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Full text of "Vorlesungen über das Ikosaeder und die Auflösung der Gleichungen vom fünften Grade"

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1 

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QA 


21b 


K5 


<S)      ■    7.6/ 


VORLESUNGEN 


ÜBER  DAS  IKOSAEDER 


UND   DIE 


AUFLÖSUNG 


GLEICHUNÖEN  VOM  FÜNFTEN  GRADE 


VON 


FELIX  KLEIN, 

O.  Ö.  PKOPESaOK   BER    OÜOMF.TRIK    A.  D.  UNIVKRSITÄT    LKIPZIO. 


MIT  EINER  LITHOGRAPHIRTEN  TAFEL. 


LEIPZIG, 
DRUCK   UND   VERLAG   VON   B.  G.  TEUBNER. 

1884. 


HS 


Yorrede. 

Die  Theorie  des  Ikosaeders  hat  in  den  letzten  Jahren  für  fast 
alle  Gebiete  der  modernen  Aualysis  eine  solche  Bedeutung  gewonnen, 
dass  es  nützlich  schien,  eine  zusammenhängende  Darstellung  derselben 
zu  veröffentlichen.  Erweist  sich  dieselbe  als  brauchbar,  so  denke  ich 
in  gleicher  Richtung  weiter  zu  gehen  und  die  Lehre  von  den  ellipti- 
schen Modulfunctionen  sowie  die  allgemeinen  Untersuchungen  über 
eindeutige  Functionen  mit  linearen  Transformationen  in  sich,  wie  sie 
in  neuester  Zeit  entstanden  sind,  in  ähnlichem  Sinne  zu  bearbeiten. 
Es  würde  auf  solche  Art  ein  mehrbändiges  Werk  entstehen,  von 
Avelchem  ich  eine  Förderung  der  Wissenschaft  jedenfalls  insofern  er- 
warte, als  es  Vielen  den  sZugang  zu  aussichtsreichen  Gebieten  der 
neueren  Mathematik  eröffnen  kann. 

Indem  ich  wegen  der  Begrenzung  des  Stoffes,  welche  ich  dieses 
Mal  eingehalten  habe,  im  Allgemeinen  auf  die  folgende  Darstellung 
selbst  verweise,  möchte  ich  hier  nur  besonders  auf  den  zweiten  Ab- 
schnitt, der  die  Auflösung  der  Gleichungen  fünften  Grades  behandelt, 
aufmerksam  machen.  Es  sind  jetzt  volle  25  Jahre  her,  dass  die 
Herren  Brioschi,  Hermite  und  Kronecker  in  vereinten  Arbeiten  die 
moderne  Theorie  der  Gleichungen  fünften  Grades  geschaffen  haben. 
Aber  so  oft  auch  ihre  Untersuchungen  genannt  werden,  ein  eigent- 
liches Verstäudniss  in  weiteren  Kreisen  des  mathematischen  Publikums 
haben  dieselben  bis  jetzt  nicht  gefunden.  Indem  ich  im  Folgenden 
die  Lehre  vom  Ikosaeder  voranstelle  und  als  die  eigentliche  Grund- 
lage des  Auflösungsprocesses  betrachte,  entsteht  eine  Ansicht  der 
Theorie,  wie  sie  einfacher  und  durchsichtiger  wohl  nicht  mehr  ge- 
wünscht werden  kann. 

Eine  besondere  Schwierigkeit,  die  sich  bei  der  Durchführung 
meiner  Absicht  darbot,  lag  in  der  Verschiedenartigkeit  der  in  die  Iko- 
saedertheorie  eingreifenden  mathematischen  Disciplinen.  Es  schien  mir 
diesbezüglich  am  Zweckmässigsten,  nach  keiner  Seite  specifische  Vor- 
kenntnisse vorauszusetzen,  sondern  überall  solche  Erläuterungen  und 
Literaturangaben  einzuschalten,  welche  zu  einer  ersten  Orientirung  auf 
dem  gerade  in  Betracht  kommenden  Gebiete  ausreichen  dürften.  Was 
ich  dagegen  vom  Leser  verlange,  ist  eine  gewisse  Reife  des  mathe- 
matischen Urtheils,  vermöge  deren  kurzgefasste  Schlüsse  genügen,  um 


IV  Vorrede. 

jedesmal  vom  Einzelnen  zum  Allgemeinen  aufzusteigen.  Es  sind  dies 
dieselben  Grundsätze,  welche  ich  von  jeher  in  meinen  höheren  Vorlesungen 
befolgte  (wie  ich  denn  auch  in  den  Einzelheiten  der  Darstellung  meiner 
Vorlesungspraxis  gefolgt  bin);  in  diesem  Sinne  wolle  man  den  Titel 
verstehen,  den  ich  meinen  Darlegungen  gegeben  habe. 

Ich  kann  diese  kurzen  Vorbemerkungen  nicht  schliessen,  ohne 
meinen  verehrten  Freunden,  den  Herren  Prof.  Lie  in  Christiana  und 
Prof.  Gordan  in  Erlangen,  für  vielfache  Anregung  und  Unterstützung 
meinen  besonderen  Dank  auszusprechen.  Meine  VerpHichtungen  gegen 
Hrn.  Lie  gehen  in  die  Jahre  1869  —  70  zurück,  wo  wir  in  engem 
Verkehre  mit  einander  unsere  Studienzeit  in  Berlin  und  Paris  ab- 
schlössen. Wir  fassten  damals  gemeinsam  den  Gedanken,  überhaupt 
solche  geometrische  oder  analytische  Gebilde  in  Betracht  zu  ziehen, 
welche  durch  Gruppen  von  Aendernngen  in  sich  selbst  transformirt 
werden.  Dieser  Gedanke  ist  für  unsere  beiderseitigen  späteren 
Arbeiten,  soweit  dieselben  auch  auseinander  zu  liegen  scheinen,  be- 
stimmend geblieben.  Während  icli  selbst  in  erster  Linie  Gruppen 
discreter  Operationen  ins  Auge  fasste  und  also  insbesondere  zur  Unter- 
suchung der  regulären  Körper  und  ihrer  Beziehung  zur  Gleichungs- 
theorie geführt  wurde,  hat  Hr.  Lie  von  vorneherein  die  schwierigere 
Theorie  der  continuirlichen  Transformationsgruppeu  und  somit  der 
DifferentialgMcJmngcn  in  Angriff  genommen.  —  Es  war  im  Herbst  1874, 
dass  ich  mit  Hrn.  Gordan  nähere  Beziehung  gewann.  Ich  hatte  da- 
mals bereits  für  mich  die  Theorie  des  Ikosaeders  begonnen  (ohne 
noch  die  früheren  Arbeiten  von  Hrn.  Schwarz  zu  kennen,  auf  die  in 
der  Folge  wiederholt  Bezug  zu  nehmen  sein  wird),  aber  ich  betrachtete 
meine  ganze  Art  der  Fragestellung  nur  erst  als  eine  Uebungsaufgabe. 
Wenn  jetzt  aus  den  damaligen  Anfängen  eine  weitreichende  Theorie 
entstanden  ist,  so  verdanke  ich  dies  in  erster  Linie  Hrn.  Gordan.  Ich 
gedenke  hier  nicht  besonders  seiner  eigenen  einschlägigen  Arbeiten, 
über  welche  noch  fernerhin  ausführlich  Bericht  erstattet  werden  soll. 
Wohl  aber  muss  ich  an  dieser  Stelle  anführen,  was  durch  blosse 
Citate  nicht  ausgedrückt  werden  kann:  dass  Hr.  Gordan  mich  bei 
meinen  Arbeiten  immer  wieder  anspornte,  wenn  ich  ermüdete,  und 
dass  er  mit  der  grössten  üneigennützigkeit  mir  über  viele  Schwierig- 
keiten hinweghalf,  die  ich  allein  nie  überwunden  hätte. 
Leipzig,  den  24.  Mai   1884. 

F.  Klein. 


Inhalts  -Verzeichniss. 


Abschnitt  I. 
Theorie  des  Ikosaeders  in  engerem  Sinne. 

Kapitel  I. 

Die  regulären  Körper  und  die  Gruppentheorie.  Seite 

§    1.     Die  Fragestellung 3 

§    2.     Griippentheorctische  Vorbegrifto 5 

§    3.     Die  cyclischen  Rotationsgruppen  .    .    .    : 8 

§    4.     Die  Gruppe  der  Diederdrehungen 9 

§    5,     Die  Vierergruppe 12 

§    6.     Die  Gruppe  der  Tetraederdrehungen 14 

§    7.     Die  Gruppe  der  Oktaederdrehungen 15 

§    8.     Die  Gruppe  der  Ikosaederdrehuiigon- 16 

§    9.     Ueber  die  Symmetrieebenen  unserer  Configurationen 19 

§10.     Allgemeine  Pnnktgruppen.     Fundaraentalbereiche 21 

§  11.     Die  erweiterten  Gnippen 23 

§  12.     Erzeugung  der  Ikosaedergruppe .  24 

§  13.     Erzeugung  der  anderen  Rotationsgruppen 27 

Kapitel  II. 

Einführung   von  x  -\-  iij. 

§    1.     Erster  Ansatz  und  Uebersicht  der  Entwickelungen  dieses  Kapitels.    .    .  29 
§    2.     Ueber  diejenigen  linearen  Transformationen   von  {x  -f-  iy)t   welche  den 

Drehungen  um  den  Kugelmittelpunkt  entsprechen 32 

§    3.     Homogene  lineare  Substitutionen.     Zusammensetzung  derselben  ....  34 
§    4.     Uebergang  zu   den  Substitutionsgruppen.     Die   cyclischen  Gruppen  und 

die  Diedergruppen 36 

§    5.     Die  Gruppen  des  Tetraeders  und  des  Oktaeders 38 

§    6.     Die  Ikosaedergruppe 39 

§    7.     Nichthomogene  Substitutionen.   Inbetrachtnahme  der  erweiterten  Gruppen  42 

§    8.     Holoedrischer  Isomorphismus  bei  homogenen  Substitutionsgruppen     .    .  44 
§    9.     Invariante   Formen,    zu    einer  Gruppe    gehörig.     Der    Formenkreia    der 

cyclischen  und  der  Diedergrupjjen 47 

§  10.     Vorbereitendes  über  die  Tetraeder-  und  die  Oktaeder -Formen    ....  50 

§  11.     Der  Formenkreis  des  Tetraeders 51 

§  12.     Der  Formenkreis  des  Oktaeders 54 

§  13.     Der  Formenkreis  des  Ikosaeders 65 

§  14.     Die  fundamentalen  rationalen  Functionen 58 

§  15.     Bemerkung  über  die  erweiterten  Gruppen 61 


§ 

1. 

§ 

2. 

§ 

3. 

§ 

4. 

§ 

5. 

§ 

G. 

§ 

7. 

§ 

8. 

§ 

9. 

§ 

10. 

VI  Inhalts  -Verzeichniss. 

Kapitel  III. 

Formulirung  und  functionentheoretische  Discussion 

der  Fundamentalaufgaben.  Seite 

Definition  der  Fundamentalaufgaben 62 

Reduction  der  Formenprobleme 64 

Plan  der  folgenden  Untersuchungen 66 

Ueber  die  conforme  Abbildung  durch  die  Function  z  {Z) 68 

Verlauf  der  Functionen  s^yZ^  im  Allgemeinen;  ßeihenentwickelungen .  71 

Uebergang  zu  den  Differentialgleichungen  3.  Ordnung 73 

Zusammenhang  mit  den  linearen  Differentialgleichungen  2.  Ordnung    .  75 

Wirkliche  Aufstellung  der  Difforontialglcichung  3.  Ordnung  für  z{Z).  11 

Lineare  Differentialgleichungen  2.  Ordnung  für  z^  und  z,^ 78 

Beziehungen  zu  Riemann's  2^- Function 80 

Kapitel  IV. 

üeber  den  algebraischen  Charakter  unserer  Fundamentalaufgaben. 

§     1.     Aufgabe  des  gegenwärtigen  Kapitels.    .    .    .    ._ 83 

§     2.     Ueber  die  Gruppe  einer  algebraischen  Gleichung 84 

§     3.     Allgemeines  ü^er  Resolventen 86 

§     4.     Die  Galois'sche  Resolvente  insbesondere 89 

§     5.     Einordnung  unserer  Fundamentalgleichungen 93 

§     6.     Betrachtung  der  Formenpi-obleme 95 

§     7.     Die  Auflösung  der  Gleichungen  des  Dieders,  Tetraeders  und  Oktaeders  96 

§     8.     Die  Resolventen  fünften   Grades  der  Ikosaedergleichung 98 

§     9.     Die  Resolvente  der  r 100 

§  10.     Berechnung  der  Formen  t  und  W 103 

§11.     Die  Resolvente  der  u 104 

§  12.     Die  Hauptresolvente  der  Y 105 

§  13.     Zusammenhang  der  neuen  Resolventen  mit  der  Resolveute  der  r  .    .    .  106 

§  14.     Ueber  die  Differenzenproducte  der  u  und  der  Y 107 

§  15.     Die  einfachste  Resolvente  vom  sechsten  Grade 109 

§  16.     Schlussbemerkung 112 

Kapitel  V. 

Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte. 
§  1.     Würdigung  des  bisherigen  Gedankengangs.    Verallgemeinerungen     .    .  113 
§  2.     Bestimmung  aller  endlichen  Gruppen  linearer  Substitutionen  e\ner  Ver- 
änderlichen    115 

§  3.     Algebraisch     integrirbare    lineare,    homogene    Differentialgleichungen 

zweiter  Ordnung 120 

§  4.     Endliche  Gruppen  linearer  Substitutionen  bei  grösserer  Variabclenzahl  123 
§  5.     Vorausblick  auf  die  Theorie  der  Gleichungen  fünften  Grades  und  For- 
mulirung eines  allgemeinen  algebraischen  Problems 125 

§  6.     Unendliche  Gruppen  linearer  Substitutionen  einer  Veränderlichen .    .    .  126 
§  7.     Auflösung  der  Tetraeder-,  Oktaeder  -  und  Ikotaeder-Gleichung  durch 

elliptische  Modulfunctionen 131 

§  8.     Formel  zur  directen  Lösung  der  einfachsten  Resolvente  sechsten  Gra- 
des der  Ikosaedergleichung 133 

§  9.     Bedeutung  der  transcendenten  Lösungen 134 


Inhalts- Verzeichnias.  VII 


Abschnitt  11, 
Theorie  der  Gleichnngen  fünften  Grades. 

Kapitel  I. 

Uebftr  die  historische  Entwickelung  der  Lehre  von  den  Gleichungen 

fünften  Grades.  Seite 

§     1.     Umgrenzung  unserer  nächsten  Aufgabe 139 

§     2.     Elementares  über  Tschirnhaustransfoi-mation.     Die  Bring'sche  Form     .  142 

§     3.     Angaben,  elliptische  Functionen  betreffend 144 

§     4.     Ueber  Hermite's  Arbeit  von  1858 148 

§     6.     Die  Jacobi'schen  Gleichungen  sechsten  Grades 149 

§     6.    Die  Kronecker' sehe  Methode    zur  Auflösung   der  Gleichungen  fünften 

Grades ' 153 

§     7.    Ueber  Kronecker's  Arbeit  von  1861   .    . 156 

§    8.     Aufgabe  unserer  ferneren  Entwickelungen 169 

Kapitel  II. 

Einführung  geometrischer  Hülfsmittel. 

§     1.     Grundlage  der  geometrischen  Deutung 162 

§     2.     Classification  der  Curven  und  Flächen ie«4 

§     3.     Die  einfachsten  Specialfälle  der  Gleichungen  fünften  Grades 165 

§     4.     Gleichungen  fünften  Grades,  welche  beim  Ikosaeder  auftreten  ....  167 

§     5.     Geometrische  Auffassung  der  Tschirnhaustransformation 169 

§     6.     Specielle  Anwendungen  der  Tschimhaustransformation 171 

§     7.     Geometrisches  über  Resolventenbildung 173 

§    8.     Ueber  Liniencoordinaten  im  Räume 176 

§     9.     Eine  Resolvente  zwanzigsten  Grades  der  Gleichungen  fünften  Grades  .  178 

§  10.     Zur  Theorie  der  Flächen  zweiten  Grades 179 

Kapitel  III. 

Die  Hauptgleichungen  vom  fünften  Grade. 

§     1.     Bezeichnungen,  der  fundamentale  Ansatz 182 

§    2.     Bestimmung  des  geeigneten  Parameters  l 185 

§    3.     Bestimmung  des  Parameters  (i 188 

§     4.     Die  Hauptresolvente  der  Ikosaedergleichung .  189 

§     5.     Auflösung  der  Hauptgleichungen  fünften  Grades 191 

§     6.     Der  Gordan'sche  Ansatz 194 

§     7.     Substitutionen  der  X,  (i;  invariante  Formen 197 

§     8.    Allgemeines  über  die  von  uns  auszuführenden  Rechnungen 199 

§     9.     Neuberechnung  der  Grösse  7»i 200 

§  10.     Geometrische  Deutung  der  Gordan'schen  Theorie 201 

§  11.     Algebraische  Gesichtspunkte  (nach  Gordan) 203 

§  12.     Die  Normalgleichung  der  rv 206 

§  13.    Die  Bring'sche  Transformation 207 

§  14.     Die  Normalgleichung  von  Hermite 209 


VIII  Inhalts-Verzeichniss. 

Kapitel  IV. 

Das  Problem  der  A  und  die  Jacobi'schen  Gleichungen  sechsten 

Grades.  Seite 

§     1.     Zielpunkt  der  folgenden  Entwickelungen 211 

§     2.     Substitutionen  der  A;  invariante  Formen 213 

§     3.     Geometrische  Interpretation;  Normirung  der  invarianten  Ausdrücke     .  21G 

§     4.     Das  Problem  der  A  und  seine  Reduction 219 

§     5.     üeber  die  einfachsten  Resolventen  des  Problems  der  A 221 

§     6.     Die  allgemeine  Jacobi'sche  Gleichung  vom  sechsten  Grade 223 

§     7.     Die  Brioschi'sche  Resolvente 225 

§     8.     Vorbemerkungen  zur  rationalen  Transformation  unseres  Problems    .    .  227 

§     9.     Durchführung  der  rationalen  Transformation 229 

§  10.     Gruppentheoretische  Bedeutung  von  Cogredienz  und  Contragredienz    .  232 

§  11.     Ansatz  zur  Auflösung  unseres  Problems 234 

§  12.     Zugehörige  Formeln 236 

Kapitel  V. 

Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades. 

§     1.     Formulirung  zweier  Auflösungsmethoden 239 

§     2.     Durchführung  unserer  ersten  Methode  . 241 

§     3.     Kritik  der  Methoden  von  Bring  und  Hermite 244 

§     4.     Vorbereitungen  zu  unserer  zweiten  Auflösungsmetbode 245 

§     5.     Von  den  Substitutionen  der  A,  A'.     Definitive  Formulirang 247 

§     6.     Die  Umkehrformeln  der  zweiten  Methode    . 248 

§     7.     Beziehungen  zu  Kronecker  und  Brioschi 250 

§    8.     Vergleich  unserer  beiden  Methoden 253 

§     9.     üeber  die  Nothwendigkeit  der  accessorischen  Quadratwurzel 254 

§  10.     Specielle   Gleichungen  fünften  Grades,   welche   rational   auf  eine    Iko- 

saedergleichung  zurückgeführt  werden  köunen 257 

§11.     Der  Kronecker  sehe  Satz 258 


Verzeichniss  einiger  Druckfehler. 

p.  5G:  In  Formel  (57)  muss  die  Determinante  ein  positives  Vorzeichen  haben. 

p.  70,  Z.  14  V.  o.:  statt  Z- Kugel  zu  lesen  ^•-Kivgel. 

p.  73,  Z.  3  v.  0. :  Der  Factor  ist  beim  Ikosaeder  ebenfalls  gleich  -f-  1.  Da  ferner- 
hin (Z.  13  V.  0.)  derselbe  Factor  noch  einmal  wiederkehrt,  so  bleiben  die 
Formeln  (21)  doch  richtig. 

p.  79,  Z.  3  V.  0.:  statt  Z  zu  setzen  z. 

p.  121,  Formel  (8):    statt  —  'p''  muss  — p^  stehen. 

Z  u 

p.  121,  Z.  7  V.  0.:  statt  Kap.  II  zu  lesen  Kap.  III. 


Absclmitt  I. 
Theorie  des  Ikosaeders  in  engerem  Sinne. 


Klein,  Oleichongen.  5  Grades. 


Kapitel  I. 
Die  regulären  Körper  und  die  Gruppentlieorie. 

§  1.    Die  Fragestellung. 

Wenn  wir  im  Folgenden  von  dem  Ikosaeder,  oder  überhaupt  einem 
regulären  Körper  sprechen,  so  ist  dieser  Ausdruck  in  übertragenem 
Sinne  zu  verstehen.  Wir  operiren  nämlich  nicht  eigentlich  mit  allge- 
meinen Raumconstructionen,  sondern  beschränken  uns  im  Wesentlichen 
auf  die  Kugeloherfläche,  welche  durch  die  Ecken  des  regulären  Körpers 
hindurchgelegt  ist,  und  auf  die  wir  die  Kanten  und  Seitenflächen  des 
regulären  Körpers  durch  geradlinige  Projection  vom  Mittelpunkte  der 
Kugel  aus  übertragen  denken.  Das  nähere  Object  unserer  Betrachtung 
ist  also  eine  bestimmte  Kugeltiieilung,  und  nur  der  bequemeren  Aus- 
drucksweise wegen  greifen  wir  auf  die  Benennungen  und  zum  Theil 
auch  die  Constructionen  der  Raumgeometrie  zurück. 

Den  regulären  Körpern,  wie  sie  die  Alten  kannten,  rechnet  man 
in  neuerer  Zeit  gewöhnlich  noch  die  ZepZe?-'schen  Körper  (deren  Seiten- 
flächen sich  wechselseitig  durchdringen)  hinzu.  Wollte  man  sie  in  der 
erwähnten  Weise  durch  Centralprojection  auf  die  Oberfläche  der  Kugel 
übertragen,  so  würde  eine  mehrfache  Ueberdeckung  der  Kugel  ent- 
stehen. Es  ist  sogar  nicht  schwer  zu  sehen,  dass  es  ähnlicher  Ueber- 
deckungen  von  regulärem  Charakter  unendlich  viele  giebt*).  Aber 
derartige  relativ  complicirte  Verhältnisse  sollen  in  der  Folga  bei  Seite 
gelassen  werden.  Wir  untersuchen  allein  jene  einfachen  Figuren,  welche 
in  dem  genannten  Sinne  dem  regulären  Tetraeder,  dem  OJctaeder,  dem  Würfel, 
dem  Ikosaeder  und  dem  Pentagondodekaeder  entsprechen.  Ihnen  werden 
wir  dann  noch  eine  sechste  Configuration  hinzurechnen,  welche  dem 
ebenen  regtdären  n  Eck  correspondirt.  In  der  That  können  wir  letzteres, 
indem  wir  uns  den  von  den  Seiten  des  regulären  n  Ecks  begrenzten 
Ebenentheil  als  doppelt  denken,  als  einen  regulären  Körper,  als  Bieder, 
wie  wir  sagen  wollen,  bezeichnen:  nur  dass  dieser  Körper,  der  elemen- 


*)  Vgl.  hierzu  das  neue  Werk  von  Hess:  Einleitung  in  die  Lehre  von  der 
Kugeltheilung  mit  besonderer  Berücksichtigung  ihrer  Anwendung  auf  die  Theorie 
der  gleichflächigen  und  der  gleicheckigen  Polyeder.     Leipzig  1883. 

1* 


4  I,  1.    Die  regulären  Körper 

taren  Vorstellung  eines  solchen  zuwider,  keinen  Raum  einschliesst.  Ueber- 
tragen  wir  das  Dieder  durch  Centralprojection  auf  die  Oberfläche  der 
umgeschriebenen  Kugel,  so  haben  wir  zunächst,  den  w  Ecken  desselben 
entsprechend,  auf  einem  grössten  Kreise  (der  fortan  als  Aequator  be- 
nannt werden  soll)  n  äquidistante  Punkte,  zwischen  ihnen,  als  Gegen- 
bild der  Kanten  des  Dieders,  die  n  Stücke,  in  welche  dieser  Kreis  durch 
die  n  Punkte  zerlegt  wird.  Wir  setzen  dann,  wie  es  naturgemäss  ist, 
den  beiden  soeben  unterschiedenen  Begrenzungsebenen  des  Dieders  die 
beiden  vom  Aequator  umgrenzten  Halbkugeln  entsprechend. 

Es  sind  nun  aber,  und  dies  muss  von  vornherein  hervorgehoben 
werden,  im  Folgenden  nicht  eigentlich  die  hiermit  aufgezählten  Figuren 
selbst,  die  den  Gegenstand  unserer  Betrachtung  ausmachen,  vielmehr 
sind  es  jene  Drehungen,  oder  auch  Spiegelungen,  oder  kurz  gesagt: 
diejenigen  elementargeömetrischen  Operationen,  durch  welche  die  genannten 
Figuren  mit  sich  selbst  zur  Deckung  kommen.  Die  Figuren  sind  für 
uns  nur  das  Orientirungsmittel,  vermöge  dessen  wir  die  Gesammtheit  ge- 
wisser Drehungen  oder  sonstiger  Umänderungen  übersehen.  Daher  wird 
für  uns  der  einzelne  reguläre  Körper  mit  seiner  Polarfigur,  die  bei 
denselben  Operationen  ungeändert  bleibt,  wie  er  selbst,  untrennbar  ver- 
bunden sein.  In  diesem  Sinne  gehört  das  Oktaeder  mit  dem  Würfel 
zusammen,  dessen  Ecken  den  Mittelpunkten  der  Seitenflächen  des 
Oktaeders  entsprechen,  das  Ikosaeder  mit  dem  Pentagondodekaeder,  das 
analoge  Lage  hat.  Von  demselben  Princip  ausgehend  werden  wir  mit 
dem  Tetraeder  zusammen  immer  das  zugehörige  Gegentetraeder  in  Be- 
tracht ziehen  (dessen  Ecken  den  Ecken  des  ursprünglichen  Tetraeders 
diametral  gegenüber  stehen),  wir  werden  endlich  beim  Dieder,  den  bei- 
den Seitenflächen  desselben  entsprechend,  die  beiden  Pole  der  Kugel 
markiren*).  So  sind  es  also  im  Grunde  viererlei  Gestaltungen,  die  unserer 
Betrachtung  unterliegen.  Wir  werden  dieselben  im  Folgenden  kurz 
durch  die  Benennungen  Dieder,  Tetraeder,  Oktaeder  und  Ikosaeder 
charakterisiren.  Wenn  wir  den  Fall  des  Ikosaeders  in  den  späteren 
Entwickelungen  vielfach  ganz  besonders  hervorheben,  wenn  wir,  dem- 
entsprechend, das  Ikosaeder  allein  in  der  Ueberschrift  dieses  Ab- 
schnittes genannt  haben,  so  geschieht  es,  weil  der  Fall  der  Ikosaeder- 
configuration  unter  den  übrigen  Fällen  in  jeder  Beziehung  der  inter- 
essanteste ist. 

Indem  wir  uns  jetzt  die  Aufgabe  stellen,  die  in  Rede  stehenden 
Drehungen  etc.  zu  studiren,  durch  welche  die  genannten  Configurationen 


*)  Die  Configuration  des  Dieders  ist   also    dieselbe,  welche    sonst   wohl    als 
Doppelpyramide  bezeichnet  wurde. 


und  die  Gruppentheorie.  5 

in  sich  übergehen,  gebietet  sich  von  vornherein  der  Anschluss  an  jene  wich- 
tige und  umfassende  Theorie,  welche  zumal  durch  Galois'  bahnbrechende 
•  Arbeiten  geschaffen  worden  ist*)  und  die  man  als  Gruppentheorie  be- 
zeichnet**). Ursprünglich  aus  der  Gleichungstheorie  erwachsen  und 
dementsprechend  auf  die  Vertauschungen  irgend  welcher  Elemente  be- 
züglich, umfasst  diese  Theorie,  wie  man  seit  lange  erkannt  hat,  über- 
haupt jede  Frage,  bei  der  es  sich  um  eine  geschlossene  Mannigfaltig- 
keit irgend  welcher  Operationen  handelt.  Man  sagt  von  beliebigen 
Operationen,  dass  sie  eine  Gruppe  bilden,  wenn  je  zwei  der  Operationen 
zusammengesetzt  immer  wieder  eine  Operation  unter  der  bereits  ge- 
gebenen erzeugen.     In  diesem  Sinne  haben  wir  sofort  den  Satz: 

Die  Drehungen,  welche  einen  regulären  Körper  mit  sich  selbst  mr 
Deckung  bringen,  bilden  in  ihrer  Gesammtheit  eine  Gruppe. 

Denn  es  ist  klar,  dass  irgend  zwei  Drehungen  dieser  Art,  hinter 
einander  angewandt,  immer  wieder  eine  Drehung  derselben  Beschaffen- 
heit erzeugen.  —  Anders  ist  es  mit  den  Spiegelungen,  vermöge  deren 
ein  regulärer  Körper  in  sich  verwandelt  wird.  Di^e  bilden  für  sich 
genommen  Iceine  Gruppe.  Denn  zwei  Spiegelungen  ergeben,  hinter  ein- 
ander angewandt,  keine  Spiegelung,  sondern  eine  Drehung.  Wohl  aber 
wird  wieder  eine  Gruppe  gebildet,  wenn  wir  diese  Spiegelungen  mit 
den  eben  genannten  Drehungen  und  gewissen  anderen,  aus  ihnen  durch 
Zusammensetzung  entstehenden  Operationen  zusammen  nehmen.  Wir 
werden  übrigens  diese  Gruppen  in  der  Folge  nur  beiläufig  betrachten 
und  sie  dann  als  erweiterte  Gruppen  bezeichnen. 

§  2.    Gruppentheoretische  Vorbegriffe. 

Ehe  wir  uns  den  speciellen  Gruppen  zuwenden,  die  bei  den  regu- 
lären Körpern  auftreten,  wird  es  nützlich  sein,  gewisse  allgemeine 
Begriffe  zur  Sprache  zu  bringen,  die  in  der  Gruppentheorie  anderwärts 
ihre  Ausbildung  gefunden  haben.  Ich  bitte  den  Leser,  welcher  mit 
diesen  Theorien  noch  nicht  vertraut  ist,  sich  in  Verbindung  mit  der 
kurzen  Darlegung,  die  hier  gegeben  werden  soll,  (und  die  bei  späteren 
Gelegenheiten  noch  nach  verschiedenen  Richtungen  vervollständigt  wer- 


*)  1829;  man  vgl.  Oeuvres  de  Galois  in  Liouville's  Journal,  sär.  I,  t.  11  (1846). 
**)  Wenn  sich  die  Erläuterungen  des  Textes  fast  ganz  auf  gruppentheoretische 
Betrachtungen  beschränken,  so  werden  den  Geometer  über  diese  hinaus  die  merk- 
würdigen Lagenverhältnisse  interessiren,  welche  im  einzelnen  Falle  auf  Grund  der 
gruppentheoretischen  Beziehungen,  und  von  ihnen  beherrscht,  erwachsen.  Ich 
möchte  hier  auf  die  Untersuchungen  aufmerksam  machen,  welche  die  Herren  Beye 
und  Stephanos  in  diesem  Sinne  der  Theorie  des  Würfels  haben  zu  Theil  werden 
lassen  (Acta  Mathematica,  t.  I  (p.  93,  97),  Mathem.  Annalen  XXII  (p,  348),  1883). 


6  I,  1.    Die  regulären  Körper 

den   wird)    mit    einer    der    ausführlicheren    Darstellungen    bekannt   zu 
machen,  welche  die  Gruppentheorie  neuerdings  gefunden  hat*). 

Wir  betrachten  im  Folgenden,  von  einzelnen  Ausnahmen  abgesehen,  * 
nur  endüche  Gruppen.  Eine  solche  Gruppe  ist  zunächst  charakterisirt 
durch  die  Anzahl,  N,  der  Operationen,  welche  sie  umfasst,  wobei  man 
die  sogenannte  „identische'*  Operation  immer  als  eine  mitzählt;  wir 
bezeichnen  diese  Zahl  als  Grad  der  Gruppe.  Des  Weiteren  werden 
wir  die  Periodicität  der  einzelnen  Operationen  angeben,  d.  h.  die 
Anzahl  der  Wiederholungen,  deren  die  einzelne  Operation  bedarf,  um 
zur  Identität  zurückzuführen,  hierüber  hinaus  aber  die  Gesammtheit 
der  Untergruppen  unserer  Gruppe,  d.  h.  alle  solche  Zusammenstellungen 
eines  Theiles  unserer  Operationen,  welche  für  sich  genommen  Gruppen- 
charakter besitzen.  Der  Grad  einer  Untergruppe  ist  immer  ein  Theiler 
des  Grades  N  der  Hauptgruppe.  Die  einfachsten  Untergruppen  (und 
überhaupt  Gruppen)  sind  allemal  jene,  welche  aus  den  Wiederholungen 
einer  einzelnen  Operation  entstehen,  deren  Grad  also  gleich  der  Periode 
der  betreffenden  Operation  ist;  sie  mögen  cyclisclie  Untergruppen,«  bez. 
Gruppen,  genannt  werden. 

Aber  eine  blosse  Aufzählung  der  hiermit  geforderten  Dinge  genügt 
nicht;  wir  wünschen  vielmehr  auch  über  die  Stellung  der  einzelnen 
Operationen,  Untergruppen  u.  s.  w.  innerhalb  der  Gesammtgruppe 
orientirt  zu  werden.  In  dieser  Beziehung  beachte  man  die  folgenden 
Definitionen. 

Verabreden  wir  zunächst,  dass  wir  unter  dem  Producte  zweier 
Operationen  8  und  T: 

ST 

diejenige  Operation  verstehen  wollen,  welche  entsteht,  wenn  wir  zuerst 
S  und  dann  T  eintreten  lassen.     Im  Allgemeinen  ist  keineswegs: 

ST=TS, 
tritt  dies  im  besonderen  Falle  ein,  so  nennt  man  die  beiden  Operationen 
S  und  T  vertausMar.     Man  bilde  sich  nun  allgemein: 

STS-''==r 
(wo  S~  ^  diejenige  Operation  bezeichnet,  welche  mit  S  verbunden,  die  1, 
d.  h.  die  Identität,  erzeugt).    Sind  S  und  T  nicht  vertauschbar,  so  ist 


*)  Cf.  J.  A.  Serret,  Traite  d'algebre  superienre  (Paris,  4.  ed.  1879),  deutsch 
von  Wertheim  (Leipzig,  2.  Aufl.,  1878—79);  C.  Jordan,  Traitä  des  substitutions  et 
des  equations  algebriques  (Paris  1870);  E.  Netto,  Substitutionentheorie  und  ihre  An- 
wendung auf  die  Algebra  (Leipzig  1882).  Insbesondere  sei  noch  auf  die  Aufsätze 
verwiesen,  welche  Hr.  DyeJc  in  den  Bänden  20  und  22  der  Mathematischen  Annalen 
(1882,  83)  als  „Gruppentheoretische  Studien"  hat  erscheinen  lassen. 


und  die  Gruppentheorie.  7 

T'  von  T  verschieden;  wir  sagen  dann,  dass  T  aus  T  durch  Trans- 
formation Jiervorgehe,  und  nennen  T  und  T'  innerhalb  der  Gesammt- 
gruppe  gUicliberechtigt  In  der  That  wird  T'  mit  T  in  allen  wesentlichen 
Eingenschaften  übereinstimmen,  z.  B.  (wie  man  sofort  sieht*))  dieselbe 
Periodicität  besitzen. 

Es  durchlaufe  jetzt  T  die  Operationen  T^,  T^,--  T^,--'  irgend  einer 
Untergruppe.  Dann  geschieht  (indem  wir  bei  allen  T  jedesmal  das 
nämliche  S  verwenden)  dasselbe  mit  dem  zugehörigen  T',  so  zwar,  dass 
T'iTk=  T'e  ist,  sobald  TiTk  mit  Tg  zusammenfällt**).  Die  Gruppen  der 
T  und  der  T'  nennen  wir  dann  ihrerseits  innerhalb  der  Gesammtgruppe 
gleicIiberecMigt. 

Wir  müssen  nun  insbesondere  den  Fall  betrachten,  dass  beiderlei 
Untergruppen  (die  ursprüngliche  und  die  transformirte)  zusammenfallen. 
Geschieht  dies  bei  sämmtlichen  Operationen  5,  die  wir  aus  der  Ge- 
sammtgruppe zur  Transformation  unserer  Untergruppe  auswählen  mögen^ 
erweist  sich  unsere  Untergruppe  somit  als  nur  mit  sich  selbst  gleich- 
berechtigt, so  nennen  wir  sie  eine  ausgezeichnete  Untergruppe.  Jede 
Gruppe  enthält,  sofern  wir  diese  Definition  ürgiren  wollen,  zwei  aus- 
gezeichnete Untergruppen:  das  ist  einmal  die  Gesammtheit  aller  ihrer 
Operationen,  d.  h.  die  Gruppe  selbst,  und  andererseits  jene  einfachste 
Gruppe,  die  allein  aus  der  identischen  Operation  besteht.  Umfasst  eine 
Gruppe  von  diesen  beiden,  uneigentlichen  Fällen  abgesehen,  keinerlei 
ausgezeichnete  Untergruppe,  so  heisst  sie  einfach,  andernfalls  evr 
sammengesetzt. 

Bei  den  zusammengesetzten  Gruppen  erforschen  wir  insbesondere 
deren  Zerlegung.  Man  zerlegt  eine  Grujfpe,  indem  man  eine  möglichst 
ausgedehnte***)  in  ihr  enthaltene  ausgezeichnete  Untergruppe  angiebt, 
dann  weiter  eine  neue,  in  der  so  gewonnenen  Untergruppe  ausgezeichnet 
enthaltene  und  dabei  möglichst  ausgedehnte  Untergruppe,  etc.  und  so 
fortfährt,  bis  man  zur  Identität  gekommen  ist.  Es  braucht  kaum  ge- 
sagt zu  werden,  dass  sich  unter  Umständen  dieser  Zerlegungsprocess 
auf  mannigfache  Weise  abändern  lässt. 

Ueber  diese  einfachsten,  bei  der  einzelnen  Gruppe  in  Betracht 
kommenden  Definitionen  hinaus  muss  ich  noch  derjenigen  Beziehung 
zwischen  zwei  Gruppen  gedenken,  die  man  d\B  Isomorphismus  bezeichnet. 


*)l8tr  =  -Sr<S-\  so  ist  (r)^  =  /SfT6'-\  STS-^  =  ST*S-\  über- 
haupt {Tf  =  Sr'S-'^.  Wird  also  T"  =  1,  so  ist  auch  {T')"  =  1,  und  umge- 
kehrt, w.  z.  b.  w. 

**)  Denn  es  ist  wieder  T;rj;  =  Sr./S-^  STj^S-^  =  ST^T^S- ^=  S  T^S-^. 
***)  D.  h.  eine  solche,  welche  nicht  noch  in  einer  umfassende  reu   und  eben- 
falls ausgezeichneten  Untergruppe  enthalten  ist. 


8  I,  1.    Die  regulären  Körper 

Zwei  Gruppen  heissen  isomorph,  wenn  man  ihre  Operationen  S,  S' 
derart  einander  zuweisen  kann,  dass  immer  SiSk  dem  S'iS'k  entspricht, 
sofern  Si  dem  S'i,  Sk  dem  Sic  entsprechend  gesetzt  ist. 

Die  isomorphe  Beziehung  kann  eine  wechselseitig  eindeutige  sein; 
man  spricht  dann  von  holoedrischem  Isomorphismus.  Es  sind  in  diesem 
Falle  die  beiden  Gruppen  abstract  genommen  überhaupt  identisch,  und  es 
ist  nur  die  Bedeutung  der  beiderseitigen  Operationen,  in  denen  eine  Ver- 
schiedenheit liegen  kann.  Die  Untergruppen  der  einen  Gruppe  liefern 
also  ohne  Weiteres  die  Untergruppen  der  anderen  Gruppe,  etc.  etc. 

Aber  die  Zuordnung  kann  auch  eine  mehrdeutige  sein,  worauf  man 
den  Isomorphismus  als  meriedrisch  bezeichnet.  Auch  dann  noch  ent- 
spricht jeder  Untergruppe  der  S  eine  solche  der  /S",  und  umgekehrt, 
nur  dass  die  beiderlei  Untergruppen  nicht  denselben  Grad  zu  besitzen 
brauchen.  Zugleich  liefern  gleichberechtigte  Untergruppen  solche  der 
anderen.  Es  werden  sich  also  auch  ausgezeichnete  Untergruppen  der 
einen  Gruppe  in  solche  der  anderen  verwandeln.  Insbesondere  ent- 
spricht der  Identität,  wenn  wir  sie  den  S  zurechnen,  innerhalb  der  S' 
eine  ausgezeichnete  Untergruppe,  und  umgekehrt*). 

In  der  Folge  werden  wir  hauptsächlich  mit  solchen  Beispielen  von 
meriedrischem  Isomorphismus  zu  thun  haben,  bei  denen  jedem  S  nur 
ein  S'  entspricht,  jedem  S'  aber  zwei  S  zugeordnet  sind  (so  dass  die 
Anzahl  der  S  doppelt  so  gross  ist,  als  die  Anzahl  des  S').  Wir  wer- 
den dann  schlechtweg  von  einem  hemiedrischen  Isomorphismus  reden. 

§  3.    Die  cyclisohen  Botationsgruppen. 

Indem  wir  uns  nunmehr  zur  näheren  Betrachtung  der  Gruppen 
wenden,  welche  von  den  Drehungen  gebildet  werden,  die  eine  der  in 
§  1  genannten  Configurationen  mit  sich  zur  Deckung  bringen,  müssen 
wir  die  einfachsten  Rotationsgruppen,  diejenigen,  die  durch  Wiederholung 
einer  einzigen  periodischen  Rotation  erzielt  werden,  voranstellen.  Offenbar 
bleiben  bei  einer  solchen  Gruppe  zwei  Punkte  unserer  Kugel,  die  wir 
die  beiden  Fole  nennen  wollen,  ungeändert,  und  es  besteht  die  Gruppe, 
wenn  sie  im  Ganzen  n  Rotationen  umfasst,  aus  den  n  Drehungen  durch 
einen  Winkel 

^      27E       in  2{n  —  l)7t 

^      n  '      n   '  n 

um  die  die  beiden  Pole  verbindende  Axe. 

Constatiren  wir  zuvörderst,  dass  je  zwei  Drehungen  dieser  Gruppe 


*)  Vgl.  ausser  den  bereits  genannten  Publicationen  insbesondere:  CapelU,  sopra 
risomorfismo  ....  im  16.  Bande  des  Giornale  di  Matematiche  (1878). 


und  die  Gruppentheorie.  9 

mit  einander  vertauschbar  sind.  Daher  ist  jede  einzelne  Drehung,  sowie 
jede  Untergruppe,  die  man  aus  einzelnen  Drehungen  zusammensetzen 
kann,  nur  mit  sich  selber  gleichberechtigt.  Ob  aber  solche  Unter- 
gruppen existiren,  hängt  vom  Charakter  der  Zahl  n  ab.  Ist  n  Prim- 
zahl, so  ist  die  Existenz  einer  eigentlichen  Untergruppe  von  vornherein 
ausgeschlossen  (weil  ihr  Grad  ein  Theiler  von  n  sein  müsste)-,  ist  n 
zusammengesetzt,  so  giebt  es  jedem  Theiler  von  n  entsprechend  eine 
und  nur  eine  Untergruppe,  deren  Grad  gleich  diesem  Theiler  ist*). 
Wir  werden  eine  Zerlegung  unserer  Gruppe  erhalten,  wenn  wir  zunächst 
die  Untergruppe  aufsuchen,  die  in  diesem  Sinne  einem  möglichst  um- 
fassenden in  n  enthaltenen  Theiler  entspricht,  und  dann  die  so  er- 
haltene Untergruppe  in  demselben  Sinne  weiter  behandeln. 

Wollen  wir  gleich  hier  den  Begriff  des  Isomorphismus  einüben, 
so  bemerken  wir,  dass  unsere  Gruppe  mit  dem-  Inbegriff  der  „cyclischen" 
Vertauschungen  von  irgend  n  in  bestimmter  Reihenfolge  genommenen 
Elementen: 

(«Q,    «1,    «2» <*n  — l) 

holoedrisch  isomorph  ist.  In  der  That  können  wir  die  bezeichneten 
Vertauschungen  den  bisher  betrachteten  Drehungen  in  einfachster  Weise 
geometrisch  zuordnen.    Wir  haben  nur  die  n  PunJcte  zu  construiren: 

die  aus  einem  beliebig  gegebenen  Punkte  a^^  durch  unsere  Drehungen 
hervorgehen,  und  nun  zuzusehen,  wie  diese  Punkte  ihrerseits  sich  bei 
den  Drehungen  permutiren. 

Es  ist  überflüssig,  bei  so  augenscheinlichen  Dingen  noch  länger 
zu  verweilen.  Wir  mussten  sie  anführen,  weil  die  cyclischen  Gruppen 
so  zu  sagen  die  Elemente  sind,  aus  denen  sich  alle  anderen  aufbauen. 

§  4.    Die  Gruppe  der  Diederdrehungen. 

Indem  ich  mich  jetzt  zur  Configuration  des  Dieders  wende,  bitte 
ich  den  Leser,  sich  hier  und  bei  den  parallellaufenden  Entwickelungen 
der  folgenden  Paragraphen  zugehörige  Zeichnungen  anfertigen  zu  wollen 
oder  sich  geradezu  an  einem  leicht  zu  verschaffenden  Modelle  die  in 
Betracht  kommenden  Verhältnisse  zu  überlegen.  Denn  es  handelt  sich 
um  durchaus  concrete  Dinge,  welche  vermittelst  der  genannten  Hülfs- 
mittel  jedesmal  leicht  erfasst  werden,  aber  ohne  dieselben  der  Vor- 
stellung   gelegentlich   Schwierigkeiten    bereiten    können.     Auch  würde 


*)  Ich  gebe  diese  und  ähnliche  Behauptungen  im  Texte  ohne  Beweis,  weil 
sie  dem  Leser  entweder  ohnehin  geläufig  sein  werden  oder  ihm  doch  bei  ruhigem 
Nachdenken  ohne  Weiteres  einleuchten  müssen. 


10  I,  1.    Die  regulären  Körper 

ich  die  betrejftenden  Entwickelungen  durchweg  sehr  viel  ausführlicher 
haben  anlegen  müssen,  hätte  ich  nicht  eine  Mitwirkung  des  Lesers  in 
dem  erwähnten  Sinne  voraussetzen  wollen. . 

Wir  benannten  bereits  jenen  grössten  Kreis  unserer  Kugel,  welcher 
die  n  Eckpunkte  des  Dieders  trägt,  als  Äequator,  haben  auch  schon  die 
beiden  zugehörigen  Pole  markirt.  So  ist  zuvörderst  klar,  dass  das 
Dieder  bei  der  cyclischen  Gruppe  von  n  Drehungen,  bei  der  diese  Pole 
festbleiben,  in  sich  übergeht.  Aber  .  die  Gruppe  der  zum  Dieder  ge- 
hörigen Drehungen  ist  hiermit  noch  nicht  erschöpft.  Wir  wollen  auf 
dem  Äequator  in  der  Mitte  zwischen  je  zwei  aufeinander  folgenden 
Diedereckpunkten  einen  neuen  Punkt  markiren;  die  n  so  entstehenden 
Punkte  nennen  wir  die  KantenhalbirungspunJäe  des  Dieders.  Wir  be- 
zeichnen dann  ferner  jeden  Durchmesser,  der  einen  Eckpunkt  oder 
einen  Kantenhalbirungspunkt  des  Dieders  enthält,  als  eine  Nebenaxe 
desselben.  Es  gibt  n  Nebenaxen  des  Dieders:  ist  n  ungerade,  so  ent- 
hält jede  derselben  einen  Eckpunkt  und  einen  Kantenhalbirungspunkt^ 
ist  n  gerade,  so  verth eilen  sich  die  Nebenaxen  auf  zwei  Kategorien, 
je  nachdem  sie  zwei  Eckpunkte  oder  zwei  Kantenhalbirungspunkte  ver- 
binden. Auf  alle  Fälle  bleibt  das  Dieder  ungeändert,  wenn  man  es  um  eine 
beliebige  dieser  Nebenaxen  umklappt,  d.  h.  durch  den  Winkel  n  um  die 
Nebenaxe  dreht.  So  stellen  sich  also  neben  die  schon  erwähnte  cyclische 
Gruppe  von  n  Drehungen  n  weitere  Drehungen,  jede  von  der  Periode  2. 

Ausser  den  hiermit  aufgezählten  Drehungen  umfasst  die  Diedergruppe 
keine  anderen.  In  der  That  erkennen  wir  auf  folgende  Weise  (die  auch 
später  immer  wieder  angewandt  werden  soll),  dass  die  Zahl  der  Dieder- 
drehungen  gleich  2n  sein  muss.  Wir  überlegen  zunächst,  dass  jeder 
Diedereckpunkt  vermöge  einer  Diederdrehung  in  jeden  anderen  ver- 
wandelt werden  kann,  was  n  Möglichkeiten  abgiebt,  dann  aber,  dass  das 
Dieder,  sofern  wir  einen  Eckpunkt  festhalten,  nur  noch  auf  zwei  Weisen 
mit  sich  selbst  zur  Deckung  gebracht  werden  kann,  nämlich  durch  die 
Umklappung  um  die  durch  den  betreffenden  Eckpunkt  hindurchlaufende 
Nebenaxe  und  durch  die  identische  Operation.  Jetzt  muss  die  Anzahl 
der  Diederdrehungen  offenbar  gleich  dem  Producte  der  beiden  Theil- 
zahlen  sein,  sie  wird  also  gleich  2n,  w.  z.  b.  w. 

Ich  will  jetzt  den  Leser  nicht  durch  Aufzählung  aller  in  der  Dieder- 
gruppe enthaltenen  Untergruppen  ermüden.  Vielmehr  mögen  wir  sofort 
jene  erste  cyclische  Gruppe  von  n  Drehungen  betrachten  und  beweisen, 
dass  diese  als  Untergruppe  innerhalb  der  Gesammtgruppe  des  Dieders  aus- 
geseichnet  ist.  In  der  That,  recurriren  wir  auf  die  Definition  des  §  2. 
Wir  bezeichnen  mit  T,  T'  Drehungen  um  die  Hauptaxe  des  Dieders, 
mit  S  irgend   eine   andere  Diederdrehung.    Dann  verlangt  unsere  Be- 


und  die  Gruppentheorie.  11 

hauptung,  zu  zeigen,  dass  STS-'^  ==  T  ist.  Aber  wenn  S  selbst  eine 
Drehung  um  die  Hauptaxe  bedeutet,  so  ist  diese  Relation  selbstver- 
ständlich, —  und  ist  S  eine  Umklappung  um  eine  der  Nebenaxen,  so 
wird  der  Effect  dieser  Umklappung,  soweit  die  Hauptaxe  in  Betracht 
kommt,  durch  das  folgende  S~'^  wieder  rückgängig  gemacht,  worauf 
in  der  That  abermals  unsere  Relation  resultirt. 

Wir  können  den  hiermit  geführten  Beweis  auf  ein  allgemeines 
Princip  beziehen,  das  wir  hier  um  so  lieber  anführen,  als  es  in  der 
Folge  noch  wiederholt  zur  Anwendung  kommen  soll.  Vereinbaren 
wir  zunächst,  dass  wir,  bei  unseren  Configurationen,  solche  geometrische 
Gebilde,  welche  durch  eine  Operation  der  zugehörigen  Gruppe  aus 
einander  hervorgehen,  als  gleichberechtigt  bezeichnen  wollen.  Wir  con- 
struiren  jetzt  alle  Gebilde,  die  mit  einem  gegebenen  gleichberechtigt 
sind.  Es  seien  nun  T,  diejenigen  Operationen  unserer  Gruppe,  welche 
die  Eigenschaft  haben,  von  den  so  construirten  Gebilden  jedes  einzelne 
ungeändert  zu  lassen.  Dann  bilden  die  Ti  innerhalb  der  Gesammtgruppe 
offenbar  eine  ausgezeichnete  Untergruppe.  Denn  jede  Operation  STiS~^ 
gehört  selbst  zu  den  Ti,  weil  das  S  nur  eine  Permutatiou  der  zu  Grunde 
liegenden  Gebilde  bewirkt,  welche  durch  S~^  wieder  rückgängig  ge- 
macht wird.  —  Die  Anwendung  dieses  Principes  auf  unseren  Fall  ist 
tieutlich.  Wir  haben  nur  als  zu  Grunde  liegende  gleichberechtigte  Ge- 
bilde die  beiden  Pole  des  Dieders  zu  betrachten.  Zufällig  ist  dabei 
(im  Sinne  des  allgemeinen  Princips),  dass  diejenigen  Drehungen,  welche 
den  einen  dieser  Pole  ungeändert  lassen,  von  denjenigen,  welche  beide 
Pole  zugleich  in  sich  überführen,  überhaupt  nicht  unterschieden  sind. 

Durch  ähnliche  Ueberlegungen  bestimmen  wir  diejenigen  unter 
den  Diederdrehungen ,  welche  miteinander  gleichberechtigt  sind.  Ich 
sage  in  dieser  Hinsicht,  dass  jetzt  von  den  Drehungen  um  die  Hauptaxe 

die    beiden,   welcJie   um und drehen,  gleicJiberechtigt  sind, 

während  die  Umklappungen  um  die  Nebenaxen  bei  ungeradem  n  alle 
gleichberechtigt  ausfallen,  sich  aber  bei  geradem  n  in  zwei  Kategorien 
gleichberechtigter  zerlegen.  Erstere  Behauptung  entspricht  dem  Umstände, 
dass  bei  den  zwei  in  Vergleich  gezogenen  Drehungen  um  die  Hauptaxe 
die  beiden  Pole  des  Dieders  resp.  in  gleicher  Weise  afficirt  werden*), 
letztere  Behauptung  der  früheren  Angabe,  dass  die  Nebenaxen  des 
Dieders  entweder  alle  gleichberechtigt  sind,  oder,  bei  geradem  n,  sich 


2]c7t 
*)  Indem  nämlich  eine  Drehung  durch um  den  einen  Pol  mit  einer 

n 

2  Jen 
Drehung  durch   -\ um  den  anderen  Pol  zusammenfällt. 


12  I,  1-    Die  regulären  Körper    ' 

auf  zwei  Arten  gleichberechtigter  Linien  vertheilen.  Hierüber  hinaus 
bringen  wir  in  beiden  Fällen  ein  allgemeines  Princip  zur  Verwendung, 
das  wir  dahin  aussprechen  können,  dass  wir  sagen:  Solche  zwei  Ope- 
rationen sind  jedesmal  gleichberechtigt,  welche  resp.  zwei  gleichberechtigte 
Gebilde  in  analoger  Weise  in  sich  selbst  überführen.  Ich  unterlasse  es, 
des  Längeren  beim  Beweise  dieses  Princips  zu  verweilen. 

Sollen  wir  endlich  eine  Zerlegung  der  Diedergruppe  angeben,  so 
ist  eine  solche  in  dem  früher  Gesagten  bereits  implicite  enthalten.  Als 
umfassendste  und  zugleich  ausgezeichnete  Untergruppe  wählen  wir  die 
Gruppe  der  n  Drehungen  um  die  Hauptaxe.  Diese  selbst  aber  be- 
handeln wir  weiter  nach  den  Angaben  des  vorigen  Paragraphen. 

Wir  definiren  noch  eine  Gruppe  von  Buchstabenvertauschungeu, 
die  mit  der  Diedergruppe  holoedrisch  isomorph  ist.  Zu  dem  Zwecke 
wollen  wir  jetzt  die  n  Eckpunkte  des  Dieders  in  ihrer  natürlichen 
Reihenfolge  mit 

^0  7    ^1} ^n  -^  1 

bezeichnen.  So  haben  wir  zunächst,  wie  im  vorigen  Paragraphen,  den 
n  Drehungen  um  die  Hauptaxe  entsprechend,  diejenigen  cyclischen  Ver- 
tauschungen der  üv,  welche  bez.  a^  durch  «v  +  zt  ersetzen  (die  Indices 
modulo  n  genommen).  Wir  finden  ferner,  dass  bei  der  Umklappung 
um  diejenige  Nebenaxe,  welche  durch  den  Punkt  üq  hindurchläuft, 
ttj,  durch  an  —  v  ersetzt  wird.  Aus  beiden  Operationen  zusammen  er- 
wächst die  metacyclische  Gruppe*),  welche  durch  folgende  Trans- 
formation der  Indices  vorgestellt  wird: 

v'  ^  +  V  -f-  Ä;  (mod.  w), 
und  diese  also  ist  mit  unserer  Diedergruppe  holoedrisch  isomorph,  oder, 
was  dasselbe  ist,  in  abstractem  Sinne  identisch. 

§  5.    Die  Vierergruppe. 

Die  Erläuterungen  des  vorigen  Paragraphen,  wie  schon  die  De- 
finition des  Dieders  in  §  1,  setzen  m>2  voraus.  Ist  n  =  2,  so  ver- 
liert die  Figur  -des  Dieders  ihre  Bestimmtheit,  insofern  dann  die  Eck- 
punkte des  Dieders  durch  unendlich  viele  grösste  Kreise  verbunden 
werden  können.  Dem  entsprechend  erhalten  wir  als  zugehörige  Ro- 
tationsgruppe  zunächst   eine    sogenannte  continwirliche**)  Gruppe.     So 


*)  Allgemein  bezeichnet  man  so  nach  Kronecker  jede  Gruppe  von  Vertauschungen 
der  tto,  %,  •  •  •  a^j,  welche  durch  v' EE  cw  -f  Tc  (mod.  w)  gegeben  ist. 

**)  Man-  vergl.  die  ausgedehnten  Untersuchungen  von  Lie  im  norwegischen 
Archiv  (von  1873  an)  und  in  Bd.  XVI  der  Math.  Annalen.  Neuerdings  hat  Mr.  Poincare 
in  seinen  noch  öfter  zu  nennenden  Untersuchungen  über  eindeutige  ^untftionen  mit 


und  die  Gruppentheorie.  13 

interessant  und  überaus  wichtig  die  Theorie  der  continuirlichen  Gruppen 
in  vielem  Betracht  ist,  so  wenig  wird  dieselbe  im  Folgenden  von  Be- 
deutung werden.  Wir  wollen  daher  im  Falle  n  =  2  die  Diederfigur 
dadurch  zu  einer  bestimmten  machen,  dass  wir  unter  den  unendlich 
vielen  durch  die  beiden  Eckpunkte  hindurchlaufenden  grössten  Kreisen 
einen  bestimmten  als  Aequator  auswählen.  Die  Hauptaxe  der  Figur 
bildet  dann  mit  den  beiden  Nebenaxen  ein  rechtwinkeliges  Äxenkreug 
und  wir  erhalten,  ganz  den  Festsetzungen  des  vorigen  Paragraphen 
entsprechend,  eine  zugehörige  Gruppe  von  2w  =  4  Drehungen.  Treffen 
wir  unter  Zugrundelegung  dieses  Axenkreuzes  eine  gewöhnliche  Co- 
ordinatenbestimmung,  so  wird  der  Punkt  x,  y,  z  durch  diese  Drehungen 
in  die  weiteren  Punkte: 

X,  —y,  —  z-, 

—  X,       y,  —z-,  ■ 

—  x,—y,       z 
verwandelt. 

Offenbar  umfasst  unsere  neue  Gruppe  von  der  Identität  abgesehen 
nur  Operationen  von  der  Periode  2,  und  es  ist  zufällig,  dass  wir  eine 
dieser  Operationen  an  die  Hauptaxe  der  Figur,  die  beiden  anderen  an 
die  Nebenaxe  geknüpft  haben.  Dementsprechend  will  ich  die  Gruppe 
mit  einem  besonderen  Namen  belegen,  der  nicht  mehr  an  die  Dieder- 
configuration  erinnert,  und  sie  als   Vierergruppe  benennen. 

Die  Vierergruppe  hat  die  ausgezeichnete  Eigenschaft,  die  man 
sofort  beweist,  dass  alle  ihre  Operationen  vertausclibar  sind*).  Dem- 
entsprechend erscheint  jede  Operation  als  nur  mit  sich  selber  gleich- 
berechtigt**). Die  Zerlegung  der  Vierergruppe  werden  wir  in  der 
Weise  bewerkstelligen,  dass  wir  zunächst  zu  einer  beliebigen  Unter- 
gruppe von  2  Rotationen  hinabsteigen,  bei  denen  eine  der  drei  Axen 
festbleibt,  und  dann  von  dieser  zur  Identität. 


linearep  Transformationen  in  sich  das  Wort  „continnirliche  Gruppe"  in  einem 
y  anderen  Sinne  gebraucht.  Er  bezeichnet  als  solche  jede  Gruppe  von  unendlich 
vielen,  ob  auch  disereten  Operationen,  bei  welcher  unendlich  kleine  Transforma- 
tionen auftreten.  Die  hierin  liegende  Modification  des  Sprachgebrauchs  scheint 
mir  indessen  nicht  zweckmässig. 

*)  Man  zeigt  leicht,  dass  zwei  Drehungen •  nur  dann  vertauschbar  sind,  wenn 
entweder  (wie  bei  der  Vierergruppe)  sich  ihre  Axen  rechtwinkelig  kreuzen  und 
jede  die  Periode  2  hat,  oder  wenn  (wie  bei  der  cyclischen  Gruppe)  ihre  Axen  zu- 
sammenholen. 

**)  Dem  widerspricht  nicht,  wenn  innerhalb  der  sogleich  zu  studirenden  um- 
fassenderen Gruppen  die  3  Drehungen  von  der  Periode  2,  welche  die  Vierergruppe 
enthält,  als  gleichberechtigt  erscheinen. 


14  I,  1.    Die  regulären  Körper 

§  6.    Die  Gruppe  der  Tetraederdrehungen. 

Wir  bemerkten  schon  oben,  dass  bei  allen  Drehungen,  welche 
ein  reguläres  Tetraeder  mit  sich  zur  Deckung  bringen,  auch  dessen 
Gegentetraeder  in  sich  selbst  verwandelt  wird.  Durch  ihre  acht  Ecken 
bestimmen  diese  Tetraeder  zusammengenommen  einen  Würfel.  Indem 
wir  sodann  diejenigen  6  Kugelpunkte  markiren,  welche  den  Mittel- 
punkten der  Seitenflächen  dieses  Würfels  entsprechen,  erhalten  wir 
die  6  Ecken  eines  regulären  Oktaeders.  Man  erkennt  hieraus  bereits 
die  enge  Beziehung,  in  welcher  die  Gruppe  der  Tetraederdrehungen 
zu  der  sogleich  zu  studireuden  Oktaedergruppe  steht.  Wir  wollen 
unsere  Figur  noch  vervollständigen,  indem  wir  das  rechtwinkelige 
Axenkreuz  der  Oktaederdiagonalen  und  ebenso  die  4  (durch  den 
Mittelpunkt  der  Kugel  laufenden)  Würfeldiagonalen  hinzufügen. 

Indem  wir  jetzt  die  in  §  4  entwickelten  Principien  zur  Anwendung 
bringen,  finden  wir  zunächst,  dass  die  Tetraedergruppe  12  Drehungen 
umfasst.  In  der  That:  es  gibt  4  gleichberechtigte  Tetraedereck- 
punkte, und  jeder  dieser  Eckpunkte  bleibt  bei  3  Drehungen  ungeändert: 
bei  der  identischen  Drehung  und  bei  2  Drehungen  von  der  Periode  3, 
deren  Axe  die  durch  den  Tetraedereckpunkt  hindurchlaufende  Würfel- 
diagonale ist. 

Wir  haben  mit  dem  Gesagten  zugleich  die  Einsicht  gewonnen, 
dass  8  von  unseren  12  Drehungen  die  Periode  3  besitzen.  Von  ihnen 
sind  (wiederum  auf  Grund  der  in  §  4  dargelegten  Principien)  je  4 
gleichberechtigt,  nämlich  jedesmal  diejenigen  4,  welche  um  den  bei 
ihnen  festbleibenden  Eckpunkt  des   gegebenen  Tetraeders  in  gleichem 

Sinne  durch  -3-  |oder  durch  — ^)    zu    drehen    scheinen.      Zu    diesen 

8  Drehungen  und  der  Identität  treten  dann  noch  3  gleiehherechtigte 
Drehungen  von  der  Periode  2.  Es  sind  die  Umklappungen  um  die  3 
zu  einander  rechtwinkeligen  Oktaederdiagonalen,  welch'  letztere  jetzt 
unter  einander  als  gleichberechtigt  erscheinen ^  weil  sie  bei  jeder 
Drehung  von  der  Periode  3  unter  einander  permutirt  werden.  Mit  der 
Identität  zusammen  bilden  die  3  in  Rede  stehenden  Drehungen  offAi- 
bar  eine  Vierergruppe. 

Wir  schliessen  sofort,  dass  die  hiermit  gewonnene  Vierergruppe  inner- 
halb der  Tetraedergruppe  ausgezeichnet  ist.  Denn  die  3  unter  sich 
gleichberechtigten  Oktaederdiagonalen  bleiben  alle  bei  den  Drehungen 
der  Vierergruppe,  und  nur  bei  ihnen,  ungeändert.  Wir  können  also 
die  Tetraedergruppe  in  der  Art  zerlegen,  dass  wir  zunächst  zur  Vierer- 
gruppe hinabsteigen  und  dann  diese  im  Sinne  des  vorigen  Paragraphen 


and  die  Gruppentheorie.  15 

weiter  behandeln.  Ich  unterlasse  es,  zu  beweisen,  dass  eine  andere 
Zerlegung  der  Tetraedergruppe  nicht  möglich  ist,  und  dass  überhaupt 
ausser  der  Vierergruppe  innerhalb  der  Tetraedergruppe  keine  anderen 
Untergruppen  vorhanden  sind,  als  die  einfachen  cyclischen  Gruppen, 
die  durch  Wiederholung  einer  einzelnen  Drehung  erwachsen*). 

Betrachten  wir  noch  die  Art  und  Weise,  wie  sich,  bei  den  Te- 
traederdrehungen, die  4  Würfeldiagonalen  (die  wir  kurz  als  1,  2,  3,  4 
benennen  wollen)  permutiren.  Zunächst  haben  wir  den  evidenten  Satz, 
dass  bei  keiner  Tetraederdrehung  (von  der  Identität  abgesehen)  die 
4  Würfeldiagonalen  sämmtlich  ungeändert  bleiben.  Es  giebt  also  auch 
keine  2  Tetraederdrehungen,  welche  dieselbe  Permutation  der  4  Würfel- 
diagonalen erzeugten.  Datier  ist  die  Gruppe  der  Tetraederdrehungen  mit 
der  Gruppe  der  zugehörigen  Vertauschungen  der  Würfeldiagonalen  holo- 
'  edrisch  isomorph^*).  Insbesondere  sehen  wir^  dass  den  Drehungen  der 
ausgezeichneten  Vierergruppe  die  folgenden  Anordnungen  der  4  Diago- 
nalen entsprechen: 


1, 

2, 

3, 

4; 

2, 

1, 

4, 

3; 

3, 

4, 

1, 

2; 

4, 

3, 

2, 

1. 

Zu  ihnen  treten,  wenn  wir  zu  den  übrigen  Tetraederdrehungen  schreiten, 
noch  solche  8  hinzu,  die  sich  jedesmal  durch  cyclische  Vertauschung 
von  3  der  4  Diagonalen  ergeben.  Wir  haben  damit,  wie  wir  sehen, 
genau  diejenigen  12  Vertauschungen  der  4  Diagonalen  erzielt,  welche 
man  als  die  geraden  Vertauschungen  zu  bezeichnen  pflegt. 

§  7.    Die  Gruppe  der  Oktaederdrehtingen. 

Bei  der  Gruppe  der  Oktaederdrehungen  haben  wir,  wie  bereits 
angedeutet,  im  Wesentlichen  dieselbe  Configuration  zu  Grunde  zu  legen, 
wie  beim  Tetraeder.  Wir  wollen  nur  noch  (auf  unserer  Kugel)  die 
12  Punkte  markiren,  die  'den  Kantenhalbirungspunkten  des  Oktaeders 


*)  Theoretisch  zu  reden  erzeugt  man  alle  Untergruppen  einer  gegebenen 
Gruppe,  indem  man  zunächst  die  im  Texte  genannten  cyclischen  Gruppen  alle 
bildet  und  nun  von  diesen  der  Reihe  nach  je  zwei,  je  drei  etc.  mit  einander 
combinirt.  In  jedem  einzelnen  Falle  kann  ein  solches  Verfahren  natürlich  durch 
zweckmässige  Ueberlegungen  bedeutend  abgekürzt  werden. 

**)  Man  vergleiche  hiermit  das  Verhalten  der  3  Oktaederdiagonaleo.  Die- 
selben werden,  weil  sie  Iffei  den  Operationen  der  Vierergruppe  ungeändert  bleiben, 
bei  den  12  Tetraederdrehungen  nur  auf  3  Weisen,  nämlich  cyclisch,  vertauscht. 
Mit  der  von  diesen  Vertauschungen  gebildeten  Gruppe  ist  dann  die  Tetraeder- 
gruppe meriedrisch  isomorph. 


16  I,  1.    Die  regulären  Körper 

entsprechen,  und  die  6  Durchmesser  construiren,  welche  je  2  dieser 
Punkte  enthalten.  Diese  6  Durchmesser  nennen  wir  die  Querlinien 
der  Figur. 

Natürlich  enthält  die  Oktaedergruppe  die  12  Drehungen  der  Te- 
traedergruppe in  sich,  und  zwar,  wie  wir  vornherein  sagen  können,  als 
ausgezeichnete  Untergruppe.  Denn  die  8  Ecken  des  Würfels  lassen 
sich  nur  auf  eine  Weise  auf  Tetraeder  und  Gegentetraeder  vertheilen, 
und  letztere  bleiben  gemeinsam  bei  den  12  in  Rede  stehenden  Drehungen 
ungeändert.  Hierüber  hinaus  treten  dann  noch  12  weitere  Drehungen 
hinm,  welche  Tetraeder  und  Gegentetraeder  mit  einander  vertauschen,  so 
dass  die  Oktaedergruppe  im  Ganzen  24  Drehungen  umfasst  Es  sind  dies 
erstens    6,  unter  sich   gleichberechtigte,  Drehungen    durch  ji   um   die 

6   Querlinien    der    Figur,*   dann    6   Drehungen    durch   +  —  (also    von 

der  Periode  4)  um  die  3  Oktaederdiagonal eü.  Auch  letztere  Drehungen 
erweisen  sich  als  unter  einander  gleichberechtigt.  Denn  die  4  Drehungen, 
bei  denen  nunmehr  di^  einzelne  Oktaederdiagonale  fest  bleibt,  partici- 
piren  jetzt  als  ausgezeichnete  Untergruppe  je  an  einer  Diedergruppe 
von  8  Drehungen.  Ebenso  sind  jetzt  die  beiden  Drehungen  von  der 
Periode  3  um  die  einzelne  Würfeldiagonale,  und  also  überhaupt  alle 
Drehungen  von  der  Periode  3  gleichberechtigt.  Denn  jede  Würfel- 
diagonale ist  Hauptaxe  einer  Diedergruppe  von  6  Drehungen  geworden. 
Die  Drehungen  von  der  Periode  2  dagegen  sondern  sich  in  zwei  scharf 
geschiedene  Kategorien,  je  nachdem  bei  ihnen  eine  Oktaederdiagonale 
oder  eine  Querlinie  festbleibt.  Die  Zerlegung  der  Oktaedergruppe  ge- 
stalten wir  natürlich  in  der  Weise,  dass  wir  zunächst  zur  Tetraeder- 
gruppe hinabsteigen,  dann  weiter  zur  Vierergruppe  etc.  etc.  Eine 
andere  Art  der  Zerlegung  giebt  es  nicht,  wie  wir  denn  auch  vor- 
stehend alle  in  der  Oktaedergruppe  enthaltenen  Untergruppen  auf- 
geführt haben. 

Wir  constatiren  endlich,  dass  sich  die  Würfeldiagonalen  1,  2,  3,  4 
bei  den  24  Drehungen  der  Oktaedergruppe  auf  24  Weisen  permutiren. 
Die  OMaedergruppe  ist  also  mit  der  Gesammtheit  der  Vertauschungen  von 
4  Elementen  holoedrisch  isomorph. 

§  8.    Die  Gnippe  der  Ikosaederdrehnngen. 

Die  Gruppe  des  Ikosaeders,  zu  der  wir  uns  jetzt  wenden,  ist  für 
uns  unter  den  anderen  zumal  auch  deshalb  die  ijjjteressanteste,  weil  sie, 
wie  wir  zeigen  werden,  im  Gegensatze  zu  den  Gruppen  des  Dieders, 
Tetraeders  und  Oktaeders,  einfach  ist.  Sie  theilt  diese  Eigenschaft  mit 
denjenigen  cyclischen  Rotationsgruppen,  deren  Grad  eine  Primzahl  ist. 


und  die  Gruppentheorie.  17 

Behufs  Untersuchung  der  Ikosaedergruppe  denken  wir  uns  auf 
unserer  Kugelfläche  zu  den  12  Ikosaedereckpunkten,  wie  wir  schon 
sagten,  die  20  Eckpunkte  des  zugehörigen  Pentagondodekaeders  (die 
den  Mittelpunkten  der  Seitenflächen  des  Ikosaeders  entsprechen)  hinzu- 
construirt,  übrigens  aber  auch  die  30  Punkte,  welche,  auf  der  Kugel, 
den  Kantenhalbirungspunkten  des  Ikosaeders  correspondiren.  Die  12 
Ikosaedereckpunkte  vertheilen  sich  paarweise  auf  6  Durchmesser,  welche 
wir  kurz  als  Diagonalen  des  Ikosaeders  bezeichnen  wollen.  Ebenso 
reden  wir,  den  20  Eckpunkten  des  Pentagondodekaeders  entsprechend, 
von  10  Diagonalen  des  Pentagondodekaeders  und  endlich  von  15,  die 
Kantenhalbirungspunkte  zu  je  zwei  enthaltenden   Querlinien. 

Wir  überzeugen  uns  zunächst,  dass  die  Gesantmtzahl  der  Ucosaeder- 
drehungm  60  beträgt  In  der  That  bleibt  jeder  der  12,  offenbar  unter 
sich  gleichberechtigten,  Ikosaedereckpunkte  im  Ganzen  bei  5  Drehungen 
ungeändert.  Wir  haben  damit  zugleich  (indem  wir  die  identische 
Drehung  natürlich  jeweils  bei  Seite  lassen),  jeder  der  6  Ikosaeder- 
diagonalen  entsprechend,  4  Drehungen  von  der  Periode  5,  überhaupt 
also  24  derartige  Drehungen.  In  demselben  Sinne  liefern  die  10  Dia- 
gonalen des  Petagondodekaeders  10  •  2  =  20  Drehungen  von  der  Periode  3 
und  die  15  Querlinien  15  Drehungen  von  der  Periode  2,  womit,  wenn 
wir  noch  die  Identität  zuzählen,  die  Gesammtheit  der  60  Drehungen 
erschöpft  ist; 

24  +  20  +  15  H-  1  =  60. 

Von  den  hiermit  aufgezählten  Drehungen  erweisen  sich  die  15  der 
Periode  2,  und  ebenso  die  20  von  der  Periode  3,  beziehungsweise  als 
gleichberechtigt;  denn  die  15  Querlinien  und  die  10  Diagonalen  des 
Pentagondodekaeders  sind  es,  und,  ob  wir  um  eine  dieser  Diagonalen 

durch  -r-  oder  -r-  drehen,  kommt  insofern  für  die  Gesammtgruppe 

auf  dasselbe  hinaus,  als  ihre  beiden  Endpunkte  wiederum  gleich- 
berechtigt sind.  Auf  Grund  derselben  Ueberlegungen  trennen  sich  die 
Drehungen  von  der  Periode  5  in  zwei  Kategorien  von  je  12  gleich- 
berechtigten.   Die  erste  Kategorie  umfasst  alle  Rotationen,  welche  um 

eine  der  Ikosaederdiagonalen  durch  einen  Winkel  gleich  +  -7-^  drehen, 

die  andere  diejenigen,  deren  Drehwinkel  +  -r—  beträgt. 

Mit  diesen  Angaben  haben  wir  zugleich  die  cyclischen  Untergruppen 
bestimmt,  die  in  der^  Ikosaedergruppe  enthalten  sind.  Es  giebt,  wie 
man  sieht,  15  derartige  Gruppen  w  =  2,  10  Gruppen  w  =  3,  6  Gruppen 
w  =  5;  cyclische  Gruppen  desselben  n  sind  immer  gleichberechtigt. 

Diese  Angaben  genügen  bereits,  um  die  Einfachheit  der  Ikosaeder- 

Klein,  Gleichungen  5.  Grades.  '  2 


13  I,"  1-    Die  regulären  Körper 

gruppe  zu  beweisen.  Gäbe  es  nämlich  eine  ausgezeichnete  Untergruppe, 
so  müsste  diese  von  den  cyclischen  Gruppen  n  =  2  (weil  diese  gleich- 
berechtigt sind)  entweder  alle  oder  keine  enthalten,  ebenso  von  den 
cyclischen  Gruppen  w  =  3  oder  n  =  b  alle  oder  keine.  Aber  die 
Gruppen  n  =  2,  3,  5  bringen  beziehungsweise  15,  20,  24  von  der 
Identität  verschiedene  Operationen  mit  sich.  Bezeichnen  wir  also  mit 
-j^,  rj',  'Y\"  drei  Zahlen,  welche  0  oder  1  bedeuten  können,  so  wird  die 
Anzahl  der  Operationen  innerhalb  der  vorausgesetzten  ausgezeichneten 
Untergruppe 

1  +  15  •  t?  -f  20  •  »j'  +  24  •  t?" 

betragen.  Nun  muss  aber  diese  Zahl,  wie  wir  früher  bemerkten,  ein 
Theiler  des  Grades  der  Gesammtgruppe,  also  von  60  sein.  Dies  giebt 
nothwendig  entweder: 

ii\  =  ri   =  'Y\"  =  0, 
wodurch  unsere  Untergruppe  mit  der  Identität  zusammenfällt,  oder: 

was  heisst,  dass  die  Untergruppe  von  der  Gesammtgruppe  nicht  ver- 
schieden ist.  Die  Ikosaedergruppe  ist  also  in  der  That  einfach^  w.  z.  b.  w. 

Nach  den  cyclischen  Untergruppen  finden  wir  beim  Ikosaeder,  wie 
ein  Blick  auf  das  Modell  lehrt,  an  weiteren  Untergruppen  zunächst 
6  gleichberechtigte  Biedergruppen  n  =  b  und  10  gleichberechtigte  Dieder- 
gruppen  w  ==  3.  Erstere  haben  die  Diagonalen  des  Ikosaeders,  letztere 
die  des  Pentagondodekaeders  zu  Hauptaxen;  die  zugehörigen  Neben- 
axen  finden  sich  jeweils  unter  den  15  Querlinien.  Man  könnte  glauben, 
dass  sich  in  ähnlicher  Weise  den  15  Querlinien  entsprechend  15  Dieder- 
gruppen,  deren  n=2,  d.  h.  Vierergruppen  ergeben  würden.  Hier  kommt 
jedoch  der  Umstand  zur  Geltung,  dass  bei  der  Vierergruppe  die  Hauptaxe 
mit  den  beiden  Nebenaxen  gleichwerthig  ist.  Dem  entprechend  erhalten 
wir  nur  5,  unter  sich  gleichberechtigte  Vierergruppen.  Dieselben  cor- 
respondiren  einzeln  den  5  rechtwinkeligen  Tripeln,  auf  welche  man 
die  15  Querlinien  vertheilen  kann. 

Mit  diesen  Vierergruppen  haben  wir  diejenige  Eigenschaft  des 
Ikosaeders  getroffen,  die  uns  in  der  Folge  am  allermeisten  interessiren 
wird.  Da  sich,  wie  gesagt,  aus  den  15  Querlinien  nur  5  rechtwinkelige 
Tripel  bilden  lassen,  so  muss  jedes  dieser  Tripel  nicht  nur  bei  den 
Drehungen  der  zugehörigen  Vierergruppe,  sondern  im  Ganzen  bei  12 
Ikosaederdrehungen  ungeändert  bleiben.  Es  zeigt  sich,  dass  diese 
Drehungen  je  eine  Tetraedergruppe  bilden.  In  det  That,  die  8  Ecken 
des  Würfels,  der  zu  dem  einzelnen  von  uns  in  Betracht  zu  ziehenden 
rechtwinkeligen  Tripel  gehört,  finden  sich  allemal  unter  den  20  Ecken 


und  die  Gruppentheorie.  *  19 

• 
des   Pentagondodekaeders*).     Es  finden  sich  also   innerhalb   der  Iko- 

saedergruppe  eo  ipso  jene  8  Rotationen  von  der  Periode  3  vor,  welche, 
zusammen  mit  den  Drehungen  der  zu  Grunde  liegenden  Vierergruppe, 
eine  Tetraedergruppe  ausmachen.  —  Noch  wollen  wir  ausdrücklich 
constatiren,  dass  die  5  so  gefundenen  Tetraedergruppen  gleich- 
berechtigt sind. 

Indem  wir  wieder  den  Beweis  übergehen,  dass  es  ausser  den  auf- 
gezählten keine  weiteren  Untergruppen  der  Ikosaedergruppe  giebt, 
gedenken  wir  nur  noch  des  Isomorphismus,  der  sich  für  die  Ikosaeder- 
gruppe aus  der  Existenz  der  besprochenen  5  rechtwinkeligen  Tripel 
ergiebt.  Es  zeigt  sich,  dass  bei  jeder  Drehung  von  der  Periode  5  diese 
Tripel  je  in  bestimmter  Reihenfolge  cyclisch  vertauscht  werden.  Bei 
jeder  Drehung  von  der  Periode  3  dagegen  bleiben  2  der  Tripel  un- 
geändert,  und  nur  die  anderen  3  vertauschen  sich  im  Cyclus.  Endlich 
ergiebt  sich,  dass  bei  jeder  Drehung  von  der  Periode  2  eins  der  Tripel 
ungeändert  bleibt,  während  die  anderen  4  sich  paarweise  vertauschen. 
Auf  solche  Art  erweist  sich  die  Gruppe  der  60  IJcosaederdrehimgen  mit 
der  Gruppe  der  60  geraden  Vertauschungen  von  5  Dingen  holoedrisch 
isomorph. 

Wir  hätten  natürlich,  hier  wie  in  den  früheren  Fällen,  den  jedes- 
maligen Isomorphismus  unserer  Gruppen  mit  gewissen  Gruppen  von 
Buchstabenvertauschungen  voranstellen  und  dann  die  Resultate,  welche 
man  betreffs  letzterer  Gruppen  in  den  Lehrbüchern  findet,  auf  erstere 
übertragen  können.  Nun  wir  unsere  Gruppen  direct,  d.  h.  an  den 
Figuren  selbst,  untersucht  haben,  wird  es  eine  nützliche  Uebung  sein, 
die  von  uns  gewonnenen  Ergebnisse  mit  den  für  die  isomorphen  Gruppen 
bekannten  Eigenschaften  zu  vergleichen. 

§  9.    Ueber  die  Symmetrieebenen  unserer  Configurationen. 

Für  den  weiteren  Fortgang  unserer  Entwicklungen  ist  es  nützlich, 
die  jedesmaligen  Symmetrieebenen  unserer  Configurationen  zu  construiren, 
d.  h.  diejenigen  Ebenen,  hinsichtlich  deren  die  Configuration  ihr  eigenes 
Spiegelbild  ist,  und  dann  die  Kugeltheilung  in  Betracht  zu  ziehen,  welche 
durch  diese  Ebenen  vermittelt  wird. 

Beim  Dieder  können  wir  ausser  der  Aequatorebene  noch  n  weitere 
Symmetrieebenen  construiren,  nämlich  diejenigen  Ebenen,  welche  ausser 
der  Hauptaxe  noch  je  eine  Nebenaxe  enthalten.    Durch  diese  {n  -\-  1) 


*)  Man  sieht  gelegentlich  (in  älteren  Samminngen)  Modelle  von  5  Würfeln, 
die  sich  derart  durchdringen,  dass  ihre  5  •  8  =  40  Ecken  paarweise  zusammen- 
fallen und  die  20  Ecken  eines  Pentagondodekaeders  vorstellen. 

2* 


20  I»  1-    Die  regulären  Körper 

Ebenen  wird  die  Kugel  in  An  congruente,  gleiehschenkelige  Dreiecke 

zerlegt ,    welche    2    Winkel    =    —    und    einen    Winkel    =  —    haben. 

Von  solchen  Dreiecken  stossen  in  jedem  Diedereckpunkte,  Wie  in  jedem 
Kantenhalbirungspunkte  4,  in  jedem  der  beiden  Pole  2n  unter  resp. 
gleichen  Winkeln  zusammen. 

Beim  regulären  Tetraeder  existiren  6  Symmetrieebenen,  nämlich 
diejenigen  Ebenen,  welche,  durch  eine  Kante  des  Tetraeders  hindurch- 
laufend, auf  der  gegenüberstehenden  Kante  senkrecht  sind.  Man  denke 
sich  einen  Augenblick  das  eigentliche  Tetraeder,  von  4  Ebenen  begrenzt, 
im  Räume  gelegen.  Offenbar  wird  jedes  der  4  in  diesen  Ebenen  ge- 
legenen gleichseitigen  Dreiecke  durch  3  der  Symmetrieebenen  ver- 
möge seiner  3  Höhen  in  6  abwechselnd  congruente  und  symme- 
•  trische  Dreiecke  zerlegt.  Uebertragen  wir  jetzt  diese  Eintheilung  durch 
Centralprojection  auf  die  Kugel,  so  haben  wir  auf  dieser  24  ab- 
wechselnd   congruente    und    symmetrische    Dreiecke,    deren    jedes    die 

Winkel  y?  y?  y  aufweist,  und  welche  in  den  Ecken  des  ursprüng- 
lichen Tetraeders,  wie  auch  in  den  Ecken  des  Gegentetraeders  zu  je  6, 
in  den  Ecken  des  zugehörigen  Oktaeders  zu  je  4  unter  resp.  gleichen 
Winkeln  zusammenstossen. 

Beim  regulären  Oktaeder  treten  den  Symmetrieebenen  des  Tetrae- 
ders, die  als  solche  erhalten  bleiben,  noch  3  weitere  hinzu:  diejenigen 
Ebenen,  welche  von  den  3  Oktaederdiagonalen  2  enthalten.  Durch 
die  so  gewonnenen  9  Ebenen  wird  dann  die  aus  8  gleichseitigen  Drei- 
ecken bestehende  Oberfläche  des  Oktaeders  (das  wir  uns  einen  Augen- 
blick auch  als  eigentlichen  Körper  frei  im  Räume  gelegen  denken 
wollen)  ganz  ähnlich  zerlegt,  wie  soeben  die  Oberfläche  des  Tetraeders. 
Indem  wir  durch  Centralprojection  zur  Kugelfläche  übergehen,  erhalten 
wir  auf  dieser  48  abwechselnd  congruente  und  symmetrische  Dreiecke 

mit  den  Winkeln  g- ,  — ,  ~  ^  welche  zu  je  6  in  den  Ecken  des  zu- 
gehörigen Würfels,  zu  je  8  in  den  Ecken  des  Oktaeders,  zu  je  4  in 
den  Endpunkten  der  Querlinien  (den  Kantenhalbirungspunkten  des 
Oktaeders)  zusammenstossen.  Es  ist  dies  diejenige  Kugeltheilung,  welche 
in  der  Krystallographie  beim  sogenannten  Achtundvierzigflächner  wohl- 
bekannt ist. 

Beim  IJcosaeder  endlich  haben  wir  als  Symmetrieebenen  diejenigen 
15  Ebenen,  welche  2  der  6  Ikosaederdiagonalen  enthalten.  Dieselben 
zerlegen  die  20  gleichseitigen  Dreiecke,  welche  in  den  Begrenzungs- 
flächen des  körperlich  gedachten  Ikosaeders  gelegen  sind,  genau  in  der 
nun  schon  wiederholt  betrachteten  Weise.     Wir  erhalten  also  auf  der 


und  die  Gruppentheorie.  21 

Kugel  120  abwechselnd  congruente  und  symmetrische  Dreiecke,  deren 
Winkel  ^j  "t»  "5"  betragen,  und  die  in  den  Ecken  des  Pentagondo- 
dekaeders zu  je  6,  in  den  Ecken  des  Ikosaeders  zu  je  10  und  in  den 
Endpunkten  der  Querlinien  zu  je  4  zusammenstossen. 

Man  wolle  die  Aehnlichkeit  der  viererlei  so  erhaltenen  Resultate 
beachten.  Allemal  handelt  es  sich  um  eine  Zerlegung  der  Kugel  in 
abwechselnd  congruente  und  symmetrische  Dräecke*),  welche  zu  je  2v 
in  denjenigen  Punkten  der  Kugeloberfläche  zusammenstossen,  die  bei 
einer  cyclischen  Untergruppe  von  v  Drehungen  fest  bleiben.  Der  Zahlen  v 
gibt  es,  den  Ecken  des  einzelnen  Dreiecks  entsprechend,  in  jedem  Falle 
dreierlei.  Sie  erscheinen,  nach  ihrer  Grösse  geordnet,  in  folgender 
Tabelle  zusammengefasst,  welche  man  bei  den  späteren  Entwicklungen 
vor  Augen  halten  möge: 


"i 

"2 

»8 

Dieder 

2 

2 

n 

Tetraeder 

2 

3 

3 

Oktaeder 

2 

3 

4 

Ikosaeder 

2 

3 

5 

Zugleich  beachte  nian,  dass  die  Anzahl  der  Dreiecke  in  jedem  Falle 
doppelt  so  gross  ist  als  der  Grad  der  zugehörigen  Rotationsgruppe 
(den  wir  in  der  Folge  N  nennen  werden);  sie  beträgt  in  den  vier 
Fällen  resp.  4w,  24,  48,  120. 

Wir  vervollständigen  diese  Entwickinngen  noch  dadurch,  dass  wir 
auch  bei  den  cyclischen  Gruppen  gewisse  Ebenen  construiren,  welche 
wir  ihre  Symmetrieebenen  nennen.  Es  sollen  dies  einfach  solche  n 
durch  die  zugehörigen  Pole  hindurchlaufende  Ebenen  sein,  die  durch 
die  Drehungen  der  Gruppe  auseinander  hervorgehen.  Diese  Ebenen  zer- 
legen die  Kugel  in  2n  congruente  (oder,  wenn  man  lieber  will,  ab- 
wechselnd congruente  und   symmetrische)  Zweiecke  von    der  Winkel- 

öfl&iung   ~ ,  deren  jedes  sich  von  dem  einen  Pole  zum  anderen  hinzieht. 

§  10.    Allgemeine  Punktgruppen,  Pundamentalbereiohe. 

