8
<
A
1
**
8:
•t
N
ie Tibia mit ihrer Gel
steht auf dem Osna
'agt daselbst hervor.
776/a und Achilles-S
pertiefun.g.
as
p
o
3*
B*
5'
o
3
«1
ö
•*•
K
a
a
O.
(0
0
D
» N 2 <»
er < <y 3
3 5. c pr
•^
&.
mm
A 1 1 1
c>
3
CM
A
A
5? b* °- Ä
A K ä O
W
o'
im
A
ö
a'
»*j
3
et
et
et
•o
g
A°
A
1
M
A
Pf
3:
1
1
ö
A
*i
*J
8
Vi
*t
*t
8:
O
Pf
A
Die entgegenge
heinungen wie b
;m Fussrücken bil
s eine runde,
hwulst.
P
3*
<
O
4
a.
et
Ö
et*
1
»— <
N
A
N
A
°" £• 2. a
3
D
*1
3
«»•
et
A Cw v_ A
2 ' 3
9
OB
er
*
n
OC
B:
»1
8
i
O JS > w
A » ß **
1 1 M, 1
er
617
Die Verrenkungen der einzelnen Fusswurzel — , Mittel-
fussknochen und Phalangen kommen selten vor, und sind
dann leicht an den Vorragungen zu erkennen , die sie am
Fussrücken oder an einer oder der andern Seite der Ze-
hen bilden.
Über veralteten Luxationen oder nach Einrichtung einer
Verrenkung hört man zuweilen, wenn die traumatische Ent-
zündung noch nicht ganz gehoben ist, oder wenn der nicht
in die natürliche Gelenkgrube reponirte Gelenkkopf sich durch
einen plastischen Process eine neue Höhle bildet, durch das
Stethoskop , während versuchter Bewegung ein Reibungs-
geräusch.
Entzündungen der Gelenke.
Die pbysicalischen Erscheinungen entzündeter Gelenke
beziehen sich hauptsächlich auf die veränderte Stellung des
Gliedes und den Gang des Kranken. Die den Gelenksentzün-
dungen zukommenden Erscheinungen der übrigen Entzündun-
gen werden nicht besonders erwähnt; zuweilen vernimmt
man durch die Auscultation bei Bewegung krachende Geräu-
sche , welche auch vom Arzte und Kranken selbst gefühlt
werden können.
Entzündung im Hüftgelenke.
a) Stadium
prodromo-
rum.
Ausser einem
schleppenden
Gange kein ob-
jeetives Kenn-
zeichen.
6) Stadium sublu-
xationis.
Die kranke Extremität
ist verlängert, der Schenkel
im Knie gebogen, der grosse
Trochanter mehr nach
aussen und abwärts, der
Fuss nach aufwärts gekehrt,
die Hinterbacke flacher als
gewöhnlich. Druck auf den
Trochanter major vermehrt
bedeutend den Schmerz.
c) Stadium luxa-
tionis.
Die kranke Extremität
verkürzt und der Schenkel
nach oben verrenkt (selten
nach vorn), Hüft- und Knie-
gelenk halb gebogen. Zehen
nach innen gekehrt, so das*
der Kranke beim Auftreten
nur mit der grossen Zehe
denFussboden berührt. Die
Hinterbacke härter, später
verräth eine grosse fluetui-
rende Geschwulst einen Ab*
scess und verborgene Carie«.
518
Unterschiede des freiwilligen Hinkens vom
angeborenen.
Angeborenes Hinken.
Der Schenkel ist von jeher ver-
kürzt und nie so bedeutend, als bei
Cojcarthrocace (im 3. Stadium).
Lässt sich bei wagrechter Steh
» verlangen
zu schmerzen.
lung verlängern oder verkürzen, ohne
Freiwilliges Hinken.
Der Schenkel wird erst im drit-
ten Stadium der Krankheit, und zwar
oft um 2 — 4 Zolle verkürzt.
Streckung des Schenkels ist gar
nicht möglich und Verkürzung
höchst schmerzhaft.
Die Hinterbacke zeigt sich dicker
und härter als gewöhnlich.
Jede Bewegung schmerzhaft.
Nur die Zehen treten auf.
Die Hinterbacke erscheint, trotz
der Verkürzung, normal oder fla-
cher.
Die Biegung des Schenkels ist
schmerzlos.
Beim Stehen und Gehen wird
die ganze Fusssohle auf den Boden
aufgesetzt.
Entzündung* des Kniegelenkes.
Dieses Leiden erscheint entweder in den Gelenkbändern
(Tumor albus) oder in den Knochen selbst QGonarthrocace).
Letztere hat ebenfalls 3 Stadien, wie die Co xarthrocace,
mit folgenden Erscheinungen :
Stad. I. Der Kranke setzt das Knie leicht gebogeu nach
aussen , und tritt nur ängstlich mit den Zehen oder der
Ferse auf.
Stad. II. Das kranke Knie ist leicht gebogen , so dass
die Zehen den Boden berühren , bisweilen aber ist es recht-
ja spitzwinkelig gebogen, angeschwollen, 1 — 2 Zolle, selbst
wohl 6 Zolle dicker als das gesunde.
Stad. III. der Caries. Luxation ist hier nicht leicht mög-
lich. Bei carioser Zerstörung hört man nach Lisfranc ein
eigenes Reibungsgeräusch, ähnlich dem, das die Bruchflächen
eines Porzellantellers verursachen.
519
Pbyei c aliöche Unterschiede zwischen Gonar-
throcace und Tumor albus.
Gonarlhrocace.
Die Veränderung der äusseren
Form des Gelenkes ist in der ersten
Periode nicht siebtbar.
Die Geschwulst ist nicht gleich-
förmig, sondern den Knochen gemäss
höckerig, hart, nur heim Eintritt*
von Garies deutlich fluetuirend.
Tumor albus.
Die Veränderung der äusseren
Form des Knies tritt schon anfangs
zugleich mit dem Schmerzgefühle ein.
Die Geschwulst ist mehr gleich-
förmig , weich , elastisch und teigig
oder schwammig anzufühlen , nicht
ganz deutlich fluetuirend.
Die übrigen Gelenke zeigen keine besonderen physika-
lischen Erscheinungen.
Im Allgemeinen sind entzündete Gelenke immer in einer
solchen Stellung, dass die schmerzhaften Theile so wenig
als möglich gedrückt werden; bei freien Gelenken ist diese
Lage verschieden, bei Winkelgelenken ist es die Beugung.
Bei Entzündung im Sprunggelenke ist der Fuss immer
gestreckt (ein Spitzfuss) , die Ferse steht höher, und der
Kranke tritt nur auf die Zehen auf. Dieser Umstand ist von
dem Chirurgen besonders genau zu erheben , damit er in
einem solchen Falle nicht voreilig zu einer Operation schreite.
— Anhaltspuncte geben hier die Art und Zeit der Entste-
hung und die Empfindung des Kranken.
Entzündung der Sehnenscheiden.
Hier hört man während der Bewegung des leidenden
Theiles ein Reibungsgeräusch , das sich eine Strecke weit
verfolgen lässt. Bei Entzündung der Beuger der Hand ist es
an ihrer Beugeseite zu auscultiren, und oft mit der fühlbaren
Empfindung verbunden, als ob die Muskeln durch leinen
Sand gezogen würden. Crepitation kommt beim Knochen-
bruche dieser Stelle deutlicher an der Streckseite der Mus-
keln vor.
520
Chronischer Rheumatismus der Sehnenschei-
den wird durch dieselben pbysicalischen Symptome erkannt.
Gelenkswassersucht, Hydrops ar ticulorum,
Hydrarthrus.
Vermehrte Ansammlung von Synovia in den Gelenkhöh-
len. Häufig mit geringen Entzündungserscheinungen auf-
tretend.
Inspection. Das Gelenk verändert seine Form, der
Umfang ist vermehrt. Die Geschwulst ist nicht gleichförmig,
und über den ganzen Umfang des Gelenkes verbreitet (Unter-
schied vom Ödem), sondern da am stärksten, wo das Kap-
selband nachgiebiger und weniger bedeckt ist. So z.B. zeigt
sich die Geschwulst am Handgelenke vorzüglich auf der
Dorsal- und Volarseite, während sie auf den Seiten kaum
bemerkbar ist.
Im Fussgelenke ist sie auf der Vorderseite der Ge-
lenke am auffallendsten.
Am Schulter gelenke beschränkt sie sich auf den
vorderen Theil desselben, und tritt am deutlichsten zwischen
dem Delta- und dem grossen Brustmuskel hervor.
An dem Kniegelenke, wo das Übel am häufigsten
vorkommt, zeigt sie sich vorne und auf den Seiten, wo
sie, wenn sie sehr zunimmt, auf der inneren Seite am bedeu-
tendsten ist, durch die Kniescheibe und die daran befestigte
Sehne und das Band gleichsam in 2 Hälften getheilt wird,
und sich nach oben unter die Muskeln ausdehnen kann.
P a 1 p a t i o n. Die Geschwulst ist weich, gibt dem Drucke
des Fingers nach, behält aber den Eindruck nicht und fluetuirt
deutlich.
Beim Kniegelenke wird bei höherem Grade des Übels
die Patella emporgehoben, und ist sehr beweglich ; drückt man
die Kniescheibe gegen das Gelenk zu einwärts , so vermehrt
man die Geschwulst an ihren Seitentheilen , lässt man dann
mit dem Drucke nach , so steigt die Patella wieder empor.
621
Bei der Beugung des Unterschenkels wird die Geschwulst
an den Seiten grösser und gespannter, und weniger deutlich
fluctuirend. Bei der Streckung geschieht das Gegentheil.
Die Bewegungen werden beim Hydrarthrus wenig be-
schränkt.
Gelenksteifigkeit, Anchylosis.
Man theilt die Anchylosen in wahre und falsche oder
unvollkommene. Unter den ersteren versteht man wirkliche
Verwachsung der Knochenenden, unter den letztern begreift
man die Gelenksteifigkeiten, welche aus Verdickung der Bän-
der , Verkürzung der Sehnen , Narben etc. entstehen.
Die pbysicalischen Erscheinungen sind sehr deutlich ,
werden aber an freien Gelenken seltener beobachtet, da diese
nicht sehr häufig dem Übel unterliegen.
Inspection. Man sieht das Gelenk immer in einer be-
stimmten Stellung , welche von der Lage des Gliedes wäh-
rend der die Anchylose bedingenden Krankheit abhängt. Vor-
herrschend ist besonders bei den sogenannten falschen An-
cbylosen die Beugung.
Das Gelenk hat seine normale Form verloren, vornehm-
lich bei den wahren Anchylosen. Alle normalen Erhabenhei-
ten und Vertiefungen sind ausgeglichen.
Palpation. Betastet man das Gelenk, so findet man
bei falschen Anchylosen hie und da längliche Erhabenheiten
von gespannten Sehnen und verdickten Bändern, bei wahren
unregelmässige Höcker von neuer oder hypertrophirter Kno-
chensubstanz.
Verkrümmungen der Extremitäten.
Diese sind an der oberen Extremität viel seltener, als
an der untern und auch bei weitem nicht so entstellend, we-
nigstens leichter zu verbergen. Die erkrankten Extremitäten
werden zugleich auch gewöhnlich atrophisch gefunden.
I. An der oberen Extremität.
Im Ellbogen. Der Vorderarm ist an den Oberarm der-
gestalt angezogen, dass beide zusammen einen stumpfen,
522
rechten, oder sogar spitzen Winkel bilden. Die Sehnen er-
scheinen an der Beugeseite gespannt.
Permanente Beugung der Hand, Talipomanus,
Klumph and.
Die Hohlhand ist gegen die Volarseite des Vorderarmes
gerichtet, und kann nicht gestreckt werden. Das Gegentheil
davon heisst permanente Streckung der Hand.
Verkrümmung oder permanente Beugung der
Finger; Dac lylog r yposis.
Die Finger sind gebeugt, und können weder activ noch
passiv gestreckt werden,
Alle diese jetzt angeführten Verkiümmungen, wie auch
die des Kniegelenks, sind sehr selten angeboren, sondern
meistens in späterer Zeit acquirirt.
II. Verkrümmungen an der untern Extremität.
a) Am Knie. Die auffallendsten und häufigsten Ver-
krümmungen sind die nach einwärts Qgenu valgum) und nach
auswärts (genu varumj ; seltener sind die nach vor- und
rückwärts , welche letztere so wenige und so auffallende
Erscheinungen haben , dass es überflüssig wäre , sie hier
anzuführen.
Einwärts kehrung (Genu valgum), Ziegel- oder
Schemmelbein.
An einer Extremität. An be idenExtremitäten
Das kranke Knie ist dem Beide Knie sind einwärts
gesunden näher, berührt das gekehrt, und stehen bei hö-
letztere. heren Graden bei aufrechter
Stellung des Kranken oft hin-
ter einander. Gewöhnlich ist
dann e i n Knie stärker ver-
krümmt als das andere.
Der Gang ist hin und her-
schwankend, sehr unsicher.
523
Der Kranke tritt mehr mit dem inneren , meist callösen
Fussrande , als mit der Fusssohle auf.
Der Kranke steht mit dem Becken der betheiligten Seite
schief, und sinkt beim Gehen auf die kranke Seite.
Der Unterschenkel divergirt nach unten zu immer mehr,
sodass die Fasse am meisten abstehen. Der äussere Condyl
ist nicht zu fühlen. Der innere steht vor.
Die Patella ist etwas nach auswärts gestellt.
Das Entgegengesetzte findet bei der Auswärtsbeugung,
dem Genu varum, dem Sichel- oder Säbelbeine statt , wel-
ches häufiger bei Männern als bei Weibern vorkömmt.
Verkrümmung der Füsse.
Die angeborenen sind am häufigsten.
I. Klumpfuss, Talipes varus.
Der Fuss ist um seine Achse* mehr oder weniger ge-
dreht, so dass dabei der äussere Fussrand tiefer, der innere
höher zu stehen kommt.
Man unterscheidet gewöhnlich 6 Grade.
i. Grad. Der äussere Fussrand berührt nur mit demun-
teren (Sohlentheile) den Boden.
2. Grad. Der äussere Fussrand ist entschieden der Erde
zugekehrt, und der Fuss steht nach innen. Die Ferse er-
scheint erhoben, die Sohle hohl, so dass sie den Boden nicht
mehr berühren kann. Die Achillessehne findet man gespannt,
und die Wade dünn.
3. Grad. Der Fuss ist noch mehr nach innen umgekehrt.
Der äussere Theil des äusseren Fussrandes bildet die Sohle
und zeigt dicke Schwielen. Die Sohle selbst ist gefurcht,
ausgeschweift.
4. Grad. Alle Symptome verstärkt , und der Kranke geht
vollkommen auf dem Fussrücken.
5. Grad, Der halbkuglige Fussrücken bildet eine schwie-
694
lige Sohle , die eigentliche Sohle aber ist nach oben gekehrt
und hat eine feine, reizbare Haut.
II. Pferde- oder Spitzfuss, Pes equinus.
Die Ferse ist erhoben, die Achse des Fusses kommt mehr
oder weniger in die Richtung der Achse des Unterschenkels.
Man unterscheidet gleichfalls ö Grade :
1. Grad. Die Ferse ist nur massig in die Höhe gezogen.
Der Kranke geht besonders auf dem Köpfchen der grossen
und zweiten Zehe.
2. Grad. Die Ferse ist (bei Erwachsenen) 1 — 2 Zoll
vom Boden entfernt , der Fuss tritt in der Gegend der letzten
und vorletzten Zehe auf.
3. Grad. Die Ferse ist 2—8 Zoll vom Boden entfernt,
der Fuss bildet einen stumpfen Winkel oder gar eine gerade
Linie mit der Tibia.
4. Grad. Die Ferse zeigt sich ausserordentlich hoch nach
hinten in die Höhe gezogen, die Fusssohle ausgehöhlt, der
Fussrücken gewölbt, bucklig, und die Zehen sind stark ge-
gen den Fussrücken gebogen.
5. Grad. Der Fuss ist nach hinten umgeschlagen , so
dass der Kranke auf dem Fussrücken geht.
III. Plattfuss, T alipes valgus.
Die Sohle ist nach aussen gekehrt, so dass der Kranke
auf dem innern Fussrande gehen muss, der den Boden mehr
als der äussere berührt. Die natürliche Wölbung des Fuss-
rückens und die Concavität der Sohle gehen verloren. Fuss
und Zehen erscheinen sehr lang , oben und unten platt.
Beim Gehen ist das Knie nach innen, die FussspiUe
nach aussen gerichtet. Der innere Knöchel ragt stark hervor.
Meistens zeigt der Plattfuss eine blaurothe Färbung
und eine eigenthümliche Kälte.
Der Gang des Kranken ist im Ganzen steif und stel-
xen artig.
525
IV. Fersen- oder Hacken fuss.
Der Fuss ist nach vorn im spitzen Winkel zum Unter-
schenkel hinaufgezogen , so dass nur die Ferse den Bo-
den berührt.
Die Zehen stehen aufwärts.
Die Fusssohle ist nach vorne gerichtet.
Varices; Blutaderknoten.
Diese kommen am häufigsten an den unteren Extremitä-
ten, und hier besonders am Unterschenkel vor.
Sie characterisiren sich durch ungleiche , umgrenzte,
bläuliche oder schwärzliche Erhabenheiten, welche bei einem
auf sie angebrachten Drucke verschwinden, sich aber schnell
wieder einstellen, wenn dieser nachlässt.
Oft bilden sich durch Übereinanderlegen varicöser Venen
grössere Geschwülste, es entstehen ödematöse Anschwel-
lungen des ganzen Gliedes, die Häute der Blutadern
verdicken sich , und letztere fühlen sich härtlich an ; häufig
sind mehrere Stellen einer so erkrankten Extremität geröthet,
hart, und hie und da findet man Geschwüre in der Haut und
dem subcutanen Zellgewebe.
Wassersucht der Schleimbeutel und serö-
sen Sehnenscheiden (Überbeine, Oanglia) kommen
häufig an den Extremitäten vor.
Dem Wesen und den allgemeinen physicalischen Erschei-
nungen nach sind diese beiden Zustände ganz gleich , un-
terscheiden sich nur durch den Sitz.
Die denselben zukommenden Erscheinungen sind :
Runde oder längliche Geschwülste, manchmal etwas ge-
röthet, über denen die Haut normal ist, sich in Falten heben
lässt; sie sind genau begränzt , deutlich fluetuirend, eigen-
tümlich elastisch.
War die Entzündung , welche die Serumanhäufung be-
dingt hat, heftig, so bemerkt man nach Entleerung derFlüs-
526
sigkeit (so wie bei Entzündungen der Sehnenscheiden über-
haupt) ein eigentümliches Reibungsgeräusch , welches im-
mer besser gefühlt als gehört wird. Um dieses zu fühlen ,
hält man entweder die Hand oder die Fingerspitzen auf die
Gegend des Ganglion, und lässt den Kranken solche Bewe-
gungen machen , wobei die betheiligte Sehne in Anspruch
genommen wird, oder man bewegt die Haut und die eine
Wand der Sehnenscheide über der Sehne selbst.
Diese Krankheiten kommen am häufigsten vor:
a) Am Schleimbeutel unter der Haut, welche unmittel-
bar das Olecranon bedeckt.
b) Über der Patella , wo diese Krankheit früher Knie-
scbwamm oder Wasserbalggeschwulst der Kniescheibe ( f/y-
groma cysticum patellaej genannt wurde.
e) Über denjenigen Sehnen , die über Knochen ziehen
oder in Rinnen von Knochen gehen, z. B. Abductor lonyus et
extensor brevis pollicis (am Radialrande des Vorderarmes).
Über der Sehne eines oder der beiden Radialis externus ,
Ulnaris externus (am Rücken der Handwurzel). An der in-
neren Seite der Kniekehle , hinter den Knöcheln, selbst an
der Volarseite der Finger.
Die physicalischen Erscheinungen der Caries und Ne-
crose werden hier angeführt, weil diese Krankheiten haupt-
sächlich an den Extremitäten vorkommen , wiewohl sie auch
an andern Knochen entstehen.
Bei der Exploration nimmt der Kranke eine verschiedene
Lage an, je nach dem Orte, an welchem die Krankheit erscheint,
dann besieht man sich die Form, den Umfang des leidenden
Theiles und die Beschaffenheit des Secrets , und schreitet
dann erst zur Untersuchung mit der Sonde , welche in die-
sem Falle eine metallene sein muss, und zwar am besten von
Silber, weil sich diese leicht biegen lässt. Manchmal findet
man den nekrotischen Knochen leicht , manchmal aber ist
dies schwer.
ÖS7
Wir wollen nun die objectiven Symptome der Necrosis
und Caries vergleichend darstellen.
Necrosis.
Kommt fast nur in der
dichten Knochensubstanz, al-
so an dem Schafte der Röh-
renknochen , den Glastafeln
breiter Beine vor.
Die Geschw ulst des Glie-
des ist gleich anfangs grösser.
Die Öffnungen in der Haut
und den Weichtheilen (Cloa-
ken) sind von einem lebhaft
rothen Fleischwalle umgeben.
Das Secret bei der Ne-
crose ist reiner Eiter.
Wenn man mit der Sonde
untersucht, so findet man das
necrotische Knochenstück un -
eben , hart , wenn auch rauh,
doch nie weich und nachgie-
big.
Die Knochensplitter, wel-
che sich abstossen, sind bei
der Necrose lamellös , hart ,
fest zusammenhängend.
Caries.
Kommt nur in schwammi-
gen Knochen vor, also an den
vielwinkligen Knochen, Fuss-,
Handwurzel, Wirbelknochen
und an den Epiphysen der
Röhrenknochen.
Die Geschwulst ist an-
fangs kleiner.
Die fistulösen Gänge sind
entweder ohne allen Fleisch-
wall in der Haut geöffnet, oder
dieser ist bald schlaff, einge-
sunken, bald callös, immer
aber schmutzig roth.
Bei der Caries dünnflüs-
sige, stinkende Jauche.
Bei der Caries findet man
den Knochen rauh , uneben ,
weich, aufgelockert, fungös,
Die Sonde kann ihn leicht
durchdringen.
Bei der Caries klein, pul-
verig zerreibbar.
Aneurysmen an den Extremitäten.
Die Pulsadergeschwülste äussern sich an den Extremi-
täten im Ganzen durch Erscheinungen , welche von jenen,
die wir für Aneurysmen überhaupt angegeben haben , nicht
viel verschieden sind; doch liegt es im örtlichen Verhältnisse
528
und in dem Umstände der abnormen Verbindung mit einer
Vene, welche hier nicht selten Statt findet, dass die Sym-
ptome modificirt und von neuen begleitet erscheinen.
Inspection. Eine runde oder längliche Geschwulst
nach dem Verlaufe einer Arterie, die man oft von weitem
pulsiren sieht, ist häufig sichtbar, jedoch nicht immer.
Die Haut über der Geschwulst wird in der Regel nor-
mal gefunden, manchmal aber, wie beim Aneurysma vari-
cosum nach gleichzeitiger Verletzung einer Vene und Arte-
rie, ist eine kleine runde Stelle oder eine Narbe zu sehen ;
bei dieser letztern Art von Aneurysma sieht man auch immer
die umliegenden Venen varicös.
Palpation. Legt man die Fingerspitzen auf die Ge-
schwulst, und drückt dabei etwas gegen die Tiefe , so fühlt
man die Pulsation sehr deutlich, es wird die Hand mehr we-
niger stark gehoben. Zugleich bemerkt man, besonders aber
beim Aneurysma varicosum und spurium, ein Schwirren vom
Eintreten des Blutes in den aneurysmatischen Sack.
Beim wahren Aneurysma wird die Pulsation mehr gleich-
massig gefühlt. Comprimirt man die entsprechende Arterie
zwischen der Geschwulst und dem Herzen, so hört der Im-
puls auf.
Das wahre Aneurysma verschwindet durch Compression
gleich , das spurium nach und nach , das varicosum wird
nur etwas kleiner.
Die Pulsationen sind beim wahren Aneurysma stärker,
als beim falschen und beim varicösen, bei letzteren zwischen
Geschwulst und Peripherie geringer, als ober derselben.
Alle diese Geschwülste kann man durch einen concen-
trischen Druck zum Verschwinden bringen.
Bestehen Aneurysmen schon lange, so ist das Glied ab-
gemagert oder ödematös angeschwollen.
Droht ein Aneurysma zu bersten, so findet man die
Haut darüber geröthet und entzündet.
5*9
A u s c u 1 t a t i o n. Durch das Sthcthoskop hören wir ein
ununterbrochenes, nur mit den Pulsschlägen verstärktes Rau-
schen, und zwar um so stärker, je näher das Aneurysma
dem Herzen ist, und je rauher seine Wände sind. Ist aber
viel Blutgerinnsel vorhanden, oder das Aneurysma sehr gross,
so hört man auch das Geräusch vermindert, indem die darin
enthaltene Flüssigkeitsmenge zu gross ist, um in allen Thei-
len durch den ßlutstrahl in gleichmässige Schwingungen
versetzt zu werden , und viel Coagulum die Bewegung des
Blutes und sein Einströmen verhindert.
Beim Varix aneurysmaticus hört man nach Schottin
und Schuh oft ein eigenthümlich zischendes Gebrause, das
durch Einströmen des Blutes aus der Arterie in die Vene ent-
steht , und oft schon durch das Stethoskop wahrgenommen
wird, wenn noch gar keine Geschwulst sichtbar ist. Dieses
Geräusch wird bei Entfernung des Ohres von der leidenden
Stelle immer schwächer vernommen, und geht in ein nur bei
der Diastole der Arterie hörbares Blasengeräusch über.
Bei Aneurysma der Knochenarterien soll man noch aus-
ser den gewöhnlichen Erscheinungen der Aneurysmen auch
bei angebrachtem Drucke ein eigenthümlich knisterndes Ge-
räusch vernehmen, dem ähnlich, welches das Zerbrechen
von Eierschalen bewirkt.
Bei Verbrennungen derExtremitäten entwi-
ckelt sich zuweilen Herzentzündung, und mit Gang raena
senilis sind häufig organische Herzleiden im ursächlichen
Zusammenhange. Der Werth derphysicalischen Untersuchung
in beiden Fällen ist somit einleuchtend.
Zur Bestimmung der An zeige zu Amputationen
muss die Brust des Kranken genau untersucht werden, um
etwa vorhandene Tuberculose oder andere Brustkrankheiten
zu ermitteln, deren Gegenwart die Operation verbietet. Auch
die Leber ist besonders bei scrophulösem Habitus und Caries
an den Gliedmassen genau zu exploriren , da fettige Entar-
Gaal Diagnostik. 3^
530
tung derselben und ähnliche Zustände nur einen sehr ungün-
stigen Erfolg* der Operation hoffen lassen.
Ist an der Gliedmasse ein Schwammgewächs vorhanden,
und sollte amputirt werden, so ist die Operation zwecklos,
wenn fühlbare Unebenheiten an der in ihrer Grösse verän-
derten Leber auf krebsige Entartung derselben schliessen
lassen, oder wenn ein ähnlicher Process in der Brusthöhle
nachzuweisen wäre.
D i e
pathologisch-chemische
und
mikroskopische Untersuchung
zur medicinischen Diagnose.
Von
Dr. Joli. Flor. Heller.
34*
Das Mikroskop
und
dessen Gebrauch,
Das Mikroskop ist für den praktischen Arzt bereits un-
entbehrlich geworden. Die mikroskopische Untersuchung* ist
in vielen Fällen , so wie in anderen Fällen die chemische
entweder als das einzige Mittel, oder mit einer anderweitigen
Untersuchung vereint als ein weiterer Beleg «u betrachten,
um zu einer sicheren Diagnose zu gelangen. Es versteht
sich von selbst , dass, so wie keinem Instrumente, welches
in der Medicin Anwendung findet, auch dem Mikroskope und
dem chemischen Apparate nicht ein Alleinwerth zugeschrie-
ben werden darf, wenn es auch für einzelne Fälle der Fall
ist. Alle Instrumente richtig und zur gehörigen Zeit ange-
wendet, haben, einzelne nur mehr oder weniger, ihren Werth
für die Diagnostik.
Das Mikroskop dient hauptsächlich dazu, Gegenstände,
welche für das blosse Auge oder bei Anwendung von Lou-
pen , entweder unsichtbar oder undeutlich erscheinen , bei
einer stärkeren Vergrösserung zu beobachten.
534
Bevor wir zum Gebrauche des Mikroskopes und der Cau-
telen, w eiche bei der mikroskopischen Untersuchung zu beob-
achten sind , schreiten, wollen wir das Mikroskop selbst nach
seinen wesentlichsten Theilen beschreiben, so wie diejenigen
Mikroskope angeben, welche am meisten in Gebrauch kom-
men, jetzt auch am meisten unter dem medicinischen Publi-
cum Verbreitung gefunden haben.
Die Mikroskope von Plössl in Wien verdienen jeden-
falls vor allen den Vorzug , ihnen zunächst stehen die von
Oberhauser in Paris , dann Schie k in Berlin *).
Von einer genauen Detaillirung aller Arten von Mikro-
skopen, so wie einer Vergleichung der Mikroskope von ver-
schiedeneu Meistern kann hier eben so wenig die Rede sein,
wie von der physicalischen Theorie des Mikroskopes ; tür die-
jenigen, welche sich hievon näher unterrichten wollen, möge
die Angabe des besten Werkes genügen, wrelches wrir in die-
ser Beziehung besitzen, es ist: Jul. VogeTs Anleitung
zum Gebrauch des Mikroskopes; Leipzig 1841 bei Leopold
Voss.
In den wesentlichen Theilen stimmen alle Mikroskope
mit einander überein, wir wollen daher bei der Angabe der
drei Mikroskope von Plössl, welche verschiedene Grössen
haben , und am gewöhnlichsten in Gebrauch sind, verbleiben.
*) Adressen. Simon Plössl, Optiker und Mechaniker in
Wien, alte Wieden , Feldgasse Nr. 815;
J. W. Schiek in Berlin, Dorotheenstrasse, Nr. 31;
Georges Oberhäuser, Opticien, Place Dauphine,
Nr. 19 ä Paris.
I. Das grosse zusammengesetzte Mikroskop.
535
536
Dieses bat 6 — 7 achromatische aplanatische Linsen und
3 Oculare; dessen Vergrösserungen gehen beiläufig von 18
Mal bis zu 500 Mal linear, oder 324 Mal bis 250,000 Mal
der Fläche mit vollständiger Klarheit und Schärfe. Die ver-
schiedenen Beigaben und das Zugehör des Mikroskopes findet
man in PI ö s s l's Cataloge. £s kostet 185 fi. C. M. Die Bei-
gaben betreffend soll Folgendes bemerkt werden:
1. Ein 4. oder gar ein 5. Ocular, um damit die Ver-
grösserungen zu steigern , sind unnöthig , da bei ihrer An-
wendung die Lichtstärke zu sehr abnimmt, der Gegenstand
daher, wenn gleich grösser, doch um so mehr undeutlich
wird.
2. Die Vorrichtung am Objecttiscbe dieses Mikroskopes
mit Mikrometerschraube zur höchst feinen Einstellung des
Gegenstandes bei starken Vergrösserungen ist unentbehr-
lich (kostet separat 12 fl.) , und sollte wohl an keinem Mi-
kroskope fehlen.
3. Der Apparat zum Messen der Objecte mit Mikrometer-
schraube ist meist leicht entbehrlich, besonders für Ärzte,
welche sich nicht ausschliesslich mit Mikroskopie beschäfti-
gen ; er kostet viel (90 fl.) , vergrössert den Kasten , und
hat den Fehler, bald ungenau zu werden, und zwar weit
früher, ehe man es bemerkt, da die Schrauben durch den
Gebrauch bald locker werden , wo dann die Gradlinien nicht
mehr richtig anzeigen. Die zwei Glasmikrometer (ä 3—4 fl.)
sind hinreichend zu den meisten Messungen, die man vor-
zunehmen pflegt.