Wir  verwenden  nunmehr  die  Kugeltheilungen,  die  wir  gerade  ge- 
wonnen haben,  zum  näheren  Studium  unserer  Operationsgruppen.  Wir 


*)  Wenn  wir  oben  beim  Dieder  zunächst  nur  von  congruenten  Dreiecken 
sprachen,  so  ist  dies  kein  Widerspruch,  denn  wir  können  auch  bei  ihm  die  Drei- 
ecke als  abwechselnd  congruent  und  symmetrisch  bezeichnen,  insofern  es  sich  ja 
um  gleichschenkelige  Dreiecke  handelt. 


22  I,  !•    Die  regulären  Körper 

betrachten  zunächst  die  PunMgruppen,  welche  entstehen,  wenn  wir  einen 
beliebigen  Kugelpunkt  den  JV^  Drehungen  unserer  Gruppen  unterwerfen, 
und  die  wir  die  mr  Operationsgruppe  gehörigen  PunJctaggregate  (oder 
Punktgruppen)  nennen  wollen.  Dabei  wollen  wir,  um  zugleich  eine 
bessere  Vorstellung  und  eine  bequemere  Bezeichnung  zu  haben,  die 
auf  der  Kugel  abgegrenzten  Gebiete  abwechselnd  scJirafßrt  und  nicht 
schrafßrt  denken.  Von  vornherein  ist  ersichtlich,  dass  bei  den  Drehungen 
der  einzelnen  Gruppe  jedes  schraffirte  Gebiet  einmal  und  nur  einmal  in 
jedes  andere  schraffirte  Gebiet  übergeführt  wird,  und  ebenso  jedes  nicht 
schraffirte  Gebiet  einmal  und  nur  einmal  in  jedes  nicht  schraffirte  Gebiet. 
In  der  That  stimmt  die  Zahl  N  der  Drehungen,  wie  schon  bemerkt, 
allemal  mit  der  halben  Anzahl  sämmtlicher  Gebiete  überein.  —  Ist. 
jetzt  irgend  ein  Kugelpunkt  gegeben  (der  einem  schraffirten  oder  einem 
nicht  schraffirten  Gebiete  angehören  mag),  so  köntien  wir,  dank  unserer 
Gebietseintheilung,  ohne  weiteres  die  {N  —  1)  neuen  Lagen  angeben, 
die  er  vermöge  der  {N —  1)  von  der  Identität  verschiedenen  Drehungen 
unserer  Gruppe  annimmt;  es  sind  einfach  diejenigen  (N  —  1)  Punkte 
zu  markiren,  die  innerhalb  der  übrigen  {N  —  1)  schraffirten  oder  nicht 
schraffirten  Gebiete  genau  so  liegen,  wie  der  anfängliche  Punkt  in 
dem  ursprünglichen  Gebiete.  Im  Allgemeinen  sind  die  iV^  Punkte  der 
so  entstehenden  Punktgruppe  alle  verschieden;  sie  fallen  nur  dann  zum 
Theil  zusammen,  wenn  der  anfängliche  Punkt  in  eine  Eche  des  ihn 
umschliessenden  Gebietes  hineinrückt.  Stossen  in  dieser  Ecke  im  Ganzen 
V  schraffirte  (und  natürlich  ebenso  viele  nicht  schraffirte)  Gebiete  zu- 
sammen, so  wird  der  Punkt  bei  v  Drehungen  der  Gruppe  ungeändert 

bleiben  und  im   Ganzen  nur  —  verschiedene   Lagen   annehmen.     Die 

solchergestalt  entstehenden  besonderen  Punktgruppen  sind  keine  anderen, 
als  diejenigen,  die  wir  in  den  vorangehenden  Paragraphen  bei  Unter- 
suchung der  einzelnen  Gruppen  ohnehin  in  Betracht  gezogen  haben*). 
An  die  hiermit  construirten  Punktgruppen  knüpft  sich  eine  Be- 
griffsbildung, welche  uns  später  nützlich  wird.  Wir  beseichnen  als 
Fundamentalbereich  einer  Gruppe  von  Punhttransformationen  allgemein 
einen  solchen  Baumtheil,  der  von  jeder  zugehörigen  PunJctgruppe  einen  und 
nur  einen  PunM  enthält**).     Die  Randpunkte   eines   solchen  Bereiches 


*)  Wegen  der  allgemeinen  im  Texte  besprochenen  Punktgruppen  vergl.  das 
bereits  genannte  Werk  von  Hess,  wo  selbige  für  Zwecke  der  Polyedertbeorie  ver- 
wendet werden. 

**)  Vergl.  wegen  anderweitiger  Verwendungen  dieses  bei  allen  Anwendungen 
der  Gruppentbeorie  auf  Geometrie  wesentlichen  Begriffes  meine  „Neuen  Beiträge 
zur  Riemann'schen  Functionentheorie"  im  XXI,  Bande  der  Math.  Annalen  (1882). 


und  die  Gruppentheorie.  '  23 

sind  natürlich  vermöge  der  Transformationen  der  Gruppe  paarweise 
zusammengeordnet  und  können  demselben  nur  zur  Hälfte  zugerechnet 
werden.  —  Ich  sage  nun,  dass  wir  bei  unseren  Gruppen  als  Fundamental- 
bereich jedesmal  die  Zusammenstellung  eines  schraffirten  und  eines  an- 
grenzenden nicht  schraffirten  Gebietes  betrachten  dürfen.  In  der  That, 
wenn  wir  einen  Punkt  einmal  über  einen  so  definirten  Bereich  hin- 
wandern lassen,  so  überdecken  die  zugehörigen  Punktgruppen  gerade 
einmal  die  gesammte  Kugelfläche. 

§  11.    Die  erweiterten  Gruppen., 

Anknüpfend  an  die  Andeutungen  des  §  1  erweitern  wir  jetzt  die 
bisher  von  uns  betrachteten  Gruppen,  indem  wir  mit  den  Drehungen 
derselben  die  Spiegelungen  an  den  Symmetrieebeneti  der  jedesmaligen  Con- 
figuration  verbinden. 

Auch  hier  wieder  wird  uns  die  Kugeltheilung  des  §  10  von  Vor- 
theil.  In  der  That  erkennt  man  unmittelbar,  dass  das  einzelne  damals 
unterschiedene,  schraffirte  oder  nicht  schraffirte,  Gebiet  Fundamentalbereich 
der  erweiterten  Gruppe  ist,  und  dass  also  die  erweitsrte  Gruppe^  genau 
2N  Operationen  umfasst.  Was  den  Beweis  dieser  Behauptung  angeht, 
so  beachte  man  erstens,  dass  eine  Combination  der  bisher  betrachteten 
Drehungen  mit  der  Spiegelung  an  einer  einzigen  Symmetrieebene  ge- 
nügt, um  aus  jedem  unserer  schraffirten  Gebiete  jedes  nicht  schraffirte 
Gebiet  zu  machen.  Andererseits  überlege  man,  dass  eine  Umformung 
der  Kugel,  von  der  bekannt  ist,  dass  sie  eine  Drehung  ist,  oder  dass 
sie  aus  Verbindung  einer  Drehung  mit  einer  Spiegelung  erwächst,  voll- 
ständig bestimmt  ist,  sowie  wir  wissen,  dass  sie  eines  unserer  Gebiete 
in  ein  bestimmtes  anderes  überführt. 

Die  so  gewonnenen  Fundamentalbereiche  haben  im  Gegensatze  zu 
den  im  vorigen  Paragraphen  betrachteten  das  Besondere,  in  keiner 
Weise  mehr  willkürlich  zu  sein.  In  der  That  sind  ihre  Randpunkte 
von  vornherein  dadurch  definirt,  dass  jeder  bei  einer  bestimmten  Ope- 
ration der  erweiterten  Gruppe,  nämlich  bei  Spiegelung  an  einer  Sym- 
metrieebene, ungeändert  bleibt.  Wir  können  die  erweiterte  Gruppe 
erzeugen,  indem  wir  die  anfängliche  Rotationsgruppe  mit  der  Spiege- 
lung gerade  an  derjenigen  Symmetrieebene  verbinden,  in  welcher  der 
eben  betrachtete  Randpunkt  enthalten  ist.  Daher  sind  die  besonderen 
Gruppen  von  nur  N  Punkten,  welche  bei  Anwendung  der  erweiterten  Gruppe 
aus  den  RandpunJcten  der  Fundamentalbereiche  erwachsen,  zugleich  allge- 
meine Punktgruppen  im  Sinne  des  vorigen  Paragraphen.  Dabei  sind 
sie  unter  letzteren  Punktgruppen  die  einzigen,  die  zugleich  bei  den 
Operationen    der    erweiterten    Gruppe    ungeändert   bleiben.     Natürlich 


24  ■  I,  1.    Die  regulären  Körper 

finden  sich  unter  ihnen,  entsprechend  den  Ecken  der  Fundamental- 
bereiche,  des  Weiteren  die  speciellen  soeben  genannten  Punktgruppen 
von  —  Punkten  wieder. 

V 

Wir  würden  jetzt  unsere  neuen,  die  erweiterten  Gruppen,  in  dem- 
selben Sinne  gruppentheoretisch  untersuchen  können,  wie  wir  dies  in 
den  vorhergehenden  Paragraphen  bei  den  ursprünglichen  Gruppen  aus- 
geführt haben.  Ich  möchte  eine  solche  Discussion  dem  Leser  als  eine 
geeignete  üebungsaufgabe  empfehlen  und  beschränke  mich  hier  in  dieser 
Richtung  nur  auf  folgende  Angabe:  Selbstverständlich  ist  innerhalb 
der  erweiterten  Gruppe  die  ursprüngliche  Gruppe  jedesmal  au.sgezeichnet 
enthalten.  Aber  ausserdem  enthalten  die  erweiterte  Oktaeder-  und  Iko- 
saedergruppe,  sowie  die  erweiterte  Diedergruppe  bei  geradem  n  eine 
ausgezeichnete  Untergruppe  von  nur  2  Operationen.  Dieselbe  er- 
wächst durch  zweimalige  Anwendung  derjenigen  Transformation,  welche 
jeden  Kugelpunkt  durch  den  diametral  gegenüberliegenden  ersetzt*). 

§   12.    Erzeugung  der  Ikosaedergruppe. 

Bfei  unseren  bisherigen  Gruppenbetrachtungen  dachten  wir  uns  die 
einzelnen  Gruppen  fertig  gegeben  und  suchten  gleichmässigen  Ueber- 
blick  über  ihre  verschiedenen  Operationen  und  deren  gegenseitige 
Stellung  zu  gewinnen.  In  der  Folge  wird  aber  ein  mehr  einseitiges 
Verfahren  von  praktischer  Bedeutung  werden.  Es  wird  sich  darum 
handeln,  die  Gruppen  durch  geeignete  erzeugende  Operationen  einzuführen, 
d.  h.  Operationen  anzugeben,  aus  denen  durch  Wiederholung  und  Com- 
bination  die  jedesmalige  Gruppe  entsteht. 

Wir  behandein  in  diesem  Sinne  voran  die  Gruppe  der  Ikosaeder- 
drehungen,  indem  wir  dabei  noch  einmal  die  Gebietseintheilung  des 
§  9,  bez.  die  Fundamentalbereiche  des  §  10  verwerthen.  Das  Princip, 
welches  wir  dabei  zu  Grunde  legen,  haben  wir  implicite.  bereits  im 
vorhergehenden  Paragraphen  verwandt.  Da  jeder  Fundamentalbereich 
einer  Gruppe  aus  jedem  anderen  nur  je  durch  eine  Operation  der  Gruppe 
gewonnen  wird,  so  können  wir  die  verschiedenen  Fundamentalbereiche 
durch  die  Operationen  benennen,  vermöge  deren  sie  aus  einem  beliebigen 


*)  Als  besonders  merkwürdig  will  ich  noch  anführen,  dass  die  aus  48  Opera- 
tionen bestehende  erweiterte  Oktaedergruppe  dreierlei  ausgezeichnete  Untergruppen 
von  24  Operationen  enthält.  Es  sind  dies  zunächst,  wie  selbstverständlich,  die 
ursprüngliche  Oktaedergruppe  und  die  erweiterte  Tetraedergruppe,  dann  aber  die- 
jenige Gruppe,  welche  durch  Verbindung  der  ursprünglichen  Tetraedergruppe  mit 
der  gerade  im  Texte  genannten  Operation  entsteht.  Nur  letztere  Gruppe,  nicht 
aber  die  „erweiterte"  Tetraedergruppe,  ist  Untergruppe  der  „erweiterten"  Iko- 
saedergruppe. 


und  die  Gruppentheorie.  25 

unter  ihnen,  den  wir  als  Ant'angsbereich  mit  1  bezeichnen,  hervor- 
gehen. Indem  wir  diese  Benennung  durchführen,  gewinnen  wir  damit 
von  selbst  eine  Aufzählung  aller  Operationen  der  Gruppe*). 

Wir  wollen  uns,  der  bequemeren  Ausdrucks  weise  halber,  das 
Ikosaeder  so  gestellt  denken,  dass  eine  seiner  Diagonalen  vertical  ver- 
läuft.    Als   ersten  Fundamentalbereich   wählen   wir  dann  eines   der  5 

gleichschenkeligen  Dreiecke,  die,  mit  den  Winkeln  —— ,  — ,  -—  aus- 
gestattet, auf  der  Kugel  um  den  obersten  Eckpunkt  des  Ikosaeders 
herumgruppirt  sind:  ein  solches  Dreieck  ist  ein  Fundamentalbereich 
der  Ikosaedergruppe,  weil  es  aus  zwei  nebeneinander  liegenden  Drei- 
ecken der  in  §  9  gegebenen  Kugeltheilung  zusammengesetzt  ist.  Die 
5  in  Rede  stehenden  gleichschenkoligen  Dreiecke  bilden,  wollen  wir 
sagen,  ein  erstes  Fünfeck  des  zum  Ikosaeder  gehörigen  Pentagondo- 
dekaeders. Diejenige  Dreiecksseite,  welche  zugleich  Fünfecksseite  ist, 
bezeichnen  wir  als  die  betr.  Grundlinie. 

Jetzt  benennen  wir  die  in  bestimmter  Richtung  durch  einen  Winkel 

2n 
=  ——  erfolgende  Drehung  um  die  vertical  gestellte  Ikosaederdiagonale 

mit  S.  So  werden  die  genannten  5  Fundamentalbereiche  in  ihrer  natür- 
lichen Reihenfolge  aus  dem  ersten  derselben  durch  die  Rotationen: 

1,  S,  S\  S',  Ä* 
hervorgehen,  wir  werden  die  Bereiche  also  mit  den  Symbolen: 

S^,    11  =  0,1,  2,  3,  4, 
bezeichnen. 

Wir  nehmen  nunmehr  eine  zweite  Ikosaederdrehung,  T,  von  der 
Periode  2  hinzu.  Es  soll  dies  die  Umklappung  um  diejenige  Quer- 
linie des  Ikosaeders  sein,  deren  einer  Endpunkt  der  Halbirungspunkt 
der.  Grundlinie  von  1  ist.  Durch  dieses  T  verwandeln  sich  unsere 
5  Bereiche  ä"  in  die  Bereiche  /S"  T,  welche  zusammengenommen  wieder 
ein  Fünfeck  unseres  Pentagondodekaeders  ausmachen,  und  zwar  das- 
jenige, welches  mit  dem  ersten  soeben  betrachteten  Fünfecke  die  Grund 
linie  des  ersten  Fundamentalbereichs  gemein  hat.  Indem  wir  nun  wieder 
die  Operationen  S,  S^,  S^,  /S*  in  Anwendung  bringen,  erhalten  wir 
aus  dem  neuen  Fünfecke  die  übrigen  4  an  das  erste  Fünfeck  heran- 
reichenden. Daher  sind  die  Fundamentalhereiche  derjenigen  5  Fünfecke, 
welcJie  das  erste  umgehen,  durch 

S^TS%    0,  v  =  0,  1,  2,3,4), 
vorgestellt. 

*)  Man  vergleiche  hier  die  bereits  genannten  „Gruppentheoretischen  Studien" 
von  Hrn.  Dyck  im  20.  Bande  der  Mathem.  Annalen.  Es  wird  dort  das  im  Texte 
ausgesprochene  Princip  für  allgemeine  Zwecke  der  Gruppentheorie  verwendet. 


26  I)  1-    Die  regulären  Körper 

Es  soll  jetzt  mit  TJ  eine  dritte  Ikosaederdrehung,  ebenfalls  von 
der  Periode  2,  bezeichnet  sein,  von  der  wir  allerdings  sehen  werden, 
dass  sie  keine  unabhängige  Bedeutung  besitzt,  sich  vielmehr  aus 
den  beiden  5,  T  zusammensetzt.  Die  Axe  von  TJ  soll  mit  einer  der 
horizontal  verlaufenden  Querlinien  zusammenfallen,  und  zwar  wollen  wir, 
damit  Alles  bestimmt  sei,  insbesondere  diejenige  horizontale  Querlinie 
wählen,  welche  senkrecht  zur  Axe  von  T  steht.  Offenbar  verwandelt 
die  so  bestimmte  Drehung  U  die  bisher  betrachteten  6  oberen  Fünf- 
ecke des  Pentagondodekaeders  in  die  6  noch  fehlenden  unteren  Fünf- 
ecke desselben.  Daher  haben  wir  ohne  Weiteres,  dass  die  30  noch 
fehlenden  Fundamentalhereiche  der  Ikosaedergruppe  durch  folgende  Be- 
nennungen gegeben  sind: 

S^'ü,  S^TS'U,    iii,  v==0,  1,  2,  3,  4). 

Von  den  Fundamentalbereichen  gehen  wir  nunmehr  zu  den  Drehungen 
zurück.  Dann  haben  wir  den  Satz,  dessen  Ableitung  bei  unserer  jetzigen 
Betrachtung  der  Zielpunkt  war,  dass  nämlich  die  60  Drehungen  der 
Ikosaedergruppe  durch  folgendes  Schema  gegeben  sind: 

Sf",  S^^TS%  Ä."f7,  S^'TS'U,    ifi,  v  =  0,  1,  2,  3,  4). 

Hier  bilden  die  Rotationen 

die    zur    verticalen    Diagonale    des   Ikosaeders    gehörige   Diedergruppe 
n  =  5,  und  die  Drehungen: 

T,  U,  TU 

ergeben,    mit   der    Identität    zusammengenommen,    eine    der    5    beim 
Ikosaeder  auftretenden  Vierergruppen. 

Entwirft  man  sich,  wie  es  zum  vollen  Verständnisse  der  hier  ent- 
wickelten Sätze  unerlässlich  scheint,  eine  Figur,  oder  operirt  man, 
was  noch  bequemer  ist,  mit  einem  Modelle  des  Ikosaeders,  auf  welchem 
man  die  verschiedenen  Fundamentalbereiche  abgrenzt  und  die  zu- 
gehörigen Benennungen  einträgt,  so  kann  man  natürlich  sofort  alle 
Operationen  ablesen,  welche  irgend  eine  Untergruppe  der  Ikosaeder- 
gruppe ausmachen.  Man  hat  nur  diejenigen  Fundamentalbereiche  zu 
markiren,  welche  aus  dem  Bereiche  1  durch  die  Operationen  der  Unter- 
gruppe hervorgehen*). 


*)  Z.  B.  finde  ich  für  die  Tetraedergruppe,    welche  die    gerade  angegebene 
Vierergruppe  umfasst: 

1,  T,      STS^,      S-'TS,      S^TS\      S*TS\ 
U,  TU,  STS^U,  S^TSU,  S^TS^U,  S*TS^U. 


und  die  Gruppentheorie.  27 

Es  erübrigt  noch,  dass  wir  U,  wie  in  Aussicht  gestellt,  durch 
eine  Qombination  von  'S  und  T  erzeugen.  Wir  unterwerfen  zu  dem 
Zwecke  etwa  den  Fundamentalbereich  S^TS^  der  Operation  T.  So 
entsteht  ein  Fundamentalbereich  S'^^TS^T,  der  einem  der  Fünfecke  der 
unteren  Hälfte  angehört.  Aber  denselben  Bereich  haben  wir  bisher 
(wie  ein  Blick  auf  die  Figur  zeigt)  TS'^TJ  genannt.    Daher  ist: 

In  dieser  Gleichung  betrachten  wir  ü  als  die  Unbekannte.  Wir  lösen 
die  Gleichung,  indem  wir  auf  beiden  Seiten  linker  Hand  zunächst  mit 
T  und  dann  mit  S^-  multipliciren,  und  dabei  T^  =  1,  S^  =  1  berück- 
sichtigen.   Auf  solche   Weise  kommt: 

und  dies  ist  die  von  uns  gewünschte  Relation. 

§  13.    Erzeugung  der  anderen  Kotationsgruppen. 

Was  die  Erzeugung  der  anderen  Rotationsgruppen  angeht,  so 
kann  dieselbe  ohne  Weiteres  mit  denselben  Mitteln  erfolgen,  die  wir 
jetzt  beim  Ikosaeder  in  Anwendung  brachten.  Aber  bei  den  ersten 
derselben,  den  cyclischen  und  den  Dieder-Gruppen,  liegt  die  Sache 
noch  so  einfach,  dass  wir  keiner  besonderen  Methode  bedürfen,  und 
bei  Tetraeder  und  Oktaeder  ziehen  wir  in  der  Folge  vor,  eine  Er- 
zeugung zu  benutzen,  die  der  früher  angegebenen  Zerlegung  dieser 
Gruppen  parallel  läuft.  Ich  stelle  die  betreffenden  Resultate,  die  leicht 
zu  verificiren  sind,  hier  ohne  besondere  Ableitung  zusammen. 

Was  zunächst  die  cyclischen  Gruppen  angeht,  so  werden  deren 
Operationen  selbstverständlich  durch  die  Symbole: 

Ä^  {^  =  0, 1, 2, ...,  (w-i)), 

gegeben  sein,  wo  S .die  Drehung  durch  den  Winkel  bedeutet.    Wir 

erhalten  die  Gruppe  der  Dieders,  wenn  wir  irgend  eine  ümklappung  T 
um  eine  der  Nebenaxen  des  Dieders  hinzunehmen,  und  also  den  Opera- 
tionen S^  die  anderen: 

Ä^'T,  (^  =  0,  1,  2,...,  (t^-l)), 

hinzufügen.  Insbesondere  stellen  sich  jetzt  die  Operationen  der  Vierer- 
gruppe (in  üebereinstimmung  mit  der  soeben  gemachten  Angabe)  durch 
folgendes  Schema  dar: 

1,  S,  T,  ST. 
Von  der  Vierergruppe  steigen  wir  nunmehr  zur  Tetraedergruppe  auf,  in- 
dem wir  irgend  eine  der  zugehörigen  Drehungen  von  der  Periode  3,  die 


28  I,  1.    Die  regulären  Körper  und  die  Gruppentheorie. 

wir  JJ  nennen  wollen,  hinzunehmen.  Die  12  Drehungen  des  Tetraeders 
werden  dann  durch  folgende  Tabelle  gegeben: 

Ij     Sj       T,       STj 

U,    SU,    TU,    STÜ, 

ü\  SU\  TU\  STÜ\ 

Endlich  bekommen  wir  die  24  Drehungen  der  Oktaedergruppe, 
indem  wir  den  12  hiermit  aufgezählten  Drehungen  noch  die  anderen 
12  hinzufügen: 

V,       SV,       TV,       STV, 

UV,    SUV,    TUV,    STUV, 

uw,  sw'v,  imv,  sTU'v. 

Hier  bedeutet  V  irgend  eine  Oktaederdrehung,  die  nicht  in  der 
Tetraedergruppe  enthalten  ist,  z.  B.  eine  Drehung  von  der  Periode  4 
um  eine  der  Oktaederdiagonalen. 


Wir  schliessen  hiermit  diese  vorläufigen  Betrachtungen.  Ihre  Auf- 
gabe war,  an  relativ  elementaren  geometrischen  Gebilden  die  Begriffe 
der  Gruppentheorie  in  solcher  Form  einzuführen,  dass  die  gruppen- 
theoretische Ueberlegung  und  die  geometrische  Anschauung  fortwährend 
ineinander  greifen. 


Kapitel  11. 
Einführung  von  (x  -\-  iy). 

§  1.    Erster  Ansatz  und  Uebersicht  der  Entwickelnngen 
dieses  E!apitels. 

Das  entscheidende  Moment  für  den  Fortgang  unserer  Gedanken- 
entwickelung ist  jetzt  dieses,  dass  wir  dieselbe  Kugel ,  welche  wir 
vorhin  den  Gruppen  von  Drehungen  etc.  unterwarfen  nnd  auf  der  wir 
die  zugehörigen  Punktgrnppen  und  Fundamentalbereiche  studirten, 
nunmehr  als  Trägerin  der  Werthe  einer  complexen  Variabelen  z  =  {x-\-  iy) 
betrachten.  Diese  von  Biemann  herrührende  Vorstellungsweise,  welche 
zuerst  von  Hrn.  C.  Neumann  in  seinen  „Vorlesungen  über  Riemann's  Theorie 
der  AbeFschen  Integrale"  ausführlich  dargelegt  wurde*),  ist  heutzutage 
bekannt  genug,  so  dass  ich  unmittelbar  von  ihr  Gebrauch  machen 
kann;  übrigens  sind  die  im  folgenden  Paragraphen  mitgetheilten  Formeln 
an  sich  hinreichend,  um  in  die  Theorie  einzuführen. 

Auf  Grund  der  somit  eingeführten  Repräsentation  erscheint  das 
einzelne  bisher  von  uns  betrachtete  Punktsystem  durch  eine  algebraische 
Gleichung-  f{z)  =  0  definirt,  wobei  der  Grad  von  /"  mit  der  Zahl  der 
Punkte  übereinstimmt,  sofern  nicht  etwa  einer  dieser  Punkte  in  ^  =  cx) 
hineinrückt,  was  sich  in  bekannter  Weise  durch  Erniedrigung  des 
Grades  um  eine  Einheit  kund  gibt.  Wir  fragen,  welche  Eigenschaften 
diese  Gleichungen  dem  Umstände  entsprechend  besitzen,  dass  die  durch 
sie  repräsentirten  Punktgruppen  bei  gewissen  Drehungen  der  Kugel, 
oder  auch  bei  gewissen  Spiegelungen  etc.,  in  sich  übergehen. 

In  dieser  Beziehung  haben  wir  zunächst  das  fundamentale  Theo*m, 
welches    ich    sogleich    eingehender    begründen   und   präcisiren    werde, 


*)  Leipzig,  1865.  —  Mau  vgl  wegen  der  allgemeinen  Auffassung  Riemann's 
meine  Schiift:  lieber  Biemann' s  Theorie  der  algebraischen  Functionen  und  ihrer 
Integrale  (Leipzig,  1882),  vgl.  andererseits,  was  den  Zusammenhaug  dieser  Ein- 
führung von  (x  -j-  iy)  mit  der  projectiven  Auffassung  der  Flächen  zweiten  Grades 
angeht,  meine  noch  öfter  zu  nennende  Arbeit  „üeber  binäre  Formen  mit  linearen 
Transformationen  in  sich  selbst"  im  9.  Bande  der  Mathem.  Annalen  (1875),  ins- 
besondere pag.  189  daselbst. 


30  I»  2.    Einführung  von  x  -f-  *2/- 

dass  nämlich  jede  Drehung  der  (x  -\-  iy)- Kugel  um  ihren  Mittelpunkt 
durch  eine  lineare  Substitution  von  0: 

(1)  ^'-^^ 

repräsentirt  wird.  In  der  That  sind  das  0,  welches  wir  auf  der  ur- 
sprünglichen Kugel,  und  das  0',  welches  wir  in  genau  derselben  Weise 
auf  der  gedrehten  Kugel  mit  seinen  complexen  Werthen  ausgebreitet 
denken  können,  vermöge  der  Zusammengehörigkeit  der  beiderlei  Kugel- 
punkte ausnahmslos  ein-eindefiitig ,  und  überdies,  da  die  Beziehung 
der  beiden  Kugeln  eine  conforme  ist*),  analytisch  auf  einander  bezogen; 
sie  hängen  also  auf  Grund  bekannter  Sätze**)  linear  von  einander  ab. 
Genau  so  erkennt  man,  dass  den  Spiegelungen  und  sonstigen  inversen 
Operationen  (die  aus  der  Zusammensetzung  einer  Spiegelung  mit  be- 
liebigen Drehungen  erwachsen)  Formeln  der  folgenden  Art  entsprechen: 

(2)  -'-^f' 

y  Z  -f-  o 

WO  0  den  conjugirt  imaginären  Werth  {x  —  iy)  von  0  bedeutet,  unsere 
Gleichungen  fiß)  =  0  haben  also  die  Eigenschaft ^  bei  einer  Gruppe  linearer 
Substitutionen  (1)  oder  auch  ev.  bei  einer  erweiterten  Gruppe,  die  neben 
Substitutionen  (1)  eine  entsprechende  An0ahl  von  Substitutionen  (2)  enthalt, 
ungeändert  0u  bleiben***). 

Ich  muss  nun  gleich  des  analytischen  Hülfsmittels  gedenken, 
welches  sich  bei  der  Aufstellung  der  Gleichungen  f{0)  =  0  und  beim 
Studium  ihrer  wechselseitigen  Beziehungen  wie  von  selber  aufdrängt, 
und  das,  vermöge  seiner  grösseren  Vielseitigkeit,  in  mannigfachem 
Betracht  über  die  bisherigen,  geometrisch  anschaulichen  Ueberlegungen 


*)  Sie  ist  sogar  eine  eongruente,  da  ja  die  entsprechenden  Punkte  beider 
Kugeln  durch  Drehung  mit  einander  zur  Deckung  gebracht  werden  können. 

**)  Leider  findet  man  die  hier  in  Betracht  kommenden  Fundamentalsätze  der 
Functionentheorie  in  den  Lehrbüchern  in  der  Form  entwickelt,  dass  die  conforme  Ab- 
bildung, welche  durch  die  Functionen  vermittelt  wird,  immer  nur  beiläufig  in  Be- 
tradjit  gezogen  ist;  es  ist  also  für  unsere  Zwecke  jedesmal  eine  gewisse  Umstellung 
und  Combination  der  explicite  gegebenen  Beweise  erforderlich,  die  aber  dem  Leser 
nicht  schwer  fallen  kann,  da  es  sich  bei  uns  jedesmal  nur  um  ganz  elementare 
Verhältnisse  handelt. 

***)  Das  Gleiche  gilt  natürlich  von  den  Gleichungen  F{z)  =  0,  welche  zu- 
sammenfassend mehrere  der  im  Texte  betrachteten  Punktgruppen  repräsentiren. 
Man  kann  diese  Gleichungen  F  {z)  =  0  als  Verallgemeinerung  der  reciproken 
Gleichungen  der  niederen  Analysis  betrachten,  insofern  letztere  ja  auch  bei  einer 
bestimmten  Gruppe  linearer  Substitutionen,   nämlich  bei  der  einfachen  Gruppe: 

z  =  z,  z'  = — ,  ungeändert  erhalten  bleiben. 


I,  2.    Einführung  von  x  -f-  «?/•  31 

hinausführt.  Es  sind  dies  die  homogenen  Variabelen.  Indem  wir  0  durch 
^1  :  02  ersetzen,  spaltet  sich  die  Substitution  (1)  (und  analog  jede  Sub- 
stitution (2))  in  zwei  getrennte  Operationen: 

0/  =  a^i  +  ßz^, 


[<  =  yz,  +  00,, 

wo  nun  der  absolute  Werth  der  Substitutionsdeterminante  (ad  —  ßy) 
von  besonderer  Wichtigkeit  sein  wird.     Statt  der  Gleichungen  f(z)  =  0 

oder  f  {-^ ,  1 )  ==  0  werden  wir  dann,  indem  wir  mit  einer  geeigneten 

Potenz  von  z^  multipliciren,  die  Form  f{Zi,  ^2)  ^^  betrachten  haben. 
Diese  Form  hat  immer  (was  ein  erster  Vortheil  der  homogenen  Schreib- 
weise ist)  denselben  Grad,  wie  die  zugehörige  Punktgruppe,  indem 
das  Auftreten  des  Punktes  ^  =  00  jetzt  durch  einen  Factor  ^2  von  f 
indicirt  ist.  Wir  erkennen  zugleich,  dass  mit  dem  Uebergange  zur 
Form  f  eine  neue  Unterscheidung  gesetzt  ist.  Denn  bei  den  Sub- 
stitutionen (3)  braucht  f  nicht  absolut  ungeändert  zu  bleiben,  es  kann 
sich  um  einen  Factor  ändern,  und  es  wird  sich  darum  handeln,  diesen 
Factor  zu  bestimmen.  Hierüber  hinaus  aber  gewinnen  wir,  indem  wir 
die  formentheoretischen  Betrachtungen  voranstellen,  den  Anschluss  an 
diejenige  wichtige  Disciplin  der  modernen  Algebra,  welche  man  als 
Invariantentheorie  der  binären  Formen  bezeichnet;  dieselbe  wird  uns  in 
den  complicirteren  Fällen  behülflich  sein,  um  aus  einer  Form  f  alle 
anderen  in  einfacher  Weise  abzuleiten.  Ich  nenne  gleich  das  Resultat, 
in  welchem  die  hiermit  geschilderten  Betrachtungen  culminiren  (siehe 
den  vorletzten  Paragraphen  dieses  Kapitels).  Es  ist  dieses,  dass  für 
jede  unseren  Rotationsgrujppen  entsprechende  Gruppe  von  linearen  Substitu- 
tionen (1)  eine  zugehörige  rationale  Function: 
(4)  •         Z=^R{z) 

gefunden  unrd,  welche  die  verschiedenen  zur  Gruppe  gehörigen  Punktgruppen 
repräsentirt,  indem  man  sie  einer  wechselnden  Constanten  gleichsetzt.  Aber 
zugleich  gewinnen  wir,  indem  wir  jene  Substitutionsgruppen  etc.  wirk- 
•lich  aufstellen,  eine  Reihe  neuer  Probleme,  an  welche  später  die  weiter- 
gehende Entwicklung  anzuknüpfen  haben  wird*). 


*)  Man  vergleiche  durchweg  die  bereits  genannte  Arbeit:  Ueber  binäre  Formen 
mit  linearen  Transformationen  in  sich  s!tlbst,  im  9.  Bande  der  Math.  Annalen  (1875). 
Es  ist  dort  zum  ersten  Male  der  Gedankengang,  der  nun  in  den  Entwicklungen  des 
ersten  und  zweiten  Kapitels  des  Textes  zur  ausführlichen  Darlegung  gelangt,  in  seinen 
Grundzügen  angegeben.  Die  hauptsächlichen  Resultate  hatte  ich  bereits  im  Juni 
1874  der  Erlanger  physikalisch-medicinischen  Gesellschaft  mitgetheilt  (cf.  Sitzungs- 
berichte derselben). 


32  I»  2.    Einführung  von  x  -f-  iy. 

§  2.  Ueber  diejenigen  linearen  Transformationen  von  {x  -\-  iy),  welche 
den  Drehungen  um  den  Kugelmittelpunkt  entsprechen. 

Sei  die  Gleichung  unserer  Kugel  bezogen  auf  ein  rechtwinkliges 
centrales  Coordinatensystem : 

(5)  ^'  +  n'-\-i'  =  1- 

Wir  führen  dann  die  complexe  Grösse  8  =  x  -\-  iy  etwa  in  der 
Weise  ein,  dass  wir  {x  -{-  iy)  zunächst  in  gewöhnlicher  Weise  in  der 
|i^-Ebene  (der  Aequator ebene)  deuten  und  diese  Ebene  sodann  durch 
stereographische  Projection  vom  Pole  |==0,  ri  =  0,  t,  =  1  aus  mit 
der  Oberfläche  der  Kugel  in  ein-eindeutige  Beziehung  setzen.  Man  ge- 
winnt so  die  Formeln: 


(6) 

--.'j 

oder  auch: 

(7)        1  = 

2a; 

l_|_a;*  +  ?/2  ' 

t 


X -\-  ty  ^  ^^—j. 


^  —  2y  ^  ^    -  1  +  a;2  -l-y 

W  1    _L  ^2  _U  »i2     '      = 


1  +  a^"*  +  2/'  1  +  -^^  +  2/' 

Da  wir  vor  allen  Dingen  jene  linearen  Substitutionen  von  z  be- 
stimmen wollen,  welche  den  Drehungen  der  Kugel  entsprechen,  so 
interessiren  uns  die  diametralen  Punkte  der  Kugel  als  solche  (insofern 
von  ihnen  immer  ein  Paar  bei  jeder  Drehung  festbleibt).  Um  bezüg- 
lich derselben  einen  vorläufigen  Satz  abzuleiten,  substituiren  wir  in 
(6)  statt  l,  f},  ^  deren  negative  Werthe.  Dann  kommt  für  den  diame- 
tralen Punkt: 

, .   /  __    —  ^  -\-  iy 

^      '^y  —    1  -1-  ^    ' 

und  also  durch  Multiplication  mit  dem  Werthe  (6)  von  {x  -\-  iy),  mit 
Rücksicht  auf  (5): 

(8)  {x^iy){x'  -iy')=-l, 
oder  auch,  indem  wir  {x  -j-  iy)  =  re^'f  setzen: 

(9)  x'  -^iy'  ==^-e^^v  +  «). 

Diametrale  Punkte  erhalten  also  Argumente,  deren  absolute  Beträge  reciproh 
sind,  während  die  Am,plituden  um  n  differiren. 

Wir  betrachten  nun  zunächst  den  Fall,  dass  um  die  Axe  0  —  cx> 
(welche  senkrecht  zur  Aequatorebehe  steht)  durch  einen  Winkel  a 
gedreht  wird,  und  zwar  mag  diese  Drehung,  wenn  man  von  aussen 
auf  den  Punkt  oo  (den  wir  uns  oberhalb  der  Aequatorebene  ge- 
legen denken)  hinabblickt,  entgegen  dem  Drehsinne  des  Uhrzeigers 
stattfinden.    Ein  Punkt,  der  ursprünglich  das  Argument  0  hatte,  wird 


I,  2.    Einführang  von  x  +  iy.  33 

nach  der  Drehung  das  Argument  z'  besitzen.  Wir  fragen,  wie  z'  mit  z 
zusammenhängt.  Offenbar  in  derselben  Weise,  wie  (|'  -{-  iiq')  mit 
(§  +  *i^),  wenn  wir  die  ^'»j -Ebene  (die  Aequatorebene)  in  der  ange- 
gebenen Weise  drehen,  denn  der  Nenner  (1  —  i;)  in  den  Formeln  (6) 
bleibt  bei  der  Drehung  ungeändert.  Nun  haben  wir  aber  für  die  ge- 
nannte Drehung  der  5?^ -Ebene,  wenn  wir,  wie  üblich,  die  positive 
|-Axe  nach  rechts,  die  positive  rj-Axe  von  uns  weg  sich  erstrecken 

lassen : 

I'  =  I  •  cos  tt  —  rj  '  sin  a, 

ri'  ==  ^  •  sin.  a  -\-  71  •  cos  a, 
oder 

^'  -{-  iri'  =  (cos  a  -j-  *  si^  ")  (i  4"  ^V)' 

Daher  Twmmt  in  bekannter   Weise: 

(10)  z'  =  e'«  •  z. 

Wollen  wir  nun  analog  eine  Drehung  durch  den  Winkel  a  dar- 
stellen, bei  der  die  Punkte  |,  -»j,  g  und  —  ^,  —  ri,  —  i,  auf  der  Kugel 
fest  bleiben,  und  bei  welcher  der  erstere  Punkt  dieselbe  Rolle  spielt, 
wie  vorhin  der  Punkt  oo, — so  dass  also,  wenn  wir  auf  |,  tj,  i;  von  aussen 
hinblicken,  die  Drehung  entgegengesetzt  dem  Sinne  des  Uhrzeigers  ge- 
schieht — ,  so  haben  wir  in  (10)  statt  z,  resp.  z'  eine  solche  lineare 
Function  von  z,  bez.  z'  zu  setzen,  welche  in  |,  if],  i,  unendlich  wird 
und  in  —  |,  —  tj,  —  g  verschwindet.  Eine  solche  lineare  Function  ist 
allerdings  nur  bis  auf  einen  Factor  bestimmt;  sie  lautet  in  allgemeinster 
Form: 

#  c-      ^+^  • 


z  — 


1  -? 

aber  es  ist  unnöthig,  diesen  Factor  noch  durch  irgend  eine  Fest- 
setzung genauer  zu  bestimmen,  weil  er  aus  der  aufzustellenden  Formel 
ohnehin  herausfallen  muss.  In  der  That  erhalten  wir,  indem  wir  statt  z 
unseren  neuen  Ausdruck  in  (10)  eintragen,  unabhängig  von  C: 


1  +  ^     _gi.  '        1  +  f 


i-\-  i'n  jj.  _  ^  +  *^ 


1 -^  "        1-? 

oder  nach  leichter  Umsetzung: 

-=^    ^'  (1  -f  J)  -f  (H-  iri)  _J^    ^  (1  +  j)  4-  (I  +  in) 


Dies  also  ist  die  gesuchte  allgemeine  Formel  für  eine  beliebige  Drehung. 

Löst  man  sie  nach  z'  auf,  so  wird  es  bequem,  folgende  Abkürzungen 
einzuführen: 

Klein,  Gleichungen  5.  Orade«.  3 


34  I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy. 

(12)  ^  sin  Y  =  «j     n  sin  y  =  ^;     ^  siu  —  =  c,     cos  —  =dj 

wobei  ersichtlich: 

(13)  «2  +  6^  +  c'  +  c?2  =  1. 
Man  erhält  dann  nämlich  die  einfache  Form: 

^^  ^  (&  +  ia)2  + (d  —  ic) 

Wir  haben,  wie  wir  von  vornherein  beachten  mögen,  auf  solche 
Weise  für  jede  Drehung  der  Kugel  zwei  Formeln  erhalten.  Die  Drehung 
bleibt  nämlich  ungeändert,  wenn  wir  den  Drehwinkel  a  um  2n  ver- 
mehren. Dies  aber  hat  nach  Formel  (12)  zur  Folge,  dass  alle  4  Grössen 
a,  h,  c,  d  ihr  Vorzeichen  wechseln.  Es  entspricht  dies  dem  Umstände, 
dass  die  Substitutionsdeterminante  von  (14)  gleich  a?  -\-  11^  -\-  c^  -\-  d^, 
also  nach  (13)  gleich  1  wird,  was  hinsichtlich  der  Vorzeichen  der  a,  h,  c,  d 
gerade  noch  eine  doppelte  Möglichkeit  frei  lässt. 

Zugleich  haben  wir  eine  bequeme  Regel  gewonnen,  um  den  Cosinus 
des  halben  Drehwinkels  einer  Rotation,  die  in  der  Gestalt 

,  _  Az  ^B 
^  ~    Cz-{-B 

gegeben  ist,  zu  berechnen  und  dadurch  die  Periodicität  dieser  Substi- 
tution (sofern  es  sich  um  eine  periodische  Substitution  handelt)  zu 
beurtheilen.     Denn  augenscheinlich  kommt  durch  Vergleich  mit  (14): 

a  A-\-D 


(15)  cos 


2        'i\/AD  —  BC 


§  3.  Homogene  lineare  Substitutionen.    Zusammensetzung  derselben. 

Wir  wollen  jetzt,  wie  es  in  §  1  schon  in  Aussicht  genommen 
wurde,  Formel  (14)  in  zwei  homogene  lineare  Substitutionen  spalten, 
indem  wir  einfach  schreiben: 

f^i'  =  (^  +  *^)  ^\  —  (P  ~  *^)  ^2> 


\z^  =  (h  -\-  ia)  2i  -\-  (d  —  ic)  %. 
Hier  bedeuten  die  a,  &,  c,  d  nach  Formel  (12)  zunächst  beliebige  reelle 
Grössen,  welche  der  Bedingung 

«2  -f  &2  -f-  c2  -f  ^2  _  1 

unterliegen.     Inzwischen,  können  wir  bemerken,  dass  dieselbe  Formel 
unter  Aufrechterhaltung  dieser  Bedingung,  sofern  wir  nur  a,  b,  e,  d 


*)  Man  sehe  die  Notiz  von  Cayley  im  15.  Bande  der  Math.  Annalen  (1879): 
On  the  Correspondenee  of  homograpMes  and  rotations,  wo  diese  Formel  zum  ersten 
Male  explicite  aufgestellt  ist. 


I,  2.   Einführung  von  x  -{-  iy.  35 

beliebiger  complexer  Werthe  fähig  denken,  zugleich  die  allgemeinste 
binäre  lineare  Substitution  von  der  Determinante  1  vorstellt.  Hier- 
durch gewinnen  die  Zusammensetzungsformeln,  die  wir  sofort  aufstellen 
werden,  eine  allgemeinere  Bedeutung,  die  allerdings  in  den  Entwick- 
lungen, auf  die  wir  uns  hier  beschränken  müssen,  nicht  weiter  zur 
Geltung  kommt. 

Um    die    in    Rede    stehenden    Zusammensetzungsformeln    abzu- 
leiten, sei: 

u;  =  id-\r  ic)  01  — (b  —  ia)  z^, 

U/  =  (^  +  «'«)  ^x-\-{d—  ic)  02, 
eine  erste  Substitution,  und  ebenso 

=  {d'  +  ic')  z;  —  (&'  -  ia')  V, 
=  (&'  +  ia')  zl  +  {d'  -  ic')  V, 
eine  zweite.    Wir  erhalten  die  durch  Zusammensetzung  entstehende  Sub- 
stitution ST,  indem  wir  z^,  z^  zwischen  beiden  FormMsystemen  eliminiren. 
Natürlich  setzen  wir  das  Resultat  wieder  in  die  Form  (16),  schreiben 
also  etvea: 

/'  =  (d"  +  ic")  Zi  —  (b"  —  ia")  z^, 


(17) 


^'^  >/'  =  (6"  +  ia")  z,  +  id"  -  ic")  z,. 

Dann  ergiebt  die  directe  Vergleichung  das  folgende  einfache  Resultat: 

a"  ==  iad'  -f-  a  ä)  —  {bc    —  &'c), 

b"  =  Cbd'  +  b'd)  -  {ca   —  c'a), 

c"  =  {cd'  +  cd)  —  {ab'  —  ab), 

d"  =  —  aa'  —  bb'  —  cc'  -\-  dd'. 

Wir  haben  dabei,  wie  man  beachten  mag,  die  symbolische  Bezeichnung 
ST  in  demselben  Sinne  verwandt,  wie  im  vorigen  Kapitel,  indem  wir 
zuerst  die  Substitution  S,  dann  die  Substitution  T  anwandten. 

Die  Formeln  (14),  (16),  (17)  werden  wir  sofort  bei  der  Aufstellung 
der  Substitutionsgruppen  verwenden,  die  nunmehr  den  Rotationsgruppen 
des  vorigen  Kapitels  entsprechen.  Vorher  jedoch  müssen  wir  der  Be- 
deutung gedenken,  welche  dieselben  Formeln  in  allgemeinerem  Sinne 
beanspruchen.  Dass  es  richtig  sei,  bei  der  Behandlung  der  Drehungen 
um  einen  festen  Punkt  die  Parameter  a,  b,  o,  d  des  vorigen  Para- 
graphen (oder  doch  jedenfalls  ihre  Quotienten  -j,  -j,  -j j  einzuführen, 

hat  Euler  bereits  gefunden*).  Inzwischen  scheint  es,  dass  die  Zusammen- 
setzungsformeln (17)  noch  lange  unbekannt  blieben,   bis   sie   von  Ro- 


*)  Novae  Commentationes  Petropolitanae  t.  20,  pag.  217. 

3-= 


36  I»  2.    Einföhrung  von  x  -\-  iy. 

drigues*)  (1840)  entdeckt  wurden.  Dieselben  Formeln  hat  dann  Hamilton 
seinem  Quaternionencalcul  zu  Grunde  gelegt**),  ohne  zunächst  ihre  Be- 
deutung für  die  Zusammensetzung  von  Drehungen  zu  kennen,  die  bald 
darauf  von  Cayley  hervorgehoben  wurde***).  Aber  die  Beziehung  dieser 
Formeln  zur  Zusammensetzung  binärer  linearer  Substitutionen  blieb  da- 
mals noch  unbemerkt;  Hrn.  Laguerre  gebührt  das  Verdienst,  diesen  Zu- 
sammenhang zuerst  von  der  formalen  Seite  her  erkannt  zu  haben  f).  Eine 
reale  Bedeutung  hat  derselbe  erst  durch  die  Riemann'sche  Interpretation 
von  {x  -\-  iy)  auf  der  Kugel  und  insbesondere  durch  Cayley's  Formel  (14) 
erhalten  ff). 

§  4.  Uebergang  zu  den  Substitutionsgruppen.  Die  cyclisohen  Gruppen 
und  die  Diedergruppen. 

Wir  schreiten  nunmehr  dazu,  die  homogenen  linearen  Substitu- 
tionen von  der  Determinante  1  aufzustellenfff),  welche  im  Sinne  der 
Formeln  (14),  (16)  den  früher  untersuchten  Rotationsgruppen  ent- 
sprechen. Natürlich  sind  die  Substitutionen,  welche  wir  in  solcher 
Weise  gewinnen,  wegen  des  doppelten  Vorzeichens  der  Parameter 
a,  &,  c,  d,  doppelt  so  zahlreich  als  die  Rotationen,  von  denen  wir  aus- 
gehen. Die  Substitutionsgruppe  ist  also  zuvörderst  mit  der  Rotations- 
gruppe hemiedrisch  isomorph;  die  Frage,  ob  wir  die  Substitutionsgruppe 
nicht  derart  einschränken  oder  modiificiren  können,  dass  holoedrischer 
Isomorphismus  eintritt,  soll  erst  in  einem  späteren  Paragraphen  unter- 
sucht werden. 


*)  Journal  de  Liouville ,  1.  s^rie,  tome  V.     Des  lois  geometriques  qui  regissent 
le  deplacement  etc. 

**)  In  der  That,  betrachten  wir  die  Quaternionen  q,  q': 

q  =  ai  -\-  bj  -\-  cic  -\-  d,     q   =  a' i  +  h' j  -\-  c'k  -f-  d', 
so  ist  das  Product  derselben 

qq'  =  q"  ==  a" i  -\-  b"j  -\-  c"k  -\-  d" 

genau  durch  die  Formeln  (17)  des  Textes  gegeben.     Es  ist  interessant,  hier  die 

ersten  Mittheilungen  von  Hamilton  über  seinen  Quaternionencalcul,  insbesondere 

seinen  Brief  an  Graves  im  Philosophical  Magazine  1844,  2,  p.  489  zu  vergleichen. 

***)  Philosophical  Magazine  1843,  I,  pag.  141. 

t)  Journal  de  l'Ecole  polytechnique,  cah.  42  (1867) :  Sur  le  caieul  des  systemes 
lineaires. 

tt)  Vgl-  namentlich  auch  Hrn.  Stephanos'  Abhandlung:  Memoire  sur  la  repre- 
sentation  des  homographies  binaires  par  des  points  de  l'espace  avec  application  ä 
l'etude  des  rotations  spheriques,  Math,  Annalen  Bd.  XXII  (1883),  sowie  auch  dessen 
Note:  Sur  la  theorie  des  quaternions  (ebenda). 

ftt)  Oder  auch,  wie  ich  im  Folgenden  kurz  sagen  werde,  wo  kein  Missver- 
ständniss  zu  befürchten  ist:  die  „homogenen  Substitutionen"  schlechthin. 


I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy.  37 

Was  die  allgemeinen  Regeln  angeht,  deren  wir  uns  bei  Aufstellung 
der  Substitutionsgruppen  bedienen  werden,  so  werden  wir  natürlich 
jeweils  dem  Coordinatensysteme  eine  möglichst  einfache  Lage  ertheilen 
und  übrigens  auf  die  Sätze  recurriren,  die  wir  in  §  12  und  13  des 
vorigen  Kapitels  betreffs  der  Erzeugung  der  einzelnen  Rotationsgruppen 
aufgestellt  haben. 

Bei  den  cyclischen  Gruppen  und  den  Diedergruppen  ist  die  Sache 
noch  so  einfach,  dass  wir  die  Formeln  ohne  Weiteres  hinschreiben 
können.  Es  scheint  am  bequemsten,  die  beiden  bei  diesen  Gruppen  in 
Betracht  kommenden  Pole  mit  den  Punkten  z  =  0  und  0=^00  zu- 
sammenfallen zu  lassen.  Dann  hat  man  für  die  Drehungen  der  cyclischen 
Gruppe: 

T        /-v                .     «        ,               CK                  ^hn 
a  =  0  =  i),     c  =  sin— ,     a  =  co8— ,     a  == , 

'  2  '  2  '  n     ' 

und  also  für  die  2n  homogenen  Substitutionen  der  cyclischen  Gruppe: 

ihn  —  ikn 

(18)  z^  =  e"^    -z^,    z^  =  e~^ -  z^.  (*  =  0   1,  •  .  •  (2n  -  i)). 

Sollen  wir  jetzt  zur  Diedergruppe  übergehen,  so  werden  wir  eine 
der  Nebenaxen  etwa  so  wählen,  dass  sie  mit  der  |-Axe  unseres 
räumlichen  Coordinatensystems  coi'ncidirt  (also  die  Kugelpunkte 
-2  =  +  1  und  z  =  —  1  verbindet).  Wir  finden  für  die  zugehörige 
ümklappung: 

(19)  s;  =  1^10^^     0^'  =  ip  10^  ^ 

und  also  durch  Verbindung  mit  (18)  für  die  4:n  homogenen  Substitu- 
tionen der  Diedergruppe: 

ikn  —  ihlt 


(20) 


0'  =   e    ^     .  ;s;     «'  ==   e    \    .  0  ' 

'  '  "  (ä  =  0,  1,-  •(2n-l)). 


—  ikft  ikrt 


0^  =  le   ^     •  z^y  z^  -^le    "^     '  z^. 

Dem  doppelten  Vorzeichen  von  (19)  ist  in  diesen  Formeln  bereits 
Rechnung  getragen,  indem  wir  li  nicht  bloss  von  0  bis  (w  —  1),  son- 
dern von  0  bis  (2w  —  1)  laufen  lassen. 

Insbesondere  haben  wir,  wie  wir  ausdrücklich  angeben  wollen,  für 
die   Vierergruppe  die  folgenden  8  homogenen  Substitutionen: 

2/  =  i*    .  z^ ,     z^  ==  (—  if  •  z^ ; 


(21)  .      '  ,       V 

{k^O,  1,  2,  3). 


38  I,  2.    Einführung  von  x  -j-  *?/• 

§  5.    Die  Gruppen  des  Tetraeders  und  des  Oktaeders. 

Beim  Tetraeder  und  Oktaeder  werden  wir  zweierlei  Lagen  des 
Coordinatensystems  untersclieiden.  Das  eine  Mal  lassen  wir,  was  am 
natürlichsten  scheint,  die  drei  Coordinatenaxen  |,  r},  ^  unseres  räum- 
lichen Coordinatensystems  einfach  mit  den  Oktaederdiagonalen  zu- 
sammenfallen. Das  zweite  Mal  drehen  wir  das  so  gewonnene  Coor- 
dinatensysten  um  seine  ^-Axe  durch  45'',  damit  nämlich,  was  später 
Vortheil  bietet,  die  ^^-Ebene  mit  einer  Symmetrieebene  des  Tetraeders 
coincidirt. 

Beginnen  wir  mit  der  Betrachtung  der  ersteren  Lage.  Wir  können 
dann  zur  Darstellung  der  Vierergruppe  unmittelbar  die  eben  hin- 
geschriebenen Formeln  (21)  benutzen.  Indem  wir  uns  sodann  betreffs 
der  Erzeugung  der  Tetraeder-  und  Oktaedergruppe  der  Angaben  er- 
innern, die  wir  in  §  13  des  vorigen  Kapitels  gemacht  haben,  werden 
wir  zunächst  die  homogenen  Substitutionen  bilden,  welche  den  beiden 
Drehungen  {U  und  W)  von  der  Periode  3  um  eine  der  Diagonalen 
des  zugehörigen  Würfels  entsprechen.  Offenbar  erhalten  2  diametrale 
Ecken  des  Würfels  die  Coordinaten: 

.      i  =  v  =  i  =  ±^, 

und  da 

^««¥  =  Y  =  -^^^^^  «^^T  =  -2-  =  «^^-3- 
ist,  so  erhalten  wir  für  die  homogenen  Substitutionen,  bei  denen  diese 
beiden  Ecken  fest  bleiben  (unter  Beiseitelassung  des  auch  hier  wieder 
auftretenden  doppelten  Vorzeichens): 

a  =b  =  c  =  Azd  =  Y' 

Entsprechend  haben  wir  die  beiden  Substitutionen: 

(±  1  +  i)  .^1  -  (1  -  i)  ^2         ^  '  _   (1  +  i)  ^1  +  (±  1  -  i)  2, 
•    8x   =  2  j      ^2   —  2 

Indem  wir  sie  mit  den  Substitutionen  (21)  nunmehr  in  geeigneter 
Weise  combiniren,  erhalten  wir  für  die  rechten  Seiten  der  M  homogenen 
Tetraedersubstitutionen  die  folgenden  Paare  linearer  Ausdrücke: 

—  (—  iy  .  ^2 ,  **  .  ^1 ; 


(22) 


* 2  '      ^—V-  2  ' 

\~V  2  '  2 

(Ä  =  0,  Ij  2,  3). 


I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy.  39 

Wir  gehen  zur  Oktaedergruppe  über,  wenn  wir  noch  eine  Drehung  V 
durch  —  um  eine  der  3  Coordinatenaxen,  etwa  um  die  ^-Axe,  hin- 
zunehmen. Für  eine  der  beiden  entsprechenden  homogenen  Substitu- 
tionen haben  wir  augenscheinlich: 

(23)  ,;  =  -i-tl.^,,    ,;=i-r. 


V2      "      '         V2       ' 

Dementsprechend  erhalten  wir  die  rechten  Seiten  der  24  in  der  Tabelle 

(2J2)  noch  fehlenden  homogenen  01ita£dersubstitutionen,  indem  wir  von  den  24 

in  diese  Tabelle  aufgenommenen  linearen  Ausdrücken  den  links  stehenden 

jedesmM    mit    — ^t__     ^ten  rechts   stehenden   mit   — 7=-   mtdtipliciren. 

Es  wird  unnöthig  sein,  die  neu  entstehenden  Ausdrücke  hier 
noch  besonders  hinzuschreiben. 

Was  jetzt  die  zweite  Lage  des  Coordinatensystems  gegen  unsere 
Configurationen  betrifft,  so  genügt  es,  um  die  auf  sie  bezüglichen  Sub- 
stitutionsformeln zu  haben,  in  den  gerade  gewonnenen  Formeln  {2'2\ 
(23)  etc.  der  Coordinatentransformation  Rechnung  zu  tragen,  welche 
von   der   ersten   Lage    zur   zweiten   hinüberführt.     Bei    einer    solchen 

Coordinatentransformation  wird  das  ursprüngliche  -^  durch  — %z 

und  natürlich  gleichzeitig  das  ursprüngliche  -^  durch  — ^ —   er- 

setzt*).     Man  beachte  noch,  dass  — ^ ;=::r-  =  1  ist.  Wir  erhalten 

1/2       vT 

so  nach  kurzer  Ueberlegung  die  Regel: 

•    Wollen  wir  die  Substitutionsformeln  Jiaben,  welche  der  neuen  Lage 
des  Coordinatensystems  entsprechen,  so  müssen  ivir  hei  den  in  {22)  links 

stehenden  Ausdrücken  das  z^  ungeändert  lassen  und  das  z.^  durch  — —^  •  z^ 

ersetzen,  dagegen  in  den  ebenda  rechts  stehenden  Ausdrücken  das  z^  durch 

— j=-  •  z-i^  ersetzen  und  das  z^  ungeändert  lassen. 

Bei  dem  ganz  elementaren  Charakter  dieser  Operation  unterlasse 
ich  es  wieder,  die  entstehenden  Ausdrücke  explicite  anzugeben. 

§  6.    Die  Ikosaedergruppe. 

Es  handelt  sich  jetzt  um  die  homogenen  Substitutionen  des  Iko- 
saeders.    Wir  wollen  zu  dem  Zwecke  dem  Ikosaeder  eine  solche  Lage 


*)  Indem  wir  nämlich  die  Drehung  durch  90"  um  die  0|;-Axe  in  positivem 
Sinne  vor  sich  gehend  denken. 


(24) 


S: 
U: 


40  I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy. 

gegen  das  Coordinatensystem  ertheilen,  dass  jene  Drehung  durch  -v-, 
welche  wir  früher  (§12  des  vorigen  Kapitels)  mit  S  bezeichneten,  in 
positivem  Sinne  um  die  ^-Axe  geschieht,  während  gleichzeitig  die 
Querlinie,  um  welche  die  Umklappung  U  (siehe  ebenda)  statt  hat,  mit 
der  »^-Axe  coincidirt.  Bann  hohen  wir  den  Operationen  S,  U  entsprechend 
sofort  folgende  Substitutionen: 

^  =  +  «'^1, 
^2  =  +  s^02 ; 

^/  =  +      ^2  » 

■^2'  =  ±     ^1  j 

welche  zusammengenommen  die  zur  verticalen  Ikosaederdiagonale  ge- 
hörige Diedergruppe  erzeugen*).  Unter  e  ist  dabei,  wie  immer  in  der 
Folge,  die  fünfte  Einheitswurzel: 

(25)  e  =  e— 

verstanden. 

Unsere  Festsetzung  hinsichtlich  der  Lage  des  Coordinatensystems 
lässt  hinsichtlich  der  ümklappung  T,  die  wir  nun  noch  in  Betracht  zu 
ziehen  haben,  eine  doppelte  Möglichkeit  zu.  Die  Axe  von  T  kann 
innerhalb  der  1 2;- Ebene  noch  entweder  durch  den  ersten  und  dritten 
Quadranten  des  Coordinatensystems  |^  hindurchlaufen,  oder  durch  den 
zweiten  und  vierten.  Wir  wollen  festsetzen,  dass  das  letztere  der  Fall 
sein  soll.  Verstehen  wir  dann  unter  y  den  spitzen  Winkel,  den  besagte 
Axe  mit  Ot,  einschliesst,  so  wird  einer  ihrer  beiden  Endpunkte  die 
Coordinaten  erhalten: 

I  =  —  sin  j/,     1^  =  0 ,     g  =  cos  y, 
und  es  werden  also  nach  (12)  (da  es  sich  um  eine  Drehung  durch  180*' 
handelt)  die  Parameter  der  zugehörigen  Drehung: 

a  =  +  siny,     6  =  0,     6  =  +  cos  y ,     d  ==  0, 
wo,  wie  immer  in  diesen  Formeln,  die  oberen  und  die  unteren  Vor- 
zeichen zusammengehören. 

Es  fragt  sich  jetzt,  wie  wir  den  Winkel  y  berechnen.  Ich  will 
zu  dem  Zwecke  auf  die  Parameter  von  S  (24): 

a'  ==  6'  =  0 ,     c'  =  +  sin  —  ,     tZ'  =  +  cos  -r- 

und  auf  die  Zusammensetzungsformeln  (17)  zurückgreifen.    Auf  Grund 
dieser  Formeln  findet  sich  für  den  Parameter  d"  der  Operation  ST: 


*)  Dieselbe  ist  hier  auf  ein  etwas  anderes  Coordinatensystem  bezogen,  als  in 
Formel  (20). 


I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy.  41 

d"  ==  —  aa  —  hb'  —  cc  -\-  dd' 

I  .         TT 

=  +  COS  y  •  sin  -=-  • 
—  ö 

Nun  hat  die  Operation  ST  (wie  ein  Blick  auf  die  Figur  des  Ikosaeders 
zeigt)  die  Periode  3,  es  muss  also  d  mit  +  cos  -^  ==  +  „  überein- 
stimmen. Wir  gewinnen  somit,  wenn  wir  noch  beachten,  dass  cos  y 
positiv  sein  soll: 

cos  j/ .  sin  y  =  y , 

oder,  wenn  wir  wiederum  die  Einheitswurzel  «  einführen  und  berück- 
sichtigen, dass 

(«2  —  s^)  (s^  —  s)  =  8  -\-  E*  —  ^  —  s^  =  yb 
ist:  , 

und  hieraus,  wieder  unter  Annahme  des  positiven  Vorzeichens: 

sm  y  = 


Wir  tragen  nunmehr  diese  Werthe  in  die  eben  gegebenen  Ausdrücke 
a,  h,  c,  d  ein  und  greifen  übrigens  auf  die  Formeln  (16)  zurück.  Dann 
haben  wir  schliesslich  für  die  beiden  homogenen  Substitutionen,  welche  der 
Drehung  T  entsprechen: 

(26)  y   ( Vö  •  ^i'  ==  +  (^  -  ^')  ^x  +  (^^  -  ^')  ^2, 

Aus  (24),  (26)   bilden  wir  jetzt  sofort  die  gesammten  Ikosaeder- 
substitutionen.     Wir  brauchen   uns  nur   zu   erinnern,   dass  wir  früher 
die  Ikosaederdrehungen  in  folgende  Tabelle  gebracht  haben: 
>S.",  S^'U,  S^^TS%  Sf'TS'U,  (^,  v  =  0,  1,  2,  3,  4). 
Dementsprechend    erhalten    wir    für    die   120    homogenen    Ikosaedersub- 
stitutionen: 

'    \yö.l3,'  =  ±  £2v  (-f  (£2_  ^3)  ^3,<  .^^  _|.  (g  _g4)  £2/<  .^^); 

S^TS^U:  |l/5.<===F£2^(+(£2-53)63/'.^,  +  (5  -s')8^^-,,l 

'    \yb'  02  '=±  «'"  (— («    -  «')  £'''  •  %  +  («'  -  «')  «'''  •  ^2)- 


(27) 


cos  y  =  + 


42  I,  2.    Einführung  von  x  +  *?/• 

Ich  will  noch  auf  die  einfache  Regel  aufmerksam  machen,  ver- 
möge deren  sich  hier  (wie  auch  schon  in  den  früheren  Fällen)  die 
Periodicität  der  einzelnen  Drehung  auf  Grund  von  Formel  (15)  be- 
stimmt. Wir  erhalten  vermöge  dieser  Formel  für  den  Drehwinkel  cc 
einer  Drehung  Sf'TS": 

a  _     (5-s*)(63'^  +  3''_s2^  +  2v) 

'^'-^---^- '—^yt ' 

und  analog  für  den  Drehwinkel  von  S^'TS^U: 

_«  _~    {s^-s')is^f'  +  ^''  -eV  +  av) 

Wir  haben  also  hei  S^'TS"  die  Periode  2,  wenn  (i  -\-  vs^O,  hei 
S^^TS''  U,  wenn  3|[i  -f  2v  =  0  (mod.  5)  ist. 

Wir  hohen  hei  S^'TS^  die  Periode  3,  wenn  ^  +  v^-hl,  hei 
S^^TS^U,  wenn  3^  +  2v  =  +  l  (mod.  5)  ist 

In  dm  20  anderen  Fällen  S^'TS",  hes.  S^TS^U  ist  die  Periode  5. 
Hierzu  tritt  dann  noch,  wie  selbstverständlich,  dass  alle  Sf^U  die 
Periode  2,  alle  5*",  mit  alleiniger  Ausnahme  von  S^  (der  Identität), 
die  Periode  5  haben. 

§  7.  Nicht-homogene  Substitutionen.  Inbetrachtnahme  der  erweiterten 

Gruppen. 

Von  den  homogenen  Substitutionen  steigen  wir  natürlich  ohne 
alle  Rechnung  zu  den  nicht  homogenen  Substitutionen  hinab.  Wenn 
ich  trotzdem  hier  die  betreffenden  Formeln  in  tabellarischer  Zusammen- 
stellung gebe,  so  geschieht  es,  weil  sich  dieselben,  unter  Verzicht  auf 
den  bisher  festgehaltenen  festen  Werth  der  Substitutionsdeterminante, 
etwas  zusammenziehen  lassen  und  dadurch  in  der  That  sehr  übersicht- 
lich werden.     Wir  finden  für  die  nicht-homogenen  Substitutionen: 

1)  bei  den  cyclischen  Gruppen: 


(28)  /  =  e    "^    -0,    (ä;  =  0,  1,  •  •  •  (w  -  1))  ; 

2)  beim  Bieder: 

2ik7t 
2ik7t  ~ 

(29)  /  =  e    "    •  0,  /  = -,  Qc  wie  vorhin); 

3)  beim  Tetraeder  und  erster  Annahme  hinsichtlich  der  Lage  des 
Coordinatensy  stems : 

(30a)  ^  =  +  ^,  ±y,  +'*'7^'  ±*-7+T'±T::r^-'  +T+T' 


I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy.  43 

sowie  bei  der  anderen  Annahme: 

^         ^  —    '   —  ^r '   —      1/2     •  2  —  (1  —  i)  —   (1  +  »)    ^  +     yT    ' 

—      |/2"    •  0  —  (1  +  i)  '       —   (1  —  t)    2  +     1/2      ' 

4)  beim  Oktaeder  unter  analoger  Unterscheidung  der  beiden  Fälle: 

(31a)       /  =  ^*^,  ^,  **.^+l,i*    '-^     "•*    '  +  *    ■-.•*-^-* 


2'"    2-1'"    24-1'"  ^-i'"    24-i' 
sowie: 

(31b)     ^f  =4*.^    1_    ^*.A_j_j — z: — r, —       ^i — .'' ^^ — _z 

^              y2    •  z  —  (1  —i)  (1  4-  i)  2  +     1/2     ' 

.,    (1  -  «•)  ^r  +    yä"  •*      yä"  .  0  -  (1  +  t) . 


1/2    •  2  —  (1  +  i)  '  (1  —  i)  2  4-      >/2      ' 

Ä  hat  hier  jedesmal  die  Werthe  0,  1,  2,  3  zu  durchlaufen-, 
5)  beim  Ikosaeder: 

(32)  /  =  s^,    —'-   ,.. -(^  -.v^-.  +  (^'-^'0 

'  0         '  (£2  _   £3)    j,"   .  2   4-   (f      —    £*)  ' 


,^4v. 


—  (s    —  B^)sf'-z  -\-  («2  —  E»)' 
/  Sirt  \ 

(^g  =  e^";  |(i,  »;  =  0,  1,  2,  3,  4J. 

Von  diesen  Formeln  gehen  wir  nun  auch  sofort  zu  denjenigen 
über,  die  den  erweiterten  Gruppen  (wie  wir  uns  in  Kap.  I  ausdrückten) 
entsprechen.  Wenn  wir  nämlich  die  einzige  Formelgruppe  (30  a)  aus- 
nehmen, so  ist  übrigens  durchweg  die  |^-Ebene  unseres  Coordinaten- 
systems  eine  Symmetrieebene  der  gerade  in  Betracht  kommenden  Con- 
figuration.  Nun  können  wir  die  erweiterte  Gruppe  dadurch  erzeugen, 
dass  wir  die  Spiegelung  eben  an  dieser  Symmetrieebene  mit  den 
Drehungen  der  ursprünglichen  Gruppe  combiniren.  Diese  Spiegelung 
ist  aber  analytisch  durch  die  einfache  Formel: 

(33)  ■        -  /  =  F 

gegeben,  wo  0  den  conjugirten  Werth  der  imaginären  Grösse  0  bedeutet. 
Daher  werden  wir  Formeln  für  die  Operationen  der  erweiterten  Gruppen 
erhalten,  wenn  wir  neben  die  Formeln  (28)  bis  (32)  (untex  alleiniger 


44  I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy. 

Ausnahme  von  (30  a))  immer  auch  die  anderen  stellen,  in  denen  z  durch  z 
ersetzt  ist. 

Ich  schliesse  diesen  Paragraphen  mit  zwei  kleinen  historischen 
Bemerkungen.  Von  den  Substitutionsgruppen  (28)  bis  (32)  kommen 
in  der  älteren  Literatur,  ausser  den  cyclischen  Gruppen,  die  natürlich 
überall  auftreten,  hauptsächlich  nur  zwei  Fälle  vor,  nämlich  die  Dieder- 
gruppe  n  =  3  und  die  Oktaedergruppe  (31a).  Ersterer  Fall  erscheint 
dabei  nur  deshalb  in  etwas  anderer  Form,  als  in  (29),  weil  auf  der 
;e;-Kugel  ein  anderes  Coordinatensystem  zu  Grunde  gelegt  ist,  für  welches 
derjenige  grösste  Kreis,  den  wir  bisher  als  Aequator  bezeichneten,  mit 
dem  Meridiane  der  reellen  Zahlen  zusammenfällt  und  die  Ecken  des 
Dieders  die  Argumente  z  =  0,  1,  oo  erhalten.  Man  findet  so  die 
Formeln: 

z  z  —  1 


1-z, 


1  —  z '    z—1 


welche,  in  der  projectiven  Geometrie,  die  6  zusammengehörigen  Werthe 
des  Doppelverhältnisses  und,  in  der  Theorie  der  elliptischen  Functionen, 
(was  im  Grunde  dasselbe  ist)  die  6  zusammengehörigen  Werthe  von 
k^  (dem  Quadrate  des  Legendre'schen  Moduls)  verbinden.  Die  Gruppe 
(31a)  findet  sich  implicite  an  mehreren  Stellen  von  Äbel's  Werken*). 
Es  handelt  sich  dort  darum,  die  verschiedenen  Werthe  von  k^  an- 
zugeben, die  resultiren,  wenn  man  ein  vorgelegtes  elliptisches  In- 
tegral erster  Gattung  durch   lineare  Substitution  in  die  Legendre'sche 

Normalform: 

dx 


I 


l/l  —  a;2  .  1  —  Jc^x^ 


transformirt.     Abel    bemerkt,    dass    sich    diese    verschiedeneu  Werthe 
durch  einen  beliebigen  derselben  in  folgender  Weise  darstellen: 

,  j_  /i  +  y^Y  /i-yry  /i+y^V  (i^zVLX 

Zieht  man  hier  überall  die  vierte  Wurzel  und  ersetzt  Yk  durch  z^  so 
sind  dies  offenbar  genau  die  Ausdrücke  (31a). 


§  8.    Holoedrischer  Isoraorphismus  bei  homogenen 
Substitutionsgruppen. 

Was  die  Discussion  der  nunmehr  gewonnenen  Substitutionsgruppen 
in  gruppentheoretischem  Sinne  angeht,   so  wird  es  genügen,  hier  auf 


*)  Man  sehe  z.  B.  t.  I,  pag.  269  (der  neuen  Ausgabe  von  Sylow  und  Lie). 


I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy.  45 

die  analogen  Untersuchungen  unseres  ersten  Kapitels  zu  verweisen. 
In  der  That  sind  ja  unsere  nicht-homogenen  Substitutionsgruppen  mit 
den  damals  betrachteten  Rotationsgruppen  holoedrisch,  die  homogenen 
wenigstens  hemiedrisch  isomorph,  wobei  noch  ausdrücklich  bemerkt 
sei,  dass  unter  den  homogenen  Substitutionen  der  „identischen"  Rotation 
allemal  die  beiden: 


\^''\    und   '\^~~''\ 
h=h\  z^  =  —  z^] 

entsprechen. 

Hierüber  hinaus  aber  wollen  wir  uns  mit  einer  Frage  von  aller- 
dings verwandtem,  aber  doch  nicht  rein  gruppentheoretischem  Charakter 
beschäftigen,  einer  Frage,  die  wir  schon  oben  andeuteten  (§  4),  und 
deren  Beantwortung  In  der  Folge  für  uns  von  principieller  Bedeutung 
werden  wird.  Wir  haben  für  eine  Gruppe  von  N  Drehungen  jedesmal 
2^  homogene  Substitutionen  gefunden.  Wir  fragen,  ob  wir  unter 
diesen  2  N  Substitutionen  nicht  derart  N,  die  eine  Gruppe  bilden, 
herausgreifen  können,  dass  Jwloedrischer  Isomorphismus  mit  der  Ro- 
tationsgruppe statt  hat,  —  oder  ob  wir  einen  solchen  Isomorphismus 
nicht  wenigstens  dadurch  erreichen  können,  dass  wir  der  einzelnen 
Substitutionsdeterminante,  die  wir  bisher  immer  gleich  -f-  1  genommen 
haben,  irgend  einen  anderen  Werth  ertheilen. 

Wir  beginnen  mit  den  Wiederholungen  einer  einzigen  Drehung, 
d.  h.  mit  den  cyclischen  Gruppen,  wobei  wir,  um  die  Untersuchung 
auch  nicht  scheinbar  durch  Einführung  eines  kanonischen  Coordinaten- 
systems  einzuschränken,  ein  ganz  beliebiges  Coordinatensystem  zu 
Grunde   legen   wollen.     Wir  nehmen   also   etwa  eine  Drehung  durch 

,  bei  welcher  ein  beliebiger  Punkt  i,jTl,t,  unserer  Kugel  fest  bleibt. 

Der  zugehörigen  linearen  Substitution  (1#): 

Zi  =  (d  -^  ic)  z-^  —  (6  —  ia)Z2 , 

0^'  =  (6  -j-  ia)Zi  -{-  (d  —  ic)z^ 

haben  wir  bislang  die  Parameter: 

a  =  +  |sin'— ,  &  =  4-i?sin  — ,  c  =  -|-§8in  — ,   d  =  -\-  cos  — 

beigelegt.     Wir   wollen   statt   ihrer,   indem  wir  die  Siibstitutionsdeter- 
minante  gleich  q^  nehmen,  jetzt  schreiben: 

(34)    «1  =  qI  sin  |-,  &i  =  pi;  sin-^,  Ci  =  (»5  sin ^,  d^=Q  cos  -^  • 

Indem  wir  sodann  auf  die  Zusammensetzungsformeln  (17)  recurriren, 


46  I,  2.    Einfülirung  von  x  -\-  iy. 

erhalten  wir  als  Parameter  für  die  Ti,^  Wiederholung  unserer  Sub- 
stitution: 

.     j.    .     Ten      ,  ,  .     TiTc  j,    ,     .     Tcic       ,  .  Ten 

ai=()*-gsm-^,  &i  =  9^-i^sin^^,  c^=p^.  ^  sm-^,  4=()*cos-^. 

Wir  verlangen  jetzt  —  damit  holoedrischer  Isomorphismus  mit  der 
zugehörigen  Rotationsgruppe  stattfindet  — ,  dass  die  n^  Wiederholung 
unserer  Substitution  die  Identität  sei,  dass  also: 

Q/fi  —  Oji  —  Cji  —  U  j      Clfi  —  i 

werde.    Offenbar  ist  hierzu  erforderlieh: 

(j''  =  —  1. 

Wir  werden  also  dann  und  nur  dann  holoedriscJien  Isomorphismus  zwischen 
der  Suhstitutions-  und  der  Rotationsgruppe  erzielen,  wenn  wir  in  (34)  q  als 
m'*  Wurzel  aus  ( —  1)  einführen.  Hiermit  ist  aber  der  Werth  der  Sub- 
stitutionsdeterminante Q^  ebenfalls  bestimmt  oder  doch  auf  wenige 
Möglichkeiten  eingeschränkt.  Ist  n  ungerade,  so  können  wir  q  =  —  1 
und  also  die  Determinante  gleich  +  1  nehmen.  Ist  aber  n  gerade, 
so  ist  der  Werth  -\-A  bei  der  Substitutionsdeterminante  unzulässig. 
Insbesondere  müssen  wir,  wenn  n  =  2  ist,  die  Determinante  gleich 
—  1,  die  Grösse  q  gleich  +«  wählen. 

Betrachten  wir  jetzt  die  Diedergruppen.  Wir  haben  bei  ihnen 
zunächst  die  Rotationen  S^^  (mit  /S"  =  1),  denen  wir,  nach  dem  gerade 
Gesagten,  Substitutionen  von  der  Determinante  ^^^  entsprechen  lassen 
müssen,  wo  (>"  =  —  1.  Wir  haben  ferner  die  Rotationen  S^^T  von 
der  Periode  2.  Sicher  werden  wir,  damit  holoedrischer  Isomorphismus 
statt  habe,  die  Substitution,  welche  T  entspricht,  mit  der  Determinante 
( —  1)  ausstatten.  Nun  multipliciren  sich  bekanntlich  bei  Zusammen- 
setzung zweier  Substitutionen  deren  Determinanten.  Daher  erhalten 
wir  für  Si^T  eine  Substitu#>n  von  der  Determinante  — q^^'.  Aber 
diese  selbst  soll  wieder,  weil  S^^T  die  Periode  2  hat,  gleich  —  1  sein. 
Somit  haben  wir  für  q  die  gleichzeitigen  Gleichungen: 

()'»  =  —  1,  ()2/^=+  1,  (ft  =  0,  1,  •••  («-!))• 

Offenbar  sind  dieselben  nur  verträglich,  wenn  n  ungerade  ist  (worauf 
Q  =  —  1  resultirt).  Daher  folgt,  dass  hei  den  Biedergruppen  der  ge- 
wünschte holoedrische  Isomorphisums  nur  hei  ungeradem  n,  niemals  aber 
hei  geradem  n  eintreten  kann. 

Wir  werden  in  der  Folge  auf  den  negativen  Theil  dieser  Pro- 
position ganz  besonderes  Gewicht  legen,  denn  aus  ihm  erschliessen 
wir  sofort  einen  analogen  Satz  für  die  Gruppen  des  Tetraeders,  Ok- 
traeders  und  Ikosaeders.    Äiich  hei  Tetraeder,  Oktaeder   und  Ikosaeder 


I,  2.    Einführung  von  x  -{•  iy.  47 

ist  holoedrischer  Isomorphismus  zwischen  der  Botationsgruppe  und  der  Gruppe 
der  homogenen  Substitutionen  unmöglich,  Sie  enthalten  nämlich  alle 
als  Untergruppe  mindestens  eine  Diedergruppe  von  geradem  n  (nämlich 
eine  Vierergruppe);  und  schon  bei  dieser  liegt,  wie  wir  eben  gesehen 
haben,  besagte  Unmöglichkeit  vor. 

§  9.    Invariante  Formen,    zu  einer    Gruppe    gehörig.    Der  Formen- 
kreis der  cyclischen  und  der  Dieder-Gruppen. 

Getreu  dem  allgemeinen  Gedankengange,  den  wir  in  §  1  dieses 
Kapitels  skizzirt  haben,  fragen  wir  jetzt,  nachdem  wir  die  homogenen 
Substitutionsgruppen  kennen,  die  den  einzelnen  Rotationsgruppen  ent- 
sprechen, nach  allen  solchen  Formen  F{z^,  z^,  die  bei  diesen  Sub- 
stitutionen bis  auf  einen  Factor  ungeändert  bleiben.  Offenbar  stellt 
eine  derartige  invariante  Form  (ein  Ausdruck,  den  wir  fernerhin  fest- 
halten wollen),  gleich  Null  gesetzt,  ein  Punktsystem  unserer  Kugel 
dar,  welches  bei  allen  Rotationen  der  in  Betracht  kommenden  Gruppe 
ungeändert  erhalten  bleibt,  ein  Satz,  den  man  umkehren  kann.  Nun 
muss  ein  solches  Punktsystem  nothwendig  in  lauter  Punktgruppen  jener 
Art  zerfallen,  wie  wir  sie  in  §  10  des  vorigen  Kapitels  als  zur  Gruppe 
gehörig  bezeichnet  haben.  Die  gesuchten  invarianten  Formen  entstehen 
also  dadurch,  dass  wir  von  den  Formen,  die  den  genannten  Punkt- 
gruppen correspondiren,  beliebig  viele  mit  einander  multipliciren. 

Ueber  die  Art  der  hiemach  vorhandenen  Grundformen  können 
wir  von  vorneherein  noch  gewisse,  nähere  Angaben  machen.  Ist  N 
die  Anzahl  der  Drehungen  einer  Gruppe,  so  bestehen  die  zugehörigen 
Punktgruppen  im  Allgemeinen  aus  N  getrennten  Punkten.  Die  all- 
gemeine Grundform  wird  hiernach  eine  Form  vom  N^°  Grade  sein 
und  übrigens  —  der  einfach  unendlichen  Anzahl  der  erwähnten  Punkt- 
gruppen entsprechend  —  einen  wesentlichen  (nicht  bloss  multiplicativen) 
Parameter  enthalten.    Aber  es  gibt  unter  den  allgemeinen  Punktgruppen 

insbesondere  derartige,   die   nur  eine    geringere  Zahl,    sagen    wir  — , 

getrennte  Punkte  umfassen.    Dementsprechend  wird  es  ^ßeddle  Grund- 

formen,  vom    Grade  — ,  geben,  die  nur  insofern   als    besonderer  Fall 

der  allgemeinen  Grundform  betrachtet  werden  dürfen,  als  man  sie  in 
die  v^  Potenz  erhebt. 

Wollen  wir  mit  diesen  allgemeinen  Schlüssen  noch  weiter  gehen, 
so  müssen  wir  den  Fall  der  cyclischen  Gruppen  nunmehr  von  den 
üba-igen  Fällen  abtrennen. 

Bei  den  cyclischen  Gruppe/n  gibt  es  unter  den  allgemeinen  Punkt- 


48  I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy. 

gruppen  nur  zwei  besondere,  jede  allein  aus  einem  Punkte,  nämlich 
aus  einem*  der  beiden  Pole,  bestehend.  Dementsprechend  gibt  es  hei 
ihnen  zwei  ausgezeichnete,  und  zwar  lineare  Grundformen.  Halten 
wir  an  dem  Coordinatensysteme  fest,  das  in  §  4  bei  Behandlung  der 
cyclischen  Gruppen  eingeführt  wurde,  so  sind  dies  einfach  z^  und  z^ 
selbst.  Aber  auch  die  allgemeinen  Grundformen  können  wir  hier  sehr 
leicht  bilden  und  zwar  vermöge  einer  Schlussweise,  die  uns  auch  in 
den  folgenden  Fällen  äusserst  nützlich  sein  wird.  Wir  bilden,  um  zu 
den  allgemeinen  Grundformen  überzugehen,  die  v^^  Potenzen  von  z^ 
und  z^  und  überzeugen  uns,  dass  sie  bei  den  einzelnen  Substitutionen 
(18)  ']&  den  gleichen  Factor  (—  1)*  annehmen.  Hieraus  schliessen 
wir,  dass  X^z^  -\-  X^^lf  unter  A^  :  Ag  einen  beliebigen  Parameter  ver- 
standen, jedenfalls  auch  eine  invariante  Form  ist.  Weil  der  Grad  der- 
selben gleich  n  (gleich  der  Anzahl  der  Rotationen  der  Gruppe) 
ist,  ist  sie  zugleich  eine  Grundform.  Augenscheinlich  ist  sie  ohne 
Weiteres  die  allgemeine  Grundform.  Denn  wir  können  A^ :  A2  so  be- 
stimmen, dass  l^z^l  -f-  ^2^2  f^^  einen  beliebigen  Kugelpunkt  ver- 
schwindet und  also  gerade  die  aus  ihm  vermöge  der  Rotationen  der 
cyclischen  Gruppe  hervorgehende  Puuktgruppe  darstellt.  Somit  haben 
wir  bei  den  cyclischen  Gruppen  die  zunächst  vorliegenden  Fragen 
überhaupt  erledigt.  Wir  können  das  Resultat  dahin  aussprechen,  dass 
hei  den  cyclischen  Gruppen  (18)  die  allgemeinste  invariante  Form  durch 

(35)  ;^^';e<^JJ(A«;^;»  +  AW^») 

t 
gegeben  sei,  wo  a,  ß  irgend  welche  positive  ganze  Zahlen,  A^,  A(p  irgend- 
welche Parameter  hedeuten. 

In  den  übrigen  Fällen  gestaltet  sich  die  Theorie  nur  dadurch 
etwas  abweichend,  dass  bei  ihnen  unter  den  allgemeinen  Punktgruppen 
von  jedesmal  N  getrennten  Punkten  drei  von  geringerer  Punktezahl 
auftreten.  Wir  wollen  für  die  Multiplicitäten,  die  diesen  besonderen 
Punktgruppen  beizulegen  sind,  sofern  wir  sie  unter  die  allgemeinen 
Panktgruppen  subsumiren  wollen,  die  Bezeichnungen  v^,  v^,  Vg  wieder 
aufnehmen,  die  wir  in  §  9  des  vorigen  Kapitels  verwandten.    Besagte 

NN  N 

Punktgruppen  enthalten  dann  nur  bezüglich  — ,  —  und  —  getrennte 

Punkte  und  liefern  uns  dementsprechend  3  ausgezeichnete  Grundformen 
F^,  Fa,  -F3  resp.  von  demselben  Grade.  Wir  bilden  F\^,  F^^,  F^k  So 
zeigt  sich,  dass  diese  Potenzen  bei  den  jeweils  in  Betracht  kommenden 
homogenen  Substitutionen  alle  denselben  constanten  Factor  annehmen. 
Daher  ist  jede  lineare  Comhination 

k,F\^  +  k,F\^  +  AgFn 


I,  2.    Einführung  von  x  -f-  iy-  49 

eine  invariante  Form,  und  zwar,  wie  ihr  Grad  zeigt,  eine  Grundform. 
Aber  die  allgemeine  Grundform  enthält,  wie  gesagt,  nur  einen  wesent- 
lichen Parameter,  während  wir  hier  in  Aj  :  Ag  :  Ag  deren  zwei  vor  uns 
haben.  Wir  schliessen  daraus,  dass  es  zur  Darstellung  aller  Grund- 
formen bereits  genügt,  die  linearen  Combinationen 

in  Betracht  zu  ziehen,  dass  also  zwischen  F^,  F^,  F^  eine  Identität 
bestdien  muss:  , 

(36)  Af  i^J«  +  AfFj^^  +  Af  ^3^'  =  0. 

Indem  wir  uns  immer  F^*  vermöge  dieser  Identität  eliminirt  denken, 
haben  wir  schliesslich  als  Ausdruck  der  allgemeinsten  invarianten  Form: 

(37)  F^'FI'Fr.    JJ^  {X^l^Fl^ -{- XfF;-), 

i 

WO  die  positiven  ganzen  Zahlen  a,  ß,  y  und  die  Parameter  kf,  A^^ 
durchaus  willkürlich  sind. 

Beim  Bieder  gestaltet  sich  die  ganze  hiermit  besprochene  Theorie 
auf  Grund  der  in  §  4  festgestellten  Lage  des  Coordinatensystems  noch 
so  einfach,  dass  wir  unmittelbar  das  Resultat  hinschreiben  können. 
Wir  haben 


N==2n, 

Vl  = 

=  V2  = 

2, 

und 

finden 

dementsprechend : 

(38) 

TP         ^1  ~r  ^2 
^1  —        9       y 

F,- 

_  ^r 

9 

F^  =  ^i«^2> 

JPg  =  0  die  Ecken  des  Dieders,  F^  =  0  die  Kantenhalbirungspujikte, 
i^g  =  0  das  Paar  der  Pole  vorstellt.  Zwischen  F^  F^,  F^  besteht  dann 
in  üebereinstimmung  mit  (36)  die  Identität:  • 

(39)  F^^  —  F^^  -  F^  =  0. 

Was  Tetraeder,  Oktaeder  und  Ikosaeder  angeht,  so  erfordert  bei  ihnen 
die  Aufstellung  der  ausgezeichneten  Grundformen  besondere  Ueber- 
legungen,  zu  denen  wir  uns  nunmehr  hinwenden*). 

*)  Die  bei  den  einzelnen  Fällen  in  Betracht  kommenden  Formen  F^,  F^,  F^ 
zneammen  mit  den  zwischen  ihnen  stattfindenden  Relationen  finden  sich  zum  ersten 
Male  bei  Hm.  Schwarz  in  dessen  Abhandlung:  lieber  diejenigen  Fälle,  in  denen 
die  Gaussische  Beihe  F(a,  ß,  y ,  x)  eine  algebraische  Function  ihres  vierten  Ele- 
mentes ist  (Borchardt's  Journal  Bd.  75  (1872),  siehe  auch  vorläufige  Mittheilung  in 
der  Züricher  Vierteljahrschrift  von  1871)  berechnet.  Wenn  ich  hier  diese  grund- 
legende Arbeit  nur  erst  beiläufig  citire,  so  geschieht  es,  weil  die  Gesichtspunkte 
derselben  bei  Behandlung  der  Formen  F  zunächst  ganz  andere  sind,  als  die  unseren, 
Ihren  Ausgangspunkt  bilden  gewisse  Fragen  aus  der  Theorie  der  con formen  Ab- 
bildung, auf  welche  wir  erst  im  folgenden  Kapitel  des  Näheren  eingehen  können. 
Dagegen  hat  Hr.  Schwarz  weder  die  Gruppen  linearer  Substitutionen,  noch  die 
sogleich  bei  uns  hervortretende  Beziehung  zur  Invariantentheorie. 

Klein,  Gleichungen  5.  Grades.  4 


50  jf,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy. 

§  10.  Vorbereitendes  über  die  Tetraeder-  und  Oktaederformen. 
Bei  Tetraeder  und  Oktaeder  haben  wir,  nach  §  b,  zweierlei  Lage 
des  Coordinatensystems  zu  unterscheiden.  Indem  wir  mit  der  ersten 
derselben  beginnen,  finden  wir  für  die  Ecken  des  Oktaeders  (d.  h.  jetzt 
die  Durchstosspunkte  der  räumlichen  Coordinatenaxen  mit  der  Kugel) 
die  Argumente 

2  =  0,  oo,  +1,  -\2_i, 

und  es  ist  also  das  Oktaeder  einfach  durch  folgende  Gleichung  gegd)en: 

(40)  0,2,  {2,^  -  2,')  =  0. 

In  ähnlicher  Weise  bestimmen  wir  die  Gleichungen  für  die  beiden  zu- 
gehörigen Tetraeder,  bez.  den  durch  ihre  8  Ecken  bestimmten  Würfel. 
Die  8  Würfelecken  haben  die  Coordinaten: 

Wir  werden  die  Ecken  eines  der  beiden  zugehörigen  Tetraeder  heraus- 
greifen, wenn  wir  unter  den  8  hier  möglichen  Zeichencombinationen 
diejenigen  4  wählen,  bei  denen  das  Product  i,rit,  positiv  ist.  Durch 
Eintragen  in    die  Formeln  (6)   gewinnen  wir   so  als  Argumente  der 

4  Tetraederecken: 

1  4-  i  1  —  i  —  1  +  *  —  1  —  i 

^   ! ' , 

1/3^-1'    1/3"+ 1 '    1/3"+ 1  '    ys  —  1 

Sonach  erhalten  wir  (durch  Ausmultipliciren  der  Linearfactoren)  die 
Gleichung  des  ersten  Tetraeders  in  der  Form: 

(41)  2,'  +  2  |/^^3  .  2,'2,'  +  ^2'  =  0. 
In  derselben  Weise  finden  wir  für  das  Gegentetraeder: 

(42)  .  2,^  —  2  1/—  3  •  ^i^^a'  +  ^2'  =  0 

und  endlich  für  den  Würfel,  indem  wir  die  linken  Seiten  von  (41)  .und 

(42)  mit  einander  multipliciren: 

(43)  2,'  H-  14^/^/  +  2,'  =  0. 

Ich  will  die  linken  Seiten  von  (40),  (41),  (42),  (43)  in  der  Folge 

mit  t,  <t>,^,  W  bezeichnen.  Drehen  wir  jetzt  das  Coordinatensystem,  wie 

wir  es  in  §  5  zum  Schlüsse  in  Aussicht  nahmen,  um  die  ^-Axe  durch 

45",   so    verwandeln    sich    diese  Formen  in   andere  mit  lauter  reellen 

Coefficienten.     Ich   werde  diese  Formen  durch  Accente    kennzeichnen^ 

setze  also: 

t' =  2,2,  {2,^ -\- 2,% 

ct)'  =  V  +  2l/3.^,V- V, 


(44) 


r  =  V  —  2  V3  •  ;^,  W  -  ^/ 


"2 


l  W'  =  2,^  —  14^1* V  +  ^! 


Gleich  Null  gesetzt  stellen  diese  Formen  natürlich  Oktaeder,  Tetraeder 


I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy.  .  51 

und  Gegentetraeder,  sowie  den  Würfel  auf  das  neue  Coordinatensystem 
bezogen  dar. 

§  11.    Der  Formenkreis  des  Tetraeders. 
Nach  den  Erläuterungen  des  §  9  darf  sich  unsere  ganze  Betrach- 
tung   der  Tetraederformen   nunmehr   darauf  beschränken:    einmal  die 
Constanten  Factoren  zu  bestimmen,  welche  die  Grundformen: 

(45)  h=^z,'-2y-3-  z^H^  +  ^/, 

oder  die  entsprechenden  0',  Y',  t'  (44)  bei  den  homogenen  Substitu- 
tionen des  Tetraeders  erfahren,  sodann  die  lineare  Identität  anzugeben, 
welche  0^,  y^,  ^^  oder  O'^,  Y'^,  t"^  mit  einander  verbindet. 

In  ersterer  Beziehung  erinnern  wir  an  die  Erzeugung  der  Tetraeder- 
gruppe, wie  wir  dieselbe  in  §  13  des  vorigeo  Kapitels  aufgestellt  und  in  §  5 
des  gegenwärtigen  Kapitels  bereits  benutzt  haben.  Bei  den  Substitutionen 
der  Vierergruppe  (21)  bleiben  offenbar  0,  Y,  t  überhaupt  ungeändert.  Da- 
gegen erhalten  0  und  Y  bei  jenen  Substitutionen,  die  der  Drehung  C/ von  der 

2t7Z  4t7I 

Periode  3  entsprechen,  Factoren  e  ^  und  e  ^  ,  während  t  auch  bei  ihnen  in- 
variant bleibt.  Die  Folge  ist,  dass  neben  0^  und  Y^  auch  0V  =  T7  fort- 
während ungeändert  bleibt,  0  und  V  selbst  aber  nur  bei  den  Substitutionen 
der  Vierergruppe  in  sich  übergehen.  Was  diesen  letzteren  Umstand  an- 
geht, so  erblicken  wir  darin  die  Bestätigung  eines  Princips,  das  wir 
a  priori  aufstellen  können.  Dasselbe  besagt,  dass  diejenigen  Substitu- 
tionen einer  homogenen  Gruppe,  welche  eine  zugehörige  invariante  Form 
überhaupt  ungeänder^  lassen,  innerhalb  der  Gesammtheit  der  Substitutionen  der 
Gruppe  eine  ausgezeichnete  Untergruppe  bilden  müssen.  —  Genau  dieselben 
Bemerkungen  finden  natürlich  bei  den  Formen  0',  V,  t\  W  ihre  Stelle. 
Indem'  durch  diese  Bemerkungen  die  Existenz  der  in  Aussicht  ge- 
nommenen Identität  zwischen  0^,  V^,  t^  etc.  sichergestellt  ist*),  werden 
wir  dieselbe  in  der  Weise  berechnen  können,  dass  wir  in  den  expliciten 
Ausdrücken  von  0^,  Y^,  t^  nur  die  ersten  Terme  in  Betracht  ziehen. 
Auf  solche  Weise  finden  wir  ohne  Mühe: 


(46a)  12]/-  3  •  ^2  —  0=*  +  Y^  ==  0, 

oder  auch 

(46b)  12  ys  'f^  —  0'3  -f  r^  =  0. 

üeber  die  hiermit  gewonnenen  Resultate  hinaus  mögen  hier  noch 
zwei  Bemerkungen  ihre  Stelle  finden,  welche  sich  beide  auf  die  In- 

*)  Da0*,  V,  <*  bei  denTetraedersubstitutionen  (22)  gleichförmig  ungeändert  bleiben. 

4* 


52 


I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy. 


Variantentheorie  binärer  Formen  beziehen  sollen,  und  von  denen  die  eine 
die  Bedeutung  darlegen  mag,  welche  die  genannte  Theorie  für  uns  in 
der  Folge  wiederholt  gewinnen  wird,  die  andere  aber  bestimmt  ist,  die 
von  uns  beim  Tetraeder  erhaltenen  Resultate  in  sonst  bekannte  Er- 
gebnisse der  Invariantentheorie  einzuordnen. 

Gesetzt,  wir  haben  von  den  Formen  (45)  nur  erst  die  eine,  0, 
berechnet,  so  giebt  uns  die  Invariantentheorie  das  Mittel,  um  aus  ihr 
durch  blosse  Differentiationsprocesse  andere  Tetraederformen  abzuleiten. 
Wir  haben  nur  irgendwelche  Covarianten  von  O  aufzustellen.  In  der 
That,  geht  O  durch  irgendwelche  homogene  lineare  Substitution  bis  auf 
einen  Factor  in  sich  über,  so  gewiss  auch  jede  Covariante;  es  ist  dies  ein 
unmittelbarer  Ausfluss  aus  der  Definition  der  covarianten  Formen.  Jetzt 
ist  0  eine  binäre  Form  vierter  Ordnung,  und  die  Invariantentheorie 
zeigt*),  dass  eine  solche  Form  nur  zwei  unabhängige  Covarianten  be- 
sitzt: die  Hesse' sehe  Form  von  0,  und  die  Functionaldeterminante  der- 
selben mit  0.  Erstere  ist  vom  vierten,  letztere  vom  sechsten  Grade; 
ausserdem  überzeugen  wir  uns,  dass  erstere  nicht  etwa  mit  0  über- 
einstimmt. Hiernach  schliessen  wir  sofort,  dass  die  Hesse'sche  Form 
von  0,  gleich  Null  gesetzt,  das  Gegentetraeder  darstellt,  und  ebenso,  dass 
die  Functionaldeterminante,  gleich  Null  gesetzt,  das  zugehörige  Oktaeder 
repräsentirt.  Denn  beide  Formen  müssen,  gleich  Null  gesetzt,  solche 
Punktgruppen  repräsentiren,  welche  bei  den  Tetraederdrehungen  un- 
geändert  bleiben,  und  andere  Gruppen  von  nur  4  oder  nur  6  zusammen- 
geordneten Funkten,  als  die  gerade  genannten,  existiren  nicht  oder 
kommen  wenigstens  nicht  in  Betracht  (indem  die  4  Ecken  des  ur- 
sprünglichen Tetraeders,  welche  ebenfalls  eine  solche  Gruppe  bilden, 
bereits  durch  0  =  0  gegeben  sind).  Wir  hätten  also  von  den  Formen 
(45)  die  beiden  Y  und  t  auch,  berechnen  können,  indem  wir  von  0  die 
Hesse'sche  Form  und  dann  von  dieser  und  0  die  Functionaldeterminante 
bildeten.     In  der  That  kommt  durch  directe  Ausrechnung: . 


und: 


a^o 


a*0 


dz,' 

dz,dz2 

a^o 

a^o 

dzjdzi 

e^2* 

ao 

ao 

dz, 

dz^ 

d'V 

av, 

dzi 

a^a 

=  48|/— 3.H^, 


=  32|A^^-t 


*)  Man  vergl.  z.  B.  Clebsch,  Theorie  der  binären  algebraischen  Formen  (Leipzig 
1872),  p.  134  ff.,  oder  auch  die  anderen  Lehrbücher  der  Invariantentheorie,  z.  B. 


I,  2.    Einführung  von  x  -{-  iy. 


53 


Die  Invariantentheorie  besitzt,  wie  man  sieht,  vermöge  dieser 
Bemerkungen  die  Bedeutung  eines  Hülfsmittels  der  Rechnung.  Was 
unsere  ferneren  invariantentheoretischen  Ausführungen  angeht,  so  recur- 
riren  wir  auf  die  allgemeine  Theorie  der  binären  biquadratischen 
Formen.     Sei 

(47)         F  =  «o^fi*  +  4ai0i^z^  +  ^a^z^z^  +  ^a^z^z^  +  a^z^ 
eine   solche  Form.     So   haben  wir  einmal,  wie   schon    erwähnt,  zwei 
Covarianten,  die  wir  jetzt,  unter  gehöriger  Fixirung  der  Zahlenfactoren, 
mit  S  und  T  bezeichnen  wollen: 

dF 


• 

d^F        d^F 

dF 

(48)    • 

^=    144   • 

d^F        d'F 

,      T  = 

1 
8 

dz, 
dH 

dz^dzi      dz^^ 

dz. 

Wir  h 

aben  ferner  \ 

2  Invarianten: 

dz^ 
dH 

dz. 


«0 

«1    «2 

«1 

«2    «3 

«2 

«8    «4 

(49)  j  g.^  =  «0^4  —  ^öiOs  +  3^2%      9i 

(wo  ich  linker  Hand  diejenige  Bezeichnung  angewandt  habe,  auf  die 
ich  später,  im  Anschluss  an  Weierstrass'  Theorie  der  elliptischen 
Functionen,  ohnehin  zurückkommen  muss).  Wir  haben  endlich  als  ein- 
zige Relation  zwischen  diesen  Formen  die  folgende: 

(50)  4.H'  -  g^HF^  +  g^F^  +  T«  =  0. 

Setzen  wir  jetzt  unser  0  an  Stelle  von  F,  so   kommt  vor  allen 
Dingen: 

^,  =  0. 

Das    heisst,    wenn    wir    die    geometrische    Redeweise    aufnehmen, 
welche  z.  B.  bei  Clebsch  1.  c.  pag.  171  erklärt  ist: 

Die  Form  <t>  stellt,  gleich  Null  gesetzt,  eine  äquianharmoniscJie  Punkt- 
gruppe vor*). 

Wir  finden  ferner  für  unser  O: 

1        ...      r^       .  .  —4 


H  = 


^—3 


%     T=At,     g,= 


3)/—  3 


Salmon- Fiedler  (Algebra  der  linearen  Transformationen,  Leipzig,  2.  Aufl.  1877), 
Faä  de  Bruno-Walter  (Einleitung  in  die  Theorie  der  binären  Formen,  Leipzig 
1881)  etc. 

*)  Zu  demselben  Ergebnisse  kommen  wir  natürlich,  wenn  wir  das  Doppelver- 
hältniss  von  4  complexen  Werthen  z  :=  x  -\-  iy  allgemein  auf  der  Kugel  geometrisch 
interpretiren,  wie  die8*Hr.  Wedekind  in  seiner  Inauguraldissertation  (Erlangen  1874) 
und  in  seiner  bezüglichen  Notiz  in  den  Mathematischen  Annalen  (Bd.  IX,  1876) 
ausgeführt  hat. 


54  1,2.    Einführung  von  x  -\-  iy. 

Hiernach  subsumirt  sich  die  Identität  (46  a)  unter  die  allgemeine  Re- 
lation (50)  als  besonderer  Fall,  wie  es  zu  erwarten  war.  Wir  müssen 
also  sagen,  dass  unsere  geometrisch-gruppentheoretischen  Ueberlegungen 
bei  den  Tetraederformen  nicht  sowohl  zu  neuen  algebraischen  Ergeb- 
nissen, als  vielmehr  nur  auf  neuem  Wege  zu  sonst  bekannten  Resul- 
taten hingeleitet  haben. 

§  12.    Der  Formenkreis  des  Oktaeders. 

Indem  wir  nunmehr  zu  den  Oktaederformen  übergehen,  kennen 
wir  von  den  zugehörigen  drei  ausgezeichneten  Grundformen  bereits 
die  beiden: 

(51a)  I    ^  =  ^i^2(V  -  ^2*), 

lTr=-.,«+14W  +  ^/,  . 
resp. 

^  l  Tf '  =  ^,«  -  14^/0/  4-  z,\ 

Man  verificirt  leicht,  dass  man,  unter  Vernachlässigung  eines  auftreten- 
den Zahlenfactors ,  TF  auch  als  Hesse'sche  Form  von  t  hätte  berechnen 
können.  Wir  erhalten  eine  neue  Oktaederform,  indem  wir  jetzt  die 
Functionaldeterminante  von  t  und  Tf  bilden.  So  entsteht  (unter  Weg- 
werfung eines  Zahlenfactors): 

(52)  1^   ^  ^'^^  ~  ^^^^^'''  ~  ^^"^^^^^  +  ^2'',  oder  auch: 

Wir  beweisen  leicht,  dass  dieses  %  die  dritte  ausgezeichnete  Grundform 
des  Oktaeders  ist,  d.  h.  gleich  Null  gesetzt  die  12  Kantenhalbirungs- 
punkte  des  Oktaeders  repräsentirt.  In  der  That:  %=^^  muss  eine 
Gruppe  von  nur  12  vermöge  der  Oktaederdrehungen  zusammengeord- 
neten Punkten  darstellen,  und  da  %  von  t"^  verschieden  ist,  also  (Jie 
doppelt  zählende  Gruppe  der  6  Oktaedereckpunkte  nicht  in  Betracht 
kommt,  so  bleibt  in  der  That  keine  andere  Möglichkeit. 

Wir  sahen  bereits  soeben,  dass  t  und  TF  bei  den  homogenen 
Tetraedersubstitutionen  {^'2~)  völlig  ungeändert  bleiben.  Dasselbe  gilt 
folglich  von  x-  Denn  %  kann  sich  als  Covariante  bei  ungeänderter 
Grundform  höchstens  um  eine  Potenz  der  Substitutionsdeterminante 
ändern,  diese  Determinante  ist  aber  in  unserem  Falle  gleich  1.  Jetzt 
erzeugten  wir  in  §  5  die  homogenen  Oktaedersubstitutionen,  indem  wir 
zu  den  genannten  Tetraedersubstitutionen  eine  einzelne  Substitution  (23), 
die  einer  Drehung  F  von  der  Periode  4  entsprach,  hinzunahmen.  Wir 
constatiren  durch  directe  Ausrechnung,  dass  t  bei  dieser  Substitution 
(und  also  überhaupt  bei  allen  Oktaedersubstitutionen,  die  nicht  zugleich 


1,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy.  55 

.Tetraedersubstitutionen  sind)  sein  Zeichen  wechselt.  Hiernach  bleibt  W, 
als  Hesse'sehe  Form,  und  weil  es  sich  wieder  um  Substitutionen  von 
der  Determinante  1  handelt,  überhaupt  ungeändert,  %  aber  alternirt 
genau  wie  t  im  Vorzeichen,  so  dass  das  Product  x^  ungeändert  bleibt. 
Jedenfalls  werden  mithin  ^,  W^,  x^  ^^i  unseren  homogenen  Oktaeder- 
substitutionen überhaupt  nicht  geändert,  und  es  besteht  also  zwischen 
ihnen  die  oben  in  Aussicht  genommene  lineare  Relation.  Indem  wir 
wieder  nur  einige  Anfangsterme  der  für  diese  Formen  aus  (51),  (52) 
resultirenden  expliciten  Ausdrücke  in  Betracht  ziehen,  ergiebt  sich  für 
letztere: 

(53)  108i^  —  VP -\- x^  =  0, 

eine  Relation,  die  genau  so  auch  für  f,   W ,  %    besteht 

Die  Form  t  ist  in  der  Invariantentheorie  der  binären  Formen  seit 
lange  wohlbekannt,  indem  sie  sich  als  Covariante  6.  Grades  der  binären 
p'ormen  4.  Ordnung,  sofern  man  letztere  in  der  kanonischen  Form: 

«(<^/  +  V)  +  6&^i'^2' 
voraussetzte,  von  selber  einstellte.  Ebenso  haben  die  synthetischen 
Geometer  sich  wiederholt  und  eingehend  mit  dem  Punktsysteme  ^  =  0, 
d.  h.  nach  ihrer  Redeweise:  mit  dem  Aggregate  dreier,  wechselseitig 
harmonischer  Punktepaare  beschäftigt.  Auch  hat  Clebsch  in  seiner 
Theorie  der  binären  algebraischen  Formen  die  Form  t  als  besonderen 
Fall  der  allgemeinen  binären  Formen  6.  Ordnung  in  Betracht  gezogen*). 
Endlich,  was  die  Relation  (53)  angeht,  so^subsumirt  sich  diese  mit 
den  ihr  analogen  zusammen  unter  eine  allgemeine  Formel  der  In- 
variantentheorie, vermöge  deren  man  das  Quadrat  einer  Functional- 
determinante  zweier  Covarianten  durch  ganze  Functionen  von  Formen 
niederer  Grade  ausdrückt. 

§  13.    Der  Formenkreis  des  Ikosaeders. 

Um  die  Form  12.  Grades  aufzustellen,  welche  gleich  Null  gesetzt 
die  12  Ecken  des  Ikosaeders  repräsentirt,  berechnen  wir  zuerst  im 
Anschlüsse  an  unsere  früheren  Entwickelungen  (§  6)  die  Argumente 
der  einzelnen  Ecken.  Eine  der  Ecken  hat  das  Argument  ^  =  0;  in- 
dem wir  dasselbe  in  die  60  nicht  homogenen  Ikosadersubstitutionen 
(32)  eintragen,  erhalten  wir  für  die  12  Ecken: 

(54)  ^  =  0,       OO,       £"(£  +  £*),        a*(s^-^6^),  (r  =  o,  1,  2,  3,  4). 


*)  Vergl.  pag.  447  ff.  Man  sehe  auch  Brioschi,  Sulla  equazione  del  ottaedro, 
Transunti  della  Accademia  dei  N,  Lincei  3,  111  (1879),  oder  Cayley:  Note  on  the 
oktahedron  function,  Quarterly  Journal  of  Mathematics,  t.  XVI  (1879). 


56 


I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy. 


Daher  können  wir  die   gesuchte  Form  f   gleich    folgendem  Producte 
nehmen : 


^1^2  •  Tli^i  —  £M£  +  e')  •  ^2)  •  Tli^i  -  £"  («'  +  £')  ^2), 


oder: 


oder  endlich: 

(55)  /  =  ^,Z,  (0,''  +  ll^,^;^^^  -  ;^2'»). 

Wir  wollen  nun  sofort  wieder  aus  dem  so  gewonnenen  f,  unter 
Abtrennung  geeigneter  Zahlenfactoren,  die  Äesse'sche  Form  und  von 
dieser  und  f  die  Functionaldeterminante  berechnen.  So  gewinnen  wir 
die  beiden  Formen: 

aY         3Y 


~    121 


av 


ay 


(56)  ir^ 

a^jga;?! 

=  -  (5,2°  +  ^,2»)  +  228  {z,'^^,^  -  0,^z,'^) 

df  df 

J_ 
20^ 


494^1^"^/», 


(57) 


T  = 


dzi 
dH 

dz^ 


dz^ 

dH 

dz^ 


=  (^1'"  +  ^2"")  +  522  {g^^'s^'  —  0^'0^'^)  -  10005  (^i'"-S2^"  +  ^i'"^2'"), 

und  ich  behaupte  betreffs  ihrer,  (?ass  H  =0  die  20  Ecken  des  Penta- 
gondodekaeders, T  ==  0  die  30  KantenJialbirungspunkte  (die  Endpunkte  der 
15  Querlinien)  repräsentirt. 

Um  diese  Behauptung  etwas  ausführlicher  zu  beweisen,  als  dies 
im  analogen  Falle  bei  Tetraeder  und  Oktaeder  geschehen  ist,  bemerken 
wir  zunächst,  dass  H  und  T  als  Covarianten  von  /',  gleich  Null  ge- 
setzt, sicher  solche  20  bez.  30  Punkte  der  Kugeloberfläche  repräsen- 
tiren,  deren  Gesammtheit  bei  den  60  Ikosaederdrehungen  ungeändert 
bleibt.  Nun  ordnen  sich  aber  die  Punkte  der  0- Kugel  bei  diesen 
Drehungen  im  Allgemeinen  zu  je  60  zusammen,  und  die  Zahl  der  zu- 
sammengehörigen Punkte  sinkt  dann  und  nur  dann  herab,  und  zwar 
beziehungsweise  auf  12,  20,  30,  wenn  wir  es  mit  den  Eckpunkten  des 
Ikosaeders,  des  Pentagondodekaeders  und  den  Kantenhalbirungspunkten 
zu  thun  haben.  Ein  Aggregat  von  Punkten,  das  bei  den  60  Ikosaeder- 
drehungen ungeändert  bleibt,  muss  eine  Zusammenfassung  solcher  ein- 
zelner Punktgruppen  sein.  Die  Anzahl  der  Punkte,  die  es  umfasst, 
lässt  sich  also  nothwendig  in  die  Gestalt  setzen: 

a  .  60  +  ^  •  12  +  j/ .  20  +  d  •  30, 


I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy.  57 

WO  tt,  ß,  y,  d  ganze  Zahlen  sind,  und  ß,  y,  d  die  Multiplicitäten  an- 
geben, mit  der  die  Eckpunkte  des  Ikosaeders,  des  Pentagondodekaeders 
und  die  Kantenhalbirungspunkte  an  dem  Punktaggregate  participiren.  — 
Soll  diese  Anzahl  nun,  wie  im  Falle  von  H  =  0,  gleich  20,  oder, 
wie  im  Falle  von  T  =0,  gleich  30  sein,  so  ergibt  sich  beidemal  nur 
eine  Möglichkeit  der  Bestimmung  von  a,  ß,  y,  d,  nämlich  im  ersten 
Falle  a==  ß  =  d  =  0,  y  =  1,  und  im  zweiten  Falle  a  =  ß  ==  y  =  0, 
ö  =  1.  Dies  ist  aber,  was  wir  betreffs  der  Bedeutung  von  H  ==  0, 
T  =  0  behauptet  hatten.  — 

Wir  untersuchen  jetzt,  wie  sich  f,  H,  T  den  homogenen  Ikosaeder- 
substitutionen  gegenüber  mit  Rücksicht  auf  etwa  vortretende  Factoren 
verhalten.  Indem  wir  nur  die  erzeugenden  Substitutionen  (24),  (26)  in 
Betracht  ziehen,  constatiren  wir  nach  kurzer  Rechnung,  dass  f  über- 
haupt ungeändert  bleibt.  Also  gilt  dasselbe  von  H  und  T.  Denn  wir 
haben  H  und  T  als  Co  Varianten  von  f  definirt,  und  die  Determinante 
jeder  einzelnen  Substitution  (27)  ist  gleich  Eins.  Das  Verhalten  von 
ff  H,  T  in  dieser  Beziehung  ist  also  so  einfach  wie  möglich.  Es  be- 
steht hiernach  gewiss,  wie  oben  in  Aussicht  genommen  wurde,  eüie 
lineare  Identität  zwischen  p,  H^  und  T^.  Indem  wir  wieder  nur  auf 
die  Anfangsterme  der  expliciten  Formeln  (55),  (56),  57)  recurriren, 
finden  wir  für  dieselbe: 

(58)  r2  =  — i/34-  1728 /"l 

Wir  haben  so  Resultate  gefunden,  die  den  beim  Tetraeder  und 
Oktaeder  entwickelten  genau  analog  sind.  Sollen  wir  nun  auch  hier 
wieder  Beziehungen  zur  allgemeinen  Invarianten theorie  binärer  Formen 
darlegen,  so  können  wir  uns  allerdings  nicht  auf  ältere  Arbeiten  be- 
rufen. Denn  die  Kenntniss  der  Formen  f,  H,  T  wurde  in  der  That 
zuerst  durch  Betrachtung  der  regulären  Körper  und  der  umgeschriebenen 
{x  -f-  *f/)-Kugel  gewonnen.  Erst  hieran  anknüpfend  habe  ich  in  Bd.  9 
der  Annalen  (1.  c.)  die  hauptsächlichen  invariantentheoretischen  Eigen- 
scha:%pn  der  Form  /'  untersucht.  Aber  es  ist  eine  Reihe  neuerer  in- 
variantentheoretischer Publicationen,  deren  ich  hier  zu  gedenken  habe. 
Dieselben  beziehen  sich  auf  die  invariantentheoretische  Definition  der 
Form  f,  bez.  der  anderen  von  uns  in  Betracht  gezogenen  Formen.  In 
diesem  Betracht  hatte  ich  selbst  schon  im  9.  Annalenbande  den  Satz 
ausgesprochen,  dass  f,  gleich  unseren  früheren  Formen  0  und  t,  durch 
das  identische  Verschwinden  der  vierten  Ueberschiebung  {f,  /")*  charak- 
terisirt  ist.  Diesen  Satz  hat  dann  Hr.  Wedekind  in  seiner  Habili- 
tationsschrift dahin  vervollständigt,  dass  es,  von  trivialen  Fällen 
abgesehen,  überhaupt  keine  anderen  binären  Formen  gibt,  deren  vierte 


58  I>  2.    Einführung  von  x  +  iy. 

Ueberschiebung  über  sich  selbst  identisch  verschwindet,  als  <^,  t  und  /"*). 
Eine  andere,  analoge  Eigenschaft  hat  Hr.  Fuchs  bei  Aufsuchung  dieser 
Formen  herangezogen**):  dass  nämlich  alle  Covariantm  dieser  Formen, 
welcJie  niederen  Grades  sind,  als  die  Formen  selbst,  oder  auch  Potenzen 
von  Formen  niederen  Grades  sind,  identisch  verschwinden  müssen.  Hr.  Gordan 
hat  sodann  gezeigt***),  dass  die  hierin  liegende  Eigenschaft  in  der 
That  zur  Charakterisirung  der  Formen  <\>,  t,  f  gerade  ausreicht.  Ich 
gedenke  endlich  der  neuesten  Arbeit  von  Hrn.  Halphenj").  Derselbe 
geht  allgemein  von  der  Forderung  dreigliedriger  Identitäten  (36)  aus: 

"  AfJPn  +  XfFl-  +  kfFi*  =  0 

und  zeigt,  dass  dieselben  nicht  anders  statt  haben  können,  als  eben 
in  den  von  uns  untersuchten  Fällen.  Wir  können  somit  unsere  Formen 
auch  als  durch  diese  Identitäten  definirt  ansehen.  Uebrigens  sind 
diese  Entwickelungen  von  Hrn.  Halphen  mit  den  anderen  enge  ver- 
wandt, die  wir  noch  im  fünften  Kapitel  des  gegenwärtigen  Abschnitts 
erbringen  werden,  wenn  es  sich  darum  handeln  wird,  überhaupt  alle 
endlichen  Gruppen  binärer  homogener  Substitutionen  aufzustellen. 

§  14.    Die  fundamentalen  rationalen  Functionen. 

Nachdem. wir  jetzt  bei  den  invarianten  Formen,  die  zu  den  homo- 
genen Substitutionsgruppen  gehören,  hinreichend  verweilt  haben,  ist 
es  leicht,  den  letzten  Schritt  zu  thun  und  solche  rationale  Functionen 

von  ^  =  -^  zu  bilden,  welche  bei  den  nichthomogenen  Substitutionen 

des  §  7  überhaupt  ungeändert  bleiben.  In  der  That  werden  wir  nur 
geeignete  Quotienten  unserer  invarianten  Formen,  von  der  nullten 
Dimension  in  z^  und  ^2}  aufzustellen  haben.  Wir  behaupteten  schon  in 
§  1 ,  dass  sich  in  allen  Fällen  ein  solcher  Quotient  Z  bilden  lässt,  der. 


*)  Studien  im  binären  Werthgebiet,  Carlsruhe  1876,  siehe  auch  Brioschi: 
Sopra  una  classe  di  forme  hinarie,  Annali  di  Matern.  2,  VIII  (1877).  Neuerdings 
hat  Brioschi  auch  solche  Formen  achter  Ordnung  in  Betracht  gezogen,  welcÄe  bis 
auf  einen  Zahlenfactor  mit  ihrer  vierten  Ueberschiebung  übereinstimmen,  siehe 
Comptes  Rendus  de  l'Academie  .  .  .  . ,  t.  96  (1883). 

**)  Siehe  Göttinger  Nachrichten  vom  Dec.  1875,   sowie  die  Abhandlungen  in 

Borchardt's  Journal  Bd.  81,  85  (1876,  78).     Die  „Primformen",   welche  Hr.  Fuchs 

daselbst  betrachtet,  sind  genau  die  von  uns  im  Texte  sogenannten  „Grundformen". 

***)   Math.  Annalen   Bd.  XII  (1877):  Binäre  Formen  mit  verschwindenden  Co- 

Varianten. 

t)  Memoires  presentes  par  divers  savants  ä  l'Acadömie  etc.,  T.  28  (1883): 
Memoire  sur  la  reduction  des  equations  differentielles  lineaires  aux  formes  inte- 
grables  (der  Pariser  Akademie  als  Pxeisarbeit  1880  eingereicht). 


I,  2.    Einfuhrung  von  x  +  iy-  59 

gleich  Const.  gesetzt,  die  verschiedenen  jedesmal  auf  der  Kugel  in 
Betracht  kommenden  Punktgruppen  einzeln  darstellt.  Es  heisst  dies 
oflPenbar  nichts  anderes,  als  dass  es  eine  rationale  Function  der  ge- 
suchten Art  gibt,  welche  vom  N^^^  Grade  ist,  unter  N  die  Anzahl 
der  in  Betracht  kommenden  nichthomogenen  Substitutionen  verstanden. 
Ehe  wir  diese  fundamentalen  rationalen  Functionen  wirklich  aufstellen 
und  damit  den  kürzesten  Beweis  für  ihre  Existenz  liefern,  ist  es  nütz- 
lich, dass  wir  uns  über  ihre  Stellung  innerhalb  der  übrigen  ungeändert 
bleibenden  rationalen  Functionen  von  z  orientiren. 

Ich  sage  zunächst,  dass  jede  solche  rationale  Function  von  z  eine 
rationale  Function  von  Z  ist.  In  der  That,  sei  B,  (z)  eine  solche  Function, 
so  wird  R(z)  für  alle  Punkte  der  Kugel,  die  aus  einem  durch  die 
JV^  Drehungen  der  in  Betracht  kommenden  Gruppe  hervorgehen,  den- 
selben Werth  annehmen.  Aber  die  N  in  solcher  Weise  zusammen- 
geordneten Punkte  sind  immer,  nach  Voraussetzung,  durch  einen  Werth 
von  Z  charakterisirt.  Die  Functionen  Z  und  B,  welche,  durch  Ver- 
mittelung  von  z,  jedenfalls  algebraisch  von  einander  abhängen,  sind 
daher  so  verbunden,  dass  zu  jedem  Werthe  von  Z  immer  nur  ein 
Werth  von  R  gehört,  d.  h.  R  ist  eine  rationale  Function  von  Z,  was 
zu  beweisen  war.  Dass  umgekehrt  auch  jede  rationale  Function  von 
Z  eine  Function  R(z)  ist,  braucht  kaum  erwähnt  zu  werden. 

Ich  sage  ferner,  dass  Z  durch  die  ihm  auferlegte  Eigenschaft,  von 
linearen  Umformungen  abgesehen,  vollständig  bestimmt  ist.  Sei  nämlich 
Z'  eine  zweite  rationale  Function  von  z,  welche  gleich  Z  die  Eigen- 
schaft hat,  gleich  Const.  gesetzt  immer  nur  eine  Gruppe  zusammen- 
gehöriger Punkte  darzustellen.  So  schliessen  wir  genau  wie  vorhin, 
dass  Z'   von  Z,   aber  ebensowohl,    dass  Z  von  Z'   rational   abhängt. 

Daher  ist  Z'  eine  lineare  Function  von  Z:   Z'  =  — „  ;   ^-  •    Dass  wir 

yZ  -j-  o 

umgekehrt  jedes  in  solcher  Weise  eingeführte  Z'  ebenso  gut,  wie  das 

ursprüngliche  Z,  als  fundamentale  rationale  Function  würden  gebrauchen 

können,  ist  wieder  selbstverständlich. 

An  letztere  Bemerkung  knüpft  sich  die  weitere,  dass  ivir  unsere 

fundamentale  rationale  Function  Z,  um  sie  zu  einer  völlig  bestimmten 

zu    machen,   noch   drei  unabhängigen  Bedingungen   unterwerfen  können. 

Was  zunächst  die  cyclisclien  Gruppen  angeht,  so  setzen  wir  einfach: 


m  ^=(t)". 


wo  also  Z  für  den  einen  Pol  der  cyclischen  Gruppe  verschwindet,  für 
den  anderen  unendlich  wird,  und  längs  des  Aequators  den  absoluten 
Betrag   Eins    annimmt.     In  den  übrigen  Fällen  haben  wir,  wie  wir 


60  I>  2.    Einführung  von  x  -\-  iy. 

wissen,  immer  dreierlei  ausgezeichnete  Punktgruppen  zu  unterscheiden, 
welche  innerhalb  der  allgemeinen  zugehörigen  Punktgruppen  resp.  mit 
der  Multiplicität  Vj,  Vg,  v^  enthalten  sind.  Im  Anschlüsse  an  ein  viel- 
fach übliches  Verfahren  wollen  wir  nun  unser  Z  jedesmal  so  normiren, 
dass  es  für  diese  dreierlei  Punktgrwppen,  'beziehungsweise  die  Werthe  1,  0,  oo 

annimmt     Dann  wird  Z  die  Gestalt  c  •  — ^— ,  Z  —  1  analog  die  Form 

■^  3 

annehmen,  unter  F^  F^,  F^  die  früher  so  genannten  Gründ- 


en 

^  3 

formen  verstanden.    Zugleich  müssen  c  und  c'  so  beschaffen  sein,  dass 
die  Gleichung: 


-  1  =c' 


F\' 


Fl'  Fl' 

mit    der    wiederholt   besprochenen,    zwischen  F^,  F^,  F^  bestehenden 
Identität  zusammenfällt,  was  c  und  c'  vollkommen  bestimmt. 

Indem  ich  jetzt  dazu  übergehe,  die  auf  solche  Weise  definirte 
Function  Z  in  jedem  Falle  explicite  anzugeben,  bediene  ich  mich  einer 
Schreibweise,  welche  die  beiden  Ausdrücke  von  Z  und  Z  —  1  gleich- 
förmig zusammenfasst;  ich  werde  nämlich  Z :  Z  —  1  :  1  mit 

cF;-     '.c'F\-     :Fl' 

proportional  setzen.     Wir  erhalten  solchergestalt  die  folgende  Tabelle,  auf 
welche  wir  noch  oft  mrücichommen  werden: 

1)  Bieder: 

2)  Tetraeder: 


(61a)  Z:Z-  1:1  =  r'    :-  12  l/— 3-^^  :  <l>\ 

oder  auch: 

(61b)  Z:Z~  1:1  =Y':        -  12Yd  -  t'^' :  <t>'', 

je  nachdem   wir  erste   oder  zweite   Lage  des  Coordinatensystems  an- 
nehmen wollen; 

3)  Oktaeder,  mit  derselben  Unterscheidung: 
(62a)  Z:Z-1:\  =  W'    :f    :  108  t\ 
oder: 

(62b)  Z:Z— 1:1  =  W''':%^:l^^t'S 

4)  Ikosaeder: 

(63)  Z:Z— 1:1  =  H'    :-TM728A 


I,  2.    Einführung  von  x  -\-  iy.  ^  61 

Wegen  der  hier  verwendeten  Bezeichnungen  vergleiche  man  durchweg 
die  Hauptformebi  der  Paragraphen  11,  12  und  13. 

§  15.    Bemerkung  über  die  erweiterten  Gruppen. 

Zum  Abschlüsse  kehren  wir  noch  einmal  zu  unseren  erweiterten 
Gruppen  (§  7)  zurück.  Wir  wollen  wissen,  wie  sich  bei  ihnen  unsere 
nunmehr  gewonnenen  rationalen  Fundamentalfunctionen  Z  verhalten. 
Von  analytischer  Seite  entstanden  die  erweiterten  Gruppen  1.  c,  in- 
dem wir  mit  den  nichthomogenen  Substitutionsgruppen  die  Operation 
z  =  z  verbanden,  wobei  wir  nur,  sofern  vom  Tetraeder  die  Rede  war, 
die  zweite  Lage  des  Coordinatensystems  voraussetzten.  Nun  haben 
aber,  sofern  wir  an  der  genannten  Voraussetzung  festhalten,  alle  unsere 
Grundformen  reelle  Coefficienten  und  es  wird  Z  vermöge  der  vor- 
stehenden Formeln  aus  diesen  Grundformen  jedesmal  mit  Hülfe  reeller 
Coefficienten  abgeleitet.  Die  Sache  ist  also  einfach  die,  dass  hei  allen 
denjenigen  Operationen  der  erweiterten  Gruppen,  die  nicht  schon  in  den 
zugehörigen,  nichthomogenen  Substitutionsgruppen  enthalten  sind,  Z  jedesmal 
in  seinen  conjugirt  imaginären   Werth  übergeht 

Indem  wir  dieses  Ergebniss  mit  den  Sätzen  verbinden,  die  wir 
in  §  11  des  vorigen  Kapitels  abgeleitet  haben,  erhalten  wir  noch  ein 
letztes  bemerkenswerthes  Resultat.  Es  ist  dieses,  dass  Z  für  alle 
solche  Punkte  der  z-Kugel,  die  in  den  Symmetrieebenen  der  jedesmaligen 
Configuration  gelegen  sind,  aber  auch  nur  für  solche  Punkte,  reelle  Werthe 
annimmt.  Es  sind  also  die  Punkte  der  genannten  Symmetrieebenen 
durch  die  Realität  des  zugehörigen  Z  jeweils  charakterisirt. 


Blicken  wir  zurück,  so  haben  wir  in  dem  zweiten  nunmehr  be- 
endeten Kapitel  dieses  erreicht,  dass  wir  die  geometrisch-gruppen- 
theoretischen Resultate  des  ersten  Kapitels  mit  einem  bestimmten 
Gebiete  der  neueren  Mathematik  in  Verbindung  gesetzt  haben,  näm- 
lich mit  der  Algebra  der  linearen  Substitutionen  und  der  zugehörigen 
Invariantentheorie.  In  ganz  ähnlicher  Weise  sollen  die  folgenden  beiden 
Kapitel  bestimmt  sein,  die  Verbindung  mit  zwei  anderen  modernen 
Disciplinen  herzustellen.  Es  sind  dies  die  Biemann'sche  Functionen- 
theorie  und  die  Galois'sche  Theorie  der  algebraischen  Gleichungen. 


Kapitel  IH. 

« 

Formnlirung  und  functionentheoretische  Discussion  der 
Fundamentalaufgaben. 

§  1.    Definition  der  Fundamentalaufgaben. 

Die  Untersuchungen  des  vorigen  Kapitels  haben  uns  in  den  Formeln 
(59)  —  (63)  des  vorletzten  Paragraphen  zur  Kenntniss  gewisser  rationaler 
Functionen  Z  von  z  geführt,  die  bei  den  jeweils  in  Betracht  kommen- 
den Gruppen  nichtliomogener  Substitutionen  ungeändert  bleiben,  und 
durch  welche  sich  alle  anderen  ungeändert  bleibenden  rationalen 
Functionen  von  z  rational  ausdrücken.  Wir  knüpfen  an  dieses  Ergebniss 
eine  Aufgabenstellung,  welche  wir  als  die  zur  jedesmaligen  Gruppe 
gehörige  Gleichung  bezeichnen.  Wir  denken  uns  nämlich  Z  seinem  Zahlen- 
werthe  nach  beliebig  gegeben  und  verlangen,  aus  ihm  das  zugehörige  z 
als  Unbekannte  zu  berechnen,  oder  anders  ausgedrückt:  wir  betrachten 
nicht  mehr  Z  als  Function  von  z,  sondern  z  als  Function  von  Z.  Die 
Gleichung,  welche  solchergestalt  der  cyclischen  Gruppe  entspricht,  ist 
nach  Formel  (59)  1.  c.  keine  andere,  als  die  binomische  Gleichung: 

(1)  (^\'=  z. 


m 


Die  anderen  Gleichungen  correspondiren  genau  so  den  Formeln  (60)— ^63) ; 
ich  will  sie  hier  kurz  in  der  Gestalt 


(2) 


c  '  — ^-  =  Z 


zusammenfassen,  die  wir  schon  im  vorigen  Kapitel  gelegentlich  ge- 
brauchten. Dabei  bedeuten  F^,  F^  mit  F^  zusammen  jene  drei  Haupt- 
formen, aus  denen  sich  alle  anderen  invarianten  Formen  als  ganze 
Functionen  zusammensetzen,  und  v^,  Vg  sind  jeweils  der  Tabelle  zu  ent- 
nehmen, die  in  §  9  des  ersten  Kapitels  mitgetheilt  wurde,  und  die  ich 
hier  der  besseren  üebersicht  halber  noch  einmal  hersetze: 


(3) 


n 

"2 

"s 

N 

Dieder 

2 

2 

n 

2n 

Tetraeder 

2 

3 

3 

12 

Oktaeder 

2 

3 

« 

4 

24 

. Ikosaeder 

2 

3 

5 

60 

I,  3.    Die  Fundamentalaufgaben,  in  functionentheoretischem  Sinne  behandelt.  63 

Ich  habe  dabei  eine  letzte,  mit  N  überschriebene  Columne  hinzugefügt, 
welche  den  Grad  der  jeweils  in  Betracht  kommenden  Gleichung 
angibt*). 

Aber  mit  den  Gleichungen  (1),  (2)  ist  nur  erst  ein  Theil  unserer 
früheren  Betrachtungen  umgekehrt;  wir  erhalten  eine  zweite  Art  der 
Problemstellung,  indem  wir  auf  die  jedesmaligen  invarianten  Formen 
selbst  zurückgehen.  Diese  Formen  bleiben  bei  den  homogenen  Sub- 
stitutionen von  der  Determinante  1  im  Allgemeinen  nur  bis  auf  einen 
Factor  ungeändert.  Indess  ist  es  nicht  schwer,  unter  ihnen  diejenigen, 
bei  denen  dieser  Factor  gleich  1  ist,  und  die  man  die  absoluten  In- 
varianten nennen  könnte,  herauszuheben.  Der  Erfolg  zeigt,  dass  sich 
diese  absoluten  Invarianten  jedesmal  aus  dreien  als  ganze  Functionen 
zusammensetzen;  ich  habe  diese  drei  Formen  in  der  nachstehenden 
Tabelle  zusammen  mit  der  zwischen  ihnen  jeweils  bestehenden  Identität 
angegeben. 

I.  Oydische  Gruppen. 

(Formen:     z^z^,  e^^,  V"; 
(Identität:  (^-sfg)^"  =  V"  *  V- 

II.  Diedergru^en. 
Beim  Dieder  hatten  wir: 

und  die  Belation: 

F^^  =  F^^  +  F^. 
Suchen  wir  jetzt  die  absoluten  Invarianten,  so  erhalten  wir  bei  ge- 
radem n: 

(Formen:     F,\  F,\  F,F,F,', 
(Identität:  {F.F.F.f  =  F,^  •  F,'  •  {F,'  ~  F^) ; 
und  bei  ungeradem  n: 

fFormen:     F,',  F,'F„  F,F,; 

(Identität:  {F.F.f  •  F,'  =  {F,'F,)  (F,'F,  -  F^  +  ^). 

III.  Tetraedergruppe**). 

jFormen:     F,  =  t,  F,F,  =  W,  F,'  ==  O«; 
( Identität:  W^  =  0^  ^^s  _  ^2  y^^^g.  t^). 

*)  Ich  werde  auch  den  Grad  von  (1)  im  Folgenden  gelegentlich  mit  N  be- 
zeichnen. 

**)  Bei  Tetraeder  und  Oktaeder  gebrauche  ich  jetzt  im  Gegensatze  zu  früher 
nur  noch  die  nicht  accentuirten  Buchstaben. 


64  I,  3.    Die  Fundamentalaufgaben, 

IV.  Oktaedergruppe. 

fFormen:      F,  =  TT,  F,'  =  t',  F,F,  =  xt; 
ildentität:  (^0'  =  f  {W^  —  108  ^). 

F.  IJcosaedergruppe. 

(Formen:     F,  =  T,  F,  =  H,  F,^f;    ■ 
^  ^  ildentität:    T^  +  H^  -  \12%f  =  0. 

Wir  denken  uns  jetzt  im  einzelnen  Falle  die  drei  in  die  Tabelle  auf- 
genommenen Formen,  in  Uebereinstimmung  mit  der  zwischen  ihnen 
bestehenden  Identität,  aber  sonst  beliebig,  ihrem  Zahlenwerthe  nach 
gegeben  und  verlangen,  die  Werthe  der  beiden  Variabein  0^,  ^g  hieraus 
zu  berechnen.  So  haben  wir,  was  wir  das  zugehörige  Formenproblem 
nennen  wollen.  Die  Anzahl  der  Lösungssysteme  eines  Formenproblems 
beträgt  immer  2N,  unter  iV^  den  Grad  der  correspondirenden  Gleichung 
verstanden.  Alle  diese  Lösungssysteme  gehen  dabei  aus  einem  be- 
liebigen derselben  genau  so  vermöge  der  2N  homogenen  Substitutionen 
hervor,  wie  dies  bei  den  iV^  Lösungen  der  jedesmaligen  Gleichung  mit 
Bezug  auf  die  N  nichthomogenen  Substitutionen  augenscheinlich  der 
Fall  ist. 

§  2.    Reduction  der  Pormenprobleme. 

Was  die  Lösung  der  Formenprobleme  angeht,  so  können  wir  die- 
selbe allemal  vermöge  der  entsprechenden  Gleichung  und  einer  zu- 
tretenden Quadratwurzel  bewerkstelligen.  Nehmen  wir  z.  B.  die  cyclischen 
Gruppen.  So  berechnen  wir  uns  zuvörderst  aus  den  Formen  (4)  die 
rechte  Seite  von  (1): 

y^  __    (^1  ^2)      __       ^1 

lösen  dann  (1),  wodurch  wir  -^  =  z  erfahren,  und   gewinnen  endlich 

2 

z^,  z^  selber,  indem  wir  diesen  Werth  von  -^  in  die  angegebene  Form 

*2 

zweiten  Grades  z^z^  (die  wir  jetzt  X  nennen  wollen)  eintragen,  worauf 

(9)  ^2=    ]/f;    ^1=^-^2 

wird.  Im  Falle  der  anderen  Gruppen  gestaltet  sich  die  Sache  ganz 
entsprechend.  Denn  nicht  nur,  dass  das  jedesmalige  Z  (2)  sich  auch 
bei  ihnen  rational  aus  den  Formen  (5)  —  (8)  zusammensetzt,  wir  können 
aus  diesen  Formen  auch  immer  rational  einen  Ausdruck  aufbauen,  der 
vom  zweiten  Grade  in  Z-^,  z^  ist.  Ich  wähle  als  solchen  in  allen 
Fällen: 


in  fanctionentheoretischem  Sinne  behandelt.  65 

F.  .F. 


(10)  Z  = 


F^ 


Haben   wir  dann  vermöge   (2)   den  Quotienten  -^  =  0   bestimmt,   so 


ergiebt  der  Vergleich  mit  (10): 


(11)  ^2  =  ]/ 


X{z,  1)    ' 


wo  X(0i,  ^2)    ^iß    vorgegebene  Grösse  (10),  X(^;,  1)  eine   bestimmte 
rationale  Function  von  z: 

F,  {z,  1)  ■  F,  {z,  1) 
F,  (0,  1) 
bedeutet. 

Hiermit  haben  wir  nun  zugleich  das  Mittel,  um  die  bisherige 
Formulirung  unserer  Formenprobleme  zu  vereinfachen,  um  dieselbe  zu 
reducirm,  wie  wir  sagen  wollen*).  Vermöge  (9)  und  (11)  hängen  Zi,  z^ 
nur  von  X  und  Z  ab,  die  ihrerseits  rationale  Functionen  der  Formen 
(4)  —  (8)  sind.  Wir  tragen  jetzt  diese  Werthe  von  z^,  z^  in  die  Formen 
(4) — (8)  ein.  So  werden  diese  Formen,  weil  sie  alle  geraden  Grad 
haben,  rational  in  X.  Ztigleidi  werden  sie  aber  auch  rational  in  Z.  Denn 
sie  stellen  jetzt  derartige  rationale  Functionen  von  z  vor,  die  sich 
bei  den  N  zugehörigen  nicht  homogenen  Substitutionen  nicht  ändern. 
Wir  werden  also  in  der  Folge,  so  oft  von  den  Formenproblemen 
die  Rede  ist,  uns  nicht  etwa  die  Formen  (4) — (8)  gegeben  denken 
[wobei  wir  immer  die  zwischen  ihnen  bestehenden  Identitäten  be- 
rücksichtigen müssten],  sondern  lieher  gleich  von  vornherein  die  Aus- 
drücke Z  und  X,  und  nun  z^,  z^  als  Functionen  dieser  beiden  Grössen 
betrachten. 

Ich  theile  hier  noch  die  rationalen  Functionen  von  Z  und  X 
explicite  mit,  denen  die  Formen  (4)  —  (8)  gleich  werden.  Man  verificirt 
dieselben  leicht,  indem  man  einerseits  darauf  zurückgeht,  wie  sich 
Z  und  X  aus  den  Formen  (4)  —  (8)  zusammensetzen,  andererseits  den 
zwischen  diesen  Formen  bestehenden  Identitäten  Rechnung  trägt. 
Ich  finde: 

I.  hei  den  cycliscJien  Gruppen: 
(12)  ^.^,-X,    z\^  =  Z.X%    4"  =  4^  5 


*)  Dass  eine  solche  Reduction  möglich  sei,  bemerkte  mir  gelegentlich  Hr.  Nöther, 
welcher  dieselbe  in  ganz  anderer  Weise  aus  seinen  allgemeinen  Untersuchungen 
über  Flächenabbildung  ableitete. 

Kleiu,  Gleichungen  5.  Oradea.  5 


66  I>  3.    Die  Fundamentalaufgaben, 


IL 

hdm  Bieder: 

für  gerades  n. 

n  +  S 

(13  a) 

Fs' 

X^-  Z  -  1 

~        z 

-,     F^'=- 

X"  •  (Z  —  1)     2 
n 

; 

Z^ 

1 

t  +  2 

.  F^F^F,  =  ~ 

X»  +  1  .  (Z  —  1) 

n 

2 
> 

z« 

und  für 

ungerades  n: 

» 

,  +  3 

(13b) 

F^  = 

x^  ■  z- 
z 

-  1 

3 

F^F,  =  - 

X-  +  1  .(Z—  1) 

n+1 
Z    2 

«  +  1 

X»*  •  (Z  —  1)    2 

n  — 1 

z  * 

2 

J 
> 

IIJ.  heim 

Tetraedei 

(14) 

F,= 

X". 

{Z- 
432  Z 

F^' 

X*  •  (Z  -  : 
~                  432  Z 

X«  •  (Z  — 

1)' . 

51841/— 3 

•  z' 

IV. 

.  heim 

Oktaeder: 

(15) 

F,== 

108- 

.  (Z- 
Z 

F,F,  = 

=  108^.  ^- %- 

1)3 

J 

-ir 

V. 

heim  Ilcosaeder: 

(16) 

F,= 

12«.  ^ 

{Z- 
Z^ 

,    i'a  = 

^3  = 

12=-  ^'(^^r 

-1)« 
1)» 

§  3.    Plan  der  folgenden  Untersucliungen. 

Es  gilt  jetzt,  die  nunmehr  gewonnenen  Fundamentalaufgaben  in 
doppelter  Hinsicht  zu  discutiren,  nämlich  in  functionentheoretischem 
und  algebraischem  Sinne.  Indem  wir  die  Untersuchungen  letzterer  Art 
bis  zum  folgenden  Kapitel  verschieben,  wenden  wir  uns  sofort  den 
functionentheoretischen  Betrachtungen  zu. 

Es  ist  0,  die  Unbekannte  der  einzelnen  Gleichung,  Function  von  Z 
allein,  während  die  0i,  0^  ^^^  entsprechenden  Formenprohlems  ausser- 
dem von  X  abhängen.   Nun  ist  aber  die  Art  dieser  Abhängigkeit  nach 


in  fonctionentheoretischem  Sinne  behandelt.  67 

den  Formeln  (9)  und  (11)  so  überaus  einfach,  dass  wir  nicht  länger 
bei  ihr  zu  verweilen  brauchen.  Wir  werden  also  auch  0j,  0^  nur  in- 
sofern discutiren,  als  sie  Functionen  von  Z  sind. 

Eine  solche  Untersuchung  spaltet  sich  naturgemäss  in  zwei  Theile. 
Es  gilt  zunächst,  eine  allgemeine  UebersicM  über  die  verschiedenen 
Zweige  unserer  Functionen  zu  gewinnen,  dann  aber  Mittel  anzugeben, 
um  den  einzelnen  Fundionszweig  durch  convergente  Processe  (also  etwa 
durch  Potenzreihen)  zu  berechnen.  Das  Erstere  erreichen  wir  in  unserem 
Falle  sehr  einfach  durch  die  Methode  der  conformen  Abbildung  (§  4,  5). 
Wir  erfahren  damit  zugleich  die  Form  der  Reihenentwicklungen,  die 
für  die  verschiedenen  Zweige  unserer  Functionen  in  Betracht  kommen 
(§  5).  Es  werden  uns  sodann  die  Coefficienten  dieser  Entwicklungen 
durch  den  Nachweis  geliefert,  dass  z  in  Bezug  auf  Z  einer  einfachen 
Differentialgleichung  dritter  Ordnung  genügt  und  in  Folge  dessen  die 
Wurzeln  z^,  z^  des  parallellaufenden  Formenprohlems  als  Lösungen 
einer  homogenen,  linearen  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung  mit  ratio- 
nalen Coefficienten  erscheinen  (§  6 — 9).  Endlich  beweisen  wir  in  §  10, 
dass  auf  Grund  der  letztgenannten  Differentialgleichung  z^,  z^  parti- 
culäre  Fälle  der  i?^ew^aw>^' sehen  P-Function  sind,  womit  unsere  Unter- 
suchungen an  ein  wohlumgrenztes  und  vielfach  untersuchtes  Gebiet  der 
modernen  Analysis  angeschlossen  erscheinen. 

Was  die  Resultate  angeht,  die  wir  auf  solche  Weise  gewinnen, 
so  sind  dieselben  der  Hauptsache  nach  bereits  alle  in  der  oben  ge- 
nannten Arbeit  von  Hrn.  Schwarz  enthalten*);  nur  dass  bei  Hrn. 
Schwarz  die  Anordnung  des  Stoffes  genau  die  umgekehrte  von  der- 
jenigen ist,  die  wir  hier  einhalten.  Ausgehend  von  der  Differential- 
gleichung der  hypergeometrischen  Reihe  construirt  Hr.  Schwarz  zunächst 
die  Differentialgleichung  dritter  Ordnung,  von  welcher  der  Quotient  z 
zweier  Particularlösungen  z^,  z.^  dieser  Differentialgleichung  abhängt. 
Er  untersucht  sodann^  die  conforme  Abbildung,  welche  z  von  den  bei- 
den Halbebenen  der  unabhängigen  Variabein  Z  entwirft,  und  steigt 
efl.dlich  durch  die  Forderung,  dass  z  eine  algebraische  Function  von  Z 
sein  soll,  zu  den  von  uns  betrachteten  ^f-Functionen  und  den  sie  defi- 
nirenden  Fundamentalgleichungen  auf**).  Wir,  umgekehrt,  beginnen 
mit  diesen  Gleichungen,  construiren  aus  ihnen  die  conforme  Abbildung, 
erschliessen  dann  die  Existenz  der  Differentialgleichung  dritter  Ordnung, 

*)  lieber  dienigen  Fälle,  in  welchen  die  Gaitssische  hyper geometrische  Beihe 
eine  algebraische  Function  ihres  vierten  Elementes  darstellt.  Borchardt's  Journal, 
Bd.  75,  p.  292—335  (1872). 

**)  Ich  resumire  im  Texte  von  den  durch  Hrn.  Schwarz  erhaltenen  Resultaten 
nur  diejenigen,  welche  zu  unserer  eigenen  Darstellung  unmittelbaren  Bezug  haben. 


68  I)  3.    Die  Fundamentalaufgaben, 

der  z  genügt,  und  gehen  von  dieser  endlich  zur  Differentialgleichung 
zweiter  Ordnung  der  P-Function,  oder,  was  im  Wesentlichen  dasselbe 
ist,  der  hypergeometrischen  Reihe  über.  Es  sei  dabei  gleich  hier  er- 
wähnt, dass  wir  bei  diesem  letzten  Schritte  einen  Gedanken  verwerthen, 
den  Hr.  Fuchs  in  seinen  schon  oben  genannten  Abhandlungen  eingeführt 
hat*),  indem  wir  nämlich  X  (%,  B^,  also  eine  von  z^,  z^  abhängige 
Form,  direct  durch  Z  darstellen. 

Natürlich  würde  ich  die  hiermit  bezeichneten  Entwickelungen  noch 
sehr  viel  kürzer  haben  zusammenziehen  können,  hätte  ich  betreffs  der 
Riemann'schen  P-Function  specielle  Kenntnisse  voraussetzen  oder  auch 
nur  die  allgemeinen  Grundzüge  der  modernen  Theorie  der  linearen 
Differentialgleichungen  mit  rationalen  Coefficienten  benutzen  wollen, 
wie  diese  Hr.  Fuchs  im  66.  Bande  von  Borchardt's  Journal  entwickelt 
hat**).  Indem  ich  hierauf  verzichte,  gewinnt  meine  Darstellung  die 
Bedeutung,  in  einen  Theil  der  gerade  genannten  Untersuchungen  auf 
verhältnissmässig  kurzem  Wege  einzuführen.  Ich  möchte  in  diesem 
Betracht  gleich  hier  auf  §  3  des  fünften,  hier  folgenden  Kapitels  ver- 
weisen, wo  im  Anschlüsse  an  die  jetzt  gegebene  Entwickelung  un- 
mittelbar die  allgemeinsten  linearen  Differentialgleichungen  zweiter 
Ordnung  mit  rationalen  Coefficienten  bestimmt  werden,  welche  durch- 
aus algebraische  Integrale  haben. 

§  4.    Ueber  die  conforme  Abbildung  durch  die  Function  z{Z\ 

Indem  wir  uns  jetzt  zur  conformen  Abbildung  hinwenden,  welche 
durch  z  (Z)  vermittelt  wird,  deuten  wir  in  früherer  Weise  die  com- 
plexen  Werthe  von  z  =  x  -\-  iy  auf  der  Kugelfläche,  während  wir 
Z  =^  X  -\-  iY  in  einer  Ebene  interpretiren***).  Wir  construiren  in 
der  Ebene  Z  die  Axe  der  reellen  Zahlen  und  zerlegen  dieselbe  so  in 
eine  positive  und  eine  negative  Halbehene.  Wir  markiren  ausserdem,  so 
lange  es  sich  um  die  binomischen  Gleichungen  (1)  handelt,  die  beiden 
Punkte  Z  =  Oy  oo,  andernfalls  aber  die  drei  Punkte  Z  =  1,  0,  oo. 

Ein  Blick  auf  die  Gleichungen  (1),  (2),  beziehungsweise  auf  die 
ausführlicheren  Formeln  (59)  —  (63)  des  vorigen  Kapitels  belehrt  uns, 
dass  bei  den  binomischen  Gleichungen  die  n  in  Betracht  kommenden 


*)  Siehe  das  Citat  auf  pag,  58. 
**)  Zur  Theorie  der  linearen  Differentialgleichung  mit  veränderlichen  Coefficienten 
(1865). 

***)  Wer  mit  der  Theorie  der  conformen  Abbildung  nicht  hinreichend  vertraut 
ist,  wird  Hrn.  Holsmüller's  neuerdings  erschienenes  Werk:  Einführung  in  die 
Theorie  der  isogonalen  Vencandtschaft  und  der  conformen  Abbildungen  etc.  [Leipzig, 
1882]  mit  Nutzen  zu  Rathe  ziehen  können. 


in  fonctionentheoretischem  Sinne  behandelt.  69 

Functionszweige  bei  Z  =  0  und  Z  =  <x>  alle  im  Cyclus  zusammen- 
hängen, währeDd  in  den  übrigen  Fällen  von  den  JV^  vorhandenen  Zweigen 
bei  Z=\  je  v^,  bei  Z=0  je  Vg,  bei  Z  =00  je  Vg  cyclisch  ver- 
bunden sind.    Nun  sage  ich,  dass  die  Function  z(Z)  auch  Jceine  anderen 

Verzweigungen  darbietet,  als  die  hiermit  angegebenen.    Allgemein  nämlich, 

* 

wenn  Z  als  rationale  Function  von  ^  =  -^  in  der  Form  gegeben  ist: 


[wo  9?,  ^  ganze  homogene  Functionen  der  beigesetzten  Argumente 
vom  Grade  N  sein  sollen],  so  findet  man  diejenigen  Werthe  von  z 
und  also  von  Z,  für  welche  Verzweigungen  statt  haben,  indem  man 
die  Functionaldeterminante  (2N — 2)**"  Grades: 

dq>       dip  dip      dtp 

gleich  Null  setzt;  verschwindet  dieselbe  /»-mal  an  einer  Stelle  z  =  z^,  so 
hängen  dementsprechend  (ft  -|-  1)  Zweige  der  Function  z  hei  Z  =  Zq 
im  Cyclus  zusammen*). 

Berechnen  wir  nun  in  einem  beliebigen  unserer  Fälle  (1),  (2)  diese 
Functionaldeterminante,  so  kommen  wir  immer  auf  die  Verzweigungs- 
punkte zurück,  die  wir  schon  kennen.  Denn  im  Falle  der  binomischen 
Gleichungen  erhalten  wir  einfach: 

und  bei  den  übrigen  Gleichungen,  mit  Rücksicht  darauf,  dass  Vj  alle- 
mal =  2  und  i^i  die  Functionaldeterminante  von  F^  und  F^  ist: 

-'-  1  -^2  3  } 

wo  die  verschiedenen  Wurzeln  von  F^=0  alle  Z  =\,  diejenigen  von 
F^  =  Q     Z  =  0,  endlich  die  von  i^g  =  0     Z  =  00  ergeben**). 


*)  Die  hiermit  formulirte  Regel  weicht  von  der  in  den  Lehrbüchern  angege- 
benen durch  den  Gebrauch  der  homogenen  Variabein  z^ ,  z^  ab.  Derselbe  ist  des- 
halb vortheilhaft,  weil  er  endliche  und  unendliche  Werthe  von  z,  wie  dies  die 
geometrische  Interpretation  von  z  auf  der  Kugel  und  überhaupt  die  moderne  Auf- 
fassung des  Unendlichen  verlangt,  in  eine  Form  der  Aussage  zusammenzufassen 
gestattet. 

**)  Zur  Begründung  unseres  Schlusses  hätten  wir  dieser  expliciten  Berechnung 
der  Functionaldeterminante  eigentlich  gar  nicht  bedurft,  sondern  es  hätte  genügt,  zu 
bemerken,  dass  die  Gesammtzahl  der  mit  der  richtigen  Multiplicität  gezählten  Ver- 
zweigungspunkte bei  Z  =  0,  00,  bez.  bei  Z  :=  1 ,  0,  <x>  mit  dem  Grad  (2JV — 2) 
der  Functionaldeterminante  übereinstimmt.  [Wir  müssen  dabei  jedesmal  auf  v 
im  Cyclus  zusammenhängende  Zweige  {y  —  1)  Wurzeln  der  Functionaldeterminante 
rechnen.] 


70  I)  3.    Die  Fundamentalaufgaben, 

Die  hiermit  gewonnenen  Angaben  genügen  bereits,  um  die  ge- 
suchte conforme  Abbildung  der  Art  nach  vollkommen  zu  charakteri- 
siren.  Bezeichnen  wir  als  w-Eck  jede  auf  der  Kugel  gelegene,  mit  der 
nöthigen  Anzahl  von  Ecken  versehene,  aber  übrigens  mit  stetig  ge- 
krümmten Curven  begrenzte  Figur,  und  beachten  wir  noch,  dass  Z  in  0 
rational  ist,  und  also  jedem  Z  N  Werthe  von  0,  jedem  0  aber  nur  ein 
Werth  von  Z  zugehört,  so  haben  wir  sofort: 

Vermöge  der  hinomiscJien  Gleichung  (1)  werden  die  beiden  Halhehenen 
Z  alternirend  auf  2N  Zweiecke  der  0- Kugel  abgebildet,   welche  in  den 

Polen   der   0- Kugel   (d.h.   den  PunJcten  0^0^  =  0)   mit  Winkeln  = -^ 

0usammenstossen  und  die  0- Kugel  vollständig  aber  nirgends  mehrfach 
überdecken. 

Genau  so  werden  in  den  Fällen  (2)  die  Halbebenen  Z  abwechselnd  auf 
2  N  Dreiecke  der  Z- Kugel  abgebildet,  die  mit  Winkeln  gleich  — ,  — ,  — 

je  an  einen  Funkt  von  F^  =  0,  einen  Funkt  von  F^  =  0  und  einen  Funkt 
von  jPg  =  0  hinanreichen. 

Wir  beachten  jetzt,  dass  alle  Wurzeln  von  (1)  oder  (2)  aus  einer 
beliebigen  derselben  jedesmal  durch  N  lineare  Substitutionen,  denen 
Drehungen  der  ^;-Kugel  um  den  Mittelpunkt  entsprechen,  aus  einander 
hervorgehen.     So  schliessen  wir  unmittelbar: 

Die  if  Zweiecke  oder  Dreiecke,  welche  im  ein0elnen  Falle  der  posi- 
tiven Halbebene  Z,  sowie  die  N  Zweiecke  oder  Dreiecke,  welche  der  nega- 
tiven HaTbebene  Z  entsprechen,  sind  be0iehungsweise  unter  einander  con- 
gruent. 

Endlich  aber  erinnern  wir  uns  des  Satzes,  den  wir  im  Schluss- 
paragraphen des  vorigen  Kapitels  aus  der  Existenz  der  erweiterten 
Gruppen  ableiteten.  Wir  zeigten  dort,  dass  Z  reelle  Werthe  nur 
längs  derjenigen  grössten  Kreise  der  0- Kugel  annimmt,  welche  von 
den  Symmetrieebenen  der  jedesmaligen  Configuration  ausgeschnitten 
werden.  Nun  trennen  die  reellen  Werthe  von  Z  innerhalb  der 
Z-Ebene  die  beiden  unterschiedenen  Halbebenen.  Daher  haben  wir 
schliesslich: 

Die  Begren0ungslinien  der  Zweiecke  und  Dreiecke  sind  keine  anderen, 
als  die  erwähnten  Symmetriekreise,  und  es  fallen  also  unsere  Zweiecke 
und  Dreiecke  mit  denjenigen  Figuren  0usammen,  welche  wir  in  §  11  des 
ersten  Kapitels  als  Fundamentalbereiche  der  erweiterten  Gruppen  be- 
zeichnet haben. 

Ich  bitte  den  Leser,  sich  selbst  die  hiermit  bezeichneten  gestalt- 
lichen Verhältnisse  recht  anschaulich  machen  zu  wollen;  est  ist  hier  nicht 


in  functionentheoretischem  Sinne  behandelt.  71 

der  Ort,  um  dieselben  noch  eingehender  zu  discutiren  *).  Die  Ab- 
bildung, welche  den  binomischen  Gleichungen  entpricht,  ist  natürlich 
mannigfach  sonst  untersucht  worden,  nur  dass  man  durchweg  die 
^-Kugel  durch  eine  Ebene  ersetzt  hat,  auf  welche  wir  unsere  Kugel 
vermittelst  stereographischer  Projection  bezogen  denken  müssen**). 

Uebrigens  will  ich  in  den  Entwickelungen  der  folgenden  Para- 
graphen die  binomischen  Gleichungen  und  überhaupt  die  cyclischen 
Gruppen,  bei  der  Sonderstellung,  welche  sie  den  anderen  Fällen  gegen- 
über einnehmen,  bei  Seite  lassen  und  nur  jedesmal  unter  dem  Texte 
die  auf  sie  bezüglichen  einfachen  Resultate  angeben. 

§  5.  Verlauf  der  Function  ^^1,^2"^  Allgemeinen ;  Keihenentwickelungen. 

Bei  der  geometrischen  Deutung  der  Functionen  2{Z),  wie  wir  sie 
im  vorigen  Paragraphen  gegeben  haben,  ruht  das  Charakteristische 
darin,  dass  wir  nicht  etwa  über  der  ^-Ebene  eine  vielblättrige  Fläche, 
sondern  auf  der  ^;-Kugel  eine  Gehietseintheilung  construirt  haben***)^ 
Handelt  es  sich  jetzt  darum,  den  Verlauf  der  Functionen  z^  {Z\  z^.  (-^)  ^u 
überblicken,  so  verlegen  wir  dementsprechend  die  Betrachtung  abermals 
auf  die  ^-Kugel.  Indem  wir  die  cyclischen  Gruppen  nach  Verabredung 
bei  Seite  lassen,  haben  wir  auf  die  Formeln  (11)  zu  recurriren,  die 
wir  folgendermassen  schreiben  wollen: 


(17)  ^'^-y^'F.iz^lyF^z,!)^         ^1  =  ^-^2. 

Es  erscheinen  hier  z^,  z^  als  eindeutige  Functionen  des  Ortes  auf  einer 
die  ^!- Kugel  überdeckenden  zweiblättrigen  Fläche,  welche  in  allen 
Punkten  i^^  =  0,  oder  F^  =  0,  oder  auch  i^g  =  0  (den  Punkt  z  =  00 
nicht  ausgeschlossen)  Verzweigungspunkte  besitzt,  also  dem  Geschlechte : 

d«)  i'  =  -i  +  f(^  +  ^  +  ^) 

angehört.  Wir  bestimmen  für  die  einzelne  Function  sofort  die  Null-  und 
Unendlichkeitspunkte,  die  natürlich  in  resp.  gleicher  Zahl  vorhanden  sein 


*)  Was  insbesondere  die  Ikosaedergleichung  angeht,  so  gibt  ein  Blick  auf  die 
Figur  den  hübschen  Satz:  dass  diese  Gleichung  für  reelles  Z  allemal  4  und  nur  4 
reelle  Wurzeln  besitzt. 

**)  In  seinen  „Vorlesungen  über  mathematische  Physi¥^  (Leipzig,  1876)  be- 
zeichnet Hr.  Kirchhoff  diejenigen  ebenen  Figuren,  welche  unseren  Zweiecken  ent- 
sprechen, als  Sicheln. 

***)  In  ähnlicher  Weise  kann  man  den  Verlauf  jeder  eindeutigen  Function 
Z  =  F{z)  zur  Anschauung  bringen.  Man  vgl.  z.  B.  0.  Herrmann:  Geometrische 
Untersuchungen  über  den  Verlauf  der  elliptischen  Transcendenten  im  complexen 
Gebiete,  Schlömilch's  Zeitschrift  Bd.  28  (1883). 


72  I,  3.    Die  Fundamentalaufgaben, 

müssen.  Was  zunächst  s^  betrifft,  so  verschwindet  es,  und  zwar  je  einfach*), 
für  alle  Punkte  von  i^^  =  0  und  überdies  für  ^  =  oo,  im  Ganzen  also 

für  i— — \-l\  Punkte;  dagegen   wird   es  für   alle  Punkte  von  F^  =  Q 

und  diejenigen  Punkte  von  F^  =  0,  die  nicht  nach  ^  =  oo  fallen, 
je    einfach    unendlich;    die    Zahl    der    Unendlichkeitspunkte    ist    also 

( — -  -\ 1  I ,  was  in  der  That,   vermöge   der  bei  uns  in  Betracht 

kommenden  Zahleriwerthe  der  iV^  und  v  mit  ( \-  1|    übereinstimmt. 

Ganz  ähnlich  bei  0^,  nur  dass  die  beiden  Punkte  2  =  0  und  0  =  oo 
(welche  beide  zu  den  Wurzelpunkten  von  F^  =  0  gehören)  ihre  Rolle 
vertauscht  haben. 

Wir  können  jetzt  die  Art  der  Reihenentwickelungen,  welche  unsere 
drei  Functionen  2,  b^,  z.^  in  der  Nähe  der  singulären  Stellen  Z=^  1,  0,  00 
gestatten,  mit  leichter  Mühe  angeben.  Ich  bringe  dies  hier  nur  so 
weit  zur  Ausführung,  als  wir  es  in  den  folgenden  Paragraphen  ge- 
brauchen.    Verabreden  wir  für  einen  Augenblick  (wie   es  auch  sonst 

üblich  ist),  dass  Z — Z^  für  Zq  =  oo  den  Werth  -y,  z  —  Zq  ent- 
sprechend für  0Q  =  <x>  den  Werth  —  bedeuten  soll.     Sei  ferner  Sq  einer 

der  Werthe  von  b,  welche  Z  =  Z^  zugehören.  So  haben  wir  aus  der 
conformen  Abbildung  des  vorigen  Paragraphen  unmittelbar  den  fol- 
genden allgemeinen  Satz: 

In  der  Nähe  von  Z^^^=  1,  0,  00  lässt  sich  (s  —  0q)  in  eine  an- 
steigende Potensreihe  entwickeln: 

L  1. 

(19)         ,-,^  =  a{z-z,y  +h{z-z,y  +.-■•, 

wo  V  der  Beihe  nach  die  Zahlen  v^,v^,  v^  bedeuten  soll,  und  der  Coefficient  a 
von  Null  verschieden  ist. 

Wir  betrachten  jetzt  insbesondere  den  Fall  ^^  ==  00,  ^^  =  0  und 
die  zugehörigen  Entwickelungen  von  b^,  z^.  Die  Formel  (2),  auf  welche 
wir  hier  zurückgreifen  müssen: 

FX* 


*)  Man  sagt  von  einer  Function,  die  anfeiner  zweiblättrigen  Fläche  in  einem 
Verzweigungspunkte  z^  Null  oder  unendlich  wird,  dass  sie  einfach  Null  oder  un- 

endlich  werde,   wenn  sie  in  erster  Annäherang  sich  wie   C  {z  —  2^)^  ,   bez.  wie 
1 

C{2  —  Zq)     ^   verhält.    Ist  Zq  =  <X),  so  haben  wir  statt  {z  —  Zg)  den  Ausdruck  — 

in  Betraclit  zu  ziehen. 


in  functionentlieoretischem  Sinne  behandelt.  73 

enthält  linker  Hand  den  Factor mit  einer  rationalen  Function  von 

z''^  multiplicirt,  welche  für  ^  =  0  den  Werth  +  1,  beziehungsweise 
beim  Ikosaeder  den  Werth  —  1  annimmt.  Daher  haben  wir  zunächst 
für  z  die  Entmckelung: 

wo  das  Minuszeichen  allein  beim  Ikosaeder  zur  Anwendung  kommt, 
und  ^  (~v^)  eine  nach  ganzen  Potenzen  von  -y  fortschreitende  Reihen- 
entwickelung bedeutet,  deren  erster  Coefficient  gleich  +  1  ist.  Wir 
betrachten  jetzt  die  Formeln  (17).    Der  in  ihnen  auftretende  Quotient 

F,  {z,  1)  .  ^3  (0,  1) 
zerlegt  sich  in  das  Produet  von  —  in  eine  rationale  Function  von  z^\ 

Z 

welche  wiederum  für  ^  =  0  in  den  übrigen  Fällen  gleich  +  1 ,  beim 
Ikosaeder  aber  gleich  —  1  ist.  Indem  wir  jetzt  für  z  die  Reihen- 
entwickelung (20)  eintragen,  zerstören  sich  offenbar  die  beiden  beim 
Ikosaeder  auftretenden  Minuszeichen,  insofern  Vg  beim  Ikosaeder  eine 
ungerade  Zahl  ist.  Daher  erJuzlten  imr  atis  (17)  und  (20)  für  z^,  z.^  in 
allen  Fällen  folgende  ReiJienentivickelung: 


(21) 


=v^iiy"M-^) 


2v, 


wo  ^j,  ^2  Potenzreihen  sind,  die  nach  ganzen  Potenzen  von  -y   fort- 
schreiten und  mit  dem  Terme  -\-  1  beginnen. 

Wir  werden  erst  in  §  10  auf  die  hiermit  gewonnenen  Formeln 
zurückkommen.  Erinnern  wir  uns  einstweilen,  dass  c  beim  Dieder 
==  —  1,  beim   Tetraeder  =  -f-  1  ist,  während  es  beint.  Oktaeder  den 

Werth  -^  und  beim  Ikosaeder  den  Werth  ——-  besitzt. 

§  6.    Uebergang  zu  den  Differentialgleichungen  dritter  Ordnung. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zur  Betrachtung  derjenigen  Differential- 
gleichung dritter  Ordnung  mit  rationalen  Coefficienten,  welcher  z,  wie 
oben  behauptet  wurde,  in  Bezug  auf  Z  genügt.  Dieselbe  entsteht  da- 
durch, dass  alle  N  Zweige  von  z  lineare  Functionen  des  einzelnen  unter 


74  I,  3.    Die  Fundamentalaufgaben, 

ihnen   sind,    und    zwar    auf   folgende  Weise:     Unter  rj   eine    beliebige 

Function  von  Z  verstanden,  eliminire  man  allgemein  zwischen  "^  T  ^ 

und  seinem  ersten,  zweiten  und  dritten  DifiFerentialquotienten  die  3  Con- 
stanten a  :  ß  :  y  :  d.  So  gewinnen  wir  einen  Differentialausdruck  dritten 
Grrades,  welcher  bei  beliebigen  linearen  Transformationen  von  rj  ungeändert 
bleibt.  Indem  wir  jetzt  für  tj  unser  0  substituiren,  wird  dieser  Diffe- 
rentialausdruck, wegen  der  erwähnten  Eigenschaft  der  N  Functions- 
zweige  von  ß,  unabhängig  von  dem  Zweige,  den  wir  auswählen  mögen, 
einen  bestimmten  Werth  annehmen.  Daher  ist  für  rj  =  0  besagter 
Differentialausdruch  eine  eindeutige  Function  von  Z,  und  also  auch  (weil 
2  in  Z  algebraisch  ist)  eine  rationale  Function  von  Z.  Indem  wir  ihn 
der  geeigneten  rationalen  Function  von  Z  gleich  setzen,  haben  wir 
die  in  Aussicht  genommene  Differentialgleichung  dritter  Ordnung,  der 
t\  =  z  als  Farticularlösung  genügt. 

Es  handelt  sich  zunächst  darum,  den  betreffenden  Differentialausdruck 

dritter  Ordnung  wirklich  zu  bilden.     Sei  %=        T  a^  ;  oder,  wie  wir 

schreiben  wollen: 

yijg  —  «1^ -f  dg  — /3  ==  0, 

so  folgt  durch  successives  Differentiiren  nach  Z: 

y  {^'%  +  2vr  +  ^n  -  «v  +  ^r'  =  o, 
y  (v"e  +  3V'r  +  3vr'  +  nD  -  «v"  +  ^r'  =  o. 

In  den  drei  so  gewonnenen  Gleichungen  ist  /3  von  selbst  in  Wegfall 
gekommen;  die  Elimination  der  anderen  Constanten  gibt  nach  leichter 
Reduction: 

0  r    n 

0=       2vr       r  n 
3V'r  +  3^'r  r  n 

oder  auch,  unter  Trennung  der  Variabelen: 

n  _  ±  i^L>i  =2lL  —  i.  (3.'  \' 

Der  gesuchte  Differentialausdruck  ist  also: 

(22)  f-l(f)^ 

wir  werden  denselben  in  der  Folge  mit  [1^],  oder  auch  mit  [rf]^  bezeichnen^). 

*)  Nach  einer  Mittheilung,  welche  ich  Hrn.  Schwarz  verdanke,  kommt  dieser 
Ausdruck  bereits  in  Lagrange' s  Untersuchungen  über  conforme  Abbildung  vor 
(AMT  la  construction  des  cartes  geographiques ,  Nouveaux  Memoires  de  l'Academie 


in  functionentheoretischem  Sinne  behandelt.  75 

Wir  wollen  hier  noch  berechnen,  wie  [rß^  sich  ändert,  wenn  wir 
statt  Z  eine  neue  Variable  Z^  einführen.    Sei 

Z=FiZ,\    Z'  =  ^etc. , 


so  folgt  der  Keihe  nach: 
drj     dr] 


z\ 


dZ^'  dZ^  ^      dZ 

d^T]    d^Ti       ys  _i_  o    ^'^        y  y  _i_    ^V       y'" 

~dZ^  —  'dZ^  *  ^      "T  "*  dZ^    '  ^  ^     "T"   dZ   '  ^    ' 
Daher: 

(23)  [ri]^  =  [ri]^-r'+[Z],^, 

was  die  gesuchte  Formel  ist.    Hängt  insbesondere  Z  von  Z^  linear  ab: 

^_  AZ,-\-B 


CZ^-\-D  ' 
so  kommt  hier  [Z]^  noch  in  Wegfall  und  wir  haben  einfach: 

(24)  M..  =  M.-^^Ä:w- 

§  7.    Zusammenhang  mit  den  linearen  Differentialgleichungen  zweiter 

Ordnung. 
Ehe  wir  weiter  gehen,  wollen  wir  den  Zusammenhang  der  be- 
sprochenen Differentialgleichungen  dritter  Ordnung  mit  den  homogenen, 
linearen  Differentialgleichungen  zweiter  Ordnung  darlegen,  wie  der- 
selbe sogleich  zur  Geltung  kommen  soll.  Sei  allgemein  eine  lineare 
Differentialgleichung  mit  rationalen  Coefficienten  gegeben: 

(25)  y"+P'y'  +  q'y  =  o. 

Unter   y^,   y^    irgend    zwei    Particularlösungen    derselben    verstanden, 
setzen  wir: 

'         Vi 
Wenn  wir  dann  Z  in  seiner  Ebene  irgend  welche  geschlossene  Wege 
beschreiben  lassen,  so  wird  dabei  r^  immer  nur  in  lineare  Functionen 

(X  7]  -4-  p  • 

■   ^     semer  selbst  übergehen  können.     Denn  nach  jedem  solchen 


de  Berlin,  1779).  Vergleiche  übrigens  Hrn.  Schwarz'  wiederholt  genannte  Abhand- 
lung in  Bd.  75  von  Borchardt's  Journal,  wo  weitere  literarische  Notizen  zusammen- 
gestellt sind.  In  den  Sitzungsberichten  der  sächsischen  Gesellschaft  vom  Januar 
1883  habe  ich  darzulegen  versucht,  welch'  innere  Bedeutung  eine  Differential- 
gleichung dritter  Ordnung:  [tj]  =  f{z)  erhält,  wenn  man  von  der  im  Text  be- 
sprochenen Entstehung  des  Ausdrucks  [tj]  ausgeht. 


76  I,  3.    Die  Fundamentalaufgaben, 

Umlaufe    haben    sich    y^,  y^    in    gewisse    lineare    Combinationen   von 
Viy  ^2  verwandelt.  Daher  schliessen  wir,  dass  unser  rj  einer  Differential- 
gleichung dritter  Ordnung  der  gerade  hetr achteten  Art  genügt: 
i^Q)  [r)],=  r{Z), 

unter  r  (Z)  eine  rationale  Function  von  Z  verstanden. 

Es  soll  sich  jetzt  darum  handeln,  dieses  r(^Z)  aus  den  Coefficient^n 
p,  q  von  (25)  zu  berechnen.    Nach  Voraussetzung  ist: 

y%'  +  p  •  ^2'  +  g  •  2/2  =  0, 

also  durch  Combination  beider  Gleichungen: 

(27)  («/i" y^  —  2/2" yi)-^p  {yi  2/2  —  2/2' 2/1)  =  0. 

Wir  haben  ferner: 

(28)  "■"''' -/''-^  -  V, 
woraus  durch  logarithmisches  Differentiiren : 

2/1  "2/2  —  y2"yi       o  2/2'  _  '^" 


Vi  2/2  —  y%  Vi  y-i        V  ' 

oder,  vermöge  (27): 

(29)  -V  =  -i)  — 2-^- 

Durch  nochmaliges  Differentiiren  folgt  hieraus: 

-C  -  f-vV = -i)'  -2^  +  2  r^Y 

und  also  durch  Combination  mit  (29): 

Nun  sind  die  Terme,  welche  hier  rechter  Hand  das  «/g  enthalten,  ver- 
möge der  für  y^  geltenden  Diflferentialgleichung  zweiter  Ordnung  gerade 
gleich  2q.    Daher  finden  wir: 

(30)  \n\z-H-\f-i9\ 

was  die  gewünschte  Endformel  ist. 

Gehört  so  zu  jeder  linearen  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung  (25) 
eine  bestimmte  Differentialgleichung  dritter  Ordnung  (26),  so  gehören 
offenbar  zu  jeder  Differentialgleichung  (26)  unendlich  viele  Gleichungen  (25). 
Wir  haben  nur  zu  setzen: 

(31)  2q_-\f-^'  =r 

und  werden  dabei  das  p  (als  rationale  Function  von  Z,  wenn  wir 
darauf  Gewicht  legen)  noch  beliebig  annehmen  können,  worauf  das  g 


in  functionentheoretischem  Sinne  behandelt.  77 

(und  zwar  wieder  als  rationale  Function  von  Zy  wenn  p  und  r  rational 
sind)  eindeutig  bestimmt  sein  wird. 

Offenbar  ist  (26)  vollständig  gelöst,  wenn  das  Gleiche  von  einer 
der  zugehörigen  Gleichungen  (25)  gilt.  Ahev  auch  umgekehrt  lassen 
sich  die  Lösungen  von  (25)  sehr  einfach  angeben,  wenn  man  die  Lösungen 
der  zugehörigen  Gleichung  (26)  als  bekannt  ansieht.  Man  schliesst  näm- 
lich aus  (27)  durch  Integration  in  bekannter  Weise: 

(32)  2/1V2  —  y^y^  ==ke~  ^^^\ 

unter  k  die  Integrationsconstante  verstanden.    Verbinden  wir  dies  mit 
(28),  so  folgt: 

[2/1  =  -^  •  2/2J 

(33) 


^2 


=  1/4 
r    7j 


-^/Pd^ 


Die  lineare  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung  verlangt  also,  nach- 
dem vorher  die  zugehörige  Differentialgleichung  dritter  Ordnung  gelöst 
ist,  zu  ihrer  Lösung  nur  noch  eine  einzige  Quadratur. 

§  8.    Wirkliche  Aufstellung  der  Differentialgleichung  dritter  Ordnung 

für  z  (Z). 