4. Der Glastisch , welcher als Deckung über den Mes-
singtisch geschoben wird , ist besonders jetzt, wo mehr mit
chemischen Reagentien unter dem Mikroskop gearbeitet wird,
sehr zu empfehlen, und mir wenigstens wahrlich unentbehr-
lich geworden. Fig. B.
537
Fig. B.
II. Das mittlere Mikroskop.
Es hat dieselbe wesentliche Einrichtung*, wie das grosse,
hat 6 Linsen und 3 Oculare und leistet Vergrößerungen von
18 bis 250 Mal linear oder 324 bis 62,500 Mal der Fläche,
es kostet 90 fl.
Dieses Mikroskop ist dasjenige , welches von Ärzten
am meisten gebraucht wird ; es ist denjenigen , welchen das
grosse zu kostspielig ist, auch am meisten zu empfehlen,
indem es für die allermeisten Fälle ausreicht , und hat auch
den Vortheil, dass es sehr compendiös ist.
III. Neues kleines Mikroskop, vonPlössl zuerst con-
struirt und »Arbeitsmikroskop« genannt. Es steht auf run-
dem , messingenem Fusse. Der Objectlisch ist mit offener
Federklammer versehen , und ist durch ein Triebrad beweg-
lich. Es ist nach Art der Fernröhre zum Auseinanderziehen.
Am Auszug (Ocularrohr) sind die Vergrösserungen ange-
zeichnet.
Dieses Mikroskop zeigt die Objecte nicht verkehrt , wie
die übrigen , hat eine sehr grosse Focaldistanz , und dient
daher ganz vorzüglich dazu , um darunter Objecte zu prä-
pariren, was für anatomisch-mikroskopische Untersuchungen
von grösserem Vortheil ist, wo man auch seltener so grosse
Vergrösserungen nüthig hat.
Die Vergrösserungen gehen von 15 bis 150 Mal linear,
oder 225 bis 22500 Mal der Fläche, welche durch Verlän-
gerung des Rohres (Ausziehen) bis zu den angezeichneten
Vergrösserungsstrichen hervorgebracht werden können. Die-
538
ses Mikroskop ist zuerst von Plössl construirt worden, ist
sehr bequem und compendiös. Es passen auch die Linsen
von den früher angegebenen Mikroskopen daran , so dass
man durch Anwendung dieser auch noch grössere Vergrös-
serungen hervorbringen kann. Es ist daher auch jenen zu
empfehlen , die schon ein grösseres besitzen , um dieses zu
schonen, und in sehr vielen Fällen bequemer arbeiten zu
können. Es kostet sammt Etuis 48 fl. Mit der Einrichtung
den Körper mittelst Triebrad auch horizontal zu bewegen,
50 fl. C. M.
Die Mikroskope von Oberhäuser, Schieku.A. ent-
sprechen in der wesentlichen Einrichtung denen von PI ö s s 1 ,
wir können daher im folgenden Capitel die Theile des Mi~
kroskopes im Allgemeinen beschreiben.
Theile des Mikroskope s.
Man unterscheidet im Allgemeinen das Mikroskop selbst von
den hiezu notwendigen Apparaten, dem Zugehör desMikro-
skopes, welches sich in dem Kasten des Mikroskopes befindet.
Die Haupttheile des Mikroskops sind: I. das Gerüste;
II. der optische Theil.
Theile des Gerüstes.
1. Der Fuss (Fig. A a). Er besteht aus 3 Stäben,
welche sich zusammenlegen lassen ; bei manchen Mikrosko-
pen (von Oberhäuser, Brunner etc.) ist er ein mit dem
übrigen Gerüste zusammenhängender, hohler an der einen
Seite offener Cylinder , worin sich der Spiegel befindet.
Der Stock (b 0). Derselbe ist mit dem Fusse unter
einem rechten Winkel in Verbindung, an ihm ist das Rohr
c), der Tisch mit beweglicher Einrichtung d), dann die Trieb-
räder ef), oder die Stellschrauben in Verbindung.
3. Der 0 bj e et tisch (Tisch) et); er ist mit dem Stock
entweder in beweglicher oder unbeweglicher Verbindung. Die
Beweglichkeit des Tisches ist entweder allein da, und das
Rohr steht fest , oder es wird das Rohr bewegt und der Tisch
steht fest. Ich habe aber bereits obenerwähnt, dass Plössl
539
jetzt, jedoch nur auf ausdrückliches Verlangen die beweg-
liche Einrichtung am Tische, ausserdem, dass das Rohr be-
weglich ist, anbringt, welche Bewegung nur zur feineren
Einstellung dient, nachdem durch die gröbere Stellschraube
der Gegenstand bereits in den Focus gebracht wurde.
Der Objecttisch ist entweder einfach und bloss mit der
Federklammer versehen , oder bei grösseren Mikroskopen
doppelt, besteht aus 2 übereinander liegenden Platten, von
denen die obere durch 2 Schrauben nach verschiedenen Rich-
tungen verschiebbar ist, um dadurch die Objecte in das Seh-
feld zu bringen. Der Objecttisch ist durchbohrt, damit das
durch den Spiegel reflectirte Licht hindurch gelangen kann.
Um das Licht schwächen zu können, ist an der unteren Seite
des Tisches eine verschiebbare Blendscheibe angebracht,
in welcher 3 Öffnungen von verschiedener Grösse sind. Aus-
serdem kann man sich noch einiger Diaphragmen bedie-
nen, runde Platten mit verschieden grossen Öffnungen; die
Platten passen gerade in das Loch des Tisches.
Ein Theil des Objecttisches ist auch die Federklam-
mer, welche ober jenem ruht; sie ist mit einer unter dem
Tische sich befindlichen Druckfeder in Verbindung , durch
welche sie gehoben und niedergelassen werden kann, um
die Deckgläser auf das Object niederzudrücken, so festzu-
halten , und das Object zu quetschen. Unter sie wird auch
der Glastisch Fig. B) geschoben.
Der Spiegel y). Derselbe befindet sich in einer gewis-
sen Entfernung unter dem Tisch, er ist am Stocke befestigt,
und ist nach allen Richtungen beweglich. Auf der entgegen-
gesetzten Seiteist eine schwarze Rückwand, welche bei ße->
sichtigung opaker Gegenstände dem Tische zugewendet wird.
II. Optischer Theil.
Die Linsen. Die Linsen , welche am unteren Theile
des Rohres angeschraubt werden , daher unmittelbar ober
dem Objecte sich befinden, werden Objectiv linsen ge-
nannt. Jede Linse selbst befindet sich in einer aussen und
540
innen mit Schraubenwindungen versehenen Messingfassung,
so dass eine an die andere angeschraubt werden kann , um
die verschiedenen Vergrösserungen hervorzubringen.
Die Linsen sind achromatisch. Sie sind an ihrer Fassung
mit Nummern bezeichnet. Die verschiedenen Combinationen
zeigen verschiedene Vergrösserungen an. Jede Linsencom-
bination heisst ein Linsensystem. Die optischen Gesetze,
welche dem zusammengesetzten Mikroskope zu Grunde lie-
gen , können, wie bereits erwähnt, hier keinen Platz finden,
und verweise daher auf Vogel's Werk.
Die Oculare. Ocularlinsen. Jedes Ocular besteht aus
zwei Linsen , welche in einer gewissen Entfernung in eine
Messingröhre gefasst sind, welche Röhre in dem oberen Theil
des Rohres des Mikroskops eingeschoben wird. Die 2 Gläser
heissen : C o 1 1 e c t i v glas, das untere und das obere dem beob-
achtenden Auge zunächstliegende: Objectiv linse. Man
hat gewöhnlich 2 — 3 Oculare, mehrere sind unnöthig. Jedes
Ocularrohr ist mit seiner Nummer bezeichnet. Durch Wech-
seln des Oculars kann man mit Beibehaltung des einmal an-
geschrobenen Linsensystems , die Vergrösserungen nach Be-
lieben verstärken, jedoch findet immer mit der Steigerung der
Nummer des Oculars , also mit der Zunahme der Vergrösse-
rung eine Abnahme der Lichtstärke statt, somit das Bild im-
mer weniger scharf und undeutlicher erscheint.
Jedem Mikroskop wird von Seite des Optikers ein Ver-
zeichniss beigegeben, welches die verschiedenen Vergrösse-
rungen angibt , die man bei Anwendung verschiedener Lin-
sensysteme zugleich mit den verschiedenen Ocularen erhält.
Es ist keineswegs gleichgültig, welche Linsen man zusam-
menschraubt, man hat sich daher nach der Vorschrift des
Optikers zuhalten, obwohl man durch Versuche selbst auch
noch andere Combinationen auffinden kann,
Meinem grossen Mikroskop von Plössl liegt z.B. fol-
gendes Verzeichniss von Vergrösserungen bei:
541
Obj ective
Ocular
I.
11.
III.
N. 1
30
48
1 +2
60
96
1 + 3 + 4
116
188
3 + 4+5
132
210
5 + 6 + 7
220
510
880
Mal im Durchmesser
Apparate oder Zugehör des Mikroskopes.
1. Objectgläser. Als solche dienen am besten Glas-
platten von feinem geschliffenen dünnen Glase von 2 bis
81/, Zoll Länge mit 1 bis l'/2 Zoll Breite. Je weniger grün-
lich oder bläulich das Glas ist, desto besser. Man kann sich
einen grösseren Vorrath solcher Glasplättchen bei jedem Gla-
ser aus Abfällen schneiden lassen, wo man am billigsten dazu
kömmt. In dem Kasten des Mikroskops ist indess von jedem
Optiker ein kleiner Vorrath davon beigegeben. Ich empfehle
bei Untersuchung von Flüssigkeiten jedenfalls grössere Plat-
ten zu gebrauchen , da der Objecttisch dadurch reiner erhal-
ten Wird. Zur Untersuchung von Flüssigkeiten ist jedoch bei
Plössl's Mikroskopen ein planconcaves Glas beigegeben.
2. Deckgläser. Um das Bewegen der Flüssigkeit, in
welcher die zu beobachtenden Theilchen während der Besich-
tigung dem Strome der Flüssigkeit folgen, zu verhindern,
ferner um Gegenstände mehr in eine Ebene ; in gleiche Fo-
caldistanz zu bringen , endlich um dem Eintauchen der Lin-
sen vorzubeugen , dienen kleine Gläschen von sehr dünnem
geschliffenem Glase.
542
Das Glas muss, so wie das der Objectgläser möglichst
farblos , ferner frei von Flecken, Blasen und Rissen sein.
Glimmerplättchen, die früher im Gebrauche waren, sind nicht
zu empfehlen, sie haben immer Risse und Spalten, und sind
zu dünn , adhäriren zu stark und sind daher sehr unbequem
handzuhaben.
3. Ouetschap parat. Manchmal ist es erforderlich,
den Gegenstand , wenn er zu dick ist , durch Druck auszu-
breiten. Um dieses zu bewerkstelligen , kann man in vielen
Fällen die Deckgläschen gebrauchen , sie müssen dann so
gross sein , dass sie gut über das Loch des Objecttisches
beiderseits hinausreichen, um so von der Klammer amObject-
tische gefangen und niedergedrückt werden zu können, nach-
dem sie gehoben und wieder herabgelassen wird. Man drückt
zuerst das Deckglas mit den Fingern auf und bringt es dann
so vereint mit dem Objectglase zwischen die Klammer. Man
hat jedoch auch eigene Compressionsapparate (P u rky nj e's
Quetscher) , welche jedoch seltener gebraucht werden.
4. Ein 3kantiges Prisma. Dieses befindet sich
beweglich angebracht an einem Stabe, welcher mit mehreren
Knien versehen ist, um das Prisma nach jeder Richtung ein-
stellen zu können. Der Stab des Prismas wird in dem einen
Stab des Fusses eingesteckt, wenn man von dem Prisma
Gebrauch machen will.
Das Prisma wird gebraucht bei Besichtigung opaker Ge-
genstände, um sie von oben zu beleuchten, welches gewöhn-
lich am besten mit dem Lampenlicht geschieht, in welchem
Falle also dieses Prisma die meiste Anwendung findet.
5. Eine bewegliche biconvexe Linse. Diese
befindet sich bei jedem grösseren Mikroskope. Sie ist auf einem
Stative, auf dem sie auf und nieder geschoben werden kann.
Sie dient ebenfalls zur Beleuchtung opaker Gegenstände
von oben , und zwar entweder allein oder zugleich mit dem
Prisma.
543
6. Mikrometer. Man hat entweder Glasmikrometer
oder einen der Schraubenmikrometer.
a) Glasmikrometer; eine runde Glasscheibe, auf
welcher die Theilungsstriche sehr fein eingeritzt sind.
Plössl gibt 2 solche Glasmikrometer seinen Mikro
skopen bei.
Der eine enthält eine Wiener Linie als Quadrat in 30
Theile, der andere eine Wiener Linie als Leiter in 60Theile
getheilt.
Der Gegenstand, der gemessen werden soll, wird auf
dieser Mikrometertafcl unter dem Mikroskop beobachtet. Füllt
nun der Durchmesser des Gegenstandes z.B. gerade die Ent-
fernung von einer Linie zur anderen am 30theiligen M., so
misst er '/3o einer Wiener Linie.
b) Der doppelte Glasmikrometer dient haupt-
sächlich zur Messung ganz kleiner Gegenstände. Der er-
sterc Mikrometer wird als Objectgias gebraucht*, ein zweiter
aus einer runden Glasplatte bestehend, ist so gross, dass er in
die Blendung im Oculare passt. Dieser Mikrometer kann eine
beliebige Theilung haben.
Der Raum zwischen je zwei Theilstrichen des auf der
Blendung liegenden Mikrometers erscheint kleiner als der am
Mikrometer als Objectgias, weil die Theilung auf diesem be-
deutend stärker ver^rössert wird , daher werden in den Zwi-
schenraum zwischen zwei Theilstrichen des unteren Mikro-
meters eine gewisse Zahl des oberen fallen und es kann somit
eine genauere Messung vorgenommen werden.
c~) Der Seh rauben mikro niete r. Wie schon ge-
sagt, so kann dieser theuere Apparat zu den genauesten Mes-
sungen selbst der Kleinsten Gegenstände gebraucht werden.
Er wird an den Tisch des Mikroskopes befestigt. Das Nähere
hierüber inj. V o g e Ts Werk.
7. Eine Loupe. Manche Gegenstände sind so gross,
dass ein blosses Beobachten mit der Loupe schon hinreicht,
sie zu erkennen; in vielen Fällen dient aber die Loupe dazu
544
besonders bei anatomischen Gegenständen , um dieselben zur
weiteren Beobachtung* unter dem Mikroskop zu präpariren.
Über das Präpariren und die verschiedenen Cautelen ,
welche mau in Beziehung der Zergliederung anatomischer
Gegenstände nothwendig hat, ist Prof. J. Engel's »Ent-
wurf einer pathologisch - anatomischen Propedeutik« sehr zu
empfehlen, daher wir in dieser Beziehung schon des gerin-
gen Raumes wegen, der uns gegönnt ist, auf diesen Gegen-
stand nicht weiter eingehen können.
8. Der Glas tisch, welcher über den Objecttisch ge-
schoben wird, er ist bereits oben erwähnt und abgebildet. Fig. B.
Güte des Mikroskope s.
Ein gutes Mikroskop muss folgende wesentliche Bedin-
gungen erfüllen.
1. Es muss mit Klarheit und Schärfe das Bild
zeigen , dieses ist wesentlicher als besonders starke Ver-
grösserung. Zur Prüfung dieser Eigenschaft bediene ich mich
gewöhnlich des Pflasterepitheliums vom Zungenbelege , oder
dass man bei 350maliger Diaraetralvergrösserung die Quer-
streifen zwischen den Längenstreifen am Schmetterliu >s-
flügelstaube (besonders vom blauen Ulixes) noch wahrnimmt.
2. Es muss achromatisch sein, d. h. es darf weder
das Sehfeld noch die Gegenstände blaue oder violette Far-
benringe zeigen. Milch und Fettkügelchen müssen ohne Far-
benring und ohne zwei oder mehrfacher Contour erscheinen.
3. Die Vergrösseruug. Diese kann von 30 Mal bis
600 Mal diametral gehen ; bis 400 muss sie gehen, seltener
benöthigt man die öOOmalige , eine noch grössere ist meist
überflüssig, wenn das Mikroskop völlig scharf und achro-
matisch ist.
4. Die Grösse des Gesichtsfeldes, je bedeu-
tender diese, desto besser, doch ist es ein Haupterforderniss
eines guten Mikroskopes , dass die Gegenstände am Rande
des Gesichtsfeldes eben so scharf wie in der Mitte desselbeu
545
erscheinen (ein besonderer Vorzug Plö ssTs) , sonst nützt
auch ein grosses Gesichtsfeld nichts.
5. Lichtstärke. Diese muss auch bei grossen Ver-
grösserungen noch stark genug sein , um den Gegenstand
scharf zu sehen, sie muss bei 400maliger Vergrösserung noch
völlig hell, auch bei Anwendung des 2. Oculars muss sie
stets genügend sein.
6. Die Focaldistanz muss möglichst gross sein,
d. h. die letzte Objectlinse muss von deraObjecte so weit ent-
fernt sein, dass man noch bequem ein nicht zu dünnes Deck-
glas auf das Object bringen kann. Es darf dann bei der Ein-
stellung des Mikroskopes bei der grössten Vergrösserung die
Linse das Deckglas noch nicht im Geringsten berühren.
7. Festigkeit des Fusses , Compendiösität des Mikro-
skopes und Reinheit der Schraubengewinde sind stets grosse
Vortheile für die Bequemlichkeit und Genauigkeit des Ar-
beiters.
Zeichnen mikroskopischer Object e.
Die beste Methode, mikroskopische Objecte zu zeich-
nen , bleibt immer die nach der unmittelbaren Beobachtung
des Gegenstandes. Der Gegenstand wird genau und anhal-
tend beobachtet , dann wendet man das Gesicht dem Papiere
zu und zeichnet den Gegenstand, so wie man ihn gesehen hat,
während man stets abwechselnd wieder ins Mikroskop sieht,
und so die Zeichnung corrigirt.
Alle anderen Methoden sowohl durch Apparate als durch
das Blicken mit einem Auge aufs Papier , mit dem anderen
ins Mikroskop sind ersterer nachzusetzen. Der Sömme-
ringsche Spiegel, dannPlössl's Prisma zum Zeichnen
sind jedoch für viele Fälle brauchbare Instrumente.
Aufbewahren mikroskopischer Objecte.
Für kürzere Zeit können manche mikroskopische Objecte
besonders anatomische unter distillirtem Wasser aufbewahrt
Gaal Diagnostik. 35
&46
werden. Die Gefässe müssen aber stets möglichst hoch und
schmal sein, um nur eine kleine Oberfläche der Luft zu bieten.
Für Harnsedimente empfehle ich besonders Schwefel-
äther oder absoluten Alcohol. Das Sediment wird möglichst
frei von Harn am besten in ein enges Probierglas gebracht,
Äther darauf gegeben und das möglichst volle Gefäss wird
zugestöpselt.
Um die aufbewahrten Gegenstände gleich unter das Mi-
kroskop bringen zu können, dienen am besten zwei anein-
anderliegende planconcave runde Gläschen, wie sie Plössl
verfertiget , welche , nachdem der Gegenstand dazwischen
gebracht wurde , entweder an den Rändern mit Wachs oder
Kitt verschlossen werden oder nur offen bleiben ; ersteres ge-
schieht besonders , wenn man eine Flüssigkeit dazwischen
bringt. So werden auch Gegenstände in Alcohol, Äther, Bal-
samum Copaivae , Kreosot etc. aufbewahrt. Manche Gegen-
stände werden auch bloss auf eine Glasplatte geklebt, oft
auch mit einer zweiten bedeckt und die Ränder mit Gold-
schlägerhäutchen (besser als Papier) verklebt.
Hand h abung und Massregeln b eim G ebrau che
des Mikroskop s.
Wenn das Mikroskop nicht gerade benützt werden muss,
Und wenn man es nicht zu lange unbenutzt lassen will, so
ist es am besten , dasselbe ausser dem Kasten am Tische
unter einer unten gut abgeschliffenen, oben mit einem Knopf
(Handhabe) versehenen Glasglocke aufgestellt stehen zulas-
sen. Das zu oftmalige Zusammenlegen und Hineinlegen in
den Kasten ist nicht sehr zu empfehlen. Eine solche Glocke
auf das grosse PlÖssTsche Mikroskop, welches von ihr
völlig gedeckt wird , kostet nur etwas über 2 fl.
Wird das Mikroskop gebraucht, so schraubt man zuerst
die Linsen an, und stellt die gehörige Beleuchtung des Seh-
feldes , während man in das Mikroskop sieht , durch Bewe-
gung des Spiegels her. Directes Sonnenlicht ist immer zu
W7
meiden ; ein klarer Mauer Himmel ist schlecht, am besten die
weissen hell beleuchteten Wolken , oder eine lichte Wand
eines gegenüber liegenden von der Sonne beschienenen Hauses.
Man bringt dann das Object auf ein Objectglas , deckt
es mit einem Deckglas oder lässt es unbedeckt , und stellt
dann das Mikroskop ein, d. h. man bringt das Object in den
Focus. Diess geschieht immer so,J dass man , ehe man ins
Mikroskop sieht, das Rohr niederschraubt nach dem Augen-
maase für die jeweilige Focaldistanz , erst dann sieht man
ins Mikroskop und stellt genauer ein •, würde man sogleich
hineinsehen und niederschrauben, so kann man den wahren
Moment , d. h. das Erscheinen des Bildes im Focus leicht
übersehen und zu tief schrauben, so dass entweder die Lin-
sen das Object, wenn es unzugedeckt ist, berühren, oder
dass sogar das Objectglas zersprengt wird , wo nicht selten
die letzte Linse zugleich berstet (etwas was gewiss jedem
Anfänger, der jene Regel nicht beobachtet, geschieht).
Müssen die Linsen zu oft gereiniget werden, so werden
sie blind.
Das Reinigen der Linsen, besonders wenn sie
eingetaucht worden sind, muss immer mit einer reinen
Leinwand geschehen , weder Baumwolle noch Seide taugen
hiezu, auch Rehleder nicht, weil es stets fett ist, ausser
wenn es gut in Schwefeläther ausgewaschen worden ist.
Das feinere Einstellen mit der feinen P 1 ö s s l'schen
Stellschraube, durch die der Objectdsch bewegt wird, ist dann
immer zu empfehlen , wenn der Gegenstand sich bereits im
Focus befindet , besonders diess bei grösseren Vergrösse-
rungen.
Bei dem Einstellen nehme man die grosse Stellschraube
lieber in die volle Hand, man wird so gewiss kleinere Bewe-
gungen mit mehr Sicherheit machen ; als wenn man sie bloss
zwischen die Fingerspitzen nimmt. — Hat man den Gegen-
stand mit einem gewissen Linsensystem beobachtet, so wen-
det man dann erst ein zweites Ocular an, um die Vergrösse-
36 #
548
rung zu steigern, sonst fängt man immer mit dem ersten 0 cil-
iar an ; aber es ist besonders Anfängern sehr zu empfehlen ,
eher einen Gegenstand mit einer kleineren Vergrösserungzu
beobachten , bevor er eine grössere anwendet, man kann also
mit kleineren Vergrösserungen anfangen , dann diese durch
Wechseln der Linsen und Oculare steigern. Das Einstellen
des Objectglases mit dem Objecte in das Sehfeld geschieht
am besten durch festes Auflegen des Daumens und Zeigefin-
gers auf den Objecttisch , während man mit den Spitzen die-
ser Finger die Glasplatte gegen den Tisch etwas aufdrückend
bewegt , während mit der anderen Hand die Stellschraube
bewegt wird, um den Focus zu reguliren.
Anatomische Präparate auf dem Objectglase macht man
entweder mit zwei Nadeln (sehr gut sind dazu Staarnadeln)
bei Beobachtung mit dem blossen Auge odermit der Loupe oder
bei einer sehr geringen Vergrösserung unter dem Mikroskop •,
sehr geeignet hiezu sind die Arbeitsmikroskope von Plössl,
welche den Gegenstand nicht verkehrt zeigen.
Bei Anwendung von Reagentien thut man gut, neben
das Deckglas , welches immer kleiner ist als das Objectglas
selbst, einen Tropfen mittelst eines dünnen Glasstabes zu ge-
ben, der Tropfen zieht sich dann von selbst durch die Ca-
pillarität zwischen beide Glasplatten. Wendet man ein flüchti-
ges Reagens, z. B. Salzsäure oder Ammoniak, Äther, Alco-
hol an , so entferne man das Deckglas früher , berühre mit
dem damit befeuchteten Glasstab das Object und decke dann
somit dem Deckglase , dass das Reagens in der Mitte bleibe,
und ganz gedeckt werde ; diess ist sehr zu empfehlen , weil
sonst die Linsen anlaufen, trübe werden und der Gegenstand
entweder gar nicht oder nur sehr undeutlich gesehen werden
kann. Man beobachte den Gegenstand stets so schnell als
möglich , nachdem das Reagens hinzugekommen , um die
erste Einwirkung zu sehen und die weitere gut verfolgen
zu können.
Opake Gegenstände beobachtet man immer ambe-*
549
sten bei künstlicher Beleuchtung, gute hellleuchtende argan-
tische Öllampen mit einem guten Schirm an der Rückseite
sind hiezu zu verwenden*, der Docht muss zum auf- und nie-
derschrauben sein, um nach Bedürfniss das Licht reguliren
zu können; in vielen Fällen ist es auch gut, wenn die Lampe
mit einem mattgeschliffenen Glassturz versehen ist.
Von Reagentien, die stets bei dem Mikroskope zunächst
nothwendig sind , braucht man nicht viele , die notwendig-
sten sind: destillirtes Wasser, Essigsäure, Salpetersäure,
Schwefelsäure, Salzsäure, Kali, Ammoniak, Äther, Alko-
hol, salpetersaures Silber, Jodtinctur u. a., von denen später
die Rede sein wird.
Täuschungen, vor denen man sich bei der mi-
kroskopischen Untersuchung zu hüthenhat.
Die Täuschungen, welche manchmal zu Irrthümern Ver-
anlassung geben können, sind zweierlei, entweder sub-
jective oder objective; entweder treffen sie den Beob-
achter und das Instrument oder besondere Gegenstände, welche
zu Verwechselungen Veranlassung geben.
Durch das Instrument können Täuschungen vorkom-
men, wenn die Gläser nicht achromatisch sind , wie schon
erwähnt, entstehen verschiedene Färbungen der Gegenstände
oder um dieselbe Farbenringe auch innerhalb einer Kugelge-
stalt deutlich erscheinende falsche Contouren (Ringe), z. B.
bei Fettkugeln. Staub , Flecken oder Ritze auf den Gläsern ,
diese sind leicht zu entdecken , ob sie auf den Linsen (durch
Wechseln derselben) oder auf dem Oculare (durch Drehen
desselben) sind. Durch nicht gut achromatische Linsen ent-
stehen entweder Färbungen der Gegenstände, oder es
erscheinen gewisse Gegenstände auch doppelt gerandet,
(z.B. Fettkügelchen), was oft zu Irrthümern Veranlassung gibt.
Objective Täuschungen finden auch statt, wenn Gegenstände,
die dem Object- oder Deckglase angehören (Risse, Blasen etc.),
für den zu beobachtenden Gegenstand gehalten werden. Um
550
diesem auszuweichen, muss man den Focus fleissig durch
Auf- und Niederschrauben verändern. Verschiedene Gegen-
stände haben ein verschiedenes specifisches Gewicht, daher
schwimmen z. B. Fetlkugeln stets auf der Oberfläche-, es
könnte sich leicht der Anfänger begnügen, wenn er nur diese
sieht, verkürzt er aber die Focaldistanz (durch Niederschrau-
ben), so sieht er erst noch andere Gegenstände, welche tie-
fer gelegen sind.
Staub- und Zeug fä den geben nicht selten zu Ir-
rungen Veranlassung, sie sind ungeformte, oft mit hakigen
Ausläufern versehene oft zellige Zasern, manchmal grün, blau,
auch roth , von Staubfäden , welche von Kleidern kommen.
Luftblasen. Diese erscheinen von sehr verschiedener
Grösse , im Innersten einen grossen hellen Fleck zeigend ,
dann kömmt ein schwarzer oder brauner Reif , dann ein sehr
feiner weisser, und an der äussersten Fläche ein schwarzer
Reif. Die Luftblasen sind meistens rund. Fetttröpfchen
kommen fast überall vor, sie unterscheiden sich von den
Luftblasen dadurch , dass sie eine wahre Kugelschattirung
zeigen , nicht aus mehreren Ringen bestehen , und an der
Seite des Lichts bläulich oder gelblich opalisiren , je kleiner
sie sind, desto deutlicher die Contour, desto leichter eine
Verwechslung möglich.
Infusorien geben zu Irrschlüssen Veranlassung. Sie
kommen in jeder thierischen Flüssigkeit vor, welche eine Zeit
der Luft ausgesetzt ist, und entstehen um so schneller, je
wärmer es ist, im|Sommer schon in ein paar Stunden. Man muss
eben desshalb zum Befeuchten der Objecte stets destillirtes
Wasser nehmen, und dieses muss früher für sich geprüft
werden. Jedes Wasser , wenn es länger steht, enthält In-
fusorien y und so geschieht es , dass die so zu dem Objecte
mit einem Wassertropfen gebrachten Infusorien als dem Ob-
jecte angehörig nicht selten gehalten werden.
Thränen im Auge und auch auf das Ocular durch Be-
551
rührung gebracht , können Täuschungen veranlassen ; man
muss das Auge stets trocken erhalten.
Die Mouches volantes erscheinen den meisten Beob-
achtern. Man erkennt sie leicht durch das Bewegen des Auges,
wo sie ihre Stelle stets verändern.
Lange Augenwimpern, wenn man mit deren Spi-
tzen das Ocular berührt^ werden im Objecte scheinbar ge-
sehen, es ist daher bei dem Neigen des Auges darauf Rück-
sicht zu nehmen.
Das Eintrocknen der befeuchteten, oder ursprüng-
lich flüssig auf das Objectglas gebrachten Gegenstände, gibt
Anfängern besonders häufig zu Irrschlüssen Veranlassung.
Gegenstände, welche erst dann gesehen werden, wenn das
Fluidum auf dem Objectglase eintrocknet , sind nicht zu be-
rücksichtigen , es entstehen am häufigsten Krystalle , und
Körner von verschiedenen Formen, auch dentritische For-
men von eingetrockneter organischer Substanz, wo man dann
gar nicht bestimmen kann , womit man es zu thun hat ; es
ist also eine Hauptregel, die zu beobachten ist, dass man
die Gegenstände während des Beobachtens nicht eintrocknen
lasse ; selbst ein Wiederbefeuchten ist schon nicht mehr
räthlich, man nehme lieber eine neue Portion zur Beobachtung,
Formen und Färbung der Objecte.
Der Raum der mir gegönnten Blätter gestattet mir nicht,
mich in ein Detail der verschiedenen Formen der Gegen-
stände , wie es einer Histologie zukommt, hier einzulassen,
ich werde später so viel als möglich das Nöthige erwähnen,
hier soll nur das Allgemeine angegeben werden.
Kugeln unterscheidet man von Platten dadurch, dass
man das Fluidum am Glase fliessen lässt (durch Neigen des
Mikroskopes). Kugeln zeigen auch beim Rollen die runde
Gestalt, während runde Platten (z.B. Blutkörperchen) beim
Rollen eine bald elliptische , bald verschieden geformte Pro-
jection abwechselnd mit der runden Form zeigen. — Ist ein
5Ä2
Körper , der Kugelgestalt zeigt, flüssig (Öhltröpfchen) , so
nehmen die Kugeln beim Fliessen oder beim Aufdrücken des
Deckglases bald eine birnförmige , bald eine andere Gestalt
mit Ausbuchtungen an.