Um  jetzt   die  Differentialgleichung  dritter  Ordnung  wirklich  auf- 
zustellen: 

[n],=  r{Z), 

der  unser  z  als  Particularlösung  genügt,  benutzen  wir,  was  über  die 
Reihenentwickelungen  von  (z  —  z,^)  nach  Potenzen  von  (Z  —  Z„)  in 
Formel  (19)  enthalten  ist.  Wir  denken  uns  diese  Reihenentwickelungen 
explicite  hingeschrieben  und  aus  ihnen  durch  directe  Differentiation 
eine  Reihe  für  [z]^  berechnet.  Als  Anfangsglied  dieser  Reihe  (die 
übrigens  nach  ganzen  Potenzen  von  {Z  —  Z^)  fortschreiten  muss,  weil 
[z]^  eine  rationale  Function  von  Z  ist)  ergibt  sich  bei  Zq  =  1?  0>  <^ 
beziehungsweise: 

»1^  —  1  v^^  —  1  yg^—  1 

Nun   sage  ich  ferner,  dass   [z]^  an   einer  Stelle  Zq,   die  von  1,  0,  cxs 

verschieden  ist,  sicher  nicht  unendlich  wird.    An  einer  solchen  Stelle 

haben  wir  nämlich   (wie  wieder  aus  der  conformen  Abbildung  folgt): 

z-z,  =  a{Z-Z,)-}-biZ-Z,f +  •'•■, 

wo  a^O,  und  hieraus  für  [z]^  eine  nach  ganzen  Potenzen  von  (Z —  Z^^) 
fortschreitende  Reihe,  welche  nur  positive  Exponenten  besitzt.  Wir 
setzen,  diesen  Resultaten  entsprechend: 


78  I,  3.    Die  Fundamentalaufgaben, 

^'^^        2v,^  {Z  —  ly  ^  Z—l  ^    2v^^  ■  Z'    ^    Z    ^^' 
wo  Äf  S,  C  Constante   sein  werden,   und  müssen    diese  nun   so   be- 
stimmen, dass  die  Reihenentwickelung,  welche  r  (Z)  in  der  Nähe  von 
Z  =  oo   nach    steigenden   Potenzen   von  -y  zulässt,    das    gerade    an- 

y    *    l 

gegebene  Anfangsglied  -^~ — ™-  besitzt.   Der  Erfolg  zeigt,  dass  A,  B,  C 

£v^     •  Zj 

durch  diese  Forderung  vollständig  bestimmt  sind.     In  der  That  kommt 
unmittelbar: 

c  =  o,  ^  +  :b  =  o,  ^V-T^+  \  ,   -\-Ä  =  ^^- 

'  '  '        2vi*         '         2V2*         '  2^3* 

Indem  wir  eintragen,  wird  unsere  Differentialgleichung  einfach: 

J_  +  J L_i 

(34)     \ri\^  =  "2V  (^  —  D'  "^  2^2'  •  ^'^   "^  ~^^      2  (Z  —  1)  Z  ' 

wo  nun  für  v^,  v^,  Vg   die  Zahlenwerthe  unserer  Tabelle  (3)   gesetzt 
werden  mögen*). 

Die  drei  kritischen  Punkte  Z  ==  1,  0,  00  treten  in  dieser  Diffe- 
rentialgleichung, eben  weil  der  eine  dieser  Punkte  bei  Z  =  00  liegt, 
formal  nicht  mit  derjenigen  Symmetrie  auf,  die  ihrer  eigentlichen  Be- 
deutung entspricht.  Wir  werden  dies  sofort  verbessern,  wenn  wir 
statt  Z  irgend  eine  lineare  Function  von  Z,  die  für  Z==  1,  0,  00 
irgend  drei  endliche  Werthe  %,  a^,  %  annimmt,  als  neue  Veränder- 
liche einführen.  Indem  wir  die  Formel  (24)  benutzen,*  übrigens  aber 
die  neue  Variable  selbst  wieder \^  nennen,  kommt: 

(^5)   ^'i^^=Z-a,.Z-a,.Z-a,     {^^^JW^  ^""^  ~ ''''^  ^'''~'''^ 

+  2vf{Z-a,)   <^«2  -  «3)   («2  -  %) 

+  2vf{^-a,)    (^3-^1)   («3-«2)}, 
wo  nun,  wie  man  sieht,  alle  wünschenswerthe  Symmetrie  herrscht. 

§  9.    Lineare  Differentialgleiclmngen  zweiter  Ordnung  für  0^  und  0^. 

Die  Entwickelungen  des  §  7  setzen  uns  jetzt  in  die  Lage,  die 
allgemeinste  lineare  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung  mit  ratio- 
nalen Coefficienten  anzugeben: 


*)  Für  die  binomische  Gleichung  (1)   kommt  als  entsprechende  Differential- 
gleichung durch  directe  Differentiation: 

w^  -  1         1 
2n  ^' 


in  fanctionentheoretischem  Sinne  behandelt.  79 

(36)  y-^p.y'  +  q.y  =  0, 

welche  zwei  Particularlösungen  y^,  y^  tat,  deren  Quotient  gleich  un- 
serem Z  ist,  wir  haben  nur  noch  Formel  (31),  (34) 


2  ■*"  ^    ~    2v^^Z—iy      '      2^2«  •  Z»    ^  2(Z—  1)Z 

zu  setzen.  Ich  sage  nun,  dass  unter  diesen  Differentialgleichungen  jedes- 
mal eine  ist,  welcher  die  Wurzeln  z^,  z^  unseres  Formenpröblems  genügen. 
In  der  That  können  wir  wieder  von  vornherein  erkennen,  dass  die  z^,  z^ 
Particularlösungen  einer  linearen  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung 
mit  rationalen  Coefficienten  sein  müssen.  Seien  nämlich  Zi^,  z<^  zwei  zu- 
sammengehörige Zweige  unserer  Functionen,  so  drücken  sich  beliebige 
andere  Zweige  als  lineare  homogene  Functionen  dieser  z-^ ,  z^  aus.  Sie 
genügen  daher  alle  der  folgenden  Differentialgleichung: 

f         y'         y 


dZ^  dZ 

d^z^°  dz^'' 


0 


=  0. 


dZ*  dZ  *2 

Hier  schliessen  wir  nun  sofort,  dass  sich  die  Coefficienten,  welche  y",  y',  y 
bei  Ausrechnung  dieser  Determinante  erhalten,  wie  rationale  Functionen 
von  Z  verhalten.  Sie  sind  sogar  ohne  Weiteres  selber  rationale  Functionen. 
Denn  ersetzen  wir  z^,  z^  durch  irgend  ein  anderes  Paar  zusammen- 
gehöriger Zweige  von  z^,  z^: 

so  bleiben  diese  Coefficienten,  weil  ad  —  ßy  vermöge  der  Definition  der 
Formenprobleme  immer  gleich  1  ist,  nach  dem  Determinantenmulti- 
plicationssatze  überhaupt  ungeändert. 

Es  kommt  jetzt  darauf  an,  aus  der  Gesammtheit  der  Differential- 
gleichungen (36)  die  eine  auszusuchen,  welcher  0^  und  z^  genügen.   Es 

seien  t/i,  ^2  solche  zwei  Lösungen  von  (36),  dass  —  =  z.     So  wollen 

tdr  vorab  allgemein 

^  ^y^'  y^^  =  F.  (y„  y.) 

berechnen.     Wir  gehen  zu  dem  Zwecke  von  der  Gleichung  aus: 

^     Fl^  jz,  1)  _  ^ 

Fl*  iz,  1) 

Indem  wir  dieselbe  differentiiren  und,  wie  oben,  beachten,  dass  allemal 

Fl  von  einem  Zahlenfactor  abgesehen  die  Functionaldeterminante  von 

F^  und  F^  ist,  erhalten  wir,  unter  c'  eine  geeignete  Constante  verstanden : 


80  I,  3.    Die  Fundamentalaufgaben, 

,  J;"-'    (^,     1)    ■    F,     (»,     1)  ,_ 

oder  auch,  unter  Einführung  eines  anderen  geigneten  Multiplicators  c": 

^  •  ^  •  F,  (^,  1)  .  F,  {z,  1)  •  ^   —  ^• 
Hier  setzen  wir  ietzt  0=  —'     So  kommt: 

c"  •  ^  •  ^w-^MHH V  •  (^i>2  -  2/2' 2/i)  =  1, 

I^  (2/1 »  2/2)  •  F^  (2/1 ,  2/s.)     ^^^  ^^        ^^  ^^^  ' 

oder  endlich,  indem  wir  die  Bezeichnung  X  und,  übrigens  die  Formel 

(32)  heranziehen: 

(37)  X(y„y,)  =  h-c"-Z-e-/P'^', 
was  die  gewünschte  Formel  ist. 

Nun  war  für  die  Lösungen  0^,  z,^  unserer  Formenprobleme  nicht 

nur  -^  =  z,    sondern    es   war   auch   bestimmt,   dass   X(^j,  z.^   von  Z 

unabhängig  sein  sollte.  Wir  werden  also  den  Coefficienten  p  der  ent- 
sprechenden linearen  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung  so»  annehmen 
müssen,  dass  Z  aus  der  zugehörigen  Formel  (87)  überhaupt  herausfallt. 
Dies  gibt,  wie  man  sieht, 

e^p^^  =  Z    oder    p=—. 

Indem  wir  diesen  Werth  in  (36)  eintragen,  haben  wir  die  gesuchte 
Differentialgleichung  gewonnen.  Dieselbe  lautet  nach  leichter  Umsetzung*): 

(38)  Z'+i  +  ilK^Z^-  |-?+^(;^-  +  .T^-^'  +  l)-?)  =  <'- 

§  10,    Beziehungen  zu  B-iemann's  P-Function. 

Z 

Wir  haben  jetzt  alle  Mittel,  um  z^,  z^  und    aus  ihnen  z  =  ~     in 

•^2 

der  Umgebung  irgend  einer  Stelle  Z  ==  Zq  durch  Fotenzreihen  zu  be- 
rechnen. In  der  That  sahen  wir  in  §  5,  wie  man  im  einzelnen  Falle 
die  Art  dieser  Fotenzreihen  bestimmen  kann,  und  haben  nun  einfach, 
um  die  noch  unbekannten  Cofficienten  der  Reihenentwickelung  zu  finden, 
die  Reihen  selbst  in  (38)  zu  substituiren.  Wollen  wir  dies  insbesondere 
für  die  Umgebung  des  Punktes  Z  ==  00  ausführen,  so  können  wir  un- 
mittelbar die  Formeln  (21)  benutzen. 


*)  Für  die  Lösungen  z^ ,  2^  des  Formenproblems  der  cyclischen  Gruppen  findet 
man  in  ähnlicher  Weise: 


in  functionentheoretischem  Sinne  behandelt.  81 

Wenn  ich  den  hiermit  bezeichneten  Schritt  nicht  mehr  explicite 
ausführe,  auch  die  Convergenz  und  die  analytische  Fortsetzung  der 
angedeuteten  Entwickelungen  nicht  näher  discutire,  so  geschieht  es, 
weil  wir  mittlerweile  alle  Vorbedingungen  gewonnen  haben,  um  die 
Untersuchung  der  Functionen  z^,  z^  an  eine  fertige  und  wohlgekannte 
Theorie  anzuschliessen.  Es  ist  die  Lehre  von  den  Rieniann' sehen 
P-Functionen: 

P 


W  ß'  v'     ) 


und  der  Darstellung  ihrer  verschiedenen  Zweige  durch  Gaussische  hyper- 
geometrische Beihen*). 

Ich  habe  bereits  gesagt,  dass  ich  betreffs  der  P-Functionen  keinerlei 
specifische  Vorkenntnisse  voraussetzen  will.  So  mögen  wir  diese 
Functionen  hier  in  derjenigen  Weise  definiren,  die  sich  an  unsere  bis- 
herigen Entwickelungen  am  bequemsten  anschliesst,  nämlich  als  Lösungen 
der  folgenden  linearen  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung: 

(39)        P"  +  -^^  ((1  -«-«')-  (1  +  ^  +  ß')x) 

(wo  tt  -\-  cc'  -\-  ß  -\-  ß'  -\-  y  -\-  y'  immer  gleich  1  genommen  ist).**) 
Offenbar  ist  (38)  ein  specieller  Fall  von  (39);  wir  haben,  um  (38)  zu 
gewinnen,  in  (39)  nur  zu  schreiben: 

was  mit  der  Bedingung  a-\-a'-\-ß-\-ß'-\-y-\-y'  =  \  verträglich 
ist,  weil  Vi  in  allen  unseren  Fälleu=2  ist.  Pls  sind  also  z^,  z^,  mit  Bilck- 
sicht  auf  den  besonderen  Werth  von  v^,  specielle  Fälle  der  Function: 

(40)  p|  T_YT 

2*,  2vo       4 


*)  Wer  in  diese  Theorie  eindringen  will,  thut  wohl  noch  immer  am  Besten 

neben  Gatiss^  Disquisitiones  generales  circa  seriem  infinitam  etc.  (1812,  Werke  t.  III) 

und  Kummer' s   Abhandlungen  über   die    hypergeometrische   Reihe   (1836,  Crelle's 

Journal  Bd.  15)  die  Originalarbeit  von  Riemann  zu  studiren:  Beiträge  zur  Theorie 

der  durch  die  Gauss' sehe  Beihe  F  {a,  ß,  y,  x)  darstellbaren  Functionen  (Bd.  7  der 

Göttinger  Abhandlungen  (1857),  oder  Werke,  p.  62—82). 

**)  Man  gewinnt  diese  Differentialgleichung  durch  leichte  Umsetzung  aus  der- 

/cc    ß    0      \  .       ^    , 

jenigen,    welche    Riemann   1.   c.    speciell   für    P  (    ,     ,      ,  x )    mittheilt  (Werke, 

P.  75).  ,  \-    ß     Y       J 

Klein,  Gleichungen  b.  Gradei.  6 


82  I,  3.  Die  Fundamentalaufgaben,  in  functionentheoretischem  Sinne  behandelt. 

Jetzt  können  wir  unsere  s^ ,  z^  innerhalb  der  allgemeinen  mit  diesem 
Symbol  bezeichneten  Functionen  noch  näher  charakterisiren.   Eben  zu 

diesem  Zwecke  habe  ich  die  Formeln  (21)  explicite  aufgestellt.   Wenn 

1  ]_ 

wir  in  denselben  z-^  mit  Z^"»,  z.^  mit  Z  2"'  multipliciren,  so  bleiben 
die  Producte  bei  Z  =  oo  endlich  und  von  Null  verschieden  und  sind 
überdies  in  der  Umgebung  des  Punktes  Z  =  oo  einändrig.  Es  be- 
zeichnen also  die  Formeln  (21)  genau  solche  BeihenenfwicJcelungen,  wie 
sie  Biemann  l.  c.  unter  der  Benennung  P^^\  P^t^">  einführt.  Nur  dass 
Riemann  den  ersten  Coefficienten  von  P^/*)  und  P^/*^  unbestimmt  lässt. 
Wählen  wir  denselben  insbesondere  so,  wie  es  in  den  Formeln  (21) 
geschehen  ist,  so  können  wir  schliesslich  sagen,  dass  unsere  z^,  z^  unter 
den  allgemeinen  F-Functionen  (40)  speciell  diejenigen  sind,  die  aus  den 
Beihenentwickelungen  P^i^\  P^/*')  durch  beliebige  analytische  Fortsetzung 
erwachsen. 

Mit  diesem  Satze  haben  wir  den  Zielpunkt  der  Entwickelungen 
des  gegenwärtigen  Kapitels  erreicht.  Ich  wollte  zeigen,  dass  unsere 
Functionen  z,  z^,  z.^  zu  denjenigen  gehören,  in  welche  die  moderne 
Functionentheorie  sowohl  durch  ihre  geometrischen  Anschauungen  als 
durch  ihre  analytischen  Hülfsmittel  eine  sozusagen  vollständige  Einsicht 
gewährt.  Wird  Letzteres  zugegeben,  so  haben  wir  damit  zugleich 
einen  Gesichtspunkt  gewonnen,  der  im  zweiten  Abschnitte  unserer  Dar- 
stellung zur  Geltung  kommen  soll:  er  erscheint  dann  nämlich  rationell, 
complicirtere  algebraische  Functionen,  sofern  es  möglich  ist,  auf  unsere 
jetzigen  z,  Zy,  z^  zurückzuführen. 

Uebrigens  aber  können  die  hier  gegebenen  Entwickelungen  noch 
in  höherem  Grade,  als  unsere  anderen,  nur  als  Einleitung  betrachtet 
werden.  In  der  That  hat  uns  die  Absicht,  überall  die  Argumentation 
möglichst  elementar  zu  gestalten,  daran  gehindert,  den  eigentlich  inter- 
essanten Punkt  zu  erläutern:  wie  nämlich  die  linearen  Substitutionen, 
denen  wir  z,  beziehungsweise  z^  und  Z2,  im  vorigen  Kapitel  unter- 
worfen haben,  nunmehr  zu  Stande  kommen,  indem  wir  z,  z^,  z^  als 
Functionen  von  Z  auffassen  und  letztere  Variable  in  ihrer  Ebene  ge- 
eignete geschlossene  Wege  durchlaufen  lassen.  Auch  würden  wir,  wenn 
wir  den  im  §  5  gegebenen  Ansatz  noch  ein  Weniges  weiter  verfolgt 
hätten,  den  unmittelbaren  Uebergang  zu  Riemann's  P-Function  haben 
finden  können,  ohne  vorher  die  Differentialgleichungen  explicite  for- 
mulirt  zu  haben.  Ich  überlasse  dem  Leser,  sich  hinsichtlich  dieser 
und  verwandter  Fragen  durch  eigene  Studien  und  Ueberlegungen  zu 
Orientiren. 


Kapitel  IV. 
üeber  den  algebraischen  Charakter  unserer  Fundanientalaufgaben. 

§  1.     Aufgabe  des  gegenwärtigen  Kapitels. 

Nachdem  wir  im  vorigen  Kapitel  unsere  Fund  amental  aufgaben 
nur  erst  in  functionentheoretischer  Hinsicht  discutirt  haben,  behandeln 
wir  sie  jetzt  unter  den  Gesichtspunkten  der  Gleichungstheorie.  Ich  ver- 
stehe dabei  unter  letzterer  den  Inbegriff  der  Lehren,  welche  sich  auf  die 
rationalen  Hesolvmten  beziehen,  d.  h.  auf  diejenigen  Hülfsgieichungen, 
denen  irgendwelche  rationale  Functionen  der  Wurzeln  der  vorgelegten 
Gleichungen  genügen. 

Einen  ersten  wichtigen  Theil  dieser  Theorie,  welche  über  die  Art 
der  überhaupt  in  Betracht  zu  ziehenden  Resolventen  entscheidet,  bil- 
den diejenigen  Ueberlegungen,  die  man  nach  den  grundlegenden  Ideen 
von  Galois  mit  dem  Namen  des  Letzteren  zu  bezeichnen  pflegt,  und 
die  darauf  hinauslaufen,  die  einzelne  Gleichung,  oder  auch  das  einzelne 
Gleichungssystem,  durch  eine  gewisse  Gruppe  von  Vertauschungen  der  zu- 
gehörigen Lösungen  zu  charaMerisiren  (das  Wort  Gruppe  in  derselben 
specifischen  Bedeutung  genommen,  die  wir  im  voraufgehenden  ersten 
Kapitel  erklärt  haben).  Ich  werde  in  den  Paragraphen  2 — 4  des  Fol- 
genden die  Grundzüge  dieser  Theorie  so  weit  zur  Sprache  bringen,  als  zum 
Verständnisse  des  Späteren  durchaus  nothwendig  scheint,  verweise  aber 
übrigens,  und  zwar  nicht  nur  wegen  der  näheren  Ausführung,  sondern 
namentlich  auch  wegen  der  Beweise,  auf  die  schon  oben  genannten  Lehr- 
bücher*). Anschliessend  hieran  gelingt  es  sehr  einfach,  unsere  Fun- 
damentalaufgaben im  Galois'schen  Sinne  zu  charakterisiren  (§  5,  6). 
Insbesondere  folgt,  dass  sich  dieselben  sämmtlich  durch  Wurzelziehen 
müssen  erledigen  lassen  mit  alleiniger  Ausnahme  der  Ikosaeder- 
gleichung,  deren  niederste  Resolventen  vom  fünften  bez.  sechsten  Grade 
sind;  ich  werde  in  den  Schlussbemerkungen  dieses  Kapitels  (§  16)  noch 

*)  Siehe  oben  p.  6,  Anmerkung. 


84  I,  4.    Ueber  den  algebraischen  Charakter 

ausführlicher  auf  die  principielle  Bedeutung  dieses  Resultates  aufmerk- 
sam machen. 

Inzwischen  genügt  es  nicht,  bei  irgend  welcher  gegebenen  alge- 
braischen Aufgabe  die  Art  der  Resolventeu  zu  kennen;  wir  verlangen 
darüber  hinaus,  diese  Resolventen  wirMich  und  zwar  in  einfachster  Weise  zu 
herechnen.  Hiermit  beschäftigt  sich  der  zweite  Theil  des  gegenwärtigen 
Kapitels,  unter  strenger  Beschränkung  auf  die  bei  unseren  Fundamental- 
aufgaben zunächst  liegenden  Probleme.  Ich  zeige  vor  Allem  (§  7), 
wie  man  die  Hülfsresolventen  wirklich  bilden  kann,  vermöge  deren  die 
Auflösung  der  Dieder-,  Tetraeder-  und  Oktaedergleichung  zu  erfolgen 
hat.  Ich  beschäftige  mich  sodann  ausführlich  mit  den  Resolventen 
fünften  und  sechsten  Grades  der  Ikosaedergleichung  (§  8 — 15).  Die 
particulären  Gleichungen  fünften  und  sechsten  Grades,  welche  wir  so 
gewinnen,  werden  für  unsere  späteren  Entwickelungen  von  wesent- 
licher Bedeutung  werden.  Dabei  ist  es  vor  allen  Dingen  die  Methode, 
auf  welche  ich  hier  Nachdruck  legen  möchte:  eine  Methode,  welßhe 
bald  functionentheoretische  bald  invariantentheoretische  Momente  benutzt 
und  in  beiderlei  Richtung  einer  Ausdehnung  auf  höhere  Probleme 
fähig  scheint. 

§  2.     Ueber  die  Gruppe  einer  algebraischen  Gleichung. 

Handelt  es  sich  darum,  die  Gruppe  zu  definiren,  welche  jeder  ein- 
zelnen algebraischen  Gleichung  im  Sinne  der  Galois'schen  Theorie 
eignet,  so  wollen  wir  zuvörderst  der  Classification  gedenken,  welche 
man  für  die  rationalen  Functionen  von  n  veränderlichen  Grössen: 

^0)   "^1} w — 1 

aus  ihrem  Verhalten  gegen  die  Vertauschungen  der  x  ableiten  kann. 
Es  ist  a  priori  klar,  dass  alle  Vertauschungen  der  x,  welche  eine 
solche  rationale  Function  ungeändert  lassen,  eine  Gruppe  bilden,  die 
als  Untergruppe  in  der  Gesamflitheit  aller  Vertauschungen  enthalten 
ist  (vielleicht  auch  mit  dieser  Gesammtheit  zusammenfällt).  Aber  auch 
das  Umgekehrte  ist  der  Fall:  Sobald  uns  irgend  eine  Gruppe  von  Ver- 
tauschungen der  X  gegeben  ist,  können  wir  immer  solche  rationale 
Functionen  der  x  bilden,  welche  bei  den  Vertauschungen  dieser  Gruppe, 
aber  bei  keinen  anderen  Vertauschungen,  ungeändert  bleiben.  Wir 
nennen  diese  rationalen  Functionen  der  x  der  Gruppe  der  Vertauschungen 
zugehörig  und  classificiren  nun  überhaupt  alle  rationalen  Functionen 
der  X,  welche  es  gibt,  nach  der  Gruppe  von  Vertauschungen,  zu  der 
sie  gehören. 

Wir   müssen    ferner  den   sogenannten  Satz  des  Lagrange  kennen 


unserer  Ftmdamentalanfgaben.  85 

lernen*).  Es  seien  JR  und  i?^  zwei  rationale  Functionen  der  x,  und 
es  bleibe  R  bei  allen  Vertauschungen  ungeändert,  welche  die  zu  It^ 
gehörige  Gruppe  ausmachen  (womit  natürlich  noch  nicht  gesagt  ist, 
dass  M  zu  derselben  Gruppe  gehören  muss).  Es  seien  ferner  s^,  Sg,"- s« 
die  elementaren  Potenzsummen; 

(1)  h  =  2^7    S,  =  ^X^, Sn=  ^X^. 

Dann  behauptet  der  genannte  Satz,  dass  R  als  rationale  Function 
von  jRi  und  s^,  S2,  -  •  -  Sn  dargestellt  werden  kann.  Wir  können  diesen 
Satz  leicht  noch  verallgemeinem,  indem  wir  uns  statt  ii^  eine  Anzahl 
rationaler  Functionen:  R^,  R^  '  '  -  gegeben  denken  und  annehmen, 
dass  R  bei  allen  denjenigen  Vertauschungen  ungeändert  bleibt,  die 
gleichzeitig  R^,  R^  -  •  '  •  ungeändert  lassen.  Dann  icird  R  eine 
rationale  Function  von  R^,  R^  •  •  •  und  den  s^,  S2,  •  '  •  Sn  sein.  In  der 
That  können  wir  aus  den  R^,  R^,  •  •  •  eine  rationale  Function  R' 
der  X  rational  zusammensetzen,  welche  nur  bei  solchen  Vertauschungen 
der  X  ungeändert  bleibt,  die  R^,  R^,  •  •  •  simultan  ungeändert  lassen. 
Nach  der  ersten  Fassung,  die  wir  dem  Satze  des  Lagrange  ertheilten, 
wird  dann  R  durch  dieses  R'  und  übrigens  die  s^,  s.^,  -  •  •  Sn  rational 
dargestellt  werden  können,  womit  unsere  neue  Behauptung  eo  ipso 
erwiesen  ist. 

Jetzt  sei  die  Gleichung  n*^  Grades  gegeben: 

deren  Wurzeln  die  bisher  betrachteten  Xq,  x^,  -  •  '  Xn—x  sein  sollen. 
So  kennen  wir  jedenfalls  die  Werthe  der  s,-  (1)  und  hieraus  durch  ratio- 
nale Rechnungsoperationen  überhaupt  die  rationalen,  symmetrischen 
Functionen  der  x.  Aber  es  kann  sein,  dass  uns  irgendwelche  unsym- 
metrische Functionen  der  X'.  R^,  R^,  •  •  •  gegeben  sind.  Dann  können 
wir  auf  Grund  des  erweiterten  Lagrange'schen  Satzes  überhaupt  jede 
Function  R  der  x  in  rationaler  Weise  berechnen,  welche  bei  allen  Ver- 
tauschungen invariant  bleibt,  die  gleichzeitig  JRi,  R^,  ....  ungeändert 
lassen.  Es  werden  also  allemal  diejenigen  rationalen  Functionen  der  x  und 
nur  diejenigen,  wie  wir  sagen  wollen,  rational  bekannt  sein,  welche 
hei  einer  bestimmten  Grtippe  von  Vertauschungen  der  x  ungeändert  bleiben. 
Die  hiermit  skizzirte  Theorie  gilt  zunächst,  wie  wir  sagten,  für 
durchaus  variable  x.  Die  Sache  ist  nun  aber  die,  dass  auch  in  jedem 
speciellen  Falle  eine  analoge  Theorie  existirt.  Wenn  wir  in  einem 
solchen  Falle  von  einer  Function  sagen,  dass  sie  bei  gewissen  Ver- 
tauschungen ungeändert  bleibt,    so  verstehen  wir  darunter,   dass   sie 

*)  Befkxions  sur  la  resolution  älgebrique  des  equations,  Mömoires  de  l'Aca- 
demie  de  Berlin,  t.  III  (1770—71),  oder  Oeuvres,  t.  III  (§  100  der  Abhandlung). 


86  i)  *•    Ueber  den  algebraischen  Charakter. 

ihren  numerischen  Werth  nicht  wechselt.  Es  gibt  dann  immer  eine  solche 
Gruppe  G  von  Vertauschungen  der  x,  dass  alle  rationalen  Functionen  der 
X,  welche  hei  G  ungeändert  dleiben,  und  nur  diese,  rational  bekannt  sind. 
Ueberdies  gilt  das  Gesetz,  dass  alle  Vertauschungen  vvn  G,  die  eine 
irgendwie  gegebene  rationale  Function  der  x  ungeändert  lassen,  jedesmal 
eine  Gruppe  bilden,  so  dass  in  Bemg  auf  die  Vertauschungen  von  G  die 
eben  besprochene  Classification  der  rationalen  Functionen  und  auch  der 
Satz  von  Lo/grange  ausnahmslos  erhalten  bleibt.  Die  Gruppe  G  ist  dann 
diejenige,  welche  Galois  als  Gruppe  der  Gleichung  bezeichnet*). 

Die  Schwierigkeiten  der  Galois'schen  Theorie  liegen  vielleicht 
weniger  in  den  hiermit  formulirten  allgemeinen  Sätzen,  als  in  dem 
dabei  verwendeten  Begriffe  des  Rational-Bekanntseins.  Wann  werden 
wir  Functionen  mit  dieser  Bezeichnung  belegen?  Wir  müssen  es 
thun,  wenn  sie  (in  Folge  besonderer  Werthe  der  Xq,  x^,  •  •  •)  ratio- 
nale Werthe  haben,  d.  h.  rationalen  Functionen  der  Si  (mit  rationalen 
Zahlencoefficienten)  gleich  sind.  Aber  wir  können  es  bei  ganz  be- 
liebigen Functionen  R^,  B,^,  •  •  •  thun,  indem  wir  eben  annehmen, 
dass  wir  die  Werthe  von  iJ^,  jRg,  •  •  •  bereits  irgendwie  berechnet 
haben.  Wir  adjungiren  dann,  wie  Galois  es  ausdrückt,  diese  JR^ ,  JRg  >  •  • ' 
und  erweitern  dementsprechend,  um  mit  Hrn.  Kronecker  zu  reden**), 
den  Bationalitätsbereich,  in  welchem  wir  operiren.  In  diesem  Sinne 
sind  die  Aussagen,  welche  die  Galois'sche  Theorie  betreffs  der  ein- 
zelnen Gleichung  f(x)  =  0  liefert,  bis  zu  einem  gewissen  Grade  von 
unserem  subjectiven  Ermessen  abhängig.  Adjungiren  wir  sämmtliche 
Wurzeln  von  f(x)  =  0,  so  besteht  die  Gruppe  der  Gleichung  immer 
nur  aus  der  Identität.  Man  muss  sich  also  der  Vorstellung  entwöhnen, 
als  müsse  eine  Gleichung  n^^  Grades,  deren  Gruppe  wir  als  wenig 
ausgedehnt  bezeichnen,  darum  nothwendigerweise  irgendwie  specificirte 
Coefficienten  haben. 

§  3.     Allgemeines  über  Besolventen. 

Es  sei  jetzt  wieder  G  die  Gruppe  der  Gleichung  f(x)==0,  N  der 
Grad  der  Gruppe.  Die  einzige  Annahme,  der  wir  G  unterwerfen,  ist  die, 
transitiv  zu  sein,d.h.  Vertauschungen  zu  umfassen,  vermöge  deren  die  ein- 
zelne Wurzel  Xk  von  /"  =  0  an  die  Stelle  jeder  anderen  Wurzel  Xi  treten 
kann.  Es  würde  anderenfalls  f{x)  =  0  reducibel  sein,  d.  h.  in  rationale 
Factoren  zerfallen,  und  wir  würden  also  statt  /"(a;)  =  0  zweckmässiger- 


*)  Man  sehe  Oeuvres  de  Galois  in  Liouville's  Journal  t.  XI,  1846. 
**)  Man  vergleiche  hier:  Kronecker,  Grundzüge  einer  arithmetischen  Theorie 
der  algebraischen  Grössen  (Bd.  92  des  Journals  für  Mathematik,  1881^. 


nnserer  Fundamentalaufgaben.  87 

weise  die  verschiedenen  Gleichungen  betrachten  können,  die  durch 
Nullsetzen  der  einzelnen  Factoren  entstehen. 

Wir  wählen  nunmehr  irgend  eine  rationale  Function  der  Wurzeln 
X,  Rq,  welche  nicht  bei  allen  Vertauschungen  von  G  ungeändert  bleibt, 
also  nicht  rational  bekannt  ist,  wohl  aber  bei  einigen  Vertauschungen 
ungeändert  bleiben  kann,  deren  Anzahl  gleich  v  sei  und  die  eine  Gruppe 
^0  bilden  mögen.    Bei  den  Vertauschungen  von  G  nimmt  Rq  im  Ganzen 

—  =  n'  verschiedene  Werthe  an: 

V 

Rq,    Ri} Rn'—l' 

Wir  bilden  sodann  die  Gleichung,  von  der  diese  verschiedenen  Werthe 
abhängen : 

{R  -Rq){R-R,) {R-  i2„-_i)  =  0. 

So  haben  wir  offenbar  eine  Gleichung  gewonnen,  deren  Coefficienten 
rational  bekannt  sind;  denn  sie  sind  symmetrische  Functionen  der  ver- 
schiedenen R  und  als  solche  bei  den  Vertauschungen  von  G  invariant. 
Dies  ist,  was  wir  als  Resolvente  der  vorgelegten  Gleichung  fix)  ==  0 
bezeichnen,  und  zwar,  so  oft  es  von  Wichtigkeit  wird,  als  rationale 
Resolvente,  insofern  von  ihr  eine  rationale  Function  der  x  abhängt. 

Wir  fragen  nach  der  Gesammtheit  der  verschiedenartigen  Resol- 
venten, welche  f(x)  =  0  besitzt.  In  dieser  Hinsicht  mögen  wir  vorab 
Folgendes  festsetzen.  Hätten  wir  statt  R^^  eine  andere  rationale  Function 
der  Wurzeln  gewählt,  welche  gleichfalls  zu  ^^  gehört,  so  würde  sich 
diese  nach  dem  Lagrange'schen  Satze  durch  Rq  und  die  bekannten 
Grössen  rational  ausdrücken  lassen,  die  neue  Resolvente  würde  sich  also 
aus  der  früheren  (und  ebenso  die  frühere  Resolvente  aus  der  neuen)  durch 
rationale  Transformation  ergeben.  Wir  wollen  verabreden,  dass  wir 
zwei  derartige  Resolventen  bei  der  allgemeinen  hier  zu  gebenden  üeber- 
sicht  überhaupt  als  identisch  erachten  werden.  Dann  gehört  also  zu 
jeder  Gruppe  g^  immer  nur  eine  entsprechende  Resolvente. 

Aber  dieselbe  Resolvente  erwächst  auch,  wenn  wir  statt  Qq  von  ge- 
wissen anderen  Untergruppen  ausgehen.  In  der  That,  statt  mit  der  Wurzel  Rq 
zu  beginnen,  können  wir  beim  Aufbau  der  Resolvente  ebensowohl  eine 
der  anderen  Wurzeln  R^,  i?2,  •  •  •  •  voranstellen.  Dann  treten  an  Stelle 
von  g^  diejenigen  Gruppen  von  Vertauschungen  der  x,  welche  bez. 
jRj,  R2,  •  ■  •  ungeändert  lassen,  und  die  wir  mit  ^j,  g^,  •  •  •  bezeichnen 
wollen.  Wir  fragen,  wie  diese  gi  mit  dem  ursprünglichen  ^^  zusaiftmen- 
hängen.  Es  sei  Si  eine  derjenigen  Vertauschungen  der  x,  durch 
welche  Ri  in  Rq  übergeht;  die  Gesammtheit  derartiger  Vertauschungen 
wird  dann  durch  SiT^^^  gegeben  sein,  unter  T(°)  der  Reihe  nach  jede 
beliebige  Vertauschung  von  gQ  verstanden.     Nun  combiniren  wir  mit 


88  I,  4.    üeber  den  algebraischen  Charakter 

SiT^^^  die  inverse  Operation  Sr  •  So  verwandelt  sich  R^  wieder  rück- 
wärts in  Ri.     Daher  bleibt  Ri  bei  allen  Vertauschungen 

ungeändert  Nun  lässt  sich  umgekehrt  aus  jedem  T^^\  bei  welchem 
Ri  ungeändert  bleibt,  durch  den  entsprechenden  Ansatz  ein  T^^^  in  der 
Gestalt: 

ableiten.  Diese  neue  Formel  ist,  wie  man  sieht,  die  unmittelbare  Auf- 
lösung* der  gerade  gegebenen;  wir  haben  also  mit  letzterer  überhaupt 
alle  Vertauschungen,  welche  jR,  ungeändert  lassen,  d.  h.  die  Gruppe  g,-, 
definirt.  Die  Gru]ßpe  gt  erwächst  also  aus  g^  durch  Transformation  ver- 
möge Si. 

Hier  kann  nun  Si  (wenn  wir  alle  Wurzeln  Rq,  Ri,  •  •  Rn—i  in 
Betracht  ziehen  wollen)  jede  beliebige  Vertauschung  von  G  sein.  Denn 
durch  S~  muss  aus  Rq  doch  immer  irgend  eines  der  Ri  hervorgehen. 
Mithin  können  wir  die  Gruppen  g^,  g^,  •  •  rgn'  —  i  als  die  Gesammtheit 
derjenigen  bezeichnen,  die  aus  ^^  durch  Transformation  innerhalb  G 
entstehen.  Solche  Gruppen  haben  wir  früher  als  gleichberechtigt  be- 
zeichnet. Daher  haben  wir  endlich,  als  Zusammenfassung  des  Bisherigen, 
den  präcisen  Satz:  dass  es  so  viel  verschiedenartige  Resolventen  einer  vor- 
gelegten Gleichung  f(x)  =  0  gibt,  als  innerhalb  der  zugehörigen  Gruppe  G 
verschiedene  Systeme  gleichberechtigter  Untergruppen  existiren. 

Wir  bestimmen  jetzt  die  Gruppe  f  der  einzelnen  so  erhaltenen 
Resolvente.  Ich  sage,  dass  sie  von  denjenigen  Vertauschungen  der  R 
gebildet  wird,  die  entstehen,  wenn  man  die  x  den  Vertauschungen  von  G 
unterwirft.  Denn  eine  rationale  Function  der  R,  welche  bei  den  ge- 
nannten Vertauschungen  der  JR  invariant  bleibt,  ist  zugleich,  als  Function 
der  X  betrachtet,  bei  den  Vertausch ungen  von  G  unveränderlich,  und 
umgekehrt  kann  sie  das  letztere  nicht  sein,  wenn  nicht  zugleich  das 
erstere  der  Fall  ist.  Die  Gruppe  V  ist  also  auf  jeden  Fall  der  Gruppe  G 
isomorph. 

Hier  müssen  wir  nun.  eine  wichtige  Unterscheidung  machen.  Der 
gefundene  Isomorphismus  kann  holoedrisch  oder  meriedrisch  sein.  Das 
letztere  tritt  dann  und  nur  dann  ein,  wenn  innerhalb  G  solche  Ver- 
tauschungen der  X  existiren,  welche  sämmtliche  Ri  ungeändert  lassen; 
diese  Yertauschungen  werden  dann  eine  Gruppe  y  bilden,  die  inner- 
halb G  ausgezeichnet  ist.  Die  Resolvente  spielt  in  beiden  Fällen  der 
ursprünglichen  Gleichung  gegenüber  eine  ganz  verschiedene  Rolle. 

Im  ersteren  Falle  Jcönnen  wir  jede  rationale  Function  der  x,  und 
insbesondere  die  x  selbst,  aus  den  Ri  mit  Hülfe  der  bekannten  Grössen 


iiuserer  Fandamentalaufgaben.  89 

rational  zusammensetzen.  Die  ursprüngliche  Gleichung  ist  also  selbst 
eine  Resolvente  der  Resolvente :  die  Auflösung  der  einen  Gleiehung  zieht 
die  der  anderen  nach  sich,  und  umgekehrt.  Indem  wir  die  Gleichung 
f(x)  =  0  durch  ihre  Resolvente  ersetzen,  haben  wir  wohl  eine  Um- 
formung der  ursprünglichen  Aufgabe,  aber  keinerlei  Vereinfachung 
erreicht. 

Ganz  anders  im  zweiten  Falle.  Die  x  sind  bei  ihm  keineswegs 
in  den  R,  rational.  Haben  wir  die  Ri  berechnet,  so  ist  immer  noch 
die  ursprüngliche  Gleichung  f{x)  =  0  zu  lösen.  Diese  Aufgabe  ist  jetzt 
nur  insofern  vereinfacht,  als  jetzt  die  Gruppe  G  (nach  Ädjnnction  der  Ri) 
durch  y  ersetzt  ist*).  Dafür  aber  ist  die  Bestimmung  der  jB,  selber 
leichter  auszuführpn,  als  die  Berechnung  der  x:  denn  die  Gruppe  f  der 
zugehörigen  Gleichung  ist  Meiner  als  G.  Wir  haben  also  das  ursprüng- 
liche Problem  in  zwei  Schritte  von  einfacherem  Charakter  zerlegt. 

Offenbar  sind  die  Resolventen  der  zweiten  Art  die  wichtigeren. 
Sie  können  nur  dann  auftreten,  wenn  die  Gruppe  G  der  vor- 
gelegten Gleichung  zusammengesetzt  ist.  Indem  wir  in  einem  solchen 
Falle  die  Zerlegung  von  G  studiren,  haben  wir  damit  zugleich  die 
Mittel,  die  Gleichung  f(x)  =  0  durch  eine  ganze  Reihenfolge  rcsolviren- 
der  Hülfsgleichiingen  schrittweise  zu  vereinfachen.  Eben  dies  ist  die 
Bedeutung  der  Resolventeu,  welche  die  gewöhnliche  Theorie  bei  der 
Auflösung  der  Gleichungen  dritten  und  vierten  Grades  benutzt. 

§  4*.    Die  Galois'sche  Kesolvente  msbesondere. 

Nach  dem,  was  gerade  gesagt  wurde,  repräsentiren  alle  Resolventen, 
deren  Gruppe  f  mit  der  Gruppe  G  der  vorgelegten  Gleichung  f(x)  =  0 
holoedrisch  isomorph  ist,  abstract  zu  reden,  äquivalente  Probleme. 
Aber  unter  ihnen  ist  eine,  welche  für  Zwecke  der  algebraischen  Dar- 
stellung ganz  besondere  Bedeutung  besitzt:  es  ist  diejenige,  die  man  mit 
dem  Namen  der  Galois' sehen  Resolvente  zu  benennen  pflegt,  und  die  da- 
durch definirt  ist,  dass  ihre  einzelne  Wurzel  hei  jeder  in  G  enthaltenen 
Vertauschung  der  x  umgeändert  wird.  Es  reduciren  sich  dann  also  die 
Gruppen  g^,  g^  ■  •  •,  die  wir  soeben  den  R^,  üj,  •  •  •  entsprechen 
Hessen,  alle  auf  die  Identität,  und  es  wird  gleichzeitig  der  Grad  der 
Resolvente  so  hoch  wie  möglich,  nämlich  gleich  N.  Dafür  aber  bietet 
sie  den  Vortheil,  dass  man  nur  eine  ihrer  Wurzeln  zu  berechnen  braucht. 
In  der  That  müssen   sich  nach   dem  Lagrange'schen  Satze  alle  ratio- 


*)  Hierdurch  kann  f{x)  =  0  (wenn  eben  y,  in  den  x  geschrieben,  nicht  trans- 
itiv ist)  möglicherweise  reducibel  geworden  sein. 


90  I>  4.    üeber  den  algebraischen  Charakter 

nalen  Functionen  der  x  durch  diese  eine  Wurzel  und  übrigens  die  be- 
kannten Grössen  rational  darstellen. 

Doch  betrachten  wir  die  Eigenschaften  der  G^a?o«Vschen  Resol- 
vente genauer. 

Zuvörderst,  was  ihre  Gruppe  angeht,  so  wird  bei  jeder  von  den 
N  Operationen  der  Gruppe  G  eine  jede  der  N  Wurzeln: 

versetzt.  Es  gibt  also  auch  keine  zwei  Operationen  von  G,  welche 
beide  dieselbe  Wurzel  Mi  an  dieselbe  Stelle  R^  brächten:  die  einzelne 
Operation  ist  vollkommen  bestimmt,  wenn  wir  nur  wissen,  in  welcher 
Weise  sie  ein  einzelnes  JBj  beeinflusst.  Indem  wir  den  Begriff  der 
Transitivität  heranziehen,  wie  er  schon  soeben  benutzt  wurde,  können 
wir  sagen: 

Die  Gruppe  V  der  Gdlois' sehen  Resolvente  ist  genau  einfach  transitiv. 

Wir  können  also  die  einzelne  Vertauschung  von  V  mit  dem  Index 
derjenigen  Wurzel  Rj^  benennen,  welche  bei  ihr  aus  Rq  hervorgeht. 
In  diesem  Sinne  werden  wir  sofort  das  Symbol  8k  gebrauchen. 

Wir  stellen  jetzt  vermöge  des  Lagrange'schen  Satzes  die  ver- 
schiedenen Wurzeln  iJ^,  JR^,  •  •  •  Rn—x  durch  die  erste  derselben 
rational  dar.  Auf  solche  Weise  entstehen  N  Formeln,  die  wir  folgen- 
dermassen  schreiben: 

(2)  J?o  =  %  (R,),   R,  =  t,  (R,), R^^t^tN-i  (Ro)' 

Hier  bedeuten  die  ^j  rationale  Functionen  des  beigesetzten  Argumentes, 
die  nur  insofern  vollkommen  bestimmt  sind,  als  wir  dieselbe  nicht  mit 
Hülfe  der  Galois'schen  Resolvente  selbst  modificiren  wollen,  und  es  ist 
^0  (i?o)  natürlich  nur  der  Gleichförmigkeit  wegen  statt  R^  selbst  ge- 
schrieben. Wir  greifen  eine  dieser  Formeln  heraus,  schreiben  sie  unter 
Beiseitelassung  der  bisherigen  Indices  der  R: 

(3)  E'  =  ^,(E) 

und  denken  uns  die  Galois'sche  Resolvente  mit  Hülfe  dieser  Formel 
transformirt  (indem  wir  zwischen  der  Resolvente  und  der  Formel  (3) 
das  R  eliminiren).  So  entsteht  eine  Gleichung  vom  Grade  N  für  R\ 
welche  mit  der  ursprünglichen  Galois'schen  Resolvente  jedenfalls  die 
Wurzel  Ri  gemein  hat.  Nun  ist  unsere  Resolvente  nach  Voraussetzung 
irreducibel.  Daher  haben  die  beiden  Gleichungen  vom  N^^°-  Grade 
überhaupt  alle  Wurzeln  gemein,  d.  h.  sie  sind  identisch.  Wir  haben 
also  den  Satz: 

Die  Galois'sche  Resolvente  wird  durch  die  N  rationalen  Transforma- 
tionen (3)  in  sich  seihst  transformirt. 


unserer  Fundamentalaufgaben.  91 

Wenn  wir  also  in  Formel  (3)  statt  R  irgend  eine  Wurzel  Rk  sub- 
stituiren,  so  wird  R'  gleich  einer  anderen  Wurzel  Rj  werden.  Aber 
statt  Rk  können  wir  schreiben  -^kiR^,  statt  Rj  ipj{R^.    Daher  ist: 

rl>j{R,)  ^  ^itk(R,) 
und  also  überhaupt: 

sofern  wir  nämlich  von  den  Veränderungen  absehen,  die  an  dem  ein- 
zelnen dieser  Ausdrücke  mit  Hülfe  der  für  die  R,  geltenden  Galois'schen 
Gleichung  angebracht  werden  können.    In  diesem  Sinne  haben  wir: 

Die  N  rationalen  Transformationen  (3)  bilden  eine  Gruppe. 

Wir  fragen,  wie  diese  Gruppe  mit  der  Galois'schen  Gruppe  V  zu- 
sammenhängt. Ersetzen  wir  in  den  Formeln  (2)  das  R^  rechter  Hand 
der  Reihe  nach  durch  jBq,  7?^,  •  •  •  R^—x,  so  erhalten  wir  linker  Hand, 
dem  gerade  Gesagten  zufolge,  die  Wurzeln  i?,  jedesmal  in  umgeänderter 
Reihenfolge  wieder.  Wir  bekommen  also  N  verschiedene  Anordnungen 
der  R,  und  nun  ist  die  Behauptung,  dass  diejenigen  N  Vertauschungen, 
durch  welche  diese  Anordnungen  aus  der  ursprünglichen  Anordnung  her- 
vorgehen, genau  die  Gruppe  V  ausmachen.  Wir  werden  zu  dem  Zwecke 
zeigen,  dass  eine  rationale  Function  der  Ri: 

F{Rq,  2?i, Rn-i), 

welche  ungeändert  bleibt,  wenn  man  die  Aufeinanderfolge R^,  jRi,"'i2^_i 
durch  eine  beliebige  der  anderen  N  in  Rede  stehenden  Anordnungen 
ersetzt,  rational  bekannt  ist.  In  der  That,  jede  rationale  Function  der  Ri 
kann  vermöge  (2)  in  die  Gestalt  zusammengezogen  werden:  <i>  {Rq).  Wenn 
nun  F  die  erwähnten  Umstellungen  zulässt,  so  wird  es  ebensowohl 
gleich  0  (Ri),  gleich  0  (-Rg)  etc.  sein,  unter  0  jedesmal  dieselbe  ratio- 
nale Function  verstanden.     Daher  ist  auch: 

also  F  gleich  einer  symmetrischen  Function,  und  daher  in  der  That 
rational  zu  berechnen,  wie  behauptet  wurde. 

Die  somit  gefundene  Beziehung  zwischen  f  und  der  Gruppe  der 
Transformationen  (3)  wollen  wir  noch  näher  erforschen.  Setzen  wir 
in  (2)  rechter  Hand  statt  Rq  R^,  so  tritt  linker  Hand  an  erster  Stelle 
ebenfalls  Rk  auf.  Wir  erhalten  also  diejenige  Reihenfolge  der  Ri, 
welche  aus  der  ursprünglichen  durch  die  Operation  Sk  von  f  hervor- 
geht. Indem  wir  jetzt  statt  14  (rechter  Hand)  durchweg  ^a  (-Rq) 
schreiben,  können  wir  folgendermassen  sagen: 

Die  Operation  Sk  ist  diejenige,  welche  ^.(i^o)  (*  =  Oj  1?  *  •  •  (-^—1)) 
durch  ■^iilfkiRo)  ersetzt. 


92  I,  4-    Ueber  den  algebraischen  Charakter 

Ebenso  wird  die  Operation  Si  diejenige  sein,  welche  ^»(I^o)  <lurcli 
^^^/(i?o)>  oder,  was  dasselbe  ist,  welche  ipiil'kil^Q)  durch  ijjiipki^iilio) 
ersetzt  (wo  wir  beidemal  i  von  0,  1,  bis  (JV^ —  1)  laufen  lassen  wer- 
den). Combiniren  wir  die  beiden  so  erhaltenen  Sätze,  indem  wir  zu- 
erst Sk  und  dann  Si  in  Anwendung  bringen,  so  folgt: 

Bei  der  Operation  Sk  Si  wird  tl)-,  {B^  durch  i^ »•  t/^^  -^t  {B^  ersetzt 
Die  Beziehung,  welche  wir  solchergestalt  zwischen  den  Gruppen 
des  S  und  der  -^  finden,  ist  zunächst  kein  Isomorphismus.  Denn 
SkSi  bedeutet,  dass  man  zuerst  Sk  und  dann  Si  in  Anwendung  bringt, 
während  tl^k'fpi  (Bq)  besagt,  dass  man  zuerst  das  i/;/  von  B^  und  dann 
hiervon  das  ^i-  berechnet.  Aber  wir  können  die  Beziehung  sofort  so 
umändern,  dass  Isomorphismus  resultirt.  Wir  brauchen  zu  dem  Zwecke 
Sk  nur  der  inversen  Operation  ifj/T     entsprechend    zu   setzen.     In   der 

That  ist  ja  {-^ki^if    =  #*"    •  '^V   •    Daher  haben  wir: 

Die  Gruppen  der  S  und  der  ^  sind  holoedrisch  isomorph.   — 
Die  hiermit  formulirten  Sätze  sind  um  so  wichtiger,  als  man  sie 
ohne  Weiteres   umkehren    kann.     In   der  That  finden  wir,  indem  wir 
das  bisher  Gesagte  in  umgeänderter  Reihenfolge  wiederholen: 

Wenn  eine  irreducible  Gleichung  iV*""  Grades  durch  N  rationale 
Transformationen  in  sich  übergeht: 

.    B'  =  ip,(B),    B'  =  t,iB), , 

so  ist  sie  ihre  eigene  Gdlois'sche  Besolvente  und  steht  ihre  Gruppe  V  zur 
Gruppe  der  tp  in  der  eben  geschilderten  Beziehung*). 

Soll  dann  bei  einer  solchen  Gleichung  eine  rationale  Function 
der  Wurzeln  gebildet  werden,  die  bei  den  Vertauschungen  Sk  einer 
gewissen  in  der  Galois'schen  Gruppe  enthaltenen  Untergruppe  un- 
geändert  bleibt  und  somit  als  Wurzel  einer  entsprechenden  Resolvente 
eingeführt  werden  kann,  so  genügt  es,  eine  rationale  Function  der 
einzelnen  Wurzel  Bq  aufzustellen,  welche  bei  den  zugehörigen  il^k  in 
sich  selbst  transformirt  wird;  denn  die  Untergruppe  der  ipk  enthält 
zugleich  alle  ^r  und  entspricht  also  bei  der  isomorphen  Zuordnung 
der  Untergruppe  des  Sk. 

§  5.    Einordming  unserer  Fundamentalgleichtingen. 

Ich  habe  den  vorigen  Paragraphen  so  ausführlich  gestaltet,  um 
jetzt  unsere  Fundamentalgleichungen:  die  binomischen  Gleichungen  und 

*)  Man  verwechsele  diesen  Satz  nicht  (wie  es  gelegentlich  geschehen  ist)  mit 
der  Definition  der  Äbel'schen  Gleichungen.  Auch  bei  letzteren  gibt  es  N  rationale 
Transformationen  B'  =  ip^  (M),  aber  man  setzt  überdies  voraus,  dass  die  ip  ver- 
tauschbar sind,  also  tp^  i/>^  =  t/»^  tp^  ist. 


unserer  Fundamentalaufgaben.  93 

die  Gleichungen  des  Dieders,  Tetraeders,  Oktaeders  und  Ihosaeders  un- 
mittelbar in  das  Schema  der  Galois'schen  Theorie  einordnen  zu  können. 
Constatiren  wir  zuvörderst,  dass  unsere  Gleichungen  irreducibel  sind. 
Aus  der  functionentheoretischen  Betrachtung  des  vorigen  Kapitels  folgt 
nämlich,  dass  die  N  Functionszveeige,  welche  die  einzelne  unserer 
Gleichungen  definirt,  indem  wir  jeweils  die  rechte  Seite  Z  als  unab- 
hängige Variable  betrachten,  alle  unter  einander  zusammenhängen. 
-Es  sind  also  genau  die  Voraussetzungen  erfüllt,  auf  die  sich  der  Schluss- 
satz des  vorigen  Paragraphen  bezieht.  Denn  die  N  Wurzeln,  welche  die 
einzelne  unserer  Gleichungen  besitzt,  gehen  aus  einer  beliebigen  unter 
ihnen  ja  in  der  That  jedesmal  durch  N  rationale  Transformationen 
hervor:  nämlich  durch  die  iNT  uns  wohlbekannten  linearen  Substitutionen. 

Wir  haben  hiermit  sofort:  Unsere  Gleichungen  sind  ihre  eigenen 
Galois' selben  Besolventen,  und  können  nun  unmittelbar  weitere  Schlüsse 
ziehen,  indem  wir  herannehmen,  was  früher  über  die  Gruppen  der  zu- 
gehörigen (nicht  homogenen)  linearen  Substitutionen  gesagt  wurde. 

Greifen  wir  zunächst  etwa  das  Oktaeder  heraus  und  erinnern  uns, 
dass  die  Gruppe  der  24  Oktaedersubstitutionen  zusammengesetzt  war. 
In  ihr  war  als  möglichst  ausgedehnte  ausgezeichnete  Untergruppe  die 
Tetraedergruppe  von  12  Substitutionen  enthalten,  in  dieser  wieder  die 
Vierergruppe  (von  4  Substitutionen),  und  in  letzterer  endlich  eijie 
cyclische  Gruppe  von  2  Substitutionen.  Wir  schliessen  also:  dass  wir 
die  Oktaedergleichung  durch  eine  Beihenfolge  von  4  Hülfsgieichungen  er- 
ledigen können,  deren  Gruppen  beziehungsweise -r^,-^,—,  2,  d.  h.  2,  3,  2,  2 

Vertauschungen  umfassen  werden.  Eine  Gruppe  von  Primzahlgrad  ist 
nothwendig  eine  cyclisohe  Gruppe.  Nehmen  wir  nun  noch  hinzu,  dass 
man,  im  Anschlüsse  Lagrange,  jede  cyclische  Gleichung  vom  n^"^  Grade 
durch  eine  binomische  Gleichung  vom  n^^  Grade  ersetzen  kann*),  so 
erkennen  wir,  dass  die  Oktaedergleichung  gelöst  werden  kann,  indem  wir 
folgeweise  eine  Quadratwurzel,  dann  eine  Cubikwurzel  und  endlich  noch 
2  Quadratwurzeln  ziehen.  Wir  werden  dies  in  §  7  durch  explicite 
Formeln  bestätigen. 

Was  die  Tetraedergleichung  angeht,  so  ist  sie  mit  dem,  was  über 
die  Oktaedergleichung  gesagt  wurde,  selber  miterledigt;  denn  die  Tetra- 
edergruppe ist  ja  ausgezeichnete  Untergruppe  der  Oktaedergruppe.    Für 


*)  Cyclisch  heisst  die  Gleichung  n^^^  Grades,  wenn  ihre  Galois'sche  Gruppe 
cyclisch  ist,  also  etwa  nur  die  cyclischen  Vertauschungen  von  {x^,,  x^,  •  •  •  x^_^) 
umfasst.     Die  Methode  besteht  dann  bekanntlich  darin,  als  Unbekannte  die  Grösse 

äJTT 

x^  -\-  s  x^  -\-  ■  ■  ■  f:'^  ~  ^  X   _  .  einzuführen ,  wo  f  =  e    "    . 


94  I»  4.    Ueber  den  algebraischen  Charakter 

die  Biedergleichung  vom  Grade  2n  ergibt  sich,  dass  sie  sich  durch  Aus- 
ziehung einer  Quadratwurzel  auf  eine  binomische  Gleichung  w*^"  Grades 
reduciren  lassen  muss.  Und  endlich  die  Auflösung  der  binomischen 
Gleichung  selbst  kann  dann  und  nur  dann  in  mehrere  Schritte  zerlegt 
werden,  wenn  ihr  Grad  n  eine  zusammengesetzte  Zahl  ist. 

So  stellt  sich  neben  die  binomische  Gleichung  von  Primzahlgrad 
als  einzige  unserer  Gleichungen,  die  wir  durch  Resolventenbildung  nicht 
reduciren  können,  die  Ikosaedergleichung.  Wollen  wir  auch  bei  ihr 
Resolventen  bilden  (wie  wir  dies  §  8  ff.  ausführen),  so  belehren  uns  die 
früheren  Untersuchungen  der  Ikosaedergruppe  darüber,  dass  als  niederste 
Resolventen  solche  vom  5.  und  6.  Grade  in  Betracht  kommen.  Erstere 
entsprechen  dem  Umstände,  dass  die  Ikosaedergruppe  5  gleichberechtigte 
Tetraedergruppen,  letztere  dem  anderen,  dass  sie  6  gleichberechtigte 
Diedergruppen  von  jedesmal  10  Operationen  umfasst.  Diese  Resolventen 
werden  beidemal  wieder  eine  Galois'sche  Gruppe  von  60  Vertauschungen 
besitzen.  Wir  können  nach  dem  Früheren  sofort  sagen,  dass  dies  bei 
den  Resolventen  5.  Grades  die  60  geraden  Vertauschungen  der  Wurzeln 
sind,  dass  also  das  Differenzenproduct  der  Wurzeln  rational  sein  muss. 
Die  Gruppe  der  Resolventen  sechsten  Grades  werden  wir  erst  später 
genauer  bestimmen  (§  15). 

Indem  wir  so  die  Ergebnisse  unserer  früheren  Untersuchungen 
für  die  Galois'sche  Theorie  verwerthen,  dürfen  wir  freilich  einen  wesent- 
lichen Umstand  nicht  übersehen.  Wir  sind  nur  insofern  berechtigt, 
die  linearen  Functionen  unserer  Substitutionsgruppen  zu  den  rationalen 
Functionen  ^  des  vorigen  Paragraphen  zu  rechnen,  als  wir  die  in  den 
linearen  Substitutiousformeln  auftretenden  Coefficienten  für  rational 
bekannt  erachten.  Es  sind  dies  gewisse  Einheitswurzeln.  Diese  Ein- 
heitswurgeln  also  müssen  wir  adjungirt  denken,  damit  die  vorstehend  formu- 
lirten  Behauptungen  richtig  sind.  Bei  der  Ikosaedergleichung  z.  B.  müssen 
wir  die  fünften  Einheitswurzeln  adjungiren,  d,  h.  Zahlenirrationalitäten, 
welche  durch  die  Gleichung  bestimmt  sind: 

^1^  =  0. 
X  —  1 

Erläutern  wir  an  diesem  Beispiel  in  etwa  die  Folgerungen,  welche  sich 
anderenfalls  einstellen  würden.  Bekanntlich  hat  die  vorstehende  Gleichung 
vierten  Grades  eine  cyclische  Gruppe  von  4  Vertauschungen*),  also 
eine  Gruppe,  die  eine  ausgezeichnete  Untergruppe  von  2  Vertauschungen 
umfasst.  Wir  schliessen,  dass  jetzt  die  Ikosaedergleichung  eine 
Gruppe    von    4  •  60    Vertauschungen    besitzt,    innerhalb    deren    eine 


")  Man  sehe  z.  B. :  Bachmann,  die  Lehre  von  der  Kreistheilwng,  Leipzig  1872. 


unserer  Fundamentalaufgaben.  95 

Untergruppe  von  2  •  60  Vertauschungen  und  dann  eine  von  60  Ver- 
tauschungen ausgezeichnet  ist.  Diese  neue  Gruppe  der  Ikosaeder- 
gleichung  braucht  sich  also  keineswegs  ungeändert  auf  die  einzelne 
Resolvente  der  Ikosaedergleichung  zu  übertragen.  Bei  den  Resolventen 
fünften  Grades  ist  dies  sogar  von  vorneherein  nicht  möglich,  da  deren 
Gruppe  doch  niemals  mehr  als  5!  ==  2  •  60  Vertausch ungen  umfassen 
kann.  In  der  That  tritt  in  den  Formeln,  welche  wir  in  §  14  für 
die  Differenzenproducte  unserer  Resolventen  fünften  Grades  aufstellen 
werden,  als  numerische  Irrationalität  nur  j/ö  auf,  sodass  keineswegs 
die  Adjunction  der  einzelnen  fünften  Einheitswurzel  nöthig  ist,  um  die 
Gruppe  der  Resolventen  auf  nur  60  Vertauschungen  zu  reduciren.  — 
Wir  verfolgen  diesen  Gegenstand  nicht  weiter,  da  er  uns  zu  sehr  in 
zahlentheoretische  Betrachtungen  hineinführen  würde*). 

§  6.    Betrachtung  der  Formenprobleme. 

Wir  gedenken  noch  mit  wenigen  Worten  der  Formenprobleme, 
die  unseren  Gleichungen  parallel  laufen.  Es  sind  dies  Gleichungs- 
systeme mit  jedesmal  2  Unbekannten  z^,  z^.  Man  wird  auf  solche 
Gleichungssysteme  durchweg  die  Grundbegriffe  der  Galois'schen  »Theorie 
übertragen  können,  indem  man  überall,  wo  in  letzterer  von  den  Wurzeln 
einer  Gleichung  die  Rede  ist,  die  einzelnen  Lösimgspaare  2^,  z^  ^^' 
stituirt.  Insbesondere  werden  wir  dann  sagen  können,  dass  unsere 
Formenprobleme  ihre  eigenen  Galois'schen  Resolventen  sind.  In  der  That 
leiten  sich  alle  2iV^  Lösungssysteme,  welche  unsere  Formenprobleme 
besitzen,  aus  dem  einzelnen  Lösungssysteme  durch  2iV^  a  priori  be- 
kannte lineare,  homogene  Substitutionen  ab**).  Es  sind  hier  also  die 
homogenen  linearen  Substitutionsgruppen  unserer  früheren  Darstellung, 
welche  die  Galois'sche  Gruppe  des  jedesmaligen  Problems  bestimmen. 

Diese  homogenen  Gruppen  waren  alle  zusammengesetzt,  indem 
sie  eine  ausgezeichnete  Untergruppe  umfassten,  die  aus  der  Identität 
und  folgender  Operation: 

^i  =  —  ^1,     ^2'  =  —  ^2 
bestand.    Wir    schliessen   daraus,    dass    sich    unsere   Formenprobleme 


*)  Im  Texte  haben  wir  die  Galois'sche  Theorie  als  im  Wesentlichen  bekannt 
vorausgestellt  und  nun  aus  ihr  Eigenschaften  der  Ikosaedergleichung  etc.  deducirt. 
Im  Gegensatze  dazu  kann  es  dem  Anfänger  nicht  genugsam  empfohlen  werden, 
die  ganze  Betrachtungsweise  umzukehren,  und  die  Eigenschaften  der  Ikosaeder- 
gleichung etc.  zu  benutzen,  um  sich  aus  ihnen,  als  einem  einfachen  Beispiele, 
die  allgemeinen  Ideen  der  Galois'schen  Theorie  zu  abstrahiren. 

**)  Die  dabei  auftretenden  Einheitswurzeln  gelten  im  Texte  wiederum  als  ad- 
jungirt. 


96  I,  4.    Ueber  den  algebraischen  Charakter 

immer  müssen  erledigen  lassen,  indem  wir  zunächst  eine  Gleichung 
mit  einer  Gruppe  von  N  Vertauschungen  auflösen  und  dann  eine 
Quadratwurzel  ziehen.  Dies  ist  nun  genau,  was  wir  bereits  in  §  2 
des  vorigen  Kapitels  ausgeführt  haben,  als  es  sich  um  die  Reduction 
der  Formenprobleme  handelte.  Es  wird  überflüssig  sein,  noch  aus- 
führlicher bei  diesem  Gegenstande  zu  verweilen. 

§  7.    Die  Auflösung  der  Gleichungen  des  Dieders,  Tetraeders  und 

Oktaeders. 

Indem  wir  jetzt  dazu  übergehen,  die  in  Aussicht  gestellten  Auf- 
lösungsformeln für  Bieder,  Tetraeder  und  Oktaeder  mitzutheilen,  be- 
ginnen wir  wieder  mit  der  Betrachtung  der  Ohtaedergleichung.  Wir 
schreiben  sie,  wie  früher: 

Als  Wurzel  der  ersten  Hülfsgieichung  werden  wir  sodann  eine  solche 
rationale  Function  von  z  einführen,  welche  bei  den  12  Tetraeder- 
substitutionen ungeändert  bleibt.  Offenbar  ist  es  am  einfachsten,  hier- 
für die  rechte  Seite  der  zugehörigen  Tetraedergleichimg  zu  wählen. 
Indem  wir  dieselbe  mit  Z^  bezeichnen,  haben  wir: 

(5)  ^  =  Z,. 

Wir  wählen  ferner  als  Unbekannte  der  zweiten  Hülfsgleichung, 
der  Vierergruppe  entsprechend: 

(6)  -  ^%:f  =  ^^ 

und  endlich  als  Unbekannte  der  dritten  Hülfsgleichung  die  rechte  Seite 
der  'binomischen  Formel: 


(^)  .  (ty= 


z,. 


Die  vierte  Hülfsgleichung  wird  dann  einfach  darauf  hinauskommen, 
aus  diesem  Z.  das  -^  =  8  selbst  zu  berechnen. 

Um  nun  die  Hülfsgieichungen,  von  denen  Z^,  Z^,  Z^  und  endlich 
-^  abhängen,  wirklich  zu  bilden,  brauchen  wir  uns  nur  zu  erinnern, 

dass  alle  rationalen  Functionen  von  z,  welche  bei  den  Tetraeder- 
substitutionen ungeändert  bleiben,  rational  in  Z^  sind,  dass  ebenso 
alle  rationalen  Functionen  von  z,  welche  bei  den  Substitutionen  der 
Yierergruppe  ungeändert  bleiben,  rational  in  Z^  sind,  etc.  etc.  Daher 
ist  (wenn  wir  noch  den  Grad  der  in  Betracht  kommenden  Functionen 


unserer  Fundamentalaufgaben..  97 

beachten)  Z  eine  rationale  Function  zweiten  Grades  von  Z^,  dieses 
wieder  eine  rationale  Function  dritten  Grades  von  Z^,  Z.^  seinerseits 
eine  rationale  Function  zweiten  Grades  von  Z^,  und  Z^  selbst,  wie 
schon  in  (7)  angegeben  ist,  eine  rationale  Function  zweiten  Grades 
von  z.  Ein  Blick  auf  unsere  früheren  Formeln  genügt,  um  diese  ratio- 
nalen Functionen  wirklich  zu  bilden.    Wir  finden  der  Reihe  nach: 

(»)  (Z,  -  1)^~  —  "^' 

(10)  _i^|^*=^,, 

und  endlich,  wie  selbstverständlich: 

(11)         (ty=^- 

jE&cw  diese  Formeln,  in  denen  wir  jetzt  Z^,  Z^,  Z^  und  z  der  Beihe  nach 
als  UnheJcannte  hetrachten ,  sind  die  gesuchten  Hülfsgleichungen.  Man 
wolle  insbesondere  beachten,  dass  die  cubische  Hülfsgieichung  (9),  wie 
wir  es  in  Aussicht  genommen  hatten,  zu  ihrer  Auflösung  nur  einer 
Cubikwurzel  bedarf*). 

Die  Tetraedergleichung  ist  mit  diesen  Formeln  ohne  Weiteres  mit- 
erledigt. In  der  That  brauchen  wir,  um  sie  zu  behandeln,  die  Reihen- 
folge der  Hülfsgleichungen  nur  mit  (9)  beginnen  zu  lassen.  Aber  auch 
die  allgemeine  Diedergleichung :  « 

(12)  —^ '-^  =  Z 

macht  keine  Schwierigkeiten  mehr;  wir  brauchen  nur,  um  sie  auf  eine 
binomische  Gleichung  zu  reduciren,  genau  so,  wie  wir  es  gerade  bei 
der  Vierergruppe  thaten, 

d«)  (t)"  =  ^. 

als  neue  Unbekannte  einzuführen.    Wir  haben  dann  für  Z^  die  quadra- 
tische Gleichung: 
(14)  _iS_^  =  2 

und  berechnen  hernach  -^  aus  der  binomischen  Gleichung  (14). 


*)  Wenn  in  (9),  von  den  anderen  Hülfsgleichungen  abweichend,  die  Irratio- 
nalität a  auftritt,  so  ist  dies  das  Aequivalent  dafür,  dass  man,  um  eine  cyclische 
Gleichung  3.  Grades  auf  die  binomische  Form  zu  reduciren,  wie  wir  schon  soeben 
bemerkten,  in  der  That  immer  das  «  zu  Hülfe  nehmen  muss. 

Kl« in,  Gleichungen  5.  Grades.  7 


98  I>  4.    Ueber  den  algebraischen  Charakter 

§  8.    Die  Resolventen  fünften  Grades  der  Ikosaedergleichung. 

Indem  wir  uns  jetzt  zur  Ikosaedergleichung  wenden,  untersuchen 
wir  zunächst  und  ausführlich  die  Resolventen  fünften  Grades.  Wir 
benutzen  dabei  vorab  dieselben  Grundsätze,  die  im  vorigen  Paragraphen 
zur  Anwendung  gelangten.  Bei  der  einzelnen  in  der  Ikosaedergruppe 
enthaltenen  Tetraedergruppe  bleiben,  wie  wir  früher  entwickelten, 
dreifach  unendlich  viele  rationale  Functionen  zwölften  Grades  von  z 
ungeändert,  die  sich  durch  eine  beliebige  derselben,  welche  wir  r 
nennen,  aber  erst  später  völlig  definiren  wollen,  linear  ausdrücken. 
Indem  wir  dieses  r  als  Unbekannte  einführen,  erhält  die  gesuchte 
Resolvente  fünften  Grades  die  Gestalt: 

(15)  F{t)  =  Z, 

wo  F  eine  rationale  Function  fünften  Grades  mit  numerischen  Coef- 
ficienten  und  Z  die  rechte  Seite  der  Ikosaedergleichung  ist.  Es  wird 
sich  darum  handeln,  F  zu  bestimmen.  Dies  gelingt  natürlich  sofort, 
wenn  wir  r  explicite  als  Function  von  -^  aufstellen  und  übrigens  die 

linke  Seite  der  Ikosaedergleichung  heranziehen.  Immerhin  ist  die 
Sache  etwas  complicirter,  als  bei  den  Hülfsgieichungen  des  vorigen 
Paragraphen,  und  ich  ziehe  es  daher  vor,  im  folgenden  Paragraphen 
eine  Methode  zu  entwickeln,  vermöge  deren  wir  den  Werth  von  F  if) 
bestimmen  können,  ohne  überhaupt  auf  Formeln  in  z  zu  recurriren*). 

Neben  diese  erste  Methode,  die  man  die  functionentheoretische  nennen 
könnte,  stellt  sich  eine  zweite,  invariantentheoretische.  Dieselbe  knüpft 
an  die  homogenen  Substitutionen  von  z^,  z^  und  die  zugehörigen,  un- 
verändert bleibenden  Formen  an;  sie  bezieht  sich  also  zuvörderst  auf 
das  Ikosaederproblem,  und  wir  werden  erst  nachträglich  die  aus  ihr 
erhaltenen  Resultate  in  Resolventen  der  Ikosaedergleichung  umsetzen. 

Wir  haben  in  §  1  des  vorigen  Kapitels  für  jede  der  dort  be- 
sprochenen homogenen  Substitutionsgruppen  das  volle  System  der  zu- 
gehörigen, durchaus  unveränderlichen  Formen  zusammengestellt.  Bei 
den  120  Substitutionen  der  homogenen  Ikosaedergruppe  sind  dies  die 
Formen  f,  H,  T  selbst.  Dagegen  sind  es  bei  den  24  Substitutionen 
der  homogenen  Tetraedergruppe  die  zugehörige  OMaederform  t,  der 
entsprechende  Würfel  W,  und  eine  Form  zwölften  Grades,  %}  für 
welche  wir  aber  jetzt  f  setzen  können,  welches  eine  lineare  Com- 
bination    von    f^    und  x    ist.     Die    allgemeinste    durchaus    ungeändert 

*)  Ich  habe  diese  Methode  in  Bd.  XII  der  Annalen,  pag.  175,  und  in  Bd.  XIV 
daselbst  pag.  141,-  416  ff.  (1877—78)  wiederholt  benutzt,  um  analog  definirte 
Gleichungen  aufzustellen. 


unserer  Fundamentalanfgaben.  99 

bleibende  Tetraederform  ist  also  eine  beliebige  (in  den  s^,  z.^  homogene) 
ganze  Function  von  i,  W  und  f. 

Sei  G  eine  solche  Form.  Indem  wir  annehmen,  dass  dieselbe 
nicht  zugleich  bei  den  Ikosaedersubstitutionen  ungeändert  bleibt,  er- 
halten wir  aus  ihr  eben  vermöge  der  Ikosaedersubstitutionen  5  ver- 
schiedene Formen,  die  wir  mit  Gq,  G^,  .  .  .  G^  bezeichnen  wollen. 
Wir  bilden  uns  das  Product: 


YJiG-G;). 


Hier   sind  die  Coefficienten  der  verschiedenen  Potenzen  von  G  sym- 
metrische Functionen  der  Gy,  d.  h.  Ikosaeder formen.     Daher  wird  G 
einer  Gleichung  fünften  Grades  genügen: 
(16)  G^  +  aG"^  +  bG^  +  cG^A-dG  +  e  =  0, 

in  welcher  die  Coefficienten  a,  h,  .  .  .  ganze  Functionen  der  f,  H,  T 
sind.  Es  gelingt  sofort,  diese  Coefficienten  zu  berechnen.  Denn  da  wir 
den  Grad  der  Gy  in  den  z^,  z^  kennen,  so  wissen  wir  von  vorneherein, 
dass  sich  a,  h,  c,  . . .  nur  aus  bestimmten  Combinationen  der  f  H,  T  in 
endlicher  Zahl  linear  zusammensetzen  können,  und  es  bedarf  dann,  um  die 
noch  unbekannten  numerischen  Coefficienten  zu  bestimmen,  nur  noch  des 
Vergleichs  weniger  Glieder  in  den  expliciten  Formeln  für  /",  H.,  T  und  G. 

Um  jetzt  die  Gleichung  (16)  in  eine  Resolvente  der  Ikosaeder- 
gleichung  zu  verwandeln,  werden  wir  G  mit  solchen  Potenzen  von 
f,  H,  T  multipliciren ,  beziehungsweise  dividiren,  dass  eine  rationale 
Function  nullten  Grades  von  z^,  z^,  d.  h.  eine  rationale  Function  von  z 
resultirt.  Wir  haben  dann  einfach  diese  Function  in  (16)  statt  G  als 
Unbekannte  einzuführen,  worauf  sich  die  Coefficienten  a,h,  c  .  . .  von 
selbst  in  rationale  Functionen  von  Z  verwandeln  werden. 

So  viel  über  die  invariantentheoretische  Methode*).  Um  dieselbe 
durchzuführen,  berechne  ich  in  §  10  zunächst  die  expliciten  Werthe 
von  t  und  W..  Sodann  gebe  ich  in  §  11,  12  die  fertigen  Gleichungen, 
von  denen  einerseits  t,  andererseits  eine  beliebige  lineare  Combination 
von  W  und  tW  abhängt,  Gleichungen,  die  sich  dann  sofort  in  Re- 
solventen der  Ikosaedergleichung  umsetzen  lassen.  Die  erstere  dieser 
Gleichungen  ist  zumal  auch  dadurch  bemerkenswerth ,  dass  sie  (bei 
freilich  ganz  anderem  Ansätze)  schon  in  den  anfänglichen  Unter- 
suchungen Brioschi's  über  die  Auflösung  der  Gleichungen  fünften 
Grades  aufgetreten  ist**),  wie  wir  später  noch  ausführlich  zu  besprechen 


*)  Ich  gab  dieselbe  in  der  hier  benutzten  Form  zuerst  in  Bd.  XII  der  Mathem. 
Annalen  (1877),  pag.  617  ff.  daselbst. 

**)  Siehe  Annali  di  Matematica,  ser.  1,  t.  I  (1858). 


100  I,  4.    Ueber  den  algebraischen  Charakter 

haben;  —  die  andere  wird  in  unserer  Theorie  der  Hauptgleichungen 
fünften  Grades,  die  wir  in  Kapitel  II  des  folgenden  Abschnittes  ent- 
wickeln werden,  eine  wichtige  Rolle  spielen  und  mag  daher  gleich 
hier  als  Hauptresölvente  bezeichnet  sein*).  In  §  13  erläutere  ich  dann 
noch,  wie  diese  neuen  Resolventen  fünften  Grades  mit  der  Resolvente 
der  r  (die  von  der  functionentheoretischen  Methode  geliefert  wurde) 
zusammenhängen,  und  bestimme  endlich  in  §  14  für  sie  den  Werth 
des  jedesmaligen  Differenzenproducts,  der,  wie  wir  wissen,  in  Z 
rational  sein  muss. 

§  9.    Die  Resolvente  der  r. 

Um  die  Resolvente  der  r{\b)  zu  berechnen,  spalten  wir  zuvörderst 
F{r)  in  Zähler  und  Nenner,  ziehen  auch  den  besonderen  Werth  Z=l 
in  Betracht  und  schreiben  also  statt  (15): 

(17)  q>{r):i,{r)'.x:{r)  =  Z:Z-l'.\, 

wo  (p,  tf  X  ^fötw^e  Functionen  vom  fünften  Grade  sein  werden.  Indem 
wir  hiermit  die  ursprüngliche  Ikosaedergleichung  zusammenstellen: 

H'  {0)  :  -  T'  (^)  :  1728  f'  (z)  =  Z:  Z  -  1  :  1, 

bemerken  wir,  dass  qp  =  0,  ^  =  0,  %  =  0  beziehungsweise  diejenigen 
Werthe  von  r  ergeben,  welche  sich  für  die  20,  30  und  12  Punkte 
vonjEr=0,  T==0,f  =  0  einstellen.  Die  Betrachtung  der  Figur 
ergibt  uns  dementsprechend  gewisse  Sätze  betreffs  der  Linearfactoren 
von  tp,  i),  %. 

Zuvörderst  ist  klar,  dass  die  sämmtlichen  Funkte  von  f=0  bei 
den  12  Drehungen,  die  r  ungeändert  lassen  (d.  h.  bei  den  12  Drehungen 
der  zugehörigen  Tetraedergruppe)  unter  einander  permutirt  werden. 
Es  wird  also  r  für  alle  Punkte  von  /"  ==  0  denselben  Werth  annehmen. 
Daher  ist  %  (r)  nothwendig  die  fünfte  Potenz  eines  linearen  Ausdrucks. 
Wir  betrachten  ferner  die  30  Punkte  T  =  0.  Unter  ihnen  finden  sich 
vor  allem  die  6  Eckpunkte  des  zur  Tetraedergruppe  gehörigen  Okta- 
eders (welches  wir  soeben  durch  t  bezeichneten).  Die  übrigen  24  Punkte 
spalten  sich  (wie  am  Modelle  ersichtlich)  den  Tetraederdrehungen 
gegenüber  in  zweimal  12,  zusammengehörige.  Wir  scJdiessen  daraus, 
dass  -^  (r)  einen  linearen  Factor  einfach,  zwei  andere  doppeltzählend  enthält. 


*)  Ich  habe  die  Hauptresolvente  zuerst,  in  allerdings  etwas  weniger  einfacher 
Form,  in  Bd.  XII  der  Annalen,  pag.  525,  mitgetheilt.  Implicite  liegt  dieselbe 
auch  den  parallellaufenden  Untersuchungen  Gordan' s  zu  Grunde,  die  wir  erst 
im  folgenden  Abschnitte  ausführlich  besprechen  werden  (siehe  insbesondere  Bd.  XIII 
der  Annalen:   üeher  die  Auflösung  der  Gleichungen  5.  Grades,  1878). 


unserer  Fundamentalaufgaben.  101 

Was  diese  Multiplicitäteu  angeht,  so  bemerke  man,  dass  ^  (r)  =  0, 
dem  Terme  T^  {z)  der  Ikosaedergleichung  entsprechend,  die  in  Be- 
tracht kommenden  Pmikte  sämmtlich  doppeltzählend  darstellen  muss. 
Der  lineare  Factor  aber,  der  in  den  6  Qktaederecken  verschwindet, 
wird  ohnehin  doppelt  gleich  Null :  er  darf  also  in  ^  (f)  nur  einfach  zählend 
enthalten  sein.  Andererseits  werden  aus  demselben  Grunde  die  beiden 
anderen  Linearfactoren,  welche  je  in  12  verschiedenen  Punkten  und 
also  nur  je  einfach  verschwinden,  in  tl)  doppelt  auftreten  müssen.  Es 
stimmt  dies  damit  überein,  dass  der  eine  in  %  (r)  vorhandene  Linear- 
factor  fünffach  zu  nehmen  ist.  —  Wir  betrachten  endlich  die  Punkte 
(p  (r)  =  0  oder  H  =  0.  Unter  ihnen  finden  sich,  wie  wir  von  früher 
her  wissen,  die  8  Ecken  des  zur  Tetraedergruppe  gehörigen  Würfels  W. 
Dieselben  zerlegen  sich .  der  Tetraedergruppe  gegenüber  in  zweimal  4 
zusammengeordnete  Punkte,  deren  jeder  bei  3  Tetraederdrehuugen  fest 
bleibt.  Wir  haben  überdies  noch  12  Punkte  von  H  =  0,  welche  den 
12  Tetraeder drehungen  gegenüber  eine  einzige  Gruppe  bilden.  Daher 
schliessen  wir,  dass  <p  (r)  nur  drei  verschiedene  Linearfactoren  besitzt, 
von  denen  die  zwei,  welclie  W  =0  entsprechen,  je  einfach,  der  dritte  aber 
im  Cubus  auftritt. 

Fassen  wir  zusammen,  so   haben  wir  ein  Resultat  erreicht,  das 
sich  ausdrückt,  indem  wir  Formel  (17)  durch  folgende  ersetzen: 

(18)  Z:Z—  1:1  =  c    (r  —  af  (r^  —  ßr -{- y) 

:c    {r  -  d)    {r^  —  «r  +  ^f 
:  c"  {r  —  rif, 

unter  cc,  ß,  y,  ...  .,  c,  c ,  c"  noch  unbekannte  Constante  verstanden. 
Die  Bestimmung  dieser  Constanten  ist  nur  dann  ein  determinirtes 
Problem,  wenn  wir  vorher  r  in  unzweideutiger  Weise  definirt  haben. 
Es  sollte  r  eine  der  dreifach  unendlich  vielen  rationalen  Functionen 
zwölften  Grades  sein,  welche  bei  den  Drehungen  der  Tetraedergruppe 

ungeändert  bleiben.     Wir  wollen  jetzt  insbesondere  r  =  -j-  setzen,  unter  t 

(wie  schon  oben)  die  zur  Tetraedergruppe  gehörige  Oktaederform  ver- 
standen. Dabei  soll  t  so  gewählt  sein,  dass  es,  nach  Potenzen  von 
Z^ ,  ^2  geordnet,  mit  dem  Terme  -\-  z^  anhebt  und  überhaupt  reelle 
Coefficienten  hat*).    Dann  ist  die  nächste  Folge,  dass  in  (18)  c"  {r  —  rff 


*)  Beiden  Forderungen  kann  genügt  werden,  wie  ein  Blick  auf  die  Figur 
zeigt.  Denn  einmal  enthält  jedes  der  6  beim  Ikosaeder  auftretenden  Oktaeder 
einen  Term  mit  z\,  weil  keines  einen  Eckpunkt  in  ^2  =  ^  ^^*'>  '^'^^  andererseits 
befindet  sich  unter  diesen  Oktaedern  eines,  welches  den  Meridian  der  reellen 
Zahlen  zum  Symmetriekreise  hat. 


102  I.  4.    üeber  den  algebraischen  Charakter 

(weil  es  nur  für  r  =  oo  verschwinden  soll)  gleich  C,  und  also  c  =  c' 
zu  setzen  ist,  während  d  verschwindet.    Des  Weiteren  ergibt  sich,  dass 

0=  —  1728  c  zu  nehmen  ist.  Denn  für  sehr  grosse  Werthe  von  -^ 
reducirt  sich  -7-  unserer  Verabredung  zufolge  in  erster  Annäherung  auf 
— ,  während  Z  (wegen  der  Ikosaedergleichung)  durch  ^  5    zu  er- 

setzen  ist.  —  Endlich  aber  folgt,  dass  alle  Coefficienten  in  (18)  reell 
sein  werden.  Wir  haben  also  Formel  (18)  jet0t  so  vereinfacht,  dass  wir 
scJireihen  können: 

(19)  Z:Z—l:l  =  {r   -  ccf  (r^  —  ßr  +  y) 

.  y^y2  —  sr  -{-  ^y 

:  —  1728, 
unter  a,  ß,  y,  £,  t  reelle  Constanten  verstanden. 

Nun  müssen  a,  ß,  7,  e,  ^  in  Uebereinstimmung  mit  dieser 
Formel  jedenfalls  so  bestimmt  werden,  dass  identisch  folgende  Rela- 
tion statt  hat: 

(20)  (r  —  af  {f  -ßr-{-y)-\-  1728  =  r  (r^  -  £r  +  tf- 

Indem  wir  diese  Identität  in  zweckmässiger  Weise  behandeln,  erkennen 
wir,  dass  mit  ihrer  Hülfe  a,  ß,  y,  s,  t  vollkommen  hestimmt  sind.  Zu- 
nächst nämlich  haben  wir,  indem  wir  in  (20)  r  =  0  setzen: 

a^y  =  4-  1728. 
Indem  wir  sodann  (20)  nach  r  differentiiren,  finden  wir  weiter: 
{r^  —  af  {6r^  -  (2a  +  4/3)  r  +  {aß  +  dy)) 

=  (r^  -  £r  +  g)  (br^  -  3sr  +  g), 
oder,  da  (r^  —  sr  -\-  ^)  und  (r  —  a)^  nothwendig  theilerfremd  sind: 
ÖE  =  2a    +4j3,     10a   =  3«, 
5g  =    aß  +  3y,       öa' =     g, 
also  (durch  Elimination  von  s,  g): 

lla  =  3iS,     64a2  =  9y 
und  durch  Zusammenstellung  mit  der  erstgefundenen  Relation: 

«5  =  3^ 
Nun  soll  aber  a  reell  sein.    Somit  kommt:  a  =  3  und  hieraus  /3=  11, 
y  =  64,  E  =  10,  2;  =  45.     Die  Resolvente  des  r  lautet  also  einfach: 

(21)  Z:  Z  —  1  :  1  =  (r  —  3)3  (r^  —  llr  -f  64) 

:  r{r^  —  lOr  +  45)^ 
:  —  1728. 


(e*- 

-B)     ^  +  (f« 

-B^ 

(8^- 

-  s^)z  —  (s*  ■ 

-S) 

1 

(.*- 

-  «*)  ^  +   (6 

-o 

unserer  Fundamentalaufgaben.  103 

§  10.    Berechnung  der  Formen  t  und  W. 

Wir  berechnen  jetzt  nachträglich  die  Formen  t  und  W,  wodurch 
wir  einerseits  dazu  gelangen,  den  Zusammenhang  der  im  vorigen  Para- 
graphen benutzten  Grösse   r  mit   dem  -^  der  Ikosaedergleichung   ex- 

plicite  darzulegen,  andererseits   die  nothwendige  Grundlage   gewinnen 
für  die  invariantentheoretische  Methode  der  Resolventenbildung. 

Schon  in  §  12  des  ersten  Kapitels  bemerkten  wir,  dass  zu  der 
Tetraedergruppe,  die  wir  hier  zu  betrachten  haben,  die  Drehungen 

T,  U,  TU 
gehören,    denen   wir    sodann   in   §  7    des    zweiten   Kapitels    die   Sub- 
stitutionen : 

z  == 


z  == 


(b     —   S*)  Z  —  (6*  —  E^) 

entsprechend  setzten.  Wir  berechnen  für  die  Punktepaare,  welche  bei 
diesen  Substitutionen  fest  bleiben,  in  homogener  Form  die  folgenden 
Gleichungen: 

z,' ~  2  (e' -{- a')  z,z,   -z,'==0, 

^X^  +  ^2^  =  0, 

z,'-2(e  +s')z,.^,   -^2\=0. 

Nun  tvird  aber  das  Oktaeder  t  genau  von  diesen  3  PunJctepaaren  gebildet. 
Indem  wir  noch  berücksichtigen,  dass  die  Form  t  den  Term  -{-  z^'^  ent- 
halten soll,  ergibt  sich  hiernach  für  letztere: 

(22)  t  {z„  z,)  =  {z,'  +  ^2^)  •  (^i'  -  2  (5  +  e')  z,z,  -  z./) 

.  (^^2  _  2  (£2  4-  a3)  ,^,.^  -  z,') 

=  z,'  4-  2z,^z^  -  bz.^z.^  —  5^,2^/  -  2^1^/  +  z,\ 

Wollen  wir  jetzt  das  zugehörige  W  berechnen,  so  kann  dies  nach 
unseren  früheren  Entwickelungen  geschehen,  indem  wir  die  Sesse'sche 
Form  von  t  (z^  z^)  aufstellen.  Wir  mögen  noch  festsetzen,  was  für 
die  spätere  Rechnung  bequem  ist,  dass  W  (z^,  z^)  den  Term  —  Zj^ 
enthalten  soll.     Solchergestalt  kommt: 

(23)  W(z,,  z,)  =  -  ^1«  +    z.'z,  -  lz,%'  -  lz,W 

+  lz,'z,^  —  Iz^^z^'  -    z^  z^  —  z^^, 
und  wir  haben  hiermit  bereits  den  nächsten  Zweck  des  gegenwärtigen 
Paragraphen  erledigt. 