Starre oder festweiche Kugeln bekommen meist Risse
oder eckige Unformen, auch erscheinen sie gestreift oder
strahlig. Je dicker ein linsen- oder ein eiförmiger Körper
erscheint, desto schwerer ist der Kern, wenn er einen oder
mehrere enthält, zu sehen, es muss stets der Focus mit der
feinen Stellschraube verändert werden. Krystalle sind immer
der Form nach schwer zu bestimmen , wenn sie ganz durch-
sichtig sind , man muss da Blendung anbringen und den Fo-
cus stets wechseln , denn dabei werden immer neue Kanten
zum Vorschein kommen auf einer früher ganz glatt erschie-
nenen Fläche. Man muss sich hüten, aus einer blossen Pro-
jection, die ein Krystall bietet, schon die Form oder das
Krystallsystem genau bestimmen zu wollen. Man betrachte
stets mehrere Krystalle , um zu einem Resultate zu kommen.
Bei Krystallformbestimmung wende man so viel als nur mög-
lich kleine Vergrösserungen an-, eben so müssen bei Bestim-
mung der Farbe eines Gegenstandes kleine Vergrösserun-
gen angewendet werden; denn je stärker die Vergrösserung,
desto undeutlicher die Farbe , so erscheinen oft roth, grün
oder gelb gefärbte Gegenstände bei starker Vergrösserung
farblos.
Ich werde im praktischen Abschnitte stets die Mikrosko-
pie mit dem chemischen Theile verbinden, und die Formen
der Krystalle und anderen Gegenstände, insoweit sie bei Un-
tersuchungen behufs der Diagnose öfter vorzukommen pfle-
gen, beschreiben.
Ich will nun nur das allerwich tigste vom chemischen
Apparate angeben, inwieweit der Praktiker damit ausreichen
kann, und man wird sehen, dass man mit sehr Wenigem viel
leisten kann , wenn man die Sache nur ernstlich betreibt.
563
Chemische Apparate
und Reagentien,
welche zu diagnostischen l Fntersuchungen
hinreichen*
Ich bin fest überzeugt, dass, je mehr wir den chemischen
Apparat, je mehr wir die Untersuchungsmethoden vereinfachen,
desto grösser die Verbreitung, desto rascher der Fortschritt
unserer Wissenschaft sein wird , desto mehr praktische An-
wendung findet sie bei dem ärztlichen Publicum, und ist die-
ses der Fall, so werden wir um so schneller mit Thatsachen
bereichert, abgesehen von dem grossen Nutzen, den schon
die chemische und mikroskopische Untersuchung selbst am
Krankenbette gewährt. Der Apparat, den ich zusammen-^
stelle, reicht für das Nothwendigste aus, er erfordert we->
der Raum noch viel Geld ; ein Tisch in einer Fensterniesche
reicht hin , um als Laboratorium zu dienen ; 30 fl. C. M. rei-*
chen hin , um sich das Nothwendigste ausser einer empfinde
liehen (hydrostatischen) Wage anzuschaffen. Die Ärzte sind
der Meinung, dass ein ganzes Laboratorium nöthig ist, und
das schreckt die meisten ab, die Chemie in der Praxis zu
benützen, wenn sie gleich bereits einsehen, dass sie unent-
behrlich ist, ja zu gewissen Diagnosen sogar das einzige
Mittel bietet.
Mein eifrigstes Streben geht daher immer dahin, die
Chemie und Mikroskopie so viel als möglich für den prakti-
schen Arzt zugänglich zu machen , und ihm durch einfache
554
Apparate und einfachen Untersuchungsmethoden so schnell
als möglich zu Hülfe zu kommen.
Apparate.
1. Probirgläser; 6 — 8" lange , 4 — 6" weite unten
zugeschmolzene Glascylinder aus gut gekühltem Glase. Man
braucht 12< — 20 Stück. Um sie aufzustellen , dient ein höl-
zernes Staliv aus Holz mit zwei Reihen Löchern. Man braucht
sie um Reactionen anzustellen , oder um über der Spiritus-
lampe zu kochen.
Einige Probirgläser hat man mit Graduirung, von 0,5
bis 10 Gram., um annähernde quantitative Bestimmungen zu
machen, auch kann man dünnere nach Granen gelheilt haben.
2. Beohergläser, welche ebenfalls als Reagens-
gläser dienen; sie sind weit bequemer als erstere, wenn man
die Reactionen anstellt, ohne zu kochen. Man braucht 8 — 12.
Es sind die gewöhnlichen Liqueurstampergläser, oben 1 — 2'/2"
weit; sie müssen aus dünnem, besonders in der Spitze rei-
nem Glase sein ; sie lassen sich sehr schnell reinigen , sind
daher in den meisten Fällen bequemer als erstere.
3. Glasstäbe braucht man mehrere von verschiedener
Länge und Dicke; sie müssen an den Enden glatt geschmol-
zen sein, und dürfen in der Mitte kein Röhrchen haben, son-
dern müssen ganz massiv sein.
4. Verschiedene Cylindergläser; vorzüglich von
3 Grössen: von i' Weite und 3 — 4" Höhe, dann von l'/4"
Weite und 5" Höhe, und von 2—3' Weite und 6— 8" Höhe.
Diese sind unentbehrlich, besonders um Sedimente aus einer
Flüssigkeit (Harn) absetzen zu lassen, und sie zu sammeln.
Von jedem dieser hat man einen oder mehrere mit Thei-
lungen nach 25 bis 200 Grammen, welche an der Wand ein-
geschliffen sind ; man braucht sie bei der annähernden quan-
titativen Analyse, um Wägungen zu er^aren oder jene doch
dem Wesentlichsten nach anstellen zu können , wenn man
keine Wage hat.
655
6. Glaskolben zum Erhitzen grösserer Mengen einer
Flüssigkeit, besonders um Harn von Albumin zu befreien,
um ihn dann weiter untersuchen zu können. Die besten sind
die , welche einen platten Boden und an der Mündung einen
Ring* haben; je dünner der Boden, desto weniger leicht springt
er beim Erhitzen. (Retorten werden sehr seltengebraucht.}
6. Ammoniakapparat (nach meiner Angabe). Ein
Kolben mit einem Stöpsel , durch den ein Glasrohr geht , in
welchem nasses, rothes Lakmuspapier steckt; wird die Flüs-
sigkeit im Kolben erhitzt , so geht das Ammoniak oder koh-
lensaure Ammoniak mit den Dämpfen fort und färbt das Lak-
muspapier blau.
7. Filtrirtri chter hat man mehrere von verschiede-
ner Grösse, die Röhre des Trichters sei sehr kurz und schief
abgeschnitten.
8. Filtrirtassen oder Platten von verschiede-
ner Grösse mit Löchern von 72" bis 3'" Durchmesser. Man
lässt vom Glasschleifer in Uhrgläser oder längliche Glas-
platten die Löcher einschleifen. Die gewöhnlichen Lichter-
tassen können , wenn sie glatt sind, g*ut gebraucht werden.
9. Filtra. a) Offenes Filtrum, die Spitze bildet
einen rechten Winkel, also '/j des Kreises, den man aus dem
Papier geschnitten; zu diesem dienen die Trichter, b) Ge-
schlossenes Filtrum, wenn noch ein Mal überlegt
wird, der Winkel hat 45°. Dazu dienen die Filtrirtassen oder
Tafeln.
10. Leinwandlappen von zweierlei Leinwand, et-
was feinere zur Collatur , besonders um eine Flüssigkeit von
Albumin zu befreien, dann von etwas stärkerer gröberer Lein-
wand zur Bestimmung des Fibrins.
11. Die Spritzflasche. Eine Flasche oder auch Kol-
ben mit flachem Boden wird mit einem Kork versehen, durch
den 2 Röhren gehen , eine gebogene , welche in eine feine
Spitze gezogen, und das weite Ende taucht in das Wasser
in der Flasche, eine 2. Röhre taucht nicht ins Wasser , bläst
556
man , so spritzt bei der feinen Öffnung der feinen Röhre das
Wasser in einen feinen Strahl, und dient so sehr gut, um
Sedimente am Filtrum zu sammeln , und sie zu waschen.
12. Spirituslampe aus Glas, man kann sich selbst
ex tempore eine oder mehrere machen, in eine Flasche kömmt
ein Kork, durch den ein Blechröhrchen geht, wo man den
Docht durchzieht.
13. Spirituslampe mit doppeltem Luftzug
aus Messing , deren Docht zum Höher- und Niederschrau-
ben ist , um die Flamme zu reguliren ; dient um stärkere
Hitzegrade anzuwenden.
14. Stativ aus Messing. Man kann es sehr einfach
haben. Ein Stab auf einem Kreuzfuss. Auf dem Stabe sind
mehrere Ringe (Halter) angebracht, das Ganze zum Zerle-
gen. Als sehr zweckmässig ist so ein Träger, wo auch am
Stabe die Spirituslampe sich befindet, wie man solche Appa-
rate jetzt überall bekommen kann.
15. Wasserbad. Man braucht wenigstens 2 Wasser-
bäder , wenn man nicht mit Zeitverlust arbeiten will. Eine
Schale aus Messing, wo oben 3 Platten mit verschieden
grossen Öffnungen gelegt werden können. An der Seite ist
ein Abflussrohr für die Dämpfe. Die Löcher sind nach der
Grösse der Porzellanschalen eingerichtet. Man kann das
Wasserbad auch als Öhl- oder Kochsalzbad, auch als
S a n d b a d gebrauchen.
16. Ab damp f schale n aus Porzellan. Man braucht
verschiedene Grössen, von jeder doch wenigstens 3 Stücke.
3 Grössen sind unentbehrlich von 1 Zoll Durchmesser, dann
von 2'/2 Zoll bis 3" und von 4—5 Zoll. Die besten in Form,
Gestalt und Stoff sind die Schlaggenwalder und Berliner.
17. Eine Reibschale oder Mörser aus Porzellan
von einigen Zollen Durchmesser, ist zum Pulverisiren, Men-
gen etc. nöthig.
18. Eine Glasglocke mit Un ( er s atz zum Trock-
nen neben Schwefelsäure. Eine Glocke, welche unten gut
537
eben abgeschliffen ist, steht auf einer sehr eben matt ge-
schliffenen Glasplatte.
19. Eine Platinschale. Eine Platinschale, welche
auch mehr die Tiegelform haben kann , von '/," Durchmesser
und sehr dünn, dann mit einem Deckel, ist zur Bestimmung
der feuerfesten Salze nöthig, auch ein Porzellantiegel, wenn
er dünn ist , ersetzt sie in vieler , besonders letzterer Be-
ziehung.
20 und 21. Zwei Platinlöffel von der hier aufge-
zeichneten Form, besonders der grössere ist zur Prüfung von
Sedimenten, dann zum Aufsammeln verschiedener Stoffe (Ei-
ter, Lymphe etc.) ein ganz unentbehrliches Instrument, der
kleinere dient zu Löthrohrproben (bei Prüfung von Concre-
tionen etc.). Die Löffel werden in Kork gesteckt, um sie zu
halten, wenn sie heiss werden.
22. Ein L ö t h r o h r ist besonders zur Prüfung ge-
wisser Harnsedimente und Concretionen unentbehrlich. (Das
Weitere in Berzelius's Lehrbuch, oder dessen »Anwen-
dung des Löthrohres.«)
558
23. Das Urometer. Dieses ist ein
kleines Aräometermit B e a u m e'schen Gra-
den von 0° (= Wasser) bis 8° oder vom
spec. Gewichte 1000—1058. Sind Bean-
m e'sche Grade aufgezeichnet, so niulti-
plicire man dieses mit 7 und erfährt so bei-
läufig' wenigstens in den niedrigeren Gra-
den , wie viel das spec. Gewicht über das
des Wassers (= 1000) beträgt. Es ist in
einem Etuis, und ist zu den meisten Be-
stimmungen hinreichend , ohne dass man
zur Wage Zuflucht nehmen muss. Es ko-
stet 2 fl. , und ist im hiesigen Laborato-
rium stets zu bekommen. Das Christi-
son'sche mit den Glaskügelcben ist gut
aber unbequemer und viel kostspieliger.
24. Thermometer. Ambesten ganz
aus Glas , wo auf der Glasröhre die 100-
theilige Scala aufgeschliffen ist. Das Quecksilberbehältniss
sei länglich, um es bequem überall anbringen zu können.
25. Wage und Gewichte. Eine Wage, welche bei
einer Belastung von einigen Grammen, 1 Milligramm aus-
schlägt , ist zu quantitativen Analysen hinreichend. Die Ge-
wichtseinsätze von 50 Gr. bis ein Milligr. sind hinreichend.
(1 Gr. = 13,7 Grane.) Eine Wage von Kraft in Wien ko-
stet 25 fl. C. M. Die Gewichte 15 fl. ; sie sind sehr empfeh-
lenswerth. Beim Wägen bedient man sich als Tara, am be-
sten der Bleischrote mit Glasperlen (Schmelz). In das nä-
here Detail kann hier nicht eingegangen werden.
Reagentien.
1. Ätzkali in concentrirter Lösung dient haupt-
sächlich zur Heller'schen Zuckerprobe zur Entdeckung des
Ammoniaks und als Lösungsmittel.
2. Ammoniak. Zur Fällung der Erdphosphate, zum
559
Neutralisiren , Entdeckung- der Salzsäure, Essigsäure und
Harnsäure.
3. Kalkwasser, zur Entdeckung der Kohlensäure,
Oxalsäure , Phosphorsäure.
4. Concentr. Salp eter säure. Diese muss chemisch
rein sein, muss völlig durch Silber von Salzsäure frei ge-
macht sein , und darf auch kein Silbersalz enthalten. Dient
zur Erkennung von Harnsäure, Zucker; Biliphäin , Uroxan-
thin, Albumin, Chondrin, ferner als Lösungsmittel.
ö. Concentr. S a lz säur e (nicht so sehr concentrirt,
dass sie zu sark raucht; von 1,12). Zur Ausscheidung der
Harnsäure, zur Erkennung von Ammoniak, auch Uroxan-
thin etc.
6. Schwefelsäure. Sie wird seltener gebraucht;
die verdünnte hat auf 1 S. 5 Wasser.
7. Essigsäure concentrirte. Beim Mikroskop unent-
behrlich zur Entdeckung von Zellenkernen etc. ; ferner dient
sie zur Erkennung von Case'in , Chondrin , Schleim. Als
Lösungsmittel.
8. Oxalsäure auf Kalk, Casein , Chondrin. (Auch
oxalsaures Ammoniak besonders auf Kalk.)
9. Salpetersaures Silberoxyd zur Entdeckung
von Salzsäure und Chlorverbindungen, aus der angesäuer-
ten Flüssigkeit, dann der Phosphorsäure etc.
Dieses Reagens muss in einer Flasche aus schwarzem
Glase (Hyalith) aufbewahrt werden.
10. Chlor baryum (salzsaurer Baryt), zur Entde-
ckung der Schwefelsäure und Sulfate, Phosphorsäure.
11. Kaliumcisencyanür (blausaures Eisenkali)
unentbehrlich zur Entdeckung einer Proteinverbindung , aus
deren essigsaurer oder salzsaurer Lösung (die Reaction
entsteht nur in der saure n Flüssigkeit), dann des Eisens etc.
12. H y dr o thions aures Ammoniak, um Eisen,
Kupfer und andere Metalle zu entdecken.
13. Alaun, Reagens auf Chondrin, besonders um es
560
von Glutin zu unterscheiden , ersteres wird stark gefällt, im
Überschusse des Reagens ist der N. löslich; auch auf Pyin,
Mucin (Schleimstoff).
14. Gallustinctur oder Gerbsäurelösung,
Reagens auf Chondrin, Glutin, Schleim (nicht Speicbelstoff)
es gibt oft zu Täuschungen Veranlassung.
15. Phosphorsaures Natron; auf Magnesia be-
sonders.
16. Platinchlorid auf Kali, Proteinverbindungen,
Leim ; es ist Vorsicht wegen häufigen Verwechslungen nöthig.
17. Eisenchlorid (salzsaures Eisenoxyd) auf Hy-
drothionsäure , auf Schwefelcyanwasserstoffsäure (im Spei-
chel).
18. Xyloidin, es wird ex tempore gemacht, indem
Stärke mit Wasser angemacht, dann mit conc. Salpetersäure
versetzt wird_, bis eine Gummischleim ähnliche Masse ent-
steht, es ist das höchst empfindlichste Reagens auf Jod.
19. Schwefeläther, er muss möglichst frei von
Wasser und Alcohol sein. Ausziehmittel für Fett ; fällt ge-
wisse Proteinverbindungen (wovon ein Andermal).
20. Absoluter Alcohol. Jedoch reicht einer der nicht
schwerer ist als 0,800, für die meisten Fälle aus. Trennungs-
mittelfür Harnstoff, Fett, Alcoholextract, Fällungsmittel für
Albumin u. a. Proteinverbindungen, Leim, Zucker etc.
21. Alcohol von 0,830; als Lösungsmittel für sehr
verschiedene Stoffe.
22. Alcohol von 0,930; wird erhalten durch Mischen
des vorigen mit gleichen Theilen destillirten Wassers Beson-
deres Lösungsmittel für Blutkörperchen und Zucker etc.
23. Jodtinctur, besonders zu mikroskopischen Un-
tersuchungen , ebenso
24. Kochsalzlösung; diese muss bereitet werden >
indem man heisse höchst concentrirte Kochsalzlösung filtrirt,
dann einen Theil Kochsalz heraus krystalli&iren lässt , und
diese Krystalle erst auflöst.
561
25. Blaues Lackmuspapier; bei der Bereitung"
desselben ist eine wichtige Regel zu beobachten. Ist der Lack-
mus in heissem Wasser gelöst , so muss mit Schwefelsäure
das kohlensaure Alkali, welches der Lackmus stets
enthält , neutralisirt werden , es muss mit einem Glasstab so
lange Schwefelsäure zugesetzt werden, bis ein Stich ins
Violette eintritt, dann färbt man erst das Papier, welches
ein möglichst feines jedoch nicht zu dünnes Druckpapier sei.
26. Rothes Lackmuspapier. Man färbt die blaue
Tinctur mittelst Schwefelsäure durch sehr vorsichtigen Zu-
satz roth , es darf nicht mehr Säure zugesetzt werden , als
zum roth oder eigentlich mehr violett roth färben nöthig ist.
Was die Concentration der Reagentien betrifft, so ist
es stets am besten, so viel von dem Reagens zu lösen, dass
eine höchst concentrirte Lösung entsteht, ohne dass jedoch
beim ruhigen Stehen immer ein Bodensatz durch Herauskry-
stallisiren des Reagens entsteht.
GaaT Diagnostik. 36
568
Grundlehren
der
pathologisch -chemischen und mikroskopischen Unter-
suchung.
Wir kommen nun zu der chemischen und mikroskopischen
Untersuchung* der physiologischen und pathologischen Pro-
duete. Der kleine Raum, der mir hier gegönnt ist, gestatte
mir nur das Wesentlichste und zwar insofern es Gegen-
stand einer Beobachtung am Krankenbette sein , und zur
Diagnose wichtig werden kann, zusammenzustellen. Ich
kann mich weder in analytischei noch in pathologischer Be-
ziehung in ein den Gegenstand Umfassendes auslassen ,
ich kann in diesen wenigen Blättern nur Skizzen
für clinische, pathologisch - chemische und mikroskopi-
sche Beobachtungen liefern ; will jedoch bei jedem Ca-
pitel eine möglichst kurze analytische Methode an-
geben , nur so weit sie für den praktischen Arzt ausführbar
oder zur Erreichung des Zweckes nothwendig erscheint.
Harn.
Zuerst werde ich den Harn nach seinen normalen
Eigenschaften und Bestandtheilen , dann nach den abnor-
men Bestandtheilen und Verschiedenheiten abhandeln, nach-
dem diess geschehen, werde ich die analytische Me-
thode angeben, wie man qualitativ und annähernd quanti-
tativ, wie es für den ärztlichen Zweck entstprechend ist, den
563
Harn möglichst schnell untersuchen kann. Es wäre unmöglich
bei dem beschränkten Räume neben einer solchen Durchfüh-
rung eine ausführlichere Semiotik zu geben, ich werde daher
das Wesentlichste in Beziehung auf die Krankheitserschei-
nungen bei den einzelnen Bestandteilen angeben.
Der Harn nach seinen normalen Bestand-
theilen.
Der Harn ist allerdings eine sehr zusammengesetzte
Flüssigkeit, es gibt der Bestandtheile sehr viele, welche
auch schon im normalen Harn vorkommen, doch wenige der-
selben sind von besonderem oder wesentlichem Belange auf
seine Eigenschaften , nur wenige derselben erleiden durch
pathologische Zustände wesentliche Veränderungen in qua-
litativer und quantitativer Beziehung, welcher Umstand das
pathologisch-chemische Studium des Harns , besonders auch
in diagnostischer Beziehung sehr erleichtert.
Eigenschaften des normalen Harns.
Der normale Harn ist eine bernstein - oder weingelbe
klare Flüssigkeit. Nach kurzem ruhigen Stehen setzt sich
eine sehr kleine sehr lockere Wolke , Schleim ab , welcher
der normalen Secretion der Blasenschleimhaut angehört. Frisch
gelassen hat der Harn einen eigenthümlichen nicht unange-
nehmen Geruch, der später schwächer und mehr urinös wird.
Der Harn ist um so verdünnter, je mehr Getränk genossen
wurde Qurina potus) , und um so dichter je mehr diess un-
terlassen wurde, und auch je mehr die Haut Feuchtigkeit
aussondert. Es ist daher sein specifisches Gewicht nie con-
stant. Es wird daher am besten der Morgenharn zur Beobach-
tung und Untersuchung genommen. Das specifische Gewicht
des normalen Morgenharns geht von 1015 bis 1025, manchmal
auch darüber. Die Ileaction des Harns ist mässio- sauer, er
röthet blaues Lackmuspapier nicht hochroth , sondern violet-
36 #
564
roth. Beim Stehen durch mehrere Stunden, auch länger ^
darf der Harn noch nicht alkalisch werden, und darf kein
Sediment machen , durch Erhitzen und durch Zusatz von Sal-
petersäure darf er sich nicht trüben, und muss durch letztere
seine Farbe etwas ins Röthlich« verändern. Noch nicht bis zur
Honigconsistenz abgedampft und abgekühlt, muss er beim
Übergiessert mit concentrirter Salpetersäure ganz fest werden,
welches Krystallmagma (salpetersaurer Harnstoff) beiläufig
% vom Volum des ursprünglich hiezu verwendeten Harns be-
trägt. In einem Cylinderglas mit etwas Salzsäure versetzt
muss sich schon nach einigen Stunden Harnsäure auf der
Oberfläche der Flüssigkeit, an den Wänden und dem Boden
des Gcfässes in dunkel röthlich gelben Kryställchen absetzen.
Im mit Salpetersäure angesäuerten Harn muss 1. salpe-
tersaures Silber einen starken in käsigen Klumpen fallenden
Niederschlag (Chlorsilber) geben ; wird dieses abfiltrirt, das
Filtrat mit Ammoniak neutralisirt, so muss durch nochmaligen
Zusatz #) von salpetersaurem Silber ein starker strohgelber
feiner Niederschlag entstehen (phosphorsaures Silber) , wel-
cher so wie das Fluidum bald braungrau wird) durch Uroxan-
thin); 2. sal/.saurer Baryt gibt bloss eine starke Trübung, erst
später einen schwachen, pulvrigen, weissen Niederschlag (von
schwefelsaurem Baryt) ; 3. der native Harn mit Ammoniak
versetzt, muss sich trüben, und erst nach einer Weile einen
feinflockigen Niederschlag absetzen (Erdphosphate).
Die Menge , in welcher der Harn binnen 24 Stunden
entleert wird , ist verschieden , ich glaube 48 Unzen für 24
Stunden, also 2 Unzen auf die Stunde, bei Erwachsenen sich
wohlnährenden, als das Mittel annehmen zu können.
*) Da man immer früher schon Silbersalz im Überschüsse zu-
setzt, so fällt der Niederschlag auch gleich beim Neutralisi-
ren, man muss dann noch mehr Silbersalz zusetzen, um die
vollständige Fällung zu bewirken.
565
Wir wollen nun den Harn zuerst nach seinen normalen
Bestandtheilen abhandeln , aber auch hier zugleich immei
das Pathologische bei jedem Stoffe mit anführen.
Alle normalen Stoffe des Harns können wir in zwei Haupt-
g'ruppen bringen:
I. Die wesentlichen Normalb es t andtheile de»
Harns.
Diese sind solche, welche theils in grösserer Menge im
Harn vorkommen, besonders aber in pathologischer Bezie-
hung berücksichtiget werden müssen , sie sind ausser dem
Wasser :
1. Harnstoff, 2. Harnsäure, 3. Schleim, 4.
Harnbraun (brauner Harnfarbestoff) , 5. Uroxanthin,
6. das Alcoholextract, 7. Fett, 8. Kochsalz,
9. Erdphosphate, 10. phosphorsaures Natron,
II. schwefelsaures Kali.
II. Die nicht wesentliche nNormalbestandtheile
des Harns.
Diese sind solche, welche meist in sehr geringer Menge
im Harn vorkommen , und welche in pathologischen Zustän-
den keinen wesentlichen speciellen Veränderungen unterlie-
gen , oder von denen wenigstens bis jetzt keine solchen nä-
her gekannt sind, solche Stoffe sind: Das Wassere x-
tract, das Spiritusextract, die Hippursäure,
Kieselsäure, Fluorwasserstoffsäure, Eisen-
oxyd u. a. weniger bestimmte.
1. Das Wasser.
Die Stärke des Wassergehalts eines Harns sieht man
beiläufig durch Prüfung des Harns auf das specifische Ge-
wicht mit dem Urometer; man bringt das Resultat in Ver-
gleich mit der Stärke der Harnaussonderung in 24 Stunden;
vorausgesetzt, dass man nicht urina potus zur Untersuchung-
genommen hat; je mehr Wasser, desto ärmer der Harn an
festen Bestandtheilen.
566
Becquerel hat eine Tabelle entworfen, aus welcher
hervorgeht, dass für jeden Grad Zunahme an spec. Gewicht
der Gehalt an festen Bestandtheilen um 1,65 steigt. (Si-
m on's Handbuch II. p. 341.) Die festen Bestandteile im nor-
malen Harn betragen für 1000 Theile Harn zwischen 25 bis 41.
Besonders dünner, also an festen Stoffen armer, Harn kömmt
vor bei Hydrurie (Diabetes insipidits) ; im spastischen Harn,
bei Hysterie, manchmal bei Morbus BriyhUi , bei Uro-
lithiasis u. a.
2. Der Harnstoff.
Erkennung*. Der Harnstoff wird erkannt, wenn er in
nicht zu geringer Menge vorhanden ist , indem der Harn bis
auf einen kleinen Rückstand, der aber noch flüssig* ist, ab-
gedampft wird, setzt man dann nach dem Erkalten concen-
trirte Salpetersäure zu , so entstehen sogleich perlmutter-
glänzende Kryställchen von salpetersaurem Harnstoff; diese
zwischen Filtrirpapier gepresst , erscheinen fettig* anzufüh-
len und glänzen wie Perlmutter, mehr oder weniger. Bei
sehr geringen Mengen muss man , wenn so keine Ausschei-
dung* erfolgt , den Harnstoff mit absolutem Alcohol aus dem
syrupdicken Rückstand ausziehen, dann abdampfen und in
wenig* Wasser lösen, und dann concentrirte Salpetersäure
zusetzen.
Mikroskopisch wird der Harnstoff immer als salpeter-
saurer Harnstoff diagnosticirt , und erscheint bald in rhom-
bischen Tafeln, bald in aus kleinen solchen zusammengesetz-
ten dendritischen Formen. Taf. I. Fig*. 1.
Annähernd quantitativ. Man nehme immer ein
und dasselbe Porzellanschälchen (von höchstens 1 Loth),
fülle es mit dem Harn fast voll, und dampfe zuerst im Sand-
bade, dann im Wasserbade ab, bis auf einen kleinen Rück-
stand, lasse das Schälchen am kalten Wasser schwimmen,
giesse dann concentrirte Salpetersäure zu , nach dem Volu-
men des salpetersauren Harnstoffes schliesst man auf die
Ab- oder Zunahme ; man muss sich das Normale einstudirt
567
haben. Für den Arzt genügt immer die Bestimmung' auf eine
Ab- und Zunahme des Harnstoffes, denn beim Normalharn
variirt die Menge von 10 bis über 20 auf 1000 Harn. In den
meisten Fällen , wo kein abnormer Bestandtheil im Harn ist,
zeigt eine Zu- oder Abnahme des speciflschen Gewichtes,
auch die des Harnstoffes an , denn dieser beträgt fast die
Hälfte der festen Stoffe im Harn.
Pathologisches Vorkommen. Vermehrung des
Harnstoffes kömmt immer in Entzündungen vor, Verminderung
immer in solchen Fällen , wo absolut das Wasser vermehrt
erscheint; absolut und relativ ist er immer bei Nierenkrank-
heiten vermindert; ferner dann, wenn auf seine Kosten koh-
lensaures Ammoniak entsteht. Im Typhus ist der Harnstoff
immer etwas , oft sehr stark vermindert.
3. Harnsäure.
Vorkommen. Die Harnsäure kömmt im Harn als solche
vom 3 basisch-phosphorsauren Natron gelöst vor, sie kommt
auch als in Sedimenten immer krystallisirt vor, in den
meisten Fällen mit mehr oder weniger Farbstoffen ver-
bunden.
Ausscheidung. Die Harnsäure wird aus dem Harn
am besten durch Salzsäure ausgeschieden , wo sie in Kry-
ställchen an den Wänden und den Boden des Gefässes auch
auf den Flüssigkeitsspiegel sich absetzt. Zur völligen Aus-
scheidung sind wenigstens 12 Stunden nothwendig.
Man macht den Versuch immer gleich annähernd qu an-
titati v auf die Ab- oder Zunahme. Man nehme immer ein
und dasselbe Cylinderglas (von 3 Unzen wenigstens) , fülle
es bis zu einem Theilstriche, der eine bestimmte Gewichts-
menge anzeigen kann, mit dem Harn , und setze Salzsäure
(auf eine Unze etwa 10 Tropfen) zu , schüttle gut durch,
und lasse es stehen. Hat man sich die Ausscheidung der Harn-
säure beim Normalharn einstudirt, so sieht man leicht aus
der Dichtigkeit der ausgeschiedenen Kryställchen die Ab-
oder Zunahme. Hat man ein graduirtes Geföss gehabt, so
568
kann man die Krystalle sammeln, wägen und auf 1000 Harn
berechnen; das Normale beträgt 0,5 — 0,8.
Diagnose. Die Harnsäure wird erkannt :
1. An den verschiedenen Krystallformen unter dem Mi-
kroskop ; Taf. I. , Fig. 2—8 ;
2. an der Unlöslichkeit in verd. Säuren, Wasser, Alco-
hol und Äther;
3. an der Löslichkeit inÄt/Aali, und daraus ist sie durch
Salzsäure fällbar;
4. durch die Probe auf Murexid; es wird in massig con-
centrirter Salpetersäure die Harnsäure unter Erwärmen ge-
löst, wobei sich salpetrige Säure entwickelt; nahe bis zur
Trockene abgedampft und (noch heiss) Ammoniak zugege-
ben, entsteht eine schön karminrothe Farbe (Murexid); man
kann so die kleinsten Mengen entdecken.
Pathologisches Vorkommen. Vermehr t kömmt
die Harnsäure vor bei Entzündungen immer, während heftigen
Schmerzen; im Rheumatismus und Gicht; im Typhus , be-
sonders anfangs, und in der Krisis. Vermindert in allen
chronischen Nierenkrankheiten, Morb. Briyhtii , besonders
im 2. Stadium, verschwindet oft ganz; ferner in der Hydru-
rie und bei dissoiuter Blutcrasis u. a. , endlich im klaren
Harn oft fast ganz , oder ganz verschwindend , wenn sie im
Sediment als ein Salz vorkömmt.
Die harnsauren Sedimente entstehen, wenn die
Menge des 3bas. phosphors. Natrons im Harn nicht hinreicht,
die Harnsäure gelöst zu erhalten ; es entstehen demnach
Sedimente von freier Harnsäure:
1. Bei absoluter Zunahme der Harnsäure und normaler
Menge phosphors. Natrons (diess ist seltener der Fall, da die
normale Menge phosphorsauren Natron sehr viel Harnsäure
lösen kann).
2. Bei Zunahme der Harnsäure oder Abnahme des phosphors.
Natrons (z. B. es müssen in einem solchen Falle die grössten Se-
dimente entstehen, welches wir auch in Entzündungen sehen).
569
3. Bei normaler oder auch selbst stark verminderter Harn-
säuremenge, aber auch sehr verminderter Menge des phosphor-
sauren Natrons sehen wir Harnsäure im Sediment (Morbus
BriyhtiQ.
Ich kann daher hei Krankheiten, wo harnsaure Sedi-
mente entstehen (Entzündungen) , besonders bei länger an-
haltender harnsaurer Diathese (Gicht, Rheumatismus) das
phosphors. Natron als Heilmittel nicht genug empfehlen ; man
wird nach dessen Gebrauch sogleich das Sediment ausbleiben
sehen , was schon zur Verhinderung von Harnconcretionen
von grosser Wichtigkeit erscheint.
4. Hip purs äure.
Sie ist immer in höchst geringer Menge im normalen
Harn; sie lässt sich durch Äther aus dem Harnrückstand aus-
ziehen. Sie unterscheidet sich durch ihre Löslichkeit, sowie
durch die im Alcohol, hauptsächlich von der Harnsäure ; in
pathologischer Beziehung ist noch nichts Wesentliches über
ihre Vermehrung bekannt.
5. Schleim.
Der Schleim macht beim kurzen Stehen im normalen Harn
eine sehr lockere kleine Wolke; man erkennt mikroskopisch
Schleimkugeln und Pflasterepitheliurn darin ; ausserdem dia-
gnosticirt sich der Schleim dadurch, dass er als eine zähe,
zusammenhängende, fadenziehende Masse am Filtrum bleibt,
und im Wasser unlöslich ist.
Vermehrung des Schleimes findet immer bei Blasenleiden
Statt , sei das Leiden von der Blase selbst oder durch me-
chanischen Reiz der Wände (bei Lithiasis) hervorgebracht.
(Von dem eitrigen Schleim das Weitere beim Eiter ; von der
Wirkung des Schleimes auf den Harn beim kohlensauren
Ammoniak.)
6. Fett.
Das Fett des Harns , wenn es in normaler Menge
da ist, gibt sich stets zu erkennen, wenn der Harn (etwa
1 Unze) im Wasserbade abgedampft , und der Rückstand mit
670
kaltem Äther gut ausgezogen wird , beim Verdampfen des
Äthers bleibt das Fett zurück.
Das Fett erscheint im Harn oft stark vermehrt, so be-
sonders im vorgerückten Verlauf der Tuberculose , auch in
Puerperalkrankheiten u. a.
I Bämaphaein.
Dieses ist der braune Farbstoff des Harns, e ier
braune Blutfarbestoff, welcher mit dem Harn als zur weiteren
Ernährung des Organismus unbrauchbar ausgeschieden wird.
Dieser Stoff beiludet sich immer beim Alcoholextract , wenn
es analytisch ausgeschieden wird, von welchem er nicht völlig
befreit werden kann. Das Hämaphaein ist in um so grösserer
Menge vorhanden , je dunkler der Harn (wenn die Färbung
nicht von einem abnormen Bestandtheile herrührt): je reicher
das Blut an Hämaphaein, desto dunkler davon der Harn.
So sehen wir es vorzüglich vermehrt im Typhus und al-
len Krankheiten . welche ähnliche Blutform zeigen , vermin-
dert in jedem sogenannten anämischen Harn.
8. Uroxanthin *).
Ich habe es in geringer Menge im normalen Harn ent-
deckt, wird der Harn mit einer Säure ("Salpeter-, Salz- oder
S hwefelsäure) versetzt, so färbt er sich röthlich oder später
violettroth. Es scheidet sich nach 2'i Stunden die Harnsäure
braunroth ab. zieht man sie mit kaltem Alcohol aus, so färbt
sich dieser roth (Urrhodin) , die Lösung wird beim Stehen
violett ffroglaucin ).
Das Uroxanthin ist ein gelber, saurer Farbstoff, und
«eheint hauptsächlich die saure Reaction des Harns zu ver-
ursachen . je mehr es zugegen , desto mehr gelb färbt es
den Harn.
Es wird durch Oxydation in einen schön blauen Farb-
stoff, Uroflaocin, und einen schön carminrothen, L* r r h o-
*0 Heller, aber neue Farbstoffe im Hirn etc., Archiv för
phyaiol. nnl pathol. Chemie and Mikroskopie 1915. Hft. 3.)
571
d i n. verwandelt. Dieses ist im kalten, jenes nur im
dem Alcohol löslieb, woraus es inkornblumenblätterähnliehen
fauch rein prismatis chön blauen Krystallgruppen ans-
•hieden wird.
d die Harnsäure aus einem Harn , der fiel Uro-
xanthin enthält, durch eine Säure ausgeschieden, so erseheint
ultramarinblau mit kopferrothem Metallglanz, oder ame-
thist färben.
Der Harn , welcher viel L'roxanthin enthält , wird durch
Salpetersäure violett oder auch rosa, je nachdem meh:
weniger des rofhen oder blauen Farbstoffes entsteht, auch
hiebt diess schon an der Luft.
Beim Stehen setzen sieh Uro glaucinkiyst alle in spi
förmigen Gruppen , besonders an der Oberfläche ab, die
auch in den Harnsedimenten findet. Taf. I. Fig. 9. 10.
Vermehrt erseheint ^lauein. oder manchmal
sen Producte Urrhodin und froglaacin. in solchen Krank-
heiten . wo viel Harnstoff im Blut find wo Harnverhal-
tung oder Verminderung der Harnseeretion statt findet, also
im Morb. Erightti . Cholera, Isehnrien ithiasis . Er-
schütterung des Rückenmarkes n. a.
Es erscheinen dann oft blaue Sedimente im Harn f Brae-
connots Cyanurin) und es erscheint der Harn dadurch (durch
B .-pension derselben) Hau oder grün. An» den Sedimenten
lässt sich l'roglauein und Urrhodin ausziehen. Ist ein Harn
albuminüs . so fallt das Albumin durch Salpetersäure violett,
oder wird es beim kurzen Stehen schon.
9. Die feuerbeständigen ('mineralischen) Salze.
Von diesen sind einige in grösserer Menge im Harn .
und erscheinen in ph; - bischer nnd pathologischer Bezie-
hung von der grössten Wichtigkeit. Die gesamtste Menge
der feuerfesten Salze erhält man, wenn man eine Portion
Harn verdampft , den Rückstand in einer Schale ans Platin
oder Porzellan ganz verbrennt, bis keine Kohle da ist.
57*
dem eine weisse Salzinasse zurückbleibt, welches durch Bei-
hilfe einiger Tropfen Salpetersäure erzielt wird.
Folgende 4 Salze sind in pathologischer Beziehung
sehr wichtig :
1. Die Erdphosphate (phosphorsaurer Kalk und Mag-
nesia).
2. Die Chloride (meist Kochsalz).
3. Das basisch phosphorsaure Natron , und
4. Die Sulfate (meist schwefelsaures Kali).
Die Bestimmung* geschieht gleich annähernd quantitativ
am besten mit dem nativen Harn.
Man benützt hiezu 4 gleich grosse Gläschen, welche
eine beliebige Graduirung oder paar Theilstriche haben. In
diesen studiert man sich die Reactionen mit dem normalen
Harn ein. Man muss immer in jedes eine gleiche Menge
Harn giessen.
1. Die Erdphosphate werden erkannt durch einige
Tropfen Ammoniak. Es entsteht sogleich eine Trübung, dann
ein geringer Niederschlag im normalen Harn ; unter dem Mi-
kroskop erscheint der Niederschlag als Sternchen.
2. Die Sulfate. Der Harn mit Salpetersäure ange-
säuert ; wird mit salzsaurem Baryt versetzt , es entsteht im
normalen Harn eine weisse Trübung , später ein geringer
weisser Niederschlag.
3. Die Chloride (Kochsalz). Wieder angesäuerter
Harn, aus dem die Erdphosphate durch Ammoniak bereits ent-
fernt wurden, wird mit salpetersaurem Silber imÜberschusse
versetzt , es fällt Chlorsilber in starken käsigen Brocken.
4. Phosphorsaures Natron. Derselbe Harn, aus
welchem das Chlor bereits gefällt wurde, wird filtrirt , wo
das Chlorsilberam Filtrum bleibt, dieses wird mit ein paar Tro-
pfen destillirten Wasser gewaschen; das Filtrat wird mit Am-
moniak neutralisirt, es fällt gleich beim Neutralisiren schon
phosphorsaures Silber; welche Phosphorsäure dem 3basisch
phosphorsauren Natron entspricht. Man muss durch einen
573
neuen Zusatz von Silbersalz sehen, ob kein Niederschlag* mehr
entsteht. Er ist im normalen Harn häufig*, pulvrig*, strohgelb,
wird aber sehr schnell grau (Reaction des Uroxanthins) ; wird
die Reaction mit der Lösung der Salze, die durch Verbren-
nen des Harnrückstandes erhalten wurden , angestellt, so ist
das phosphorsaure Silber immer bleibend lichtgelb und nicht
so schnell grau werdend.
Meistens stehen die Erdphosphate im Gegensatz zum
phosphorsauren Natron. Erstere sind im klaren Harn, der al-
kalisch ist, immer vermindert oder auch verschwunden,
weil sie im Sedimente ausgeschieden sind.
Die Menge der feuerfesten Salze im normalen Harn ist
für 1000 Theile 10—15, gewöhnlich 11 oder 12.
Verminderung der feuerfesten Salze findet bei jeder Nie-
renkrankheit statt, oft bis auf höchst geringe Mengen jener,
Verschwinden einzelner bis auf geringe Spuren. Ferner in
Entzündungen , wo (loch die Sulphate vermehrt sind. Im
Typhus sind die Salze sehr verringert, besonders sehr stark
das Kochsalz und auch die Sulphate , welches besonders im
Vergleiche mit entzündlichem Harn wichtig ist. Bei Morb.
Brightii vermindern sich die Salze mit dem Vorschreiten der
Krankheit, besonders das Kochsalz. In derHydrurie ist stets
das Kochsalz sehr vermehrt, so auch bei Ascites und Ana-
sarca , wenn kein Nierenleiden zu Grunde liegt. Die Salze
sind vermehrt. Bei Knochenkrankheiten , bei Caries , Syphi-
lis , vorzüglich die Erdphosphate etc.
10. Die extractiven Materien.
Von diesen werden bisher noch keine besonderenVerschie-
denheiten in besonderen Krankheiten gekannt. Wenigstens
im Einzelnen nicht, mit Ausnahme des Alcoholextracts, wel-
ches bei Entzündungen vermehrt erscheint. In der Jodcur
ist der Harn immer reich daran , überhaupt, wenn mit dem
Harn die Haloidsalze der Alkalien reichlich abgeschieden
werden ; so auch immer in Hydropsien, wo das Kochsalz reich-
674
lieh ist. Jene scheinen als Lösungsmittel der stickstoffhalti-
gen Substanzen aufzutreten. Die extractiven Materien kön-
nen bei einer annähernden Analyse nicht genau bestimmt
werden, sondern bei der genauem quantitativen Analyse. Man
kann jedoch schliessen , dass ein Harn, der keinen abnor-
men Bestandteil, dann wenig Harnstoff enthält und dennoch
ein hohes speeifisches Gewicht zeigt, die extractiven Mate-
rien vermehrt enthält (Hydrops).
Von den nicht wesentlichen Bestandteilen kann hier
keine weitere Auseinandersetzung folgen, da es nur der Zweck
dieser Bogen ist, für den Arzt das Wesentlichste der patho-
logisch chemischen Untersuchung herauszuheben , und dem
Anfänger einen Leitfaden zu geben, den er dann leichter
weiter zu verfolgen im Stande ist; wir kommen daher zur
Betrachtung des Harns nach seinen abnormen Bestandtheilen.
Der Harn nach seinen abnormen Bestand-
tlteilen.
Es gibt der abnormen Bestandtheile des Harns ziemlich
viele , alle sind für die Diagnose von Wichtigkeit. Einige
derselben kommen nur als Sediment, andere theils gelöst,
theils im Sediment, noch andere immer nur gelöst im Harn
vor. Ich hoffe durch diese Darstellung, die ich über die Un-
tersuchungen und Ausmittlungen geben werde, es jedem auch
weniger Geübten leicht fasslich und somit leicht möglich zu
machen, sich die chemische Pathologie des Harns so eigen
machen zu können , um in der ärztlichen Praxis hievon einen
Nutzen ziehen zu können.
I. Albumin.
Das Albumin ertheilt dem Harn kaum besondere äussere
Eigenschaften , aus denen man auf dessen Gegenwart schon
im Voraus schliessen könnte, ausser wenn der Harn von Hu-
matin oder wirklichem Blut roth gefärbt erscheint.
Im Sediment findet man jedoch stets auch bei sehr klei-
575
nen Mengen Albumin die Albuminpilze als grössere
Flocken , sie sind in Fig. 11 abgebildet.
Auf das specifische Gewicht des Harns hat das Albumin
oft einen sehr grossen Einfluss, manmuss daher immer, wenn
mehr Albumin im Harn ist , sowohl das specifische Gewicht
des nativen Harns , dann das specifische Gewicht des Harns,
nachdem das Albumin aus demselben entfernt wurde (siehe
unten), prüfen.
Die Gegenwart des Albumins wird erkannt:
1. Durch Zusatz einer nicht zu geringen Menge reiner
concentrirter Salpetersäure; es entsteht bei höchst
geringen Mengen nur eine sehr schwache Trübung, bei grösse-
ren Mengen ein flockiger Niederschlag, bei grossen Mengen
oft eine so starke Fällung , dass ein völliger Brei entsteht.
2. Durch Kochen. Das Albumin coagulirt vor der
Kochhitze (bei 75° C) und fällt in Flocken, bei höchst ge-
ringen Mengen entsteht nur Trübung, bei sehr grossen Men-
gen ein weisser Brei. Man hat jedoch wohl zu bemerken ,
ob der Harn nicht alkalisch reagirt, ist diess der
Fall, so muss er mit einigen Tropfen einer Säure (Essigsäure)
vor dem Kochen sauer gemacht werden, sonst bleibt bei ge-
ringen Mengen Albumin, dieses durch das Alkali gelöst.
Es kann bemerkt werden, dass bei sehr geringen Men-
gen das Erhitzen , bei sehr alkalischem Harn aber immer die
Salpetersäure den Vorzug hat.
Soll der albuminöse Harn weiter untersucht werden , so
muss das Albumin aus einer grösseren Menge Harn' entfernt
werden.
Die Entfernung des Albumins aus demHarn
geschieht dadurch, dass man mehrere Unzen Harn, oder nach
Bedarf, oder wenn viel Albumin da ist, auch mehr , bis zum
Kochen erhitzt-, dann collirt man durch eine feine Leinwand,
wo das Albumin zurückbleibt, und ein hinlänglich grosses
Quantum klarer Harn durch die Leinwand geht , welches
dann weiter so untersucht wird, wie jeder albuminfreie Harn.
676
Meine weitere Methode der quantitativen Bestimmung, siehe
mein Archiv 1845 i. 2. sie beruht auf der Differenz zwischen
der Menge der festen Stoffe im nativen Harn und im albumin-
reien Harn , beide für 1000 Theile berechnet , die Differenz
ist die Albuminmenge
Vorkommen. Das Albumin kömmt im Harn vor :
1. Wenn derselbe Blut enthält, und zwar entweder wirk-
lich geflossenes Blut oder bloss exosmotisches.
2. Bei Albuminurie; bei Morb. Brightit immer, bei
anderen Hydropsien nur manchmal ; auch während ein Exsu-
dat resorbirt wird. Ferner im entzündlichen Harn manchmal
aber stets in geringer Menge; bei Wöchnerinnen und in
Puerperalkrankheiten ; endlich was sehr zu berücksichtigen
ist, immer in sehr geringer Menge bei Gegenwart
von Eiter im Harn; ist hier zugleich viel Albumin, so ist
neben der Eiterausscheidung auch Albuminurie, in jenem
Falle ist das Albumin nur als dem Eiterfluidum angehörig zu
betrachten.
2. Eine neue Proteinverbindung.
Eine solche habe ich erst vor Kurzem in einigen Fällen,
deren Diagnose nicht sicher gestellt ist (mit Catalepsie; dann
Gicht bei einem syphilitischen Individuum), aufgefunden.
Erkennung, a) Sie vermehrt das speeifische Gewicht
des Harns bedeutend und wird bei massigem Erhitzen schon
bis etwas über 50° C. völlig coagulirt.
6) Durch Salpetersäure nicht coagulirbar.
cj Eine ganz kleine Menge zugesetzter Salpetersäure,
verhindert gänzlich die Gerinnbarkeit beim Erhitzen.
d) Nur bei grösserer Menge durch concentrirte .Essig-
säure fällbar.
e) Beim Abdampfen des Harns bildet sie nie eine Haut.
f) Der Harn riecht nach Käse.
Alle diese Eigenschaften unterscheiden sie hinlänglich
vom Albumin und Casein. Manchmal erscheint viel Fett zu-
577
gleich im Harn, der Harn erscheint milchig, und zeigt
die Emulsionskugeln unter dem Mikroskop (siehe unten),
dann ist er immer durch Essigsäure auch fällbar.
Ich habe diesen Gegenstand noch nicht veröffentlicht,
und werde später darauf a. e. a. 0. zurückkommen.
3. Emulsion.
Darunter verstehe ich Kügelchen, welche in verschiede-
ner Grösse in ringförmiger Form unter dem Mikroskope sicht-
bar sind. Fig. 12.
Sie entstehen, wenn neben dem Erscheinen einer grös-
seren Menge Albumin oder der neuen Proteinverbindung auch
viel Fett im Harn erscheint, wo sich eine förmliche Emulsion
bildet, welche den Harn milchicht färbt; es ist also diese Er-
scheinung keiner Milchmetastase zuzuschreiben, denn es
kömmt nie zugleich Zucker im Harn vor, während diess bei
Krankheiten der Brustdrüsen stillender Mütter der Fall ist.
4. Blut.
Wir müssen zwei Formen unterscheiden , in welchen die
Blutbestandtheile im Harn erscheinen.
oj Geflossenes Blut mit allen seinen Hauptbe-
standteilen oder auch nur Blutkörperchen ohne Fibrin ; wir
finden dann den Harn roth , auch Blutcoagula oder Blutkör-
perchen und grosse Zasern oder Flocken , auch grössere
ausgewaschene Coagula von Fibrin im Sediment. Nach dem
Absetzen ist der Harn meistens kaum röthlich gefärbt, er
zeigt fast dieFarbe des Harns, während die Blutkörperchen, die
man unter dem Mikroskop immer deutlich sieht, sich absetzen.
Diese Form kömmt vor bei der eigentlichen Hämatu-
rie , entweder bei Hämorrhoiden oder bei Berslung kleiner
Gefässe, oder Zerreissung durch mechanische Einflüsse, Con-
cretionen in den Nieren etc.
Manchmal ist die Menge der Blutkörperchen sehr ge-
ring, so dass man erst unter dem Mikroskop die Gegenwart
des Blutes bemerkt. Bei Lithiasis, Morb. Briyhlii> Abscessen
in den Nieren _, Krebs in der Blase.
Gaal Diagnostik. 37
678
ppT Geht eine Zeit bloss fibrinfreies Blut ab , so ist häufig*
Fibrinansammlung' in den Harnleitern, und es geht dann in
Pfropfen periodisch ab, nachdem es gefährliche Symptome
verursachte, und gibt auch zu Concretionen oft Veranlassung.
bj Exosmotisches Blut. Es kommt oft ein hell
blutrother Harn vor, ohne dass man im Sedimente im Ge-
ringsten Blutkörperchen findet, so z. B. im ersten Sta-
dium (Congestionsstadium) bei Morbus Brightü; oft ist
exosmotisches Blut im Harn in geringerer Menge , so dass
es auf die Farbe keinen Einfluss hat; man entdeckt Albu-
min im Harn, übersieht aber das Hämatin oft ganz; so
kömmt meistens während der ganzen Dauer des Morbus
Brightü im Harn Hämatin vor.
Man erkennt, ob Hämatin im Harn ist, wenn durch
Erhitzen das Albumin coagulirt , und auf der Leinwand wie
oben angegeben gesammelt wird, es erscheint oft mit einem Stich
ins Rosenrothe, oder bei wenig Hämatin ist es selbst weiss,
beim Eintrocknen wird es aber immer braun oder rothbraun,
wenn Hämatin zugegen ist , im Gegentheil schmutzig gelb.
Bei der Hämaturie ist es sehr wichtig, den Harn weiter
zu untersuchen, umzusehen, ob die Nieren oder nur
die Blase dabei betheiligt. Man entfernt aus einem
Harnquantum das Blut wie das Albumin (siehe oben).
Sind die Nieren leidend, ist ihre Function gestört, so
erscheinen die Salze , besonders das Kochsalz vermindert,
und stets der Harnstoff sehr vermindert, oft auch die Harn-
säure, bei blossen Blasenhämaturien ist der Harn minus Blut
normal oder etwas von entzündlichem Charakter.
Prüft man das speciflsche Gewicht des Harns , so muss
dieses stets auch nach der Entfernung des Blutes berücksich-
tigt werden, es wird dann bei blosser Blasenhämaturie nicht
unter das Normale sinken , bei Nierenleiden aber unter das
Normale.
679
5. Biliphäin, und 6. gallensaures Natron.
Das Biliphäin kömmt entweder für sich im Harn vor,
oder zugleich mit dem gallensauren Natron (Gallensubstanz) ;
nicht immer wo Biliphäin im Harn ist, ist auch gallensaures
Natron , aber umgekehrt ist es der Fall.
Beide Bestandtheile zusammen kommen nur höchst sel-
ten im Harn bei Icterus vor. Das Biliphäin erscheint stets in
sehr grosser Menge im Harn bei Icterus, ferner bei Hepati-
tis und bei jeder gestörten Leberfunction , stets wenn es
im Blute zu finden ist, Pneumonia biliosa , Ecclampsie etc.
Das Biliphäin färbt den Harn sehr lebhaft orange, gelb-
braun bis dunkelbraun auch braungrün , in dünnen Schich-
ten beim Bewegen des Gefässes erscheint derHarn stets hell-
gelb. Ist Blut zugleich zugegen (was höchst selten ist) , so
ist der Harn fast tintenschwarz oder stets sehr dunkel.
Man entdeckt das Biliphäin, indem man auf einmal ziem-
lich viel Salpetersäure in den Harn giesst und unvollständig
damit mischt; es entsteht eine bouteillengrüne Färbung,
welche eine merkwürdige Farbenveränderung zeigt, wenn
sehr viel Biliphäin da ist, nämlich in Blau, Violett, Roth
und endlich bleibend Gelb; bei weniger Biliphäin sieht man
entweder nur die grüne Färbung , oder nur undeutlich jene
Farbenüancen durchgehen.
Ist der Harn albuminös, so entsteht durch Salpetersäure-
zusatz Albumincoagulation, und das Albumin wird schnell
grünblau. Man kann die geringsten Mengen Biliphäin auf
diese Weise entdecken , dass man eine albuminöse Flüssig-
keit (Serum oder Eieralbumin) vor dem Salpetersäurezusatz
in den Harn gibt.
Das Biliphäin färbt die Sedimente , die oft sehr stark
orange oder goldgelb sind , manchmal grünlich.
Das gallensaure Natron entdeckt man, wenn man
den Harn abdampft, den Rückstand mit Alcohol auszieht, ab-
giesst und den Alcohol wieder verdampft, der Rückstand
schmeckt dann deutlich und anhaltend bitter.
37 #
580
7. Zucker.
Der Harnzucker, identisch mit Traubenzucker, ist bisher
nur in der Honigharnruhr gefunden worden, ich habe ihn
aber auch im Harn bei Abscessen der Brustdrüse, während des
Ausbleibens der Milch in den Brüsten im Harn (ohne zugleich
Casein) gefunden , es schien hier der Milchzucker völlig die
Modifikation in Harnzucker angenommen zu haben.
Der Zucker wird nach meiner Methode gleich im Harn
unmittelbar sehr leicht entdeckt , wenn man den Harn mit
ziemlich viel Ätzkalilösung in einem Probirgläschen eine Weile
kocht, wobei eine sehr tief orangebraune, intensive Farbe bei
Gegenwart des Zuckers entsteht; bei sehr viel Zucker ist
die Farbe äusserst dunkel rothbraun , in dünnen Schichten
tief orange. Giesst man etwas Salpetersäure dann zu, bis
ein schwaches Blasserwerden eintritt, und erwärmt noch et-
was, so entwickelt sich ein sehr starker, angenehmer Geruch
nach Zuckersyrup oder gebranntem Zucker.
Auf die Menge des Zuckers kann man nach dem speci-
fischen Gewicht schliessen , es wächst und fällt mit der
Zuckermenge; denn die andern Harnbestandtheile zeigen nie
wesentliche Abweichungen.
Das specifischc Gewicht des Harns bei Melliturie variirt
vom Normale bis 1058. (Am Urometer 8°.)
H enry hat eine Tabelle zur Ermittlung der festen Be-
standteile im Harn nach dem specifischen Gewicht entwor-
fen. (Simon's Handbuch. II. p. 451.)
Beim Stehen in der Wärme trübt sich der Harn immer
mehr und mehr, und es entsteht ein Sediment aus Ferment-
kugeln, durch längeres Stehen geräth er so in Gährung, dass
er wie Bierhefe, später nach Essigsäure riecht.
Zu dem Versuch auf Zucker wird man besonders ver-
anlasst, wenn der Harn trotz seiner blassen, oft kaum merk- '
liehen Farbe ein sehr hohes speeifisches Gewicht zeigt, und
trotz dem kein Albumin gefunden wurde, und alle anderen
581
Harnbestandtheile nur in geringer Menge zugegen waren;
ferner durch den süssen Geschmack, den oft schon der na-
tive Harn besitzt ; endlich durch die Trübung und Entstehen
von Fermentkugeln im Sedimente.
Manchmal ist die Harnsecretion bei dieser Krankheit
vermindert, und man vermuthet Besserung, besonders im
Anfange der Krankheit, oft auch noch später , doch dann ist
der Harn dafür um so schwerer und reicher an Zucker.
8. Schwefelwasserstoff.
Ich habe den Schwefelwasserstoff einige Male im Harn
gefunden, und zwar, wenn kleine Mengen Albumin im Harn
zugegen waren , und der Harn zugleich schnell in Fäulniss
gerieth. Er ist Product des Schwefels im Albumin; einige-
male habe ich ihn auch im Harn , welcher viel Eiter enthielt,
gefunden.
Man entdeckt den Schwefelwasserstoff durch den Geruch
nach faulen Eiern, ferner durch Erhitzen des Harns im Am-
moniakapparat (siehe Apparate) , wo man in die Röhre ein
mit Bleizucker getränktes Papier gibt, welches während des
Erhitzens des Harns braun wird, wenn Hydrothionsäure zu-
gegen war. Der Harn gibt auch eine starke braune Fällung
durch Eisenchlorid (Bleizucker ist hier untauglich). Es ent-
steht höchst wahrscheinlich auch Ph os p hör was sers toff
und zwar aus dem Phosphor des Albumins, ich habe ihu
deutlich gerochen, doch bisher nicht genau genug constatirt.
10. Uroglaucin und 11. Urrhodin.
Sie kommen nur im Sediment vor, und zwar als Gemenge,
indem sie die anderen Stoffe in den Sedimenten entweder
schönblau, violett oder graublau färben, das Uroglaucin
kömmt auch in der spinnenförmigen und kornblumenblätterähn-
üchen Form, wie oben angegeben, schön blau vor. Fig. 9 u. 10.
Beide sind Producte des auch im Normalharn in geringerer
Menge vorkommenden Uroxanthins.
682
Man erkennt und trennt beide aus den Sedimenten , in-
dem man das Sediment sammelt, zuerst mit Wasser abspült,
und dann das Urrhodin mit kaltem Alcohol auszieht, der
dadurch schön carmoisinroth gefärbt wird, dann zieht man das
Uroglaucin durch anhaltendes Kochen mit Alcohol aus , es
wird beim Verdampfen desselben als schöne, blaue unter dem
Mikroskop in kornblumenblättchenähnlichen Krystallgruppen
erhalten (auch in prismatischen Gruppen), aber stets schön
ultramarinblau.
(Das Gemenge beider Farbstoffe wurde früher für
Cyanurin gehalten.)
Diese Sedimente kommen periodisch vor bei Harnverhal-
tungen , bei Rückenmarkserschütterungen , Blasencatarrhen,
Morb. Briyhtü (seltener) u. a.
11. Urogry thrin.
Es ist ein eigenthümlicher rother Farbstoff, welcher be-
sonders im entzündlichen Harn bei intermittirenden Fiebern
und Rheumatismus vorkommt; er färbt den Harn lebhaft, und
je mehr zugegen , desto röther, mehr rothgelb erscheint der
Harn. Häufig* entstehen harnsaure Sedimente, besonders harn-
saures Ammoniak (mit etwas feuerfesten Salzen) , das soge-
nannte Sedimentum latericium, welches manchmal schön ro-
senroth oder karminroth gefärbt ist, und sich ziemlich fest
an das Glas ansetzt. Der rothe Farbstoff lässt sich durch Al-
cohol nicht ausziehen , und unterscheidet sich so vom Urrho-
din. Es ist mir noch nicht gelungen , ihn von den harnsau-
ren Verbindungen zu isoliren. Wasser, verdünnte Säuren
und andere Lösungsmittel isoliren ihn nicht ganz. Es ist
dieser Farbstoff auch für das vermeintliche Acid. rosacique
gehalten worden.
12. Kohlensaures Ammoniak.
Dieses wird entweder als solches durch die Nieren aus
dem Blute ausgeschieden,' oder es entsteht erst in dem be-
583
reits abgesonderten Harn auf Kosten des Harnstoffes , indem
nämlich 1 Atom Harnstoff und 2 Atom Wasser 2 Atome koh-
lensaures Ammoniak erzeugen ; denn :
1 Atom Harnstoff == H8 N4 Ca Oa
2 Atom Wasser = H4 02
= 2 At. kohlens. Ammoniak HI9 N,, C, 0«
Die Entstehung* des kohlensauren Ammoniaks aus Harn-
stoff wird oft sehr schnell eingeleitet durch eine stärkere Se-
cretion von Blasenschleim, je mehr also Blasenschleim bei
einer Krankheit abgesondert wird, desto schneller geht die
Umwandlung vor sich , und je länger der Blasenschleim mit
dem Harn in Berührung bleibt, desto mehr wird Harnstoff zur
Bildung von kohlensaurem Ammoniak consumirt; je mehr nun
dieses erzeugt wird, desto stärker ist der Gestank des Harns,
der urinös ammoniakalische Geruch desselben, desto weni-
ger wird man Harnstoff im Harn finden. Es versteht sichT
dass die Reaction dann immer alkalisch ist , und um so stär-
ker, je mehr kohlensaures Ammoniak vorhanden ist. Ist nun
aber der Harn durch dieses Salz alkalisch geworden, somuss
immer ein mehr oder weniger starkes Sediment aus phosphor-
saurer Ammoniakmagnesia in deutlichen Krystallen entste-
hen, auf welche Erscheinung also bei einem alkalischen
Harn kein bedeutendes Gewicht zu legen ist.