104  I,  4.    Ueber  den  algebraischen  Charakter 

Wir  unterwerfen  die  t,   W  jetzt  den  Operationen 

S^  :  0/  ^  +  e^^-z„     z^  =  +  B^'-z^. 
So  entstehen  resp.  diejenigen  fünf  Werthe,  welche  bei  unseren  Gleichungen 
fünften  Grades  immer   gleichzeitig  in  Betracht  kommen,  und  die  wir 
ty,   Wv  nennen  wollen.     Wir  finden: 

(24)      ty  (z,,  z^)  =       «3v_g^6  _|_  2£^^z^^z^  —    öe'z^^z^^ 


—  öe^^^i^V  —  Sf^^^i  z^^  +  s^^z^^, 
(25)   TT.  {z„  z,)  =  —    s^^'z,'      +    E^^z.'z^  —  Ib^'z^^z^  -  Ib'z^^z^ 

+  Ib^'z^^z^  —  Ib^'z^z^^  -  B^^'Z^  Z^  —  B^'Z^. 
Dabei  wollen  wir  ausdrücklich  untersuchen,  wie  sich  die  fünf  U  oder  Wy 
bei  den  120  homogenen  Ikosaedersubstitutionen  permutiren.  Es  geht 
dies  allerdings  schon  aus  der  Angabe  hervor,  die  wir  in  §  8  des  ersten 
Kapitels  betreffs  der  entsprechenden  geometrischen  Figuren  gemacht 
haben.  Aber  es  scheint  doch  nützlich,  die  betreffende  Regel  auch  ex- 
plicite  an  unsere  jetzigen  Formeln  anzuknüpfen.  Wir  haben  die  120 
homogenen  Ikosaedersubstitutionen  aus  folgenden  Formeln  durch  Wie- 
derholung und  Combination  erzeugt: 

8:  z^  =  +  B^Zi,  z^  =  +  f^^2j 

T'.     +  )/5  .  ^;  =  -  (£   -  b'^)  z,  +  (£'  -  «')  ^2; 
+  1/5  .  <  =  +  (£2  -  5')  01  +  (£    -  b')  z,. 
Indem  wir  jetzt  diese  Werthe  von  0/,  z.^  statt  Zy,  z^  in  die  Formen  ^, 
(oder   auch  die    TF,,)   einführen,   entstehen  neue  Formen  K,  deren  Zu- 
sammenhang  mit  den    ursprünglichen  tv  sich  nach  kurzer  Zwischen- 
rechnung folgeudermassen  ergibt: 


^  ^  \    T-  t'  —  /     /' /     /' /     f t     f' t 

Dabei  sind  in  der  Formel  für  S  die  Indices  modulo  5  genommen. 

§  11.    Die  Resolvente  der  u. 
Wir  berechnen  jetzt  zunächst  die  Gleichung  fünften  Grades,  der 
unsere  ty  genügen.    Schreiben  wir,  der  Formel  (16)  entsprechend: 

so  werden  a,  &,  c,  •  •  -in  z^,  z^  beziehungsweise  vom  6*®"^,  12*®"",  18**"^,  ••• 
Grade  sein.  Nun  sollen  sie  zugleich  ganze  Functionen  der  f,  H,  T 
sein.  Daher  müssen  a  und  c  jedenfalls  verschwinden,  während  h,  d,  e 
beziehungsweise  zu  f,  /*^,  T  proportional  sein  werden.  Unsere  Gleichung 
fünften  Grades  wird  also  folgende  Gestalt  haben: 


unserer  Fundamentalaiifgaben.  105 

WO  X,  A,  f*  Zahlenfactoren  sind.  Zu  ihrer  Bestimmung  tragen  wir 
entweder  den  Werth  von  t  (22)  und  die  Werthe  von  f,  H,  T,  wie 
wir  sie  früher  angaben,  in  diese  Gleichung  ein,  ordnen  nach  Z{^^,  z^^z^, — 
und  verlangen,  dass  die  drei  höchsten  nicht  identisch  verschwindenden 
Terme  vermöge  geeigneter  Werthe  der  x,  A,  ft  zu  Null  gemacht  wer- 
den. Oder  auch,  wir  bestimmen  in  den  geeigneten  symmetrischen 
Functionen  der  U  (24)  jedesmal  den  höchsten  nicht  verschwindenden 
Term  und  vergleichen  denselben  mit  dem  höchsten  Term  in  f,  f^,  T. 
Auf  beide  Weisen  kommt  übereinstimmend: 

X  =  —  10,    A  =  45,  ft  =  —  1, 
und  unsere  Gleichung  fünften  Grades  lautet  somit*): 

(27)  ^^  -  10 f  ■  t^  +  45/'-'  .t—T=0. 

Um  jetzt  zu  einer  Resolvente  der  Ikosaedergleichung  übergehen, 
setzen  wir  etwa: 

(28)  u  =  i^^ 

(wo  jetzt  u  allein  von  -^  abhängt).  So  kommt  durch  einfaches  Ein- 
tragen: 

(29)  48w5  (1-  zy  -  40^3  (1  -  Z)  +  16u  -  12  =  0. 

Ich  werde  diese  Gleichung  weiterhin  als  Resolvente  der  u  bezeichnen. 

§  12.    Die  Hauptresolvente  der   Y. 

In  unseren  späteren  Untersuchungen  über  Gleichungen  fünften 
Grades  werden  solche  Gleichungen,  in  denen  die  vierte  und  die  dritte 
Potenz  der  Unbekannten  gleichzeitig  fehlen,  eine  besonders  wichtige 
Rolle  spielen.  Offenbar  gehört  zu  ihnen  die  Gleichung  fünften  Grades, 
der  unsere  Wv  genügen.  Denn  es  ist  identisch:  Z  TFv  ==  0,  TWv=0, 
indem  es  keine  Ikosaederformen  von  den  Graden  8  oder  16  gibt.  Ge- 
nau so  gehört  zu  ihnen  die  Gleichung  fünften  Grades,  die  man  für  die 
nächsthöhere  Tetraederform,  t  •  W,  aufstellen  kann.  Denn  es  ist  wie- 
der identisch  (und  aus  dem  entsprechenden  Grunde) :  Z  ty  Wv  =  0, 
Z(#v  WvY  ==  0.  Aber  auch  Z(Tfv)  •  {tr  Wv)  wird,  vermöge  derselben 
Ueberlegung,  identisch  Null  sein.  Daher  werden  zu  unseren  Gleichungen 
fünften  Grades  überhaupt  diejenigen  gehören,  deren  Wurzeln  lineare  Com- 
hinationen  der   Wv  und  ty  Wv  mit  constanten  Coefficienten  sind: 

(30)  Yv  =  6-  Wv  +  ftyWv. 


*)  Dies  ist  eben  jene  Gleichung,  welche,  wie  schon  erwähnt,  bereits  in  den 
ersten  Arbeiten  von  Brioschi  auftritt. 


106  I»  4.    Ueber  den  algebraischen  Chaiakter 

Wir  stellen  uns  dementsprechend  die  Aufgabe,  für  beliebige  Wertbe 
der  6,  X  die  zugehörige  Gleichung  fünften  Grades  auszurechnen.  Indem 
die  Einzelheiten  der  Rechnung  keinerlei  principielles  Interesse  darbieten, 
theile  ich  hier  gleich  das  Resultat  mit.     Man  findet: 

(31)  r^+5r2(  8/'2     .(?34-         T'G'x-^-       12P'0t'+       fT-x^) 

+5  Y  (—fH  •  (?*+18f  iT-  0'x'-{-      HT  -  6x^-\-21fn-  r*) 

Um  hieraus  eine  Resolvente  der  Ikosaedergleichung  herzustellen,  recur- 
riren  wir  einmal  auf  die  Formel  (28)  und  setzen  andererseits: 

(32)  «  =  ^^- 

Dann  können  wir  Formel  (30)  folgendermassen  schreiben: 

(33)  Yv  =  m  •  Vy  -{-  n  '  u^Vv, 

■wo  ♦  .  G  •  H  X  •  H  T 


12/"    '  lUP 

gesetzt  ist.     Indem  wir  die  hieraus  resultirenden  Werthe  von  <?,  x  in 
(31)  eintragen,  erhalten  wir: 

(34)  Z .  r^  +    bY^Um^-\-  12m'n  +  -^^^^^3^) 

+  16Y  1^-  4m*  +  -ye^^y-  +  IfJZTzr) 

+    3       (48m^  -  ^;  +  ^'(7,1+)?)  -  0- 

Es  ist  dies  diejenige  Resolvente  fünften  Grades  der  Ikosaedergleichung, 
welche  wir  später  als  Hauptresolvente  bezeichnen  werden. 

§  13.  Zusammenhang  der  neuen  Resolventen  mit  der  Resolvente  der  r. 

Es  gilt  jetzt,  den  Zusammenhang  unserer  neuen  Resolventen  mit 
der  Resolvente  der  r  (§  10)  darzulegen. 

Zunächst,  was  die  Uebereinstimmung  der  functionentheoretischen 
und  der  invariantentheoretischen  Methode  angeht,  so  schreiben  wir 
Gleichung  (27)  etwa  folgendermassen: 

(35)  T  =  t(t''  -  10 ff  +  45 /•2). 

Indem  wir  hier  quadriren,  beiderseits   durch  f^  dividiren   und  endlich 
für  -j-  wieder  r  schreiben,  kommt: 

—  1728  {Z—  1)  =  r(r^  -  lOr  +  45)^, 
eine  Gleichung,  die  in  der  That  mit  (21)  übereinstimmt. 
Wir  werden  ferner 

12t  •  P  j  l2W-f 

u  =  — jT^—     und     V  =  — W~~ 

durch  r  rational  auszudrücken  haben. 


unserer  Fundamentalaufgaben. 


107 


Was  u  angeht,  so  erreichen  wir  dies  sofort,  indem  wir  für  T  den 
Werth  (35)  eintragen.    Wir  finden  so: 

12 
(3^)  ^*  =   r^  -  lOr  +  46  ' 

Um  V  entsprechend  darzustellen,  erinnern  wir  uns,  dass  nach  den  Ent- 
Wickelungen  von  §  10  die  Punkte  -^  =  0  zugleich  durch  r  —  3  =  0 

TT 

dargestellt  sind.  Es  wird  also  -^  mit  ^^  —  df  bis  auf  einen  Zahlen- 
factor  übereinstimmen.  Der  Vergleich  eines  beliebigen  Terms  in  der 
Ent Wickelung  nach  ^j,  ^2  zeigt,  dass  dieser  Factor  =  -j-  1  ist.  Daher 
kommt  ohne  Weiteres: 

(37)  "  =  7^- 


Tragen  wir  endlich  die  Werthe  von  (36),  (37)  in  (33)  ein,  so  ergibt  sich: 

12  m(r  —  3)  —  144n 


(38) 


Y.= 


(r  —  3)  (r*  —  10  r  +  45) 
Natürlich  würden  wir  jetzt  die  Resolvente  der  ii  und  die  Hauptresol- 
vente  auch  berechnen  können,  indem  wir  zwischen  (21)  und  (36),  be- 
ziehungsweise (38),  das  r  eliminirten*). 


§  14.    lieber  die  Differenzenproducte  der  ii  und  der  Y. 

Ebenfalls  mit  Rücksicht  auf  die  späteren  Anwendungen  berechnen 
wir  jetzt  noch  die,  wie  wir  wissen,  in  Z^  rationalen  Differenzenproducte 
der  u  und  der  Y.   Wir  betrachten  etwa  zunächst  das  folgende  Product: 


n 


wo  die  dem  Productzeichen  beigesetzte  Bemerkung  bedeuten  soll,  dass 
nur  diejenigen  10  Factoren  ausmultiplicirt  werden  sollen,  bei  denen 
V  <  v'  ist  (während  gleichzeitig  v  und  v'  der  Werthe  0,  1,  2,  3,  4 
fähig  sein  sollen).  Bekanntlich  ist  dieses  Product  gleich  der  Deter- 
minante: 


1  h 


t  * 


*)  Dies  ist  die  Art,  vermöge  deren  Hr.  Kiepert  die  Hauptresolvente  abgeleitet 
hat:  Auflösung  der  Gleichungen  fünften  Grades  (Göttinger  Nachrichten  vom  6.  Juli 
1878,  Borchardt's  Journal  Bd.  79). 


108 


I,  4.    Ueber  den  algebraischen  Charakter 


Wir  multipliciren  die  letztere  jetzt  nach  dem  Determinantenmultipli- 
cationssatze  mit: 

11111 

1        £         S^       £^        £* 

1       £2       .  •  . 

1        £3  •  . 

1       £*       .  .  • 

So   entsteht  eine  neue  Determinante  mit  durchaus  reellen  und  ganz- 
zahligen Zahlencoefficienten: 


(2  (•  7i\ 


X    i    C  Vy  y^  ^    C  Vy  ^,    Cy      Vy  y^  ^    ty 


Vif 


V.2 


^ 


£      L 


2 


2r  ,2 

C  J/y 


Dieselbe  ist  in  ^j,  ^g  '^om  60*^°  Grade,  sie  wird  also  (als  Ikosaeder- 
form)  gleich  einer  linearen  Combination  von  H^  und  f^  sein  müssen. 
Indem  wir  die  Terme,  welche  z^^^  und  z^^'^^./  enthalten,  wirMich  berechnen, 
constatiren  wir,  dass  dieselbe  =  5'^  •  H^  (z^,  z,^  ist.  Daher  ist  unser  ur- 
sprüngliches Differenzenproduct: 

Yl  (.*r  -  t,')  =  25  yä .  H^  {z„  B,). 


V  <v 

Nun  haben  wir  aber: 


L  = 


IIP 


Daher  wird  das  Differenzenproduct  der  u^: 
(39)  JJ(m,_m,.)  =  _  2^1^^ 


z 


144 


{Z-  If 


In  ähnlicher  Weise  berechne  ich  das  Differenzenproduct  der  Y^.   Indem 
wir  zunächst  von  (30)  ausgehen,  finden  wir: 

jrj(r,-lV)=— 25-/5-If{r2.0io        +2^-5  ■l-pT-ö't 

''^''  +52-/'(2*^.3*-/*5_^3^^8^2_|_26.33.5Y4  2^.^V 

-f2-5/2(2ö.3^.7-/"5-31.^3)0'^T*     — T(25.3*-7.f-f  ll-Ä')öV 

—  2-3^-6-f^{2^'3^-l-f''-13-H^)(S't'  —  2'ö^-fT(2^'^^-f^-H^)6^t' 

-S'-6-f\2'''^'-l-f'-U-H')0^T^    —?>^'b-pT{2^-^''-f-H^)0x^ 

-(2ß.3*'-ll-r«-3*-7-f  ^3^1?«)ri»)  , 


unserer  Fundamentalaufgaben.  109 

und,  indem  wir  sodann  zu  (33)  übergehen,  ergibt  sich  die  definitive 
Formel: 

(40)     /7"(j;-r;')  =  =^^?^)2«-3*(l— Z)m^»  +  28-32.5-7-»w»w 


1—Z 

2^  •  3*  •  5  (3  .  7  —  31  •  Z)  »i«w*  —  2^  .  3^  (3  •  7  +  2  •  11  •  Z)  m^n^ 


(1- 

-Z)» 

23. 

3»  •  5  (3 

•7- 

—  13 

■Z)m*n' 

'  +  2*. 

3^  •  5  (3  - 

-2Z)m'n' 

(1- 

zr 

3* 

•5(7- 

11 

■Z)m 

i*  n«  +  3 

3-5(3- 

-2*-Z) 

mn^ 

+ 


(1-zr 

(3''-ll  — 33.7Z+2«-3'»Z=')w^S 

2''(1  —  Zy  )* 

§  15.    Die  einfachste  Resolvente  vom  sechsten  Grade. 

Zum  Abschlüsse  dieses  Kapitels  und  namentlich  zu  dem  Zwecke, 
um  später  unsere  eigenen  Entwickelungen  mit  den  früheren  Unter- 
suchungen anderer  Mathematiker  in  einfache  Verbindung  zu  setzen, 
betrachten  wir  nun  noch  die  einfachste  Resolvente  sechsten  Grades 
der  Ikosaedergleichung,  und  zwar  wollen  wir  zu  dem  Zwecke  sofort 
die  invariantentheoretische  Methode  benutzen*). 

Unter  den  6  hier  in  Betracht  kommenden  Diedergruppen  von 
jedesmal  10  Drehungen  greifen  wir  diejenige  heraus,  deren  Hauptaxe 
die  beiden  Punkte  ^  =  0,  oo  verbindet.  Die  niedrigste  bei  den  ent- 
sprechenden homogenen  Substitutionen  völlig  ungeändert  bleibende 
Form  ist,  wie  wir  von  früher  wissen,  das  Quadrat  von  ^^^^g-  Wi^  werden 
also  zuvörderst  die  Gleichung  sechsten  Grades  berechnen,  der  dieses 
Quadrat  oder  vielmehr  die  Grösse: 

(41)  9^00  =  5.1^^2^ 

genügt,  wo  der  Zahlenfactor  5  aus  Zweckmässigkeitsgründen  beigefügt 
und  dem  (p  der  Index  oo  ertheilt  worden  ist,  um  die  Benennungen 
cpv(y  =  Oj  1,  2,  3,  4  [mod.  5])  für  die  entsprechenden  Ausdrücke 
übrig  zu  haben,  welche  den  übrigen  5  Ikosaederdiagonalen  entsprechen. 
Indem  wir  die  homogenen  Ikosaedersubstitutionen,  welche  TS^  ent- 
sprechen, auf  cp^   in  Anwendung  bringen,  finden   wir  für  diese  tpyi 

(42)  tp,  =  {a^0,'  -f  20,2,  -  B^-z^'f. 

Sei  jetzt  die  Gleichung  sechsten  Grades,  der  die  tp  genügen: 
9«  -f  a>^  -f  &>*  +  c>3  -f  d'<p^  +  e'<p  +  f  =  0, 


*)  Man  vergl    etwa  wieder  Annalen  XII,  pag.  517,  518. 


110  I,  4.    Ueber  den  algebraischen  Charakter 

so  sind  «',  h',  c',  .  .  .  Ikosaederforraen  beziehungsweise  vom  4**^",  8*®**, 
12*^",  .  .  .  Grade.  Daher  folgt  sofort,  dass  a'  =  &'  =  iZ'  =  0,  während 
c',  e' ,  f,  von  numerischen  Factoren  abgesehen,  beziehungsweise  mit  f,  H 
und  f^  übereinstimmen  müssen.  Wir  bestimmen  diese  Factoren  in  be- 
kannter Weise,  indem  wir  auf  die  Werthe  von  f,  H  und  (p  in  ;Si,  z^ 
zurückgreifen.  So  finden  wir  mit  leichter  Mühe  die  folgende  Gleichung: 
(43)  g)^—\0f-(p^  +  H-(p-{-6P  =  0. 

Beschäftigen  wir  uns  einen  Augenblick  mit  der  Gruppe  dieser 
Gleichung.  Dieselbe  wird,  wie  aus  unseren  früheren  Entwickelungen 
hervorgeht,  durch  diejenigen  60  Vertauschungen  der  cp  gegeben  sein, 
welche  den  120  homogenen  Ikosaedersubstitutionen  entsprechen  (wobei 
wir  nicht  vergessen  dürfen,  dass  wir  ein  für  allemal  s  adjungirt  haben). 
Nun  setzen  sich  die  letzteren  alle  aus  den  Substitutionen  S  und  T  zu- 
sammen, die  wir  noch  in  §  10  wieder  namhaft  machten.  Offenbar 
bleibt  bei  S  das  cp^  ungeändert,  während  cp^  in  cpr  + 1  übergeht.  Wir 
können  dies  in  die  eine  Formel  zusammenfassen: 

v'  ^  V  -j-  1  (mod.  5), 
insofern  ja  für  v  =  oo  das  so  bestimmte  v'  ebenfalls  oo  wird.    Anderer- 
seits wird  bei  T  das  <p^  mit  cpQ,  das  (p^  mit  (p^,  das  q)^  mit  9)3  wechsel- 
weise vertauscht,  was  durch  die  eine  Formel  wiedergegeben  wird: 

v'  ^ (mod.  5). 

Aus  den  beiden  so  gewonnenen  Formeln  setzen  sich  nun,  bekannten 
Lehren  der  Zahlentheorie  zufolge,  überhaupt  alle  Formeln: 

"■-^-^4  (-od.  6) 

zusammen,  bei  denen  a,  ß,  y,  d  ganze  Zahlen  sind,  die  der  Congruenz 
(ccd  —  ßy)  ^1  (mod.  5)  genügen.  In  der  That  ist  die  Zahl  dieser 
Formeln,  sofern  wir  alle  solche  Werthsysteme  a,  ß,  y,  d,  welche 
modulo  5  übereinstimmen  oder  durch  einen  gleichförmigen  Vorzeichen- 
wechsel zur  Uebereinstimmung  gebracht  werden,  immer  nur  als  eines 
zählen,  gleich  60.     Also: 

Die  Gruppe  unserer  Gleichung  sechsten  Grades  wird  von  denjenigen 
60  Vertauschungen  der  Wurzeln  (p^  gebildet,  welche  durch  die  verschieden- 
artigen Formeln: 
(44)  ,'^^Zil   (mod.  5) 

geliefert  werden. 

Dies  ist  aber  gerade,  nach  den  Untersuchungen  von  Galois,  die- 
jenige Gruppe,  welche  der  Modul argl eich ung  sechster  Ordnung  für 
Transformation  fünften  Grades   der  elliptischen   Functionen  zukommt. 


unserer  Fundamenialanfgaben.  111 

Und  in  der  That  hat  Hr.  Kronecker,  indem  er  gelegentliche  Andeu- 
tungen Jacöbi's  weiter  verfolgte,  von  den  elliptischen  Functionen  aus- 
gehend, schon  vor  langer  Zeit,  in  natürlich  anderer  Bezeichnungsweise, 
genau  die  Gleichung  (43)  abgeleitet*).  Wir  werden  noch  wiederholt 
und  ausführlich  auf  diesen  Umstand  zurückkommen. 

Um  jetzt  (43)  in  eine  Resolvente  der  Ikosaedergleichung  zu  ver- 
wandeln, setzen  wir  etwa: 

(45)  S  =  ^i 
wir  erhalten  so  durch  einfache  Substitution: 

(46)  5«  —  10 Z'  ^3  +  12 Z^  •  e  +  5^2  =  0. 

Wir  wollen  dieses  Resultat  noch  dadurch  vervollständigen,  dass  wir 
aus  ihm  eine  zweite  Resolvente  ableiten,  deren  Wurzel  eine  solche 
rationale  Function  zehnten  Grades  von  0  ist,  wfelche  sich  bei  den 
10  Substitutionen  der  in  Betracht  kommenden  Diedergruppe  nicht  ändert. 
Eine  solche  Function  ist  beispielsweise: 

(47)  -1  =  ^, 

indem  nämlich  Zähler  und  Nenner  dieses  Ausdrucks  den  in  z^,  z^ 
quadratischen  Factor  j/^)  gemein  haben.  Um  die  zugehörige  Resol- 
vente zu  bilden,  schreiben  wir  (43)  in  folgender  Weise: 

(48)  _^_^'-ior„-+_6r^ 

cubiren  und  dividiren  beiderseits  durch  1728/"^     So  kommt: 

_   (r  -  log  +  5)^ 
—  1728g  ' 

oder   auch   (wenn  wir  den  Werth  von  {Z  —  1)   in  geeigneter  Weise 

umsetzen): 

(49)         Z:  Z  -  1  :  1  =  (P  _  101  +  5)^ 

:(r—    4|-l)2(|2_22|-f-125) 
:  -  17281. 
Dieselbe  Gleichung  hätten  wir  wieder  ohne  jede  Benutzung  expliciter 
Formeln  durch  functionentheoretische  Betrachtung  ableiten  können**). 
Ich  gebe  schliesslich  noch  die  Formel,  vermöge  deren  sich   t,  (45) 
durch  unser  jetziges  |  rational  ausdrückt.     Nach  (48)  ist: 

und  also: 

(60)  5=^iliM^l. 


*)  Man  sehe    die  Citate  im  ersten  und  dritten  Kapitel  des  folgenden  Ab- 
schnittes, man  vergl.  andererseits  §.  8  des  hier  folgenden  Kapitels. 

**)  Vergl.  Mathematische  Annalen  XIV,  pag.  143  (Formel  (19)  daselbst). 


112    I,  4.  üeber  den  algebraischen  Charakter  unserer  Fundamentalaufgaben. 

§  16.    Schlussbemerkung. 

Die  Entwickelungen  der  letzten  Paragraphen  nehmen  mehrfach 
auf  die  Anwendungen  Bezug,  welche  von  ihnen  im  zweiten  hier  folgen- 
den Abschnitte  gemacht  werden  sollen.  Es  ist  hiermit  bereits  ange- 
deutet, dass  die  Betrachtungen  des  gegenwärtigen  Kapitels  für  unseren 
weiteren  Gedankengang  von  der  massgebendsten  Bedeutung  sein  wer- 
den.    Sei  es  gestattet,  dies  noch  genauer  zu  präcisiren. 

Wir  sahen  bereits  im  dritten  Kapitel  des  gegenwärtigen  Ab- 
schnitts, dass  man  die  Auflösung  unserer  Fundamentalgleichungen 
functionentheoretisch  als  Verallgemeinerung  der  elementaren  Aufgabe 
betrachten  kann:  aus  einer  Grösse  Z  die  n^  Wurzel  m  ziehen.  Die 
algebraischen  üeberlegungen  des  gegenwärtigen  Kapitels  haben  uns 
dann  freilich  gezeigt,  dass  die  Irrationalitäten,  welche  durch  die 
Gleichungen  des  Dieders,  Tetraeders  und  Oktaeders  eingeführt  werden, 
durch  wiederholtes  Wurzelziehen  berechnet  werden  können.  Die  ITco- 
saederirrationdlität  dagegen  hat  ihre  selbständige  Bedeutung  behalten.  Hier- 
nach erscheint  eine  Erweiterung  der  gewöhnlichen  Gleichungstheorie 
indicirt.  Man  beschränkt  sich  in  letzterer  gewöhnlich  darauf,  diejenigen 
Probleme  zu  untersuchen,  welche  sich  durch  wiederholtes  Wurzelziehen 
erledigen  lassen.  Wir  werden  jetzt  als  weitere,  durchführbare  Operation 
die  Auflösung  der  Ikosaedergleichung  adjungiren  und  fragen,  ob  unter 
den  Aufgaben,  die  sich  durch  Wurzelziehen  allein  nicht  erledigen  lassen, 
nicht  solche  sein  mögen,  bei  denen  dies  mit  Hülfe  der  Ihosaederirrationa- 
lität  gelingt. 

In  diesem  Sinne  nun  behandelt  der  zweite  Abschnitt  unserer 
Darstellung  das  allgemeine  Problem  der  Auflösung  der  Gleichungen 
fünften  Grades.  Der  Versuch,  diese  Auflösung  mit  Hülfe  der  Iko- 
saedergleichung  zu  bewerkstelligen,  erscheint  um  so  naturgemässer, 
als  die  Gruppe  der  Gleichungen  fünften  Grades  nach  Adjunction  der 
Quadratwurzel  aus  der  Discriminante  mit  der  Gruppe  der  Ikosaeder- 
gleichung  holoedrisch  isomorph  ist,  und  als  wir  in  den  vorhin  auf- 
gestellten Resolventen  fünften  Grades  der  Ikosaedergleichung  ebenso 
viele  specielle  Gleichungen  fünften  Grades  haben,  deren  Beziehung  zur 
Ikosaedergleichung  von  vorneherein  feststeht. 


Fünftes  Kapitel. 
Allgemeine  Theoreme  nnd  Gesichtspunkte. 

§  1.  Würdigung  des  bisherigen  Gedankengangs,  Verallgemeinerungen. 

Nachdem  wir  jetzt  im  dritten  und  vierten  Kapitel  die  wesentlichen 
Eigenschaften  unserer  Fundamentalaufgaben  studirt  haben,  werden  wir 
fragen,  worin  die  merkwürdige  Einfachheit  derselben,  die  sich  überall 
bewährt  hat,  in  letzter  Ursache  begründet  sei.  Hierüber  kann,  wie 
ich  glaube,  kein  Zweifel  sein:  es  ist  die  Eigenschaft  dieser  Probleme, 
dass  immer  aus  einer  ihrer  Lösungen  alle  anderen  durch  a  priori  bekannte 
lineare  Substitutioneti  hervorgehen.  Der  geometrische  Apparat,  von  dem 
wir  in  den  Entwickelungen  des  ersten  und  zweiten  Kapitels  ausgegangen 
sind,  hat  gedient,  um  zu  unseren  Problemen  hinzuführen  und  ihre 
ersten  Eigenschaften  zu  veranschaulichen:  nun  er  uns  dieses  geleistet 
hat,  können  wir  ihn  in  der  Folge  bei  Seite  lassen*).  Indem  wir  uns 
diese  Auffassung  bilden,  werden  wir  naturgemäss  fragen,  ob  nicht  auch 
andere  Gleichungen  oder  Gleichungssysteme  existiren  mögen,  welche 
in  jenem  wesentlichsten  Punkte  mit  unseren  Fundamentalaufgaben 
übereinstimmen? 

Wir  suchen  also  zuvörderst,  so  weit  es  möglich  ist,  nach  neuen 
endlichen  Gruppen  linearer  Substitutionen  einer  Veränderlichen  2  (oder 
zweier  homogener  Veränderlicher  0^^,  z^.  Aber  wir  werden  sofort 
zeigen  (§  2),  dass  alle  solche  Gruppen  auf  die  uns  bereits  bekannten 
zurückkommen.  Wenn  wir  also  unsere  Fragestellung  in  der  erwähn- 
ten, nächstliegenden  Weise  auffassen,  so  sind  die  bisher  behandelten 
Gleichungen  und  Gleichungssysteme  die  einzigen  ihrer  Art.  Es  ist 
dies  ein  Resultat,  welches  geeignet  ist,  unseren  bisherigen  Betrach- 
tungen, die  bei  ihrer  inductiven  Form  zuvörderst  auf  kein  fest  um- 
grenztes Ziel  loszusteuern  schienen,  einen  gewissen  absoluten  Werth 
beizulegen.  In  der  That  sehen  wir,  dass  unsere  Fundamentalgleichungen 
bei  zahlreichen  mathematischen  Untersuchungen  der  letzten  Jahre  immer 

*)  Es  soll  dies  nur  ad  hoc  und  dann  ferner  für  die  Entwickelungen  des  zweiten 
hier  folgenden  Abschnittes  gelten.  Für  die  genauere  Durchführung  der  im  Texte 
in  Aussicht  genommenen  Verallgemeinerungen  ist  eine  anschauungsmässige  Deutung, 
jedenfalls  sobald  es  sich  um  transcendente  Functionen  handelt,  zur  Zeit  durchaus 
unentbehrlich,  wie  wir  denn  auch  in  §.  6  des  gegenwärtigen  Kapitels  sozusagen 
unwillkürlich  auf  geometrische  Erläuterungen  zurückfallen. 

Klein,  Gleichungen  5.  Grades.  8 


114  I,  5.    Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte. 

als  eine  besonders  bemerk enswerthe,  geschlossene  Gruppe  auftreten. 
In  dieser  Hinsieht  werde  ich  in  §  3  des  Folgenden  die  einfachen  Ent- 
wickelungen  erbringen,  vermöge  deren  man  zeigt,  dass  sich  mit  Hülfe 
unserer  Fundamentalgleichungen  alle  linearen,  homogenen  Differential- 
gleichungen zweiter  Ordnung  mit  rationalen  Coefficienten,  welche  durcJiaus 
algebraische  Integrale  haben,  mit  leichter  Mühe  aufstellen  lassen.  Uebrigens 
aber  verweise  ich,  was  die  analoge  Bedeutung  unserer  Fundamental- 
gleichungen für  die  linearen,  homogenen  Differentialgleichungen 
w*"  Ordnung  mit  rationalen  Coefficienten  angeht,  auf  die  bereits 
genannte  Abhandlung  von  Halphen*)-^  was  ferner  die  Rolle  betrifft, 
die  unsere  Fundamentalgleichungen  in  der  Theorie  der  elliptischen 
Modulfunctionen  und  dementsprechend  in  der  zahlentheoretischen  Unter- 
suchung der  binären  quadratischen  Formen  spielen,  auf  meine  eigenen 
Untersuchungen**)  und  diejenigen  von  Hrn.  Gierster***). 

Inzwischen  können  wir  unsere  Fragestellung  in  doppeltem  Sinne 
verallgemeinern. 

Einmal  werden  wir  an  Stelle  der  Variabelen  0^,  z^  eine  grössere 
Zahl  homogener  Veränderlicher:  z^,  b^  ■  ■  •  Zn  in  Betracht  ziehen  und 
nach  den  endlichen  Gruppen  linearer  Substitutionen  fragen  können, 
die  bei  ihnen  bestehen  mögen.  Ich  will  dies  sogleich  (in  §  4,  5)  noch 
näher  ausführen  und  hier  nur  hervorheben,  dass  in  Folge  der  dabei 
zu  Tage  tretenden  Gesichtspunkte  die  Entwickelungen  des  zweiten 
hier  folgenden  Abschnitts  als  einzelner  Beitrag  zu  einer  allgemeinen 
Theorie  erscheinen,  welche  die  gesammte  Gleichungstheorie  in  sich 
befasst. 

Unsere    zweite   Verallgemeinerung    geht   nach    anderer  Richtung: 

wir  werden  an  der  einen    Veränderlichen  z  ==  — -  festhalten,  dafür  aber 

unendliche  Gruppen  linearer  Substitutionen  in  Betracht  zieJien.  Hier  öffnet 
sich  jenes  grosse  Gebiet  der  eindeutigen  transcendenten  Functionen  mit 
linearen  Transformationen  in  sich  selbst,  auf  welche  neuerdings  von  ver- 
schiedenen Seiten  her,  und  insbesondere  durch  Hrn.  Poincare',  die  all- 
gemeine Aufmerksamkeit  gelenkt  worden  istf).    Ich  kann  auf  die  hier 


*)  Sur  la  reduction  des  equations  differentielles  lineaires  aux  formes  inUgrdbles, 
Me'moires  presentös  etc.    XXVIII,  1.    (1880-83). 

**)  Vergl.  insbesondere  Bd.  XIV  der  Mathematischen  Annalen,  pag.  148—160 
(1878). 

***)  lieber  Melationen  zwischen  Classenzahlen  hinärer  quadratischer  Formen  von 
negativer  Determinante ,  Erste  Note  (Göttinger  Nachrichten  vom  4.  Juni  1879,  oder 
auch  Math.  Annalen  Bd.  XVII,  pag.  71  ff.). 

f )  Man  vergleiche  die  zahlreichen  Mittheilungen  von  Poincare  in  den  Comptes 
Rendus  de  l'Academie  des  Sciences,  sowie  seine  Abhandlungen  in  Bd.  XIX  der  Mathem. 


I,  5.    Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspmikte.  115 

sich  ansschliessenden  Fragen  in  den  folgenden  Paragraphen  natürlich 
in  keiner  Weise  genauer  eingehen.  Meine  Darstellung  soll  nur  so  weit 
führen,  dass  die  Stellung  der  einfachsten  Functionsclasse  unter  den 
übrigen,  nämlich  der  elliptischen  Modulfunctionen,  klar  begriffen  wird. 
Es  knüpft  sich  daran  der  Nachweis  (§  7,  8),  dass  die  Gleichungen  des 
Tetraeders,  Oktaeders  und  Ikosaeders  sich  in  ähnlicher  Weise  durch 
elliptische  Modulfunctionen  lösen  lassen,  wie  etwa  eine  binomische 
Gleichung  durch  Logarithmen,  eine  cubische  Gleichung  (und  auch  die 
allgemeine  Gleichung  des  Dieders)  durch  trigonometrische  Functionen, 
—  und  diesen  Nachweis  wollte  ich  in  seinen  allgemeinen  Zügen 
bringen,  weil  er  einen  derjenigen  Punkte  bezeichnet,  auf  welche  sich 
in  der  Theorie  der  Gleichungen,  und  insbesondere  der  Gleichungen 
fünften  Grades,  das  Interesse  der  Mathematiker  nachhaltig  con- 
centrirt  hat. 

Offenbar  können  wir  die  beiden  hiermit  angedeuteten  Verall- 
gemeinerungen auch  verbinden:  wir  können  transcendente  Functionen 
mehrerer  Variabler  mit  unendlich  vielen  linearen  Transformationen  in 
sich  selbst  studiren*).  Aber  wichtiger  sind  für  uns  hier  wohl  die 
Betrachtungen,  die  ich  in  §  9  entwickele,  denen  zufolge  zwischen  den 
beiderlei  Verallgemeinerungen  überhaupt  kein  durchgreifender  Unter- 
schied besteht.  Hierdurch  werden  die  Perspectiven,  zu  denen  in  §  5 
bereits  die  Betrachtung  der  endlichen  Gruppen  geführt  hat,  so  zu  sagen 
ins  Unbegrenzte  erweitert. 

§  2.    Bestimmung  aller  endlichen   Gruppen  linearer  Substitutionen 

einer  Veränderlichen. 

Die  Aufgabe,  alle  möglichen  endlichen  Gruppen  linearer  Sub- 
stitutionen einer  Veränderlichen  zu  bestimmen,  ist  auf  verschiedene 
Weisen  behandelt  werden.  An  meine  anfängliche  geometrische  Me- 
thode**) schliesst  sich  die  analytische  des  Hrn.  Gordan***) ,  sodann 


Aimalen  und  in  den  Bänden  1  und  2  der  Acta  Mathematica  (1881  —  1883).  Ueberdies 
wolle  man  meinen  Aufsatz  in  Bd.  XXI  der  Mathematischen  Annalen  (1882)  zu 
Rathe  ziehen:  Neue  Beiträge  zur  Riemann' sehen  Functionentheorie ;  es  ist  dort 
namentlich  auch  die  Literatur  des  Gegenstandes  ausführlich  angegeben  und  be- 
sprochen, 

*)  In  dieser  Richtung  bewegen  sich  die  neuesten  Untersuchungen  von  Hrn. 
Picard,  man  vergl.  Comptes  Rendus  . . .  1882,  83,  sowie  Acta  Mathematica  Bd.  I,  II. 
**)  Sitzungsberichte  der  Erlanger  physikalisch-medicinischen  Gesellschaft  vom 
Juli  1874,  Mathematische  Annalen,  Bd.  9  (1875). 

***)  lieber  endliche  Gruppen  linearer  Substitutionen  einer  Veränderlichen,  Math. 
Annalen  Bd.  XII  (1877). 

8* 


116  I;,  5.   Allgemeine  Theoreme  und  Gresichtspunkte. 

der  allgemeine  Ansatz  von  Hrn.  C.  Jordan*),  vermöge  dessen  Letzterer 
in  der  Lage  ist,  auch  bei  grösserer  Variablenzahl  die  entsprechende 
Fragestellung  zu  erledigen.  Ich  werde  hier  eine  functionentheoretische 
Betrachtungsweise  benutzen,  welche  ich  bereits  bei  Gelegenheit  an- 
deutete**). Dieselbe  geht  darauf  aus,  sofort  die  Gleichungen  in  Be- 
tracht zu  ziehen,  deren  Wurzeln  durch  die  Substitutionen  der  Gruppe 
in  einander  transformirt  werden,  —  worauf  sich  mit  leichter  Mühe 
zeigen  lässt,  dass  diese  Gleichungen  im  Wesentlichen  auf  die  bisher 
untersuchten  Fundamentalgleichungen  zurückkommen.  Der  Gedanken- 
gang, den  Hr.  Halphen  neuerdings  zu  gleichem  Zwecke  eingeschlagen 
hat***),  ist  von  dem  hier  gegebenen  nicht  wesentlich  verschieden. 
Uebrigens  ist  eine  Bestimmung  aller  endlichen  Gruppen  linearer  Sub- 
stitutionen einer  Veränderlichen  implicite  auch  in  den  Untersuchungen 
von  Hrn.  Fuchs  über  algebraisch  integrirbare  lineare  Differential- 
gleichungen zweiter  Ordnung  enthaltenf),  Untersuchungen,  die  wir 
schon  mehrfach  in  Kap.  H  und  HI  citirten,  und  auf  welche  wir  im 
folgenden  Paragraphen  wieder  Bezug  nehmen  werden.  Man  kann  sagen, 
dass  diese  Arbeiten  von  Hrn.  Fuchs  sich  dadurch  von  den  meinigen 
unterscheiden,  dass  er  gleich  anfangs  den  formentheoretischen  Stand- 
punkt hervorkehrt,  während  ich  mit  functionentheoretischen  Betrach- 
tungen beginne. 
Es  seien 

^0  {X)  =  X,    t^i  {X),    11^2  {X), tN-  1  (^) 

die  N  linearen  Functionen,  welche,  gleich  x'  gesetzt,  eine  endliche 
Gruppe  von  N  linearen  Substitutionen  der  Variabelen  x  vorstellen. 
Es  seien  ferner  a,  h  irgend  zwei  Grössen,  in  der  Art  ausgewählt,  dass 
keiner  der  Ausdrücke  ij:  (a)  gleich  &,  oder,  was  dasselbe  ist,  keiner 
der  Ausdrücke  tfj  (b)  gleich  a  ist.    Wir  bilden  uns  dann  die  Gleichung: 

.So  haben  wir  offenbar  eine  Gleichung  JV*^"  Grades,  welche  bei  den 
N  Substitutionen  unserer  Gruppe  ungeändert  bleibt,  und  deren  N,  einem 
beliebigen  Werth  von  X  entsprechende  Wurzeln  daher  jedesmal  aus 
einer   derselben  durch   unsere   iV^  Substitutionen  hervorgehen.     In   der 


*)   Memoire  sur  les  equations  differentielles    lineaires  ä  integrale  algebrique, 
Borchardt's  Journal  Bd.  84  (1878),  sowie:  Sur  la  determination  des  groupes  d' ordre 
fini  contenus  dans  le  groupe  lineaire,  Atti  della  Reale  Accademia  di  Napoli  (1880). 
**)  Math.  Annalen  Bd.  14,  pag.  149—150  (1878). 
***)  Siehe  das  Citat  auf  p.  114. 
t)  Göttinger  Nachrichten  vom  August  1875,  Borchardt's  Journal  Band  81,  85 
(1875,  77). 


I,  5.   Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte.  117 

That,  wenn  wir  in  (1)  statt  x  irgend  ein  ^  {x)  substituiren,  so  ist, 
weil  die  ^  nach  Voraussetzung  eine  Gruppe  bilden,  der  Erfolg  nur  der, 
dass  die  Factoren  im  Zähler  und  ebenso  die  Factoren  im  Nenner  der 
linken  Seite  von  (1)  in  gewisser  Weise  unter  einander  permutirt  werden. 
Unsere  Behauptung  soll  nun  diese  sein:  dass  wir  die  Gleichung  (1) 
einfdch  dadurch  in  eine  der  hisher  von  uns  betrachteten  Fundamental- 
gleichungen werden  überführen  können,  dass  wir  statt  x,  X  geeignete 
lineare  Functionen  von  x  und  X  substituiren: 

^  —  yx  -{-  8  '  cX  +  d' 

Zum  Beweise  fragen  wir  zunächst,  für  welche  Werthe  von  X  die 
Gleichung  (1)  mehrfache  Wurzeln  besitzen  mag.  Sicher  ist,  dass,  wenn 
für  einen  Werth  von  X  einmal  v  Wurzeln  x  zusammenfallen,  dass 
dann  alle  zugehörigen  Wurzeln  x  zu  je  v  coincidiren.  Es  folgt  dies  aus 
der  Betrachtung  der  Substitutionen  ^  genau  so,  wie  wir  dasselbe 
Theorem  im  ersten  Kapitel  hinsichtlich  der  Rotationsgruppen  und 
solcher  Kugelpunkte,  die  bei  einigen  Rotationen  fest  bleiben,  bewiesen 
haben.  Wir  wollen  jetzt  annehmen,  dass  den  Wertheu  X=  Xj,  X^,  .  .  .  . 
in  dem  hiermit  erläuterten  Sinne  lauter  v^ -fache,  Vg'f^'Che,  .  . .  Wurzeln 
entsprechen  mögen.  Nach  den  Erläuterungen  des  §  4  unseres  dritten 
Kapitels  haben  wir  dann  für  die  Functionaldeterminante  (2  N  —  2)'^" 
Grades,  welche  sich  aus  Zähler  und  Nenner  der  linken  Seite  von  (1) 
berechnet  [nachdem  man  beide,  durch  Multipliciren  mit  den  Nennern 

N 
der  tlf,  in  ganze  Functionen  von  x  verwandelt  hat],  —  Wurzeln  von 

N 
der  Multiplicität  (v^  —  1),  —  Wurzeln  von  der  Multiplicität  (vg  —  1),  etc. 

Daher  ist: 

^^(v,-l)  =  2N-2, 

oder,  anders  geschrieben: 

Unsere  Methode  wird  jetzt  vorab  die  sein,  dass  tvir  diese  Gleichung  als 
eine  diophantische  Gleichung  für  die  ganzen  Zahleti  vi,  N  betrachten  und 
sämmtliche  Lösungssysteme  derselben  aufsuchen. 

Das  Letztere  geschieht  in  äusserst  einfacher  Weise.  Wir  consta- 
tiren  zunächst,  dass  die  Anzahl  der  v,-  nicht  kleiner  als  2  und  nicht 
grösser  als  3  sein  kann  (insofern  wir  N,  wie  selbstverständlich,  >  1 
nehmen).  Wäre  nämlich  die  Anzahl  der  v,  gleich  1,  so  wäre  die  linke 
Seite  von  (3)  <  1,  während  die  rechte  für  ^>  1  grösser  oder  gleich  1 
ist.     Wäre  aber  die  Anzahl  der  Vi  ^  4,  so  würde  die  linke  Seite  von 


118  I,  5.   Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte. 

(2)  ^2  sein,  weil  jeder  Summand  (l j  selber  > -^  i^^j  ^^^  ^^^ 

wäre  nicht  minder  ein  Widerspruch. 

Wir  nehmen  jetzt  erstens  die  Zahl  der  Vi  gleich  2,  schreiben  also 
statt  (2)  einfach: 


oder: 


-1  +  -L  =  A, 


Nun  kann,  wie  selbstverständlich,  keines  der  Vi'>  N  sein;  es  ist  also 

—  >-^-     Wir  schliessen  hiernach,    dass    im    vorliegenden  Falle    — 

und  —  beide  gleich  -^f  sein  müssen.     Also  kommt: 

f2  O  iV 

(3)  v,=v,  =  N,- 

wo  N  leliehig  ist,  und  dies  ist  unser  erstes  Lösungssystem. 

Nehmen  wir  ferner  die  Zahl  der  v,  gleich  3  und  setzen  also  statt 
(2)  die  Gleichung: 

w  i  +  i  +  i=i  +  4- 

So  sage  ich  zuvörderst:  Mindestens  eines  der  Vi  muss  gleich  2  sein. 
Wäre  nämlich  jedes  der  drei  Vi  ^  3,  so  würde  die  linke  Seite  von  (4) 
^  1  werden,  was  unmöglich  ist.  Wir  setzen  also  etwa  v^  =  2.  So  bleibt: 

-L  4-  J-  =  1  -J-  -1- 

Es  ist  nun  möglich,  dass  noch  ein  zweites  v,  sagen  wir  v^,  gleich  2 
ist.     Wir  finden  dann: 

1    2 

Hiermit  haben  wir  unser  zweites  Lösungssystem,  das  tvir  folgendermassen 
bezeichnen  wollen,  unier  n  eine  beliebige  Zahl  verstanden: 

-  (5)  N  =  2n,     v^  =^2,     v^  =  2,     Vg  ==  n. 

Ist  aber  keine  der  beiden  Zahlen  v^,  v^  gleich  2,  so  muss  mindestens 

eine  derselben  gleich  3  sein.     Denn  anderenfalls  wäre 1 "^  — . 

während  es  doch  >  -—  sein  soll.  Demnach  setzen  wir  v.^  =  3.  So  bleibt: 

Es  ist  also  jedenfalls  v^  <  6.  Dagegen  können  wir  nach  Belieben 
Vg  =  3,  4,  5  wählen.  Wir  bekommen  dementsprechend  N  =  12,  24,  60, 
womit  jedesmal  alle  unsere  Bedingungen  befriedigt  sind.     Es  gibt  also 


I,  5.   Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte.  119 

noch  drei  weitere  Lösimgssysteme,  die  wir  in  folgender  Tabelle  zusammen- 
stellen : 

N  =  12,  Vj  =  2,  ^2  =  3>  ^3  =  ^j 
(6)  J^=  24,  V,  ^2,v,  =  3,  V,  =  4; 

N  =  60,  Vj  =  2,  Vg  =  ^7  ^3  =  ^* 
Die  fünferlei  so  gefundenen  Lösungssysteme  entsprechen,  wie  man 
sofort  sieht,  genau  unseren  5  Fundamentalgleichungen:  der  binomischen 
Gleichung,  der  Gleichung  des  Dieders,  Tetraeders,  Oktaeders  und  Iko- 
saeders.  Wir  werden  jetzt  zeigen,  dass  wir  unsere  Gleichung  (1),  je  nach 
dem  Lösungssysteme  (3)  oder  (5)  oder  (6),  das  wir  unserer  diophantischen 
Gleichung  heilten  wollen,  in  der  That  auf  dem  in  Aussicht  genommenen 
Wege  in  die  jedesmal  entsprechende  Fundamentalgleichung  überführen 
können. 

Nehmen  wir  den  Fall  (3)  vorweg.     Statt  X  mögen   wir  bei  ihm 

einführen.  Wir  haben  dann  für  Z  =^  0  und  für  Z  =  oo  je  eine  iV^-fache 
Wurzel  cc.  Unsere  Gleichung  (1)  lässt  sich  also  folgendermassen 
schreiben: 

\x  —  x,^)  ' 

und  hier  haben  wir  nur  noch: 


zu  setzen,  um  die  binomische  Gleichung: 

z''  =  Z 
vor  uns  zu  haben. 

In  den  anderen  vier  Fällen  wollen  wir 

X     Xg  Xj      Xg 


z  = 


Ji.  —  Xo        X. 


wählen,  so  dass  für  Z  =0  lauter  Vg'f^che,  für  Z  =  oo  lauter  v^-fache, 
für  Z  =  \  lauter  v^-fache,  d.  h.  doppelte  Wurzeln  sich  einstellen.  In- 
dem wir  mit  <t>j,  Og?  *^3  geeignete  ganze  Functionen  von  x  bezeichnen, 
nimmt  unsere  Gleichung  (1)  dann  folgende  Gestalt  an: 

Z:Z— 1:1=  <t>l^{x):  O^«  (x)  :  Oi;»  (x), 

wo  wir  für  v^,  v^,  v.^  eines  unserer  Lösungssysteme  eingetragen  denken 
müssen.  Hiermit  combiniren  wir  jetzt  die  entsprechende  Fundamental- 
gleichung, der  wir  früher  die  Gestalt  ertheilt  hatten: 

Z:Z-  \  :l=cF;-{z):  c  F\^  {z)  :  Fl'  (z). 


120  I>  5-  Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte. 

Unsere  Behauptung  wird  bewiesen  sein,  wenn  wir  zeigen,  dass  in 
Folge  dieser  zweierlei  Gleichungen  z  eine  lineare  Function  von  x  ist: 

aa;  +  ß 

Zu  dem  Zwecke  erinnern  wir  uns  der  Differentialgleichung  dritter  Ord- 
nung, die  wir  früher  für  z  als  Function  von  Z  aufgestellt  haben  (siehe 
§  8  des  3.  Kapitels): 

L'^J^         2»'i^(Z—l)'-' ~T~  21-2  2.2^2 -r  2(Z— 1)Z 

Indem  wir  die  Beweisgründe  durchgehen,  die  wir  bei  Aufstellung  dieser 
Gleichung  benutzten,  erkennen  wir,  dass  x  in  Bezug  auf  Z  jeweils  der- 
selben Differentialgleichung  genügt.  Nun  sind,  wie  wir  wissen,  alle 
Lösungen  einer  solchen  Differentialgleichung  lineare  Functionen  einer 
beliebigen  Farticularlösung,  Daher  ist  auch  z  lineare  Function  von  x, 
was  zu  beweisen  war.   — 

Wir  wollen  das  hiermit  gewonnene  Resultat  noch  genauer  zu- 
sammenfassen. Es  handelte  sich  darum,  alle  endlichen  Gruppen  linearer 
Substitutionen: 

x'  =  ^i{x),    *-  =  0,  1,  .  .  .  .  (N-V), 
aufzusuchen.     Wir  erkennen  jetzt,   dass   wir  dieselben  alle   gewinnen, 
indem  wir  die  endlichen  Gruppen,  die  wir  in  §  7  des  zweiten  Kapitels 
zusammenstellten,  als  Ausgangspunkt  wählen   und  nun  in   die  damals 
gegebenen    Formeln    statt    z    ein    beliebiges    x   durch    die    Gleichung 

z  = ^-^  einführen,   worauf  natürlich   z'  in   entsprechender  Weise 

durch  x'  = -, —  ersetzt  werden  muss. 

yz    —  a 

§  3.  Algebraisch  integrirbare  lineare,  homogene  Differentialgleichungen 

der  zweiten  Ordnung. 

Wie  wir  in  §  1  in  Aussicht  nahmen,  beschäftigen  wir  uns  jetzt, 
mit  Unterbrechung  unseres  allgemeinen  Gedankenganges,  mit  der  Auf- 
gabe: alle  linearen  homogenen  Differentialgleichungen  zweiter  Ordnung  mit 
rationalen  Coefficienten  anzugehen: 

welche  durchaus  algebraische  Lösungen  besitzen.  In  der  That  erledigt 
sich  diese  Aufgabe  unter  Zugrundelegung  derjenigen  Entwickelungen, 
die  wir  im  dritten  Kapitel  hinsichtlich  der  linearen  Differential- 
gleichungen zweiter  Ordnung  ohnehin  erbracht  haben,  nunmehr  so  ein- 
fach, dass  es  unrichtig  scheinen  würde,  sie  hier  bei  Seite  zu  lassen. 


1,  5.   Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte.  121 

Wir  ersetzen  zunächst,  wie  wir  es  im  dritten  Kapitel  thaten  (§  7 
daselbst),  die  Differentialgleichung  (7)  durch  diejenige  Differential- 
gleichung dritter  Ordnung; 

(8)  \ri\z  =  Y~  -  T  (-?-)  =  2^  -  |P^  -  /  =  ^  iZ), 

von  welcher  der  Quotient  ri  zweier  beliebiger  Particularlösungen  y^,  y^ 
von  (7)  abhängt.  Offenbar  ist  i^  algebraisch,  wenn  y^  und  1/2  ^s  sind. 
Erinnern  wir  uns  nun  der  Formeln  (Kap.  II,  Glch.  (33)): 


Y    n 


jpdZ 
2/l  =  -^  •  ^21 


so  sehen  wir,  dass  wir  dann,  aber  auch  nur  dann  den  Rückschluss 
machen  können,  wenn  JpdZ  der  Logarithmus  einer  algebraischen 
Function  ist*).  Es  ist  dies  eine  erste,  dem  Coefßcienten  p  aufzuerlegende 
Bedingung.  Indem  wir  dieselbe  in  der  Folge  als  erfüllt  ansehen,  können 
wir  überhaupt  die  Gleichungen  (7)  bei  Seite  lassen  und  haben  nur 
noch  die  Aufgabe,  alle  algebraisch  integrirbaren  Gleichungen  (8)  auf- 
zustellen, wobei  r  (Z)  eine  unbekannte,  aber  jedenfalls  rationale 
Function  bezeichnet.  Diese  Aufgabe  behandeln  wir  dann  in  der  Weise, 
dass  wir  zuvörderst  alle  algebraischen  Integralgleichungen  angeben, 
welche  differentiirt  zu  Differentialgleichungen  dritter  Ordnung  der  ge- 
suchten Art  hinleiten-,  die  Aufstellung  der  Differentialgleichungen  selbst 
wird  dann  hinterher  mit  grosser  Leichtigkeit  erfolgen. 

Die  Function  1^  {Z)  wird  als  algebraische  Function  von  Z  in  der 
Ebene  Z  eine  endliche  Anzahl  von  Verzweigungspunkten  besitzen;  wir 
wollen  dieselben  in  der  Art  durch  ein  Netz  von  Querschnitten  verbinden, 
dass  die  Ebene  Z  eine  einzige  zusammenhängende  Randcurve  bekommt. 
In  der  so  zerschnittenen  Ebene  construiren  wir  uns  dann  zunächst  einen 
ersten,  nothwendig  überall  eindeutigen  Functionszweig  rj^,  welcher  der 
Differentialgleichung  (8)  genügt.  Der  allgemeinste  Functionszweig,  wel- 
cher (8)  befriedigt,  wird,  wegen  der  Grundeigenschaft  des  Differentialaus- 
drucks [r}\z,  eine  lineare  Function  dieses  i^^  sein.  So  oft  wir  daher  rj^^ 
über  einen  der  Querschnitte  hinüber  fortsetzen,  erfährt  es  eine  (natür- 
lich nur  von  dem  Querschnitte  abhängige)  lineare  Substitution.  Wir 
erhalten  also,  indem  wir  in  irgendwelcher  Combination  oder  Wieder- 
holung alle  möglichen  Querschnitte  überschreiten,  für  unser  tJq  eine 
Gruppe  linearer  Substitutionen.  Nun  soll,  verlangen  wir,  tjq  von  Z 
algebraisch    abhängen.     Daher    muss  die  Anzahl  der  Functionszweige, 


*)  Da  p  rational  sein  soll,  so  können  wir  ebensowohl  sagen:    j pdZ  soll  der 
Logarithmus  einer  rationalen  Function  sein. 


122  I,  5.   Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte. 

welche  aus  yjq  beim  üeberschreiten  der  Querschnitte  entstehen,  und 
somit  auch  die  Zahl  der  linearen  Substitutionen,  welche  -j^^  erfährt, 
endlich  sein.  Wir  kommen  also  unmittelbar  auf  die  Fragestellung  des 
vorigen  Paragraphen  zurück  und  können  das  Resultat  desselben  sofort 
in  folgender  Form  aussprechen: 

Soll  rjQ  in  Z  algebraisch  sein,  so  gibt  es  eine  lineare  Function  z  von  % , 

für  welche  entweder  0^  oder  eine  der  anderen  Fundamentalfunctionen  c  -^— 

^3 ' 
beim  Üeberschreiten  beliebiger  Querschnitte  der  Z-Ebene  ungeändert  bleibt. 

Dieses  2  ist  natürlich  selbst  eine  Lösung  von  (8).  Andererseits 
wird  der  ungeändert  bleibende  Ausdruck,  weil  er  eine  algebraische 
Function  von  Z  sein  soll,  eine  rationale  Function  von  Z  sein  müssen. 
Daher  haben  wir: 

Soll  Gleichung  (8)  algebraisch  integrirbar  sein,  so  muss  sich  bei  geeig- 
neter Auswahl  der  Farticularlösung  z  die  Integralgleichung  in  einer  der 
5  Formen  schreiben: 

(10)  z-'  =  R{Z),         cSM.  =  M{Z), 

unter  B  (Z)  eine  rationale  Function  von  Z  verstanden. 

Wir  leiten  nun  umgekehrt  aus  einer  beliebigen  der  Gleichungen  (10) 
den  Werth  von  [z]z  ab.  Wir  schreiben  zu  dem  Zwecke  einen  Augenblick: 

^^=Zi,  bez.  c^^  =  Zi; 

so  ist  nach  unseren  früheren  Untersuchungen: 

m^i  —  2JV''-  Zi^'     ^^^'~  2v,^{Z,  —  iy^2v^^-Z,^^         2iZ,  —  l)Z, 
Nun   fanden    wir    andererseits    in  §  6   des  dritten  Kapitels   die  allge- 
meine Formel: 

Indem  wir  hier  für  Zi  seinen  Werth  R  (Z)  eintragen,  gewinnen  wir 
die  folgenden  Differentialgleichungen,  denen  rj  =  2  genügt: 


(  [rih  =  ^^rR''-\-[R]z, 


(11) 


(  J_  +  J__J__i 

)  ..2  1  -.2  i  -.    2     1^  ,.    2  -.2 


[nh  =  R  •[^v(^"^i?  +  2v^^^ 2iB-i)B — J  +  I^-^J^- 

Offenbar  subsumiren  sich  diese  Differentialgleichungen  unter  die  Formel 
(8),  indem  auch  bei  ihnen  rechter  Hand  eine  rationale  Function  von  Z 
steht.  Daher  schliessen  wir,  dass  die  in  Formel  (10)  eingeführte  ratio- 
nale Function  B  is)  überhaupt  jede  beliebige  rationale  Function  sein  darf, 


I,  5.   Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte,  123 

und  dass  in  diesem  Sinne  die  Gleichungen  (11),  denen  als  jparticuläre 
Integrale  die  Gleichungen  (10)  entsprechen,  die  allgemeinsten  von  uns  ge- 
suchten Differentialgleichungen  sind.  Hiermit  aber  ist  die  Aufgabe,  welche 
wir  zu  Anfang  dieses  Paragraphen   formulirten,  vollständig  erledigt*). 

§  4.    Endliche  Gruppen  linearer  Substitutionen  bei  grösserer 

Variablenzahl. 

Indem  ich  mich  jetzt  zu  der  ersten  in  §  1  in  Aussicht  genommenen 
Verallgemeinerung  wende,  ist  meine  Absicht  keineswegs,  Beispiele  von 
endlichen  Gruppen  linearer  Substitutionen  bei  grösserer  Variablenzahl 
mitzutheilen**),  oder  sonst  betreffs  dieser  Gruppen  in  irgend  welche 
Einzelheiten  einzugehen.  Vielmehr  soll  es  sich  nur  darum  handeln, 
in  allgemeinen  Zügen  zu  schildern,  wie  sich  einer  jeden  solchen  Gruppe 
entsprechend  Fundamentalaufgaben  formuliren  lassen. 

Sei  unsere  Gruppe  zunächst  in  homogener  Form  geschrieben.  Dann 
wird  es  gewisse  gan^e  Functionen  der  Variabelen  0q,  0^,  .  .  .  0n  —  i 
(Formen)  geben,  welche  bei  den  Substitutionen  der  Gruppe  sich  nicht 
ändern.  Wir  werden  suchen,  das  volle  System  dieser  Formen  aufzu- 
stellen, d.  h.  diejenigen  Formen: 

Fl,  F^, Fp, 

durch  welche  sich  alle  anderen  durchaus  invarianten  Formen  als  ganze 
Functionen  ausdrücken  lassen.  Zwischen  denselben  werden  gewisse  Identi- 
täten bestehen  müssen,  die  wir  sämmtlich  berechnen.  Wir  denken  uns  jetzt 


*)  Nachdem  Hr.  Schwarz  in  der  wiederholt  genannten  Abhandlung  im  75.  Bande 
von  Borchardt's  Journal  (1872)  für  die  DiflPerentialgleichung  der  hypergeometrischen 
Reihe  alle  Fälle  aufgesucht  hatte,  welche  algebraisch  integrirbar  sind,  wurde  die 
Frage  nach  den  allgemeinsten  algebraisch  integrirbaren  linearen  Differential- 
gleichungen zweiter  Ordnung  mit  rationalen  Coefficienten  in  den  soeben  genannten 
Aufsätzen  zuerst  von  Hrn.  Fuchs  in  Angriff  genommen  (1875—78).  Anknüpfend 
an  die  erste  seiner  Mittheilungen  gab  ich  in  den  Sitzungsberichteji  der  Erlanger 
Societät  vom  Juni  1876  (siehe  auch  Math.  Ann.  Bd.  11)  das  nun  im  Texte  abge- 
leitete einfache  Resultat.  Man  vergleiche  hierzu  noch  Brioschi:  La  theorie  des 
formes  dans  Integration  des  equations  differentielles  lineaires  du  second  ordre,  im 
11.  Bande  der  Math.  Ann.  (1876),  sowie  meinen  zweiten  Aufsatz:  lieber  lineare 
Differentialgleichungen,  im  12.  Bande  daselbst  (1877).  Weitergehende  Fragen,  die 
sich  ebenfalls  auf  lineare  Differentialgleichungen  zweiter  Ordnung  beziehen,  be- 
handelt mit  derselben  Methode  Hr.  Picard  (Sur  certaines  eguations  differentielles 
lineaires,  Comptes  Rendus  de  TAcad^mie  des  Sciences,  t.  90  (1880)).  Halphen's 
Untersuchungen  über  Differentialgleichungen  höherer  Ordnung  wurden  bereits 
soeben  genannt. 

**)  Wegen  solcher  Beispiele  siehe  die  bereits  genannten  Arbeiten  von  C.  Jordan, 
sowie  meine  Aufsätze  in  den  Mathem.  Annalen  Bd.  4,  pag.  346  ff.,  Bd.  15,  pag.  251  ff'. 
Ein  besonderer  Fall  wird  im  dritten  Kapitel  des  folgenden  Abschnitts  zu  behandeln  sein. 


124  I,  5.     Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte.. 

die  Zahlenwerthe  der  F,  in  Uebereinstimmung  mit  diesen  Identitäten, 
aber  sonst  irgendwie  gegeben.  Dann  haben  wir  das  Formenprohlem,  welches 
unserer  Gruppe  entspricht,  indem  wir  verlangen,  aus  diesen  Zahlen- 
werthen  die  zugehörigen  ^f^?  ^i?  •  ••  ^n  —  i  zu  berechnen.  Das  Formen- 
problem hat  so  viele  Lösungssysteme,  als  die  vorgegebene  Gruppe 
Operationen  umfasst,  und  gehen  alle  diese  Lösungssysteme  aus  einem 
beliebigen  derselben  durch  die  Operationen  der  Gruppe  hervor. 

Neben  diese  formentheoretische  Auffassung  stellt  sich  die  andere, 
welche  nur  die  Verhältnisse  der  0^,  0^,  .  .  .  0«  — 1  in  Betracht  zieht, 
also  mit  (n  —  1)  absoluten  Variablen  und  gebrochenen  linearen  Substi- 
tutionen arbeitet.  Statt  der  Formen  F^,  F^,  -  .  .  werden  wir  jetzt 
gewisse  rationale  Functionen  Z^,  Z^,  .  .  .  in  Betracht  zu  ziehen  haben, 
die  sich  aus  den  F  —  oder  auch  aus  solchen  Formen,  welche  sich  bei 
den  homogenen  Substitutionen  um  einen  Factor  ändern  —  als  Quo- 
tienten nullter  Dimension  zusammensetzen,  und  die  so  ausgewählt 
werden  müssen,  dass  alle  anderen  ungeändert  bleibenden  rationalen 
Functionen  sich  aus  ihnen  rational  zusammensetzen.  Indem  wir  so- 
dann noch  alle  zwischen  diesen  Z  bestehenden  Identitäten  aufsuchen, 
denken  wir  uns  die  Zahlenwerthe  der  Z  in  Uebereinstimmung  mit 
diesen  Identitäten,  oder  sonst  irgendwie  gegeben.  Wir  verlangen,  aus 
ihnen  die  Verhältnisse  der  0  zu  berechnen.  So  haben  wir,  was  ich 
allgemein  als  das  zu  der  Gruppe  gehörige  Gleichungssystem  benennen 
will.  Das  Gleichungssystem  hat  in  Bezug  auf  die  nicht  homogenen 
Substitutionen  der  Gruppe  ganz  ähnliche  Eigenschaften,  wie  das  For- 
menproblem in  Bezug  auf  die  homogenen. 

Beiderlei  Aufgaben:  das  Formenproblem  und  das  Gleichungs- 
system können  wir  dann  in  den  Schematismus  der  Galois'schen  Theorie 
einordnen.  OiFenbar  dürfen  wir  sagen,  indem  wir  uns  der  allgemeinen 
in  §  6  des  vorigen  Kapitels  eingeführten  Redeweise  bedienen,  dass 
beide  ihre  eigenen  Galois'schen  Resolventen  sind.  Ausserdem  liegt 
auf  der  Hand,  dass  die  Auflösung  des  Formenproblems  diejenige  des 
Gleichungssystems  nach  sich  zieht,  während  das  Umgekehrte  nicht  ohne 
weiteres  der  Fall  zu  sein  braucht. 

Wir  wollen  bei  solchen  Allgemeinheiten  nicht  zu  lange  verweilen. 
Dagegen  mögen  wir  uns  noch  überzeugen,  dass  in  einem  gewissen 
Sinne  mit  diesen  Formulirungen  die  gesammte  gewöhnlich  sogenannte 
Gleichungstheorie  umspannt  wird.  Handelt  es  sich  darum,  eine  Glei- 
chung n^^^  Grades  f{x)  =  0  zu  lösen,  so  können  wir  die  Sache  so 
fassen,  als  sei  uns  für  die  n  Variabelen  Xq,  x^  .  .  .  Xn—i  (d.  h.  die 
Wurzeln  der  Gleichung)  ein  Formenproblem  vorgelegt.  Die  Gruppe 
der  zugehörigen  linearen  Substitutionen  wird   einfach  von  denjenigen 


I,  5.     Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte.  125 

Vertauschungen  der  x  gebildet,  welche  die  „Galois'sche  Gruppe"  der 
Gleichung  ausmachen,  die  Formen  F  coincidiren  mit  dem  vollen  Sy- 
steme denjenigen  ganzen  Functionen  der  x,  welche  im  Sinne  der  Ga- 
lois'schen  Theorie  als  „rational  bekannt"  gelten.  Mit  diesen  Bemer- 
kungen wird  natürlich  an  dem  Inhalte  der  Gleichungstheorie  zuvör- 
derst nichts  geändert.  Aber  die  in  ihr  zu  entwickelnden  Sätze  erhal- 
ten eine  neue  Anordnung.  Als  einfachste  Probleme  erscheinen  jetzt 
diejenigen,  die  sich  auf  Gruppen  binärer  Substitutionen  beziehen,  d.  h. 
eben  dieselben  Probleme,  mit  denen  wir  uns  in  den  vergangenen  Ka- 
piteln beschäftigten.    Es  folgen  ferner  die  ternären  Probleme  etc.  etc.*) 

§  5.  Vorausblick  auf  die  Theorie  der  Gleichungen  fünften  Grades 
und  Pormulirung  eines  allgemeinen  algebraischen  Problems. 
Die  kurzen  Bemerkungen  des  vorigen  Paragraphen  genügen,  um 
die  Entwickelungen  des  zweiten  hier  folgenden  Abschnitts  unter  dem- 
jenigen Gesichtspunkte  erscheinen  zu  lassen,  den  ich  in  §  1  des  gegen- 
wärtigen Kapitels  andeutete.  Es  soll  sich  in  unserm  zweiten  Ab- 
schnitte darum  handeln,  die  Auflösung  der  allgemeinen  Gleichung 
fünften  Grades  nach  Adjunction  der  Quadratwurzel  aus  der  Discrimi- 
nante  auf  die  Auflösung  der  Ikosaedergleichung  zurückzuführen.  Hier 
haben  wir  in  der  Gleichung  fünften  Grades  zufolge  der  gerade  dar- 
gelegten Auffassung  ein  Formenprohlem  mit  5  Variabelen  und  einer 
Gruppe  von  60  linearen  Substitutionen  vor  uns.  Andererseits  haben 
wir  in  der  Ikosaedergleichung  ein  GleicJmngssystem  (wenn  dieser  Aus- 
druck bei  nur  einer  Variabelen  gestattet  ist)  ebenfalls  mit  einer  Gruppe 
von  60  Substitutionen,  und  zwar  einer  Gruppe,  die,  wie  wir  wissen, 
mit  der  Gruppe  der  vorgelegten  Gleichung  fünften  Grades  holoedrisch 
isomorph  ist.  Indem  wir  unsere  specielle  Frage  —  und  zwar  mit 
geometrischen  Ueberlegungen,  die,  in  dieser  Form,  nur  bei  ihr  Platz 
greifen  —  behandeln,  gewinnen  wir  also  einen  Beitrag  zu  der  allge- 
meinen Aufgabe,  überhaupt  zu  uniersuchen,  inwieweit  es  gelingt  Formen- 
probleme oder  Gleichungssysteme  mit  resp.  isomorphen  Gruppen  auf  ein- 
ander zu  reduciren.  Unter  Isomorphismus  brauchen  wir  dabei  natür- 
lich nicht  nothwendig  holoedrischen  Isomorphismus  zu  verstehen. 

Die  Formulirung  dieser  Aufgabe  hat  eine  gewisse  Tragweite, 
denn  wir  erhalten  damit  zugleich  ein  allgemeines  Programm  für 
die    Weiterentwickelung    der    Gleichungstheorie.     Unter    den    Formen- 


*)  Die  hiermit  formulirte  Auffassung  liegt  im  Wesentlichen  bereits  meinem 
Aufsatze  in  Bd.  4  der  mathematischen  Annalen  (1871)  zu  Grunde:  lieber  eine  geo- 
metrische Bepräsentation  der  Besolventen  algebraischer  Gleichungen;  man  sehe  ferner 
die  sogleich  zu  nennende  Abhandlung  in  Bd.  15  daselbst. 


126  T,  5-     Allgemeine  Theoreme  uud  Gesichtspunkte. 

Problemen  oder  Grleichungssystemen  mit  isomorpher  Gruppe  bezeich- 
neten wir  schon  oben  dasjenige  als  das  eiüfachste,  welches  die  ge- 
ringste Zahl  von  Variabelen  besitzt.  Ist  also  irgend  eine  Gleichung 
f{x)  =  0  gegeben,  so  werden  wir  zunächst  untersuchen,  mit  welcher 
kleinsten  Zahl  von  Variabelen  man  eine  Gruppe  linearer  Substitutionen 
construiren  kann,  die  mit  der  Galois'schen  Gruppe  von  f{x)  ==  0  iso- 
morph ist.  Dann  werden  wir  das  Formenproblem,  oder  das  Gleichungs- 
system, aufstellen,  welches  zu  dieser  Gruppe  gehört,  und  nun  ver- 
suchen, die  Auflösung  von  f{x)  =  0  auf  dieses  Formenproblem  bez. 
Gleichungssystem  zurückzuführen.  — 

Die  Umgrenzung  des  Stoffes,  welche  ich  bei  der  gegenwärtigen 
Darstellung  festhalten  möchte,  macht  es  mir  unmöglich,  auf  den  hier- 
mit bezeichneten  Gesichtspunkt  genauer  einzugehen.  Ich  werde  nur, 
bei  der  Betrachtung  der  Gleichungen  fünften  Grades,  zwischendurch 
immer  darauf  verweisen,  wie  man  die  Gleichungen  dritten  und  vierten 
Grades  in  analogem  Sinne  behandeln  kann,  indem  man  erstere  mit 
der  Diedergleichung  vom  Grade  6  und  die  letztere  mit  der  Oktaeder- 
gleichung (bez.,  wenn  die  Quadratwurzel  aus  der  Discriminante  adjun- 
girt  ist,  mit  der  Tetraedergleichung)  in  Verbindung  setzt.  Um  so  mehr 
sei  hier  eines  Aufsatzes  im  15.  Bande  der  Mathemathischen  Annalen*) 
und  der  anschliessenden  Untersuchungen  von  Gordan**)  gedacht.  Es 
sind  dort  die  hier  in  Betracht  kommenden  Frincipien  so  weit  ent- 
wickelt, dass  eine  befriedigende  Theorie  der  Gleichungen  siebenten 
und  achten  Grades  mit  einer  Galois'schen  Gruppe  von  168  Vertau- 
schungen aufgestellt  werden  konnte,  eine  Theorie,  welche  als  natur- 
gemässe  Weiterbildung  der  im  Folgenden  gegebenen  Theorie  der  Glei- 
chungen fünften  Grades  erscheint  ***). 

§  6.    Unendliche  Gruppen  linearer  Substitutionen  einer 
Veränderlichen. 

Wir  schreiten  jetzt  zur  zweiten  Verallgemeinerung  der  früheren  Frage- 
stellung.    Nicht  die  Zahl  der  Variabelen  werden  wir  vermehren,  aber 


*)   Ueher  die  Auflösung  gewisser  Gleichungen  vom  siebenten  und  achten  Grade 
(1879). 

**)  Siehe  insbesondere:    Ueher  Gleichungen  siebenten  Grades  mit  einer  Gruppe 
von  168  Substitutionen  im  20.  Bande  der  Mathem.  Annalen  (1882). 

***)  Wollte  man  die  Oleichungen  6.  Grades  in  analogem  Sinne  behandeln,  so 
müsste  man  nach  Adjunction  der  Quadratwurzel  aus  der  Discriminante  diejenige 
Gruppe  von  360  linearen  Raumtransformationen  zu  Grunde  legen,  welche  ich  in 
Bd.  IV  der  Mathem.  Annalen  1.  c.  aufgestellt  habe  und  auf  welche  neuerdings 
Hr.  Veronese  von  geometrischer  Seite  zurückgekommen  ist  {Sui  gruppi  Psqq,  H^q^  della 
figura  di  sei  complessi  lineari  di  rette  etc.,  Annali  di  Matematica,  ser.  2,  t.  XI,  1883). 


I,  5.     Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte.  127 

die  Zahl  der  Substitutionen,  indem  wir  statt  endlicher  Gruppen  unend- 
liche Gruppen  zu  Grunde  legen.  Unter  Beiseitelassung  des  formen- 
theoretischen Standpunktes  will  ich  hier  in  functionentheoretiseher 
Form  nur  die  allereinfachsten  Beispiele  zur  Sprache  bringen*).  An 
Stelle  der  rationalen  Functionen  von  2  (die  bei  den  Gruppen  endlich- 
vieler  Substitutionen  ungeändert  blieben)  haben  wir  dann  transcen- 
dente,  aber  eindeutige  Functionen. 

Gedenken  wir  in  diesem  Sinne  zunächst  der  einfach -pet'iodischen 
und  der  trigonometrischen  Functionen. 

Eine  periodische  Function  von  z  genügt  der  Functionalgleichung : 

(12)  f{z  +  ma)==f(,), 

wo  m  jede  beliebige,  positive  oder  negative,  ganze  Zahl  bedeuten  darf. 
Hier  haben  wir  also  die  Substitutionsgruppe: 

(13)  2'  =  0  ^  ma, 

mit  Bezug  auf  welche  sich  die  ^- Ebene  in  wohlbekannter  Weise  in 
unendlich  viele  „äquivalente"  Parallelstreifen  zerlegt,  die  für  die 
Gruppe  in  dem  früher  geschilderten  Sinne  „Fundamentalbereiche"  sind. 
Die  einfachste  periodische  Function: 

2  iitz 

(14)  e~^  =  Z 

nimmt  innerhalb  eines  jeden  solchen  Streifens  jeden  Werth  einmal  an; 
in  Folge  dessen  drücken  sich  alle  anderen  periodischen  Functionen, 
welche  eine  endliche  Anzahl  von  Malen  im  einzelnen  Parallelstreifen 
jeden  Werth  erreichen,  rational  durch  Z  aus.  Man  sieht:  dieses  Z 
spielt  gegenüber  der  Gruppe  (13)  dieselbe  Rolle,  wie  früher,  bei  den 
endlichen  Gruppen,  die  mit  demselben  Buchstaben  bezeichnete  ratio- 
nale Fundamentalfunction.  Wir  können  auch,  wie  bei  den  endlichen 
Gruppen,  von  einer  „Gleichung"  sprechen,  die  zu  unserer  Gruppe  ge- 
hört. Es  ist  dies  einfach  Formel  (14),  in  dem  Sinne  aufgefasst,  dass 
wir  verlangen,  aus  gegebenem  Z  das  z  zu  berechnen.     Beachten  wir 

dabei,  dass  wir  e  "  als  Grenzfall  einer  Potenz  von  wachsendem  Ex- 
ponenten und  dementsprechend  (14)  als  Grenzfall  einer  binomischen 
Gleichung  betrachten  können.  Es  genügt  zu  dem  Zwecke,  sich  der 
wohlbekannten  Definition  zu  erinnern: 


*)  Es  liegt  nahe,  im  Texte  namentlich  auch  die  doppeUperiodischen  Func- 
tionen heranzuziehen.  Aber  diese  haben  einen  etwas  complicirteren  Charakter  als 
die  anderen  Beispiele.  Denn  es  gibt  bei  ihnen  keine  einzelne  Fundamentalfunc- 
tion Z,  durch  welche  sich  alle  anderen  Functionen  rational  ausdrücken,  vielmehr 
muss  man  durchaus  zwei  Functionen  Z^ ,  Z^  (zwischen  denen  dann  eine  alge- 
braisch^  Relation  vom  Geschlechte  p  =  1  besteht)  zu  Grunde  legen. 


128  I,  5.     Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte. 

(15)  ^=(1+1-): 

\  n  I  lim  w  =  CO 

Wir  finden  den  Uebergang  zu  den  trigonometrischen  Functionen, 
indem  wir  mit  (13)  die  neue  Substitution  verbinden: 

(16)  \'=-z, 

und  dadurch  die  Zahl  der  in  Betracht  zu  ziehenden  Substitutionen 
verdoppeln.  Um  geeignete,  zur  neuen  Gruppe  gehörige  Fundamental- 
bereiche  zu  erhalten,  ziehen  wir  die  gerade  Linie,  welche  die  Punkte 
z  =  ma  enthält,  und  zerlegen  dadurch  jeden  der  bislang  betrachteten 
Farallelstreifen  in  zwei  Theile.  An  Stelle  der  Exponential Function  (14) 
tritt  jetzt  die   folgende: 

%i7tz  —  2tjr« 

(17)  e        -j-  e  =  2  cos ; 

unsere  „Gleichung"  verlangt  also,  aus  dem  Werthe  des  Cosinus  den  Werth 
des  Argumentes  zu  berechnen.  Auch  diese  Gleichung  ist  ein  Grenzfall 
der  früheren.     Schreiben  wir  nämlich  die  Diedergleichung: 

(2i»  —  Z,^ny 


zuvörderst  folgendermassen : 


=  —Z 


'     zn  '  ' 

substituiren  alsdann  1  H für    z    und    lassen    n   über  alle  Maassen 

wachsen,  so  verwandelt  sich  die  linke  Seite: 

in  2  cos  ix.  — 

Ueber  diese  nächstliegenden  Beispiele  hinaus  betrachten  wir  jetzt 
noch  die  elliptischen  Modtdfunctionen  und  gewisse  andere  mit  ihnen  ver- 
wandte Functionen,  welche  zuerst  Hr.  Schwarz  in  seiner  wiederholt 
genannten  Abhandlung  über  die  hypergeometrische  Reihe  (in  Bor- 
chardt's  Journal  Bd.  75,  1872)  in  Betracht  gezogen  hat.  In  §  8  unseres 
dritten  Kapitels  haben  wir,  wie  wir  noch  eben  erwähnten,  für  die 
Wurzel  z  der  Dieder-,  Tetraeder-,  Oktaeder-  und  Ikosaedergleichung 
gemeinsam  die  Differentialgleichung  dritter  Ordnung  aufgestellt: 

(18)        [z]z  =  ^^qjzi'r)^  +  2v.,\z-'  "I      '     2(2r— i)Z        ' 

wo   für  v^,  ^2,  Vg   resp.   die   Zahlenwerthe   der   folgenden,    wiederholt 
benutzten  Tabelle  einzutragen  waren: 


5.    Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte.  129 


"i 

«'2 

"s 

Dieder 

2 

2 

W 

Tetraeder 

2 

3 

3 

Oktaeder 

.2 

3 

4 

Ikosaeder 

2 

3 

5 

11  Tl 

V,    '       V., 


und  zwar  sind  dies,  wie  wir  soeben  (in  §  2)  zeigten,  die  einzigen  Zahl- 
werthe,  für  welche 1 1 >  1   ist.     Die  Functionen  des  Hrn. 

'  "l  "2  "3 

Schwarz  erwachsen,  indem  wir  in  (18)  für  v^,  v^,  v^  irgend  drei  andere 
ganze  Zahlen  einsetzen  (wobei  dann \ -\ <;  1  sein  wird). 

"l  ^2  ''s  , 

Um  von  dem  Verlaufe  dieser  Functionen  eine  Vorstellung  zu 
geben,  sei  Folgendes  bemerkt.  Im  dritten  Kapitel  haben  wir  gesehen, 
dass  vermöge  unserer  Fundamentalgleichungen  die  Halbebene  Z  auf 
Kreisbogendreiecke  der  ^?- Kugel  abgebildet  wird,    deren  Winkel  bez. 

—  betragen.     Genau  dasselbe  findet  bei  den  jetzt  in  Rede 

stehenden  Functionen  statt,  sobald  wir  die  Parti cularlösung  von  (18) 
fixirt  haben,  die  wir  in  Betracht  ziehen  wollen,  und  diese  nun  analy- 
tisch fortsetzen.  Während  aber  damals,  dem  algebraischen  Charakter 
der  Fundamentalgleichungen  entsprechend,  eine  endliche  Zahl  von  Kreis- 
bogendreiecken genügte,  um  die  z  -  Kugel  zu  überdecken,  so  lagert  sich 
jetzt  eine  unendliclie  Zahl  solcher  Dreiecke  (von  denen  keines  mit  dem 
andern  collidirt)  neben  einander.  Man  muss  dabei  unterscheiden,  ob 
1 1 =  1  oder  <  1  ist.    Im  ersteren  Falle  laufen  die  Kreis- 

"l  »'2  "3         . 

bogen,  welche  die  Dreiecke  begrenzen,  verlängert  gedacht,  sämmtlich 
durch  einen  festen  Punkt  der  ^f- Kugel,  und  diesem  festen  Punkte 
strebt  man  immer  mehr  zu,  je  mehr  man  die  aufeinander  folgenden 
Dreiecke  vervielfältigt,  ohne  ihn  doch  je  zu  erreichen.  Die  Function 
Z{z)  hat  überall,   ausser  in  diesem  Puncte,  einen  bestimmten  Werth. 

—  Im  andern  Falle  haben  die  begrenzenden  Kreislinien  einen  gemein- 
samen Orthogonalkreis,  und  es  bildet  dieser  Kreis  die  Grenze,  der  man 
durch  Vermehrung  der  Kreisbogendreiecke  beliebig  näher  kommt, 
ohne  sie  doch  jemals  zu  überschreiten.  Die  Function  Z{z)  existirt 
daher  nur  auf  der  einen  Seite  des  Orthogonalkreises,  der  Orthogonal- 
kreis ist  für  sie  dasjenige,  was  man  als  natürliche  Grenze  bezeichnet  *). 

—  Was  die  zugehörige  Gruppe  linearer  Substitutionen  angeht,  so 
denke    man    sich    die    besprochenen   Kreisbogendreiecke    abwechselnd 


*)  Vergl.  durchweg  die  citirte  Abhandlung  von  Schwarz,  in  der  auch  bezüg- 
liche Figuren  gegeben  sind.  ' 

Klein,  Gleichungen  5.  Grades.  9 


130  I,  5.     Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte. 

schraffirt  und  nicht  schraffirt.  Die  Gruppe  besteht  alsdann  aus  allen 
linearen  Substitutionen  von  z^  welche  ein  schraffirtes  Dreieck  in  ein 
anderes  schraffirtes  Dreieck  (oder  ein  nicht  schraffirtes  in  ein  nicht 
schraffirtes)  verwandeln. 

Unter  den  hiermit  eingeführten  Functionen  bilden  nun  die  ellip- 
tischen  Modulfimctionen  (sofern  wir  uns  auf  deren  einfachste  Art  be- 
schränken wollen)  einen  besonderen  Fall:  den  Fall  v^  =  2,  v^  =  3, 
v^  =  oo.  Das  Kreisbogendreieck  der  ^- Kugel  hat  dann,  dem  Werthe 
von  V3  entsprechend,  einen  Winkel  gleich  Null.  Indem  wir  den  Grenz- 
kreis, AenZ{z)  auf  der  ;S-Kugel  besitzt,  mit  dem  Meridiane  der  reellen 
Zahlen  zusammenfallen  lassen,  vermögen  wir  zu  erreichen,  dass  die 
Gesammtheit  der  zugehörigen  linearen  Substitutionen  durch  diejenigen 
ganzmhligen,  reellen  Substitutionen 

gegeben  ist,  deren  Determinante  {ad  —  ßy)  =  l  ist.  Es  seien  g^,  g^ 
die  Invarianten  einer  binären  biquadratischen  Form  F{x^,  x^)  (s.  §  11 
des  zweiten  Kapitels),  so  ist  bekanntlich  A  =  g^  —  27^3^  die  zuge- 
hörige Discriminante.    Man  setze  jetzt  das  in  Rede  stehende  Z  gleich 

q  3 
der    absoluten    Invariante   --  •    So  ist  das  z  (Z)  nichts  Anderes,  als  das 

VerJiältniss  zweier  primitiver  Perioden  des  elliptischen  Integrals: 

also  das  -jr-  der  Jacöbi' sehen  Bezeichnung  *). 

Es  ist  an  dieser  Stelle  unmöglich,  auf  die  verschiedenen  hiermit 
berührten  Beziehungen  genauer  einzugehen.  Nur  dieses  wollen  wir 
noch  hervorheben,  dass  vermöge  der  entwickelten  Auffassung  die  el- 
liptischen Modulfunctionen  genau  so,  wie  eben  die  Exponentialfünction 
und  der  Cosinus,  als  letztes  Glied  einer  Reihe  von  unendlich  vielen, 
analog  gebildeten  Functionen  erscheinen.  Man  setze  in  Formel  (18) 
v^  durchweg  gleich  2,  v^  gleich  3  und  lasse  nun  v^  von  2  beginnend 
alle  ganzzahligen  positiven  Werthe  durchlaufen.  Dann  hat  man  für 
v^  =  2   einen  Fall   des  Dieders  **)   (nur  dass  v^  >  v^   genommen  ist, 


*)  Man  sehe  Bedekind  in  Borchardt's  Journal  Bd.  83  (1877),  sowie  meinen  Auf- 
satz: lieber  die  Transformationen  der  elliptischen  Functionen  etc.  in  Bd.  14  der 
Mathem.  Annalen  (1878).  Wer  sich  eingehender  für  diese  Theorie  interessirt, 
möge  vor  allem  die  Abhandlung  von  Hrn.  Hurwitz  im  18.  Bande  der  Mathem. 
Annalen  (1881)  zu  Rathe  ziehen  {Grundlagen  einer  independenten  Theorie  der  el- 
liptischen Modulfunctionen  etc.). 