Das kohlensaure Ammoniak wird erkannt :
1. Durch den Geruch.
2. Durch die alkalische Reaction, und auch der Dämpfe
beim Erhitzen des Harns im Ammoniakapparat (siehe oben
Apparate). Durch diesen Versuch unterscheidet man den durch
kohlens. Ammoniak alkalischen Harn von einem, der durch
den Genuss von Pflanzensäuren alkalisch geworden.
3. Durch das Aufbrausen nach Zusatz einer Säure.
Der ammoniakalische Harn kömmt in sehr vielen Fällen
vor, vorzüglich beim Typhus; so lange beim Typhus der
Harn alkalisch ist, so ist es ein Zeichen, dass der krank-
hafte Zustand des Blutes noch nicht gehoben ist; ein solcher
584
Harn dauert oft bei scheinbar günstiger Reconvalescenz län-
ger fort, so lange diess der Fall ist , so ist noch grosse Vor-
sicht nothwendig, erst wenn der Harn sauer wird, ist es als
ein günstiges Zeichen zu betrachten. Ferner erscheint es
nach Entzündungen, besonders bei Pneumonien, nach Fie-
berparoxysmen u. a. In der Blase entsteht es immer bei sol-
chen Krankheiten, wo entweder Harnverhaltung, Ischurie
zugegen, der Harn also lange mit Blasenschleim in Be-
rührung steht , oder wenn viel Blasenschleim zugleich ab-
gesondert wird bei Blasencatarrhen, Lithiasis etc. In solchen
Fällen empfehle ich sehr, stets für häufigere Harnaussonde-
rung zu sorgen , denn bleibt der ammoniakalische Harn län-
ger mit der Blase in Berührung , so wirkt das einmal ent-
standene kohlensaure Ammoniak wieder reizend auf die Bla-
senschleimhaut, und es wird um so mehr Blasenschleim
abgesondert, eine neue Bedingung zur weiteren Bildung von
kohlensaurem Ammoniak, und so kann keine baldige Heilung
erzielt werden. Erfahrungen im hiesigen Krankenhaus haben
diess wiederholt bestätiget.
13. Phosphorsaure Ammonia k-M a g n e s i a.
Dieses Salz findet sich immer dann als Sediment im
Harn , wenn derselbe durch kohlensaures Ammoniak alka-
lisch geworden ist; denn entsteht Ammoniak im Harn, so
geht es mit der phosphorsauren Magnesia jene Doppelver-
bindung ein, und es wird das Salz in schönen, farblosen
Krystallen im Sediment erscheinen (Fig. 13) ; zugleich fällt
auch basisches Kalkphosphat. Diese Sedimente kommen also
immer im alkalischen Typhusharn und in jedem anderen Se-
dimente, welches suh in einem alkalischen Harn befindet,
beigemengt vor.
14. Harnsaures Ammoniak.
Der Harn, welcher dieses enthält, ist entweder sauer
reagirend , oder, was meistens der Fall ist, alkalisch durch
585
kohlensaures Ammoniak. Es findet sich das harnsaure Am-
moniak daher meistens im Sedimente solcher Harne, wie sie
oben beschrieben worden sind, besonders wenn zugleich die
Harnsäure vermehrt ist; denn tritt Ammoniakbildung ein, so
entsteht harnsaures Ammoniak , und dieses fällt entweder
ganz oder nur zum Theil. Die Sedimente aus harnsaurem
Ammoniak haben verschiedene Farben und Formen , sie sind
bald fein, bald grobflockig, bald körniger, bald weiss gelb-
lich , braun, röthlich oder karminroth, violett oder blau, und
müssen näher untersucht werden, denn sie sind oft von Eiter
durch's blosse Ansehen nicht zu unterscheiden.
Man erkennt das harnsaure Ammoniak:
1. Im Sedimente an den Formen unter dem Mikroskop;
Fig. 14, a — c.
2. Wenn das Sediment beim allmäligen Erhitzen des
Harns sich in diesem löst ; beim Erkalten fällt es wieder.
3. Durch die Probe aufMurexyd;
4. Durch die Probe mit Ätzkali auf Ammoniak, wo es
dadurch ausgetrieben wird.
Das harnsaure Ammoniak macht manchmal einen sehr
trübenThonwasser ähnlichen Harn, wenn es sehr fein vertheilt,
und der Harn specifisch schwer ist, wo es sich nicht setzen
kann ; auch der Eiter thut diess manchmal , da ist die Probe
durch's Erhitzen sehr wichtig.
Sedimente aus harnsaurem Ammoniak kommen besonders
vor beim Typhus , in Krisen , bei gastrischen und anderen
Fiebern und nach Entzündungen , auch bei Rheumatismen
und chronischer harnsaurer Diathese periodisch u. a. m.
15. Harnsaures Natron.
Das harnsaure Natron kommt nur selten in grösserer
Menge als Sediment vor , und zwar dann , wenn die Harn-
säure im Harn vermehrt ist; im Kinderharn habe ich es öfter
gefunden als bei Erwachsenen; es kömmt auch als geringe
Beimengung anderer harnsaurer Sedimente, besonders des
586
harnsanren Ammoniaks vor; es erscheint immer deutlich in
den Formen , wie es Fig. 15 abgebildet ist. Eine besondere
Krankheitsform begleitet es nie.
16. Kleesaurer (oxalsaurer) Kalk.
Dieser kömmt entweder allein oder auch mit anderen
Stoffen gemischt, auch mit Harnsäurekrystallen im Sedimente
vor ; die Sedimente sind weiss oder wenig gefärbt , körnig.
Bei Rachitis oder bei Kindern, welche zu dieser geneigt
sind, ist er zu finden; besonders, wenn schon Oxalsäure
Steinbildung Statt findet, findet man den Oxalsäuren Kalk im Se-
diment. Die Bildung* der Oxalsäure ist ein Product der Harn-
säure (siehe unten), später tritt bei solchen Individuen, welche
als Kinder an der Oxalsäuren Diathese gelitten , die harn-
saure auf, eine Erfahrungssache , dass nach Rachitis häufig
bei solchen Individuen Gicht eintritt.
Der Oxalsäure Kalk wird erkannt :
1. An der eigentümlichen Form, als Octaeder stets sehr
deutlich unter dem Mikroskop sichtbar. Fig. 16.
2. Das Sediment braust nicht mit Säuren ; wird es m ä s-
sig geglüht, so verglimmt es, und nachher mit einer Säure
Übergossen braust es (es entstand beim massigen Glühen aus
dem Oxalsäuren, kohlensaurer Kalk).
3. Heftig geglüht (z. B. vor dem Löthrohr) leuchtet der
Oxalsäure Kalk stark, mit Wasser Übergossen reagirt dann
dieses stark alkalisch.
17. Kohlensaurer Kalk.
Dieser kömmt manchmal im Sedimente entweder allein
oder mit anderen Stoffen gemengt vor; ich kann keine Krank-
heiten bezeichnen, welchen er allein zukäme, besonders aber
bei Caries und anderen Knochenkrankheiten , syphilitischer
Auflockerung etc.
Der kohlensaure Kalk bildet manchmal Steine , und fin-
det sich dann auch im Sedimente.
687
Erkennung : 1. Unter dem Mikroskop erscheint er amorph-
oderkrystallinisch in den abgebildeten Formen. Fig. 17.
2. Das Sediment löst sich in verdünnten Säuren unter
Aufbrausen.
3. Geglüht gibt er Ätzkalk , der mit Wasser befeuchtet
alkalisch reagirt.
18. Thonerde.
Diese habe ich bisher ein Mal im Sedimente gefunden
bei einem Mädchen, welches an einem Steine litt, der
kohlensauren Kalk und etwas Thonerde enthielt; das Sedi-
ment, welches täglich längere Zeit im Harne war, bestand
der Hauptmasse nach aus kohlensaurem Kalk und Erdphos-
phaten und enthielt ganz kleine Mengen Thonerde.
Erkennung. Das Sediment verhielt sich beim Erhitzen
ganz eigenthümlich , es ward lichtblau, indem Ultramarin
entstand (durch Mitwirkung des Schwefels des Blasen-
schleims). (Siehe Harnconcretionen nach Dr. Heller's Vor-
lesungen, herausgegeben von Dr. Zeissl, Wien 1845.)
19. Cystin.
Das Cystin kömmt theils im Harn gelöst (oder vielleicht
nur höchst fein suspendirt) , theils als geringes feines Sedi-
ment vor. Es wird im Harn gefunden, wenn ein Cystinstein
in der Blase zugegen ist.
Man erkennt das Cystin:
1. An der ihm eigenthümlichen Form, in 6seitigen sehr
feinen Tafeln , unter dem Mikroskop sichtbar. Fig. 18.
2. Beim Verbrennen verbreitet es einen ganz eigenthüm-
lichen sich stark verbreitenden Geruch und brennt mit einem
bläulichen Flämmchen.
3. Im Harn oder auch für sich wird es erkannt, wenn
der Harn mit Ätzkali gekocht wird, es entsteht Schwefelka-
lium (denn das Cystin enthält SO p. c. Schwefel); gibt man
«88
dann essigsaures Blei besser Eisenchlorid hinzu, so entsteht
eine dunkle Fällung (Schwefelmetall).
20. Eiter.
Der Eiter kömrat im Harn immer als deutliche Zelle vor,
schon vor der Behandlung- mit Essigsäure sieht man unter
dem Mikroskop die Kerne meistens an einzelnen Zellen,
dann aber stets deutlich.
1. Kömmt der Eiter für sich allein im Harn vor.
2. Gemischt mit mehr oder weniger Schleim.
3. Gemischt mit Blutkörperchen.
4. Mit anderen sehr verschiedenen Sedimenten , beson-
ders Erdphosphaten und harnsaurem Ammoniak.
Der Eiter bildet entweder ein Sediment (meistens), oder
er erzeugt eine sehr starke Trübung des Harns, wie das Was-
ser aus einer Thonlacke ; er bleibt suspendirt und der Harn
klärt sich oft nach Tage langem Stehen nicht. Diess ist der
Fall , wenn sich das speeifische Gewicht des Harns mit dem
des Eiters ausglicht, also der Harn ein hohes speeifisches
Gewicht hat, dann kann der Eiter nicht fallen, bleibt suspen-
dirt, und so kann oft sehr viel Eiter im Harn sein, ohne
dass er sich als geschiedenes Sediment vom Harn trennt.
Eine solche Trübung im schweren Harn macht auch das harn-
saure Ammoniak (siehe oben); ist die Trübung von Eiter,
so verschwindet sie beim Erwärmen des Harns nicht , wel-
ches immer geschieht , wenn die Trübung vom harnsauren
Ammoniak kömmt.
Eine fernere Eigenschaft des eiterhältigen Harns ist,
dass er immer Albumin enthält, welches der die Eiter-
zelle führenden Flüssigkeit zukömmt ; je mehr Eiter im Harn
ist, desto mehr enthält er Albumin.
Der eitrige Harn enthält oft ziemlich viel Uroxanthin, es
wird daher der Harn durch Salpetersäure oft schön violett oder
pflrsichblühroth , je mehr Eiter da, desto mehr diese Färbung.
Nie ist auf sonstige äussere Eigenschaften des Harns
689
oder eines Sediments zu gehen , denn der eiterhältige Harn
und die Eitersedimente zeigen oft sehr verschiedene, oft mit
anderen ähnliche äussere Eigenschaften.
Erkennung und Trennung des Eiters vom
Schleim.
1. Der Eiter wird immer unter dem Mikroskop erkannt,
er stellt theils runde, theils etwas ungeformte oft gezackte,
oft mit mehr glatter Peripherie versehene farblose oder gelb-
lich erscheinende Kugeln mit einer feinen, dunkeln , hie und
da feinkörnigen Granulation ; in manchen Kugeln , manchmal
in vielen sieht man schon vor der Behandlung mit Essigsäure
grosse Kerne. Nach Essigsäurezusatz verschwindet mehr
oder weniger die Granulation, die ganze Zelle wird, je län-
ger die Essigsäure einwirkt, undeutlicher, und es treten die
sehr scharf begränztcn Kerne meist mit gelber Farbe hervor;
es sind deren in jeder Zelle 1 — 4, seltener 5, meistens
1 — 3, ihre Form ist sehr verschieden. Fig. 19 zeigt den Eiter,
Fig. 00 denselben nach Behandlung mit Essigsäure. Die
Schleimkugeln erscheinen ähnlich dem nativen Eiter, sie sind
schiefergrau meist kleiner, mehr scharf begränzt, zeigen nie
Kerne; nach der Behandlung mit Essigsäure bleiben nur sehr
kleine farblose Kernchen zurück, die nie gelb sind.
2. Wird etwas von dem Eitersediment nach Abgiessen
des Harns genommen und mit Salpetersäure versetzt, so ent-
steht eine milchweisse Coagulation (Albumin).
3. Der Harn, der Eiter enthalten soll, muss immer Al-
bumin mehr oder weniger enthalten. Bei sehr wenig Eiter
muss der Harn durch Kochen concentrirt werden, dann sieht
man Albuminflocken sich abscheiden.
Trennung des Eiters von Schleim.
Es kommen oft sehr starke Sedimente von Schleim vor,
die nur wenig Eiter enthalten; bevor man den Eiter sehen
will, muss man ihn erst trennen, nie das schleimige Sedi-
590
ment für sich ansehen. Man lässt den Harn absetzen , giesst
ihn vom Sediment ab, bis auf ein kleines Quantum Harn, mit
dem dann das Sediment gut geschüttelt wird; es wird sich
die Eiterzelle suspendiren, dann giesst man schnell ab, und
läset es absetzen , in diesem Satz suche man nur den Eiter,
der Waschharn muss nun deutlich auch Albumin zeigen.
Trennung des Eiters von Blutkü gelchen.
Ein solches Sediment wird gesammelt, dann mit so viel
Wasser angerührt, bis die Blutkügelchen verschwinden, dann
giesse man alles in ein sehr enges hohes Gefäss (Probirglas)
und lasse absetzen; das nun entstehende Sediment enthält
die Eiterzellen , während die Blutkügelchen mit dem Wasser
als geborsten oder aufgequollen weggegossen werden.
Trennung von anderen Sedimenten.
Erdphosphate sind es meistens, welche oft der Er-
kennung des Eiters im Wege stehen, sie werden durch Schüt-
teln des Sedimentes mit verdünnten Säuren, am besten
Salz- oder Schwefelsäure entfernt, dann lässt man, so wie
oben gezeigt , den Eiter absetzen.
Harnsaures Ammoniak trennt man durch massi-
ges Erwärmen, es löst sich, den Eiter lasse man absetzen;
diese Beimengung kömmt oft vor, und behindert oft stark die
Eitererkennung. Freie Harnsäure lässt sich leicht durch
blosses Schlemmen trennen , schüttelt man das Sediment mit
wenig Harn, so bleibt bei kurzer Ruhe die Eiterzelle viel
länger suspendirt, während die Krystalle von Harnsäure fal-
len , giesse ab und lasse nun den Eiter absetzen.
Auch bei anderen körnigen Sedimenten ist das Schlem-
men anzuwenden.
Es ist also sehr wichtig, zuerst den Eiter rich-
tig zu trennen und zu sammeln, bevor, man ihn
diagnosticiren will.
691
B e Stimmung' des Eiterursprungs.
1. Kömmt der Eiter aus den Nieren selbst
oder allein durch einen Abscess etc., so ist der Eiter als rei-
ner Eiter im Harn, periodisch sehr viel, oft wieder sehr we-
nig*, das Sediment fein und ganz suspendirbar. Der Harn zeigt
immer ein leichtes specifisches Gewicht, enthält meistens
sehr wenig Harnsäure , besonders wenn die Krankheit schon
länger dauert, auch oft keine Spur davon. Der Harnstoff ist
i mmer verringert , und ganz besonders auch die Salze. Der
Harn enthält oft grössere Mengen Albumin, als der Menge
des erschienenen Eiters entspräche. Der Harn ist sauer oder
schwach alkalisch, nie so sehr stark ammoniakalisch.
2. Kömmt der Eiter aus der Blase, so ist im-
mer Schleim in grösseren oder kleineren Klumpen dem Sedi-
mente beigemischt; der Harn ist alkalisch oft sehr stark,
und reich an kohlensaurem Ammoniak , der Harnstoff ist nur
desshalb und dann verringert , wenn viel kohlensaures Am-
moniak entstanden ist. Die Harnsäure zeigt nichts besonders
Auffallendes; ganz besonders aber sind es die Salze, welche
in normaler Menge im Harn enthalten sind.
3. And erwei ( iger Ursprung. Aus dem Blute
ausgeschieden wird der Eiter in sehr vielen Fällen ; es
sprechen schon andere Symptome dafür, welche dem Eiter,
wenn er sich im Blute befindet, zukommen; ist wo immer eine
Eiteransammlung, ein Eiterherd, eine starke Eiterung, selbst
an äusseren Stellen des Körpers, so erscheint im Harn Eiter.
Der Harn zeigt dann , wenn gleich oft verschiedene Eigen-
schaften , doch im Schleimklumpen , wenn die Blase gesund,
nie die starke Verringerung aller der obengenannten wesent-
lichen Harnbestandtheile, besonders aller Salze zugleich,
wenn die Nierenfunction nicht gestört ist.
Aus dem oben Gesagten geht schon hervor , in welchen
Fällen Eiter im Harn erscheint , es ist daher unnöthig , ein-
zelne Krankheiten hier anzuführen.
592
2. Epithelium der Bellinischen Röhrchen, Bel-
linisches Epithelium.
Das Bellini'sche Epithelium erscheint im Harn als
Sediment, welches schmutzig weiss oder thongelb ist, wenn
es nicht durch Blutkörperchen rothgefärbt ist. Unter dem
Mikroskop erscheint es in längeren oder kürzeren farblosen
Canälchen , welche mit sehr verschieden g'rossen gelben oder
gelbbraunen Kernen versehen sind; je mehr deren hier sind,
desto brauner erscheint es. Es erscheint bei einer 400 bis
500maligen Vergrösserung wie in Fig. 21.
Dieses Epithelium ist immer als Sediment im Harn bei
Morb.Brightii zugegen, und bildet oft ein sehr starkes Sedi-
ment, oft sieht man nur unter dem Mikroskop sehr wenige
solche Canälchen. Im Anfange bei Morb. Brightii erscheint
mehr Pflasterepithelium, erst später nimmt die Menge des er-
steren zu. Auch bei metastatischen Nierenleiden , wo später
jene Krankheit sich erst deutlich entwickelt, erscheint es
im Sediment*, so auch bei Scarlatina.
2. Spermatozoon.
Diese finden sich im Harn entweder bei Spermatorrhoe
oder sind auch manchmal zufällig in einem Morgen-
harn zu finden, wenn das Sediment eines solchen Harns mi-
kroskopisch untersucht wird, daher hierauf diessfalls kein
Gewicht zu legen ist.
Bemerkenswerth ist, dass oft bei geringeren Graden von
Spermatorrhoe mit den letzten Tropfen nach dem Harnen
Sperma entleert wird, wo man stets Spermatozoon darin oder
im Sediment findet.
Die Spermatozoon erscheinen bei einer 400 — SOOmali-
gen Vergrösserung wie Fig. 22 a. b. Sind sie todt, so erschei-
nen sie abgesehen von der mangelnden selbstständigen Be-
wegung, mit gestreckten Schwänzen (b); sind sie lebend,
so zeigen sie die selbstständige Bewegung und erscheinen
mit gekrümmten Schwänzen a~).
693
Krebszellen.
Ich habe nun bereits mit Gewissheit nachgewiesen, dass
Krebszellen im Sediment vorkommen, wenn in der Blase eine
Krebsconcretion vorhanden, sie war in den beobachteten
Fällen sehr locker, es lösten sich oft fast Haselnuss grosse
Stücke ab und erschienen im Harnsediment, welches sonst
ziemlich gross war, flockig* erschien und aus lauter Krebs-
zellen bestand. Fig\ 20 zeigt ein solches Sediment. Zu be-
merken ist, dass immer einzelne Blutkügelchen beigemischt
waren. Es ist dicss für die sonst oft schwierige Diagnose von
grosser Wichtigkeit.
Indem ich nun hier die verschiedenen pathologischen
Bestandteile des Harns , deren mehrere ich hier zuerst be-
kannt mache, kurz anführte, will ich nur noch kurz den
Gang der Untersuchung des Harns mit annähernd quantitati-
ver Berücksichtigung, wie jene für den Arzt leicht ausführ-
bar ist, um schnell zu einem brauchbaren Resultate zu kom-
men, am Schlüsse dieses Capitels anführen.
Kurze Methode der qualitativen und annä-
hernd quantitativen Harnanalyse für den Arzt.
Der Arzt so wie der Chemiker , welcher viele Harne
zu untersuchen hat , und wo es sich Behufs einer Diagnose
nur um die wesentlichsten Bestandtheile und um ein Plus und
Minus eines Harnbestandtheils überhaupt handelt, kann schon
der Zeit wegen nicht immer eine genaue quantitative Ana-
lyse vornehmen; es ist daher wichtig sich eine solche abge-
kürzte Methode einzuüben, durch welche man sich zuerst
den normalen Harn gut einstudiert, wo man dann jede Abwei-
chung vom Normale, als für die Diagnose hinreichend, wird
bestimmen können. Ich will daher den Gang der Untersuchung
kurz anführen.
1. Zuerst muss man berücksichtigen, ob der Harn
Morgenharn ist, ob man es nicht mit urina polus zu
thun hat.
Gaal. Diagnostik. 38
594
2. Muss berücksichtigt werden , wie lange der Harn
bereits , nachdem er gelassen , gestanden.
3. Ob der ganze Harn sammt einem etwaigen Sediment
auch richtig, so wie er gelassen wurde, zur Untersuchung
gekommen.
4. Berücksichtigt man die eingenommenen Arzneimittel
und die Nahrung.
5. Beachtet man die Menge der Harnsecretion für 24
Stunden.
6. Berücksichtige man die Dauer der Krankheit über-
haupt, das Stadium und sonstige individuelle Besonderheiten
des Kranken.
Dann schreitet man zur Untersuchung.
1. Man giesse den Harn vorsichtig vom Sedimente ab ,
wenn sich eines gebildet, oder lasse ihn in einem hohen
schmalen Cylinderglase absetzen und untersuche das Sedi-
ment unter dem Mikroskop.
2. Untersuche man die Reaction des Harns mit den Lak-
muspapieren. Aus beiden diesen Proben lassen sich oft schon
sehr wichtige Folgerungen machen.
3. Bestimme man das specifische Gewicht mittelst des
Urometers.
4. Man fülle eine kleine Porcellanschale, immer ein und
dieselbe, mit dem Harn, und dampfe denselben zuerst im
Sandbade, dann im Wasserbade ab bis auf einen kleinen Rück-
stand, lasse das Schälchen am kalten Wasser schwimmen
oder stelle es im Winter auf Schnee, giesse dann concen-
trirte Salpetersäure zu , bis alles völlig erstarrt oder Salpe-
tersäure bereits im Überschusse zugegen ist; man sieht hier
den salpetersauren Harnstoff als starre Masse. Während
des Abdampfens kann man indessen zu den folgenden Puncten
schreiten.
6. Fülle ein Cylinderglas , etwa von 1 Zoll Durchmes-
ser und 4 — 5 Zoll Höhe, wieder ein und dasselbe für
immer dazu bestimmt , bis zu einer gewissen Entfernung vom
595
Rande mit dem Harn, und setze massig concentrirte Salzsäure,
für obiges Glas etwa 1 Drachme zu, lasse es 12 — 24 Stunden
stehen, und schliesst dann aus der ausgeschiedenen Harn-
säure auf die Menge, im Vergleiche mit dem Normalharn.
Man beachte auch die Farbe der Krystalle.
6. Man vertheile nun in 4 Bechergläser, die einen Theil-
strich haben können, bis zu welchem man sie immer mit dem
Harn füllt, etwa in jedes 6 Drachmen bis 1 Loth vom Harn
und mache folgende Reactionen.
a) Mit con centrirter Salpetersäure, diese
nie in geringer Menge angewendet; durch diese entdeckt
man :
a. Alb u m i n, wenn ein weisser Niederschlag oder eine
Trübung entsteht.
ß. Biliphä'in, wenn der Harn bouteillengrün wird,
oder sogar die bereits erwähnten Falbenveränderungen zeigt.
y. Uroxanthin, wenn der Harn violett ( von mehr Uro-
glaucin) oder pfirsichblühroth oder gar karminroth (von
mehr U r r h o d i n) wird. Ist er albuminös, so nimmt das gefällte
Albumin diese Farben an.
ö. Harnsäure oder saures harnsaures Ammo-
niak erzeugt manchmal Trübung, ist daher nicht mit Albu-
min zu verwechseln, wesshalb immer auf dieses die Gegen-
probe durch Erhitzen des Harns gemacht werden muss.
b) Mit Ammoniak wurden in dem zweiten Gläschen
die Erdphospliate gefällt, auch zeigt es viel Uroxanthin an.
c) In dem dritten Gläschen wird der Harn, nachdem
er mit etwas Salpetersäure angesäuert wurde, mit salz-
saurem Baryt gefällt, zur Bestimmung der Sulphate.
d) Ebenfalls angesäuerter Harn wird mit einer über-
schüssigen Menge salpetersauren Silber ver-
setzt, es fällt Chlorsilber, welches der Menge der Chloride
(Kochsalz) und Harn entspricht.
e) Dieses wird abfiltrirt, das Filtrat wird mit Ammoniak
neutralisirt , es fällt phosphorsaures Silber als an-
38 #
696
fangs strohgelber Niederschlag, es wird um so schneller
grau und braun, je mehr Uroxanthin im Harn war, ist
viel da, so wird die Probe sogleich intensiv schwarzbraun.
Nun setze man noch Silbersalz zu , um zu sehen , ob alle
Phosphorsäure gefällt wurde.
Genauer kann man verfahren, wenn man zuerst dieErdphos-
phate aus dem Harn fällt, dannfiltrirt, ansäuert und dannncutra-
lisirt, und die Phosphorsäure neuerdings fällt ; diese
entspricht dann dem phosphorsauren Natron des Harns.
In einem Probiergläsuhen erhitzt man den Harn allmä-
lig bis zum Kochen (er muss sauer sein , ist er es nicht ,
so setze man einige Tropfen Essigsäure zu) *, erfolgt schon
bei massiger Wärme (55° C.) eine Trübung*, so ist die neue
Protein Verbindung da, dann hat die Salpetersäure
keinen Niederschlag" gegeben.
Erfolgt kurz vor dem Kochen eine Trübung, und hat auch
die Salpetersäure eine solche gegeben, so ist Albumin da.
8. Vermuthetman Zucker im Harn (wegen seines schwe-
ren specifischen Gewichts und doch lichten Farbe etc. stehe
oben), so mache man in einem Probiergläschen die Zucker-
probe (durch Kochen mit Ätzkalilauge , dann Versetzen mit
Salpetersäure).
Kennt man nun das Verhalten des normalen Harns, wel-
ches man sich einstudiert, kennt man das Verhalten des Harns
in verschiedenen Krankheiten, so kann man durch Exclusio-
nen bei dem einen und anderen Versuche, so wie durch ir-
gend eine besondere Reaction , welche einen abnormen Kör-
per zeigt , nach und nach in sehr vielen Fällen zur Dia-
gnose derKrankheit selbst kommen, ohne den Kranken gese-
hen zu haben. Eine Semiotik hier mitzutheilen , ist mir
für diessmal unmöglich, da mir nicht Raum genug ge-
gönnt ist.
697
Slanicoiieretioneii.
Allgemeines.
Ich werde in diesen! Capitel nur kurz Einiges über die
Entstehung' der Harnsteine im Allgemeinen vorausschicken,
dann die uns bereits bekannten Harnsteine und ihre Diagnose
anführen, so wie endlich kurz den Harn beschreiben, welcher
in den verschiedenen Fällen charakteristisch erscheint. Ein
Weiteres ist in einer eigenen Broschüre als ein Compendium
meiner Vorlesungen über Harnconcretionen erst vor Kurzem
erschienen. »Harnconcretionen, nach Dr. Heller's Vorle-
sungen.« Handschriftlich mitgetheilt dem Herausgeber Dr. Hr.
Zeissl. Mit einer lithographirten Tafel. Wien, 1846 bei
Morsch n er & Bianch i.
Es ist mehr die chemische Beschaffenheit oder irgendein
pathologischer Zustand des Harns , selbst bei verschiedenen
Krankheiten, Ursache der Entstehung verschiedener Harncon-
cretionen, als die bisher angenommenen und vielbesprochenen
S t ei n -Diathesen , so dass durch unbestimmte Zufälle in
verschiedenen Fällen, bei übrigens gleichen Krankheitsformen
und auch bei gleicher chemischer Zusammensetzung des Harns,
in dem einen Falle wohl in einem zweiten keine Steinbildung
Statt findet. Es ist demnach unrichtig, für die gewöhnlichst
vorkommenden Steinformen eigenthümliche Steinbildungs-
Diathesen anzunehmen. So können z. B. harnsaure Steine in
ganz verschiedenen Fällen entstehen, wenn überhaupt die
Harnsäure im Harn vermehrt erscheint, was in sehr verschie-
denen Krankheiten der Fall ist, welche also die Veranlas-
sung werden können , dass sich ein harnsaurer Stein gebil-
det, der beim Verschwinden der Krankheit zurückbleibt, ohne
dass man somit einen Grund hätte, eine harnsaure Stein-
Diathese als eigenthümliche Krankheitsform annehmen zu
müssen , wenn man gleich von einer harnsauren Diathese
sprechen könnte. Dasselbe gilt auch von den übrigen soge-
nannten Stein-Diathesen.
598
In Beziehung auf den Ort, wo die Steine entstehen,
sind es vorzüglich die Nieren , in welchen sie zuerst entste-
hen, oder auch in den Harnleitern, am seltensten wohl in
der Blase selbst, in welcher aber solche Steine, die in
dieselbe aus den Nieren oder den Harnleitern gelangen , und
schon zu gross sind, um mit dem Harn abgehen zu können,
wachsen, und dann oft eine besondere Grösse erreichen; ob-
wohl auch in den Nieren zurückbleibende Steine stark wach-
sen können.
Was die erste Entstehung die Kernbildung einer Harn-
concretion betrifft, so sind es vorzüglich solche Substanzen,
welche in Harnsedimenten im krystallisirtcn Zustande vor-
kommen. Die Kanten, scharfen Spitzen oder Ecken derKry-
stalle können stecken bleiben, können sich um so früher an
den Wänden der Organe, der Schleimhaut einspiessen, und
so bildet es schon einen festen Anhalfspunct für ein zweites
und drittes , ja es bedingt sogar die weitere Ausscheidung
einer gelösten Substanz, im starren Zustande, welche noch
länger aufgelöst geblieben wäre, wenn sie nicht bereits einen
festen Körper gefunden hätte, an welchen sie sich anlegen
konnte. So sehen wir auch oft durch Zufall in den Organis-
mus gelangte fremde feste Körper als Veranlassung zur Bil-
dung einer Concretion.
Schichtenbildung. Gemischte Steine, geschich-
tete Steine sind solche, welche aus keiner homogenen Masse,
sondern vom Kerne aus gegen die Peripherie aus zwei oder
mehreren Lagen bestehen , welche in ihrer chemischen Zu-
sammensetzung verschieden sind.