**)  Es  ist  derselbe  Fall,  auf  welchen,  wie  in  §  7  des  zweiten  Kapitels  er- 
wähnt, die  Berechnung  des  Doppelverhältnisses  von  4  Punkten  oder  auch  des  Mo- 


I,  5.     Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte.  131 

während  wir  sonst  gewöhnlich  die  v  nach  ihrer  Grösse  anordneten), 
für  1/3  =  3^  4,  5  der  Reihe  nach  Tetraeder,  Oktaeder,  Ikosaeder,  so- 
dann für  grössere  Werthe  von  1/3  eine  unendliche  Reihe  transcendenter 
Functionen,  deren  Ahschluss  für  1/3  =  00  die  elliptischen  Modulfunc- 
tionen  sind. 

§  7.   Auflösung  der  Tetraeder-,  Oktaeder-  und  Ikosaeder-Gleichung 
durch  elliptische  Modulfunctionen. 

So  kurz  die  vorstehenden  Andeutungen  sind,  so  genügen  sie  doch, 
um  verständlich  zu  machen,  warum  man  die  Gleichungen  des  Tetra- 
eders, Oktaeders,  Ikosaeders  (oder  auch  den  speciellen,  gerade  genannten 
Fall  der  Diedergleichung)  durch  elliptische  Modulfunctionen  lösen  kann. 
Gedenken  wir  zunächst  der  logarithmischen  Auflösung  der  binomischen 
Gleichung: 

oder  auch,  was  ganz  analog  ist,  der  trigonometrischen  Auflösung  der 
Diedergleichung : 

^«  -1_  ^r-"  =  —  4Z+2. 

Beide  Lösungen  lassen  sich  als  Grenzfall  einer  trivialen,  algebraischen 
Lösung  ansehen,  die  darin  besteht,  dass  man,  unter  m  eine  beliebige 
positive  ganze  Zahl  verstanden,  zuvörderst  ^  aus  der  Gleichung 

g«»  =  ^^   oder  2;""» -{- g-™»  =— 4Z+ 2 
berechnet  und  dann  0  einer  rationalen  Function  von  ^  gleich  findet: 

Die  transcendenten  Lösungen  erwachsen  hieraus,  indem  wir  m  =  00 
nehmen,  worauf  i;'""  in  der  eben  geschilderten  Weise  in  e^,  ^mn^^—mn 

in  2  cos  i^  übergeht,  und  0  ==  €"■   wird. 

Genau  dieselbe  Bewandtniss  hat  es  nun  mit  der  Darstellung  unserer 
Fundamental  -  Irrationalitäten  durch  elliptiscJie  Modulfunctionen.  Man 
überzeugt  sich  zunächst,  dass  eine  jede  der  Schwarz'schen  Functionen 
Vi,  v^,  V3  sich  durch  jede  andere  v/,  Vg',  V3'  dfcideutig  darstellen  lässt, 
deren  Exponenten  gan0zahlige  Midtipla  der  ursprünglichen  v^,v.2,v^  sind. 
Insbesondere  also,  wenn  wir  uns  auf  jene  Serie  von  Functionen  be- 
schränken, bei  denen  v^  =  2,  Vg  =  3  sind,  so  wird  zur  eindeutigen 
Darstellung  nur  die  Bedingung  erforderlich  sein,  dass  v.^  durch  v^ 
th eilbar  ist.  Dies  aber  ist  jedenfalls  der  Fall,  wenn  v^  =  00  ist. 
Alle  Functionen  unserer  Serie  lassen  sich  also  durch  die  elliptische  Mo- 


duls der  elliptischen  Functionen  führt,  und  der  andererseits  in  der  Folge  bei  der 
Auflösung  der  Gleichungen  dritten  Grades  zu  Grunde  gelegt  werden  wird. 

9* 


132  I,  ö.     Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte. 

dulfimdion  eindeutig  darstellen,  und  eben  dieses  ist,  was  man  als  Lösung 
der  betreffenden  Gleichungen  mit  Hülfe  der  elliptischen  Modulfunction  ie- 
gdchnet. 

Ich  theile  hier  ohne  Beweis  die  einfachsten  Formeln  mit,  welche 
sieh  in  dieser  Richtung  für  Tetraeder,  Oktaeder,  Ikosaeder  ergeben*). 
Wir  schreiben  die  dreierlei  Fundamentalgleichungen,  wie  immer,  in 
folgender  Weise: 


'o^ 


^^7      ^KL  =  7         ^'     =  7 

W^  '      lOS/"*  '      1728/'^ 

Sodann  sei  Z,  wie  eben,  die  absolute  Invariante  ~  eines  elliptischen  In- 

tegrals  erster  Gattung,  -^  dessen  Periodenverhältniss,   q  =  e     ^ 

Dann   haben   wir   zunächst    für   die  Wurzel   der   OJctaedergleichung  die 
einfache  Formel: 

(19)  0  =  q^ 


+  00  ' 

00 

dieselbe  entsteht  aus  der  bekannten  Gleichung: 


Yk 


■9-2  (o, «) 


^3  {o,  q)  ' 
indem  wir  statt  q  rechter  Hand  c^  eintragen**). 

Wir  finden  ferner  für  die  IJcosaeder- Irrationalität: 

/ctr\\  1        —cf>       .  2.  \      A  / 


*)  Vergl.  Bd.  14  der  Mathem.  Annalen  S.  157.  158,  sowie  den  Aufsatz  von 
Hrn.  Bianchi:  TJeher  die  Normalformen  dritter  und  fünfter  Stufe  des  elliptischen 
Integrals  erster  Gattung  und  meine  eigene  Note:  Ueher  gewisse  Theilwerthe  der 
0- Functionen  im  17.  Bande  ebenda  (1880 — 81). 

**)  Es  entspricht  dies  aer  Bemerkung,  die  wir  oben  (S.  44  des  Textes)  über 
gewisse  Untersuchungen  von  Abel  machten.  Um  den  in  dieser  Richtung  vorlie- 
genden Zusammenhang  völlig  zu  verstehen,  berechne  man  für  die  biquadratische 

q  ^ 
Form  (1 — x^)  (1  —  k^x^)  die  absolute  Invariante  ~- •     Man  erhält  dann: 

(1  -I-  14  fe»  -I-  ^3)3 

108^^(1—^)"  ' 

und  trägt  man  hier  für  Yk  den  Buchstaben  z  ein,  so  hat  man  genau  die  linke 
Seite  der  Oktaedergleichung.  —  Die  Bezeichnungen  &2,  •S's ,  sowie  fernerhin  &i , 
die  ich   im  Texte  verwende,  sind  die  bekannten  «7aco&i'schen. 


I,  5.     Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte.  133 

also  einen  Ausdruck,  der  mit 


1  +  2^ 
übereinstimmt,  sobald  wir  Terme  mit  q^^  vernachlässigen  dürfen. 

Die  Auflösung  der  Tetraedergleichung  gestaltet  sich  ein  wenig  com- 
plicirter.  Wir  werden  bei  ihr  das  bisher  gebrauchte  z  zuvörderst  durch 
eine  lineare  Function  von  0  ersetzen,  welche  in  einer  Ecke  von  W=0 
verschwindet,  in  der  gegenüberliegenden  Ecke  von  (P  =  0  unendlich 
wird.     In  diesem  Sinne  schreiben  wir: 

Für  das  so  definirte  |  haben  wir  dann  zunächst  die  Gleichung: 

(21a)  Z  =  ^  =  64    (^'-*)' 


und  des  Ferneren  die  transcendente  Lösung: 


(21b)-  ^  =  -6q 


S(-ir(2x  +  l)3'''^+''^ 


7  . 


2(-ir(6x+i)23''^+'= 


Wir  haben  hiermit  für  unsere  dreierlei  Gleichungen  je  eine  Wurzel 
bestimmt;    wir  erhalten  die  übrigen  zugehörigen  Wurzeln,    wenn  wir 

K' 

in  q  =  e  für  -^  die  unendlich  vielen  Werthe  substituiren : 

y-^  +  s 

wo  tt,  ß,  y,  d  reelle  ganze  Zahlen  von  der  Determinante  Eins  sind. 
Dabei  liefern  alle  solche  Werthsysteme  a,  ß,  y,  8,  welche  modulo  1/3  über- 
einstimmen, oder  durch  einen  gleichförmigen  Vorgeichenwechsel  zur  Ueber- 
einstimmung  gebracht  werden  können,  immer  dieselbe  Wurzel*). 

§  8.    Formel  zur  directen  Lösung  der  einfachsten  Resolvente 
sechsten  Grades  der  Ikosaedergleichung. 

Bei  der  principiellen  Bedeutung,  die  wir  der  Ikosaedergleichung 
beilegen,  interessirt  uns  unter  den  Formeln  (19)  —  (21)  natürlich  am 
meisten  die  zweite.  Wir  erwähnten  bereits,  dass  die  einfachste  Resol- 


*)  Vg  ist  beim  Tetraeder  =  3,  beim  Oktaeder  =  4,  beim  Ikosaeder  =5.  — 
Bei  der  besonderen  hierhergehörigen  Diedergleichvmg  würde  derselbe  Satz  für  v^ 
==  2  gelten.     Man  vergl.  wegen  derselben  Math.  Annalen  XIV,  p.  153.  156. 


134  I,  5.     Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte. 

vente  sechsten  Grades,  welche  die  Ikosaedergleichung  besitzt,  durch 
Hrn.  Kronecicer  in  directe  Beziehung  zur  Modulargleichung  sechster 
Ordnung  für  Transformation  fünfter  Ordnung  der  elliptischen  Func- 
tionen gesetzt  worden  ist  (siehe  §  15  des  vorigen  Kapitels).  Die  be- 
treffende Formel  ist  später  von  Hrn.  Kiepert  und  mir  durch  Einfüh- 
rung der  rationalen  Invarianten  wesentlich  vereinfacht  worden*).  Da 
bei  den  Untersuchungen  über  Gleichungen  fünften  Grades  gerade  auf 
diese  Formel  vielfach  Bezug  genommen  wird,  so  mag  sie  hier  unter 
Beiseitelassung  des  Beweises  und  mit  Anpassung  an  die  übrigens  ge- 
brauchten Bezeichnungen  ebenfalls  mitgetheilt  werden. 

Wir  haben  in  §  15  des  vorigen  Kapitels  (Formel  (46)  daselbst) 
der  erwähnten  Resolvente  die  folgende  Form  ertheilt: 

Es  seien  nun  g^ ,  ^  die  vorhin  schon  so  bezeichneten  Invarianten  eines 
elliptischen  Integrals  und  Z  =^  genommen.  Es  sei  ferner  z/  der- 
jenige Werth,  der  aus  ^  durch  irgend  eine  Transformation  fünfter 
Ordnung  hervorgeht.     Dann  ist  die   Wurzel  unserer  Resolvente  einfach: 

(22)  i  =  -  "'■^'^ 


Wollen  wir  hier   Alles  durch  K,  iK',   bez.  durch  q  ausdrücken  und 
hierdurch  zugleich  die  sechs  verschiedenen  Wurzeln  (22)  auseinander- 

12/ — 

halten,    so    haben    wir   zunächst   für  g.^    und    y^    die  Werthe   einzu- 
tragen: 

oo 

7^  =  {i)-<i*-Ui^-<f'f, 


(23) 


12J  , -r-r-r 

und  dann  für    y  ^'  resp.  folgende  sechs  Werthe  zu  setzen: 

oo 


(24) 


12/ — 


£2 

y.  = 

=  1 

oo 

-  f^j^" 

2x 

~YY 

*)  Vergl.  Bd.  XIV  der  Mathem.  Annalen  S.  147,  sowie  Bd.  XV  S.  86  (1878), 
des  Ferneren  Kiepert:  Auflösung  der  Gleichungen  5.  Grades  und:  Zur  Transfor- 
mationstheorie  der  elliptischen  Functionen  (Borchardt's  Journal  Bd.  87,  1878 — 79), 
endlich  die  soeben  genannte  Abhandlung  von  Hurwits. 


I,  5.     Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte.  135 

2  in 
WO  V  =  0,  1,  2,  3,  4  und  e  =  e  ^  zu  nehmen  ist.  Die  Indices  oo,  v 
sind  hier  genau  so  gewählt,  wie  in  §  15  des  vorigen  Kapitels.  Die 
Formel  (23)  können  wir  zugleich  benutzen,  um  die  Angaben  des  vo- 
rigen Paragraphen  zu  vervollständigen;  aus  ihnen  ergibt  sich  nämlich 
die  absolute  Invariante  des  elliptischen  Integrals  in  der  Form: 


(25) 


9,' 


(l  +  240  2  «' 


d  1728  g''  flo 


§  9.    Bedeutung  der  transoendenten  Lösungen. 

Die  Bedeutung  der  transcendenten  Lösungen,  welche  wir  nun 
haben  kennen  lernen,  ist  zuvörderst  eine  rein  praktische.  Logarithmen, 
trigonometrische  Functionen  und  elliptische  Modulfunctionen  sind  bei 
der  Wichtigkeit,  welche  sie  auch  anderweitig  in  der  Analysis  besitzen, 
längst  tabellirt.  Indem  wir  die  Auflösung  unserer  Gleichungen  auf 
die  genannten  transcendenten  Functionen  zurückführen,  machen  wir 
uns  diese  Tabellen  dienstbar  und  sparen  die  langwierige  Rechnung, 
welche  bei  Durchführung  der  in  Kap.  III  gegebenen  Methode  der  Lö- 
sung durch  hypergeometrische  Reihen  erforderlich  sein  würde*). 

Aber  es  gibt  eine  tiefere  Auffassung  der  transcendenten  Lösungen, 
durch  welche  die  letzteren  den  Charakter  der  Fremdartigkeit,  den  sie 
inmitten  unserer  sonstigen  Untersuchungen  zu  besitzen  scheinen,  ver- 
lieren, vielmehr  mit  denselben  auf  das  Engste  verbunden  werden. 

Betrachten  wir  etwa,  um  die  Ideen  zu  fixiren,  die  Auflösung  der 

Ikosaedergleichung,  wie  sie  durch  (20)  geliefert  wird.    So  oft  wir  ^- 

einer  der  unendlich  vielen  zugehörigen  linearen  ganzzahligen  Substi- 
tutionen unterwerfen,  erfährt  vermöge  dieser  Formel  das  z  eine  der 
60  linearen  Ikosaedersubstitutionen.     Es  erscheint  also  die  Grujype  der 

iK' 
Substiüitionen  vmt,  -^  isomorph  auf  die  Gricppe  der  60  Ikosaedersubstitu- 
tionen bezogen.     Der  Isomorphismus   ist  nur,    wenn  wir   uns   so  aus" 
drücken,  von  „unendlich  hoher"  Meriedrie:  der  einzelnen  Substitution  von 

iK' 

-gr-  entspricht  immer  eine  und  nur  eine  Substitution  von  z,  jeder  Sub- 


*)  Hier  macht  sich,  was  elliptische  Modulfunctionen  angeht,  der  Umstand 
störend  geltend,  dass  Legendre'a  Tabellen  zur  Berechnung  der  elliptischen  Inte- 
grale immer  noch  nicht  in  einer  Weise  umgesetzt  worden  sind,  die  der 
Weierstrass' sehen  Theorie  der  elliptischen  Functionen  entsprechen  würde. 


136  I,  5.     Allgemeine  Theoreme  und  Gesichtspunkte. 

stitution   von   z   aber   entsprechen   unendlich   viele   Subsitutionen   von 

iK'  .  . 

-j^ '     Man  erinnere  sich  nun  der  Betrachtungen  des  §  5.    Indem  wir 

uns  damals  auf  endliche  Gruppen  linearer  Substitutionen  beschränkten, 
verlangten  wir,  überhaupt  solche  Gleichungssysteme  (oder  Formenpro- 
bleme), die  sich  auf  isomorphe  Gruppen  beziehen,  mit  einander  in  Ver- 
bindung zu  bringen.  Wir  d^nen  dieses  Problem  jetzt  auf  unendliche 
Gruppen  linearer  Substitutionen  aus,  und  erkennen,  dass  unsere  trans- 
cendenten  Lösungen  specielle  Fälle  des  so  verallgemeinerten  Problemes  rea- 
lisiren.  Man  hat  diese  Lösungen  gewonnen,  indem  man  die  von  anderer 
Seite  entwickelten  Theorien  gewisser  transcend enter  Functionen  be- 
nutzte. Offenbar  ist  dies  ein  Verfahren,  welches  im  Zusammenhange 
mit  unseren  jetzigen  Betrachtungen  theoretisch  nicht  befriedigen  kann. 
Wir  verlangen  vielmehr  einen  allgemeinen  Ansatz,  vermöge  dessen  eben- 
sowohl die  in  §  5  geforderten  EntwicTcelungen  als  nun  unsere  transcen- 
denten  Lösungen  geliefert  werden.  Es  führen  so  unsere  üeberlegungen 
zu  einem  umfassenden  Probleme,  welches  ebensowohl  die  Theorie  der 
Gleichungen  höheren  Grades  als  das  Bildungsgesetz  der  'ö'- Function  in 
sich  begreifen  wird.  Indem  wir  dieses  Problem  in  Aussicht  nehmen, 
haben  wir  abermals,  wie  in  §  5,  die  Grenze  erreicht,  die  uns  bei  unserer 
jetzigen  Darstellung  gezogen  ist  und  die  wir  nicht  überschreiten  dürfen*). 


*)  Dabei  will  ich  indess  nicht  unterlassen,  auf  gewisse  Entwickelungen  von 
Hrn.  Poincare  (über  die  allgelneinen ,  vom  ihm  mit  Z  bezeichneten  Functionen) 
aufmerksam  zu  machen,  welche  sich  genau  in  dem  hiermit  gemeinten'  Sinne  be- 
wegen; siehe  Mathem.  Annalen  Bd.  19,  S.  562,  563  (1881). 

Ich  habe  ferner  hier  noch  folgende  Citate  nachzutragen,  die  sich  überein- 
stimmend auf  Arbeiten  beziehen,  in  denen,  mit  grösser  oder  geringerer  Vollstän- 
digkeit, die  in  unserm  I.  Abschnitte  dargestellten  Theorien  ebenfalls  im  Zusam- 
menhange behandelt  worden  sind:  1)  Puchta,  das  Oktaeder  und  die  Gleichung 
vierten  Grades,  Denkschriften  der  Wiener  Akademie,  math.-phys.  Kl,  Bd.  91  (1879). 
Man  wolle  diese  Arbeit  auch  im  folgenden  Abschnitte  überall  da  vergleichen,  wo 
von  der  Auflösung  der  Gleichungen  vierten  Grades  (vermittelst  der  Oktaederglei- 
chung) die  Rede  ist.  —  2)  Cayley,  on  the  Schwarzian  derivative  and  the  polyhedral 
functions,  Transactions  of  the  Cambridge  Philosophical  Society,  Bd.  13  (1880).  — 
Unter  „Schwarzian  derivative"  ist  dabei  der  Differentialausdruck  3.  Ordnung  ver- 
standen, den  wir  in  §  6  des  3.  Kap.  aufstellten.  —  3)  Wassilieff,  über  die  ratio- 
nalen Functionen,  welche  den  doppeltperiodischen  analog  sind,  Kasan  1880  (russ.). 
Hr.  Wassilieif  macht  dortselbst  die  interessante  Bemerkung,  dass  bereits  Ha- 
milton die  Gruppe  der  Ikosaederdrehungen  mit  Rücksicht  auf  ihre  Erzeugung  aus 
2  Operationen  in  Betracht  gezogen  hat  (Memorandum  respecting  a  new  system  of 
non  commutative  roots  of  unity;  Philosophical  Magazine  1856). 


Abschnitt  IL 
Theorie  der  Gtleichimgen  fünften  Grades. 


Kapitel  I. 

lieber  die  historische  Entwickelung  der  Lehre  von  deu  Grleichungen 

fünften  Grades. 

§  1.    Umgrenzung  unserer  nächsten  Aufgabe. 

Die  Betrachtungen  des  vorigen  Abschnitts  haben  uns  betreffs  der 
Auflösung  der  Gleichungen  fünften  Grades  ein  bestimmtes  Problem 
ergeben:  wir  wollten  versuchen,  diese  Auflösung  mit  Hülfe  des  Iko- 
saeders  zu  bewerkstelligen.  Nun  würde  es  nicht  schwierig  sein,  die 
Resultate,  welche  ich  in  dieser  Hinsicht  zu  entwickeln  habe,  als  solche 
an  die  Spitze  zu  stellen  und  in  deductiver  Form  abzuleiten.  Inzwi- 
schen ziehe  ich  vor,  mich  auch  hier  der  inductiven  Methode  zu  be- 
dienen und  zwar  in  der  Weise,  dass  ich  einerseits  auf  die  historisch 
gegebene  Entwickelung  der  Lehre  von  den  Gleichungen  fünften  Grades 
Bezug  nehme,  andererseits  in  ausgiebiger  Weise  von  geometrischen 
Constructionen  Gebrauch  mache.  Ich  hoffe  auf  solche  Weise  dem 
Leser  nicht  nur  die  Richtigkeit  bestimmter  Resultate,  sondern  auch 
den  inneren  Gedankengang  darzulegen,  der  zu  ihnen  geführt  hat. 

Dem  Gesagten  zufolge  muss  unsere  nächste  Aufgabe  jedenfalls 
die  sein,  uns  über  die  bisherigen  Arbeiten,  welche  die  Auflösung  der 
Gleichungen  fünften  Grades  betreffen,  soweit  diese  Arbeiten  im  Fol- 
genden benutzt  werden,  Kenntniss  und  Uebersicht  zu  verschaffen.  Ich 
werde  dabei  alle  solchen  Entwickelungeu,  auf  die  wir  nicht  unmittel- 
bar Bezug  nehmen  werden,  der  Kürze  halber  bei  Seite  lassen,  mögen 
dieselben  unter  allgemeineren  Gesichtspunkten  noch  so  wichtig  und 
wesentlich  erscheinen.  Es  gehören  dahin  vor  Allem  die  Beweise  von 
Buffini  und  Ähel,  vermöge  deren  dargethan  wird,  dass  eine  Lösung 
der  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades  durch  eine  endliche  Zahl 
von  Wurzelzeichen  unmöglich  ist,  und  die  parallellaufenden,  ebenfalls 
von  Abel  initiirten  Arbeiten,  in  denen  alle  speciellen  Gleichungen 
fünften  Grades  bestimmt  werden,  die  in  dieser  Hinsicht  von  den  all- 
gemeinen Gleichungen  abweichen.  Es  gehören  ferner  dahin  Hermite's 
und  BrioscMü  Bemühungen,  die  Invariantentheorie  der  binären  Formen 


140  II.  1-   Historische  Einleitung. 

fünfter  Ordnung  für  die  Auflösung  der  Gleichungen-  fünften  Grades 
zu  verwenden:  nicht  als  ob  in  der  Folge  die  Benutzung  invarianten- 
theoretischer Processe  überhaupt  vermieden  werden  sollte,  nur  dass 
sich  dieselben  bei  uns,  wie  schon  im  vorigen  Abschnitte,  durchweg  auf 
solche  Formen  beziehen,  die  durch  bestimmte  lineare  Substitutionen 
in  sich  übergehen,  nicht  aber  auf  binäre  Formen  der  fünften  Ordnung. 
Wir  lassen  endlich  die  Frage  nach  der  Realität  der  Wurzeln  der 
Gleichungen  fünften  Grades  bei  Seite,  insbesondere  also  die  aus- 
gedehnten Untersuchungen,  vermöge  deren  Sylvester  und  Her'müe  die 
Realität  der  Wurzeln  von  den  Invarianten  der  binären  Form  fünfter 
Ordnung  abhängig  gemacht  haben. 

Umgrenzen  wir  unsere  Aufgabe  in  der  hiermit  bezeichneten  Weise, 
so  bleiben  noch  zweierlei  Arbeitsrichtungen,  deren  wir  zu  gedenken 
haben.  Bei  ihnen  handelt  es  sich  gemeinsam  darum,  die  Wurzeln  der 
allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades  als  Functionen  der  Gleichungs- 
coefficienten  zu  studiren.  Beide  auch  gehen  darauf  aus,  die  betreffen- 
den Functionen  dadurch  zu  vereinfachen,  dass  statt  der  unabhängigen 
fünf  Gleichungscoefficienten  eine  geringere  Zahl  independenter  Grössen 
eingeführt  wird.  Nur  die  Mittel,  welche  zu  diesem  Zwecke  in  An- 
spruch genommen  werden,  sind  verschieden:  das  eine  Mal  ist  es  die 
Transformation  der  Gleichungen,  das  andere  Mal  die  Besolventenhildung. 

Die  Methode  der  Transformation  geht  bekanntlich  bis  auf  Tschirn- 
haus zurück*).     Sei 

(1)  x^  -f  Äx^- 1  -f  Bx""- 2-1 Mx-i-  N=0 

die  vorgelegte  Gleichung  n^^  Grades,  so  setzte  Tschirnhaus: 

(2)  y  =  cc  -\-  ßx  -\-  yx^  -}- ft  •  a;"-  ^, 

worauf  er  durch  Elimination  der  x  zwischen  (1)  und  (2)  eine  Gleichung 
für  y  ebenfalls  vom  w*®°  Grade  erhielt,  der  er  durch  geeignete  Annahme 
der  Coefficienten  a,  /3,  y,  •  •  •  irgend  welche  specielle  Eigenschaften  zu 
ertheilen  bemüht  war.  Wir  werden  sogleich  die  Resultate  bezeichnen, 
welche,  speciell  bei  den  Gleichungen  fünften  Grades,  durch  diesen  An- 
satz gefunden  worden  sind.  Constatiren  wir  hier  vorab,  dass  mit  den 
y  zusammen  auch  die  x  gefunden  sind,  so  lange  wenigstens  die 
Gleichung  für  die  «/,  wie  wir  dies  von  der  Gleichung  (1)  selbstver- 
ständlich voraussetzen,  verschiedene  Wurzeln  besitzt.  Denn  in  diesem 
Falle  haben  die  Gleichungen  (1)  und  (2)  [in  denen  wir  jetzt  das  y  als 


*)  Nova  methodus  auferendi  omnes  terminos  intermedios  ex  data  aequatione. 
Acta  eruditorum,  t.  II,  p.  204  ff.  (Leipzig,  1683).  —  Schon  aus  dem  Titel  geht  her- 
vor, dass  sich  Tschirnhaus  (wie  später  Jerrard)  über  die  Tragweite  seiner 
Methode  täuschte. 


II,  1.  Historische  Einleitung.  141 

bekannte  Grosse  betrachten]  nur  eine  Wurzel  x  gemein,  und  dieses 
X  kann  also  nach  bekannten  Methoden  rational  berechnet  werden. 

Auch  die  Methode  der  Resolventenbildung  ist  schon  vor  langer 
Zeit  zur  Auflösung  der  Gleichungen  fünften  Grades  in  Anspruch  ge- 
nommen worden.  Bezeichnend  in  dieser  Hinsicht  ist  das  Jahr  1771, 
in  welchem  unabhängig  von  eiuander  Lagrange,  Malfatti  und  Vander- 
monde  ihre  nahe  verwandten  Untersuchungen  veröffentlichten*).  In- 
zwischen dienten  die  Resultate,  welche  dieselben  erreichten;  mehr 
dazu,  die  bestehenden  Schwierigkeiten  zu  bezeichnen,  als  sie  zu  besei- 
tigen. Erst  Herrn  Kronecker  ist  es  1858  gelungen,  eine  Resolvente 
sechsten  Grades  der  Gleichungen  fünften  Grades  aufzustellen,  mit  der 
eine  wirkliche  Vereinfachung  gegeben  war**).  Wir  werden  uns  in 
unserem  weiteren  Berichte,  was  Resolventenbildung  angeht,  auf  die 
Darlegung  der  Kronecker' sehen  Methode  und  der  an  sie  anschliessen- 
den weiteren  Untersuchungen  zu  beschränl^en  haben. 

Die  zweierlei  Arbeitsrichtungen,  welche  wir  solchergestalt  ein- 
ander gegenüberstellten,  betreffen  für  sich  genommen  rein  algebraische 
Probleme.  Indessen  hat  es  die  Entwickelung  der  Analysis  so  mit 
sich  gebracht,  dass  beide  auf  das  Innigste  mit  der  weitergehenden 
Aufgabe:  die  Lösung  der  Gleichungen  mit  Hülfe  geeigneter  transcen- 
denter  Functionen  zu  bewerkstelligen,  verbunden  erscheinen.  Wir 
haben  im  letzten  Kapitel  des  vorigen  Abschnitts  gezeigt***),  dass 
eine  solche  Benutzung  transcendenter  Functionen  zuvörderst  nur 
praktischen  Werth  besitzt  und  mit  den  theoretischen  Untersuchungen 
der  Gleichungstheorie  nicht  untermischt  werden  soll.  Trotzdem  wer- 
den wir  in  unserem  folgenden  Berichte  nicht  unterlassen  dürfen,  der 
verschiedenen  Methoden  zu  gedenken,  vermöge  deren  man  die  Auf- 
lösung der  Gleichungen  fünften  Grades  speciell  mit  der  Theorie  der 
elliptischen  Functionen  in  Verbindung  gesetzt  hat.  Denn  es  sind,  wie 
schon  angedeutet,  gerade  diese  Methoden  gewesen,  vermöge  deren  man  zur 
schärferen  Erfassung  auch  der  rein  algebraischen  Probleme  gekommen  ist. 


*)  Lagrange:  Beflexions  sur  Ja  resölution  älgebrique  des  equations,  Memoires 
de  TAcademie  de  Berlin  für  1770 — 71,  oder  Oeuvres,  t.  III; 

Malfatti:  De  aequationibus  quadrato-cubicis  disquisitio  analytica,  Atti  dell» 
Accademia  dei  Fisiocritici  di  Siena,  1771  (sowie  auch:  Tentativo  per  la  riso- 
luzione  delle  equazioni  di  quinto  grado,  ebenda,  1772); 

Vandermonde:  Memoire  sur  la  resölution  des  equations,  Memoires  de  l'Aca- 
demie  de  Paris,  1771. 

**)  Vergl.  die  späteren  Citate. 
***)  Citate  auf  den  vorigen  Abschnitt  werde  ich  im  Folgenden  so  bezeichnen, 
dass  ich  der  römischen  Zahl  I  die  Nummer  des  Kapitels  als  arabische  Zahl  folgen 
lasse;  man  vergleiche  also  im  vorliegenden  Falle  I,  5,  §  7,  9. 


142  n,  1.    Historische  Einleitung. 

üebrigens  sei  noch  hervorgehoben,  dass  zwischen  den  zweierlei 
Arbeitsrichtungen,  die  wir  unterschieden,  kein  eigentlich  principieller 
Gegensatz  besteht.  Gelingt  es,  eine  vorgegebene  Gleichung  n^^  Grades 
durch  Transformation  in  eine  andere  zu  verwandeln,  welche  nur  eine 
geringe  Zahl  von  Parametern  enthält,  so  können  wir  hinterher  von 
letzterer  Resolventen  ableiten  und  diese  als  besonders  einfache  Resol- 
venten der  ursprünglichen  Gleichung  betrachten;  oder  umgekehrt: 
sind  wir  durch  irgend  welche  Methoden  in  den  Besitz  einer  ausge- 
zeichneten Resolvente  der  anfänglichen  Gleichung  gekommen,  so  können 
wir  von  ihr  durch  erneute  Resolventenbildung  zu  einer  Gleichung 
n^^  Grades  zurückgehen,  welch'  letztere  dann  sich  auch  direct  durch 
Transformation  aus  der  vorgegebenen  Gleichung  wird  arbeiten  lassen 

§  2.     Elementares  über  TschirnliaTis- Transformation. 
Die  Bring'sche  Form. 

Um  die  Gleichung  n^^  Grades  zu  berechnen,  der  die  y  der 
Formel  (2)  genügen,  ist  es  am  bequemsten,  die  Coefficienten  derselben 
direct  als  symmetrische  Functionen  der  .y  aus  den  symmetrischen 
Functionen  der  x  zusammenzusetzen.  Man  erkennt  auf  solche  Weise 
sofort:  Der  Coefficient  von  y'^~^-  ist  eine  ganze,  homogene  Function  %^^ 
Grades  der  unbestimmten  Grössen  a,  ß,  y,  •  -  •  •  v.  Hiernach  haben  wir 
eine  lineare  Gleichung  mit  w  Unbekannten  zu  lösen,  wenn  wir  aus  der 
transformirten  Gleichung  den  Term  mit  y'^~^  fortschaffen  wollen,  es 
tritt  eine  quadratische  Gleichung  derselben  Art  hinzu,  wenn  auch  noch 
der  Term  mit  y'^~^  verschwinden  soll.  Wir  befriedigen  beide  Glei- 
chungen zusammen,  indem  wir  n  —  2  der  Unbekannten  als  Parameter 
betrachten  und  eine  der  übrigen  unter  Elimination  der  letzten  Unbe- 
kannten durch  eine  quadratische  Gleichung  bestimmen.  Ich  werde 
eine  Gleichung,  in  welcher  die  Terme  mit  2/" "~  S  y^~^  fehlen,  weiter- 
hin als  Hauptgleichung  bezeichnen.  Die  Tschirnhaustransformation  ge- 
stattet uns  also,  mit  Hülfe  einer  blossen  Quadratwurzel  jede  Gleichung 
auf  eine  Hauptgleichung  zu  reduciren.  —  Dagegen  stossen  wir  sofort 
auf  Schwierigkeiten,  wenn  wir  das  Verschwinden  noch  weiterer  Terme 
in  der  Gleichung  der  y  verlangen.  In  der  That  kommen  wir  dann 
zu  Eliminationsgleichungen  höheren  Grades,  die  wir  mit  elementaren 
Mitteln  nicht  weiter  zu  behandeln  wissen.  Hier  ist  es  nun,  wo  eine 
tiefer  gehende  Untersuchung  ein  wichtiges,  für  unsere  folgende  Dar- 
stellung fundamentales  Ergebniss  zu  Tage  gefördert  hat.  Die  in 
Rede  stehende  Eliminationsgleichung  wird  vom  sechsten  Grade,  wenn 
wir  das  simultane  Verschwinden  der  Terme  mit  y'^~^,  y^'~^j  yn*-^ 
verlangen:  es  Jiat  sich  gezeigt,  dass  vermöge  zwechnässiger  Annahme  der 


II,  1.^  Historische  Einleitung.  143 

Transformationscoefßcienten  für  w  >  4  besagte  Gleichung  sechsten  Grades 
durch  Auflösung  quadratischer  Gleichungen  auf  eine  Gleichung  dritten 
Grades  zurückgebracht  werden  kann. 

Man  schreibt  das  hiermit  bezeichnete  Resultat  gewöhnlich  dem 
englischen  Mathematiker  Jerrard  zu,  welcher  dasselbe  im  zweiten 
Theile  seiner  Mathematical  Researches  (Bristol  und  London,  1834, 
Longman)  bekannt  machte.  Allein  dasselbe  ist,  soweit  Gleichungen 
fünften  Grades  in  Betracht  kommen,  sehr  viel  älteren  Datums.  Wie 
Hill  1861  in  den  Verhandlungen  der  schwedischen  Akademie  bemerkte, 
ist  dasselbe  bereits  1786  von  E.  S.  Bring  in  einer  der  Universität 
Lund  unterbreiteten  Promotionsschrift  publicirt  worden*).  Ich  würde 
trotzdem  im  Folgenden  an  der  zur  Zeit  allgemein  verbreiteten,  auf  Jerrard 
bezüglichen  Bezeichnungsweise  festgehalten  haben,  wenn  nicht  Jerrard 
in  seinen  hierher  gehörigen  Schriften  neben  einigen  interessanten  Re- 
sultaten eine  Menge  durchaus  falscher  Speculationen  gebracht  hätte: 
er  hat  geglaubt  (genau  wie  dies  Tschirnhaus  that),  mit  Hülfe  seines 
Ansatzes  nicht  nur  aus  den  Gleichungen  fünften  Grades,  sondern  aus 
Gleichungen  beliebigen  Grades  durch  elementare  Processe  überhaupt 
alle  intermediären  Terme  wegschaffen  zu  können  und  hat  diese  An- 
sicht trotz  eingehender  Widerlegung  von  anderer  Seite  nicht  fallen 
lassen**).  Ich  werde  ^daher  im  Folgenden  von  der  Bringt  sehen  Glei- 
chung sprechen.  Schreiben  wir  die  Hauptgleichung  fünften  Grades, 
wie  es  fortan  geschehen  soll,  in  folgender  Form: 
(3) f  +  6ay'  +  6ly  +  c  =  0, 

*)  Der  volle  Titel  lautet:  Meletemata  quaedam  mathematica  circa  transfor- 
mationem  aequationum  algebraicarum ,  quae  praeside  E.  S.  Bring  ....  modeste 
subjicit  S.  G.  Sommelius.  —  Man  könnte,  diesem  Titel  zufolge,  vielleicht  veran- 
lasst sein,  Sommelius  für  den  Verfasser  zu  halten,  aber  ich  erfahre  durch  Hrn. 
ßäcklund  in  Lund,  dass  dies  jedenfalls  unzutreffend  sein  würde,  indem  die  Pro- 
motionsschriften damals  durchgängig  von  den  Vorsitzenden  des  Examens  verfasst 
wurden  und  den  Examinanden  nur  als  Substrat  der  Disputation  dienten.  —  Die 
Hanptstellen  der  Bring'schen  Schrift  finden  sich  wieder  abgedruckt  in  der  bereits 
genannten  Mittheilung  von  Hill  an  die  schwedische  Akademie,  dann  weiter  im 
Quarterly  Journal  of  Mathematics,  t.  VI,  1863  {Harley,  a  contribution  to  the 
history  etc.),  endlich  in  Grunerfs  Archiv  t.  XLI  (1864),  pag.  105—112  (zusammen 
mit  Bemerkungen  des  Herausgebers). 

**)  Jerrard's  weitere  Publicationen  finden  sich  hauptsächlich  im  Philoso- 
phical  Magazine:  t.  7  (1835),  t.  26  (1845),  t,  28  (1846),  ,t.  3  (neue  Serie, 
1852),  t.  23,  24,  26  (1862,  63)  etc.  und  sind  also  der  Mehrzahl  nach  später  als 
der  ebenso  durchsichtige,  wie  massvolle  Bericht,  den  Hamilton  1836  der  British 
Association  for  the  Advancement  of  Science  über  Jerrard's  Arbeiten  erstattet  hat 
(Reports  of  the  British  Association,  t.  6,  Bristol).  Weiterhin  sind  Cockle  und 
Gayley  den  Behauptungen  Jerrard's  wiederholt  entgegengetreten  (Philosophical 
Magazine,  t.  17—24,  1859  —  1862). 


144  n,  1.    Historische  Einleitung. 

SO  wird  es  zweckmässig  sein,  auch  bei  der  Bring'schen  Form  an  dem 
Coefficienten  5  festzuhalten.  Indem  wir  zugleich,  der  Unterscheidung 
halber,  s  statt  y  substituiren,  haben  wir: 

(4)  z^  -\-bhz-{-c  =  0. 

Die  Bring'sche  Gleichung  enthält,  wie  man  sieht,  zunächst  noch 
zwei  Coefficienten.  Inzwischen  können  wir  einen  derselben  sofort  weg- 
schaffen, indem  wir  z  =  gt  setzen  und  nun  q  passend  bestimmen. 
Man  kann  also  durch  geeignete  Tschirnhaustransformation  erreichen, 
dass  die  fünf  Wurzeln  der  Gleichung  fünften  Grades  nur  noch  von  einer 
einzigen  variabelen  Grösse  abhängig  erscJieinen.  Dies  Resultat  ist  darum 
ausserordentlich  wichtig,  weil  wir  die  Functionen  eines  einzelnen  Argu- 
ments sehr  viel  vollständiger  beherrschen,  als  diejenigen  einer  grösseren 
Zahl  von  Veränderlichen.  Schreiben  wir  (4)  z.  B.  folgendermassen  (wie 
es  Hermite  in  seinen  sogleich  zu  nennenden  Untersuchungen  gethan  hat): 

(5)  ■  t^  —  t  —  A  =  Q, 

so  ist  es  sehr  leicht,  einerseits  die  Abhängigkeit  der  fünf  Wurzeln  t 
von  A  durch  Riemann'sche  Methoden  anschaulich  zu  machen,  anderer- 
seits für  beliebige  Werthe  von  A  geeignete  Fotenzentwickelungen  auf- 
zustellen, welche  die  fünf  Wurzeln  t  mit  beliebiger  Annäherung  be- 
rechnen lassen. 

Haben  wir  so  das  Besultat  von  Bring  kennen  gelernt,  so  mögen 
wir  ein  näheres  Eingehen  auf  dessen  Begründung,  sowie  eine  Kritik 
seiner  Bedeutung,  bis  später  verschieben,  wo  wir  im  Zusammenhange 
mit  unseren  eigenen  Entwickelungen  wiederholten  Anlass  dazu  haben. 
Auch  unterlasse  ich,  die  zahlreichen  Bearbeitungen  alle  aufzuzählen, 
welche  die  Untersuchungen  von  Bring,  bez.  Jerrard,  im  Laufe  der 
Jahre  gefunden  haben.  Eine  der  ersten  Darstellungen  des  Verfahrens, 
welche  zugleich  die  verbreitetste  geworden  ist,  dürfte  diejenige  in 
Serret's  Traite  d'algebre  superieure  sein  (1.  ed.  1849).  Auch  Hermite 
hat  sich  mit'  der  Bring'schen  Transformation  beschäftigt*),  wobei  aber, 
wie  schon  angedeutet,  der  Schwerpunkt  in  der  Verwendung  der  Inva- 
rianten der  binären  Form  fünfter  Ordnung  liegt ;  wir  müssen  hervorheben, 
dass  Hermite  die  bei  der  Transformation  nöthig  werdenden  Irrationalitäten 
sehr  viel  ausführlicher  bestimmt  hat,  als  sonst  zu  geschehen  pflegt. 

§  3.    Angaben,  elliptische  Functionen  betreffend. 
Die  speciellen  Fragen  aus  der  Theorie  der  elliptischen  Functionen, 
über  die   wir  uns  jetzt  unterrichten  müssen,   liegen  auf  dem  Gebiete 

*)  In  der  wiederholt  zu  nennenden  zusammenfassenden  Abhandlung:  Sur 
Vequaiion  du  cinquieme  degre,  Comptes  Eendus  t.  61 ,  62  (1865,  66),  vergl.  insbe- 
sondere t.  61  pag.  877,  965,  1073,  t.  62  pag.  65. 


n,  1.    Historische  Einleitung.  145 

der  TransformationstJieorie.  Es  sei,  in  gewöhnlicher  Bezeichnungsweise, 
X  der  Modul  eines  elliptischen  Integrals: 

^^^  J  Vl-x^l  —  ^^x*' 

X  der  Modul,  welcher  bei  Transformation  w*®''  Ordnung  resultirt,  wo 

n  eine  ungerade  Primzahl  bedeuten  soll.    Dann  besteht  nach  Jacohi*), 

4  —  4  — 

bez.  SohnJce**),  zwischen  y  x  =  u  und  yX  =  v  eine  Gleichung  (n  -\-  1)**° 
Grades  in  jeder  dieser  Grössen,  die  sogenannte  Modulargleichung : 

(6)  f{u,v)^0, 
welche  z.  B.  für  n  =  b  folgendermassen  lautet: 

(7)  w«  —  v«  +  buH''  {u^  —  v^)  +  4mv  (1  -  u^v^)  =  0. 

_     K' 

Hier  lässt  sich  u  in  verschiedener  Weise  durch  q  =  e  "^  aus- 
drücken, z.  B.  folgendermassen: 

(8)  u^Y2-i».^^—, 

wir  erhalten  die  (w  -}-  1)  Werthe  von  v,  welche  die  Modulargleichung 

1 
befriedigen,    indem   wir    in    diese    Formel    statt   q^    der    Reihe    nach 
eintragen: 

(y)  8  8rt  8n  n  — 1     8n 

2  «7t 

wo  a  =  e  "  .  Die  Modulargleichung  gibt  uns  also  das  Beispiel  einer 
Gleichung  mit  einem  Parameter,  welche  durch  elliptische  Modulfuncfionen 
gelöst  werden  kann***).  Der  Parameter  ist  u:  aus  ihm  finden  wir 
das  zugehörige  q,  indem  wir  entweder  Formel  (8)  umkehren,  oder  aus 
(5)  die  Grössen  K,  K!  berechnen: 

00)  ^-}\.-J\--;y^^'   ^'  =  iVf 


äx 


1  — x'^a;»  ' 

0 

wo  x'^  ==  1  —  x^.    Die  (n  -f-  1)  Wurzeln  v  erhalten  wir  dann  vermöge 
der  Substitutionen  (9). 

Wir  fragen  jetzt,  ob   es  nicht  gelingt,  durch  Vermittelung  der 


*)  Fundamenta  nova  theoriae  functionum  ellipticarum  (1829). 
**)  Aequationes  modtüares  pro  transformatione  functionum  ellipticarum  (Crelle's 
Journal  t.  12,  1834). 

***)  Andere  Beispiele  haben  wir  schon  oben,  I,  5.  §  7,  8,  kennen  gelernt;  da 
wir  aber  hier  die  historische  Entwickelung  der  Theorie  zu  schildern  haben,  so 
bleiben  dieselben  bis  auf  Weiteres  ausser  Betracht. 

Klein,  Oleichungen  5.  Grades.  10 


146  II,  1.    Historische  Einleitung. 

Modulargleichung  die  Lösung  auch  anderer  Gleichungen  zu  bewerk- 
stelligen. Zu  dem  Zwecke  werden  wir  —  den  Erläuterungen  zufolge, 
die  wir  in  I,  4  gegeben  haben  —  vor  allen  Dingen  die  Gruppe  der 
Modulargleichung  bestimmen  müssen.  Dies  ist,  was  Galois  selbst 
schon  ausgeführt  hat*).  Den  Substitutionen  (9)  entsprechend  bezeich- 
net Galois  die  Wurzeln  der  Modulargleichung  durch  folgende  Indices: 

(11)  Vco,    Vo,    V^, V„_i. 

Sieht  man  sodann  von  blos  numerischen  Irrationalitäten  ab**),  so 
ist  die  Gruppe  der  Modulargleichung  von  denjenigen  Vertauschungen 
der  Vy  gebildet,  welche  in  folgender  Formel  enthalten  sind: 

(12)  ^'  =  ?^mod.(«), 

die  wir  in  speciellen  Fällen  bereits  früher  betrachtet  haben  (I,  4, 
§  15;  I,  5,  §  7).  Die  Coefficienten  a,  ß,  y,  d  sind  dabei  übrigens  be- 
liebige ganze  Zahlen,  welche  der  Bedingung  [ad  —  ßy)  nn  1  (mod.  n) 
genügen. 

Wir  specialisiren  dies  Resultat  für  n  =  5.  Die  Gruppe  (12)  wird 
dann,  wie  wir  früher  sahen,  mit  der  Gruppe  der  GO  Ikosaederdrehungen, 
d.  h.,  abstracter  ausgedrückt,  mii  der  Gruppe  der  geraden  Vertauschungen 
von  fünf  Dingen,  holoedrisch  isomorph.  Wir  schliessen  daraus,  dass 
die  Modulargleichung  (7)  Resolventen  fünften  Grades  besitzt,  deren 
Discriminante  nach  Adjunction  einer  numerischen  Irrationalität  (nach 
Hermite  der  ]/5)  das  Quadrat  einer  rationalen  Grösse  ist.  Wird  es 
möglich  sein,  die  allgemeine  Gleichung  fünften  Grades  nach  Adjunction 
der  Quadratwurzel  aus  ihrer  Discriminante  mit  einer  solchen  Resol- 
vente durch  Tschirnhaustransformation  in  Verbindung  zu  setzen?  Oder 
werden  wir  umgekehrt  nach  Adjunction  der  Quadratwurzel  aus  der 
Discriminante  eine  Resolvente  sechsten  Grades  der  allgemeinen  Glei- 
chung fünften  Grades  aufstellen  können,  welche  aus  der  Modular- 
gleichung (7)  durch  geeignete  Transformation  hervorgeht?  Dies  sind 
genau  die  zweierlei  Ansätze  zur  Lösung  der  Gleichungen  fünften 
Grades  durch  elliptische  Functionen,  welche  von  Hermite  und  Kro- 
necker beziehungsweise  aufgegriffen  und  durchgeführt  worden  sind. 
Ehe  wir  auf  die  Besprechung  ihrer  Resultate  eingehen,  haben  wir 
aus  der  Theorie  der  elliptischen  Functionen  noch  Wesentliches  nach- 
zutragen. 

*)  Man  sehe  Oeuvres  de  Galois,  Liouville's  Journal  t.  XI  (1846). 
**)  Nach   den  Untersuchungen  von  Hermite  ist  die  einzige  hier  in  Betracht 


lität    K  (—  1)    2     -n; 


kommende    numerische    Irrationalität    r    ( —  1)  •  n;  vgl.  die  Darstellung  bei 

C.  Jordan,  Traite  des  substitiitions  et  des  equations  algebriques,  pag.  344  ff. 


II,  1.    Historische  Einleitung.  147 

Wir  erwähnten  gerade  den  Gedanken,  die  Modulargleiehung  selbst 
einer  Tschirnhaustransformation  zu  unterwerfen.  Dies  ist  in  gewisser 
Form  bereits  von  Jaeobi  geschehen,  indem  er  neben  die  eigentlich 
sogenannte  Modulargleiehung  (6)  eine  Reihe  anderer  Gleichungen 
(n  +  1/^"^  Grades  stellte,  welche  dieselbe  ersetzen  können.  Es  kann 
hier  nicht  meine  Absicht  sein,  eine  rationelle  und  umfassende  Theorie 
der  unendlich  vielen  dabei  in  Betracht  kommenden  Gleichungen  mitzu- 
theilen*).  Wir  müssen  einzig  eines  besonders  wichtigen  Resultates 
gedenken,  welches  Jaeobi  bereits  1829  in  seinen  Notices  sur  les 
fonctions  elliptiques  aufgestellt  hat**).  Jaeobi  betrachtet  dort  statt  der 
Modulargleiehung  die  sogenannte  MultipUcatorgleichtmg  sowie  andere  mit 
derselben  äquivalente  Gleichungen,  und  findet,  dass  deren  (n  -\-  1)  Wur- 
zeln sich  in  einfacher  Weise  mit  Hülfe  hlos  numerischer  Irrationalitäten 

aus  — Y —  Bestandtheilen  zusammensetzen.    Man  hat  nämlich,  wenn  man 

diese  Bestandtheile  mit  Aq,  Aj,  •  •  •  A„_i   bezeichnet  und  übrigens  für 

die  Wurzeln  z  der  in  Betracht  kommenden  Gleichung  die  von  Galois 
herrührenden  Indices  anwendet,  bei  geeigneter  Fixirung  der  linker 
Hand  auftretenden  Quadratwurzeln: 


^~z^  =  y  ( —  1)  '^  •  w  •  A„, 

(13)         {      ^  {"^^\ 


2in 

für  V  =  0,  1,  •  '  •  {n  —  1)  und  £  =  e  "  ,   so  dass  also  zwischen  den 
Yz  folgende  Relationen  statt  haben: 

/" 


(14)  { 


\^y^  =y  (—1)  '  •  n .  yjz, 

V 

^s-^'-'-Vz.  =0, 


wo  N  jeden  beliebigen  der  — - — ,   modulo  n  vorhandenen  Nichtreste 

bedeuten  soll, 

Jaeobi  hat  selbst  die  besondere  Bedeutung  seines  Resultates  her- 
vorgehoben, indem  er  seiner  kurzen  Mittheilung  hinzusetzte:  C'est  un 


*)  Man  vergl.  hierzu,  was  Modulargleichungen  im  engeren  Sinne  angeht, 
meine  Entwickelungen:  Zur  Theorie  der  elliptischen  Modul functionen  in  Bd.  XVJI 
der  Math.  Annalen  (1879). 

**)  Crelle's  Journal  Bd.  III,  pag.  308,  oder  Werke,  t.  I,  pag.  2G1. 

10* 


148  II,  1.    Historische  Einleitung. 

theoreme  des  plus  importants  dans  la  theorie  algebrique  de  la  trans- 
formation  et  de  la  division  des  fonctions  elliptiques.  Unser  weiterer 
Bericht  wird  zeigen,  wie  richtig  diese  Bemerkung  gewesen  ist.  In 
den   Händen    von    Kronecker   und    JBrioschi   haben    die   Formeln  (13), 

(14)  eine  allgemeine  Bedeutung  für  die  Algebra  gewonnen,  indem  "sich 
die  genannten  Forscher  entschlossen,  Jacohi'sche  Gleichungen  {n  -f-  1)**° 
Grades,  d.  h.  also  Gleichungen,  deren  (n  -\-  1)  Wurzeln  den  aufge- 
stellten Relationen  genügen,  auch  unabhängig  von  ihrem  Zusammen- 
hange mit  der  Theorie  der  elliptischen  Functionen  in  Betracht  zu 
ziehen*).  Insbesondere  aber  ruht  auf  der  Existenz  der  Jacobi'schen 
Gleichungen  sechsten  Grades  (welche  w  =  5  entsprechen)  die  Kro- 
necker'sche  Theorie  der  Gleichungen  fünften  Grades,  wie  wir  dies  bald 
auszuführen  haben  werden. 

§  4.  Ueber  Hermite's  Arbeit  von  1858. 
Wir  haben  jetzt  alle  Vorbedingungen,  um  Hermite's  erste  hier- 
hergehörige Arbeit,  die  vielgenannte  Abhandlung  vom  April  1858**), 
zu  verstehen.  Schon  frühe  hatte  sich  Hermite,  wie  andererseits  Betti, 
mit  dem  Beweise  der  Galois'schen  Angaben,  betreffend  die  Gruppe  der 
Modulargleichung,  beschäftigt.  Aber  es  galt,  was  den  Fall  n  =  b  be- 
traf, jene  ßesolvente  fünften  Grades,  welche  die  Modulargleichung  (7) 
besitzen  sollte,  in  einfachster  Form  wirklich  zu  bilden.  Dies  ist,  was 
Hermite  jetzt  erreichte,  indem  er 

(15)  y=(vo.  —  Vo)    («^1  —  ^4)    (^2  —  ^3) 

setzte  und  folgende  zugehörige  Gleichung  fünften  Grades  fand: 

(16)  y-'  —  2*  •  53 .  w*  (1  —  u^f  .  i/  -  2«  y5^'  ■  u^  (1  -  u^  (1  +  u^)  =  0***). 
Hier  haben  wir  genau  die  Bring'sche  Form,  welche  wir  oben  kennen 
lernten,  und  in  der  That  ist  es  leicht,  eine  beliebige  Bring^sche  Glei- 
chung mit  1^16)  durch  zweckmässige  Annahme  von  u  zu  identificiren. 
Es  genügt,  auf  die  vereinfachte  Form  zurückzugreifen,  die  wir  unter 
(5)  mittheilten: 

______  t^  —  t—Ä==0. 

*)  Ich  "folge  in  Bezeichnung  und  Benennung,  wie  ich  dies  in  meinen  früheren 
Publicationen  that,  durchweg  den  Vorschlägen  von  Hi-n.  Brioschi.  Hr.  Kronecker 
weicht  namentlich  insofern  ab,  als  er  s  ==  p  schreibt  und  also  Gleichungen 
(2  n  -\-  S)**^"  Grades  für  f  erhält,  wobei  dann  zwischen  den  Grössen  f  den  Formeln 
(14)  entsprechend  lineare  Identitäten  bestehen.  Ich  verkenne  nicht,  dass  diese 
Schreibweise  mancherlei  Vorzüge  besitzt. 

**)  Comptes  Rendus  t.  46:  Sur  la  resolution  de  Vequation  du  cinquieme  degre. 
***)  Wegen  des  Beweises  vergl.  etwa  Briot-Bouquet,   TMorie  des  fonctions 
elliptiques  (Paris  1875),  p.  654  ff. 


II,  1,    Historische  Einleitung.  149 

Wir  reduciren  (16)  auf  diese  Form,  indem  wir 

(17)  y=2}/^-U'  ]/l  — w« .  t 

nehmen,  der  Coefficient  A  wird  dann  folgendem  Ausdrucke  gleich: 

(18)  17= ^—r=A, 

und  hier  bestimmen  wir  u  aus  Ä  um  so  leichter,  als  wir  es  mit 
Bezug  auf  u  mit  einer  reciproken  Gleichung  zu  thun  haben.  Hiernach 
ist  durch  die  Formeln  von  Hermite  die  Auflösung  einer  beliebigen  Bring- 
schen  Gleichung  und  damit  indirect  die  Auflösung  der  allgemeinen  Glei- 
chung fünften  Grades  mit  Hülfe  elliptischer  Functionen  geleistet. 

Hermite's  Arbeit  hat,  wie  aus  diesem  kurzen  Bericht  hervorgeht, 
in  keiner  Weise  Beziehung  zur  algebraischen  Theorie  der  Gleichungen 
fünften  Grades.  Vielmehr  bewegt  sie  sich  durchweg  auf  dem  Gebiete 
der  elliptischen  Modulfunctionen,  wie  denn  auch  durch  sie  die  Reihe  wei- 
terer Untersuchungen,  welche  Hermite  über  die  Theorie  der  Modular- 
gleichungen  veröffentlicht  hat,  initiirt  worden  ist.  Hierin  liegt  be- 
gründet, dass  Hermite's  Auflösung  der  Gleichungen  fünften  Grades  in 
unserer  folgenden  Darstellung  immer  nur  beiläufig  in  Betracht  kommen 
wird:  denn  der  Gebrauch  der  elliptischen  Functionen  erscheint  bei 
der  Auffassung,  die  wir  weiterhin  festzuhalten  haben,  durchaus  als 
secundär.  Dies  würde  natürlich  sofort  anders  werden,  wenn  wir  den 
allgemeinen  Ideen,  die  wir  im  Schlussparagraphen  des  vorigen  Ab- 
schnitts formulirten,  ausführlich  Rechnung  tragen  wollten,  was  spä- 
teren Darstellungen  vorbehalten  bleiben  muss. 

Mit  Hermite's  erster  Arbeit  zusammen  erwähnen  wir  zweck- 
mässigerweise zwei  Mittheilungen  von  Brioschi  und  Joubert,  welche 
beide  die  Resolvente  fünften  Grades  für  die  Multiplicatorgleichung 
sechsten  Grades  (also  eine  specielle  Jacobi'sche  Gleichung  sechsten 
Grades)  berechnen  und  dadurch  ebenfalls  die  Gleichung  (16)  gewinnen*). 
Auch  Hr.  Kronecker  hatte  sich,  wie  er  Hermite  mittheilt**),  ur- 
sprünglich mit  derartigen  Resolventenbildungen  beschäftigt. 

§  5.   Die  Jacobi'schen  Gleichungen  sechsten  Grades. 
Im  weiteren  Fortschritte  unseres  Berichtes  gedenken  wir  jetzt  zu- 
nächst der  Untersuchungen,  welche  die  Herren  Brioschi  und  Kronecker 

*)  Brioschi:  Sulla  risoluzione  delle  equazioni  di  quinto  grado  (Annali  di 
Matematica,  ser.  I,  t.  1,  Juni  1858),  Joubert  in  einer  Mittheilung  von  Hermite  im 
46.  Bande  der  Comptes  Rendus  {Sur  la  resolution  de  l'equation  du  quatrieme  degre, 
April  1858).  Man  sehe  auch  Joubert:  Note  sur  la  resolution  de  Tequation  du  cin- 
quieme  degre  in  der  Comptes  Rendus,  t.  48  (1859). 

**)  Brief  an  Hermite  vom  Juni  1858,  siehe  Comptes  Rendus  t.  46. 


150  11^  1-    Historische  Einleitung. 

über  die  Jacobi'schen  Gleichungen  sechsten  Grades  angestellt  haben*). 
Bemerken  wir  vorab  das  Folgende.  Wo  immer  zwei  Forscher,  gleich- 
zeitig und  auf  einander  Bezug  nehmend,  über  denselben  Gegenstand 
gearbeitet  haben,  ist  es  schwierig  zu  sondern,  was  zuerst  von  dem 
einen,  was  von  dem  anderen  gefunden  sein  mag.  Das  chronologi- 
sche Verfahren,  welches  auf  das  Datum  der  einzelnen  Publicationen 
zurückgeht,  ist  gewiss  nicht  immer  zutreffend;  aber  es  ist  schliesslich 
das  einzige,  welches  mit  einiger  Sicherheit  gehandhabt  werden  kann* 
In  diesem  Sinne  soll  dasselbe  nunmehr  zu  Grunde  gelegt  werden.  Ich 
beginne  mit  Besprechung  der  Arbeiten,  welche  Herr  Brioschi  im  ersten 
Bande  der  Annali  di  Matematica  (Serie  I,  1858)  publicirt  hat. 

Nachdem  Herr  Brioschi  daselbst  zunächst  die  Angaben  Jacobi's 
bewiesen**),  beschäftigt  er  sich  mit  der  wirklichen  Aufstellung  der 
allgemeinen  Jacobi'schen  Gleichung  sechsten  Grades.  Sein  Resultat 
ist  das  folgende***).  Es  seien  Aq,  A^,  Ag  die  drei  Grössen,  welche 
n  =  ö  entsprechend  in  (13)  auftreten;  es  sei  ferner: 

^  =  Aq   -f-  A^  A2 , 

B  =  8Ao*A, A2  -  2Ao^A,2A,^  +  A/A^^  -  Ao(A/  +  A/), 
(19)  I C  =  320Ao^A;^A2'  -  leOA/Ai^A/  +  20 Ao^Ai^Aa'  +  ÖA^^A/ 
-  4Ao(A,5  +  A/)  (32 Ao-^  -  20Ao^A,A,  +  oA.^A,^) 

Dann  wird  die  allgemeine  Jacdbi'sche  Gleichung  sechsten  Grades  nach- 
stehende sein: 

{20){z-Af-A.A{z—Af  +  lOB{z-AY—C{z-A)-{-{bB^—AC)=0. 
Brioschi  sucht   ferner   eine  möglichst  einfache  Resolvente  fünften 
Grades  dieser  Gleichung  zu  bilden  und  setzt  zu  diesem   Zwecke  zu- 
nächstf),  dem  Vorgange  von  Hermite  folgend: 

(21)  y  =  {z^  —  z^)  (^^  _  z^  (^2  —  ^3), 

bemerkt  dann  aber,  an  einen  Brief  von  Hermite  anknüpfend,  dass  be- 
reits die  Quadratwurzel  aus  diesem  Ausdrucke  in  den  A  rational  ist 
und  zu  einer  Gleichung  fünften  Grades  Anlass  gibt  ff).  Sei  x  diese 
Quadratwurzel,  so  findet  Brioschi  für  die  fünf  Werthe,  deren  x  fähig 
ist,  die  folgenden  Formeln: 

*)  Man  vergl.  die  Darstellung  dieser  Verhältnisse  durch  Hermite  in  dessen 
bereits    genannter    Abhandlung:    Sur    l'equation   du    cinquieme   degre,    Comptes 
Rendus,  insbesondere  t.  62  (1866,  1)  p.  245—247. 
**)  pag.  175  1.  c.  (Mai  1858). 
***)  pag.  256  1.  c.  (Juni  1858). 
t)  Ebenda, 
tt)  pag.  326  1,  c.  (Sept.  1858). 


II,  1.    Historische  Einleitung.  151 

(22)  x.  =  -s^  A,  (4 Ao^  -  A,  A,)  +  f^"  (2AoA,^  -  A/) 

+  s'^  (-  2AoA2^  +  \')  +  .^^  A,  (4Ao^  -  A^A,), 
als  zugehörige  Gleichung  fünften  Grades  aber  die  nachstehende: 

(23)  x'  +  lOBx^  +  5  (9^2  -  AC)  x  -  |A^=  0, 

wo  n  die  Discriminante  der  Jacobi'schen  Gleichung  (20)  ist*). 

Die  MultiplicatorgleicJmng  sechsten  Grades  der  elliptischen  Functionen 
(auf  welche  Jacobi's  Bemerkung  zunächst  Bezug  nahm)  ist  in  (20) 
natürlich  als  besonderer  Fall  enthalten.  Brioschi  findet**),  dass  die- 
selbe im  Wesentlichen  durch  die  Bedingung  B  =  0  charakterisirt  ist, 
worauf  (23)  eine  Bring'sche  Gleichung  wird.  Herrn  Kronecker  gebührt 
das  Verdienst,  ziAerst  auf  den  Fall  A  =  0  seine  Aufmerksamkeit  gerichtet 
und  auch  dessen  Lösung  durch  elliptische  Functionen  bewerkstelligt  zu 
hohen.  Wir  brauchen  seine  anfänglichen  Formeln,  wie  er  dieselben 
in  seinem  Briefe  an  Hermite  angibt***),  und  wie  Brioschi  dieselben 
sodann  in  der  sogleich  noch  ausführlicher  zu  besprechenden  Abhand- 
lung im  ersten  Bande  der  Atti  des  Istituto  Lombardof)  bewiesen 
hat,  hier  nicht  ausführlich  mitzuth eilen.  Denn  sie  vereinfachen  sich 
beträchtlich,  wenn  man  statt  des  Moduls  k  (den  Hr.  Kronecker  ge- 
brauchte) die  rationalen  Invarianten  des  elliptischen  Integrals:  g2,  ffs,  ^ 
einführt,  und  in  dieser  vereinfachten  Form  haben  wir  die  betreffenden 
Auflösungsformeln  schon  oben  kennen  gelernt  (I,  5,  §  8).  In  der  That 
ist  die  Jacobi'sche  Gleichung  sechsten  Grades  mit  A  =  0  nichts  Anderes, 
als  jene  einfachste  Besolvente  sechsten  Grades,  welche  wir  I,  4,  §  15  heim 
Ikosaeder  aufgestellt  haben,  wir  haben  nur 

(24)  Ao  ■=  ^1^2,  Ai  =  ^l^  A,  =  —  z.,^ 
und  entsprechend 

(25)  B=-f,C=-H 

zu  setzen.    Zugleich  verwandelt  sich  für  A  =  0  die  Resolvente  fünften 
Grades  (23)  in  folgende 

(26)  a;5  _j_  iQjß^s  _|.  45^2^  _  y^  _  q^ 

was  mit  Formel  (27)   von  I,  4,  §  11  übereinstimmt.     Wir  erwähnen 


*)  Ich  habe  entgegen  der  ursprünglichen  Formel  von  Brioschi  die  Zahlen- 
coefficienten  hier  so  angegeben,  wie  dies  später  Joubert  gethan  hat  {Sur  Vequation 
du  sixieme  degre,  Comptes  Rendus  t.  64,  1867). 
**)  1.  c.  p.  175,  256. 
***)  Comptes  Rendus  t.  46  (Juni  1858). 
t)  Sul  metodo  di  Kronecker  per  Ja  risoluzione  deJle  equazioni  di  quinto  grado 
(Nov    1858). 


152  11^  !•    Historische  Einleitung. 

diese  Beziehungen    nur    erst   beiläufig,  um  später  ausführlich  darauf 
zurückzukommen. 

Es  erübrigt,  was  Jacobi'sche  Gleichungen  sechsten  (oder  auch  be- 
liebigen) Grades  angeht,  noch  einer  letzten  Untersuchungsrichtung  zu 
gedenken,  welche  Hr.  Kronecker  in  seinen  „algebraischen  Mittheilungen" 
vom  Jahre  1861  zuerst  in  Angriff  genommen  hat*),  und  die  dann  von 
Hrn.  Brioschi  insbesondere  im  ersten  Bande  der  zweiten  Serie  der 
Annali  di  Matematica  (1867)**)  des  Weiteren  verfolgt  worden  ist.  Es 
handelt  sich  darum,  aus  einer  Jacobi'schen  Gleichung  durch  Tschirn- 
haustransformation neue  zu  bilden.  Herr  Kronecker  bemerkt,  dass 
dies  in  doppelter  Weise  möglich  ist,  indem  die  Wurzeln  Z«,  Zy  der 
transformirten  Gleichung  (welche  den  0oo,  Zv  der  ursprünglichen  Gleichung 
entsprechen)  entweder  genau  den  Formeln  (13),  (14)  genügen  (wobei 
man  e  beliebig  durch  s^  ersetzen  kann,  unter  B  einen  quadratischen 
Rest  von  n  verstanden;  es  bedeutet  das  nur  eine  Umordnung  der 
Wurzeln)  oder  aber  den  anderen^  die  aus  (13),  (14)  hervorgehen^  indem 
man  s  durch  s^  ersetzt,  wo  N  einen  beliebigen  Nichtrest  modulo  n  be- 
zeichnen soll.     Sei  n,  wie  wir  jetzt  annehmen  wollen,   gleich  5;   dann 

kann  man  im  ersten  Falle  ]/Z  beispielsweise  gleich    J^,  oder  gleich 
^-    setzen; 'der    allgemeinste  hier  in  Betracht  kommende   Ausdruck 

von  ]/Z    entsteht,  indem  wir  ]/^  und  die   genannten  beiden  Grössen 
mit  beliebigen  constanten  Factoren  multiplicirt  zusammenfügen; 

(27)  i/z=A.Vi  +  ^4'^  +  .4^. 

Den  zweiten  Fall  erledigen  wir,  indem  wir  uns  zunächst  für  denselben 
ein  specielles  Beispiel  bilden,  welches  etwa  durch: 

(28)  ^  =  74-.+  "" 


A    '    55*  -  AG 

geliefert  wird:  hernach  behandeln  wir  die  diesem  Beispiele  entspre- 
chende Jacobi'sche  Gleichung  genau  nach  Formel  (27).  Wir  werden 
später  ausführlicher  auf  das  Princip  dieser  Umformungen  zurück- 
kommen. Einstweilen  finde  nur  noch  folgende  Bemerkung  ihre  Stelle. 
Wenn  wir  für  das  j/Z  der  Formel  (27)  den  Ausdruck  A  berechnen, 
so  wird  derselbe  eine  ganze  homogene  Function  zweiten  Grades  der 
A,  ft,  V.    Wir  können  dieselbe  zu  Null  machen,  indem  wir  z.  B.  v  ==  0 


*)  Monatsberichte  der  Berliner  Akademie. 
**)  La  soluzione  piü  generale  delle  equazioni  del  5.  grado.  —  Man  sehe  auch: 
Sopra  alcune  nuove  relazioni  modulari  in  den  Atti  della  E.  Accademia  di  Napoli 
von  1866. 


II,  1.    Historische  Einleitung.  153 

setzen  und  X :  fi  durch  die  resultirende  quadratische  Gleichung  be- 
stimmen. Wir  können  also  durch  blosse  Ausziehung  einer  Quadratwurzel 
die  allgemeine  JacoMsche  Gleichung  sechsten  Grades  in  eine  solche  mit 
Ä  ==  0  verwandeln. 

Herr  Brioschi  hat  später  seine  hier  berührten  Untersuchungen, 
wie  auch  die  weiteren,  sogleich  zu  besprechenden,  die  sich  speciell 
auf  die  Theorie  der  Gleichungen  fünften  Grades  beziehen,  im  13.  Bande 
der  mathematischen  Annalen  zusammengefasst*),  was  um  so  willkomme- 
ner sein  muss,  als  seine  ursprünglichen  mannigfach  zerstreuten  Publi- 
cationen  vielen  Mathematikern  nur  schwierig  zugänglich  sein  dürften. 
Auch  Herr  KronecTcer  ist  später  noch  einmal  auf  die  Theorie  der  all- 
gemeinen Jacobi'schen  Gleichungen  zurückgekommen**),  doch  liegen 
die  dort  von  ihm  behandelten  Fragen  jenseits  der  Grenzen,  welche 
uns  bei  der  gegenwärtigen  Darstellung  vorgeschrieben  sind. 

§  6.     Die  Kronecker'sche  Methode   zur  Auflösung  der  Gleichungen 

fünften  Grades. 

Indem  wir  die  Theorie  der  Jacobi'schen  Gleichungen  sechsten 
Grades  vorausschickten,  können  wir  jetzt  mit  Leichtigkeit  das  Wesen 
jener  Auflösungsmethode  bezeichnen,  welche  Herr  KronecJcer  in  seinem 
wiederholt  citirten  Briefe  an  Hermite  (Comptes  Rendus  t.  46,  Juni 
1858)  für  die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades  entwickelt  hat. 
Die  Jacobi'schen  Gleichungen  sechsten  Grades  sind  auf  das  Engste  mit 
der  Theorie  der  elliptischen  Functionen  verknüpft,  aber  sie  repräsen- 
tiren  auch,  wie  wir  bereits  bemerkten,  und  zwar  gerade  vermöge  der 
Formeln  (13),  (14),  für  sich  genommen  einen  merkwürdig  einfachen 
Typus  algebraischer  Irrationalitäten.  Herrn  Kronecker's  eigentliche  Ent- 
deckung ist  nun  diese:  dass  man  aus  der  allgemeinen  Gleichung  fünften 
Grades  nach  Ädjunction  der  Quadratwurzel  aus  der  Discriminante  rationale 
Besolvmten  sechsten  Grades  aufstellen  kann,  welche  Jacohi'sche  Gleichungen 
sind.  Daran  schliesst  sich  die  weitere  Bemerkung,  die  wir  schon  so- 
eben vorbereiteten:  dass  man  mit  Hülfe  nur  einer  zutretenden  Quadrat- 
wurzel die  betreffende  Jacobi'sche  Gleichung  in  eine  solche  mit  A  =  0 
verwandeln  kann,  also  in  eine  Normalform  mit  nur  einem  wesentlicJien 
Parameter***),  die  sich  durch  elliptische  Functionen  erledigen  lässt. 

In  Herrn  Kronecker's  ursprünglicher  Mittheilung  sind  die  beiden 
hiermit   getrennten  Punkte   allerdings  nicht  deutlich  geschieden:   Herr 

*)  Ueher  die  Auflösung  der  Gleichungen  fünften  Grades  (1878). 
**)  Monatsbericlite  der  Berliner  Akademie  vom  Jahre  1879:   Zur  Theorie  der 
algebraischen  Gleichungen. 

***)  Man  reducirt  hier  wieder  auf  nur  einen  Parameter,  indem  man  z  =  Qt 
setzt  und  q  zweckmässig  bestimmt. 


154  II,  1.    Historische  Einleitung. 

Krouecker  beschränkt  sich  darauf,  die  folgende  rationale  Function  der 
fünf  Wurzeln  einer  Gleichung  fünften  Grades  mitzutheilen: 
(29)  f{v,  Xq,  x^,  x^,  x^,  x^ 

m  =  4:  n  ^  4 

"^    '^    •     2nn  ^        2  2  _L  3  \ 


in  welcher  er  v  derart  bestimmt  denkt,  dass  Up  ==  0  wird,  um  dann 
zu  bemerken,  dass  die  verschiedenen  f,  welche  aus  (29)  durch  gerade 
Vertauschungen  der  x  entstehen,  einer  Gleichung  zwölften  Grades  der 
folgenden  Form  genügen: 

(30)  f^—\0(p'f-^b^^  =  ii}-f, 

die  mit  Hülfe  elliptischer  Functionen  gelöst  werden  kann.  Hier  ist 
(30),  sofern  wir  f^  =  z  setzen,  die  Jacobi'sche  Gleichung  mit  A  =  0, 
und  es  entspricht  das  Verschwinden  von  A  dem  Verschwinden  von  2p. 
Es  ist  Herrn  BrioscM's  Verdienst,  die  inneren  Gedanken  der 
Kronecker'schen  Methode  in  durchsichtiger  und  zugleich  verallgemei- 
nerter Form  dem  mathematischen  Publikum  zugänglich  gemacht  zu 
haben  und  zwar  in  der  soeben  schon  genannten  Abhandlung:  Sul 
metodo  di  Kronecker  etc.  im  ersten  Bande  der  Atti  des  Istituto 
Lombardo  (Nov.  1858).  Wir  recurriren  hier  nicht  noch  einmal  auf 
die  Beiträge,  welche  Brioschi  daselbst  zur  allgemeinen  Lehre  von 
den  Jacobi'schen  Gleichungen  sechsten  Grades  gegeben  hat.  Was  uns 
hier  interessirt  ist  dies,  dass  er  ein  allgemeines  Bildungsgesetz  für  die 
Wurzeln  z  aufstellt,  von  welchem  in  Formel  (29)  ein  specieller  Fall  vor- 
liegt    Es  sei 

(olj  ^("^o;  ''^if  *^2>  *^3;  "^iJ 

eine  rationale  Function  der  fünf  x,  welche  bei  der  cyclischen  Ver- 
tauschung: 

I /y»       /y*       'y       /y*       'V    1 
\."*'0    -^l    "^2    •*'3    '^'4/' 

ungeändert  bleibt,  es  sei  ferner: 

(32)  V  ^v  (xq,  x^,  Xs,  x^,  Xi). 
Brioschi  setzt  dann 

(33)  ,  V  —  V  ==  Uk 

und  leitet  aus  dieser  Function  fünf  neue  Functionen  Uq,  %,  %,  %,  u^ 
ab,  indem  er  die  x  zuvörderst  der  Substitution  xj  =  x^,  x^  =  x^, 
x^  =  Xi ,  x^  =  x^,  xl  =  x^  unterwirft  und  dann  die  schon  genannte 
cyclische  Vertauschung  in  Anwendung  bringt.  Alsdann  erweisen  sich 
folgende  Ausdrücke  allgemein  als  Wurzeln  einer  Jacobi'schen  Gleichung 
sechsten  Grades,  die  hei  allen  geraden  Vertauschungen  der  x  ungeändert 
bleibt  und   daher   rationale  Functionen   der  Coefßcienten   der   Gleichung 


II,  1.    Historische  Einleitung. 


155 


(34) 


fünften  Grades  und  der  Quadratwurzel  aus  ihrer  Discriminante  m  Coeffi- 
cienten  besitzt : 

Zco  =  {u^  yS  +  «0  +  ^h  +  %  +  %  +  '^if, 

00  =   (u^    +  «0  1/5   —  Ml  +  ^2  +  ^3  —  «*4)^ 

01  =    (Ua=    —  Mo  +  **1  V^  —  ^2   +  «3   +  «4)^ 

;22  =  (wa>  +  wq  —  t«i  +  U2  Vö  —  W3  +  i^y, 

%     =   (Moo    +  Uq  +  t<i   —  «2  +  U3  1/5   —  mJ^, 
^4    =   (m«   —  Mo  +  Wi  +  %  —  *^3  +  W4  1/5  )^. 

Diese  Formeln   werden  noch   übersichtlicher,    wenn  wir  die   Bestand- 
theile  \,  A^,  Ag  angeben,  aus  denen  sich  die  j/^  in  Uebereinstimmung 
mit  (13)  zusammensetzen.     Der  Vergleich  liefert  einfach: 
A^  |/5  ==  Ucc  ]/5  +  Mo  +  «1  +  «2  -h  ^h  +  *<4; 

—  Ai  |/5  ==  Mo  -f-  £^Mi  -{-  £^M2  +  £^«3  +  eU^, 


(35) 


A2  ]/5  =  Mq  +  ^^1  +  ^^**2  +  ^^%  +  ^''^4; 


wo  £  ==  e  ^  ,  ]/5  =£  +  £*  —  «^  —  £^.  Die  Formeln  (29)  sind,  wie 
bereits  angedeutet,  in  (34)  als  specieller  Fall  einbegriffen;  Herr 
Kronecker  hat  dabei  die  Functionen  v  oder  u,  die  er  benutzte,  von 
vornherein  mit  einem  linear  vorkommenden  Parameter  v  ausgestattet, 
um  der  zutretenden  Bedingung  Ä  =  0  genügen  zu  können.  Herr 
Brioschi  gibt  für  einen  anderen,  mit  den  Invarianten  der  binären 
Form  fünfter  Ordnung  zusammenhängenden  Fall  die  volle  Berechnung 
der  Schlussgleichung  sechsten  Grades. 

Wir  haben  soeben,  unter  (23),  Brioschi's  einfache  Resolvente 
fünften  Grades  der  Jacobi'schen  Gleichung  sechsten  Grades  kennen 
gelernt.  Indem  wir  jetzt  die  Jacobi'sche  Gleichung  sechsten  Grades 
ihrerseits  als  Resolvente  der  allgemeinen  Gleichung  fünften  Grades 
betrachten,  erkennen  wir  die  Möglichkeit,  die  allgemeine  Gleichung 
fünften  Grades  durch  eine  TschirnJiaustransformation,  deren  Coefficienten 
nach  Ädjunction  der  Quadratwur0el  aus  der  Discriminante  der  vorge- 
legten Gleichung  rational  sind,  in  eine  Gleichung  (23)  uber0ufiihren,  d.  h. 
in  eine  Gleichung,  in  welcher  die  vierte  und  die  zweite  Poten0  der  Unbe- 
Jcannten  fehlen*).  Insbesondere  können  wir,  wenn  wir  noch  die  Kronecker- 
sche  Hülfsgieichung  für  v  hinzunehmen,  in  dieser  Gleichung  A  =  0 
machen  und  so  die  Form  (26)  erzielen,  welche,  ähnlich  wie  die  Bring'sche 

*)  Die  Ausdrncksweise  des  Textes  setzt  bereits  voraus,  was  wir  sogleich  über 
die  Bationalität  von   1/  -Tg-  bemerken  werden. 


156  n,  1.    Historische  Einleitung. 

Form,  nur  noch  einen  wesentlichen  Parameter  enthält.  Hermite,  und 
nach  ihm  wieder  Brioschi,  haben  sich  ausführlich  damit  beschäftigt,  die 
betrefifende  Tschirnhaustransformation  in  expliciter  Form  herzustellen. 
Wir  würden  genauer  auf  diese  Arbeiten  eingehen  müssen,  wenn 
selbige  nicht  wesentlich  von  der  wiederholt  genannten  Forderung  be- 
herrscht wären,  die  Invarianten  der  binären  Form  fünfter  Ordnung 
zur  Geltung  zu  bringen.  So  also  sei  hier  nur  kurz  verwiesen:  zu- 
nächst auf  die  elegante  Mittheilung  Hermite's  an  Borchardt  im 
59.  Bande  des  Journals  für  Mathematik  (1861),  sodann  auf  dessen 
wiederholt  genannte  ausführliche  Abhandlung  Sur  l'equation  du  cin- 
quieme  degre,  deren  zweite  Hälfte  (Comptes  Rendus  t.  62  [1866]  pag. 
715,  919,  959,  1054,  1161)  der  genauen  Durchführung  sämmtlicher 
bei  der  Kronecker'schen  Methode  nothwendig  scheinender  Rechnungen 
gewidmet  ist,  endlich  ajif  eine  Reihe  von  Bemerkungen,  welche  dann 
wieder  Herr  Brioschi  den  Hermite'schen  Entwickelungen  hinzugefügt 
hat  (Comptes  Rendus  t.  63  [1866,  2],  t.  73  [1871,  2],  t.  80  [1875,  1])*). 

§  7.     Ueber  Kronecker 's  Arbeit  von  1861. 

Hatte  Herr  Kronecker  in  der  ersten  Mittheilung  an  Hermite  seine 
Methode  zur  Auflösung  der  Gleichungen  fünften  Grades  nur  beiläufig 
und  sozusagen  an  einem  Beispiele  demonstrirt,  so  ist  er  später  (1861) 
ausführlicher  auf  Wesen  und  Frincipien  derselben  eingegangen**). 
Wir  müssen  hierüber  an  dieser  Stelle  um  so  ausführlicher  berichten, 
als  die  betreffenden  Ueberlegungen  unserer  eigenen  Entwickelungen 
im  Folgenden  vielfach  zu  Grunde  liegen,  andererseits  Herr  Kronecker 
nur  eine  ausserordentlich  knappe  Darstellung  gegeben  und  dabei  alle 
Beweise  bei  Seite  gelassen  hat. 

Zunächst:  Herr  Kronecker  unterscheidet  ausdrücklich  zwischen  dem 
transcendenten  und  dem  algebraischen  Theile  der  Lösung.  Der  letztere, 
eigentlich  wichtige,  besteht  in  dem  Inbegriff  aller  derjenigen  alge- 
braischen Operationen,  die  nothwendig  sind,  um  die  allgemeine  Glei- 
chung fünften  Grades  durch  eine  möglichst  einfach  gewählte  Normal- 
gleichung zu  ersetzen;  wie  man  die  Wurzeln  dieser  letzteren  gegebenen 
Falles  berechnen  will,  durch  convergente  unendliche  Frocesse  oder 
durch  empirische  Tabellen  etc.  etc.,  ist  eine  Frage  für  sich,  welche 
nicht    weiter    berührt    wird.     Sonach  kommen  jetzt  die  Jacobi'schen 

*)  Man  vergl.  auch  M.  Böberts  im  ersten  Bande  der  2.  Serie  der  Annali  di 
Matematica  (1867):  Note  sur  les  equations  du  cinquieme  degre. 

**)  Nämlich  in  der  bereits  genannten  Mittheilung  in  den  Berliner  Monats- 
berichten, aus  welcher  sodann  derjenige  Theil,  der  sich  auf  Gleichungen  fünften 
Grades  bezieht,   im  59.  Bande  von  Borchardt's  Journal  wieder  abgedruckt  wurde. 


II,  1.    Historische  Einleitung.  157 

Gleichungen  sechsten  Grades  für  Herrn  Kronecker  nur  vermöge  ihrer 
algebraischen  Eigenthümlichkeiten,  nicht  aber  vermöge  ihres  Zusammen- 
hangs mit  den  elliptischen  Functionen  in  Betracht. 

Sodann :  Hr.  Kronecker  bemerkt,  dass  man  bei  den  Irrationalitäten, 
welche  zum  Zwecke  der  Reduction  algebraischer  Gleichungen  einge- 
führt werden,  eine  wesentliche  Unterscheidung  machen  muss.  Die 
Irrationalitäten  der  ersten  Art,  —  man  könnte  sie  die  natürlicJien 
nennen  — ,  sind  diejenigen,  welche  von  den  zu  bestimmenden  Wurzeln 
X  rational  abhängen,  also  dieselben,  die  wir  im  vierten  Kapitel  des 
vorigen  Abschnitts  als  Wurzeln  „rationaler"  Resolventen  bezeichnet 
haben.  Daneben  stellen  sich  andere,  die  man  accessorisch  nennen 
könnte,  weil  sie  irrationale  Functionen  der  x  sind.  Solche  accesso- 
rische  Irrationalitäten  brauchen  nicht  etwa  complicirter  zu  sein,  als 
die  natürlichen,  es  kann  sich  bei  ihnen  z.  B.  um  die  Quadratwurzel 
aus  einem  Coefficienten  der  vorgelegten  Gleichung  handeln.  So  ist 
es  bei  den  Ausdrücken  (29),  die  wir  eben  betrachteten:  dieselben 
bezeichnen  an  sich  natürliche  Irrationalitäten,  welche  aber  accesso- 
risch werden,  wenn  man  das  v  in  der  erwähnten  Weise  mit  Hülfe 
einer  quadratischen  Gleichung  bestimmt. 

Dieser  Unterscheidung  entsprechend  fragt  sich  Hr.  Kronecker  des 
Weiteren,  bis  zu  welchem  Punkte  man  bei  der  Auflösung  der  Glei- 
chungen fünften  Grades  mit  der  Specification  der  allgemeinen  Jacobi- 
schen Gleichung  gehen  kann,  sofern  man  sich  das  Gesetz  auferlegt, 
nur  natürliche  Irrationalitäten  bÄiutzen  zu  wollen.  Die  Jacobi'sche 
Gleichung  sechsten  Grades  enthält  zuvörderst  drei  Parameter:  eben 
die  drei  von  uns  mit  A,  B,  C  bezeichneten  Grössen.  Hr.  Kronecker 
bemerkt,  dass  man  durch  geeignete  Abäuderung  seiner  Methode,  ohne 
aus  dem  Kreise  der  natürlichen  Irrationalitäten  herauszutreten,  diese 
Parameter  durch  nur  zwei  a,  b  ersetzen  könne.  Dagegen  sei  es,  be- 
hauptet er,  unmöglich,  ohne  Zuhülfenahme  accessorischer  Irrationalitäten 
atis  der  allgemeinen  Gleichung  fünften  Grades  eine  JacoMsche  Gleichung 
mit  nur  einem  Parameter  oder  überhaupt  eine  Resolvente  mit  nur  einem 
Parameter  hermstellen. 

Was  die  erste  dieser  beiden  Angaben  betrifft,  so  können  wir  uns 
über  dieselbe  gleich  hier  Rechenschaft  geben.  Wir  werden  nämlich 
im  vierten  Kapitel  des  Folgenden  zeigen,  dass  neben  den  Aus- 
drücken zweiten,  sechsten  und  zehnten  Grades  in  Aq,  Aj,  A2,  die  wir 
A,  B,  C  nannten,  auch  noch  ein  Ausdruck  fünfzehnten  Grades,  D, 
rational  bekannt  ist,  dessen  Quadrat  eine  ganze  Function  der  A,  B,  C 
ist.  Dieses  D  ist  uns  als  vierte  Wurzel  aus  der  durch  b^  dividirten 
Discriminante   der  Jacobi'schen  Gleichung  bereits   in   dem   constanten 


158  11,  1.   Historische  Einleitung. 

Gliede  von  (23)  entgegengetreten.    Man  ersetze  nun  in  der  Resolvente 
der  Gleichung   fünften  Grades    die  Ausdrücke  A^,  A,,  Ag  (35)  durch 
A  •^'    A  -A^     A  •  A'' 
°j    ,    '  j    ,  ~^if~ '  ^'  ^'  du^^^  ihnen  proportionale  Functionen   der 

nullten  Dimension.     So  treten  an  Stelle  von  A,  B,  C,  D  beziehungs- 

A^^     A'^^  •  B     A''"  •  G     A^^^ 
weise  -^,       -^^     ,  —jjtö-}   ^tt'     Hier    können    wir    für   D^    überall 

die  ihm  gleiche  ganze  Function  der  Ä,  B,  C  substituiren.  Dann  hängen 
die  neuen  Ä,  B,  C,  D  in  der  That  nur  von  zwei  Parametern  ab, 
nämlich  den  Quotienten  nullter  Dimension: 

(36)  ^  =  :i^'   ^^~A^> 

womit  der  verlangte  Beweis  erbracht  ist. 

Der  Beweis  der  zweiten  Behauptung  ist  wesentlich  schwieriger, 
und  müssen  wir  denselben  bis  zum  Schlüsse  unserer  Gesammtdar- 
stellung  vertagen.  Er  erscheint  dort  als  Folge  von  Eigenschaften  der 
Ikosaedersubstitutionen,  die  wir  früher  hervorgehoben  haben,  und  er- 
gibt sich  aus  denselben  so  naturgemäss,  dass  durch  sie  der  eigentliche 
Grund  des  in  Rede  stehenden  Satzes  aufgedeckt  erscheint. 

Ich  komme  zur  Conclusion  der  Kronecker'schen  Arbeit.  Herr 
Kronecker  macht  darauf  aufmerksam,  dass  bei  solchen  algebraischen 
Gleichungen,  welche  sich  durch  Wurzelzeichen  lösen  lassen,  und  zwar 
auf  Grund  der  ursprünglichen  J.&erschen  Entwickelungen,  die  accesso- 
rischen  Irrationalitäten  überhaupt  ^vermieden  werden  können.  Hier- 
nach postulirt  er  das  Gleiche  für  die  Auflösung  der  höheren  Gleichungen: 
er  will  deren  Reduction  jeweils  nur  his  zu  dem  Punkte  geführt  sehen,  bis 
zu  welchem  der  Gebrauch  der  natürlichen  Irrationalitäten  überhaupt 
hinanreicht.  Dann  ist  also  der  letzte  Schritt  der  ursprünglichen  Kro- 
necker'chen  Methode,  wie  wir  denselben  soeben  kennen  lernten:  die 
Reduction  auf  eine  Gleichung  mit  A  =  0,  zu  verwerfen.  Vielmehr 
hat  sich  die  Theorie  darauf  zu  beschränken,  die  Gleichungen  fünften 
Grades  (in  der  eben  angedeuteten  Weise)  mit  Jacobi'schen  Gleichungen, 
die  zwei  Parameter  enthalten,  in  Verbindung  zu  setzen,  die  verschie- 
denen Arten  der  hier  möglichen  Reduction  zu  untersuchen,  endlich 
zuzusehen,  wie  sich  nun  umgekehrt  die  Wurzeln  der  Gleichung  fünften 
Grades  durch  die  Wurzeln  der  genannten  Jacobi'schen  Gleichung  sechsten 
Grades  darstellen*). 

*)  Ich  möchte  hier  auf  den  Schlussparagraphen  von  I,  5  erneut  aufmerksam 
machen.  Sind  die  dort  gegebenen  Anschauungen  richtig,  so  kann  man  die  Be- 
nutzung der  elliptischen  Functionen  als  Einführung  accessorischer  Irrationalitäten 
unendlich  hoher  Ordnung  betrachten.  Will  man  also  an  dem  Kronecker'schen 
Postulate  festhalten,  so  darf  man  nicht  etwa  die  Gleichungen  mit  zwei  Parametern, 


ll,  1.   Historische  Einleitung.  159 

Was  unsere  eigene  Darstellung  angeht,  so  möchte  ich  an  der  hiermit 
pr'äcisirten  Forderung  im  Folgenden  nicht  festhalten.  Sicher  werden  wir 
untersuchen  müssen,  und  es  soll  dies  in  ausgiebigster  Weise  geschehen,  wie 
weit  man  mit  Benutzung  allein  natürlicher  Irrationalitäten  gelangen  kann. 
Aber  hierüber  hinaus  entsteht  nun  doch  die  Frage,  welche  Bewandt- 
niss  es  mit  den  accessorischen  Irrationalitäten  hat,  die  zur  ferneren 
Reduction  verhelfen,  welches  die  einfachsten  Resultate  sind,  die  man 
mit  ihrer  Hülfe  erreicht.  Die  Analogie  mit  jenen  Gleichungen,  die 
durch  Wurzelzeichen  lösbar  sind,  erscheint  mir  nicht  zwingend.  Wenn 
bei  letzteren  der  Gebrauch  accessorischer  Irrationalitäten  überflüssig 
ist,  so  kann  man  in  dem  nothwendigen  Auftreten  dieser  Irrationali- 
täten bei  höheren  Gleichungen  ein  Charakteristikum  der  letzteren  er- 
blicken und  sollte  um  so  mehr  darauf  ausgehen,  bei  den  Gleichungen 
fünften  Grades,  als  dem  niedersten  Falle  der  höheren  Gleichungen, 
Wesen  und  Bedeutung  der  erforderlichen  accessorischen  Irrationali- 
täten zu  ergründen.  Wir  werden  diese  Untersuchungen  um  so  weni- 
ger bei  Seite'  lassen  dürfen,  als  die  Behandlung  der  natürlichen  Irra- 
tionalitäten, wie  wir  sehen  werden,  durch  sie  in  gewissem  Sinne 
vermittelt  werden  wird. 

§  8.     Aufgabe  unserer  ferneren  Entwickelungen. 

Wir    brechen    an   dieser   Stelle   unseren   historischen   Bericht   ab, 

insofern   es   zweckmässig   scheint,  die  Besprechung  der  jetzt  noch  zu 

nennenden  Arbeiten*)    in  die  fortlaufende  Darstellung  der  folgenden 

Kapitel    zu    verweben.     Zweck    dieser    Darstellung    ist    es,    wie    wir 

die  man  erhalten  hat,  hinterher  durch  elliptische  Function  lösen  wollen,  sondern 
diese  Gleichungen  bilden  einen  Punkt,  über  den  in  keiner  Weise  weiter  vorzu- 
dringen ist. 

*)  Es  sind  dies  zun*ächst  die  verschiedenen  Ayfsätze,  welche  von  Herrn 
Gordan  unter  dem  Titel:  Ueher  die  Auflösung  der  Gleichungen  fünften  Grades 
und  von  mir  selbst  als:  Weitere  Untersuchungen  über  das  Ikosaeder  veröffentlicht 
worden  sind.  Erstere  finden  sich  beziehungsweise  in  den  Erlanger  Berichten  vom 
Juli  1877,  in  dem  amtlichen  Bericht  der  Naturforscherversammlung  zu  München 
(vom  Sept.  1877)  und  im  13.  Bande  der  Mathem.  Annaleu  (1878),  letztere  in  den 
Erlanger  Berichten  von  Nov.  1876,  Januar  und  Juli  1877,  endlich  im  12.  Annalen- 
bande  (1877).  Man  sehe  auch  eine  Mittheilung  von  Brioschi  an  die  R.  Accademia 
dei  Lincei  vom  Dec.  1876  (Transunti)  und  eine  andere  an  das  Istituto  Lombardo 
vom  April  1877  (Rendiconti  (2)  X).  —  Hierzu  tritt  des  Weiteren  Kiepert:  Auf- 
lösung der  Gleichungen  fünften  Grades  in  den  Göttin ger  Nachrichten  vom  Juli 
1878,  ausgeführt  in  Borchardt's  Journal  t.  87  (Aug.  1878),  sowie  von  meinen  eige- 
nen Arbeiten:  üeber  die  Transformation  der  elliptischen  Functionen  und  die  Auf- 
lösung der  Gleichungen  fünften  Grades  (Bd.  14  der  Annalen,  Mai  1878)  und: 
lieber  die  Auflösung  gewisser  Gleichungen  vom  siebenten  und  achten  Grade  (im 
15.  Annalenbande,  März  1879). 


160  IT,  1.    Historische  Einleitung. 

wiederholt  andeuteten,  die  Auflösung  der  Gleichungen  fünften  Grades 
in  mögliehst  einfacher  und  zugleich  vielseitiger  Weise  mit  der 
Theorie  des  Ikosaeders  in  Verbindung  zu  setzen.  Dass  eine  solche 
Verbindung  möglich  ist,  geht  bereits  aus  unserer  bisherigen  Dar- 
stellung in  verschiedener  Weise  hervor:  denn  die  Jacobi'sche  Gleichung 
mit  ^  ==  0  ist,  wie  wir  sahen,  eine  Resolvente  der  Ikosaedergleichung, 
und  auch  die  ßring'sche  Form  können  wir  als  solche  auffassen,  wenn 
wir  in  I,  4,  §  12  das  m :  n  derart  bestimmt  denken,  dass  in  der 
Hauptresolvente  daselbst  der  Term  mit   Y^  verschwindet. 

Inzwischen  ist  es  nicht  unsere  Absicht,  das  Ikosaeder  in  solch' 
indirecter  Weise  einzuführen.  Vielmehr  wollen  wir  die  Theorie  der 
Gleichungen  fünften  Grades  im  Zusammenhange  und  von  vorne  be- 
ginnend derartig  darstellen,  dass  die  Bedeutung  des  Ikosaede*  als 
eine  nothwendige  und  principielle  erkannt  wird.  Dabei  verwende 
ich,  wie  schon  wiederholt  angedeutet,  in  ausgiebiger  Weise  Con- 
structionen  im  Sinne  der  projectiven  Geometrie.  Kein  Zweifel,  dass 
man  dieselben  überall  durch  rein  algebraische  Ueberlegüngen  ersetzen 
kann.  Trotzdem  glaube  ich,  dass  dieselben  von  wesentlichem  Nutzen 
sind,  und  meine,  dass  sie  in  ähnlicher  Form  auch  bei  höheren  Proble- 
men der  Gleichungstheorie  von  Bedeutung  sein  müssen. 

Des  Näheren  gliedert  sich  unsere  folgende  Darstellung  in  vier 
Kapitel. 

Es  handelt  sich  zunächst  darum,  die  Haupthegriffe  der  Gleichungs- 
theorie in  geometrische  Form  zu  bringen.  Dabei  knüpfe  ich  an  eine 
Darstellungsweise  an,  welche  ich  1871  im  vierten  Bande  der  Mathe- 
matischen Annalen  gegeben  habe*),  und  entwickele  im  weiteren  Ver- 
folg derselben  insbesondere  die  geometrische  Auffassung  der  Tschirn- 
haustransformation und  der  Resolventenbildung.  Mit  Rücksicht  auf 
später  schliesse  ich  hieran  einen  kleinen  Excurs  über  die  Elemente 
der  Liniengeometrie  und  die  zugehörigen  Eigenschaften  der  Flächen 
zweiten  Grades. 

Das  folgende  (dritte)  Kapitel  ist  der  besonderen  Theorie  der 
Hauptgleichungen  fünften  Grades  gewidmet,  d.  h.  derjenigen  Gleichungen, 
welche  weder  die  vierte  noch  die  dritte  Potenz  der  Unbekannten  ent- 
halten. Auf  Grund  des  Satzes,  dass  die  Flächen  zweiten  Grades  zwei 
Schaaren  geradliniger  Erzeugender  besitzen,  ergibt  sich  für  die  ge- 
nannten Gleichungen  ein  ausserordentlich  einfacher  Zusammenhang 
mit  dem  Ikosaeder,  worauf  unsere  früheren  Entwickelungen  betreffs 
der  Hauptresolvente  der  Ikosaedergleichung  (I,  4,  §   12)  zu  expliciten 


*")  Ueber  eine  geometrische  Interpretation  der  Besolventen  algebraisclier  Gleichungen. 


II,  1.    Historische  Einleitung.  161 

Formeln  für  die  Wurzeln  der  vorgelegten  Gleichung  führen.  Hier- 
durch gewinnen  wir,  wie  ich  beiläufig  entwickele,  namentlich  auch  die 
Mittel,  um  die  Bring'sche  Transformation  in  definitive  Gestalt  zu 
setzen  und  ihrem  inneren  Wesen  nach  zu  verstehen. 

Unser  viertes  Kapitel  erläutert  sodann  die  Stellung  des  Ikosaeders 
zur  Lehre  von  den  allgemeinen  Jacdbi'schen  Gleichungen  sechsten  Grades. 
Es  zeigt  sich,  dass  letztere  im  Sinne  von  I,  5,  §  4  ein  ternäres 
Formenprohlem  vertreten,  und  zwar  ein  solches,  das  aus  dem  bis- 
herigen binären  Ikosaederprobleme  durch  einen  gewissen,  einfachen 
Uebertragungsprocess  entsteht.  Auf  demselben  Wege  ergeben  sich 
wie  von  selbst,  und  zum  Theil  in  verbesserter  Form,  alle  die 
mannigfachen  Resultate,  die  man  in  der  Theorie  der  Jacobi'schen 
Gleichungen  sechsten  Grades  gewonnen  hat.  Insbesondere  werde  ich 
entwickeln,  wie  man  die  Auflösung  der  allgemeinen  Jacobi'schen  Glei- 
chung unter  Adjunction  einer  accessorischen  Quadratwurzel  am  zweck- 
raässigsten  mit  Hülfe  der  Ikosaedergleichung  bewerkstelligt. 

Zwei  Wege  öflfnen  sich  jetzt,  wie  wir  im  fünften  Kapitel  aus- 
führen, um  die  allgemeine  Gleichung  fünften  Grades  durch  die  Ikosaeder- 
gleichung aufzulösen,  indem  es  uns  nämlich  frei  steht,  entweder  die 
gegebene  Gleichung  durch  Tschirnhaustransformation  in  eine  Haupt- 
gleichung fünften  Grades  zu  verwandeln,  oder  sie  durch  Resolventen- 
bildung  mit  dem  gerade  besprochenen  ternären  Formenprobleme  in 
Verbindung  zu  setzen.  Der  eine  ergibt,  wenn  wir  wollen,  eine  Ver- 
einfachung der  Methode  von  Bring,  der  andere  eine  Modification  der- 
jenigen von  Kronecker.  Aber  zugleich  erkennt  man,  dass  die  Operationen, 
welche  bei  den  zweierlei  Ansätzen  gebraucht  werden,  nicht  ihrem  Wesen 
nach,  sondern  nur  hinsichtlich  der  Reihenfolge  verschieden  sind.  Wir 
haben  so  das  Mittel,  um  sämmtliche  in  den  vorangehenden  Paragraphen 
besprochenen  älteren  Arbeiten  von  einem  Gesichtspunkte  aus  zu  ver- 
stehen. Dabei  gelingt  es  denn  auch,  jenen  indirecten,  von  Herrn 
Kronecker  aufgestellten  Satz  zu  beweisen,  von  dem  wir  soeben  berich- 
teten, und  der  als  principieller  Abschluss  nicht  nur  des  Auflösungs- 
problems  in  abstracter  Form,  sondern  speciell  auch  unserer  Ueber- 
legungen  aufgefasst  werden  kann. 

Vielleicht  interessirt  es  besonders",  dass  vermöge  unserer  Dar- 
stellung die  Theorie  der  Gleichungen  fünften  Grades  derjenigen  der 
Gleichungen  dritten  und  vierten  Grades  wieder  nahe  gerückt  ist:  wir 
haben  darauf,  wo  immer  es  nützlich  schien,  in  kurzen  Noten  unter 
dem  Text  Bezug  genommen. 


Klein,  Gleichungen  5.  Grades.  11 


Kapitel  IL 
Einführnng  geometrischer  Hülfsmittel. 

§  1.     Grtaidlage  der  geometrischen  Deutung. 

Die  geometrische  Deutung  der  Gleichungen  fünften  Grades,  mit 
der  wir  im  Folgenden  arbeiten  werden,  beruht  auf  dem  einfachen  Ge- 
danken, die  Wurzeln  Xq,  x^,  x^^  x^,  x^  der  Gleichung  als  homogene 
Punlitcoordinaten  zu  benutzen  (wobei  natürlich  nur  die  Verhältnisse 
der  X  zur  Interpretation  gelangen).  Wollten  wir  dabei  nicht  noch 
eine  Einschränkung  hinzufügen,  so  müssten  wir  einen  Raum  von  vier 
Dimensionen  zu  Grunde  legen.  Dies  aber  wäre  in  doppeltem  Sinne  un- 
bequem: wir  müssten  auf  die  prägnante  Terminologie  verzichten,  die 
uns  für  die  Geometrie  des  dreidimensionalen  Raumes  zur  Verfügung  steht, 
und  würden  keinerlei  Vorkenntnisse  in  specifischer .  Form  voraussetzen 
können.  Wir  wollen  also  eine  Beschränkung  einführen,  die  in  jedem 
Falle  durch  eine  leichte  Hülfstransformation  zu  erreichen  sein  wird, 
indem  wir  nämlich  festsetzen,  dass  im  Folgenden  immer 

(1)  2/^  =  0 

genommen  sein  soll,  dass  wir  also  nur  Gleichungen  fünften  Grades  der 
folgenden  Art  betrachten  werden: 

(2)  x^  -\-  ax^  -\-  bx^  -\-  ex  -\-  d  =  0 

(in  denen  das  Glied  mit  x^  fehlt).  Wir  können  dann,  und  zwar  ge- 
rade vermöge  (1),  die  Verhältnisse  der  x  als  Punktcoordinaten  des 
gewöhnlichen  Raumes,  als  sogenannte  Pentaedercoordinaten  desselben 
deuten.  Derartige  Pentaedercoordinaten  sind  von  den  gewöhnlichen 
Tetraedercoordinaten  der  projectiven  Geometrie  nur  formal  verschie- 
den: wir  mögen  sie  geradezu  in  der  Weise  deiiniren,  dass  wir  vier 
derselben  als  Tetraedercoordinaten  betrachten  und  die  fünfte  vermöge 
(1)  als  lineare  Combination  der  übrigen  einführen;  es  geht  dann  nur 
die  Symmetrie,  auf  welche  wir  in  der  Folge  grösstes  Gewicht  legen 
müssen,  verloren*). 

*)  Die  Einführung  überzähliger  Coordinaten,  welche  dann  durch  eine  ent- 
sprechende Zahl  linearer  Identitäten  an  einander  gebunden  sind,  ist  auch  sonst 
in  der  Greoraetrie  vielfach  nützlich;  man  vergl.  z.  B.  Paul  Serret' s  Geometrie  de 


II,  2.    Geometrische  Interpretation.  163 

Die  hiermit  bezeichnete  geometrische  Deutung  gewinnt  erst  da- 
durch ihre  Eigenart,  dass  wir  die  verschiedenen  Anordnungen  in  Be- 
tracht ziehen,  die  man  den  Wurzeln  x  erth eilen  kann.  Ein  und 
derselben  Gleichung  fünften  Grades  entsprechen  in  diesem  Sinne  zu- 
vörderst 120,  im  Allgemeinen  verschiedene  Raumpunkte,  die  nur  zu- 
sammengenommen bekannt  sind:  die  Auflösung  der  Gleichung  wird 
eben  darin  bestehen,  dass  wir  die  Mittel  angeben,  um  unter  den  120 
solchergestalt  eingeführten  Punkten  den  einzelnen  herauszugreifen. 

Die  in  Rede  stehenden  Raumpunkte  sind  natürlich  geometrisch 
nicht  unabhängig.  Eine  beliebige  Vertauschung  der  Pentaedercoordi- 
naten,  z.  B.  diejenige,  welche  Xk  durch  Xi  ersetzt,  kann  geometrisch 
als  eine  Transformation  des  ganzen  Baumes,  nämlich  als  diejenige 
Collineation  desselben  gedeutet  werden,  welche  der  Formel 

(3)  Xi'  ==  Xk 

entspricht.  Die  120  Collineationen,  welche  in  diesem  Sinne  den  120 
Vertauschungen  der  x  correspondiren,  sind  geometrisch  augenschein- 
lich dadurch  definirt,  dass  sie  alle  das  der  Coordinatenbestimmung  zu 
Grunde  liegende  Pentaeder  in  sich  überführen.  Offenbar  ist  der  geometri- 
sche Zusammenhang  der  jedesmal  vereinigten  120  Raumpunkte  eben 
der,  dass  sie  alle  aus  einem  derselben  vermöge  der  genannten  Colli- 
neationen hervorgehen. 

Ich  habe  diese  Grundbegriffe  hier  gleich  unter  Beschränkung  auf 
die  Gleichungen  fünften  Grades  entwickelt.  Inzwischen  ist  diese  Be- 
schränkung durchaus  keine  wesentliche:  eine  ganz  entsprechende  Art 
der  geometrischen  Deutung  ist  bei  Gleichungen  w*^"  Grades  möglich, 
sofern  wir  nur  den  projectiven  Raum  von  («  —  2)  Dimensionen  zu 
Grunde  legen,  also  bei  Gleichungen  vierten  Grades  die  Ebene,  bei 
Gleichungen  dritten  Grades  die  gerade  Linie.  Wir  können  dabei  sogar 
dem  Galois'schen  Affect  der  Gleichungen  Rechnung  tragen,  indem  wir 
statt  der  überhaupt  möglichen  Vertauschungen  der  n  Wurzeln  und 
der  ihnen  entsprechenden  Collineationen  nur  eine  Untergruppe  der- 
selben in  Betracht  ziehen.  Wir  haben  im  Folgenden  nicht  nöthig, 
den  Gegenstand  gleich  unter  so  allgemeinen  Voraussetzungen  zu  be- 
handeln. Immerhin  möchte  ich  schon  hier  auf  die  durchaus  ähnliche 
geometrische  Deutung  aufmerksam  machen,  welche  wir  im  zweitfol- 
genden Kapitel  bei  Untersuchung  des  dort  zur  Discussion  stehenden 
Formenproblems  benutzen  werden. 

direciion  [Paris,  1869].  Das  Pentaedercoordinatensystem  insbesondere  ist  wohl 
zuerst  von  Hamilton  bei  Untersuchung  der  geometrischen  Netze  von  Möbius,  die 
man  aus  fünf  Raumpunkten  ableiten  kann,  gebraucht  worden;  siehe  Hamilton'a 
Elements  of  Quaternions  (Dublin,  1866),  pag.  57  —  77. 

11* 


164  IT,  2.    Geometrische  Interpretation. 

§  2.     Classification  der  Curven  und  Flächen. 

Bemerken  wir  nunmehr,  dass  wir  die  Curven  und  Flächen  unseres 
Raumes  (oder  überhaupt  die  in  ihm  gelegenen  geometrischen  Gebilde) 
nach  ihrem  Verhalten  gegen  die  120  Collineationen  (3)  classificiren 
können.  Im  Allgemeinen  wird  eine  irreducibele  Curve  oder  Fläche 
durch  keine  der  120  Operationen  in  sich  übergehen:  sie  erscheint 
dann  als  eines  von  120  gleichberechtigten  Gebilden,  deren  jedes  an 
sich  und  mit  Bezug  auf  das  Coordinatenpentaeder  dieselben  Eigen- 
schaften besitzt.  Aber  sie  kann  auch  durch  die  n  Transformationen 
einer  bestimmten,  in  der  Gesammtheit  der  120  Transformationen  ent- 
haltenen Untergruppe   g   in    sich    verwandelt   werden.     Dann   ist  die 

120 
Anzahl   der  coordinirten  Gebilde  nur  noch  — :   iedes   einzelne    bleibt 

n  '  ♦' 

bei    den   n   Transformationen  einer  Untergruppe  unverändert,    welche 

mit   der  Gruppe  g   innerhalb  der  Gesammtgruppe  gleichberechtigt  ist. 

Offenbar  treten  hier  genau  dieselben  Unterscheidungen   auf,    die  wir 

oben,  im  vierten  Kapitel  des  ersten  Abschnitts,  als  wir  von  der  Theorie 

der  Resolventenbiidung  handelten,  kennen  gelernt  haben. 

Wir  wollen  diesbezüglich  eine  bestimmte  Terminologie  einführen. 
Geht  ein  Gebilde  vermöge  sämmtlicher  120  Collineationen  in  sich 
über,  so  nennen  wir  es  regulär,  halbregulär  dagegen,  wenn  dies  nur 
in  Bezug  auf  die  60  Collineationen  der  Fall  ist,  welche  den  geraden 
Vertauschungen  der  x  entsprechen  und  die  wir  kurz  als  die  geraden 
Collineationen  bezeichnen  mögen.  In  allen  anderen  Fällen  werden 
wir  von  irregulären  Gebilden  sprechen.  Die  halbregulären  Gebilde 
gruppiren  sich  natürlich  paarweise  zusammen:  denn  die  Gruppe  der 
60  geraden  Collineationen  ist  innerhalb  der  Gesammtgruppe  ausge- 
zeichnet; geht  also  ein  erstes  Gebilde  durch  die  60  geraden  Colli- 
neationen in  sich  über,  so  auch  das  andere,  welches  aus  ihm  durch 
eine  beliebige  ungerade  Collineation  entsteht. 

Die  hier  bezeichnete  Classification  wird  für  die  Zwecke  der  Glei- 
chungstheorie von  Wichtigkeit,  indem  wir  jetzt  Gleichungen  in  Be- 
tracht ziehen,  welche  Parameter  enthalten.  Wir  wollen  diese  Parameter 
nur  so  zählen,  wie  sie  die  Verhältnisse  Xq-,  x^  :  x^  :  x^  :  X/^  beeinflussen. 
Haben  wir  dann  eine  Gleichung  mit  einem  Parameter,  so  durchlaufen 
die  120  zugehörigen  Raumpunkte  x  bei  Veränderlichkeit  des  Para- 
meters eine  Raumcurve,  die  vermöge  der  120  Collineationen  in  sich 
selbst  verwandelt  wird,  und  die  wir  das  Bild  der  Gleichung  nennen 
wollen.  Analog  erhalten  wir  als  Bild  der  Gleichung  eine  Fläche,  so- 
bald die  Zahl  der  wesentlichen  Parameter  zwei*  beträgt:  auch  die 
Fläche  geht  durch  die  120  Collineationen  in  sich  selbst  über.    Offenbar 


II,  2.    Geometrische  Interpretation.  165 

hängt  die  Frage,  ob  diese  Curve  oder  Fläche  reducibel  ist  oder  nicht, 
auf  das  Genaueste  mit  der  Gruppe  der  vorgelegten  Gleichung  fünften 
Grades  zusammen.  Um  die  Jdeen  zu  fixiren  will  ich  annehmen,  dass 
unsere  Parameter  rational  in  die  Coefficienten  der  Gleichung  eingehen. 
Zugleich  wollen  wir  auf  bloss  numerische  Irrationalitäten  kein  Gewicht 
legen:  wir  werden  also  beliebige  rationale  Functionen  der  Parameter 
als  rational  bekannt  bezeichnen.  Dann  geht  die  Galois'sche  Gruppe 
der  Gleichung  [in  Uebereinstimmung  mit  I,  4]  in  diejenige  über, 
welche  Hermite  bezeichnender  Weise  als  Gruppe  der  Monodromie  be- 
nannt hat*),  d.  h.  in  den  Inbegriff  derjenigen  Vertauschungen  der 
Wurzeln  x,  welche  entstehen,  wenn  man  die  x  als  algebraische 
Functionen  der  Parameter  betrachtet  und  nun  letztere,  von  irgend 
welchen  Anfangswertheu  beginnend,  auf  beliebigem  Wege  sich  so  im 
complexeu  Gebiete  ändern  lässt,  dass  sie  schliesslich  zu  ihren  Anfangs- 
werthen  zurückkehren.  Der  Raumpunkt  x  bewegt  sich  bei  diesem 
Aenderungsprocesse  fortwährend  auf  demselben  irreducibelen  Bestand- 
theile  des  der  Gleichung  entsprechenden  geometrischen  Bildes,  nimmt 
auch  auf  demselben  bei  gehöriger  Variirung  des  Weges  alle  möglichen 
Lagen  an.  Wir  schliessen  hieraus,  dass  der  in  Bede  stehende  irreduci- 
bele  Bestandtheil  durch  genau  so  viele  CoUineationen  von  den  120  über- 
haupt existirenden  in  sich  verwandelt  zvird,  als  Vertauschungen  der  x  in 
der  Gruppe  der  Monodromie  enthalten  sind.  Es  wird  nicht  schwer  sein, 
diesen  allgemeinen  Satz  an  den  besonderen  Beispielen,  die  wir  nun 
zur  Sprache  bringen,  zu  bestätigen. 

§  3.     Die  einfachsten  Specialfälle   der  Gleichungen  fünften  Grades. 

Mit  Rücksicht  auf  unsere  späteren  Entwickelungen  betrachten  wir 
nunmehr  die  einfachsten  Specialfälle  der  Gleichungen  fünften  Grades, 
nämlich  diejenigen,  welche  aus  (2)  entstehen,  wenn  wir  einen 
oder  mehrere  Coefficienten  gleich  Null  setzen,  worauf  die  übrigen 
Coefficienten  (insofern  sie  die  Verhältnisse  der  Wurzeln  x  beein- 
flussen) als  Parameter  zu  gelten  haben  werden. 

Sei  zunächst  a  ==  0,  so  haben  wir,  vermöge  (1)**): 
(4)  2;a;2  =  0, 


*)  Comptes  Rendus  t.  32   (1861):   Sur  les  fonctions  algebriques;  siehe  auch 
C.  Jordan,  Tratte  des  substitutions  etc.  pag.  227  ff. 

**)  Man  erinnere  sich  im  Folgenden  der  Neivton'schen  Formeln,  welche  die 
GleichuDgscoefficienten  mit  den  Potenzsummen  Sv  =  2]x^'  verbinden.  Für  unsere 
Gleichung  (2)  werden  diese  Formeln: 

s^  =  0,  s^  -|-  2a  =  0,  «3  -f  3&  =  0,  s^  -f-  as^  -|-  4c  =  0,  etc.  etc. 


166  II,  2.    Geometrische  Interpretation. 

d.  h.  eine  Gleichung,  welche  eine  Fläche  zweiter  Ordnung  vorstellt. 
Eliminiren  wir  vermöge  (1)  das  x^  und  bilden  von  der  linken  Seite 
der  dann  entstehenden  Gleichung: 

^0^  +  ^1^  +  ^2^  +  ^3^  +  (^0  +  ^1  +  ^2  +  ^af  =  0 

die  Discriminante,  so  kommen  wir  auf  -\-  5,  also  einen  nicht  ver- 
schwindenden Werth.  Wir  schliessen  hieraus,  dass  unsere  Fläche 
zweiten  Grades  nicht  nur  nicht  zerfällt,  sondern  auch  kein  Kegel  ist. 
Eben  diese,  im  verabredeten  Sinne  reguläre  Fläche  wird  in  unseren 
ferneren  geometrischen  Entwickelungen  die  allerwichtigste  Rolle 
spielen.  Ich  werde  sie  daher  als  Hauptfläche  bezeichnen,  was  damit 
übereinstimmt,  dass  wir  eine  Gleichung,  die  den  Relationen  (1),  (4) 
genügt,  schon  oben  als  Hauptgleichung  benannt  haben. 

Gehen  wir  zum  folgenden  Falle :  6  =  0.  Indem  wir  wieder  von 
(1)  Gebrauch  machen,  erhalten  wir  für  die  entsprechenden  x: 

(5)  i:x^  =  0. 

Wir  werden  also  zu  derjenigen  irreducibelen  Fläche  dritter  Ordnung  ge- 
führt, welche  Clebsch  gelegentlich  als  Diagonalfläche  bezeichnet  hat*), 
weil  sie  nämlich  die  Diagonalen  des  Coordinatenpentaeders  enthält, 
d.  h.  diejenigen  15  Linien,  welche,  je  in  einer  der  fünf  Pentaeder- 
ebenen verlaufend,  irgend  zwei  Gegenecken  des  in  dieser  Ebene  von 
den  anderen  Co  ordinateneb  enen  ausgeschnittenen  Vierseits  verbinden. 
Dementsprechend  soll  eine  Gleichung  mit  &  ==  0  im  Folgenden  als 
Diagonalgleichung  bezeichnet  sein.  Die  allgemeine  Brioschi'sche  Re- 
solvente, die  wir  in  §  5  des  vorigen  Kapitels  kennen  gelernt  haben 
[Formel  (23)],  ist  zugleich  die  allgemeine  Diagonalgleichung,  ein  Um- 
stand, auf  den  wir  noch  ausführlicher  zurückkommen  werden. 

Wir  setzen  ferner  gleichzeitig  a  =  0,  h  =  0.  So  haben  die  Re- 
lationen (1),  (4),  (5)  simultan  statt,  während  die  Gleichung  (2)  die 
Brin.g'sche  Form  annimmt.  Die  Bring'schen  Gleichungen  werden  also 
durch  die  Schnittcurve  von  Hauptfläche  und  Diagonalfläche  repräsentirt. 
Im  Allgemeinen  schneiden  sich  eine  Hache  zweiter  und  eine  Fläche 
dritter  Ordnung  in  einer  irreducibelen  Curve  von  der  sechsten  Ordnung 
und    dem  Geschlechte  4**).     Wir    werden   später   zeigen,    dass   diese 


*)  Man  sehe  den  noch  öfter  zu  nennenden  Aufsatz :  Ueher  die  Anwendung  der 
quadratischen  Substitution  auf  die  Gleichungen  5.  Grades  und  die  geometrische 
Theorie  des  ebenen  Fünfseits  im  vierten  Bande  der  Math.  Annalen  (1871).  — 
Die  Diagonalfläche  ist  auch  sonst  in  der  Theorie  der  Flächen  dritten  Grades 
wichtig  geworden;  man  vergl.  z.  B.  meine  Arbeit:  Ueber  Flächen  dritter  Ordnung 
im  6.  Ban^e  der  Math.  Annalen  (1873). 

**)  Man  sehe  etwa  Salmon- Fiedler' s  Analytische  Geometrie  des  Baumes  (3.  Aufl. 
Teubner,  1880). 


II,  2.    Geometrische  Interpretation.  167 

Eigenschaften  auch  bei  der  Bring'schen  Curve  ungeändert  vorhanden 
sind.  Die  Bring'sche  Curve  ist  also  gewiss,  ebenso  wie  Hauptfläche 
und  Diagonalfläche,  regulär. 

Es  folgen  die  weiteren  Fälle,  in  denen  wenigstens  einer  der  Coeffi- 
cienten  c,  d  verschwindet.  Wir  wollen  dieselben  hier  nicht  einzeln 
ausführlich  besprechen,  indem  wir  weiterhin  gerade  auf  sie  doch 
nicht  besonders  einzugehen  haben.  Bemerken  wir  nur,  dass  im 
Falle  ^  ==  0  ein  Zerfallen  des  räumlichen  Bildes  in  irreguläre  Be- 
standtheile  statt  hat:  es  sind  die  fünf  Ebenen  der  Coordinatenpeu- 
taeders  selbst,  welche  dem  Falle  d  =  0  entsprechen. 

§  4.    Gleichungen  fünften  Grades,  welche  beim  Ikosaeder  auftreten. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zur  Betrachtung  jener  Gleichungen  fünften 
Grades  zurück,  die  wir  im  vierten  Kapitel  des  vorigen  Abschnitts  als 
Resolventen  der  Ikosaedergleichung  aufgestellt  haben,  und  versuchen 
dieselben  in  die  eben  gegebenen  Begriffsbildungen  einzuordnen.  Es 
sind  Gleichungen  mit  nur  einem  wesentlichen  Parameter  Z  (der  rechten 
Seite  der  Ikosaedergleichung),  die  also  geometrisch  durch  Curven  zu 
deuten  sind.  Diese  Curven  zerfallen,  wie  wir  noch  specieller  nach- 
weisen werden,  je  in  zwei  reguläre  Bestandtheile.  In  der  That  ist 
die  Gruppe  der  Monodromie  in  allen  Fällen  durch  die  60  Ikosaeder- 
substitutionen  gegeben. 

Beginnen  wir  etwa  zunächst  mit  der  I,  4,  §  11  sogenannten 
Resolvente  der  u: 

(6)  48«5  (1  _  Zf  —  40^=^  (1  -  Z)  +  15m  -  12  =  0. 
Indem  wir  die  Potenzsummen  der  Wurzeln  berechnen,  finden  wir: 

Si  =  0,  «2  =  3{l  —  Z)  '  ^^  =  0,  «4  =  36  (1  —  Z)^f    ^^^'f 
also 

(7)  s,'==20s,. 

Wir  bekommen  hiernach  als  geometrisches  Bild  von  (6)  eine  Curve  zwölfter 
Ordnung,  welche  der  Durchschnitt  der  Diagonalfläche  mit  der  Flüche  vierier 
Ordnung  (7)  ist.  Nun  sage  ich,  dass  diese  Curve  in  zwei  halbreguläre 
Bestandtheile  von  der  sechsten  Ordnung,  deren  jeder  eine  rationale 
Raumcurve  vorstellt,  zerfällt.  In  der  That  sind  die  Wurzeln  u^  von 
(6),  von  der  an  sich  beliebigen  Anordnung  abgesehen,  den  früher  ein- 
geführten Oktaederformen: 

(8)       tr  (01,    0,)  =  £3.^^6  _,_  2£2v^^5^^  _  5,.^^4^^2 


168  II,  2.   Geometrische  Interpretation. 

proportional,  wo  z^,  z.^  mit  Z  durch  die  Ikosaedergleichung  verbun- 
den sind: 

^^  1128 r{z,,  z,)     ^• 

Ist  Z  beliebig  veränderlich,  so  auch  -^-     Wir  werden  also  einen  Be- 

standtheil  der  in  Betracht  kommenden  Raumcurve  erhalten,  wenn  wir, 
unter  Einführung  eines  Proportionalitätsfactors  ^,  die  folgenden  Glei- 
chungen schreiben: 

(10)  .  ^Xy  =  ty  (^1,  z^) 

und  nun  z^  :  z^  als  laufenden  Parameter  betrachten.  Offenbar  gibt 
dies  eine  rationale  und  also  irreducibele  Raumcurve  der  sechsten  Ord- 
nung*). Nun  sage  ich,  dass  dieselbe  halhregulär  ist  und  also  unsere 
Raumcurve  zwölfter  Ordnung  neben  (10)  noch  eine  zweite  rationale  Raum- 
curve sechster  Ordnung  umfasst,  welche  aus  (10)  durch  eine  beliebige  un- 
gerade Vertauschung  der  Xy  hervorgeht. 

Zum  Beweise  zeigen  wir  zunächst,  dass  die  Curve  (10)  wirklich  die 
geraden  CoUineationen  zulässt.  Dies  kann  wohl  nicht  anders  sein,  weil 
die  Curve  12.  Ordnung  bei  allen  120  CoUineationen  ungeändert  bleibt  und 
12  =  2  •  6  ist,  doch  wollen  wir  es  direct  beweisen.  Man  lasse  zu 
dem  Zwecke  z^  :  z^  von  irgend  einem  Anfangswerthe  aus  sich  derart 
continuirlich  ändern,  dass  es  successive  alle  60  Werthe  annimmt,  die 
aus  dem  erwähnten  Anfangswerthe  durch  die  60  Ikosaedersubstitutionen 
entstehen.  Dann  hat  sich  der  Punkt  x  —  weil  es  sich  durchaus  um  ste- 
tige Aenderungen  handelt  —  fortwährend  auf  derselben  irreducibelen 
Raumcurve  bewegt,  zugleich  aber  haben,  wie  wir  von  früher  wissen, 
die  tv  zuletzt  alle  geraden  Permutationen  erfahren.  Die  Curve  geht 
also  in  der  That  vermöge  der  geraden  CoUineationen  in  sich  über. 

Wir  beweisen  ferner,  dass  unsere  Curve  nicht  noch  weitere 
CoUineationen  zulassen  kann.  Wäre  dies  nämlich  der  Fall,  so  würde 
Z  [welches  der  Gleichung  (6)  zufolge  als  symmetrische  Function  der 
Uy  dargestellt  werden  kann]  nicht  nur  in  60,  sondern  in  120  Punkten 
unserer  Curve  sechster  Ordnung  denselben  Werth  annehmen,  während 
doch  zu  jedem  Werthe  von  Z,  der  Ikosaedergleichung  (9)  entsprechend, 
nur  60  Werthe  z^  :  z^  gehören. 

Hiermit  ist  unsere  anfängliche  Behauptung  völlig  erwiesen.  Wir 
hätten  dieselbe  offenbar  auch  in  der  Weise  erhärten  können,  dass  wir 
uns  nur  der  Formeln  (9)  und  (10)  bedienten,  dagegen  die  Betrachtung 

*)  Die  Formeln  (10)  können  nicht  etwa  eine  Curve  niederer  Ordnung  mehr- 
fach zählend  vorstellen,  weil  man  ^;,  :  z^  aus  der  zugehörigen  Xv  rational  be- 
rechnen kann. 


II,  2.    Geometrische  Interpretation.  169 

der  Potenzsummen  und  der  Formel  (7)  bei  Seite  liessen.  lu  solcher 
Weise  wollen  wir  jetzt  diejenigen  Curven  besprechen,  welche  geome- 
trisch der  früher  sogenannten  Hau])tresolvente  der  Ikosaedergleichung  zu- 
gehören (I,  4,  §  12).  Für  die  Wurzeln  Yy  derselben  haben  wir  damals 
eine  Definition  gegeben,  die  wir  hier  unter  Einführung  eines  geeig- 
neten Proportionalitätsfactors  q  folgendermassen  reproduciren  können: 

(11)  QY,=m'Wr{z,,B^)-T{z,,z,) 

+  \2n  .  ty  (^1,  z^)  ■  Wy  (^1,  ^2)  •  p  (^1,  0^y, 
dabei  ist  ty  die   angegebene  Form  sechsten  Grades,  f  und  T  sind  die 
gewöhnlichen  Ikosaederformen  und  Wy  ist  gleich  folgendem  Ausdrucke: 

(12)  Wy  =  —  5^^^i«  +  6^''^J;?2  —  li^'Z^Z.^  -  Ib'z^z^ 


Lassen  wir  jetzt  z^  :  ^2  sich  ändern,  so  durchläuft  der  Punkt  Y  ver- 
möge (11)  bei  wechselnden  Werthen  von  m  :  n  unendlich  viele  rationale 
Curven  38***'  Ordnung,  unter  denen,  für  n  =  0,  eine  Curve  achter,  und, 
für  m  =  0,  eine  Curve  vierzehnter  Ordnung  inbegriffen  ist*).  Alle 
diese  Curven  sind  halbregulär.  Sie  werden  also  je  von  einer  zweiten 
Curve  derselben  Ordnung  begleitet,  die  sich  aus  (11)  durch  eine  be- 
liebige ungerade  Vertauschung  der  Yy  ergibt.  Erst  beide  Curven 
zusammen,  —  im  Allgemeinen  also  eine  Curve  76**"  Ordnung  — ,  sind 
das  geometrische  Bild  der  einzelnen  Hauptresolvente.  Uebrigens  be- 
achte man,  dass  alle  diese  Curven  auf  der  Hauptfläche  gelegen  sind. 
Denn  es  ist  ja  EY^  bei  der  Hauptresolvente  allgemein  gleich  Null. 
Die  nähere  Untersuchung,  wie  diese  Curven  auf  der  Hauptfläche  ver- 
laufen, welche  Beziehungen  sich  zwischen  ihnen  und  den  geradlinigen 
Erzeugenden  der  Hauptfläche  ergeben  etc.,  wird  uns  im  nächsten  Ka- 
pitel noch  ausführlich  beschäftigen. 

§  5.  Geometrische  Auffassung  der  Tschimhaustransformation. 
Um  jetzt  die  Tschirnhaustransformation  der  Gleichungen  fünften 
Grades  unserer  geometrischen  Deutung  zugänglich  zu  machen,  wollen 
wir,  der  Bedingung  (1)  entsprechend,  derzufolge  die  Wurzelsuuime  der 
zu  betrachtenden  Gleichungen  immer  verschwinden  soll,  folgende  Be- 
zeichnungen einführen: 

(12,\     4^^=x   — -^      x^^^  —  x^  —  ^      r^3)_    3_^      J*)_a;*_ii- 
(wobei  a^y    natürlich  nur  der  Gleichförmigkeit  halber  statt  Xy  geschrie- 


*)  Ich  lasse  einstweilen  unerörtert,  ob  nicht  noch  andere  Curven  der  Schaar 
eine  Reduction  der  Ordnung  erfahren,  wie  auch,  worin  eigentlich,  geometrisch  zu 
reden,  diese  Reduction  begründet  ist. 


170  II,  2.    Geometrische  Interpretation, 

ben  ist).     Dann  ist  die   allgemeinste  Transformation,  die  wir  in  Be- 
tracht ziehen  wollen,  diese: 

(14)  Vv  =  P  •  x^v^  +  q-  x^y^  -\-  r  ■  xf^  -(-  s  •  xf^, 

unter  p,  q,  r,  s  irgend  welche,  zunächst  unbestimmte,  Grössen  verstanden. 

Wir  haben  bisher  immer  nur  solche  Ausdrücke  betrachtet,  die 
bei  den  der  jedesmaligen  Untersuchung  zu  Grunde  liegenden  Vertau- 
schungen oder  linearen  Transformationen  in  sich  selbst  verwandelt 
werden,  also,  mit  Rücksicht  auf  die  Transformationsgruppe,  Invarianten 
sind.  In  entsprechendem  Sinne  könnte  man  die  Ausdrücke  (13)  als 
Covarianten  der  Xy  bezeichnen,  insofern  sich  dieselben  mit  den  Xy  zu- 
sammen, und  in  gleicher  Weise  wie  diese,  permutiren.  Ich  will  hier 
nicht  weiter  erläutern,  wie  man  am  zweckmässigsten  aus  dem  gegebe- 
nen Punkte  X  =  x^^^  die  covarianten  Punkte  x^^\  c(P\  x'-^'>  geometrisch 
construirt.  Dagegen  möchte  ich  darauf  aufmerksam  machen,  dass 
vermöge  (14)  ein  beliebiger  Punkt  y  aus  den  vier  Fundamentalpunkten 
a;(i),  x^^\  x^^\  x^'^^  genau  so  mit  Hülfe  geeigneter  Multiplicatoren  p, 
q,  r,  s  zusammengesetzt  wird,  wie  dies  allgemein  in  der  projectiven 
Geometrie  (seit  Mobius'  barycentrischem  Calcul)  üblich  ist.  Die  p, 
q,  r,  s  sind  also  nichts  anderes,  als  neue  projective  Coordinaten  des 
Punktes  y,  die  sich  auf  Covarianten  von  x  beziehen,  oder,  um  es  noch 
prägnanter  im  Sinne  der  modernen  Terminologie  auszudrücken:  der 
Ansatz  (14)  hedeutet,  dass  statt  des  ursprünglichen  Coordinatensystems  der 
X  ein  typisches  Coordinatensystem  eingeführt  wird*). 

Bei  den  Anwendungen  der  Tschirnhaustransformation  handelt  es 
sich  um  die  Aufgabe,  die  p,  q,  r,  s  so  zu  bestimmen,  dass  die  für  die 
y  resultirende  transformirte  Gleichung  mit  Rücksicht  auf  die  Ver- 
änderlichkeit ihrer  Coefficienten  irgend  welche  specielle  Eigenschaften 
hat.  Das  heisst  geometrisch:  wir  sollen  den  Punkt  y  zwingen,  sich 
nur  auf  vorgegebenen  Flächen  oder  Curven  zu  bewegen.  Wir  werden 
also  die  Gleichungen  dieser  Flächen  oder  Curven,  bezogen  auf  unser 
typisches  Coordinatensystem,  hinschreiben  und  zusehen,  wie  wir  irgend 
ein  Werthsystem  p,  q,  r,  s  finden,  das  diesen  Gleichungen  genügt. 

Elementare  Bemerkungen  über  die  hiermit  präcisirte  Aufgabe 
haben  wir  schon  in  §  2  des  vorigen  Kapitels  gegeben.  Des  Weiteren 
werden  hier  die  Unterscheidungen  von  Wichtigkeit,  welche  soeben  in 
§  3  entwickelt  wurden.  Denn  offenbar  genügt  es,  wenn  die  Gesammt- 
fläche  oder  -Curve,  die  in  Betracht  kommt,  redudbel  ist^  nur  die  Glei- 
chung eines  einzelnen  irreducibelen  Bestandtheils  der  Fläche  oder  Curve 
anzuschreiben.    Sei  m  die  Zahl  derjenigen  unter  den  120  Collineationen, 

*)  Vergl.  Clebseh,  Theorie  der  binären  algebraischen  Formen,  pag.  300  ff. 


II,  2.    Geometrische  Interpretation.  171 

bei  denen  der  in  Rede  stehende  Bestandtheil  in  sich  selbst  transfor- 
mirt  wird,  so  werden  die  Coefficienten  derjenigen  Gleichungen,  die 
wir  zur  Darstellung  dieses  Bestandtheils  in  unserm  neuen  Coordina- 
tensysteme  verwenden,  in  der  Weise  von  den  Xy  ,  Xy  etc.  abhängen, 
dass  sie  bei  den  in  Rede  stehenden  m  Vertauschungen  der  Xy  und 
nur  bei  ihnen  ungeändert  bleiben.  Die  Coefficienten  werden  also 
nur  dann  symmetrische  Functionen  der  Xy  sein,  wenn  man  es  mit 
regulären  Gebilden  zu  thun  hat,  zweiwerthige  Functionen  (die  nach 
Adjunction  der  Quadratwurzel  aus  der  Discriminante  rational  werden), 
wenn  halbreguläre  Gebilde  in  Betracht  kommen  etc. 

Es  geht  hieraus  hervor,  dass  hei  Auflösung  der  Gleichungen 
fünften  Grades  die  Tschirnhaustransformation  nur  dann  von  Nutzen  sein 
liann,  wenn  reguläre  oder  halhregnläre  Gehikle  vorgegeben  werden.  Denn 
wollten  wir  irreguläre  Gebilde  heranziehen,  so  müssten  wir  von  vorne- 
herein, nur  um  deren  typische  Gleichungen  zu  bilden,  solche  Functionen 
der  Xy  adjungiren,  dass  ein  eigentliches,  über  ganz  elementare  Anfor- 
derungen hinausgehendes  Auflösungsproblem  nicht  mehr  übrig  bliebe. 
Hier  kommt  also  der  gewiss ermassen  zufällige  Umstand  zur  Geltung, 
dass  die  Gruppe  der  60  geraden  Vertauschungen  von  fünf  Dingen 
einfach  ist  und  daher  bei  jeder  weitergehenden  Adjunction  ihre  wesent- 
lichsten Eigenschaften  verliert. 

§  6.  Specielle  Anwendungen  der  Tscliirnhaustransformation. 
Sollen  wir  auf  einer  vorgegebenen  Fläche  oder  Curve  n**^"^  Ord- 
nung einen  Funkt  bestimmen,  so  ist  jedenfalls  das  nächstliegende 
Verfahren,  bei  dem  dann  eine  Hülfsgieichung  w*®"^  Grades  benöthigt 
wird,  dass  wir  die  Fläche  mit  einer  uns  bekannten  Geraden,  die  Curve 
mit  einer  Ebene  schneiden.  Für  die  Tschirnhaustransformation,  wie 
sie  durch  (14)  gegeben  ist,  liefert  dies  den  folgenden  allgemeinen  An- 
satz.   Wir  nehmen  zwei  oder  auch  drei  Reihen  bekannter  Grössen; 

-ti,  Qu  Ml,  Ol]     F^,  Q^}  -^f  ^2?     ^s)  Vs;  ^3}  ^s 
und  setzen  nun  entweder: 

(15)  p  =  QiPi  -f  Q^P^ ,     q  =  QiQi  +  Q2Q2,     ^  =  (>i-Ri  +  (>2-R2, 

s  =  QiSi  +  Q2S2 
oder  entsprechend: 

(16)  2^  =  QiPi  +  92-P2  +  QsPs  etc. 

Tragen  wir  dann  diese  Werthe  in  die  Gleichung  der  Fläche  bez.  die 
Gleichungen  der  Curve  ein,  so  erhalten  wir  für  9^  :  q^  eine  Gleichung 
oder  auch  für  Pi  :  Pa  •  Qs  ein  Gleichungssystem  der  n*®°  Ordnung;  jede 
Wurzel  dieser  Gleichung,  beziehungsweise  dieses  Gleichungssystems 
gibt  uns  eine  Tschirnhaustransformation  der  gewünschten  Beschaffen- 


172  II,  2.    Geometrische  Interpretation. 

heit.  Die  Irrationalität,  welche  solchergestalt  zur  Herstellung  der 
Transformation  benöthigt  wird,  ist  offenbar  im  Allgemeinen  eine 
accessorische.  Denn  es  ist  von  vorneherein  kein  Grund  vorhanden, 
weshalb  die  Trennung  der  n  Schnittpunkte  einer  beliebigen  Geraden 
mit  der  Fläche,  oder  einer  Ebene  mit  einer  Curve,  mit  der  Unterschei- 
dung der  CoUineationen  etwas  zu  thun  haben  sollte,  welche  diese 
Fläche  oder  Curve  in  sich  selbst  verwandeln. 

Es  braucht  kaum  gesagt  zu  werden,  dass  das  allgemeine  solcher- 
gestalt geschilderte  Verfahren,  praktisch  zu  reden,  nicht  weit  reicht. 
Wollten  wir  die  verschiedenen  in  §  3,  4  aufgezählten  Specialfälle  von 
Gleichungen  fünften  Grades  vermöge  desselben  behandeln,  so  würden  wir 
schon  nach  den  ersten  beiden  Fällen  zu  Hülfsgieichungen  von  höherem 
als  fünften  Grade  geführt  werden.  Wir  wollen  unser  allgemeines  Verfahren 
in  der  Folge  daher  nur  henuUen,  oder  henuM  denken,  um  die  allgemeine 
Gleichung  fünften  Grades  in  eine  Hauptgleichung  m  verwandeln.  In  der 
That  werden  wir  später  (im  fünften  Kapitel)  den  Nachweis  erbringen, 
dass  in  diesem  besonderen  Falle  das  allgemeine  Verfahren  nicht  ver- 
bessert werden  kann,  indem  es  auf  keine  Weise  möglich  ist,  die 
accessorische  Quadratwurzel,  welche  durch  unser  Verfahren  eingeführt 
wird,  zu  vermeiden.  Dagegen  wird  es  uns  in  allen  anderen  Fällen 
gelingen,  relativ  einfachere  Methoden  zur  Herstellung  der  Transfor- 
mation zu  linden.  Zum  Theil  wurden  diese  Methoden  bereits  in  den 
Entwickelungen  des  voraugehenden  Kapitels  berührt;  wir  fügen  hier 
noch  einige  ergänzende  Bemerkungen  hinzu. 

Zunächst,  was  die  Bring'sche  Transformation  betrifft,  so  sagten 
wir  bereits,  dass  es  gelinge,  statt  des  ursprünglich  in  Betracht  kom- 
menden Gleichungssystems  vom  sechsten  Grade  eine  Aufeinanderfolge 
von  quadratischen  Gleichungen  und  einer  cubischen  Gleichung  zu  sub- 
stituiren.  Wir  können  dies  jetzt,  im  Anschlüsse  an  unsere  geometri- 
schen Vorstellungsweisen,  sehr  viel  präciser  ausdrücken.  Die  Theorie 
gliedert  sich  des  Näheren  folgendermassen.  Wir  verwandeln  die  all- 
gemeine Gleichung  fünften  Grades  zuvörderst  in  der  eben  besprochenen 
Weise  in  eine  Hauptgleichung  (wobei  wir  eine  erste  Quadratwurzel, 
und  zwar  eine  accessorische  Quadratwurzel,  gebrauchen).  Dann  aber 
tritt,  geometrisch  m  reden,  die  Thatsache  in  ihr  Becht,  dass  durch  jeden 
Punkt  der  Hauptfläche  zwei  geradlinige  Erzeugende  derselben  laufen, 
deren  einzelne  der  Bring'schen  Curve  nur  noch  in  drei  Punkten  begegnet. 
Wir  werden  also,  um  vom  beliebigen  Punkte  der  Hauptfiäche  zu 
einem  Punkte  der  Bring'schen  Curve  zu  gelangen,  zuerst  noch  einmal 
eine  Quadratwurzel  gebrauchen,  um  die  beiden  durch  den  Punkt 
laufenden  Erzeugenden  zu  trennen,   und   dann  in  der  That  mit  einer 


II,  2.    Geometrische  Interpretation.  173 

Gleichung  dritten  Grades  reichen,  welche  die  Schnittpunkte  der  aus- 
gewählten Erzeugenden  mit  der  Bring'schen  Curve  bestimmt.  Es 
wurde  bereits  gesagt,  dass  wir  später  [und  zwar  in  dem  hier  folgen- 
den dritten  Kapitel]  für  alle  von  der  Bring'schen  Theorie  geforderten 
Schritte  explicite  Formeln  aufstellen  werden.  Bemerken  wir  also  hier 
nur  noch,  was  bei  der  Darlegung  der  Theorie  zumeist  übergangen 
wird,  dass  die  zweite  Quadratwurzel  (welche  die  beiden  Erzeugenden 
der  Hauptfläche  trennt)  lieine  accessorische  ist,  sondern  mit  der  Quadrat- 
Wurzel  aus  der  Biscriminante  der  Gleichung  fünften  Grades  zusammen- 
fällt. Die  Irrationalität,  welche  durch  die  cubische  Hülfsgieichung 
eingeführt  wird,  ist  dagegen  wieder  eine  accessorische,  auch  ist  die 
cubische  Gleichung  im  Galois'schen  Sinne  allgemein,  d.  h.  eine  solche 
mit  einer  Gruppe  von  6  Vertauschungen. 

Wir  besprechen  ferner  die  von  Brioschi  aufgestellten  Gleichungen 
fünften  Grades,  die  sich  an  die  Jacobi'schen  Gleichungen  sechsten 
Grades  anschliessen.  Durch  die  Existenz  der  Kronecker'schen  Resol- 
vente ist  eine  Methode  indicirt,  wie  wir  bereits  bemerkten,  um  die 
allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades  in  diese  speciellen  durch 
Transformation  zu  verwandeln.  In  erster  Linie  handelt  es  sich  dabei 
um  die  Diagonalgleichung  fünften  Grades:  unser  früherer  Bericht  zeigt, 
dass  nur  die  Quadratwurzel  aus  der  Discriminante,  also  keinerlei 
accessorische  Irrationalität  benöthigt  wird,  um  die  allgemeine  Glei- 
chung fünften  Grades  in  eine  Diagonalgleichung  zu  verwandeln.  Nehmen 
wir  eine  accessorische  Quadratwurzel  hinzu,  so  können  wir  erreichen, 
dass  in  der  Kronecker'schen  Resolvente  -4  =  0  wird.  Die  zugehörige 
Diagonalgleichung  fällt  dann  im  Wesentlichen  mit  der  Gleichung  der  u 
zusammen,  die  wir  soeben  in  §  4  betrachteten.  Die  Curve  der  u  war 
von  der  zwölften  Ordnung,  beziehungsweise  zerfiel  in  zwei  halbreguläre 
Curven  von  der  sechsten  Ordnung.  Unser  allgemeiner  Ansatz  würde 
also  bei  ihr  auch  nach  Adjunction  der  Quadratwurzel  aus  der  Discri- 
minante immer  noch  zu  einer  Hülfsgieichung  sechsten  Grades  führen. 
Trotzdem  reicht  man,  wie  gerade  gesagt  wurde,  mit  einer  einzigen 
hinzutretenden  Quadratwurzel  aus. 

§  7.  Geometrisclies  über  Eesolventenbildung. 
Die  algebraischen  Principien  der  Resolventenbildung  sind  für  be- 
liebige algebraische  Gleichungen  bereits  in  I,  4  ansführlich  erläutert 
worden.  Ihre  Specification  für  Gleichungen  fünften  Grades  erfordert 
an  sich  keine  weiteren  Zusätze.  Wenn  wir  hier  auf  dieselben  zurück- 
kommen, so  geschieht  es,  um  unseren  damaligen  Betrachtungen  eine 
neue  Wendung  zu  geben. 


174  II,  2.    Geometrische  Interpretation. 

Verabreden  wir  zunächst,  dass  wir  allein  solche  rationale  Functionen 
der  X'. 

(p    [Xqj     X^y     X^j     x^,      X^J 

als  Wurzeln  von  Resolventen  einführen  wollen,  die  in  den  x  homogen 
sind:  multipliciren  wir  dann  alle  x  mit  demselben  Factor  X  (wobei  der 
Bildpunkt,  den  wir  x  nennen,  ungeändert  bleibt),  so  erweisen  sich  die 
Verhältnisse  jener  Werthe: 

fP07       9>1> <Pn-l, 

welche  cp  bei  unseren  Vertauschungen  annimmt,  ebenfalls  invariant 
und  wir  können  also  die  Resolventenbildung,  indem  wir  die  cp  als 
homogene  Coordinaten  deuten,  in  geometrischer  Weise  interpretireu. 
Es  ist  dies  eine  Beschränkung,  die  wir  nur  zu  Gunsten  der  geome- 
trischen Interpretation  machen;  eine  tiefer  gehende  Bedeutung  hat  sie 
nicht,  und  kann  hinterher  immer  fallen  gelassen  werden. 

Den  Grundsätzen  der  analytischen  Geometrie  entsprechend  bieten 
sich  jetzt  für  die  Interpretation  von  vorneherein  zwei  Möglichkeiten: 
entweder  wir  betrachten  die  Einführung  der  cp  als  blosse  Umänderung 
des  Coordinatensystems  oder,  im  P/Mc/^er'schen  Sinne,  als  Wechsel  des 
JRaumelements.  Im  ersteren  Falle  erscheinen  die  q)  direct  als  homogene, 
im  allgemeinen  krummlinige,  Punktcoordinaten,  zwischen  denen  noth- 
wendig  (n  —  4)  Identitäten  bestehen.  Im  zweiten  Falle  sind  uns 
die  g)  zuvörderst  selbständige  Grössen,  welche  wir  als  Coordinaten 
irgend  eines  geometrischen  Gebildes  deuten;  die  Auswahl  dieses  Ge- 
bildes muss  nur  in  solcher  Weise  erfolgen,  dass  die  Coordinaten  des- 
selben bei  Eintritt  der  120  oder  60  von  uns  zu  betrachtenden  Raum- 
collineationen  genau  dieselben  Permutationen  erfahren,  wie  sie  die  qp 
als  Functionen  der  x  erleiden.  Indem  wir  sodann  die  cp  den  betreffenden 
Functionen  der  x  gleich  setzen,  ordnen  wir  ein  derartiges  Gebilde  dem 
PunJcte  X  in  covarianter  Weise  m.  Die  Auflösung  der  Gleichung  fünften 
Grades  durch  Resolventenbildung  läuft  also  darauf  hinaus,  statt  des 
Punktes  x  zunächst  ein  anderes,  ihm  covariantes  Gebilde  zu  suchen 
und   dann  von  diesem   auf  den  Punkt  x  den  Rückschluss  zu  machen. 

Wir  werden  im  Folgenden  zumeist  an  der  zweiten,  tiefer  greifenden 
Deutung  der  Resolventenbildung  festhalten,  und  zwar  so  sehr,  dass 
wir  dieselbe  geradezu  zum  Ausgangspunkte  unserer  ferneren  Betrach- 
tung wählen  wollen.  Die  einfachsten  räumlichen  Gebilde  sind  nach 
den  Anschauungsweisen  der  projectiven  Geometrie  Punkt,  Ebene,  ge- 
rade Linie:  wir  können  der  Reihe  nach  die  Resolventen  betrachten, 
welche  entstehen,  wenn  wir  gerade  diese  Gebilde  unter  Benutzung 
möglich  einfacher  Coordinatenbestimmung  zu  Grunde  kgen. 


II,  2.    Geometrische  Interpretation.  175 

Die  Betrachtung  covarianter,  auf  das  nrsprünglicfie  Pentaeder  be- 
logener Punkte  liefert  natürlich  nichts  Neues,  sondern  führt  zu  der 
bereits  erledigten  Tschirnhaustransformation  zurück.  Wir  haben  dabei 
nur  die  p,  q,  r,  s  als  Invarianten  der  x  einzuführen,  d.  h.  als  symme- 
trische Functionen  derselben,  oder  doch  als  solche  Functionen,  die  bei 
den  60  geraden  Vertauschungen  ungeändert  bleiben.  Ebensowenig 
fördert  die  Benutzung  covarianter  Ebenen.  Betrachten  wir  nämlich 
als  Coordinaten  der  Ebene,  wie  es  natürlich  ist,  die  Coefficienten  u 
ihrer  Gleichung: 

(17)  UqXq  +  u^Xi  +  tic^x^  +  %%  +  u^x^  =  0, 

wobei  wir  uns  diese  Gleichung  mit  Hülfe  von  2Jx  =  0  in  der  Weise 
normirt  denken,  dass  immer  auch  2Jii  =  0  ist,  so  gehört  zu  jeder  Ebene 
ein  covarianter  PunJct  mit  genau  denselben  Coordinaten.  Es  ist  dies  ihr 
Pol  in  Bezug  auf  die  Hauptfläche  Ux^  =  0.  In  der  That,  sind 
X(y'  •  '  '  x(  die  Coordinaten  des  Pols  (wobei  Sx'  =  0),  so  lautet  die 
Gleichung  der  Polarebene,  wie  man  sofort  findet: 

(loj  Xq  Xq  -j-  Xi  Xi  -f-  X2  X2  -j-  ^3  ^3  "r  "^4  -^4  ^^^  0 

und  ist  also  mit  (17)  identisch,  sobald  wir  die  einzelnen  ti  den  x' 
gleichsetzen.  Hiernach  können  immer  dieselben  fünf  Grössen  ebensowohl 
als  Punkt-  wie  als  Ebenen-Coordinaten  betrachtet  werden,  und  eine  ge- 
sonderte Betrachtung  der  Ebene  als  Raumelement  ist  ohne  Bedeutung. 
Es  bleiben  somit  als  einfachste  Resolventen,  die  wir  in  Betracht 
ziehen  können,  diejenigen  übrig,  welche  eine  mm  Punkte  x  covariante 
Gerade  zu  Grunde  legen.  Ehe  ich  hierauf  genauer  eingehe,  werde 
ich  betreffs  der  Liniencoordinaten  im  Räume  und  überhaupt  der  Prin- 
cipien  der  Liniengeometrie  einige  Vorbemerkungen  machen*),  einmal, 
weil  diese  Dinge  ausserhalb  der  specifisch  geometrischen  Kreise  immer 
noch  wenig  bekannt  sein  dürften,  dann  auch,  weil  wir  statt  des  •ge- 
wöhnlichen Coordinatentetraeders  ein  Pentaeder  betrachten  müssen. 

§  8.    Ueber  Liniencoordinaten  im  Bannie. 

Das  eigentliche  Princip  der  Liniencoordinaten  im  Räume,  welches 
wir  ebensowohl  beim  Gebrauche  des  Coordinatenpentaeders  wie  bei 
dem  des  Tetraeders  festhalten  können,  ist  bereits  1844  von  Grassmann 
in  der  ersten  Auflage  seiner  Ausdehuungslehre  (Leipzig,  Wigand**) 
gegeben    worden.     Es    seien  X,    Y  zwei  Punkte  der  Geraden;   dann 


*)  Man  sehe  Plücker's:  Neice  Geometrie  des  Baumes,  gegründet  auf  die  Be- 
trachtung der  geraden  Linie  als  Baumelement  (Leipzig  1868,  69),  sowie  die  neaen 
Auflagen  von  Sälmon-Fiedler's  analytischer  Geometrie  des  Raumes. 
**)  Neu  abgedruckt  1878. 


176  II,  2.    Geometrische  Interpretation. 

hetrachtet  man  als  homogene  Liniencoordinaten  sämmttiche  zweigliedrige 
Determinanten,  die  sich-  aus  den  Coordinaten  dieser  Punkte  msammen- 
setzen  lassen. 

Legen  wir  zunächst,  um  bei  der  gebräuchlicTieu  Darstellung  zu 
bleiben,  ein  Coordinatentetraeder  zu  Grunde.  Wir  bezeichnen  dann 
die  Coordinaten  von  X,   Y  folgendermassen: 

■^l;    -^2?   ^3>   -^4?       ^17    -^2?    -^3;    •^4> 

setzen: 

(19)  pa=XiY,-Y,X, 
und  haben  zuvörderst: 

(20)  Piic  =  —Pki, 

wodurch  die  zwölf  verschiedenen  pik,  die  es  gibt,  auf  sechs  linear 
unabhängige  zurückgebracht  werden,  für  welche  wir  etwa  folgende 
auswählen  wollen: 

(21)  Pl2,      Pn,      Pu,      i>34J      i'42;       P23- 

Zwischen  diesen  besteht  dann  noch  die  leicht  zu  erweisende  Identität: 

(22)  P  =  Pi2Psi  +  P13P42  +  1^14^23  =  0- 

Zwei  Linien  p,  p'  schneiden  sich,  wenn  eine  bilineare  Relation 
zwischen  ihren  Coordinaten  statthat,  die  man  kurzweg  folgendermassen 
bezeichnen  kann: 

(23)  S/,,.-^  =  0; 

die  Summation  hat  sich  dabei  über  die  sechs  Combinationen  (21)  zu 
erstrecken.  Offenbar  ist  dies  keineswegs  die  allgemeine  lineare  Glei- 
chung für  die  pik,  denn  auch  die  p'a  sind  einer  Identität  von  der 
Forni  (22)  unterworfen.  Indem  wir  unter  aik  beliebige  Grössen  ver- 
stehen und  an  der  Tabelle  (21)  festhalten,  wollen  wir  die  in  Rede 
stehende  allgemeine  Gleichung  in  folgender  Form  schreiben 

(24)  '  Sa„  ■4i-  =  0. 

Die  Gesammtheit  der  geraden  Linien,  welche  eine  solche  Gleichung 
befriedigen,  ist  das,  was  Plücker  einen  linearen  Complex  genannt,  übri- 
gens Mobius  bereits  1833  in  ausführlicher  Weise  discutirt  hat*).  Mit 
den  geometrischen  Eigenschaften  des  linearen  Complexes  werden  wir 
uns  hier  nicht  weiter  beschäftigen.  Wir  wollen  nur  noch  verabreden, 
dass  wir  die  Coefficienten  aa   als  Coordinaten  des  linearen  Complexes 


*)  Crelle's  Journal  Bd.  X:   Ueber  eine  besondere  Art  dualer  Verhältnisse  zwi- 
schen Figuren  im  Baume. 


II,I[2.    Geometrische'Interpretation.  177 

bezeichnen  werden,  wobei  wir  gelegentlich,  der  Formel  (20)  entspre- 
chend, neben  den  a,*   auch  noch  üki  einführen  mögen: 

(25)  ttik  =  —  üki. 
Ist 

(26)  a^gag^  +  a^^a^^  +  a^^a.^^  =  0, 

so  können  wir  die  an  durch  die  pa  der  Formel  (23)  ersetzen,  der 
Complex  ist  dann  ein  specieller  und  besteht,  wie  ersichtlich,  aus  allen 
Geraden,  welche  die  feste  Gerade  p'  schneiden.  Fügen  wir  zwei  spe- 
cielle  Complexe  p',  p"  additiv  zusammen,  bilden  also 

«a  =  ^'p'iiz  +  '^"'P'ik, 
so  haben  wir,  von  besonderen  Fällen  abgesehen,  einen  allgemeinen 
Complex.  Jeder  allgemeine  Complex  Icann  erhalten  werden,  wenn  wir 
sechs  vorgegebene  specielle  Complexe  mit  Hülfe  geeigneter  MultipUcatoren 
zusammenaddiren.  Es  müssen  die  speciellen  Complexe  nur  linear  un- 
abhängig sein,  d.  h.  sie  dürfen  mit  ihren  Coordinaten  nicht  sämmt- 
lich  dieselbe  lineare  homogene  Gleichung  befriedigen.  In  diesem 
Sinne  brauchbar  sind  insbesondere  solche  sechs  gerade  Linien,  welche 
die  Kanten  eines  Tetraeders  bilden. 

So  viel  über  die  gewöhnlichen  Begriffsbestimmungen  der  Linien- 
geometrie. Ersetzen  wir  jetzt  das  Coordinatentetraeder  durch  ein 
Pentaeder,  so  ist  die  einzige  Modification  diese,  dass  die  Zahl  der 
Coordinaten  vermehrt  erscheint,  dafür  aber  neue  Bedingungsgleichungen 
hinzutreten.  Was  zunächst  die  Punktcoordinaten  angeht,  so  haben 
wir  für  X,  Y  jetzt  in  früherer  Weise: 

-^0>    -^If    -^27    -^3;    -^47        ^Q}     ^19     ^2}     ^3}     ^4: 

mit  2JX  =  0,  271^=  0.    Dann  aber  haben  wir  zwanzig  Determinanten: 

(27)  pa-  =X.r,  -  YiX, 
zu  unterscheiden.     Natürlich  ist  wiederum: 

(28)  Pik  =  —Pki, 
überdies  aber,  wie  ersichtlich: 

(29)  ^Pik  ==  0,  oder  auch  ^pik  =  0, 

wo  die  Summe  über  diejenigen  vier  Werthe  von  i,  resp.  k  zu  er- 
strecken ist,  die  von  dem  jedesmaligen  k,  bez.  i  verschieden  sind. 
Daneben  besteht  dann  noch  die  quadratische  Relation  (22)  nebst  den 
anderen,  die  aus  ihr  durch  (28),  (29)  hervorgehen.  Wiederum  können 
wir  auch  von  Coordinaten  des  linearen  Complexes  reden.  Es  sind  zwanzig 
Grössen  am,  die  ebenfalls  den  linearen  Relationen  (28),  (29)  genügen, 
sonst  aber  unbeschränkt  veränderlich  sind.  Was  über  die  Zusammen- 
setzung allgemeiner  linearer  Complexe  aus  speciellen  Complexen  ge- 
sagt wurde,  behält  un geändert  seine  Gültigkeit.    Alle  diese  Dinge  sind 

Klein,  Gleichungen  5.  Grades.  12 


178  n,  2.    Geometrische  Interpretation. 

so  einfach,  dass  wir  ihre  vorläufige  Betrachtung  hiermit  bereits  ab- 
brechen können. 

§  9.    Eine  Kesolvente  zwanzigsten  Grades  der  Gleichungen  fünften 

Grades. 
Kehren  wir  nunmehr  zu  den  Betrachtungen  des  §  7  zurück.  Wir 
wollten  diejenigen  Gleichungen  betrachten,  von  denen  die  Pentaeder- 
coordinaten  einer  Raumgeraden  abhängen.  Offenbar  können  wir  statt 
dieser  Gleichungen  auch  gleich  die  allgemeineren  in  Betracht  ziehen, 
durch  welche  die  Coordinaten  eines  beliebigen  linearen  Complexes 
bestimmt  werden.  Wir  gewinnen  so  überhaupt  Gleichungen  ^wamigsten 
Grades,  deren  Wurzeln  aa  den  Formeln  (28),  (29)  entsprechend  durch 
folgende  lineare  Relationen  verbunden  sind: 

(30)  aik  =  —  aki,     ^aik  =  0,     2ja,;t  =  0. 

i  k 

Eine  gewisse  Aehnlichkeit  dieser  Gleichungen  mit  den  Jacobi'schen 
Gleichungen  sechsten  Grades  (sofern  wir  letztere,  wie  Hr.  Kronecker 
es  thut,  als  Gleichungen  zwölften  Grades  für  die  ]/^  auffassen)  ist 
von  vorneherein  unverkennbar;  wir  werden  später  (im  fünften  Kapitel) 
den  engen  Zusammenhang  kennen  lernen,  der  in  dieser  Hinsicht  that- 
sächlich  statthat. 

Jetzt  handelt  es  sich  darum,  die  Grössen  Uik  gleich  geeigneten 
Functionen  der  x  zu  setzen  und  also  unsere  Gleichungen  zwanzigsten 
Grades  in  Resolventen  der  Gleichung  fünften  Grades  zu  verwandeln. 
Es  gilt,  wie  wir  es  in  §  7  ausdrückten,  den  linearen  Complex  (mit 
den  Coordinaten  anc)  dem  Punkte  x  covariant  zuzuordnen.  Wir  er- 
reichen dies  in  einfacher  Weise,  wenn  wir  an  §  5  anknüpfen.  Wir 
haben  dort  als  einfachste  co Variante  Punkte  des  Punktes  x  die  x^^\ 
x^^\  x^^\  x^^^  construirt:  wir  werden  die  einfachsten  covarianten  geraden 
Linien  erhalten,  wenn  wir  die  Verbindungsgeraden  dieser  Punkte  in 
Betracht  ziehen.     Die  Coordinaten  pik  dieser  Linien: 

(31)  p)k   =  dofxp  —  xf^'^x^j^ 

sind  linear  unabhängig,  denn  es  handelt  sich  ja  um  die  sechs  Kanten  eines 
Tetraeders.  Daher  werden  wir  die  allgemeinsten  Werthe  der  aik  erhalten, 
wenn  wir  diese  pik  vnit  Hülfe  geeigneter  Multiplicatoren  zusammenfügen: 

(32)  aa^ll^d'^-pir- 

Hier  sind  die  c'»"*,  je  nachdem  wir  alle  Vertauschungen  der  x 
oder  nur  die  geraden  Vertauschungen  derselben  in  Betracht  ziehen 
wollen,  als  symmetrische  oder  als  zweiwerthige  Functionen  der  x  ein- 
zuführen, übrigens  aber  wieder  so  zu  wählen,  dass  dem  Gesetze  der 
Homogeneität,  das  wir  uns  auferlegten,  genügt  wird. 


II,  2.    Geometrische  Interpretation.  179 

§  10.  Zur  Theorie  der  Fläclien  zweiten  Grades. 
Ich  scliliesse  das  gegenwärtige  Kapitel  mit  einigen  Erläuterungen 
über  die  Parameterstellung  der  geradlinigen  Erzeugenden  auf  Flächen 
zweiten  Grades.  Die  betreffenden  Parameter  sind  linear  gebrochene 
Functionen  der  projectiven  Punktcoordinaten  *).  Man  erhält  sie  am  ein- 
fachsten, wenn  man  die  Gleichung  der  Fläche  (was  auf  unendlich 
viele  Weisen  möglich  ist)  auf  folgende  Form  bringt: 
(33)  X,X,  +  X,X,  =  0. 

Setzen   wir  dann  einmal,  in  Uebereinstimmung  mit  dieser  Gleichung: 

das  andere  Mal: 

(35)  i  =  _i  =  ^, 

SO  bleibt  A  constant,  wenn  wir  uns  auf  einer  Erzeugenden  der  einen 
Art  bewegen,  welche  die  erste  heissen  soll,  ^  aber,  wenn  wir  auf  einer 
Erzeugenden  zweiter  Art  fortschreiten.  Daher  sind  A,  ^  zwei  Zahlen, 
welche  für  die  einzelne  Erzeugende  erster  oder  zweiter  Art  charakte- 
ristisch sind,  d.  h.  es  sind  Parameter,  welche  zur  Bezeichnung  der 
Erzeugenden  verwendet  werden  können.  Dabei  beachte  man,  dass 
jede  der  Formeln  (34),  (35)  zwei  Gleichungen  in  sich  begreift.  Wir 
dürfen  daher,  ohne  die  Bedeutung  der  A,  fi  zu  ändern,  die  Definition 
derselben  noch  etwas  verallgemeinern.  Für  X  z.  B.  können  wir  schreir 
ben,  indem  wir  die  beiden  Gleichungen  (34)  mit  Hülfe  beliebiger 
Grössen  q,  a  zusammenziehen: 

(36)  ^  =  ^Y^-^- 

Wir  erreichen  dadurch,  dass  Zähler  und  Nenner  von  A  gemeinsam  für 
eine  beliebig  vorzugebende  Erzeugende  zweiter  Art: 

a 

verschwinden.  Die  solchergestalt  bevorzugte  Erzeugende  soll  die  bei 
Einführung  von  A  izii  Grunde  gelegte  genannt  werden. 

Wir  wollen  nun  zunächst  das  Verhalten  der  A,  ^  bei  solchen 
Raumcollineationen ,  die  unsere  Fläche  in  sich  selbst  überführen,  be- 
achten**). Die  in  Rede  stehenden  CoUineationen  spalten  sich  bekann- 
termassen  nach  ihrem  Verhalten  gegen  die  Erzeugenden  der  Fläche  in 

*)  Die  Einführung  dieser  Parameter  ist,  geometrisch  zu  reden,  ein  Aequi- 
valent  für  die  projective  Erzeugung  der  beiden  auf  der  Fläche  verlaufenden  Regel- 
schaaren,  wie  ßie  beispielsweise  Steiner  seinen  Betrachtungen  zu  Grunde  legt. 

**)  Man  vergl.  etwa  Bd.  9  der  Mathem.  Annalen  (1875),  pag.  188  ff.  Die  im 
Texte  angeführten  Sätze  werden  auch  sonst  bei  modernen  Untersuchungen  immer 
wieder  gebraucht;  ein  genauer  Nachweis  würde  hier  zu  weit  führen. 

12* 


180  II>  2.   Geometrisclie  Interpretation. 

zwei  Arten:  entweder,  sie  führen  jedes  der  beiden  Erzeugendmsysteme  in 
sich  seihst  über,  oder  sie  vertauschen  die  beiden  Systeme.  Im  ersteren 
Falle  entspricht  jeder  Erzeugenden  A  vermöge  der  vorausgesetzten 
Collineation  eine  und  nur  eine  Erzeugende  A'  und  umgekehrt,  ebenso 
jedem  ft  ein  fi\  Daher  hat  man  nach  functionentlteoretischen  Grund- 
sätzen  einer   solchen   Collineation   entsprechend  nofhwendig  Formeln   der 

folgenden  Gestalt: 

.07N  -i'  _  a^-\-b       ...  _  q>  +  b' 

^"^^J  ^    —   cX  +  d'     ^    ~  c>  +  d'  ' 

Im  anderen  Falle  wird  analog  A'  eine  lineare  Function  von  ^,  fi' 
eine  solche  von  A  sein.  —  Ich  verweile  nicht  dabei,  zu  zeigen,  dass 
man  diese  Sätze  auch  umkehren  kann,  dass  man  also  eine  zugehörige 
Raumcollineation  erhält,  wenn  man  die  Formeln  (37)  [oder  die  ent- 
sprechenden, in  denen  A,  ^  vertauscht  sind]  ganz  beliebig  hinschreibt. 
Wir  bemerken  ferner,  dass  die  A,  fi  eine  Coordinatenbestimmung 
für  die  PunJcte  auf  unserer  Fläche  ergeben*).  In  der  That  schneiden 
sich  ja  in  jedem  Punkte  eine  Erzeugende  erster  und  eine  Erzeugende 
zweiter  Art,  deren  A,  [i  wir  auf  den  Punkt  übertragen  können.  Es 
ist  dabei  zweckmässig,  homogen  machend  A  durch  ^^i  X2,  (i  durch 
[ii  :  ftg  zu  ersetzen.     Eine  algebraische  Gleichung: 

(38)  /(A,,  A2;     ii„  ti,)  =  0, 

homogen  vom  Grade  l  in  den  A^,  Ag,  vom  Grade  m  in  der  ftj,  [i^ 
stellt  dann  eine  auf  der  Fläche  verlaufende  Curve  von  der  (l  -|-  m)^^"^ 
Ordnung  dar,  welche  m-mal  jede  Erzeugende  erster  Art,  Z-mal  jede 
Erzeugende  zweiter  Art  schneidet.  Wir  können  (34),  (35)  jetzt  in 
folgender  Weise  zusammenfassen: 

(39)  Xj  :  Xg  :  X3  :  X4  =  A-^^^  :  —  X^fi^  :  A^/a^  •  ^2/^2' 

Indem  wir  diese  Werthe  der  X  in  die  Gleichung  einer  Fläche 
^ter  Ordnung  eintragen: 

(40)  F(X„X3,  X3,  X,)  =  0, 

erkennen  wir,  dass  unsere  Fläche  zweiten  Grades  von  (40)  in  einer 
Curve  geschnitten  wird,  die,  in  der  Form  (38)  geschrieben,  sowohl  in 
den  A  als  in  den  ^  den  n^^^  Grad  darbietet.  Umgekehrt  wird  durch 
Benutzung  der  Formeln  (39)  auch  jede  Curve  (38),  die  gleichen 
Grades  in  den  A,  fi.  ist,  als  vollständiger  Schnitt  der  Fläche  zweiten 
Grades  mit  einer  zutretenden  Fläche  (40)  dargestellt  werden  können**). 

*)  Man  sehe  Plücker  in  Crelle's  Journal  t.  36  (1847).  Die  Discussion  der 
Curven  (38)  wurde  in  systematischer  Weise  fast  gleichzeitig  von  Hrn.  Gayley 
und  von  Chasles  aufgenommen  (1861,  siehe  Philosophical  Magazine,  Bd.  22,  sowie 
Comptes  Rendus,  Bd.  53). 

**)  Wenn   ich  hier  eine  Bemerkung  zufügen  darf,  die  in  den  Zusammenhang 
des  Textes  zwar  nicht  unmittelbar  hinein  gehört,   dafür  aber  auf  die  Entwicke- 


II,  2.    Geometrische  Interpretation.  181 

Wir  bestimmen  endlich,  unter  Beibehaltung  des  in  (33)  zu  Grunde 
gelegten  Tetraeders,  die  Liniencoordinaten  jo.jt  der  Erzeugenden  A,  j». 
Setzen  wir  in  (39)  einmal  ft^  =  0,  das  andere  Mal  ftg  =  0,  so  erhalten 
wir  für  zwei  auf  der  Erzeugenden  k  gelegene  Punkte: 

resp.  Yi'.Y^:Y^:Y^  =  Xi:  —  X^:0'.0. 

Daher  berechnen  wir  nach  (19)  für  die  zugehörigen  pik  die  folgenden 
Verhältniss  werthe : 

(41)  i)i2  =  0,  i9i3  =  X;\  i?i4  =^Kh,   P34  =  0,   P^2  =  h^  Pi3  =  —  ^1^2- 

Analog  kommt  für  die  Erzeugende  fi: 

(42)  P12  =  —  ^1%  Pia  =  0,  i?u  =  ^^1^27  1^34  =  ^2^  i>42  =  0,   P23  =  /*1^2- 

Wir   nehmen  jetzt  an,  dass   die   Gleichung  eines   linearen   Complexes 
hinzutritt,  die  folgendermassen  lautet: 

Indem  wir  in  dieselbe  die  Ausdrücke  (41),   (42)  eintragen,  erhalten 
wir  die  folgenden  beiden  quadratischen  Gleichungen: 

(43)  ^,2^11'  +  (-^23  -  Ad  KK  +  ^3^2'  =  0, 

(44)  —  A^^^  +  (^23  +  A4)  /^l/*2  +  ^12f*2'  =  0. 

Daher: 

Im  Allgemeinen  gehören  einem  linearen  Complexe  zwei  und  nur  zwei 
Erzeugende  jedes  Systems  an. 

Es  kann  aber  auch  sein,  dass  die  eine  oder  andere  dieser  Glei- 
chungen identisch  verschwindet.  Dies  gibt  bez.  drei  lineare  Bedingungen 
für  die  An^,  so  dass  noch  drei  derselben  willkürlich  bleiben.    Hieraus: 

Die  Erzeugenden  erster  und  zweiter  Art  unserer  Fläche  gehören  je 
einer  dreigliedrigen  linearen  Scharr  linearer  Complexe  an*). 
Ich   unterlasse   es,    die   Gleichungen  dieser   Schaaren  noch    besonders 
herzusetzen. 


lungen  des  ersten  Abschnitts  zurückgreift,  so  ist  es  diese,  dass  die  Biemann'sche 
Deutung  von  x  -f  iy  auf  der  Kugel  als  specieller  Fall  der  im  Texte  besprochenen 
Coordinatenhestimmung  X,  (ju  aufgefasst  werden  kann.  Weil  nämlich  sämmtliche 
geradlinige  Erzeugende  der  Kugel  imaginär  sind,  schneiden  sich  in  jedem  reellen 
Punkte  derselben  zwei  conjugirt  imaginäre  Erzeugende.  Führen  wir  jetzt  die  l,  [i 
in  geeigneter  Weise  ein  und  nennen  das  X,  welches  zu  einem  reellen  Kugelpunkte 
gehört,  X  -\-  ii/,  so  wird  das  entsprechende  ft  gleich  x  —  iy  sein.  Zur  Fixirung 
des  reellen  Punktes  genügt  es  also,  nur  den  einen  Wertli  x  -\-  iy  anzugeben,  und 
eben  dieses  ist,  wie  ich  hier  nicht  weiter  ausführen  kann,  die  Riemann'sche  Me- 
thode.    Vergl.  Math.  Annalen  Bd.  IX,  pag.  189  (1875). 

*)  Vergl.  durchweg:  Plücker's  neue  Geometrie  des  Baumes  etc. 


Kapitel  III. 
Die  Hauptgleiclinngeii  vom  fünften  Grade. 

§  1.    Bezeichnungen,  der  fundamentale  Ansatz. 

Das  neue  Kapitiel,  welches  wir  nunmehr  beginnen,  soll  in  jeder 
Beziehung  den  Mittelpunkt  unserer  Entwickelungen  abgeben.  Wir 
handeln  von  den  Hauptgleichungen  fünften  Grades  und  ihren  einfachen 
Beziehungen  zum  Ikosaeder.  Dabei  entlehnen  wir  dem  Früheren,  ins- 
besondere der  Bring'schen  Transformation,  den  einen  Grundgedanken: 
die  geradlinigen  Erzeugenden  der  Hauptfläche  m  betrachten.  Ich  bezeichne 
dabei,  wie  damals,  die  Hauptgleichung  fünften  Grades  folgendermassen : 

(1)  y'  +  6ay'-i-6ßy-^y  =  0, 

wo  die  Factoren  5  bei  a,  ß  aus  Zweckmässigkeitsgründen  zugefügt 
sind.  Auch  will  ich  von  vorneherein  den  Werth  der  Discriminante 
mittheilen.  Indem  man  die  etwas  lange  Formel  benutzt,  welche  man 
vielfach  für  die  Discriminante  der  allgemeinen  Gleichung  fünften 
Grades  angegeben  findet*),  hat  man  bei  (1): 

(2)  n(y,-y,y  =  312bV\ 

wo  V^  zur  Abkürzung  für  folgenden  Ausdruck  gesetzt  ist: 

(3)  V^  =  108aV  —  135a*/32  -f  gOa^/S/  _  d20aß^y  +  256/35  _{_  j,4^ 
Wir   knüpfen  nun  gleich  an  die   soeben  (im  Schlussparagraphen 

des  vorigen  Kapitels)  gegebenen  Entwickelungen  an,  indem  wir  uns 
die  zweierlei  Erzeugenden  der  Hauptfläche  durch  Parameter  A,  (i  be- 
zeichnet denken.     Es  seien 

(4)  «/o>  Vu  2/2,  2/3;  Vi 

die  Wurzeln  von  (1)  in  bestimmter  Reihenfolge.  Wir  denken  uns 
dann  diejenigen  60  Erzeugenden  A  und  60  Erzeugenden  (i  construirt, 
welche  einen  der  60  Funkte  der  Hauptfläche  enthalten,  deren  Coordi- 
naten  aus  (4)  durch  eine  gerade  Vertauschung  der  y  hervorgehen. 
Die  A,   ^  sind,    wie  wir  wissen,  linear  gebrochene  Functionen  der  y, 


*)  Vergl.  z.  B.  Faa   di  Bruno,   bearbeitet  von  Walter,   Einleitung  in  die 
Theorie  der  binären  Formen  (Leipzig  1881),  pag.  317. 


II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichnngen.  183 

die  60  in  Rede  stehenden  Werthe  von  A  oder  fi  hängen  also  von 
einer  Gleichung  60*^°  Grades  ab,  die  eine  rationale  Resolvente  unserer 
HauptgleichuDg  ist  und  deren  Coefficienten  dementsprechend  rationale 
Functionen  der  a,  j3,  y,  V  sind.  Nun  behaupte  ich  —  und  damit 
haben  wir  den  eigentlichen  Ansatz  zu  unseren  weiteren  Entwicke- 
lungen  — ,  dass  unsere  Besolventen  60*®°  Grades  bei  geschickter  Einführung 
der  X,  fi  nothwendig  Ikosaedergleichungen  sind,  also  ohne  Weiteres  folgen- 
dermassen  geschrieben  werden  können: 

v^^  1728  f  {X)  ~      1'      1728  f^  in)         ^^' 

WO  allein  Z^,  Zg  von  den  a,  ß,  y,  V  abhängen. 