Die Entstehung solcher Steine ist keinem Wechsel der
Diathese zuzuschreiben , wie man bisher anzunehmen ge-
wohnt war. Ist nun ein Stein (oder mehrere) aus was im-
mer für einem Stoffe entstanden , so wird seine Zunahme an
Masse, d. h. aus dem Stoffe, der ihn ursprünglich ge-
bildet, aufhören, sobald derjenige Zustand gehoben oder
verschwunden ist, der z. B. von der Uarnsäurevermehrung
599
begleitet war. Ist nun ein Stein aus Harnsäure auf diese Weise
zurückgeblieben , so wird derselbe einen mechanischen Reiz
auf die Blase ausüben , zufolge welchem immer eine ver-
mehrte Absonderung des ßlasenschleims Statt findet.
Der Blasenschleiru macht, dass der Harn, wenn gleich
sauerund normal, aus den Nieren in die Blase kommend, in
dieser alkalisch wird , indem der Harnstoff in kohlensaures
Ammoniak umgewandelt wird, und ist dieses entstanden, so
ist die nothwendige Folge davon , dass phosphorsaure Am-
moniakmagnesia und basisch phosphorsaurer Kalk in Kry-
stallen fallen, die sich auf den bereits vorhandenen Stein, in
unserem Beispiel auf den harnsauren, ablagerte, und so ent-
steht um den harnsauren Stein eine Rinde von einem phos-
phatischen Stein. Daher ist es auch erklärlich , dass nur die
harnsauren und anderen Steine, und zwar je grösser sie sind,
da diese die Blase um so mehr reizen, meistens eine Rinde
aus den Phosphaten gebildet ist, ferner, dass auch die phos-
phatischen Steine die grössten sind. Es kann aber auch ein
Stillstand jenes Blasenleidens eintreten ; erscheint dann wie-
der ein krankhafter Zustand des Körpers, in welchem Ver-
mehrung von Harnsäure oder eines anderen Stoffes Statt fin-
det, so entsteht wieder um die phosphatische Rinde eine
neue harnsaure etc.
Die Harnconcretionen insbesondere.
Eintheilung. Alle Harnconcretionen, gleichviel, wo-
her sie kommen , können in folgende Eintheilung gebracht
werden:
I. Verbrennliche Steine;
II. Nicht verbrennliche (oder nur durch Beimengung der
ersteren theilweise verbrennliche) Steine.
Die verbrennlichen sind:
1. Steine aus Harnsäure;
S. »' - » harnsaurem Ammoniak;
3. * » harniger Säure (Xnnthoxyd);
600
4. Steine aus Cystin ;
5. » » Urostealith ;
6. » » Proteinverbindungen.
Die nicht verbrennlichen sind:
aj schmelzbare ;
b) nicht schmelzbare.
Erstere sind :
i. Steine aus phosphorsaurem Ammoniak, Magnesia und
basisch phosphorsaurem Kalk zugleich;
2. Steine aus neutralem phosphorsauren Kalk.
Die nicht schmelzbaren sind :
1. Steine aus oxalsaurem Kalk ;
2. » » kohlensaurem Kalk;
3. » » » und Thonerde.
Diagnose. In Beziehung auf das Vorkommen, den
Ort der Entstehung* und die äusseren Eigenschaften der ein-
zelnen Steine muss ich mich auf meine oben cifirten Vorle-
sungen beziehen.
Ich bemerke hier auch, dass sich diese chemische Un-
tersuchung* auch auf die Harnsedimente bezieht,
welche nach der mikroskopischen Besichtigung* gesammelt,
und so wie ein Stein geprüft werden.
I. Verfu'eiiiiliche Steine.
1. Steine aus Harnsäure.
i. Die Probe verbrennlich auf dem Platinlöffel und vor
dem Löthrobre. Dabei einen fein stechenden , hintennach ei-
nen der Blausäure ähnlichen Geruch gebend.
2. In massig concentrirter Salpetersäure beim Erwär-
men unter Aufbrausen und Entwickelung* von salpetriger
Säure unter braungelben Dämpfen zu einer lichfgelben Flüs-
sigkeit löslich. Diese fast bis zur Trockene oder nur bis zu
einem sehr kleinen Rückstand abgedampft und noch heiss,
dann mit einigen Tropfen Ammoniak versetzt, gibt eine schön
601
karminrothc oder purpurrothe Farbe (Murexid). Am schön-
sten wird die Farbe dieses Rückstandes, wenn das Ammo-
niak zugesetzt wird , während der concentrirte Rückstand
noch kocht. Würde man bis zur Trockene abdampfen und er-
wärmen , ohne Ammoniak zuzusetzen, so entsteht eine gelb-
rothe Färbung" des Rückstandes.
3. In Kalilauge löslich , daraus durch Salzsäure weiss
fällbar (Harnsäure). Beim Lösen in der Kalilauge entwickelt
sich kein Ammoniak (Unterschied von den Steinen oder Se-
dimenten aus harnsaurem Ammoniak).
Der Harn.
Der diese Steinbildung* veranlassende Harn ist entweder
jeder entzündliche Harn oder jeder, in welchem die Harn-
säure vermehrt erscheint. (Gicht , Rheumatismus , Phlogo-
sen etc.) Die Formen der Harnsäure sind auf der Tafel I.,
Fig. 2—8 abgebildet.
2. Steine aus h ar n s aur em Ammo niak.
Die Erkennung so wie bei den harnsauren ; sie unter-
scheiden sich jedoch von den harnsauren dadurch:
1. Dass sie beim Erhitzen immer einen kleinen Rück-
stand von phosphorsaurer Ammoniakmagnesia hinterlassen;
2. dass sie sich in Kalilösung unter Entwicklung von
Ammoniak lösen. Hält man ein nasses, rothes Lakmuspapier
über das kleine Schälchen , worin sich die Probe befindet, so
färbt sich jenes blau ; ferner wird ein Glasstab mit Salzsäure
befeuchtet darüber gehalten, so entstehen milchweisse Nebel
(aus Salmiak) ;
3. die Steine lösen sich in kochend heissem Wasser.
Der Harn.
Dieser hat mehr oder weniger die Eigenschaften des
entzündlichen Harns, manchmal auch des typhösen, er ist
entweder alkalisch oder sauer. Die Sedimente sind oft schön
rosenroth gefärbt (durch Uroerythrin •, sedimeniumlatericium}.
602
3. Steine aus harnig' er Säure (Xanthoxyd),
1. Ohne Rückstand verbrennlich ;
2. In Salpetersäure ohne Gasentwicklung* löslich; der
Rückstand durch's Abdampfen ist gelb, gibt mit Ammoniak
kein Murexyd (Unterschied von den harnsauren Steinen), son-
dern einen rothgelben Körper ; so auch mit Kalilauge.
3. Im kohlensauren Kali unlöslich (Unterschied von den
harnsauren Steinen). Dieses kann daher als Trennungsmittel
dienen.
4. Steine aus Urostealith.
Die Steine sind frisch weich , getrocknet hart , spröde,
gelb, gelbgrün, durchscheinend, unter dem Mikroskop durch-
sichtig, amorph, wachsglänzend.
1. Beim Erhitzen blähen sie sich stark auf, rauchen und
verbreiten noch vor dem Verbrennen einen sehr starken Wohl-
geruch , ähnlich dem von Benzoe und Schellak. Angezündet
brennen sie dann mit einer starken, gelben, hellleuchtenden
Flamme , und hinterlassen eine lockere , voluminöse Kohle.
2. In heissem Wasser werden sie weich.
3. In Alcohol schwer, in Äther leichter löslich.
4. Mit Ätzkali völlig verseifbar und darin löslich unter
schwacher Gasentwicklung*.
Der Harn.
Derselbe blass , etwas trübe , neutral , enthält viel Fett,
keine Spur Harnsäure während des innerlichen Gebrauches
von kohlensaurem Natron, welches den Stein theils löste,
theils auflockerte , wo er dann gänzlich mit dem Harn ent-
fernt wurde, enthält Urostealith gelöst.
5. Steine aus Cystin.
1. Vollkommen verbrennlich, nicht schmelzbar; bren-
nen mit einem bläulichen, matten Flämmchen, dabei einen
603
sehr starken , etwas reizenden , ganz eigentümlichen Ge-
ruch verbreitend.
2. Salpetersäure löst das Cystin ; beim Verdampfen bleibt
ein dunkelbrauner, später schwarz werdender Rückstand.
9. In verdünnter Salzsäure löslich (Unterschied von Harn-
säure und Xanthoxyd).
4. In Ätzkali und kohlensaurem Kali löslich, die Lösung*
krystallisirt in körnigen Krystallen.
5. In Ammoniak löslich; beim freiwilligen oder beim
Verdampfen bei massiger Wärme krystallisirt das Cystin in
6sei(igen Tafeln heraus, wie es auf der Tafel Fig. 18 abge-
bildet ist.
Der Harn.
Dieser ist lichtgelb, zeigt keine besonderen äusseren
Eigenschaften. Er enthält Cystin in Krystallen im Sediment,
auch etwas gelöst (siehe Harn).
6. Steine aus Proteinverbindungen.
1. Verbrennlich , dabei nach gebranntem Hörn riechend,
eine voluminöse Kohle hinterlassend.
2. In Wasser, Äther und Alcohol unlöslich; löslich in
Kali, daraus durch Salzsäure fällbar.
3. In Essigsäure aufquellend , daraus durch blausaures
Eisenkali fällbar.
4. In Salpetersäure löslich.
II. Nicht oder tlieilweise verbremiliclie Steine.
a) Nicht schmelzbare.
1. Steine aus oxalsaurem Kalk.
1. Vor dem Löthrohre erhitzt , verbrennt zuerst die or-
ganische Bindesubstanz, woran die Oxalsäuren Steine immer
sehr reich sind; der Stein brennt sich immer sehr leicht weiss,
und gibt ein sehr hell leuchtendes Korn, ohne zu schmelzen $
604
der Rückstand gibt, wenn stark geglüht wurde, Ätzkalk,
welcher mit Wasser befeuchtet, stark alkalisch reagirt. Wurde
nur massig geglüht , so entsteht unter Verglimmen kohlen-
saurer Kalk, wo dann beim Übergiessen mit Salzsäure ein
Aufbrausen von entweichender Kohlensäure entsteht.
2. Die salzsaure Lösung des geglühten Steines gibt
durch Ammoniak keinen Niederschlag, aber durch oxalsaures
Ammoniak einen starken Niederschlag. (Unterschied von den
Steinen aus Erdphosphaten.)
3. Der ungeglühte Stein löst sich in Salzsäure ohne
Brausen , und wird durch Ammoniak gefällt. (Unterschied
von kohlensaurem Kalk.)
4. Der Stein löst sich nicht in kochendem Wasser (Un-
terschied von harnsaurem Kalk, Magnesia und Alkali), gibt
auch mit Salpetersäure, dann Ammoniak keinMurexyd (siehe
oben harnsaure Steine).
Der Harn.
Der Harn , in welchem oxalsaurer Kalk im Sediment er-
scheint , hat oft verschiedene Eigenschaften , selbst bei Ra-
chitis , wo die Oxalsäuren Sedimente am häufigsten vorkom-
men. Der Harn enthält oft Harnsäure und wenig Oxalsäuren
Kalk beisammen im Sediment , je mehr aber letzterer er-
scheint, desto mehr nimmt die Harnsäure ab, und verschwin-
det oft ganz. Hat die Bildung von Oxalsäure aufgehört , so
hat dann der Harn den Charakter des beiLithiasis überhaupt,
periodisch mehr oder weniger. Das Sediment aus oxalsaurem
Kalk ist Fig. 16.
2. Steine aus kohlensaurem Kalk (Kreidensteine).
i. Durch Erhitzen vor dem Löthrohr riechen sie stark
wie gebrannte Knochen, weil sie viel organische Substanz
enthalten, brennen sich stark weiss, leuchten dann stark,
und sind unschmelzbar.
605
2. Der stark geglühte Rückstand (Ätzkalk) löst sich in
Wasser, welches dann alkalisch reagirt.
3. Das native Steinpulver löst sich unter starkem Auf-
brausen in Salzsäure (Unterschied von Oxalsäuren Steinen).
Der Harn.
Dieser ist beim Erscheinen der Sedimente aus kohlen-
saurem Kalk alkalisch , die Erdphosphate fehlen grössten-
theils. Sonst ist nichts Besonderes bemerkenswerth.
3. Steine aus kohlensaurem Kalk und Thonerde.
1. Ein Stück des Steines vor dem Löthrohre allmälig
vei stärkt geglüht, wird beim Erkalten schön ultrama-
rinblau, es entsteht wirklich Ultramarin aus dem Schwe-
fel der Bindesubstanz und der Thonerde.
2. Wird das Steinpulver stark geglüht, der Ätzkalk
durch Wasser entfernt, so bleibt die Thonerde zurück, welche
in Ätzkali löslich ist, und aus dieser Lösung durch Salmiak
weiss gefällt wird.
3. Die wie bei 2. geschiedene Thonerde auf Kohle mit
Kobaltsolution befeuchtet und stark vor dem Löthrohre ge-
glüht , wird blau.
Der Harn.
Dieser enthält fortwährend ein Sediment , gemengt aus
Erdphosphaten, kohlensaurem Kalk und Thonerde, welches
Sediment ebenfalls nach dem Glühen lichtblau wurde.
6) Schmelzbare Steine.
1. Steine aus phosphorsaurer Ammoniakmag-
nesia und basisch phosphors. Kalk.
1. Beim Erhitzen vor dem Löthrohr schmilzt die Probe
zu einer emailähnlichen Masse, und zwar schmilzt sie um so
leichter, je mehr die phosphorsaure Ammoniakmagnesia vor-
waltet.
606
2. Das Steinpulver auf dem Platinlöffel oder in einer
Glasröhre erhitzt, entwickelt Ammoniak, welches wie be-
kannt, durch nasses , rothes Lakmuspapier und durch Salz-
säure erkannt wird.
3. Der gut ausgeglühte Stein mit Wasser befeuchtet
reagirt nicht alkalisch (Unterschied von den Steinen aus koh-
lensaurem und oxalsauremKalk).
4. Das Steinpulver mit kalter Ätzkalilösung digerirt ent-
wickelt viel Ammoniak.
5. In Salzsäure löst sich das Steinpulver ohne Brausen
(Unterschied von kohlensaurem Kalk).
6. Die salzsaure Lösung des geglühten Steinpulvers gibt
durch Ammoniak auch einen Niederschlag (Unterschied von
oxalsaurem Kalk).
Beimengungen finden sich häufig bei diesen Steinen und
zwar:
d) Harnsaures Ammoniak;
b) harnsaure Alkalien und Erden ;
c) kohlensaurer Kalk;
d) oxalsaurer Kalk , selten.
Der Harn.
Der Harn ist immer alkalisch, blassgelb, zeigt viel koh-
lensaures Ammoniak und Uroxanthin durch Salpetersäure. Ist
auch ein anderer Stein vorhanden, und es zeigt sich ein sol-
cher Harn mit dem Sediment aus den Erdphosphaten und viel
Schleim , und dauert diess länger schon . so kann man stets
schliessen , dass der Stein eine Rinde aus den Erdphospha-
ten besitzt.
3. Steine aus neutralem phosphorsauren Kalk.
1. Beim Erhitzen verkohlen sie leicht wegen viel bei-
gemengter organischer Substanz und riechen nach gebrann-
tem Hörn.
2. Das Probestück brennt sich weiss, und schmilzt zu
einem weissen Email.
607
3. Entwickeln durch Ätzkali kein Ammoniak (Unter-
schied vor den ersteren).
Anmerkung*. Alle diese Eigenschaften, besonders 2.
unterscheiden die Probe von Knochensubstanz, welche
basisch phosphorsaurer Kalk ist; zeigt ein feiner Abschnitt
unter dem Mikroskop zellige Structur, so ist die Concretion
Knochen; ist das Gefüge amorphisch, so ist es eine Con-
cretion, welche entstanden ist durch Ablagerung* von Kno-
chenerde.
Anhang.
Präputial - und Eichel steine, dann Vaginal -
steine.
Sie bestehen grösstentheils aus Harnsäure mit Erdphos-
phaten ; die Ausmittelung* wie oben.
Blut.
In diesem Capitel werde ich angeben , worauf es bei der
Berücksichtigung und Untersuchung des Blutes behufs einer
Diagnose vorzüglich ankömmt ; ich werde zuerst das Blut
nach seinen äusseren Eigenschaften in Beziehung auf die
verschiedenen Abweichungen vom Normale , so wie die ein-
fachere, dann die weiter ausgedehnte Untersuchung auf die
Normalhauptbestandtheile , so wie die Ausmittelung der ab-
normen Stoffe, wie sie für die Diagnose wichtig erscheint,
abhandeln.
Es ist noch nicht an der Zeit, eine genauere Semiotik des
Blutes zu veröffentlichen, wenigstens ich wage es nicht, da
ich gerade mit einer grösseren Arbeit hierüber beschäftiget
bin, und sehe wohl ein, je mehr mein Materiale heranwächst,
wie viel noch zu leisten nothwendig, bevor man eine Semio-
tik schreibt ; ich werde jedoch auf das Wichtigste aufmerk-
sam machen , obwohl ich manches Interessante zurückhalten
muss , wozu mir der Raum nicht gestattet ist.
608
I. Das Blut nach seinen Normalbes t an d theilen.
Wir müssen hier wieder wie beim Harn , die wesent-
lichen Bestandteile von den minder wesentlichen
unterscheiden.
Die wesentlichen Bestand theile sind nicht
viele , und es ist , sowohl dem Arzte als auch dem Chemi-
kerjvom Fache nicht genug zu empfehlen, zuerst die Patholo-
gie des Blutes nach den wesentlichen Bestandtheilen zu stu-
dieren, bevor man sich in Kleinlichkeiten in Details einlässt,
bevor man von der Hauptsache noch zu wenig weiss; sind
wir einmal mit dieser im Reinen, so gehen wir weiter , hal-
ten wir uns also an das Einfachere, ehe wir zu dem Zusam-
mengesetzteren schreiten , wir werden gewiss schneller zum
Ziele gelangen.
Die wesentlichen Bestandtheile des Blutes, welche vor-
züglich berücksichtigt werden müssen , sind :
1. Das Wasser;
2. das Fibrin;
3. die Blutkörperchen (Hämatoglobulin) ;
4. das Albumin ;
6. die Salze des Serums ;
6. das Fett insgesammt ;
7. die extractiven Materien.
Die wesentlichen der Salze sind wieder :
a) Das Kochsalz (Chloride) ;
6) das 3basisch phosphorsaure Natron ;
cj das schwefelsaure Kali (Sulphate) ;
dj die Erdphosphate.
Oder in noch compendiösererForm :
! Blutkörperchen ;
Fibrin.
Albumin ,
Das Serum { Salze,
Extractivstoffe.
609
Bei der Analyse berücksichtigt man :
1. Die Wassermenge und die der festen Stoffe insge-
sammt ;
2. das Fibrin ;
3. die Blutkörperchen*,
4. den Serumrückstand *,
5. die Salze des Serums.
Die minder wesentlichen Best andt heile;
solche von denen wir noch weniger in pathologischer Bezie-
hung wissen , welche daher bei Diagnosen bisher weniger
berücksichtigt wurden, wrelche auch meist in geringerer Menge
vorhanden , sind folgende:
1. Die Bestandtheile der Blutkörperchen.
a) Globulin ;
b) Humatin (der rothe Farbstoff) ;
c) Hämaphäin (der braune Farbstoff) ;
d) das Eisenoxyd (als Bestandteil des Hämatins).
2. Die extractiven Materien.
a) Wasserextract;
b) Spiritusextract ;
c) Alcoholextract.
3. Die einzelnen Fettstoffe.
a) Cholesterin (nicht verseifbar);
b) Serolin*, )
VP PK P 1 f I) M TP
cj phosphorhaltigesFettj)
rf) verseiftes Fett (Natronseife).
4. Noch einige mineralische Stoffe, kohlensaurer Kalk
mit Magnesia, Kieselerde etc.
5. Die Gase des Blutes (Sauerstoff, Stickstoff und Koh-
lensäure).
Die abnormen Stoffe , welche bisher im Blute nachge-
wiesen , sind :
1. Biliphäin;
2. gallensaures Natron (indirect) ;
3. Harnstoff;
Gaal Diagnostik. 39
610
4. Zucker;
5. kohlensaures Ammoniak;
6. harnsaures Natron;
7. Eiter;
8. Emulsionskugeln;
9. Uroxanthin;
10. noch unbestimmte Stoffe.
Wir werden hier nur vom Blute nach seinen wesentli-
chen Bestandtheilen sprechen , ihre Ausmittelung anführen ,
so wie das wesentlichste, in Beziehung auf die Vermehrung
und Verminderung der Stoffe, worauf wir dann zu den ab-
normen Bestandtheilen des Blutes schreiten werden.
Untersuchung des Blutes nach den Normal-
b estandtheilen.
Die Untersuchung kann in verschiedenen Graden der
Vollständigkeit je nach Bedarf angestellt werden; sie ist:
1. die mikroskopische Untersuchung ,
2. Berücksichtigung der äusseren Eigenschaften des
Blutes ,
3. die qualitative und annähernd, dann theilweise quan-
titative chemische Untersuchung ,
4. die quantitative Analyse des Blutes nach den Haupt-
bestandteilen.
Es ist jeder dieser Grade der Untersuchung für den Arzt
ausführbar, selbst die quantitative Analyse des Blutes nach
meiner Methode , daher ich auch diese hier kurz anführen
werde.
1. Mikroskopische Untersuchung.
Man betrachtet ein kleines Tröpfchen des frisch gelas-
senen (noch nicht geronnenen) Blutes, wenn man die Gelegen-
heit hiezu hat, unter dem Mikroskop um zu sehen, wie sich
die Blutkörperchen während des Gerinnens , das auf der Ob-
iecttafel geschieht, gruppiren.
611
In den meisten Fällen untersucht man aber das geron-
nene Blut; man benetzt einen Glasstab durch Hineinstecken
in den Kuchen , bringt ein kleines Tröpfchen so auf das
Objectglas, und verdünnt das Blut dann mit dem Serum des-
selben Blutes, um eine möglichst dünne Schichte und die
Blutkörperchen mehr vertheilt zu bekommen ; eine zweite
Probe kann man aus derMitte, eine 3. von der unteren Fläche
des Kuchens nehmen. Bei der Betrachtung des normalen Blu-
tes unter dem Mikroskop sieht man :
1. Blutkügelchen ;
2. Chyluskügelchen und Lymphkügelchen ;
3. Epithelialtheilchen;
4. Fettkügelchen (nur selten).
1. Die Blutkügelchen. Die Blutkörperchen zeigen
entweder die normalen Formen oder abnorme Formen.
Normale Blutkörperchen erscheinen als gelbe
oder rothgelbe runde Scheiben, welche eine glatte Periphe-
rie haben , sie zeigen innerhalb der Peripherie eine Eindrü-
ckung, welche an der Seite des Lichts einen Schatten macht,
und so ist ein Halbkreis sichtbar, welcher beim Rollen der
Blutscheiben die Stelle wechselt QumboJ. Die Blutkörperchen
sind nicht granulirt.
Beim Rollen zeigen sie veränderte Formen (im Profil be~
trachtet). Sind die Scheiben biconvex, so erscheinen die
Blutkörperchen elliptisch , sind sie coneav-convex, so
erscheinen sie wie Hörnchen, sind sie biconcav, so er-
scheinen sie in Geigen- oder Bisquitform.
Die normale Grösse variirt von 0,00036 bis 0,00023 P. Z.
Abnorme Blutkörperchen. Sie erscheinen ent-
weder nach der Form oder nach der Grösse verändert.
Die Grösse betreifend, sind sie entweder alle gleich ver-
ändert oder ungleich gross; so habe ich die Beobachtung ge-
macht , dass bei Cancer uteri die Blutkörperchen sowohl im
Metrorrhagischen als im Blute durch Venäsection sehr un-
39 ^
612
gleiche Grössen haben, manche sind dreimal (auch darüber)
so gross , als die normalen.
Die Form betreffend, so sieht man die maulbeerähn-
lichen geperlten Blutkörperchen am gewöhnlichsten. Sie kom-
men bei sehr verschiedenen Fällen vor, besonders wenn Gal-
lenfarbstoff im Blute ist*, sie entstehen auch im normalen
Blute, welches man unter das Mikroskop bringt, wenn ihm
etwas Schweiss beigemischt ist.
Die Blutkörperchen sind Bläschen mit einem flüssigen
Inhalt, es findet demnach Ex- und Endosmose bei ihnen statt,
je verdünnter das Serum, desto gefüllter, aufgequollener er-
scheinen sie unter dem Mikroskop (mehr biconvex , mehr der
runden Gestalt näher) , je dicker das Serum, desto mehr fal-
len sie zusammen, desto eher entstehen die gezackten,
die geperlten oder maulbeerähnlichen Blutkörperchen ; desto
eher reihen sich die Blutkörperchen, wenn sie eingefallen
doch glatt sind, in die Geldrollen ähnlichen Reihen, zwischen
diesen sind dann:
2. Die Chyluskörperchen unl Lymphküg* ei-
chen sichtbarer; diese sind farblos, mit etwas rauher Pe-
ripherie, sind granulirt, grau punctirt , und theils grösser,
theils gleich gross mit den Blutkörperchen, sie erscheinen
beim Rollen immer rund. Die Lympbkügelchen sind von Chy-
luskügelchen nicht zu unterscheiden. Werden die Blutkör-
perchen durch Wasserzusatz verschwinden gemacht, wo sie
theils bersten , theils so stark aufquellen , dass sie unsicht-
bar werden, so bleiben jene zurück (vergleiche Eiter
unten).
3. Die Fettkügelchen unterscheiden sich von je-
nen, dass sie verschieden gross sind und nicht granulirt und
mit stets scharfer Contour erscheinen.
4. Die Epithelial theilchen erscheinen als farb-
lose ungeformte membranöse Fetzen, wahrscheinlich von den
Wänden der Gefässe herrührend»
613
2. Das Blut nach seinen äusseren Eigen-
schaften.
Das Blut; welches zur Untersuchung' dient, kann ent-
weder durch einen Aderlass oder durch Schröpfen gewonnen
worden sein.
Eigenschaften des venösen und des arteriel-
len Blutes.
Das arterielle Blut ist hellroth (pathologisches selten
dunkel), es ist um 1,6° wärmer, als venöses (die Tempera-
tur des Blutes ist durchschnittlich 39° C.) , das specifische
Gewicht des arteriellen um 0,02 leichter, hat daher weniger
feste Stoffe. Das arterielle ist nach Lecanu positiv , das ve-
nöse negativ eiectrisch. Die Gerinnung des Arterienblutes
geschieht rascher und vollständiger, der Kuchen ist fester.
Ausser den Erscheinungen beim Aucrlass, betrachtet
man das frischgelassene Blut nach seiner Farbe, nach seiner
grösseren oder geringeren Flüssigkeit.
Das specifische Gewicht des frischen Blutes ist bei 15° R.
1052 — 1057. Dann betrachtet man die Gerinnbarkeit des Blu-
tes und die Eigenschaften des geronnenen Blutes , und wie-
der separirt die des Kuchens und die des Serums.
Die Gerinnung des Blutes geschieht um so schneller,
je schneller das Blut auskühlt, daher bei niedriger Tempe-
ratur der Luft immer schneller als in der Wärme sie ge-
schieht , daher auch schneller in Gefässen , welche aus gu-
ten Wärmeleitern (Metall) sind , als in denen aus schlech-
teren (Glas). Die Gerinnung hängt ferner von der stärkeren
Dichtigkeit des Blutes her, ferner von der Menge des Fi-
brins. Je reicher das Blut an Salzen, desto schwerer gerinnt
es *, daher verhindern Salzbeimengungen die Gerinnung*.
Die Ursache des Gerinnens sind: Der Faserstoff, aber
auch die Blutkörperchen zugleich; der Faserstoff erstarrt,
coagulirt beim Auskühlen des Blutes, und bildet eine gallert-
artige Masse , welche die Blutkörperchen einschliesst; die
614
Blutkörperchen sinken nach und nach , sie kommen dadurch
einander näher, zufolge der Attraction reiht sich eines an
das andere (es entstehen immer mehr und mehr die Geldrollen
ähnlichen Anreihungen) , dadurch weicht das Serum und
trennt sich, während auch das Faserstoffgelee zusammensinkt,
und sich mehr nach oben lagert , inmassen die aneinander-
gereihten Blutkörperchen sinken, so is«t der Kuchen immer
nach oben reicher an Fibrin, und um so zäher, bei viel Fibrin
entsteht dann die F i b r 1 n h a u t (crusta inflammatoriaj.
Demnach sind die wesentlichsten Bedingun-
gen zur Bildung der Fibrinhaut:
1. Langsames Gerinnen des Blutes.
2. Absolute Vermehrung des Fibrins.
3. Verminderung der Blutkörperchen gegen eine normale
Menge des Fibrins, es ist also die Benennung Entzündungs-
haut crusla phlogislica ganz falsch.
Da bei wiederholten Aderlässen sich die Blutkörperchen
vermindern, so entsteht bei den späteren um so eher eine
Cruste, ja es entsteht bei den späteren Aderlässen eine Crusta,
während früher keine entstanden, es wird also auch mit je-
dem Aderlasse die Crusta stärker werden, weil das Überwie-
gen des Fibrins gegen die Blutkörperchenmenge immer stär-
ker wird. Es ist daher vollkommen falsch, wenn man sich
durch das Erscheinen einer Crusta überhaupt zur Wiederho-
lung von Aderlässen berechtigt glaubt. Ich sah oft genug
die Crusta so gut wie bei Entzündungen auch bei Anämien .
bei Schwangeren u. a. entstehen.
Je mehr das Fibrin gegen die Blutkörperchenmenge zu-
nimmt, desto fester, desto kleiner wird der Kuchen, und er
wird in viel Serum schwimmen; je mehr Blutkörperchen,
desto grösser der Kuchen , desto weniger fest und zähe ist
er (Typhus) , desto weniger Serum trennt sich.
Eigenschaften der Fibrinhaut.
Färb e, diese ist:
1. Weisslich gelb bei gewöhnlichem Erscheinen,
615
entweder bei absoluter oder relativer Vermehrung* des Fa-
serstoffes. Dann ist die Crusta auch gleichförmig, nicht
höckrig, glatt und matt, nicht glänzend.
2. Goldgelb, mehr oder weniger, diess kömmt von
Fett; wenn dieses stark vermehrt ist, so scheidet es sich
zugleich mit dem Fibrin ab, oft in ganzen Klumpen. Die
Crusta ist dann uneben, höckerig, ganz undurchsichtig,
glänzend , es lässt sich nach Einschnitten oft Fett ausdrü-
cken (Entzündungen, besonders Peritonitis).
3. Grünlich oder gr ünl ichge lb ist oft dieCrusta
bei Gegenwart von Gallenfarbstoff im Blute.
4. Roth oder röthlich ist die Crusta, wenn viel
Hämatin im Serum gelöst ist, sie wird häufig übersehen,
weil sie die Farbe des Kuchens hat. Um sie zu erkennen,
legt man den Kuchen umgekehrt heraus , so dass die Crusta
unten liegt , und schabt mit einem Messer so lange vom Ku-
chen ab, bis man auf die Crusta kommt, welche dem Schaben
des Messers widersteht , und lederartig zähe zurückbleibt.
Ein solcher Kuchen widersteht auch , wenn man ihn mit dem
Finger durchstechen will.
Die Oberfläche des Kuchens ist oft concav , die Crusta
an den Rändern aufgestülpt, deren obere Durchmesser ver-
ringert, je mehr das Fibrin die Blutkörperchen überwiegt,
und die Contraction rasch geschieht.
Das Serum ist im normalen Blute matt gelblich, oft
etwas grünlichgelb, von fadem , salzigen Geschmack , je fe-
ster der Kuchen wird , desto klarer ist es , hat ein specifi-
sches Gewicht 1027—1028 , auch manchmal etwas darüber,
reagirt immer alkalisch (vom 3basisch phosphors. Natron).
Goldgelb oder grünlich erscheint das Serum, wenn es Bili-
phäin enthält.
Citrongelb von Uroxanthin (erst einmal von mir beob-
achtet) , roth, wenn es Hämatin gelöst enthält, braun,
wenn es Hämatin und Biliphäin zugleich enthält.
616
Milchig trübe, wenn es Fett, milchweis s/ wenn
es Emulsionskugeln enthält.
Je länger das coagulirte Blut steht, desto mehr zieht
sich der Kuchen zusammen, desto grösser wird die Serum-
menge, genaue Bestimmungen nach Gewichtszahlen zwischen
Cruor und Serum taugen daher nichts.
3. Qualitative und annähernd, dann theilweise
quantitative chemische Untersuchung.
In einer solchen Beziehung werden nur die wesentlich-
sten Bestandtheile des Blutes berücksichtiget. (Von den ab-
normen Stoffen wird, wie schon oben bemerkt, später die
Sprache sein.) Fibrin und Blutkörperchen, Albu-
min und die Salze sind die wesentlichsten Stoffe, die man
bei obgenannter Untersuchung berücksichtiget, mit Anschluss
der Prüfungen auf irgend einem abnormen Bestandteil, den
man in einem gewissen Blute vermuthet.
i. Fibrin.
Lässt man das Blut gerinnen, so befindet sich das Fi-
brin nur im Kuchen; wäscht man den Kuchen in einem Lein-
wandlappen aus, so bleibt das Fibrin als eine maltweisse,
fasrige , zähe Masse zurück.
Wird frisch gelassenes Blut mit einer Ruthe geschla-
gen, bis es auskühlt, so hängt sich das Fibrin an die Ruthe
an , und kann dann weiter ausgewaschen werden.
Lässt man das frische Blut gefrieren, so bleibt es so
lange unverändert, nachdem Auft hauen lässt sich aber das
Fibrin wie früher gewinnen.
Die quantitative Bestimmung des Fibrins ist für den
Arzt von der grössten Wichtigkeit. Ich werde hier eine Me-
thode angeben , welche von Jedem leicht ausgeführt werden
kann , ich habe dieselbe bereits vor 4 Jahren , ehe noch ir-
gend eine Erwähnung davon geschah, meinen Zuhörern be-
kannt gemacht.
617
Will man also in einem Blute nur die Fibrinmenge wis-
sen , so nimmt man die ganze Blutmenge , die sich in einer
Schale befindet, am besten 2 Unzen; man kann aber auch
mit '/, Unze die Bestimmung recht gut machen , und daher
kann eine kleine Menge Blutes, welche durch Schröpfen ge-
wonnen wurde, wenn sie zu einer weiteren Untersuchung zu
wenig ist, wenigstens zur Fibrinbestimmung benützt werden.
Das Blut wird, wie es ist, mit dem Cruor und Serum
in einem zuvor tarirten Gefässe gewogen ; ist die Blutmenge
zu gross , so kann man zuerst das Serum und dann den Cruor
wiegen , oder auch noch diese abtheilen , dann wird die
ganze Blutmenge auf einen Leinwandlappen von nicht zu
feiner Leinwand gebracht, darein eingeschlagen und einge-
dreht oder mit einem Bindfaden eingebunden , dann wird der
Kuchen in Wasser so lange ausgeknetet (ohne, besonders
anfangs, zu viel Kraft anzuwenden), bis sich eine frische
Portion Wasser nicht mehr färbt*, man drückt das Wasser
gut aus, dann erst macht man die Leinwand auf, sammelt
das Fibrin mit der Pincette , und die kleinsten Theilchen
durch ein drehendes Streichen mit dem Finger auf der Lein-
wand ; nun bringt man das Fibrin auf ein kleines Schälchen,
entfernt das Fett durch Äther daraus, trocknet es gut im ko-
chenden Wasserbade, wiegt es, und berechnet auf 1000
Theile Blut. Ist das Fibrin doch um etwas mehr vermehrt,
so kann man schon schliessen , dass die Blutkörperchen ver-
mindert sind, und umgekehrt, denn beide stehen in Wech-
selwirkung.
Das Wasser.
Man kann aber dasselbe Blut sowohl zur Fibrinbestimmung
und zur Wasseibestimmung brauchen, um auch die relative
Menge des Fibrins zu bestimmen. Dann muss dasFibrinmit dem
durchgelaufenen Blute nicht im Wasser ausgewaschen, son-
dern so lange geknetet werden, bis kein Cruormehrin der Lein-
wand ist, dann wascht man das Fibrin weiter im Wasser aus.
618
Von demfibrinfreien, gut durchgerührten Blute dampft man eine
gewogene kleine Menge, etwa ö Grammen oder bei2 Drach-
men ab , und wiegt den Rückstand, berechnet auf 1000, und
addirt das Fibrin dazu , um die gesammten festen Stoffe und
den Massengehalt des Blutes zu erfahren; auf diese Weise
wird man auf die relative Vermehrung oder Verminderung" des
Fibrins und wenigstens die annähernde der Blutkörperchen,
da diese im Gegensatze zum Fibrin stehen, erfahren können.
Man kann auch eine Portion dieses vom Fibrin befreiten
Blutes zur Bestimmung der feuerfesten Salze nehmen (siehe
unten).
3. Albumin.
Das Albumin wird durch Versetzen des Blutserums mit
Salpetersäure erkannt , wo es im normalen Blute als starkes,
weisses Coagulum fällt, oder durch Erhitzen, wo das Serum
ganz erstarrt. Die Gerinnung* erfolgt bei 75° C. , je mehr
Salze in einem Blute, desto unvollständiger, schwieriger ge-
rinnt es.
Prüft man das Blutserum mit dem Urometer auf sein
specifisches Gewicht, so kann man schon auf die Albumin -
menge schliessen , wenn eine bedeutendere Verringerung
desselben Statt findet ; das normale spec. Gewicht des Blut-
serums ist 1027 — 1028, es steigt im abnormen Serum bis
über 1030 , und fällt bis selbst unter 1020.
Aus dem Serum kann man es quantitativ bestimmen, wenn
eine gewogene Menge davon coagulirt wird , dann wird das
Coagulum zerstiert, zuerst mit Wasser, dann mit Alcohol,
Spiritus und zuletzt mit Äther wiederholt kurz ausgekocht, ge-
trocknet, gewogen und weiter berechnet (siehe quantitative
Analyse). Die normale Menge im Blute beträgt bei Män-
nern 68 , bei Weibern 69.
4. Blutkörperchen.
Eine annähernde Bestimmung der Blutkörperchen ergibt
sich schon aus einer Verminderung und Vermehrung des Fi-
619
brins , jedoch können auch bei normaler Menge des Fibrins
die Blutkörperchen vermehrt oder vermindert sein. Eine genaue
Bestimmung liefert nur die quantitative Analyse des Blutes,
eine annähernde kann man jedoch auch durch vorsichtiges
Pressen des mit Papier abgetrockneten Cruors, dessen Menge
bestimmt ist , erhalten, wenn man vom getrockneten Rück-
stand, das in einem anderen Versuche gefundene Fibrin da-
von abzieht.
Die Menge der Blutkörperchen beim Weibe ist 127, et-
was mehr bei Männern, wo ich jedoch die Zahl für diessmal
nicht genau feststellen will.
5. Die feuerfesten Salze.
Diese erhält man aus dem Blutserum, indem eine ge-
wisse Menge desselben abgedampft, und der Rückstand ver-
brannt wird; der Rückstand wird sammt der Schale austarirt,
die Salze werden dann mit durch Salpetersäure angesäuer-
tem Wasser aufgelöst, die Schale wird wieder auf die Wage
gebracht, und durch Gewichte ins Gleichgewicht mit der Tara
gebracht. Durch Berechnung erfährt man den ganzen Salz-
gehalt. Mit der wie oben angegebenen Lösung kann man die-
selben Reactionen machen , wie beim Harn angegeben ist, es
sind wieder die vier: 3basisch phosphorsaures Natron, Koch-
salz, die Erdphosphate und das schwefelsaure Kali die we-
sentlichsten.
Will man das Eisen der Blutkörperchen mit bestimmen,
so nehme man das vom Fibrin durch Auswaschen befreite Blut,
dampfe einen Theil ab , und verbrenne. (Siehe oben.)
Die Menge der Serumsalzeistim normalen Blute bei 6,5,
die des Eisenoxydes im Blute 0,6 — 0,7.
4. Quantitative Analyse des Blutes, nach den
Hauptbestandtheilen.
In den meisten Fällen beabsichtigt man entweder die Un-
tersuchung des Blutes, nachdem es bereits im gerönne-
620
nen Zustande beobachtet wurde, oder man hat, und zwar
in den meisten Fällen keine Gelegenheit das Blut anders als
im geronnenen Zustande zur Untersuchung* zu erhalten.
Diese Umstände, so wie der, dass man bei der anzu-
gebenden Methode auch behufs der Diagnose Versuehsvenä-
sectionen anstellen kann, da man mit l'/2 — 2 Unzen Blut
schon ausreichen kann, machen die Analyse des Blutes für
die Praxis brauchbarer, um so mehr, da die Methode ein-
fach ist, und nur sehr wenig Zeit in Anspruch nimmt.
Ich kann mich hier auf die näheren Details nicht ein-
lassen , da es der Raum nicht zulä'sst.
Man lässt in einer Schale 2 Unzen Blut völlig gerinnen,
und sich Cruor und Serum scheiden.
Nun berücksichtigt man die äusseren Eigenschaften des
Serums und Kuchens, so wie die mikroskopische Untersuchung'.
I. Man bestimmt die gesammte Blutmenge.
Diess geschieht in Abtheilungen, indem man zuerst das ganz
klare Serum abgiesst und wiegt, und es auf die Seite stellt,
dann giesst man das wreniger klare Serum ab, und wiegt es,
endlich trocknet man den Kuchen an der Oberfläche mit Fliess-
papier ab , und wiegt diesen. Die Summe der 3 Wägungen
gibt die Blut menge. Wir wollen ein Beispiel nehmen (ein
Blut von Morb. Brighlii).
Die Blutmenge ist 59,0 Grammes.
II. In dieser wog der Cruor 28,44, daher in
1000 Theilen Blut :
Cruor 482,0
Serum 518,0
denn 59:28,44 = 1000: x = 482,0.
Ilf. Von dem Cruor nimmt man sogleich zur Wasser-
bestimmung desselben ein Stück, welches man durch
einen senkrechten Schnitt gewinnt, e(\va 8 Grammes; wir
nahmen in unserem Beispiele 5,72 Gr., und trocknen ihn im
Wasserbade-, ist er schon ziemlich fest , so zerbröckelt oder
zerstiert man ihn, und trocknet zuletzt im Kochsalzbade oder
621
auch unter der Glocke mit Schwefelsäure. Dieser gab Rück-
stand 1,83, den man nun auf die Menge des Cruors , die in
1000 Blut enthalten ist, berechnet also:
5,72:1,83 = 482,0 :x = 154,2;
daher sind in 482,0 Cruor :
Wasser , . . . 327,8
Feste Stoffe 154,2
IV. Der ganze Rest des Kuchens wird auf die Leinwand
gebracht, und das Fibrin durch Auswaschen gewonnen (wie
bereits angegeben wurde) ; auch kann man nur ein Stück ab-
schneiden , man muss doch 20 — 25 Gr. nehmen; in unserem
Beispiele wurden 20 Gr. genommen, diese gaben Fibrin 0,46,
diese auf 482,0 Cruor (Menge in 1000 Blut) berechnet geben:
Fibrin = 3,52; denn
20:0,146 = 482,0 :x — 3,52.
V. Nun schreitet man zum Serum. Die oben erhaltene
klare Portion wird genommen; man bestimmt dessen specifi-
sches Gewicht; hier .-= 1022.
Eine kleine Portion giesst man in ein Becherglas, und
setzt concentrirte Salpetersäure zu , um zu sehen , ob Gal-
lenfarbstoff zugegen ist oder nicht; hier war keiner zugegen.
Eine Portion wiegt man ab , wenigstens doch 15 Grammen,
wie wir es hier auch nahmen, und dampft im Wasserbade ab,
und trocknet es im Kochsalzbade oder wie den Kuchen (siehe
oben) und wiegt den Rückstand; hier wog er 1,17; man
bringt ihn in Rechnung mit der Serummenge in 1000 Blut
hier = 518,0, also:
15:1,17 = 518,0 :x = 40,41;
daher sind in 5!8,0 Serum:
Wasser 477,59
Feste Stoffe 40,41
VII. Nun ergibt sich der Wassergehalt und die festen
Stoffe des Blutes in 1000, wenn man die Wassermenge und
die der festen Stoffe des Cruors und Serums addirt.
622
154,2 + 40,41 = 194,81;
daher sind in 1000 Theilen Blut:
Wasser 805,39
Feste Stoffe 194,61
VII. Nun folgt die Bestimmung der ganzen Serum-
stoffe für 1000 Theile Blut.
Es müssen nun zu den festen Stoffen des Serums, die
wir in dem (abgiessbaren) Serum des Blutes fanden, 40,41
(siehe V) die Serumstoffe des Cruorrückstandes addirt wer-
den, denn die 194,61 (VI) festen Stoffe des Cruors enthal-
ten auch Serumstoffe , weil der Kuchen durch eben solches
Serum erweicht davon durchdrungen ist, wie das ist, wel-
ches abgegossen wurde ; die Serumstoffe des Cruorrückstan-
des findet man , wenn man das Wasser des Cruors (in III
327,8) als Serum berechnet , also :
477,59:40,41 = 327,8 :x = 27,736 = Serumstoffe im
Cruorrückstand , addirt man diese zu den früher gefundenen
Serumstoffen (40,41), so erhält man die Menge Serum-
stoffe für 1000 Theile Blut = 68,15.
VIII. Die Menge der Blutkörperchen findet man nun,
wenn man von dem ganzen Cruorrückstand (in III 154,2) die
darin gefundenen Serumstoffe (27,736) und auch die in IV
gefundene Fibrinmenge (3,52) abzieht, also 154,2 — 27,736
= 126,464 — 3,52 = 122,94 Blutkörperchen.
IX. Will man nun die feuerfesten Salze des Se-
rums bestimmen , so kann man den Rückstand von dem Se-
rum hiezu benützen, welchen man bei der Bestimmung des
Wassergehaltes des Serums erhalten hat (in V 1,17). Die-
ser wird durch Betropfen und Erwärmen mit verdünnter Sal-
petersäure vorsichtig aus der Schale in eine Platinschale ge-
bracht und verbrannt , die Salze werden gewogen und für
die Serumstoffe von 1000 Theilen Blut berechnet. In unserem
Beispiele erhielten wir: 0,115 feuerfeste Salze aus den 1,17
Grammen Serumrückstand, daher:
623
1,17:0,115 = 68,15 :x = 6,7, also sind in 1000 Theilen
Blut feuerfeste Salze des Serums = 6,7.
X. Zieht man die Salze von dem Serumrückstand ab, so
erhält man als Rest Albumin und die unbedeutende Menge
extractive Materien beisammen, also 61,45.
Es ist meist unnöthig, das Albumin isolirt zu bestimmen,
da clie extraetiven Materien nur eine sehr geringe Menge be-
tragen , und im pathologischen Zustande keine wesentlichen
Schwankungen in der Menge zeigen.
Würde man jedoch das Albumin (nach der bereits früher
angegebenen Methode) bestimmen wollen , so müsste man
eine eigene Menge Serum hiezu verwenden. Es würden sich
dann die extraetiven Materien als Rest ergeben.
Es ist somit die Zusammensetzung des Blutes in unse-
rem Beispiele von Morb. Brightü in 1000 Theilen :
Cruor 482,0
Serum 518,0
(speeifisches Gewicht des Serums 1022. Enthält keinen Gal-
lenfarbstoff, enthält viel Harnstoff.)
Normale :
Wasser 805,39 790
Feste Stoffe 194,61 210
Fibrin 3,52 3
Blutkörperchen 122,94 127
Serumstoffe 68,15 80
Diese bestehen aus :
Albumin und Extractivstoffen (auch
Harnstoff) 61,45 73,5
mineralischen Salzen 6,70 6,5
XI. Ist nun die Dichtigkeit des Blutes , also der festen
Stoffe bedeutend vom Normale abweichend, so muss auch die
relativeMenge der einzelnen Blutbestandttheile beachtet
werden ; indem man jeden einzelnen auf 100 Theile des fe-
624
sten Blutrückstandes berechnet, 100 Theile feste Stoffe ge-
ben als Normale der 3 Hauptbestandteile :
Fibrin 1,43
Blutkörperchen .... 60
Serumstoffe 38
Abnorme Bestandteile des Blutes.
1. Biliphäin (Gallenfarbstoff).
Das Biliphäin kömmt oft im Blute vor, in grösster Menge
bei Icterus, bei Leberleiden oder überhaupt gestörter Le-
berfunction , so bei der biliösen Pneumonie ; bei Eclamp-
sien ist oft eine ziemlich grosse oft aurfallende Menge Bili-
phäin im Blute.
Das biliphäinhältige Blut ist immer, je mehr es jenes
enthält, desto dunkler, es scheint der Farbstoff des Blutes
eine theilweiseeigenthümliche Veränderung zu erleiden, wel-
ches Pigment auch zur Hautfärbuug beizutragen scheint,
unter dem Mikroskop zeigt das biliphäinhältige Blut meist ge-
perlte oder an der Peripherie gezackte Blutkörperchen. Das
Blutserum ist goldgelb oder stark braungelb, oft braun, wenn
zugleich Hämatin gelöst ist, welches durchs Biliphäin, wie
oben erwähnt , verändert wird.
Man entdeckt das Bili p häin sehr leicht , auch
die geringsten Mengen , wenn man plötzlich das ganze Al-
bumin aus einer Probe des Blutserums fällt; die Albumin-
klumpen erscheinen in einigen Augenblicken blau oder blau-
grün, und um so stärker, je mehr Biliphäin zugegen. Nur
bei sehr grossen Mengen Biliphäin (Icterus) kann man auch
die anderen Farbenveränderungen in Dunkelblau, Violett und
Roth mehr oder weniger wahrnehmen.
2. Galle ( gallensaures Natron).
Ich habe bereits in meinem Archiv bei der Untersuchung
der Hydrocele-Flüssigkeit darauf hingewiesen, dass diese so
wie andere exsudative seröse Flüssigkeiten manchmal gal-
625
lensaures Natron neben Biliphäin enthalten, es rauss dieses
also durchs Blut gegangen sein.
Direct habe ich , obwohl mit Wahrscheinlichkeit, aber
doch noch nicht voller Gewissheit, bei Icterus das gallensaure
Natron im Blute gefunden. Die Probe nach Pettenkofer
hat nie etwas angezeigt, aber selbst bei absichtlicher gerin-
ger Beimischung gab sie eiu zweifelhaftes oder auch gar
kein Resultat. Der Flüssigkeit wird etwas Schwefelsäure zu-
gesetzt und hierauf eine kleine Menge Zucker, worauf eine
violette Färbung entstehen soll. Manchmal sah ich die Probe
genügend, aber immer ist es am besten, durch Alkohol erst
das gallensaure Natron auszuziehen.
3. Zucker.
Den Zucker fand man bisher nur im Blute bei Mellitu-
ria (diabetes mellitus). Simon hat ihn auch im Kalbsblute
gefunden; auch nach Fütterung mit Zucker wurde er im
Blute gefunden. Ich habe durch Versuche gefunden, dass bei
noch säugenden jungen Thieren der Zucker im Blute enthal-
ten ist, welcher sich wie Harnzucker verhielt, aber vom Zu-
ckergehalt der Milch offenbar herrührt. Mit Blut von säugen-
den Kindern konnte ich noch keine Versuche anstellen.
Durch meine Zuckerprobe kann man die
geringsten Mengen Zucker im Blute entde-
cken, und zwar entweder schon unmittelbar durch Kochen
des Serums mit Ätzkali, wobei eine dunklere lebhafte Färbung,
dann Versetzen mit Salpetersäure, wo man den Syrupgeruch
wahrnimmt ; oder indem das Serum durch Erwärmen coagu-
lirf, dann mit nicht zu starkem Alcohol (0,830) in der Wärme
ausgezogen wird , nach dem Verdampfen des Alcohols bis
auf einen kleinen Rückstand wird dieser der Zuckerprobe
unterworfen; dann bekömmt man immer ein entscheiden-
des Resultat.
4. Harnstoff.
Der Harnstoff findet sich immer im Blute , wenn eine
Unterdrückung der Harnsecretion oder starke Harnverhaltung
Gaal Diagnostik. 40
0*6
eintritt ; so habe ich ihn in grösster Menge im Cholerablute
gefunden, dann bei Morbus Brightii, auch bei Ischurien.
Der Harnstoff wird entdeckt, indem man ihn aus dem durch
Hitze coagulirten Serum mittelst kochenden absoluten AIco-
hol auszieht, den Alcohol verdampft, den Rückstand in einem
Tropfen Wasser löst , etwas Lösung dann auf ein Ob-
jectglas bringt, und hier mit concentrirter Salpetersäure ver-
setzt; es entstehen Krystalle von salpetersaurem HarnstofF,
den man unter dem Mikroskop erkennt.
Bei mehr HarnstofF kann man gleich im Schälchen con-
centrirte Salpetersäure zusetzen, wo der salpetersaure Harn
oft sogleich eine erstarrte, perlmutterglänzende Masse oder
Krystallschuppen gibt , deren Glanz man am besten sieht ,
wenn man die Masse zwischen Filterpapier quetscht.
5. Eiter.
Der Eiter kömmt im Blute verschiedener Fälle vor, wenn
er resorbirt wird, bei Gegenwart irgend einer örtlichen Eite-
rung ; ob er im Blute selbst entstehen kann , wollen wir hier
nicht besprechen.
Ich habe vor Kurzem mit Sicherheit nachgewiesen, dass
die Eiterzelle als solche im Blute circulire. Eiter ist daher
immer mit voller Gewissheit durch das Mikroskop zu erken-
nen; es kömmt jedoch hier nur darauf an, den Eiter oder
eigentlich die Eiterzellen aus einer gewissen grösseren Menge
Blutes zu sammeln. Diess geschieht , indem man das Blut ,
besonders die oberen Schichten des Kuchens, in so viel
Wasser nach und nach löst , bis kaum mehr Blutkörperchen
sich absetzen, lässt es in einem hohen engen Cylinderglase ste-
hen und gut absetzen, dann giesst man das Klare ab, nimmt
das Sediment, und mischt es in ein dünnes Probirgläschen mit
destillirtem Wasser, lässt wieder absetzen, und giesst das
Wasser ab ; in diesem feinen Sedimente muss der Eiter unter
dem Mikroskop mit deutlichen Kernen, besonders nach Be-
handlung mit Essigsäure, zu sehen sein. Man kann auf
627
diese Weise aus einem ganzen Kuchen von ein paar Unzen Blut
die Eiterzellen nach und nach sammeln.
Das eiterhältige Blut , welches man durch Venäsection
erhält , hat entweder wenig* oder auch gar kein Fibrin , es
findet diessfalls die Fibrinausscheidung im Körper schon statt.
Dann schwimmt der Eiter auf dem Blutkörperchensedimente
als weisse Schichte. (Mein Archiv 1846 Heft 3.)
6. Emulsionskugeln.
Das Blut bei Entzündungen , besonders bei Peritonitis,
hat manchmal ungeheuer grosse Mengen von Fett , und er-
scheint dann milchig oder milchweiss. Unter dem Mikroskop
sieht man lauter verschieden grosse Kügelchen , wie in
der Milch; prüft man sie unter dem Mikroskop auf Fett, so
wird man diesem nicht ganz entsprechende Resultate finden.
Ich halte diese Kügelchen für Fettkügelchen, welche mit
einer Hülle von Albumin umgeben sind ; daher sind die Rea-
gentien ohne Einwirkung auf das Fett, daher vereinigen sich
die Fetttröpfchen nicht zu grösseren. Ich bin der Meinung,
dass durch Fettsäuregehalt der Kügelchen eine kleine Hülle
Albumin auf die Peripherie gefällt wird, und dass diess ebenso
bei der Milch geschieht, oder es können schon die Fetttröpf-
chen an der Oberfläche zuerst sauer werden, und so die Al-
buminpräcipitation (Hüllenbildung) veranlassen.
7. Kohlensaures Ammoniak.
Dieses kömmt vor im Blute beim Typhus, je mehr dieser
putrid geworden , auch bei Scorbut und in verschiedenem
hämorrhagischem Blute. Es ist stets Product der Fäulniss leb-
los gewordener organischer Theile.
Das Blut hat immer eine dunkle etwas ins Violette ge-
hende Farbe ; ist stark dissolut und zeigt sehr schwache Ge-
rinnbarkeit.
Das kohlensaure Ammoniak wird erkannt, wenn das
Blut im Ammoniakapparate (siehe Apparate und Harn) er-
40 #
628
hitzt wird, es muss jedoch möglichst frisch genommen wer-
den, sonst könnte sich das Ammoniak während des Stehens
gebildet haben.
Die Stoffe, die ich hier noch anführe, sind noch nicht
mit voller Evidenz nachgewiesen oder genauer bestimmt:
8. Das Uroxanthin; ich habe im Blute bei Cholera
dessen deutliche Eigenschaften gesehen und glaube, dass es
dieser Stoff war.
9. Das harnsaure Natron. Die Nodi und Tophi
bei Gichtkranken enthalten harnsaures Natron • dieser Um-
stand, so wie dass ich auch im Schweisse Gichtkranker Harn-
säure gefunden, ferner die Versuche Ure's (mein Archiv
1845 1 und 2 p. 118) machen es wahrscheinlich , dass die-
ses im Blute vorkomme.
10. Wären noch einige abnorme Körper zu erwähnen.
a) Im Blute bei Cancer uteri, sowohl in dem durch
Venäsection gelassenen als dem Metrorrhagischen finde ich
stets einen krystallinischcn goldglänzenden Körper, wel-
cher den Kuchen wie ein schön glänzender Goldstaub be-
deckt.
6) Im Blute mancher Puerperalkranken bildet sich eine
feine abziehbare Membran auf der Faserstoffhaut.
c) Ebenfalls im Puerperalblute, entzündlichem Blute
fand ich einmal in sehr geringer Menge einen ganz eigen-
thümlichen rosenrothen Farbstoff, der sich ähnlich dem Uro-
erythrin verhielt.
Es war anfangs meine Absicht, hier noch einige patho-
logische Zustände des Blutes anzuführen , es gestattet es
jedoch der Raum nicht mehr; ich glaube indess auf das We-
sentlichste , worauf man bei der Untersuchung* des Blutes
zu achten hat , aufmerksam gemacht zu haben.
Hydropisciie icncl ses*©se FAiiss*gIie£ieii.
Ich werde in diesen , so wie in den folgenden Capiteln
nur auf das Wesentlichste , inwiefern bei der Untersuchung
darauf Rücksicht genommen werden muss, mich beschränken.
629
Die hydropischen Flüssigkeiten haben alle miteinander
eine grosse Ähnlichkeit und haben gewisse Bestandteile
miteinander gemein. Für manche Fälle haben wir bereits Be-
sonderes aufgefunden. Sie sind entweder bluthältig (hämor-
ihagische) oder nicht (serös) , in letzterem Falle ist ihre
Farbe gewöhnlich mehr oder weniger gelblich, oder stark-
gelb (von Biliphäin), auch wässrigfrübe , milchig (Morbus
BrighliQ von Natronseife ; ferner bei einem Blutgehalte hell-
roth (durch exosmotisches Blut) oder Blutkörperchen sedi-
mentirend (von ausgeflossenem Blute).
Sedimente findet man manchmal, aus Elementarkör-
perchen, Epithelien, Erdphosphaten, Körnchcnzellen (Ent-
zündungskugeln), Eiter, Cholesterin, Fibrinflocken und
Blutkörperchen; die Reaction ist immer alkalisch; das
speci fische Gewicht ist schwankend und hängt mei-
stens von der Albuminmenge oder vom beigemischten Blute ab.
Die Bestandtheile können wir in zwei Hauptabtheilungen
bringen :
1. Solche, welche immer vorhanden sind, also con-
stante Bestandtheile;
2. nicht constante, welche nur in gewissen Fällen
vorkommen.
Die constanten Bestandtheile sind :
1. Albumin. Dieses ist immer vorhanden, die Menge
sehr verschieden ; bei Morbus Brightii , wo es immer durch
den Harn ausgeschieden wird, immer sehr gering. — In an-
deren Hydropsien , in grösserer oft sehr grosser Menge, be-
sonders bei Ascites; in der Hydroceleflüssigkeit; in pleuriti-
schen und anderen Exsudaten.
2. Fett. Dieses ist oft in sehr grosser Menge vornan*-
den , z. B. bei Ascites , dann erzeugt es Emulsionskugeln ,
wenn zugleich viel Albumin vorhanden ist.
3. Verseiftes Fett (Natronseife) ist ebenfalls oft
630
in grosser Menge zugegen, es ist dann Ursache des milchi-
gen Aussehens der Flüssigkeit, wenn man keine Emulsions-
kügelchen unter dem Mikroskope entdeokt hat. Die Seife lässt
sich durch Alcohol aus dem Rückstand ausziehen, man sieht
in dem Rückstand der alcoholischen Lösung keine Fettkü-
gelchen, gibt man aber Salpetersäure zu, so entstehen sehr
viele grosse flüssige Fetttropfen und Krystalle aus salpeter-
saurem Natron.
4. Die mineralischen Salze des Blutes, Kochsalz, 3bas.
phosphorsaures Natron, schwefelsaures Kali und die Erd-
phosphate. Besonders bemerkenswerth ist , wie ich nachge-
wiesen (mein Archiv 1845 H. 1 und 2) , dass besonders bei
Morb. Brightii in der hydropischen Flüssigkeit die Menge
dieser Salze ausserordentlich gross ist , sie steht im Gegen-
satze zu der im Harn, wo stets so geringe Mengen gefunden
werden. Stets ist das Kochsalz besonders vorherrschend, bei
Ascites oft in enorm grosser Menge.
5. Die extractiven Materien betragen eine geringe Menge.
Die nicht constanten Stoffe sind:
1. Fibrin, ohne dass Blut zugegen ist; es erscheint
entweder bloss in geringer Menge , bildet weisse Flocken
und Faden im Sedimente , oder es bildet ein grosses Coagu-
lum oder auch mehrere Klumpen in einem Gefässe , in wel-
chem die Flüssigkeit aufgefangen wurde. Manchmal sieht
man die Flüssigkeit ganz gestehen , gelatiniren, so dass sie
aufhört liquid zu sein; auch hier ist ein grosser Fibringehalt
die Ursache ; und es ist eine solche Flüssigkeit als ein wahrer
liquor sanguinis zu betrachten. Die Trennung des Fibrins
geschieht ebenso wie beim Blute durch die Leinwand.
2. Blut und zwar entweder bloss exosmotisches d. i.
durch Hämatin rothgefärbter liquor sanguinis , oder wirklich
geflossenes Blut (hämorrhagische Exsudate).
3. Harnstoff. Dieser findet sich bei Morbus Brighlii,
sowie im Blute, und wird ebenso bestimmt.
631
4. Cholesterin. Man findet oft grosse Mengen davon,
besonders in der Hydroceleflüssigkeit , wo man es schon mit
dem freien Auge sieht , als schimmernde Blättchen schwim-
men und entweder ein Sediment bilden oder schwimmend auf
der Flüssigkeit, wenn viel Albumin zugegen. Es erscheint
unter dem Mikroskop wie Fig. 23.
5. Biliphäin findet sich oft in grosser Menge und
zwar besonders in der Ascitesflüssigkeit, Hydrocele, u. a. Ist
Biliphäin und Blut zugleich hier , so entsteht oft eine sehr
dunkelbraune Farbe der Flüssigkeit (bei hämorrhagischen Ex-
sudaten der Brusthöhle, Hydrocele seltener u. a.). DieAus-
mittlung geschieht durch Salpetersäure wie im Blutserum ,
wo das Albumincoagulum blau und blaugrün wird.
6. Gallensaures Natron; Galle, habe ich in der
Hydroceleflüssigkeit und in hämorrhagischen Exsudaten ge-
funden ; es wird wie aus dem Blute ausgeschieden (siehe dort).
7. Eiter. Dieser findet sich immer als Sediment, wenn
er zugegen ist , welches man unter dem Mikroskop besich-
tiget.
Ist Eiter zugleich mit Blutkörperchen im Sediment, so
schütte man die Flüssigkeit vom Sedimente ab, löse die Blut-
körperchen in Wasser und lasse in einem schmalen hohen
Cylinderglase wieder absetzen , giesse ab und untersuche
dieses Sediment nun auf Eiter unter dem Mikroskop.
8. S ch wefelwasserstoff und Phosphorwas-
serstoff, welche Producte der Zersetzung des Albumins
(welches Schwefel und Phosphor enthält) sind , sie verbrei-
ten einen fauligen Geruch, und entstehen um so früher, je
verdünnter die Albuminlösung ist , also je weniger Albumin
in einer solchen Flüssigkeit ist, daher bei Morb. Brightii
die hydropische Flüssigkeit meistens stinkt, auch der Schweiss
des Kranken.
Man erkennt diese Gase , wenn die Flüssigkeit im Am-
moniakapparat erhitzt wird, man bringt aber in die Röhre
mit essigsaurem Blei getränktes Papier, welches bei Gegen-
632
wart von Hydrothionsäure braun wird, und ist diese da, so
ist auch das andere Gas vorhanden.
Im Übrigen untersucht man alle diese Flüssigkeiten ,
wenn sie beim Erhitzen nicht ganz coagulircn , wie den al-
buminösenHarn, ist aber letzteres der Fall, also so wie Blut-
serum (siehe oben).
Schweifs.
Um den Schweiss zu untersuchen , sammelt man ihn
entweder unmittelbar durch den unter den Apparaten ange-
gebenen grösseren Platinlöffel , indem man so die Tropfen
auffängt und in einem Gefässe sammelt; so kann man im
Dampfbade viel Schweiss , wenn gleich durch Wasser ver-
dünnt sammeln.
In den meisten Fällen verfährt man aber anders , man
bedient sich eines reinen Leinwandlappens oder des weissen
Filtrirpapiers, womit man durch Abwischen des Körpers den
Schweiss sammelt, entweder kann man so viel bekommen,
dass man die Leinwand und das Papier ausdrücken kann, oder
man wäscht mit destillirtem Wasser den Schweiss aus dem
Papier oder der Leinwand aus , um ihn qualitativ zu unter-
suchen. Manchmal handelt es sich nur um gewisse Stoffe,
von deren Gegenwart man sich gerne überzeugen möchte,
der Patient schwitzt aber sehr wenig, so dass man geradezu
keinen Schweiss sammeln kann, dann wende man nasse
Leinwand an , mit der man die Haut abwäscht, denn die fe-
sten Stoffe des Schweisses bleiben auf der Haut zurück. So
habe ich bei der Melliturie im Schweisse den Zucker nach-
gewiesen.
Bei der Untersuchung' des Schweisses handelt es sich
hauptsächlich darum , gewisse abnorme Stoffe aufzufinden.
Der normale S ch weis s hat folgende Charaktere:
Reaction sauer , wird schnell alkalisch , das specifische
Gewicht ist 1004 — 1006.
633
Im Sediment findet man : Epidermisschuppen und Erd-
phosphate.
Die wesentlichen Bestandteile des Schweisses sind:
Die extractiven Materien; Fett, von einem eigenthüm-
lichen Gerüche, Buttersäure enthaltend. Freie Essigsäure
und essigsaures Ammoniak und fixes Alkali. Freie Milch-
säure (?) Simon. Salzsaures Ammoniak , Kochsalz, Erd-
phosphate und sehr wenig schwefelsaures Kali.
Die Gase der Hautausdünstung, vorzüglich Kohlensäure
und Spuren von Schwefelwasserstoff.
Im krankhaften Schweisse findet man :
1. Den Geruch verschieden.
2. Einzelne Normalstoffe vermehrt , so die freie Säure
vermehrt, bei Gicht , Rheumatismus, bei Scrophulosis etc.
3. Fett , besonders bei Tuberculose und Zehrfieber.
4. Die Ammoniaksalze bei Typhus , purpura haemor-
rhagica, Scorbut.
5. Die Salze vermehrt, besonders das Kochsalz, wel-
ches man oft in so grosser Menge findet, dass es beim Trock-
nen des Schweisses auf der Haut eine schimmernde Crusta
zurücklässt, die man abschaben kann (ich fand es so in
Hydropsien).
Abnorme Stoffe findet man :
1. Albumin, bei hectischen , fauligen Fiebern, bei
Gliederrheumatismus, im Schweisse bei Agone, bei Hydrops.
2. Harnsäure. Diese habe ich bei Gicht gefunden;
der Schweissrückstand gab die Murexidprobe deutlich.
3. Biliphäin, bei Icterus oft in grosser Menge (die
Haut wird durch Salpetersäure grün).
4. Die Producte des Uroxan t hin s , IJrrhodinund
U r o g 1 a u c i n (blauer Schweiss). Diese habe ich im Schweisse
bei einem Unterleibsleiden und Hypochondrie nachgewiesen.
5. Kohlensaures Ammoniak bei Typhus , Scor-
but, auf dieses hat man besonders beim Typhus Rücksicht zu
nehmen , denn je mehr dieses im Schweisse ist (so wie im
634
Harn) , desto mehr verräth diess ein Vorgeschrittensein des
typhösen Processes ; in der Reconvalescenz hört der ammo-
niakalische Schweiss auf, so wie im Harn auch die alkalische
Reaction verschwindet.
6. Zucker habe ich im Schweisse, besonders von den
Füssen deutlich nachgewiesen bei der Melliturie. Der Schweiss
wurde durch einen feuchten Leinwandlappen gesammelt, die-
ser wurde mit destillirtem Wasser ausgewaschen , und das
Fluidum eingedampft , dann meine Zuckerprobe gemacht.
Dass Blut im Seh weiss e bei Typhus vorkomme, be-
zweifle ich , da es bei einer so grossen Menge von Fällen
hier noch nicht beobachtet wurde ; wohl habe ich manchmal
röthlichen Schweiss gesehen , dessen Farbstoff ich damals
nicht genau bestimmen konnte , es war wahrscheinlich Ur-
rhodin , denn er war im kalten Alkohol löslich.
Nach dem Genüsse oder arzneilichen Gebrauche gewis-
ser Stoffe kommen diese im Schweisse vor.
So habe ich das Jod oft in sehr grosser Menge gefun-
den; man macht sich Xyloidin , streicht es auf einen Lein-
wandlappen, und legt diesen nur auf einige Augenblicke auf
die Haut, wo die violette Reaction sehr schnell eintritt.
Bei dem Gebrauche von essigsauren Salzen fand ich die
Essigsäure im Schweisse stark vermehrt. Schwefel er-
scheint als Schwefelwasserstoff im Schweisse; auch das
Quecksilber soll im Schweisse erscheinen, ich konnte es
noch nicht nachweisen. Auch gewisse organische Stoffe,
Chinin, Rheum etc. und Farbstoffe (Indigo) sollen in den
Schweiss übergehen.
Spei* in a.
Ich habe einige Abnormitäten beim Sperma entdeckt, auf
welche ich aufmerksam machen will.
Das normale Sperma ist eine mehr oder weniger
milchig erscheinende Flüssigkeit , welche ganz frisch fast
keinen Geruch hat, wie ich stets beobachtet, sondern es nimmt
«35
einen eigentümlichen Geruch erst an , wenn es mit der Luft
in Berührung kommt, und zwar je länger diess ist, desto
stärker der Geruch ; dieser kömmt nicht der eigenthümlichen
spermatischen Substanz zu, sondern einem eigenthümlichen
Fett. Das speciflsche Gewicht und daher die Menge der fe-
sten Stoffe hängt von der Länge der Zeit ab, die das Sperma
zurückgehalten wurde.
Unter dem Mikroskop sieht man im frischen Sperma die
Spermatozoon lebend , sich schnell bewegen ; sind sie todt,
so zeigen sie die Schwänze gerade gestreckt. Fig. 22. Fer-
ner sieht man Epithelium und Schleimkugeln , welche sehr
gross sind , auch Fettkügelchen.
Das Sperma enthält :
1. Fibrin, welches die gelatinöse Coagulation des
Spermas veranlasst, es gab sich mir als solches stets zu
erkennen.
2. Ein eigenthümliches Fett
3. Das S perm a tin , die spermatische Substanz, wel-
che durch Kochen mit Salzsäure bräunlichroth , mit kalter
Salpetersäure schnell gelb wird.
4. Die 4 wesentlichsten Salze des Blutes.
Die Abnormitäten , die ich aufgefunden , sind :
1. Bedeutende Verdünnung undMan gel der
Gerinnbarkeit beim Tripper.
2. Albumin und verändertes Humatin ent-
haltend , ebenfalls bei Trippern und Orchitis.
3. Der Mangel des Fetts und völliger Mangel des Ge-
ruches während Orchitis; erst wenn die Resorption völlig vor
sich gegangen ist , erscheint der Geruch wieder.
4. Todte Spermatozoon und gänzliche Ab-
wesenheit derselben. Diess habe ich genau beobachtet bei
einigen Individuen , wo ich vor dem Erkranken die Sperma-
tozoon in ihrem Sperma gesehen , und zwar fand ich diess
während des Trippers im Entzündungsstadium , während mit
der Heilung die Spermatozoon wieder erschienen.
636
Bei Orchitis, auch nur des einen Hodens, verschwinden
sie, erscheinen aber wieder; zweimal hatte ich aber Gele-
genheit zu beobachten , dass sie gar nicht mehr erscheinen,
wenn beide Hoden von Orchitis befallen waren , wenigstens
war diess bisher , wo über ein Jahr verflossen , der Fall.
milch.
1. Die Milch vor der Geburt.
Die Unterschiede dieser sind von der normalen Milch
ziemlich bedeutend, je mehr sich die Zeit der Geburt nähert,
desto mehr treten jene zurück.
Sie enthält viel Albumin und keinen Zucker , nach und
nach verschwindet das Albumin , und es erscheint Casein,
Fett und Zucker.
2. Die Milch unmittelbar nach der Geburt,
Colostrum.
Das Colostrum ist viel dicker als Milch , schmutzig-
gelblich , von süssem Geschmack. Es setzt freies Fett ab ;
unter dem Mikroskop sieht man runde, granulirte Körperchen
(Colostrumkörperchen) ; sie kommen vom 8. bis zum 20. Tag
in der Milch der Wöchnerinnen vor. Das Colostrum enthält
fast die doppelte Menge Fett als die Milch und bedeutend
mehr Milchzucker , sonst eine relativ gleiche Menge Casein
und Salze, die Gesammtmenge der festen Stoffe ist bedeu-
tend grösser.
3. Die eigentliche Milch.
I. Die normale Milch.
Sie ist weiss oder bläulieh weiss , süsser als Kuhmilch,
Reaction alkalisch , spec. Gewicht 1030 — 1034. Unter dem
Mikroskop sieht man die Emulsionskü gelchen (But-
terkügelchen) , von denen ich schon beim Blute gesprochen;
ßie sind hier die von einer dünnen Hülle der Proteinverbin-
637
düng eingeschlossene Butter (oder Fett). Bei der Gewinnung
der Butter (beim Buttern) bersten die Hüllen , und es verei-
nigt sich das freie Fett (Butter), während die Hüllen
in der Milch dann als weisse Flocken, welche oft grössere
Coagula bilden , sich absetzen.
Die Normalstoffe der Milch sind:
1. B u 1 1 e r (Fett). Die Menge schwankt zwischen 20 — 50,
in Abnormitäten sinkt sie oft noch tief unter 10 für 1000.
2. Casein. Dieses beträgt bei 35 für 1000. Es wird
durch Essigsäure gefällt.
3. Milchzucker. Dieser sckwankt oft sehr in der
Menge zwischen 40 und 65, in kranker Milch oft auf sehr
geringe Mengen. Zur Erkennung des Zuckergehalts kann
man meine Zuckerprobe anwenden. Wird die native Milch
mit Ätzkali gekocht, so entsteht eine tief orange, rothbraunc
Färbung der Milch , wird dann Salpetersäure zugesetzt , so
entwickelt sich ein starker Geruch nach Zuckersyrup. Je we-
niger Zucker in der Milch , desto lichter orange ist die Reac-
tion, je mehr desto (iefer rothbraun ist dieselbe.
Die Veränderungen der Milch, welche der
Dauer des Säugens entsprechen, sind in Beziehung
auf die Hauptbestandteile folgende:
1. Das Casein steigt immer mehr, und erhält sich
endlich länger gleich.
2. Der Zucker verhält sich entgegengesetzt dem Ca-
sein , er beträgt im Anfange am meisten und verringert sich
immer mehr.
3. Die Butter ist ganz ungleich veränderlich in ihrer
Menge.
4. Die feuerfesten Salze. Die Gesammtzahl be-
trägt wohl nicht viel 2,5 , steigt selten über 3 ; aber sie sind
meist Phosphate; es scheint die Natur hier dieselben für die
Bildung der Knochen des Kindes , dessen erste und einzige
Nahrung die Milch ist ; vorbereitet zu haben.
638
II. Abnorme Milch.
Die Abnormitäten betreffen vorzüglich : Die Ab- oder
Zunahme der Dichtigkeit, Ab- oder Zunahme eines der Haupt-
bestandteile. Man wende daher das Urometer an , dann die
Zuckerprobe, und Essigsäure zur Coagulation des Caseins.
Gegenwart abnormer Stoffe.
1. Milchsäure. Die Milch reagirt sauer und es erfolgt
schon eine theilweise Coagulation im Körper; es treten dann
durch Verstopfen mit Caseinklümpchen oft Brustbeschwerden
ein. Diess kömmt bei syphilitischen Frauen vor.
2. Albumin, entweder allein oder mit
3. Humatin. Die Milch gerinnt beim Kochen, wenn
Albumin zugegen , oder man lasse die Milch gerinnen , ent-
ferne das Case'in , und suche in der klaren Molke Albumin,
durch Kochen und durch Salpetersäure. Ist Hämatin da , so
hat die Milch einen blass rosenrothen Farbenton, auch ist sie
manchmal stärker röthlich ; das Hämatin wird erkannt, wenn
das ausgeschiedene Albumin beim Eintrocknen rothbraun wird.
4- Blutkörperchen enthält die Milch manchmal hei
Wunden oder nach Innen sich öffnenden Abscessen. Man lasse
gut den Rahm absetzen , und suche im Boden die Blutkör-
perchen; dann ist aber auch
5. Eiter in den meisten Fällen zugegen; den Eiter
findet man oft in der Milch, ehe man noch Eiterung vermu-
thet. Man besehe nicht die Milch, wie sie ist, sondern lasse
den Rahm, die Butterkügelchen oben absetzen , und im Bo-
densatz der Molke suche man den Eiter, dann sind auch stets
Weine Mengen Albumin zugegen.
6. Biliphäin. Dieses färbt die Milch gelb, zeisig-
gelb oder grünlich, auch bläulich; es wird durch Salpeter-
säure erkannt.
Diess sind die chemischen Veränderungen , auf welche
man vorzüglich zu achten hat.
639
Bekanntlich können Gemüthsaffectionen der Mutter, ver-
schiedene genossene Nahrungsmittel auf den Säugling sehr
nachtheilig, ja tödtlich einwirken; es müssen also in der
Milch besondere Veränderungen vor sich gehen ; hierüber
gibt die Chemie noch keinen Aufschluss.
Speichel.
Der Speichel wird mit viel Schleim gemischt im Munde,
besonders unter der Zunge ausgesondert, besonders quillt er
unter der Zunge aus zwei Ausführungsgängen , welche zu
beiden Seiten des Znngenbändchens liegen, hervor, manch-
mal spritzt er zufällig bei einer gewissen Bewegung der
Zunge und Offenhalten des Mundes hervor. Ich habe es durch
Übung dahingebracht, den Speichel aus diesen Ausführungs-
gängen willkürlich fortwährend so ausspritzen zu können,
dass ich ihn in ein ziemlich weit vor den Mund gehaltenes
Gefäss spritzen, und so mehr von dem reinen Speichel sam-
meln kann.
Nur so erhaltener Speichel ist als reiner Speichel
zu betrachten, das was man ausspuckt, ist ein Gemenge von
Speichel mit sehr viel Schleim. Da ich mit einer weitläufigen
Arbeit über den so erhaltenen reinen Speichel beschäftiget
bin; und da ich bisher schon Manches fand, welches mit den
bisherigen Angaben über den Speichel nicht übereinstimmt,
so kann ich hier dieses Capitel nicht erledigen , und will nur
anführen , dass der reine Speichel eine wasserhelle , klare
Flüssigkeit ist, welche nur etwas Weniges sich zieht, un-
ter dem Mikroskop sieht man wenige Schleimkugeln, hie und
da Fettkügelchen und selten Epithelium. Die Reaction ist im
normalen Zustande schwach alkalisch. Eisenchlorid gibt deut-
liche und starke Reaction auf Schwefelcyan , welche Reac-
tion dem Mundschleim gänzlich fehlt.
Da ich nun in dieser Flüssigkeit, welche ich als reinen
Speichel bezeichne , manche Abnormitäten , die dem Mund-
schleim angehören , so auch manche andere Eigenschaften,
640
die dieser jenem auch im normalen Zustande mittheilt, beob-
achtet habe, so kann ich alles dieses noch nicht gehörig son-
dern, und es müssen in der Folge genauere Angaben vorliegen,
bevor wir feststellen , was als Normale oder als Abnormität
dem einen oder dem anderen jener Körper angehört.
(Zum Nachschlagen empfehle ich die ausgezeichnet fleis-
sige Arbeit von Samuel Wright über den Speichel in phy-
siologischer, diagnostischer und therapeutischer Beziehung
in der Handbibliothek des Auslandes , herausgegeben von Dr.
S. Eckstein. Wien bei K a u 1 f u s s.)
Sputa.
Die Sputa zeigen in Beziehung auf abnorme Stoffe keine
besonderen Verschiedenheiten. Bei der Untersuchung hat man
vorzüglich auf Folgendes zu achten :
1. Blut a) exosmotisches. Die Sputa erscheinen
diessfalls mehr oder weniger rosa, röthlich aber gleich-
förmig gefärbt, zeigen keine dunklen Streifen und keine Blut-
körperchen unter dem Mikroskop j sie zeigen mit Salpeter-
säure Albumin.
b) Geflossenes Blut, die Sputa sind stark ge-
streift oder intensiv blutroth gefärbt , untermischt mit Blut-
coagulis, zeigen unter dem Mikroskop Blutkörperchen.
2. Eiter. Die Sputa erscheinen gelb oder grünlich ge-
färbt, aber auch nicht eiterhältige erscheinen so. Man muss
den Eiter zuerst gehörig trennen ; die Sputa werden mit we-
nig destillirtem Wasser geschüttelt, die Eiterzellen suspen-
diren sich im Wasser, welches man abgiesst und separirt
absetzen lässt, in diesem Sediment suche man nun unter dem
Mikroskop den Eiter. Die Sputa sind immer albuminös.
3. Albumin. Oft erscheinen grosse Mengen Albumin,
besonders bei sich lösenden Pneumonien ; bei Resorption eines
Exsudates ; man findet in der Höhe der Entzündung nur höchst
wenig Albumin, mit der Besserung' erscheint immer mehr oft
641
eine so grosse Menge, dass die Sputa durch Erhitzen oder
durch Salpetersäure fast wie Eiteralbumin so fest erstarren.
4. Tuberkelsubstanz, besonders theilweise ver-
kalkte Stückchen sind oft beigemischt, diese zeigen eine
amorphe Granulation und einen starken Rückstand beim Ver-
brennen am Platinlöffel.
5. Lungenstückchen. Diese zeigen grosszellige
Structur und feine Gefässe unter dem Mikroskop.
6. Bei Croup wird eine eigenthümliche weisse Sub-
stanz , in Fäden mit verschiedenen Verästelungen oft in
grösseren Partien ausgehustet; sie zeigt unter dem Mikro-
skop Primitivfasern und Kerne.
7. Zucker fand ich bei der Melliturie , nicht allein im
Speichel, sondern auch in den tuberculösen Sputis ; es zei-
gen wohl die Sputa für sich durch die Zuckerprobe den Zu-
cker, doch ist es besser, ihn aus dem abgedampften Rück-
stand mit Alcohol auszuziehen.
Darmexci'ete. F$ce$.
DieFäces enthalten sowohl das, was von den Nahrungs-
mitteln unverdaut fortgeht , als auch Stoffe, welche als Se-
crete des Darmcanals zu betrachten sind. Sie enthalten ve-
getabilischen Faserstoff, Muskelfaser aller Thiere , Sehnen,
Bänder, ganze Stücke unverdauter Vegetabilien etc. Ferner
veränderte Galle, Biliphäin und Cholesterin, Darmschleim
und viel Salze , besonders Erdphosphate , auch viel Fett,
welches bei der Destillation derFäces ein sehr stinkendes Öhl
liefert , ferner etwas weniges Albumin und einen eigenthüm-
lichen Extractivstoff. Die Fäces enthalten auch Gase absor-
birt (Schwefelwasserstoff, Phosphorwasserstoff, Kohlenwas-
serstoff etc.) , welche viel zu dem Gestank beitragen. Die
Fäces der Säuglinge enthalten besonders viel Biliphäin , die
des Fötus (Meconium) besonders viel Galle und Cholesterin,
Schleim und Albumin.
Gaal Diagnostik. 41
64»
Abnorm e Fäces.
Bei den Fäces in Krankheiten hat man vorzüglich zu
beachten:
1. Die Menge der Entleerung jm Vergleich mit den
genossenen Nahrungsmitteln in einer gewissen Zeit.
2. Die Consistenz. Entweder findet sich der Was-
sergehalt stark vermehrt oder vermindert.
3. Findet eine starke, dünne , breiige Entleerung von
Darmschleim mit nur sehr wenig beigemischter Fäcalmasse,
oder auch ohne alle Beimischung derselben Statt.
4. Hat man zu beachten , ob ein abnormer Stoff den Fä-
ces beigemischt ist.
Von den normalen Stoffen ist es besonders die Galle und
der Gallenfarbstoff, welche bald stark vermehrt, bald ver-
mindeit erscheinen, in letzterem Falle sieht man die Fäces
oft sehr blass, fahl , erdfarben oder fast weiss. Eine Ver-
mehrung der Gallensubstanzen gibt sich durch eine sehr in-
tensive Färbung zu erkennen , und wenn mit Salpetersäure
die bekannten Farbenveränderungen eintreten. Bei Icterus
fehlen die Gallenbestandtheile gewöhnlich, die Fäces sind
grauweiss und meistens fest.
Abnorme S toffe.
1. Blut. Das Blut findet sich sowohl in festen als dün-
nen Stuhlentleerungen, es ist nicht selten der Hauptbestand-
teil oder auch der alleinige Bestandtheil einer Entleerung.
Die festen Fäces , welche Blut enthalten , erscheinen
schwarz oder schwarzbraun. Auch das Fett erscheint manch-
mal stark vermehrt; es lässt sich durch schwefelsauren Al-
cohol Blutfarbestoff ausziehen.
In Diarrhöen ist oft bloss exosmotisches Blut, man fin-
det viel Albumin , welches beim Eintrocknen rothbraun wird,
aber keine Blutkörperchen in den Fäces. Manchmal erschei-
nen auch dünne , bluthältige Fäces sehr dunkelbraun oder
schwarz gefärbt , so sieht man solche stets bei Meläna.
643
2. Albumin. Bei Diarrhöen hat man auf das Albumin
Rücksicht zu nehmen, ob es in grosser Menge vorhanden ist.
Es kömmt besonders im Typhus und Dysenterien vor, ohne
dass zugleich Blut beigemischt ist.
In allen dünnen, albuminösen Stühlen kommen die Al-
buminpilze, nur mehr oder weniger, vor, deren ich beim
Harn schon erwähnte, sie sind also nicht bloss den Typhus-
stühlen eigen.
3. Kohlensaures Ammoniak. Diess ist ein sehr
wichtiger Bestandttheil, auf den man bei allen wässrigen
oder diarrhoischen Entleerungen stets Rücksicht nehmen soll.
Je mehr die Fäces beim Typhus kohlensaures Ammoniak ent-
halten , desto mehr stinken sie, ein desto schlechteres Zei-
chen ist diess. Bei anderen Diarrhöen ist auf das Erscheinen
des kohlensauren Ammoniaks in den Fäces im Verlaufe der
Krankheit stets Rücksicht zu nehmen , denn diess ist stets
ein übles Zeichen,
Immer findet man in den diarrhoischen Entleerungen
unter dem Mikroskop Krystalle von Magnesiaammoniakphos-
phat, wenn die Fäces Ammoniak enthalten.
Das kohlensaure Ammoniak erkennt man durch die starke
alkalische Reaction der Fäces, ferner durch Erhitzen im
Ammoniakapparat.
4. Eiter. Der Eiter kömmt bei verschiedenen Fällen in
den Fäces vor, wie es sich schon von selbst versteht, be-
sonders ist aber auf dessen Gegenwart bei Diarrhöen , bei
Puerperalkrankheiten Rücksicht zu nehmen. — Beim Abdo-
minaltyphus findet man stets Eiter in den Fäces, werden aber
diese stark faulig, so verändert sich die Eiterzelle, und man
sieht dann die Kerne undeutlich 5 das Ansehen des Eiters
gleicht dann mehr dem Schleim; man muss daher immer reine
Eiterzellen mit ihren Kernen gesehen haben.
Hier kommt es wieder hauptsächlich darauf an, den Ei-
ter zu sammeln , ehe man ihn in den Fäces sucht; «Hess ge-
schieht wieder durch'« Schlemmen mit Wasser etc.
41 #
644
5. Ein eigenthümlicherFarbstoff, diesen habe
ich so wie auch J. Vogel in den Cholerastühlengesehen,
aber auch in anderen Diarrhöen kömmt er vor , selbst wenn
sie sehr blass sind. Er gibt mit Salpetersäure eine schön
rothe Färbung, wie das Urrhodin ist, ich kann es noch nicht
sagen , ob der ursprüngliche Farbstoff das Uroxanthin ist.
6. Concretionen, welche mit den Fäces entleert
werden.
In den Fäces findet man manchmal feste Körper , deren
Ursprung für den Arzt von Wichtigkeit ist; sie sind ent-
weder:
1. Gallensteine, oder Gallensteinsand.
2. Darmconcretionen , oder endlich
3. verschluckte Knochen (oderandere Gegenstände).
I. Gallensteine.
Die kommen entweder als einzelne grössere Steine in
den Fäces vor oder als Sand in unzähligen kleinen Körnchen,
welche durch Auswaschen mit Wasser von der Fäcalmaterie
getrennt werden ; der GalJensand schwimmt jedoch meistens
auf dem Wasser, wenn er viel Cholesterin enthält, weil die-
ses leichter als Wasser ist. Es ist eine sehr schnelle Probe,
die man anstellen kann, wenn man Steine in den Fäces fin-
det; die Darmsteine des Menschen sinken im Wasser unter,
während die allermeisten Gallensteine schwimmen.
Die Gallensteine sind entweder :
1. Cholesteringallensteine ,
2. Biliphäingallensteine,
3. Gemenge von beiden (die gewöhnlichsten),
^. eingedickte Galle ,
,6. kohlenhältige Steine.
Die schnelle Diagnose kann man folgendermassen an-
stellen :
1. Cholesterinsteine, a) Die Probe schmilzt am
Platinlöffel schnell, fängt Flamme und brennt mit einer hell-
S45
leuchtenden gelben sprühenden Flamme, einen starken His-
senden Rauch verbreitend; dann ausgeblasen, verbreitet sich
ein angenehmer Geruch, b) Der Stein zerbröckelt (was
leicht geschieht) , ist in kochendem Alkohol löslich, beim
Erkalten fällt das Cholesterin in glänzenden Schuppen heraus.
2. Biliphäinsteine, sie sind braun, enthalten oft
nur Spuren von Cholesterin , geben daher jene Proben nur
in geringem Grade.
In wenig- Ätzkali sind sie schon leicht löslich mit inten-
siver, braungelber in dünnen Schichten schön gelber Farbe ,
die Lösung- etwas verdünnt, gibt mit concentrirter Salpeter-
säure stark die Farbenveränderungen aus Grün in Blau, Roth,
endlich Gelb.
3. Die Cholesterinbiliphäinsteine schwimmen
am Wasser , geben an Alkohol viel Cholesterin ab , und der
Rückstand löst sich wie ein Biliphäinstein in Ätzkali etc.
4. Die Gall ensubstan z concr eti onen sind un-
eben, höckerig, maulbeerähnlich, schwarz und g'rünschwarz ;
lösen sich zum Theil in kochenden Wasser und Alkohol, die
Rückstände schmecken bitter, geben die Reaction auf Galle
nach Pettenkofer.
5. Die kohlenhältigen Steine sind hart, schwarz
g-eschichtet, bresslicht, lassen nach der Behandlung* mit
Wasser, Alkohol, Ätzkali und Säuren Kohle zurück, die
am Platinlöffel verglimmt.
II. Darmconcretionen.
Diese sind meistens hart, sinken im Wasser unter.
1. Am Platinlöffel erhitzt, verkohlen sie nur theilweise,
es bleibt eine grosse Masse feuerfeste Salze zurück, welche
zu einer emailähnlichen Perle vor dem Löthrohr schmelzbar ist.
2. Sie entwickeln mit Ätzkali viel Ammoniak , denn sie
enthalten phosphorsaure Ammoniakmagnesia.
3. Sie enthalten meistens etwas harnsaures Ammoniak;
das durch kochendes Wasser aus dem Pulver ausziehbar ist,
640
der Rückstand der wässerigen Lösung* gibt die Murexid-
probe.
4. Sie unterscheiden sich von den Harnsteinen, dasssie
stets geringe Mengen Biliphäin , Cholesterin und viel Fett
enthalten.
III. Verschluckte Knochen.
Diese sind feuerbeständig , unschmelzbar , zeigen kein
Ammoniak mit Ätzkali behandelt, und ein kleiner dünner Ab-
schnitt zeigt unter dem Mikroskop die Structur der Knochen.
Erklärung der Kupfertafeln.
Fig. 1. Krystalle des salpetersauren Harnstoffes aus
dem Harne.
Fig. 2 — 8. Die verschiedenen Krystallformen der Harnsäure.
Fig. 9. 10. U r o g 1 a u c i n krystalle.
Fig. 11. AI b um in pilze.
Fig. 12. Emu lsion s kügelchen.
Fig. 13. Krystalle von phosphorsaurer Ammoniakmagnesia.
Fig. 14. a — e. Formen des harnsauren Ammoniaks.
Fig. 15. Form des harnsauren Natrons.
Fig. 16. Krystalle von oxalsaurem Kalke im Harne.
Fig. 17, Krystallformen des kohlensauren Kalkes.
Fig. 18. Krystalle von Cystin
Fig. 19. Eiterkügelchen
Fig. 20. Eiterkügelchen nach Behandlung mit Essigsäure.
Fig. 21. Bellinische Röhrchen.
Fig. 22, Spermatozoon.
Fig. 23. Cholesterinkrystalle.
Fig. 24. Krebszellen.
Fiff /.
0 Q
■A :
<7gs
/<?
A^/ /:
Ft# ?
//
%0? ._
/Z
d3
0 o
0 o
o
0 °
9°.
o
o
ß8
> 0
/f
'9
& ^
* ## ^
<5^
'-'^
/■A ,^>,
3* ^
m
M
f.
j
<D
tt 4
Rare Books
7.D.148.
Physikalische Diagnostik und de1849
Countway Library BEB3b2
3 2044 045 632 213