Der  Beweis  bietet  sich  auf  Grund  unserer  früheren  Angaben  un- 
mittelbar. Wir  haben  die  Raumcollineationen,  welche  eine  Fläche 
zweiten  Grades  in  sich  selbst  transformiren,  soeben  in  zwei  Arten  getheilt, 
je  nachdem  dieselben  das  einzelne  Erzeugendensystem  der  Fläche  in 
sich  verwandeln  oder  mit  dem  anderen  Erzeugendensysteme  vertau- 
schen. Nun  geht  die  Hauptfläche  zweiten  Grades  bei  den  120  Raum- 
collineationen, die  den  Permutationen  der  y  entsprechen,  in  sich  über. 
Wir  wollen  es  hier  zunächst  dahin  gestellt  sein  lassen,  wie  sich  die 
Erzeugendensysteme  der  Fläche  der  Gesammtheit  dieser  Collineationen 
gegenüber  verhalten.  Sollten  nicht  alle  Collineationen  das  einzelne 
Erzeugendensystem  in  sich  transformiren,  so  muss  es  jedenfalls  die 
Hälfte  derselben  thun.  Diese  Hälfte  unserer  Collineationen  muss  dabei 
für  sich  genommen  nothwendig  eine  Gruppe  und  sogar  eine  in  der 
Gesammtheit  ausgezeichnete  Gruppe  bilden;  sie  kann  also  nur  aus  den 
geraden  Collineationen  bestehen.  Daher  haben  —  und  dieses  ist  ein 
erstes  Resultat  —  jedenfalls  die  60  geraden  Collineationen  die  Eigen- 
schaft, jedes  der  beiden  Er^eugendensysteme  der  Hauptfläche  in  sich  selbst 
m  verwandeln.  Wir  erinnern  uns  jetzt,  dass  nach  der  soeben  unter 
(37)  gegebenen  Formel  [H,  2,  §  10*)]  der  Parameter  A,  wie  auch  der 
Parameter  fi,  bei  jeder  derartigen  Collineation  seinerseits  eine  lineare 
Transformation  erfährt.  Die  60  Werthe  k,  welche  unserer  'Resolvente 
60*®"*  Grades  genügen,  hängen  also  unter  sich  (um  auch  die  entsprechenden 
Werthe  von  fi)  linear  mit  constanten  Coefßcienten  msammen,  oder  auch: 
die  Gleichungen  für  A  und  (i  gehen  beziehungsweise  durch  eine  Gruppe 
von  60  linearen  Substitutionen  in  sich  selbst  über.  Hieraus  aber  folgt 
die  Richtigkeit  unserer  Behauptung  unmittelbar  nach  den  Entwicke- 
lungen  von  I,  5,  §  2,  sobald  wir  noch  hinzunehmen,  dass  die  Gruppe 


*)  Mit   der   römischen  Zahl  bezeichne  ich  wieder  den  Abschnitt,   mit  der 
folgenden  arabischen  Zahl  das  Kapitel. 


134  II»  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen. 

der  linearen  Transformationen,  welche  A  oder  ^  erfährt,  mit  der  Gruppe 
der  geraden  Vertausehungen  der  y  holoedrisch  isomorph  ist.  Die  un- 
bekannten A,  f*,  welche  in  den  kanonischen  Formen  (5)  auftreten,  sind 
dabei  geeignete  lineare  Functionen  der  ursprünglichen  mit  diesen 
Buchstaben  bezeichneten  Parameter;  wir  wollen  sie  die  Normalpara- 
meter nennen,  dürfen  aber  nicht  vergessen,  dass  sie  in  Uebereinstim- 
mung  mit  den  60  linearen  Transformationen,  durch  welche  jede  der 
Gleichungen  (5)  in  sich  übergeht,  noch  je  auf  60  verschiedene  Weisen 
ausgewählt  werden  können. 

Haben  wir  so  unsere  anfängliche  Behauptung  bewiesen,  so  können 
wir  auf  demselben  Wege  noch  ein  Stück  weiter  gehen.  Ich  sage  zu- 
nächst, indem  ich  die  soeben  berührte  Frage  wieder  aufnehme,  dass 
hei  jeder  ungeraden  Collineation  nothwendig  die  heiden  Erzeugendensysteme 
der  Hauptfläche  vertauscht  werden.  Würde  nämlich  bei  sämmtlichen 
120  Collineationen  das  einzelne  Erzeugendensystem  in  sich  selbst  ver- 
wandelt, so  müsste  es,  auf  Grund  der  soeben  citirten  Formel  (37),  eine 
Gruppe  von  120  linearen  Substitutionen  einer  Veränderlichen  geben, 
die  mit  der  Gruppe  der  120  Vertauschungen  von  fünf  Dingen  ho- 
loedrisch isomorph  wäre,  was  aber  nach  I,  5,  §  2  unmöglich  ist.  Haben 
wir  also  A  (den  Parameter  der  Erzeugenden  erster  Art)  irgendwie  als 
gebrochene  lineare  Function  der  y  dargestellt,  so  erhalten  wir  einen 
Parameter  ^  der  Erzeugenden  zweiter  Art,  indem  wir  die  in  A  vor- 
kommenden y  irgend  einer  ungeraden  Permutation  unterwerfen.  Ins- 
besondere erhalten  wir  die  60  normalen  Werthe  von  f*,  wenn  wir  hei 
einem  der  normalen  Werthe  von  A  sämmtliche  ungerade  Permutationen  der 
y  in  Anwendung  hringen.  Bei  diesen  ungeraden  Permutationen  bleiben 
die  Ooefficienten  a,  ß,  y  natürlich  ungeändert,  während  V  sein  Vor- 
zeichen wechselt.  Die  in  den  Gleichungen  (5)  vorkommenden  Grössen  Z^, 
Z2  unterscheiden  sich  also  nur  durch  das  Vorzeichen  von  V.  —  Wir  können 
diesen  Sätzen  auch  noch  eine  andere  Wendung  geben,  indem  wir  die 
60  Punkte  y'  einführen,  deren  Coordinaten  y  aus  dem  Schema  (4)  durch 
ungerade  Vertauschung  der  y  hervorgehen.  Wir  haben  nämlich  zur 
Darstellung  der  Erzeugenden  erster  und  zweiter  Art,  welche  durch  diese 
Punkte  hindurchlaufen,  beziehungsweise  folgende  Gleichungen: 

W  1728  rW    ~      2;       n28f'((i)   ~~^^    ^' 

*)  Ich  gab  die  im  Texte  entwickelten  Ueberlegnngen  (sowie  die  zugehörigen 
Formeln  der  folgenden  beiden  Paragraphen)  zuerst  in  zwei  Mittheilungen  an  die 
Erlanger  Societät  vom  13.  Nov.  1876  und  15.  Januar  1877  [Weitere  Mittheilungen 
über  das  Ikosaeder  1,  II].  üebrigens  will  ich  gleich  hier  den  Fall  der  Gleichungen 
dritten  und  vierten  Grades  zum  Vergleich  heranziehen.    Die  drei  Wurzeln  x  einer 


II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen.  185 

§  2.    Bestimmung  des  geeigneten  Parameters  L 
Die  Formeln,  welche   wir  nunmehr  für  das  normale  A  aufstellen 
wollen,  sind  an  sich  ausserordentlich  einfach  und  leicht  zu  verificiren. 
Wenn  ich   trotzdem   zu  ihrer  Ableitung  einigen  Raum  gebrauche,   so 
geschieht    es,    weil   ich    wiederum   jedes    einzelne  Resultat  als  Folge 
einer  ohne  alle  Rechnung  anzustellenden  Ueberlegung  ableiten  möchte. 
Als  erzeugende  Operationen  der  Ikosaedergruppe  haben  wir  früher 
(I,  2,  §  6)  die  folgenden  beiden  gefunden: 
(   Siz'  =  £Z, 

i  (c'  —  «')2  +  (e  —  «*)  ' 

Wir  sahen  ferner  (I,  4,  §   10),  dass   sich  diesen  Substitutionen  ent- 
sprechend die  Oktaederformen  t^,   folgendermassen  permutiren: 

S   :    ty    =     tv+l, 


Dieselben  Vertauschungsformeln  gelten  für  die  Wurzeln  der  verschie- 
denen Resolventen  fünften  Grades  der  Ikosaedergleichung,  die  wir  da- 
mals (I,  4)  aufstellten,  insbesondere,  worauf  wir  bald  zurückgreifen 
werden,  für  die  Wurzeln  der  Hauptresolvente.  Wir  werden  unsere 
neuen  Formeln  so  einzurichten  wünschen,  dass  sie  sich  möglichst  an  die 
damaligen  anschliessen.  Wir  werden  daher  das  normale  l  unter  den 
60  überhaupt  in  Betracht  kommenden  Parameterwerthen  so  auswählen, 
dass  es  genau  die  Substitutionen  (7)  erfährt,  wenn  man  die  y  den  beiden 
durch  (8)  indicirten  Permutationen  untenvirft. 

Der  Werth  von  X  ist  hiermit  fixirt,  keineswegs  aber  seine  Form 
als  Function  der  y.  Erstlich  haben  wir  noch  in  der  Hand,  welche 
Erzeugende  zweiter  Art  wir  in  dem  früher  (II,  2,  §  10)  erläuterten 
Sinne    bei    Einführung    von    l    zu    Grunde    legen    wollen.     Zweitens 


Gleichung  dritten  Grades  mit  Sx  =  0  deuten  wir,  dem  Früheren  zufolge,  auf  einer 
geraden  Linie.  Bezeichnen  wir  dann  einen  beliebigen  Punkt  dieser  Geraden  in  ge- 
wöhnlicher Weise  durch  einen  Parameter  X,  so  erfährt  X  bei  sämmtlichen  6  Permuta- 
tionen der  X  lineare  Substitutionen  vom  Diedertypus,  genügt  also,  richtig  normirt, 
einer  Bieder gleichung  sechsten  Grades.  —  Bei  den  Gleichungen  vierten  Grades 
verlegen  wir  die  geometrische  Deutung  in  die  Ebene,  bedingen  aber  neben 
Sx  =  0  auch  üx^  =  0 ,  beschränken  uns  also  auf  „Hauptgleichungen".  Die 
Punkte  des  solchergestalt  bevorzugten  Kegelschnitts  stellen  wir  wieder  in  ge- 
wöhnlicher Weise  durch  einen  Parameter  X  dar.  Dieser  Parameter  erfährt  dann 
bei  sämmtlichen  24  Vertauschungen  der  x  lineare  Substitutionen,  genügt  also, 
richtig  normirt,  einer  Oktaeder  gleichung  (oder  auch  nach  Adjunction  der  Quadrat- 
wurzel aus  der  Discriminante  der  Gleichung  vierten  Grades,  einer  Tetraeder- 
gleichtmg). 


186  II,  3.    Theorie  der  Haiiptgleichungen. 

können  wir  Zähler  und  Nenner  von  A  durch  Hinzufügen  beliebiger 
Multipla  von  Uy  (welches  identisch  =  0  ist)  modificiren.  In  beiderlei 
Hinsicht  wollen  wir  bestimmte  Verabredung  treffen. 

Bei  jeder  linearen  Substitution  von  l  oder  (i  bleiben  zwei  Werthe 
der  Veränderlichen,  d.  h.  zwei  Erzeugende  der  ersten  resp.  zweiten 
Art  fest.  Wir  betrachten  nun  insbesondere  die  Operation  S  und 
legen  eine  der  beiden  bei  ihr  festbleibenden  Ergeuge^iden  gweiter  Art  bei 

Einführung  von  A  gti  Grunde.     Sei  k  in  dieser  Voraussetzung  =  — , 

wo  ^,  ^  zwei  lineare  Functionen  der  y  bedeuten.  Indem  wir  inner- 
halb p,  g  diejenige  Vertauschung  der  y  vornehmen,  die  ebenfalls 
durch  S  indicirt  ist,  entstehen  'p' ,  q.  Hier  haben  ^'  =  0,  q'  =  0 
nach  Voraussetzung  dieselbe  Gerade  gemein,  wie  i?  =  0,  q  =  0\  es 
ist  also  für  beliebige  y: 

p   =  ap  -\-  bq  -\-  m  •  üy, 

q  =  cp  -{-  dq  -\-  n  '  Zy. 

Aber   ^  =  A'  soll  der  Formel  (7)  entsprechend  für  alle  Funkte  der 

Hauptfläche  gleich  sk  sein,  und  die  Punkte  der  Hauptfläche  sind  durch 
keinerlei  lineare  Relation  zwischen  den  Coordinaten  von  de»  übrigen 
Raumpunkten  verschieden.  Daher  verwandeln  sich  vorstehende  Glei- 
chungen nothwendig  in  die  einfacheren: 

p'  =  sd  •  p  -\-  m  •  Uy, 

q   =    d-q-\-n  '  Uy, 

wo  d,  m,  n  zuvörderst  unbekannt  sind.  Wir  können  diese  Gleichungen 
folgendermassen  umsetzen: 

Jetzt  werden  wir,   unbeschadet  der  Gleichung  A  =  — ,   die  hier  auf- 

tretenden    Ausdrücke  p  -\ — ^ -  Uy ,     q  -\-  -^ •  Ey    kurz    mit 

p,  q  bezeichnen  dürfen.     Dann  haben  wir  einfach: 

p'  =  sd  '  p, 


[  q  =    d'  q 

Das  Resultat  unserer  Ueberlegung  ist  hiermit  dieses:  wir  können,  und 
zwar   noch  auf  zwei    Weisen  (da  eine  von  zwei  Erzeugenden  zweiter 

Art  ausgewählt  werden  musste),  unser  A  derart  =  —  setzen,  dass  nach 


(10) 


II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen.  187 

Anwendung  der  Vertauschung  S  auf  die  y  die  Gleichungen  (9)  identisch 
statt  haben. 

Nun  ist  aber  bekannt  (und  übrigens  leicht  zu  beweisen),  dass  bei 
der  Vertauschung  S  beliebiger  Grössen  y  keine  anderen  linearen 
Functionen  der  y  sich  um  einen  constanten  Factor  ändern,  als  die 
Multipla  der  Ausdrücke  von  La^range: 

1^1  =  ^0  +  «  2/i  4"  f'2/2  +  «^2/3  +  «*y4; 
?>2  =  ^0  +  «^^1  +  «^2/2  +  «  2/3  +  ^^Vi, 

Ä  ==  ?/0  +  ^^Vi  +  «   2/2  +  «^^3  +  «^2/4, 
^4  =  2/0  +  ^^Vl  +  «'^2  +  «'«/3  +  «  2/4, 

denen  sich  als  völlig  ungeändert  bleibender  Ausdruck  noch  Zy  zuge- 
sellen würde,  wenn  es  nicht  bei  uns  identisch  Null  wäre.  Was  die 
Aenderungen  der  pk  bei  der  Permutation  S  angeht,  so  ist  Pi  =  «**'^t. 
Daher  sind  die  einzigen  drei  Ausdrücke  für  X,  tvelcJie  den  Belationen  (9) 
Genüge  leisten,  die  folgenden: 

(11)  ^  =  ».-i.  ^  =  ^^-t'  '-'^-t 

Von  diesen  Ausdrücken  ist  der  erste  und  dritte  brauchbar,  der 
zweite  aber  zurückzuweisen.  Es  zeigt  sich  nämlich,  dass  die  Durch- 
schnittgeraden von  jPi  =  0  und  p^  ==  0,  sowie  die  von  Ps  =  0,  p^^  =  0 
in  der  That  der  Hauptfläche  angehören,  nicht  aber  die  Gerade  jPa  =  ö, 
jOg  ==  0.  Wir  beweisen  dies  am  besten,  indem  wir  die  pk  statt  der 
yy  in  die  Gleichung  der  Hauptfläche  einführen.  Wir  haben  aus  (9), 
indem  wir  Z!y  =  0  hinzunehmen: 

(12)  öy,  =  £*-i)i  +  a'^p,  +  s^^p,  +  s-p^ 

und  also: 

26  2:y'==  10  (j>,p,+p,p,), 

so  dass  die  Gleichung  der  Hauptfläche,  bezogen  auf  das  Coordinaten- 
system  des  Lagrange^  die  folgende  wird: 

(13)  P1P4.  +  V2P%  =  0, 

woraus  die  Richtigkeit  unserer  Behauptung  ohne  Weiteres  hervor- 
geht.    Aus  (13)  folgt  noch: 

:Pl=  _  ^. 

setzen   toir  also,   der  ersten  Formel  (11)  entsprecliend,   k==c^-—,  so 

müssen  wir  es  auch  =  —  c,  •  —  setzen. 

^    Pi 

Es  wird  jetzt  nur  noch  darauf  ankommen,  den  hier  auftretenden 
Factor  c   zu    bestimmen.     Wir    bilden  uns   k',   indem   wir  die   y  der 


188  n,  3.    Theorie  der  Hanptgleichungen. 

Vertauschung  T  nach  Formel  (8^  unterwerfen,  und  tragen  dasselbe 
dann  in  die  entsprechende  Formel  (7)  ein.  Die  so  entstehende  Glei- 
chung kann  keine  Identität  sein,  weil  die  Erzeugende  zweiter  Art, 
die  wir  bei  Aufstellung  des  A  benutzten,  bei  T  nicht  festbleibt.  Sie 
muss  aber  eine  richtige  Gleichung  werden,  wenn  wir  den  Relationen 
Sy  =  0,  Ey^  ==  0  Rechnung  tragen.  Wir  erhalten,  indem  wir  ge- 
eignete Terme  beiderseits  vergleichen,  für  q  den  Werth  —  1.  Daher 
ist  unser  normales  X  definitiv: 

(14)  A=_A==Pl 

ganz  in  Uebereinstimmung  mit  dem  Werthe,  den  wir  für  den  Para- 
meter A  im  Schlussparagraphen  des  vorigen  Kapitels  (Formel  (34) 
daselbst)  angenommen  hatten*). 

§  3.  Bestimmung  des  Parameters  ^. 
Der  normale  Parameter  i*,  den  wir  für  die  Erzeugenden  zweiter 
Art  ins  Auge  fassten,  sollte  sich  aus  dem  Parameter  X  durch  eine 
ungerade  Permutation  der  y  ergeben.  Wir  genügen  dieser  Forderung, 
wenn  wir,  wiederum  in  Uebereinstimmung  mit  dem  Schlussparagraphen 
des  vorigen  Kapitels  (Formel  (35)  daselbst): 

(15)  "  =  -1:  =  ^ 

nehmen.  In  der  That  resultirt  dieser  Werth  aus  (14),  wenn  wir 
yo,yi,y2,y3,  y^  ^ez.  durch  yo,y3,yi,yi,  2/2  ersetzen,  also  (y^,  y^,  y^,  y^) 
cyclisch  vertauschen. 

Nun  kann  man  aber,  wie  ersichtlich,  die  Formeln  (15)  aus  (14) 
auch  noch  in  anderer  Weise  ableiten,  nämlich  so,  dass  man  in  (14) 
das  8  überall  dur<;h  e^  ersetzt.  Diese  Umwandlung  überträgt  sich 
dann  natürlich  auf  die  Substitutionen  S,  T  (7)  und  die  aus  ihnen  ent- 
stehenden Ikosaedersubstitutionen.  Die  Substitutionen,  welche  ft  und  l 
hei  den  geraden  Vertauschungen  der  y  erfahren,  sind  hiernach  allerdings  in 
ihrer  Gesammtheit,  aber  keineswegs  im  Einzelnen  identisch,  vielmehr  erhält 
man  die  einen  aus  den  anderen,  indem  man  s  durchweg  in  s^  verwandelt, 
—  ein  Satz,  der  in  der  Folge  fundamental  ist.    Hiermit  übereinstimmend 


*)  Wollen  wir  in  ähnlicher  Weise  für  die  Gleichungen  dritten  und  vierten 
Grades,  die  wir  soeben  besprochen,  die  Wurzeln  der  Diedergleichung ,  resp. 
Oktaedergleichung  aufstellen,  so  bekommen  wir  entsprechend: 

x^  +  ax^-j-a^x^                ]/2 (x^ -f- ix,  -j-i^x^ -\- i^x^)     —  {x^ ■\-i''x,-\- i*^^ -^i^x^) 
'  —  -  resp.  A  :^ •  — 


wo  a'  ==  t*  =  1,  so  dass  also  auch  hier  die  Quotienten  der  Ausdrücke  von  Lagrange 
sich  einstellen. 


II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen.  189 

erhält  man,   wenn  man  die  erwähnte  Operation  auf  das  fi  anwendet, 

nicht    etwa    wieder    X,    sondern j-'     ^^  ist  dies  derjenige  Werth, 

der  aus  A  vermöge  der  früher  mit  U  bezeichneten  Ikosaedersubstitu- 
tion  entsteht.  Ihr  entspricht  die  gleichzeitige  Vertauschung  von  «/i 
mit  ^4  und  von  2/2  ™it  2/3« 

Wir  wollen  noch  die  Formel  (39)  von  II,  2,  §  10  aufaehmen. 
Vermöge  derselben  haben  wir  jetzt,  indem  wir  X  durch  A,  :  Ag,  fi  durch 
fij  :  ^2  ersetzen: 

(16)  p^  :p2  :P3  :Pi  =  X^fi^  :  —  A^/ti  :  A^.u^ :  X^fi^, 
oder  unter  Einführung  eines  Proportionalitätsfactors  q: 

(17)  Qy,  =  a^'  .  Aijtii  —  e^^  •  A^ft^  +  f^v  .  ^^^^  _|_  ^v .  ^^^^^ 


§  4.    Die  Hauptresolvente  der  Ikosaedergleichung. 

Nachdem  wir  für  eine  beliebige  Hauptgleichung  fünften  Grades 
die  normalen  Parameter  A,  /*  gefunden  haben,  werden  wir  unsere 
Formeln  insbesondere  bei  der  Hauptresolvente  fünften  Grades  in  An- 
wendung bringen,  die  wir  früher  (IV,  1,  §  12)  construirt  haben,  indem 
wir  eine  beliebige  Ikosaedergleichung 

^^^^  i7287M^rr^  =  ^ 

als  gegeben  voraussetzten.  Wir  erhalten  auf  solche  Weise  ein  ausser- 
ordentlich einfaches  Resultat,  das  für  den  weiteren  Fortschritt  unserer 
Entwickelung  von  massgebender  Bedeutung  ist. 

Die  Hauptresolvente  war  durch  die  Formeln  definirt: 

(19)  Yy  =  m  •  v^  -\-  n  •  UyVv, 
wo 

(20)  u,^^^,.=  ^^, 

unter  f,  H,  T  die  Grundformen  des  Ikosaeders,  unter  t^,  Wy  die  wie- 
derholt genannten  Formen  sechster  und  achter  Ordnung  verstanden. 
Man  beachte  jetzt,  dass  man  Wy  und  ty  Wy  in  folgender  Weise  schrei- 
ben kann: 

(21)  Wy  =  {e^^z,  -  s^^z,)  (-  g,''  -f  7^,«  V) 

+  (^'^^1  +  «"^2)    (-7V^2'-V), 

(22)  ty  Wy  =  («^*^i  —  8^-0^)  (—  26^ii"^23  _^  39^^5^^8  _^  _^^i3^ 

Hiernach  nimmt  Yy  in  Formel  (19)  folgende  Gestalt  an: 

(23)  Yy  =  {a'^Z,  -  £3v^^)  iJ  4.  (£2v^^  _^  ^v^^)  ^^ 


190  II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichuogen. 

wo  jR,  S  lineare  Functionen  von  m,  n  sind.  Es  werden  also  die 
Lagrange'schen  Ausdrücke  (die  wir  hier  ebenfalls  mit  grossen  Buch- 
staben bezeichnen): 


(24) 

^       ^  •     P2  =  —  5^2  .  jB,  P4  =  5;22  .  S. 

Daher  kommt  einfach: 

(25)  A  =  ^,     ^  =  4. 

Vor  allen  Dingen  haben  wir  also:  Der  Parameter  X  stimmt  mit 
der  UnheJcannten  ^^  :  0^  der  ursprünglichen  Ihosaedergleichung  überein, 
oder,  geometrisch  ausgedrückt:  Der  Punkt: 

(26)  yy  =  m  ■  Vy{X)  -\-  n  •  Uy{X)  •  Vyify 

liegt,  was  auch  m  und  n  bedeuten  mögen,  auf  der  Erzeugenden  erster 
Art  X.  Betrachten  wir  hier  X  als  eine  veränderliche  Grösse,  so  durch- 
läuft der  Punkt  ifr,,  wie  wir  im  vierten  Paragraphen  des  vorigen  Ka- 
pitels sahen,  eine  halbreguläre,  rationale  Curve,  die  im  Allgemeinen 
von  der  38*®"^  Ordnung  ist.  Wir  hatten  beim  Beweise  die  Formeln 
{2Q)  unter  Einführung  eines  Proportionalitätsfactors  q  durch  folgende 
ersetzt: 

(27)  Qyy^m-  Wy  {X„  X,)  •  T{X„  X,) 

+  12n  ■  ty  {X„  X,)  .  Wy  {X„  X,)  -fix,,  X,). 

Wir  erkennen  jetzt  erstens,  wie  beiläufig  bemerkt  sei,  weshalb,  geome- 
trisch zu  reden,  die  Ordnung  der  solchergestalt  gewonnenen  Curve  für 
m  =  0  auf  14,  für  w  =  0  auf  8  herabsinken  kann.  Es  geschieht,  weil 
sich  von  der  allgemeinen  Curve  58*®'  Ordnung  das  eine  Mal  doppeltmhlend 
das  Aggregat  der  12  Erzeugenden  erster  Art  f  {X^,  Ag)  =  0,  das  andere 
Mal  einfach  zahlend  das  Aggregat  T  {X-^,  X^)  ==  0  absondert.  Uebrigens 
aber  haben  wir  für  unsere  Curven  (27)  jetzt  folgende  Sätze.  Wir 
finden,  dass  unsere  Curven  den  Erzeugenden  erster  Art  immer  nur  ein- 
mal, den  Erzeugenden  zweiter  Art  also  37-mal  begegnen.  In  der  That 
haben  wir  für  jede  Erzeugende  X  nach  (27)  nur  je  einen  Curvenpunkt. 
Wir  finden  überdies,  dass  durch  jeden  PunJct  einer  Erzeugenden  X  immer 
nur  eine  Curve  (27)  hindurchläuft,  so  dass  die  Hauptfläche  von  der 
Curvenschaar  (21)  gerade  einmal  überdeckt  ist.  Der  einzelne  Punkt  der 
Erzeugenden  X  ist  nämlich  durch  das  zugehörige  ft  gegeben,  welches 
die  Erzeugende  zweiter  Art  bestimmt,  die  durch  den  Punkt  hindurch- 
läuft. Denken  wir  aber  X,  /x  in  (25)  als  bekannt,  so  berechnet  sich 
das  zugehörige  m  :  n  litiear. 

Wir  knüpfen  hieran  noch  zwei  Bemerkungen,  die  später  nützlich 


II,  3.     Thorie  der  Hauptgleichungen.  191 

werden  sollen.  Zunächst,  was  die  m,  n  betrifft,  so  können  wir  diese 
aus  den  vorgegebenen  t/y,  der  Formel  (26)  entsprechend,  nicht  nur 
dem  Verhältnisse  nach,  sondern  auch  mit  Bestimmung  der  absoluten 
Werthe  linear  berechnen.  Diese  Formeln  ändern  sich  nicht,  wenn  wir 
die  yv  irgendwie  in  gerader  Weise  vertauschen.  Denn  durch  die  Ver- 
mittelung  der  Ikosaedersubstitutionen  des  A  erfahren  die  rechter  Hand 
auftretenden  Mv(A),  Vv{^)  immer  dieselben  geraden  Permutationen,  wie 
die  links  stehenden  «/».  Die  m,  n  hängen  also  in  der  Weise  rational 
von  den  y^  ab,  dass  sie  hei  geraden  Vertauschungen  der  y^  ungeändert 
bleiben,  oder  anders  ausgedrückt:  die  m,  n  sind  als  rationale  Functionen  der 
gegebenen  Grössen  a,  ß,  y,  V  darstellbar.  —  Wir  beachten  ferner  die  Ab- 
hängigkeit zwischen  den  A,  /*,  welche  durch  die  Formeln  (25)  vermittelt 
wird.  Unterwerfen  wir  A  irgendwelchen  Ikosaedersubstitutionen,  so  erfährt 
das  ft,  insofern  es  von  den  zugehörigen  Yy  abhängt  (genau  so,  wie 
wir  im  vorigen  Paragraphen  sahen)  andere  Ikosaedersubstitutionen,  die 
sich  aus  den  gegebenen  durch  Verwandlung  von  s  in  s^  ergeben.  In- 
dem wir  der  Terminologie  folgen,  die  in  dieser  Beziehung  von  Herrn 
Gordan  eingeführt  wurde,  wollen  wir  die  Aenderungen  von  fi  als 
contragredient  zu  den  Aenderungen  von  A  bezeichnen.  Die  Formeln 
(25)  liefern  uns  unendlich  viele  rationale  Functionen  von  A,  die  sich  zu 
A  in  diesem  Sinne  contragredient  verhalten*). 

§  5.    Auflösung  der  Hauptgleichungeu  fünften  Grades. 

Bereits  in  §  1 — 2  gaben  wir  das  Mittel,  um  die  Auflösung  der 
Hauptgleichungen  fünften  Grades  auf  eine  Ikosaedergleichung  zurück- 
zuführen : 

indem  wir  A  als  Function  der  y  bestimmten.  Wollen  wir  jetzt  rück- 
wärts die  yy  durch  die  einzelne  Wurzel  A  ausdrücken,  so  können  wir 
uns  offenbar  der  Gleichung  (26)  bedienen.  Ich  will  dieselbe  jetzt  so 
schreiben,  dass  ich  m,  n  mit  einem  Index  1  versehe,  damit  die  Zu- 


*)  Die  im  Texte  bewiesenen  Sätze,  sowie  die  sogleich  zu  entwickelnden 
Principien  zur  Auflösung  der  Hauptgleichungen  fünften  Grades  wurden  von  Hrn. 
Gordan  und  gleichzeitig  von  mir  am  21.  Mai  1877  der  Erlanger  Societät  vorge- 
legt. Dabei  ging  Hr.  Gordan  von  wesentlich  anderen  Gesichtspunkten  aus,  auf 
die  wir  hernach  zurückkommen.  Auch  meine  eigene  Darstellung  war  von  der 
jetzt  im  Text  gegebenenen  einigermassen  verschieden  und  in  manchem  Betracht 
weniger  einfach.  Vergl.  hier  überall  meine  zusammenfassende  Abhandlung: 
„Weitere  Untersuchungen  über  das  Ikosaeder"  im  12.  Bande  der  Math.  Annalen 
(1877,  Aug.). 


192  II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen. 

Sammengehörigkeit  unserer  Formel  mit  der  Ikosaedergleichung  (28) 
evident  sei.     Wir  haben  dann: 

(29)  y^  =  Ml  •  Vv{a,)  -\-  Hl  '  Ur(X)  •  i'r(A); 

betrachten  wir  später  statt  A  das  [i,  so  werden  Z^,  m^,  n^  simultan 
in  Z^,  m^f  Wg  zu  verwandeln  sein.  Damit  die  Auflösung  der  Haupt- 
gleichung  mit  Hülfe  der  Ikosaedergleichung  vollständig  sei,  haben  wir  offen- 
bar nur  noch  die  Z^,  m^,  n^  als  rationale  Functionen  der  vorgegebenen 
Grössen  u,  ß,  y,  V  ^w  bestimmen. 

Wir  werden  später  sehen,  wie  man  die  hiermit  geforderte  Berechnung 
a  priori  ausführen  kann.  Einstweilen  folgen  wir  einem  viel  elemen- 
tareren Ansätze.  Wir  haben  in  I,  4,  §  12  die  Hauptresolvente  der  Iko- 
saedergleichung explicite  berechnet,  indem  wir  Z,  m,  n  als  willkürliche 
Grössen  betrachteten,  auch  in  §  14  daselbst  die  zugehörige  Quadratwurzel 
aus  der  Discriminante  angegeben.  Nun  folgt  aus  den  Betrachtungen  des 
vorigen  Paragraphen,  das  jede  Hauptgleichung  fünften  Grades  nach  Fixi- 
rung  eines  bestimmten  Werthes  von  V  gerade  einmal  in  die  Gestalt  der 
Hauptresolvente  gesetzt  werden  kann.  Wir  werden  also  Zy,  m^,  n^  in 
rationaler  Weise  bestimmen  können,  indem  wir  einfach  die  Coefficienten 
der  allgemeinen  Hauptresolvente  und  die  Quadratwurzel  aus  ihrer  Discrimi- 
nante mit  dem  Coefficienten  a,  ß,  y  der  gegebenen  Hauptgleichung  (1)  und 
dem  adjungirten  Werthe  des  zugehörigen  V  vergleichen.  Wir  wollen  dabei 
V,  wie  wir  es  in  I,  4,  §  14  thaten,  immer  folgendermassen  definiren: 

(30)  25  1/5  .  V  =  27  (^^  -  y^')^ 

was  mit  den  Formeln  (2),  (3)  des  gegenwärtigen  Kapitels  verträg- 
lich ist. 

Indem  wir  jetzt  zunächst  nur  die  beiderlei  Coefficienten  verglei- 
chen, erhalten  wir: 

[    r7  o     1    I    io    2       I    6mw* -j- w' 


(31) 


.^-  ^  _         yi     4    I     6w^w^  +  4ww3    ,  3n* 

-3-  =  48m^-  -^— ^  +  -(i^p-- 


Ich  habe  dabei  statt  Z^,  m^,  n^  zuvörderst  noch  Z,  m,  n  geschrie- 
ben, weil  diesen  Gleichungen  ja  ebensowohl  Z^,  m^,  n^  genügen. 
Die  fernere  Rechnung  gestaltet  sich  nun  folgendermassen*). 

*)  Ich  entnehme  das  im  Texte  benutzte  Eliminationsverfahren  einer  Vor- 
lesung von  Gordan  aus  dem  Winter  1880/81.  Auch  Hr.  Kiepert  hat  bereits  den 
Vergleich  mit  der  Hauptresolvente  in  ähnlicher  Weise  benutzt  (Auflösung  der 
Gleichungen  fünften  Grades,  in  den  Göttinger  Nachrichten  vom  17.  Juli  1878,  oder 
auch  Borchardt's  Journal  t.  87  (1879)). 


(32) 


II,  3.    Theorie  der  Hauptgleicliungen.  193 

Aus  der  ersten  der  Gleichungen  (31)  gewinnen  wir: 

n^      12ß /«  4-  y 

1  —  Z  12« 

Andererseits  bilden  wir  uns: 

9 


(33) 

und  hieraus 


«  81 


I       «  P  ^     /a     2  '^      V 


2  4        1  —  Z 

a 

81 


^.(3««  +  2ft^  =  i-(«r-j^) 


Hier    brauchen  wir  nur   den   Werth  (32)   von      _  „  einzutragen,  um 

für  m  eine  quadratische  Gleichung  zu  erhalten.     Ordnen  wir  dieselbe, 
indem  wir  mit  den  Nennern  heraufmultipliciren,  so  kommt: 

(34)         16m^  (a*  —  ß^ -{-  aßy)  -  \m  (Ua^/S  +  2/3^  -  «y') 

+  y  (64a2^2  _  27 «3y  _  ^y2)  _  Q^ 

Durch  Auflösung  derselben  finden  wir: 

(lla'ß  +  2ß'^y  —  ary'O  ±  aV 


(^^)  ***  ~  24  (a*  -  ß«  +  a^y)  ' 

WO  V^  genau  mit  (3)  zusammenfällt  (wie  man  verificiren  mag)  und 
das  Vorzeichen  +  einstweilen  natürlich  noch  unbestimmt  bleibt.  — 
Mit  diesem  Werthe  von  m  sind  die  übrigen  Unbekannten  ohne  Wei- 
teres mitbestimmt.  Zunächst,  was  den  Werth  von  Z  angeht,  so  ge- 
nügt es,  den  Werth  von      „  aus  (32)  in  die  erste  der  Gleichungen 

(33)  einzutragen;  wir  finden  so: 

.opx  r^^  (48 am'  —  12ßm  —  yY 

^   ^  64a*  (12  {ay  —  ß'^)  m  —  ßy)  ' 

Wir  erhalten  n  in  entsprechender  Weise,  wenn  wir  die  erste  der 
Gleichungen  (31)  folgendermassen  schreiben: 

und  nun  m  und  Z  als  bekannt  betrachten.     Die  Schlussformel  wird: 

^      ^  **  ~  144am*  +  12^»»  +  y 

Um  jetzt  das  Vorzeichen  von  V  in  (35),  und  also  in  (36)  und 
(37),  so  zu  bestimmen,  wie  es  der  Bevorzugung  des  A  und  der 
Bezeichnung   m^,    n^,   Zy    entspricht,    vergleichen   wir    (30)    mit   dem 

Klein,  Gleichungen  5.  Grades.  13 


194  11,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen. 

früher  angegebenen  Differenzenproducte  der  Hauptresolvente.  Es  ge- 
nügt dabeij  einen  speciellen  Fall  zu  betrachten.  Wir  nehmen  etwa  in 
der  allgemeinen  Hauptresolvente  m  =  1,  n  =  0,  haben  also,  den  For- 
meln (31)  zufolge: 

Zugleich  erhalten  wir  nach  I,  4,  §  14: 

l](Y.  -  Y,)  =  -  25  }/5  '^^^^, 

somit  nach  Formel  (30): 

_  12^  (1  -  Z) 
V  —  z»         ■ 

Nun  wird  nach  Formel  (35)  das  m  in  diesem  Falle: 

—  11  •  2«  -  3  '  12=^  •  Z  +  4  •  12''  •  (Z  —  1)  _ 
212  —  7  •  12^  •  Z  ' 

soll  also  m,   wie  wir  annahmen,  gleich  1  sein,   so  haben  wir  in  (35) 
das  untere  Vorzeichen  in  Anwendung  zu  bringen. 
Somit  haben  wir  allgemein: 

und  hieraus  nach  (36),  (37)  das  Z^  und  n^  Die  entsprechenden  Werthe 
von  Wg,  Z^,  Wg  gehen  hervor,  indem  wir  durchweg  das  Vorzeichen 
von  V   umkehren. 

§  6.  Der  Gordan'sche  Ansatz. 
Die  gerade  entwickelte  Methode  der  Berechung  von  m^,  Wj,  Z^ 
hat  den  Vorzug,  unter  Benutzung  der  früher  abgeleiteten  Resultate 
auf  durchweg  elementarem  Wege  zu  operiren.  Inzwischen  lässt  sich 
nicht  läugnen,  dass  es  dabei  gewisser,  ob  auch'  sehr  einfacher  Kunst- 
griffe bedarf,  um  die  richtigen  Combinationen  der  Gleichungen  (31) 
einzuführen,  und  dass  also  diese  Methode  nur  wenig  in  die  sonst  von 
uns  festgehaltene  Darstellungsweise  hineinpasst,  bei  welcher  wir  bestrebt 
sind,  die  Resultate  der  Rechnung  der  Art  nach  allemal  von  vorneherein  ein- 
zusehen. Ich  werde  also  noch  kurz  auf  diejenige  Art  der  Berechnung 
eingehen,  welche  Hr.  Gordan  ursprünglich  gegeben  hat,  und  dies  um 
so  mehr,  als  sich  daran  gewisse  weitere  Gesichtspunkte  knüpfen,  die  für 
unsere  Gesammtauffassung  des  Lösungsproblems  von  Nutzen  sind*). 

*)  Vergl.  ausser  der  bereits  soeben  genannten  Note  eine  Mittheilung  von 
Gordan  an  die  Naturforscherversammlung  zu  München  (Sept.  1877),  sowie  die 
grössere  Abhandlung :  Ueher  die  Auflösung  der  Gleichungen  vom  fünften  Grade  im 
13.  Bande  der  Mathem.  Annalen  (Jan.  1878). 


II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen.  195 

Machen  wir  uns  zunächst  die  Schwierigkeiten  deutlich,  welche 
einer  directen  Berechnung  der  Grössen  Z^^  Wj,  n^  entgegenstehen. 
Wir  hatten  z.  B,  für  Z^  die  Definitionsgleichung: 

^       7  =      -g'W 

1  1728  f-  (i)  ' 

WO  wir  für  A  den  einen  Werth: 

substituiren  mögen.  So  haben  wir  in  Z^  eine  rationale  Function  der 
fünf  Wurzeln  ?/o  •  •  •  2/4  ^or  uns,  welche  bei  allen  geraden  Vertauschun- 
gen der  y  ungeändert  bleibt.  Nun  geschieht  aber  das  letztere  nur, 
weil  die  y  an  die  Bedingungsgleichungen  2^y  =  0,  Uy^  =  0  gebunden 
sind,  es  geschieht  keineswegs,  wenn  wir  die  y  als  willkürlich  veränder- 
liche Grössen  betrachten  wollen.  Anders  ausgedrückt:  das  Z^  ist  bei 
den  geraden  Vertauschungen  der  y  allerdings  thatsäclilich  aber  nicht 
formal  invariant.  Nun  beziehen  sich  alle  Regeln,  die  man  in  den  ge- 
wöhnlichen Darstellungen  zur  Berechnung  symmetrischer  Functionen  etc. 
findet,  auf  Functionen  von  formaler  Symmetrie;  es  sind  diese  Regeln 
also  für  unseren  Zweck  nicht  unmittelbar  zu  gebrauchen. 

Hr.  Gordan  umgeht  diese  Schwierigkeit,  indem  er  die  Bedingungs- 
gleichungen Ey  =  0,  Uy^  =  0  in  allgemeiner  Weise  durch  Functionen 
unabhängiger  Grössen  befriedigt.  Er  hat  dann  weiterhin  überhaupt 
mit  Functionen  independenter  Variabler  zu  thun  und  kann  für  sie  einen~ 
Algorithmus  aufstellen,  der  dem  gerade  genannten,  auf  symmetrische 
Functionen  bezüglichen  Verfahren  gewissermassen  analog  ist. 

Die  unabhängigen  Variabelen,  welche  Hr.  Gordan  zu  Grunde  legt, 
sind  im  Wesentlichen  keine  anderen  als  die  homogenen  Parameter 
Aj,  ^2  und  1*1,  flg.  Wir  haben  schon  oben  die  Verhältnisse  der  2?*  und 
andererseits  die  Verhältnisse  der  yv  durch  diese  Grössen  ausgedrückt 
[Formel  (16),  (17)].  Hr.  Gordan  präcisirt  die  betreffenden  Formeln, 
indem  er  sich  die  absoluten  Werthe  der  A,  ft  in  geeigneter  Weise  be- 
stimmt denkt  und  dementsprechend  folgendermassen  schreibt: 

(39)  Pi  =  Ölifli,      P2=   —  ÖX^fli,      B  =  5Aift2;      i'4  =  5^2^*2; 

worauf  yy   dem  folgenden  Ausdrucke  gleich  wird: 

(40)  y,  =  £4.   .  ^^^^   _  g3v   .  ^^^^   _j_  £2v  .  ^^^^   _|_  gv   .  X^^^^ 

Ehe  wir  in  Besprechung  des  Gordan'schen  Verfahrens  weiter 
gehen,  wollen  wir  die  gegebenen  und  die  gesuchten  Grössen  alle 
durch  die  hiermit  eingeführten  A,  fi  ausdrücken.  Ich  stelle  zunächst 
die  Formeln  für  die  Coefficienten  a,  ß,  y  der  vorgelegten  Gleichung 
fünften  Grades  und  das  zugehörige  V  zusammen.     Wir  haben: 

13* 


196  II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen. 

(41)  a  =  -  ^f"  =  -.A,ViV2  -  K'hi^-^  -  Kh'i^i'  +  A,V,^/, 

(42)  ^  =  _  ll^  =  -  A.Viit*/  +  A,^A,^/+  3A,U2^^,V,^  -  A^A^V,^ 

(43)  r  =  ~^-=-  V(^,^  +  f./)  +  10VA,^,V/ -  10A,3A,Vif^/ 

-  iOA,u,-ViV2  -  iOA,A,ViV2'  +  K'  W  -  f^2-^), 

n  in,  -  y,') 

(44)  V  = 


25  1/5 

=  A/o(^,^«  4- 11^,^2-^  -  ^2^")  +  v°  (-  ^1^°  -  ii^iV2-^'  +  i^.n 

+  A,^^  (25/^1  V/  -  50,i,^/tt/)  +  A,A,9  (-  60(1,' fi,'  -  25^, V/) 
+  ^,n./i-  16(1,' (i./  +  25^,11*/)  +  A,U/  (-  25^, V,  -  75^. V2') 
+  ^,'X,'  (-  ÖOiit.Vg  -  160(i,'(i,')  +  A,3A,'  (+  150 ^,V2'  -  50^,^/) 
+  k,n,^  (150^, V2'  +  75ft,V2')  +  VAs"  (+  75^, V/  -  150^,^2') 
+  A,^A/  (11^,1«  -  504^,V2'  -  11  ^2^")- 

Von  den  gesuchten  Grössen  ist  uns  Z,  unmittelbar  als  Function  der  A 
bekannt*): 

H'  ik ,  ;i,) 


(45)  Z,  = 


1728  r  (k  ,  h) 


Aber   auch   die  ni,,   n,   lassen   sich   leicht  durch   die   A,    (i   darstellen. 
Tragen  wir  nämlich  in  die  Definitionsgleichungen: 

y^  ==  m,  •  Vy{l,,  A2)  +  n,  •  Mr(A, ,  A2)  .  Vr(Ai,  L^) 
oder: 

für  die  y^    die  Werthe  (40)  ein,  so  ergibt  sich  durch  Auflösung: 

.  .ps  M^ _   N,  ■  T{X,,  X.,) 

(^4bJ  ^1  —  12  /•  {X, ,  ;i,) '      **i  —  144  .  f  {X, ,  I,)  ' 

wo  Jfj,  iVi  folgende  zwei  in  den  fij,  ftg  lineare  Formen  bedeuten: 

(47)  M,=1      ^i(V^-^9A,«A/-26A,U2^«) 

l —  ^2  (2oAj    A2         6vA.{^A2         Ag   ), 


*)  Die   Grössen   Z^^  m^,  n^,  die  an  sich  mit  Z^,  m^,  n,  gleich  berechtigt 
sind,  lassen  wir  der  Kürze  halber  bei  Seite, 


II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen. 


197 


(48)  N,  =  ii,  iU,'X,'  +  A^^)  +  (i,  (-  A,^  +  7  A,^V).*) 

Es  gilt  jetzt,   die  Grössen  Z^,   m^,  n^  auf  Grund  der  hiermit  ge- 
gebenen Formeln  (41) --(48)  rational  durch  a,  ß,  y,  V  darzustellen. 

§  7.  Substitutionen  der  X,  fi]  invariante  Formen. 
Wir  müssen  jetzt  die  Umänderungen  kennen  lernen,  welche  die 
^ij  h}  f-i;  f*2  ^öi  den  Vertauschungen  der  y  erfahren.  An  sich  sind 
diese  Umänderungen  allerdings  nicht  völlig  bestimmt.  Denn  von  den 
vier  Grössen  A,  fi  ist  eine,  auch  wenn  wir  den  absoluten  Werthen  der 
«/v  Rechnung  tragen,  überzählig.  Wir  fanden  oben,  dass  bei  den  ge- 
raden   Vertauschungen    der   y^,   die    wir   mit  S  und   T  bezeichneten, 

X  . 

-~    die    ebenso    benannten    Ikosaedersubstitutionen    erfährt,    während 

—  Substitutionen    erleidet,    die  sich   aus  diesen  durch  Verwandlung 


von  s  in  s^  ergeben.     Wir   bemerkten   ferner,  dass  —   aus  -j- 


durch 


die  cyclische  Vertauschung  {y^,  y^,  y^,  y^)  hervorgeht  und  dass  eine  Wie- 


derholung  dieser  Operation    aus   — 

/*2 


das    — Y~  entstehen    lässt.     Auf 


Grund  dieser  Sätze  werden  wir  jetzt  für  A^,  A2,  ^i,  ^^  homogene  lineare 
Substitutionen  von  der  Determinante  Eins  derart  deßniren,  dass  rüclc- 
wärts  aus  ihnen  vermöge  (40)  die  geeigneten  Permutationen  der  y^  folgen. 
Zu  dem  Zwecke  setzen  wir  zunächst,  unter  Benutzung  der  homo- 
genen Ikosaedersubstitutionen  von  der  Determinante  Eins: 

(49)  S:   A/  =  £^1,  A/  =  E^L^;     |it/  ==  £^j,  /i/  =  «V2; 

Yö  •  A;  =  -  {a  -  £^)A,  +  («'  -  ^')h, 

Yö  ■  K:  =  (a^  -  £')Ai      +  (£  -  £*)A2-, 

(50)  T:\ 

]/5  .  ^;  =  {f  —  £3)  ^^     +  (£  —  f*)ft2; 

y5    •  fi/  =  («  —  «*)/*!        -  («'  —  ^')^2; 

wobei  die  Formeln  für  die  ^  aus  denjenigen  für  die  A  wieder  hervor- 
gehen, indem   man   £  durch  £^  ersetzt**).     Bringen  wir  diese  Substi- 

*)  Bei  Verification  der  für  M^,  Ni  mitgetheilten  Ausdrücke  wolle  man  be- 
achten, dass  die  Determinante 

einfach  gleich  H  (Xj ,  l.^)  ist. 

**)  Hierbei  ändert,  was  man  nicht  übersehen  darf,  Y^  =  e  +  e*  —  c*  —  «^ 
sein  Vorzeichen. 


198  II  j  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen. 

tutionen  bei  (40)  in  Anwendung,  so  folgt  in  der  That,  wie  es 
sein  muss: 

T-  Vo  =  %,  yi  =  2/2;  ^2'  =  yi,  2/3'  =  y^>  yl  =  y^ 

Dabei  sind  die  Vertauschungen  der  y,  die  durch  Verbindung  von  S 
und  T  entstehen,  den  entsprechenden  Substitutionen  der  A,  ft  natürlich 
nur  hemiedrisch  isomorph:  es  sind  120  Substitutionen  der  A,  ft  und 
nur  60  Vertauschungen  der  y.  Dieser  Umstand  erklärt  sich  dadurch, 
dass  unter  den  Substitutionen  der  A,  ft  sich  folgende  befindet: 

bei  welcher  die  y^,  als  bilineare  Functionen  der  A,  ft,  sämmtlich  unge- 
ändert  bleiben. 

Wir  führen  ferner  die  nachstehende  Substitution  ein,  die  wir  kurz- 
weg als   Vertauschung  von  A  und  ft  bezeichnen: 

(51)  (li    =  Ai,   ^2'  =  h>  K  =  /*2;   V  =  —  f*i- 

Aus  den  Formeln  (40)  ergibt  sich  dann: 

yv  =  ^2r, 

also  in  der  That  die  schon  früher  benutzte  ungerade  Permutation  der 
y^.  In  Uebereinstimmung  ebenfalls  mit  dem  Früheren  kommt  bei  Wie- 
derholung von  (51): 

Aj  =  A2,  Ag  =        A^;     f*!  =  /*2J  ^2  ^^        ^1) 
d.  h.  die  sonst  mit   JJ  bezeichnete  homogene  Ikosaedersubstitution. 

Statt  der  zweiwerthigen  oder  symmetrischen,  homogenen  Functionen 
der  y^  werden  wir  nun  überhaupt  solche  rationale  und  insbesondere 
ganze  homogene  Functionen  (Formen)  der  A^,  A2  ins  Auge  fassen, 
welche  bei  den  Substitutionen  (49),  (50)  bez.  (51)  ungeändert  bleiben. 
Ist  dies  nur  bei  (49),  (50)  der  Fall,  so  sollen  sie  Invarianten  schlecht- 
hin genannt  sein,  während  wir,  wenn  Unveränderlichkeit  auch  bei  (51) 
hinzutritt,  von  vollkommenen  Invarianten  sprechen  wollen.  Es  kann 
sein,  dass  eine  Invariante  bei  (51)  einfach  ihr  Zeichen  umkehrt;  wir 
nennen  sie  dann  alternirend.  Ist  eine  Invariante  weder  vollkommen 
noch  alternirend,  so  wird  sie  vermöge  (51)  mit  einer  zweiten  zu- 
sammengeordnet. Das  Verhältniss  der  beiden  Invarianten  ist  dann 
ein  gegenseitiges,  denn  die  Wiederholung  von  (51)  ist  eine  Ikosaeder- 
substitution und  führt  also  zur  ursprünglichen  Invariante  zurück. 

Offenbar  ist  a,  ß  und  y  eine  vollkommene,  V  eine  alternirende 
Invariante.  Die  sonst  noch  von  uns  benutzten  Formen  /"(A^,  Ag), 
jff(Aj,  A2),  T  (k^,   A2),  Jfi,  iVi  repräsentiren  den  allgemeineren  Typus. 


II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen.  199 

Indem  ich  die  ersteren  drei  fortan  der  Kürze  halber  mit  f^,  H^,  T^ 
benennen  werde,  sollen  die  Formen,  welche  durch  Vertauschung  von 
A  und  (i  hervorgehen,  mit  f^,  H^,  T^^  Jfg,   'N.^  bezeichnet  sein. 

§  8.     Allgemeines  über   die   von  uns  auszuführenden  Eechnungen. 

Die  Fragestellung  des  §  6  verlangt,  gewisse  rationale  Invarianten 
rational  durch  die  a,  /3,  y,  V  auszudrücken.  Zu  dem  Zwecke  mögen 
wir  zunächst  fragen,  welche  ganzen  invarianten  Functionen  (Formen) 
ganze  Functionen  der  a,  j8,  y,  V  sind?  Offenbar  alle  diejenigen  und 
nur  diejenigen,  die  ganze  Functionen  der  yy,  sind.  Dies  sind  aber  alle 
solchen  Formen,  welche  in  den  k^,  X^  '^^^  f*i>  f*2  beziehungsweise  den- 
selben Grad  haben.  Denn  einmal  ergibt  jede  ganze  Function  der 
ijv  gewiss  eine  ganze  Function  von  gleichem  Grade  in  den  k  und  ft, 
andererseits  aber  kann  jede  Form  der  A,  ^i,  die  in  den  X  und  /»  von 
gleichem  Grade  ist,  als  ganze  Function  der  Terme  Aift^,  Ag^t^,  k^n^^, 
Agj^a  angeschrieben  werden,  und  diese  Terme  sind,  von  Zahlenfactoren 
abgesehen,  den  p^,  p^,  p^,  p^,  d.  h.  ganzen  Functionen  der  y^  gleich*). 

Auf  Grund  dieses  Satzes  wird  unsere  Methode  jetzt  die  sein,  dass 
wir  eine  vorgelegte  rationale  Invariante,  welche  wir  als  rationale 
Function  der  a,  ß,  y,  V  darstellen  sollen,  durch  Zufügen  geeigneter 
Factoren  in  Zähler  und  Nenner  so  umgestalten,  dass  Zähler  und 
Nenner  für  sich  genommen  invariante  Formen  gleichen  Grades  in  den 
A,  ft  werden,  worauf  wir  Zähler  und  Nenner  einzeln  als  ganze  Function 
der  a,  /?,  y,  V   berechnen. 

Was  nun  die  Auswerthung  solcher  ganzer  Functionen  angeht,  so 
bemerken  wir,  dass  sich  jede  invariante  Form  gleichen  Grades  in  den  A^ ,  X^ 
und  ^i,  ft2  ***  ^^*^6  vollkommene  und  eine  alternirende  Invariante  spalten 
lässt.  In  der  That,  sei  JF\  die  vorgelegte  Form,  F^  die  zugeordnete 
Form,  die  aus  ihr  durch  Vertauschung  von  A  und  ^  entsteht.  So 
setzen  wir  einfach: 
(52)  F,  =  514-^-i  +  S^ . 

77*    J_    TT 

Hier  ist     '  'T — -  als  vollkommene  Invariante  eine  ganze  Function  der 

«,  /3,  y  allein,   -i— — -  aber  zerfällt,  als  alternirende  Invariante,  in  das 

Froduct  von  V   mit  einer  ganzen  Function  der  a,  ß,  y. 

Die  wenigen,  hiermit  aufgestellten  Regeln  gestatten  uns,  die  Be- 
rechnung der  Grössen  m^,  w^,  Z^  auf  directem  Wege  in  Angriff  nehmen. 

*)  Vergl.  die  analoge  Bemerkung  im  Schlussparagraphen  des  vorigen 
Kapitels. 


200  11,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen. 

§  9.    Neuberechnung  der  Grösse  m^. 
Es  ist  m^  in  unserer  neuen  Schreibweise: 

(53)  »^  =  ^- 

Hier  werden  wir  jetzt  zunächst  Zähler  und  Nenner  mit  einer  solchen 
invarianten  Form  multipliciren,  dass  beiderseits  gleicher  Grad  in  den 
A,  fi  resultirt.  Offenbar  ist  es  am  einfachsten  (ob  auch  durchaus 
nicht  nothwendig),  fg  ^^^  solchen  Factor  zu  wählen.  Wir  schreiben 
demnach: 

(54)  m,=  ^'^' 


In  dieser  Formel  ist  der  Nenner  an  sich  eine  vollkommene  Invariante; 
den  Zähler  aber  unterwerfen  wir  dem  eben  bezeichneten  Spaltungs- 
processe.     Wir  erhalten  so: 

die  Berechnung  von  m^  ist  also  darauf  ziirücligefiihrt,  die  beiden  voll- 
Icommenen  Invarianten: 

MJ,-\-M,f,     und    /;/, 
sowie  die  alternirende  Invariante: 

durch  geeignete  ganze  Functionen  von  a,  ß,  y  hez.  von  a,  ß,  y  und  V  zu  ersetzen. 
Wir  erledigen  die  nun  noch  vorliegende  Aufgabe,  indem  wir  ein- 
mal den  Grad  der  zu  Vergleich  kommenden  Formen  in  den  A,  ti  in 
Betracht  ziehen,  andererseits  auf  die  expliciten  Werthe  unserer  Formen 
in  den  A,  fi  (wie  wir  dieselben  in  §  6  mittheilten)  zurückgreifen.  Die 
soeben  genannten  Invarianten  {M^f^  -\-  M^f^  etc.  sind  in  den  A,  /i. 
beziehungsweise  vom  Grade  13,  12  und  13.  Andererseits  weisen 
">  ^7  Y7  ^  betreffs  derselben  Variabelen  die  Gradzahlen  3,  4,  5,  10 
auf.  Daher  schliessen  wir  zunächst,  dass  {M^f^  -\-  M^f-^  eine  lineare 
Combination  der  Terme  a^ß,  ay'^,  ß^y  sein  muss,  dann  ferner,  dass 
/i/'a  einer  ebensolchen  Verbindung  von  «*,  ß^,  aßy  gleich  wird,  end- 
lich, dass  (JS^i/'g  —  ^2(1)  ^is  ^uf  einen  numerischen  Factor  mit  aV  zu- 
sammenfällt. Um  die  hier  noch  unbestimmten  Zahlencoefficienten  zu 
berechnen,  genügt  es,  bei  den  expliciten  Werthen  der  einzelnen 
Formen  auf  nur  einige  Terme  zu  achten,  also  etwa  auf  die  An- 
fangsterme,  die  sich  ergeben,  wenn  wir  die  Formen  nach  absteigen- 
den Potenzen  von  A^  und  aufsteigenden  von  Ag  ordnen.  Ich  theile 
hier,  der  Vollständigkeit  halber,  die  Anfangsterme  der  von  uns  in 
Betracht  zu  ziehenden  Formen  je  bis  zu  derjenigen  Grenze  mit,  bis 
zu  der  wir  sie  wirklich  gebrauchen.     Wir  finden  nach  §  6: 


II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen.  201 

il^/2  -  ^2/;  =  VVi>2  +  ••••; 
sowie: 

a'ß  =  A,^^ft,V/  +  X,'n,  (-  ^,^V2'  +  3^i>2')  +  •  ': 

af  =  A,'3  (2ft,V/  +  2^,V2'')  +  ^i''h  (0)  +  •  •, 

ßV  =  'l/'  (l^i^V2  +  2/^x^2*'  +  f^i V2^0  +  h''h  (0)  +  •  • , 

/3^  =  -  V^»lV2'  +  3A,^U,^,V2^  +  •  •  •, 
«/3y  =  -A,^^(^,W  +  f*2W)  +  >li^'^2(/*/V2  +  lOft,W-ft,ft2'0  +  --; 

«v  =  - WV2  +  ---. 

Aus  diesen  WertJien  lesen  ivir  nun  ohne  Weiteres  oh: 

(56)  fj,  =  a'-ß^-\-  aßy, 

l  Jtf,/;  -  M,f,  =  -  «V, 
und  also  schliesslich: 

'^^V  ^^~~  2i{a*-  ß'  +  aßv)  ' 

was  genau  der  oben  in  Formel  (38)  mitgetheilte  Werth  ist. 

In  derselben  Weise  könnten  wir  jetzt  natürlich  auch  noch  n^  und 
Z^  berechnen:  die  betreffenden  Rechungen  würden  nur  etwas  umständ- 
licher werden,  weil  es  sich  bei  ihnen  um  Bildungen  höhereu  Grades 
in  den  k,  ^  handelt.  Man  wird  diese  Rechnungen,  wie  immer  in  ähn- 
lichen Fällen,  durch  zweckmässige  Reductionsprincipien  in  eine  grössere 
Zahl  kleinerer  Schritte  zerlegen  können  (vergl.  die  Gordan'sche  Arbeit). 
Wir  gehen  hierauf  nicht  näher  ein,  da  wir  in  §  5  für  ti^,  Z^  ja  doch 
schon  einfache  Formeln  erhalten  haben,  und  das  Princip  der  Gordan- 
schen  Berechnungsweise  an  dem  Beispiele  von  m^  bereits  hinlänglich 
erkannt  wird. 

§  10.    Geometrische  Deutung  der  Gordan'schen  Theorie. 

In  den  vorhergehenden  Paragraphen  ist  die  Gordan'sche  Theorie 
rein  algebraisch  exponirt  worden;  wir  werden  dieselbe  unseren  sonsti- 
gen Betrachtungen  noch  näher  bringen,  wenn  wir  mit  kurzen  Worten 
ihrer  geometrischen  Bedeutung  gedenken.  Wir  haben  dabei  die  Ver- 
hältnisse Ai  :  A2  und  ft^ :  (I2,  wie  wir  dies  schon  im  Schlussparagraphen 


202  n,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen. 

des  vorigen  Kapitels  in  Aussicht  nahmen,  als  Coordinaten  auf  der 
Hauptfläche  zu  interpretiren.     Eine  Gleichung: 

definirt  dann  eine  auf  der  Hauptfläche  verlaufende  Curve,  deren  Schnitt- 
punkte mit  den  Erzeugenden  erster  und  zweiter  Art  der  Zahl  nach 
durch  den  Grad  von  F  in  ^  bez.  X  bestimmt  werden.  Ist  F  eine  In- 
variante, so  geht  die  betreffende  Curve  bei  den  60  geraden  Colli- 
neationen  in  sich  über,  ist  also,  sofern  sie  irreducibel  ist,  halb- 
regulär.  Die  Curve  wird  (unter  der  gleichen  Bedingung)  regulär,  wenn 
die  Invariante  F  vollkommen  oder  alternirend  ist. 

Interpretiren  wir  in  diesem  Sinne  die  in  den  vorangehenden  Pa- 
ragraphen auftretenden  Invarianten,  so  werden  wir  zu  lauter  Curven 
geführt,  deren  Bedeutung  uns  entweder  unmittelbar  deutlich  oder  doch 
von  früher  her  bekannt  ist.  Die  Curven  a  =  0,  ß  =  0,  y  =  0  sind 
uns  oben  als  Schnittcurven  der  Hauptfläche  mit  der  Diagonal- 
fläche etc.  entgegengetreten*).  V  =  0  ergibt  eine  Curve,  die  augen- 
scheinlich in  10  ebene  Bestandtheile  zerfällt  •,  f  =  0,  H^  =■  0,  T^  ^  0 
repräsentiren  gewisse  Aggregate  von  12,  bez.  20  oder  30  Erzeugenden 
erster  Art.  Was  aber  bedeuten  M^  =0,  iV^  =  0?  Aus  der  Gestalt 
von  M^,  N^  geht  unmittelbar  hervor,  dass  es  sich  um  Curven  der 
14.,  bez.  der  8.  Ordnung  handelt,  welche  die  einzelne  Erzeugende 
erster  Art  nur  je  einmal  schneiden.  Es  sind  dies  dieselben  Curven,  die 
wir  früher  durch  Formeln  folgender  Art  dargestellt  haben: 

(58)  QVv  =  tr  (Ai,  A2)  •  Wy{X^,  A2)  bez.  qVv  =  Wr{li,  Ag). 

In    der    That    werden    wir   zu    diesen    Formeln   zurückgeführt,    wenn 

wir  aus  M^  =  Q  oder  JV^  =  0  das  —  als  rationale  Function  von  y^ 
bestimmen  und  den  gefundenen  Werth  in  die  Formeln   (40): 

«/„   =  «^Ui/ij  —  «^"AafAi   +  f^"  Aift2  +  «"^2^2 

eintragen.    In  demselben  Sinne  repräsentirt  offenbar  folgende  Gleichung: 

(59)  m  ■  T(X„  A2) .  JVi  +  12w  •  f  (X„  Ag)  -  M,  =  0 

die  ganze  Schaar  jener  Curven  38.  Ordnung,  die  wir  in  §  4  des  gegen- 
wärtigen Kapitels  betrachteten  (siehe  Formel  (27)  daselbst). 

Wir  wenden  uns  jetzt  insbesondere  zu  der  im  vorigen  Paragraphen 
gegebenen  Berechnung  von  m^.     Ursprünglich  war,  nach  (53): 

^1   . 


m. 


12/; 


*)  Indem  wir  uns  für  a  der  in  (41)  gegebenen  Darstellung  bedienen,  können 
wir  jetzt  mit  Leichtigkeit  die  früher  ausgesprochene  Behauptung  beweisen,  dass 
die  Curve  a  =  0,  d.  h.  die  Bring'sche  Curve,  keinerlei  wirkliche  Doppelpunkte  be- 
sitzt, also  irreducibel  ist  und  dem  Geschlechte  p  =  i  angehört. 


11,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen.  203 

es  ist  also  m^    eine  Function   auf  der  Hauptfläclie,  welche   längs   der 

Curve  14.  Ordnung  M^  =  0  verschwindet  und  für  die  12  Erzeugenden 

erster  Art  /i  ==  0  unendlich  wird.     Indem  wir  jetzt  schreiben,  wie  in 

(54)  geschah: 

_   M,f^ 

haben  wir  offenbar  die  beiden  Curven  Jfj  =0,  /i  =  0  durch  Hinzu- 
fügen der  Curve  ^g  =  0,  d.  h.  eines  Aggregats  von  12  Erzeugenden 
zweiter  Art,  zum  vollständigen  Schnitte  der  Hauptfläche  mit  je  einer 
zutretenden  Fläche  ergänzt;  die  ausschneidenden  Flächen  können  dann 
insbesondere  so  angenommen  werden,  dass  sie  selbst  bei  den  60  ge- 
raden Collineationen  in  sich  übergehen  und  also  durch  Nullsetzen 
ganzer  Functionen  von  a,  ß,  y,  V  repräsentirt  werden.  —  Hiernach 
dürfte  die  Structur  der  Formel  (57)  und  auch  das  Maass  ihrer  Will-, 
kürlichkeit  geometrisch  deutlich  sein.  Ich  überlasse  dem  Leser,  sich 
in  ähnlicher  Weise  die  Bedeutung  der  Formeln  (36),  (37)  für  Z^  und 
«1  zurechtzulegen. 

§  11.    Algebraische  Gesichtspunkte  (nach  Gordan). 

Wir  haben  die  Gordan'sche  Theorie  bisher  so  dargestellt,  wie  sie 
ursprünglich  entstanden  ist,  nämlich  als  directe  Methode  zur  Berech- 
nung der  bei  Auflösung  der  Hauptgleichungen  fünften  Grades  auf- 
tretenden Grössen.  Inzwischen  hat  Hr.  Gordan  in  seiner  ausführlichen, 
im  13.  Annalenbande  publicirten  Abhandlung  den  Standpunkt  wesent- 
lich höher  gewählt;  er  hat  sich  die  Aufgabe  gestellt:  das  volle  System  der 
invarianten  Formen  F(Xi,  A2;  fii,  ^2)  ^^^  möglichst  viele  zwischen  diesen 
Formen  hestehende  Belationen  su  bilden.  Dabei  findet  er  36  System- 
formen, von  denen  diejenigen,  die  von  a,  ß,  y,  V  verschieden  sind, 
durch  Vertauschung  von  A  und  fi  zusammengehören.  Wir  können 
auf  diese  Resultate  nicht  näher  eingehen,  müssen  aber  der  Methode 
gedenken,  deren  sich  Hr.  Gordan  zur  Ableitung  derselben  bedient. 
Man  erinnere  sich,  wie  wir  früher  II{X^,  Ag),  T(X^^  A^)  aus  /"(Aj,  Ag) 
durch  Differentiationsprocesse  der  Invariantentheorie  abgeleitet  haben. 
Genau  so  gewinnt  jetzt  Hr.  Gordan  seine  Formen,  indem  er: 

als  „doppeltbinäre  Grundform  mit  zwei  Reihen  unabhängiger  Variablen" 
an  die  Spitze  stellt. 

Erwähnen  wir  in  dieser  Hinsicht  zunächst,  wie  jetzt  /"(A^,  Ag) 
[die  Grundform  des  Ikosaeders]  zu  definiren  ist.  Man  betrachte  in  a 
die  Aj,  Ag  als  constant,  d.  h.  a  als  binäre  Form  dritter  Ordnung 
allein    der  ft^,    ^^.     Dann  ist,    behaupte  ich,    von   einem  Zahlenfactor 


204  n,  6.    Theorie  der  Hauptgleichungen. 

abgesehen,  f  die  Discrimmante  dieser  Form  dritter  Ordnimg.  Wir  bestä- 
tigen dies  durch  directe  Ausrechnung.  Den  gewöhnlichen  Regeln 
folgend  bilden  wir  zunächst  die  Hesse'sche  Form  von  a  und  finden 
bis  auf  einen  Zahlenfactor  die  folgende,  in  den  ^  quadratische  Invariante: 

(60)  t  =  ft,2  (-A,«  -  3A,A,5)  4-  lO^,ii,X,'X,'  +  ^/  {3^,'X,  -  A/), 

die  wir  später  noch  gebrauchen  werden.  Wir  berechnen  ferner  die 
Determinante  von  t  und  kommen  in  der  That,  von  einem  numerischen 
Coefficienten  abgesehen,  auf 

zurück. 

Erläutern  wir  ferner,  wie  Hr.  Gordan  die  Umkehrformeln  ge- 
winnt, die  wir  in  §  4  aufstellen  konnten,  indem  wir  diejenigen  Kennt- 
nisse, die  wir  früher  (I,  4,  §  12)  gewissermassen  zufälligerweise  durch 
Aufstellung  der  Hauptresolvente  der  Ikosaedergleichung  gewonnen 
haben,  in  Anwendung  brachten.  Bei  Hrn.  Gordan  bilden  diejenigen 
Invarianten,  die  in  fi^,  ^^  Unear  sind,  den  Ausgangspunkt.  Er  zeigt, 
dass  vier  verschiedene  dieser  Invarianten  existiren,  unter  welchen  die- 
jenigen beiden,  die  in  den  A  vom  niedrigsten  Grade  sind,  genau  mit 
unseren  JV^,  M^  zusammenfallen*).  Nun  sind  die  y^  der  Formel  (40) 
zufolge : 

y,  =  s^'l,(i,  -  a^^L,ii,  4-  s'n.fi,  +  s'X,(i, 

selber  lineare  Formen  der  ft^,  ju-g.  Daher  können  wir  von  vorne- 
herein schreiben: 

(61)  ayy  =hy-Mi-\-Cr'Ni, 

wo  die  Coefficienten  a,  hy,  Cy  der  Identität  zu  entnehmen  sein  werden: 


=  0. 


Hier  ist  a  als  Fuuctionaldeterminante  der  Jf^,  N^  selbst  eine  Inva- 
riante; wir  sahen  bereits  oben,  dass  sie  mit  jff  (A^,  Ag)  zusammenfällt. 
Dagegen  sind  b^,  Cy,  wie  die  y^  selbst,  nothwendig  fünfwerthig.  Indem 
wir  sie  als  Functionaldeterminanten  von  y^  und  JV^,   bez.  y^  und  M^ 


Vv 

M, 

N, 

dyv 

dM, 

dN, 

d[ii 

a^i 

diii 

dyv 

dM^ 

dN, 

dfi., 

dfi.^ 

dfi., 

*)  Eine  dieser  4  Invarianten  ist,  wenn  wir  sie  mit  H^  multipliciren ,  in  der 
allgemeinen  Form  m  •  2\  •  N^  -\-  12n  ■  f^^  •  ilfj  enthalten,  deren  Verschwinden 
jene  Curven  38.  Ordnung  vorstellt,  die  wir  früher  betrachtet  haben.  Unter  diesen 
Curven  ist  also  neben  ilfi  =  0,  N^  =  0  noch  eiue  dritte  vorhanden,  deren  Ord- 
nung sich  auf  eine  niedere  Zahl,  nämlich  auf  18,  reducirt. 


II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen.  205 

berechnen,  bekommen  wir  jetzt  hinterher  dieselben  Grössen,  die  wir 
früher  mit  Wr{kj^,  Ag)  und  tv{Xi,  X^)  •  TFv(Ai,  Ag)  bezeichnet  haben.  In 
der  That  muss  ja  Formel  (61),  in  unseren  früheren  Bezeichnungen  ge- 
schrieben, folgendermassen  lauten: 

(62)  H{1„  A,)  .  ?/.  =  Wr{k„  K).M,  +  U{k„  A^)  .  Wr{l„  A,)  •  JV,; 
man  vergleiche  etwa  Formel  (46)  oben.  Wir  können  sagen,  dass 
Gordan' s  hiermit  geschilderte  Entwickelung  dieser  Formel  die  genaue 
Umkehr  der  unsrigen  ist.  Der  weitere  Gang  der  Rechnung  ist  dann 
beiderseits  derselbe.  Um  die  y^  durch  die  A  und  die  sonst  gegebenen 
Grössen  auszudrücken,  führen  wir  in  (62)  statt  M^,  N^  die  Ausdrücke 

_   M,  _  N,-T, 

*^i  ~  12/; '    **i  ~  144  .  /;  3 

ein,  d.  h.  Quotienten,  welche  in  A^,  Ag  und  ft^j  [i^  gemeinsam  von  der 
ersten  Dimension  sind,  und  berechnen  dann  diese  als  rationale  Functionen 
der  a,  ß,  y,  V  in  der  Weise,  wie  es  in  §  9  speciell  für  w?i  ausge- 
führt wurde. 

Wir  verweilen  noch  einen  Augenblick  bei  Gordan's  Ableitung  der 
Formel  (62).  Offenbar  können  wir  dieselbe  folgendermassen  in  Worte 
fassen.  Da  die  yy  bilineare  Formen  der  A^,  k^  und  ftj,  ^^  sind,  so 
verlangt  ihre  Bestimmung,  wenn  wir  k^  (was  gestattet  ist)  beliebig 
annehmen,  sodann  Aj  :  Ag  aus  der  zugehörigen  Ikosaedergleichung  ge- 
funden haben,  nur  noch  die  Kenntniss  der  /u^,  /itg.  Diese  mm  gewinnen 
mr,  indem  tvir  die  beiden  in  ft^,  ii.^  linearen  Invarianten  M^,  N^ 
heranziehen  wid  sie  als  rationale  Functionen  der  A^,  Ag  und  a,  ß, 
y,  V  berechnen.  In  der  That  haben  wir  so  zwei  lineare  Gleichungen 
für  ftj,  ftgl  lösen  wir  dieselben  nach  fij,  /x^  auf  und  tragen  die  ent- 
stehenden Werthe  in  die  Formel  für  yy  ein,  so  haben  wir  das  gesuchte 
Resultat,  dasselbe,  welches  in  abgekürzter  Form  durch  (62)  vorgestellt 
wird.  —  Oder  wir  können  auch  so  sagen.  Setzen  wir  M^  =  0,  so 
bestimmen  wir  damit  in  der  binären  Mannigfaltigkeit  jt^  :  ^1.2  ein  erstes, 
zu  dem  Elemente  Aj  :  Ag  contragredientes,  oder,  allgemeiner  ausgedrückt, 
covariantes  Element.  Ein  zweites,  ebensolches  Element  gewinnen  wir, 
wenn  wir  JV^  =  0  nehmen.  Unsere  Aufgabe  ist  es,  dasjenige  Ele- 
ment innerhalb  (ii'.  (i2  zu  finden,  welches  durch  yy  =  0  repräsentirt 
wird.  Wir  erledigen  diese  Aufgabe  in  (62),  indem  wir  y,,  aus  den 
beiden  covarianten  Elementen  Jf^,  N^  mit  Hülfe  geeigneter  Coeffi- 
cienten  zusammensetzen,  also  genau  nach  denselben  Grundsätzen  der 
„typischen  Darstellung"  verfahren,  welche  wir  schon  oben  bei  Be- 
sprechung der  Tschirnhaustransformation  benutzten.  —  Die  hiermit 
bezeichnete  Auffassungsweise  wird  später  in  verallgemeinerter  Form 
wiederholt  zur  Geltu^  kommen. 


206  II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen. 

§  12.    Die  Normalgleichung  der  r^. 

In  unserer  allgemeinen  Uebersicht  der  verschiedenen  zur  Lösung 
der  Gleichung  fünften  Grades  eingeschlagenen  Wege  haben  wir  oben 
(II,  1,  §  1)  die  Methode  der  Besolventenhildung  von  derjenigen  der 
Tschirnhaustransformation  getrennt,  dabei  aber  bemerkt,  dass  man  die 
eine  Methode  immer  in  die  andere  umsetzen  kann.  Indem  wir  die 
Hauptgleichungen  fünften  Grades  direct  mit  Hülfe  der  Ikosaederglei- 
chung  lösten,  haben  wir  die  Methode  der  Resolventenbildung  befolgt. 
Sollen  wir  statt  ihrer  die  Methode  der  Tschirnhaustransformation  zur 
Darstellung  bringen,  so  werden  wir  irgend  eine  der  Resolventen 
fünften  Grades,  die  wir  in  I,  4  für  die  Ikosaedergleichung  aufgestellt 
haben,  als  Normalgleichung  zu  Grunde  legen  müssen. 

Am  zweckmässigsten  scheint  in  dieser  Hinsicht  die  Resolvente 
der  n,  die  wir  in  §  9  1.  c.  construirten  und  der  wir  damals  die  fol- 
gende Form  ertheilt  haben: 

(63)  ^:  Z—  1  :  1  =  (r  —  3)3  (r^  -  llr  +  64) 

:  r  (r^  —  10  r  -f  45)^ 
:  —  1728. 
In  der  That  haben  wir  bereits  früher   (§    13  1.  c.)   die  m^,   Vy    durch 

r^  rational  dargestellt: 

12 12 


rl  -  lOr^  +45'      ""         r^  -  3  ' 
tragen  wir  diese  Formeln  in  unsere  jetzige: 

yv  =  m^  •  Uv  -{-  n^  '  Uy  •  v^ 
ein,  so  erhalten  wir  unmittelbar  die  Darstellung  der  y^  durch  die  Wurzeln 
der  Normalgleichung  (63): 

_      J^2(^  -3)^1  +  144  >^^ 
(64)  Vv  —  (,.^   _  3)  (,.2  _  lor^  +  45)  * 

Es  fragt  sich  nur  noch,  wie  wir: 

als  rationale  Function  des  y^  berechnen.  Wir  werden  hier  einen 
ähnlichen  Weg  einschlagen,  wie  soeben  (in  §  9)  bei  der  Berechnung 
von  m^.     Sei  der  Kürze  halber: 

so  schreiben  wir  der  Reihe  nach: 

^2        ,   f 
^V,  1        /2 

[4i  -f^  +  ^l  2  •  A]  +  in,  1  •  ^2  -  j^2  •  A] 


II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichuugen.  207 

Hier  ist  /i  •  f^,  wie  wir  wissen,  gleich  (a*  —  /3^  +  ^ßv)-  Nun  können 
wir  in  ganz  entsprechender  Weise  (durch  Zurückgehen  auf  die  expli- 
citen  Werthe  in  X^,  X^  und  /Lt^,  \i^  die  beiden  Bestandtheile  des 
Zählers  berechnen.  Denken  wir  uns  einen  Augenblick  statt  der  A,  ft 
die  y  eingeführt,  so  sind  diese  Bestandtheile  solche  ganze  Functionen 
der  2/,  die  un geändert  bleiben,  wefnn  man  diejenigen  vier  y,  welche  von 
unserem  festen  yv  verschieden  sind,  in  beliebiger  Weise,  resp.  in  gerader 
Weise,  permutirt  Nun  sind  die  Potenzsummen  dieser  vier  y  ganze 
Functionen  von  y^,  cc,  ß,  y,  ihr  Differenzenproduct  aber  ist  gleich 
5V  :(«//  + 2ayv  + /3),  wo  {\f  -\- 2ay  -\-  ß)  den  durch  5  dividirten 
DifFerentialquotienten  der  linken  Seite  unserer  Hauptgleichung  be- 
zeichnet.    Daher    wird    \tl,  i  •  /"a  -f-  ^v,  2  •  /i]    eme   ganze    Function    von 

yy,  a,  ß,  y  sein,  \tl^  1  •  /"g  —  ty,  2  •  f^  ob^  in  das  Product  einer  solcJien 

V 
ganzen  Function  und  der  Grösse      ,    ,  ^ r-3  zerfallen.    Es  ist  un- 

•^  yv*  +  2ayv  +  ß         ' 

nöthig,   dass  ich  in   die  Einzelheiten   der  Rechnung  eingehe;  ich  will 

also  nur  das  Resultat  mittheilen*).     Man  findet: 

(65)  2(a^  —  ß''-\-aßy)r, 

=  {{ay  +  2ß')  y/  +  («'  -  ßY)  V^'  -  5«'^  '  V^  +  (4aV  +  13«^^)?/^ 

+  (11«^  +  ^aßy)^  -  [(«y/  ^  ßy^.  ^  -^Yy^^^ly^^^]  ■ 

Fassen  wir  zusammen,  so  haben  wir  Folgendes:  Wir  haben  in 
(65)  die  Tschirnhaustransformation,  welche  die  gegebene  Hauptgleichung 
in  die  Normalgleichung  (63)  verwandelt;  haben  wir  sodann  die  Wurzeln 
ry  der  letzteren  bestimmt,  so  gibt  uns  (64)  die  expliciten  Werthe  der  ge- 
suchten yy. 

§  13.    Die  Bring'sche  Transformation. 

Ich  habe  die  Formeln  des  vorigen  Paragraphen  um  so  lieber  aus- 
führlich mitgetheilt,  als  sich  aus  ihnen,  wie  ich  jetzt  zeigen  werde, 
alle  Formeln  ableiten  lassen,  deren  man  bei  Durchführung  der  Bring- 
schen  Transformation  bedarf**).  Es  seien  y^,  y^,  y^,  y^,  y^  und 
Vq}  Vi  7  y^y  2/3';  yl  ^i^  Coordinaten  zweier  Punkte  der  Hauptfläche,  welche 
derselben  Erzeugenden  erster  Art  angehören.  Dann  erhalten  wir  für 
die    entsprechenden    Hauptgleichungen    die    nämlichen   Z   und   r^***), 


*)  Siehe  Math.  Ann.  t.  XII,  pag.  556. 

**)  Siehe    die   analogen  Formeln  bei  Gordan  in  Bd.   13  der  Math.  Annalen, 
pag.  400  ff. 

***)  Oder  richtiger  Zj  und  rr,  1 ,  wie  wir  schon  im  vorigen  Paragraphen  hätten 
schreiben  können. 


208  n,  3.    Theorie  der  Hauptgleicliungen. 

während  wir  die  übrigen  bei  ihnen  in  Betracht  kommenden  Grössen 
je  durch  Zufügen  eines  Accentes  unterscheiden,  also  den  a,  ß,  y,  A, 
Ml,  fii  der  ersten  Gleichung  bei  der  zweiten  Gleichung  a',  ß',  y',  V, 
m^,  nl  entgegenstellen  wollen.  Ich  sage  nun,  dass  eine  doppelte  An- 
wendung der  Formeln  (64),  (65)  genügt,  um  die  eine  der  Hauptglei- 
chungen in  die  andere  zu  transformiren ,  hez.  ihre  Wurzeln  durch  die 
der  zweiten  auszudrücken.  Wir  wollen  die  Gleichungen  (64),  (65), 
wenn  sie  mit  accentuirten  Buchstaben  geschrieben  werden,  der  Kürze 
halber  als  (64'),  (65')  bezeichnen.  Dann  besteht  das  ganze  hier 
nöthig  werdende  Verfahren  evidenter  Weise  darin,  dass  wir  das  eine 
Mal,  vermöge  (65),  die  r^  durch  die  y^  und  dann,  vermöge  (64'),  die 
yv  durch  die  r^  ausdrücken  (was  die  gesuchte  Transformation  ist), 
dass  wir  dann  aber  rückwärts,  vermöge  (65'),  die  r^  als  Functionen 
der  «/v  berechnen  und  nun  aus  ihnen,  durch  (64),  die  y^  finden. 

Die  Bring' sehe  Theorie  erledigt  sich  durch  einen  speciellen  Fall  des  allge- 
meinen, hiermit  gegebenen  Ansatzes.  Die  Erzeugende  erster  Art  nämlich, 
welche  den  Punkt  y  trägt,  begegnet  der  Curve  «  =  0  in  drei  Punkten: 
wir  erhalten  die  Bring'sche  Transformation,  wenn  wir  einen  dieser  Punkte 
als  y'  wählen.  Analytisch  heisst  dies,  dass  wir  m/,  n^  so  bestimmen 
sollen,  dass  in  der  Hauptgleichung  für  y'  der  Term  mit  y'^  fortföllt. 
Ein  Blick  auf  die  allg«meine  Hauptresolvente,  I,  4,  §  12,  ergibt  uns 
sofort  die  cubische  Gleichung,  der  m^,  w/  demzufolge  genügen  müssen, 
mit  anderen  Worten:  die  cuhische  Hülfsgieichung ,  deren  die  Bring'sche 
Theorie  bedarf-^  es  ist  folgende: 

(66)  8m^  +  I2m^n  +  ^"^^^+ ^'  =  q. 

Sie  hängt,  wie  a  priori  deutlich,  nicht  mehr  von  dem  einzelnen  Punkte 
y  ab,  sondern  nur  noch  von  der  Erzeugenden  erster  Art,  auf  welcher 
dieser  Punkt  gelegen  ist,  bez.  von  den  60  Erzeugenden,  welche  aus  der 
genannten  vermöge  der  geraden  Collineationen  entstehen.  —  Wir  haben 
betreifs  der  Bring'schen  Theorie  nichts  weiter  hinzuzufügen;  höchstens 
könnten  wir  noch  darauf  aufmerksam  machen,  dass  (65')  jetzt  sehr 
einfach  wird,  indem  a  =  0  ist*).  Auch  wird  es  nützlich  sein,  her- 
vorzuheben, dass  wir  bei  der  trinomischen  Gleichung,  welche  wir  durch 
Ausführung  der  Bring'schen  Transformation  erhalten,  allemal  von 
vorneherein  die  Quadratwurzel  aus  der  Discriminante  kennen. 


*)  In  ähnlicher  Weise,  wie  die  Bring'sche  Transformation  vermöge  (66),  er- 
ledigt sich  mit  Hülfe  einer  Gleichung  vierten  Grades  die  Aufgabe,  aus  der 
gegebenen  Hauptgleichung  eine  andere  herzustellen,  für  welche  ß'  =  0  ist.  Auf 
die  Durchführbarkeit  dieser  Aufgabe  hat,  wie  es  scheint,  zuerst  Jerrard  aufmerk- 
sam gemacht  [Mathematical  Ilesearches,  1834]. 


II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen.  209 

§  14.    Die  Normalgleiehung  von  Hermite. 

Nun  wir  die  Bring'sche  Theorie  so  einfach  mit  unseren  Ent- 
wickelungen  in  Zusammenhang  gebracht  haben,  wollen  wir  das  Gleiche 
mit  der  Normalform  versuchen,  welche  Hermite  der  Lösung  durch 
elliptische  Functionen  zu  Grunde  legt.  Wie  wir  oben  sahen  (II,  1, 
§  4),  lautet  dieselbe  folgendermassen : 

(67)  75-2*.  53. 1*^(1  —  u^f-Y—2^yW>-u^i\  -  u^f  {\  +  t*^)  =  0, 

wo  u^  =  %^.  Wir  werden  fragen,  ob  diese  Gleichung  in  der  allgemei- 
nen Hauptresolvente  der  Ikosaedergleichung  als  specieller  Fall  ent- 
halten ist,  sobald  wir  Z  (die  rechte  Seite  der  Ikosaedergleichung)  gleich 

(e,Ä\  hl  —  ±  (1  -  x''  +  ^r 

^   °^  J    ~  2l'     «*  (1  —  yiy 

setzen,  wie  wir  dies  oben  (I,  5,  §  7)  thaten,  als  es  sich  um  die  Auf- 
lösung der  Ikosaedergleichung  durch  elliptische  Modulfunctionen  han- 
delte, —  wir  werden  fragen,  weshalb  Hermite  bei  seinen  Unter- 
suchungen gleich  anfangs  zur  Bring'schen  Form  geführt  werden 
konnte,  während  doch  jede  Hauptgleichung  fünften  Grades  (durch  Ver- 
mittelung  der  Ikosaedergleichung)  mit  Hülfe  der  elliptischen  Func- 
tionen gelöst  werden  kann,  und  die  Bring'sche  Form  unter  den 
unendlich  vielen  Hauptgleichungen  mit  einem  Parameter,  die  es  gibt, 
keineswegs  die  einfachste  ist. 

Zur  Beantwortung  dieser  Fragen  setzen  wir  in  (66)  für  Z  die  in 

(68)  angegebene  Function  von  x^  ein.  Der  Erfolg  ist,  dass  die  cuhische 
Gleichung  (66)  reducihel  wird.  In  der  That  genügen  wir  derselben, 
wie  man  sofort  bestätigt,  wenn  wir 

m  :  w  =  3^2 :  2  (2  —  5^2  -f-  2x^) 

wählen.     Ich  will  dementsprechend  setzen: 

(69)  m  =  3x2(l-f  x'O,     w  =  2  (1 -f  ^£'0  (2  -  5x2  +  2x''). 

Die  Coefficienten  der  in  I,  4,  §  12  gegebenen  Hauptresolvente  ziehen 
sich  dann  beträchtlich  zusammen,  so  dass  wir  die  Gleichung  erhalten: 

(70)  «/5-2*.3«.5.xio(l  — x^-i/  — 2«.3i».xi2(l_x7(l-fx2)  =  0. 
Hier  brauchen  wir  nun  für  y  nur  noch  zu  substituiren : 

(71)  y  =  ^-Y, 

um  genau  die  Hermite'sche  Gleichung  zu  finden. 

Unsere  erste  Frage  ist  also  zu  bejahen.  Zugleich  wird  man  die  Jße- 
antwortung  der  zweiten  Frage  in  dem  Umstände  erblicken,  dass  Hermite 

Klein,  Gleichungen  5.  Grades.  14 


210  II,  3.    Theorie  der  Hauptgleichungen. 

nicht  mit  den  rationalen  Invarianten  g^,  g^,  sondern  durchweg  mit  oc^ 
operirte. 

Berechnen  wir  jetzt  für  die  Hermite'sche  Gleichung,  oder,  was  auf 
dasselbe   hinauskommt,  für  (70)   das   zugehörige  Z^^,   so  kommen  wir 

natürlich  bei  richtiger  Wahl  des  Vorzeichens  von  V  zu  --  zurück*). 

Aber  auch  für  Z^  kommt  ein  sehr  einfacher  Werth;  man  findet,  indem 
man  in  dem  Ausdrucke  für  Z^  das  Vorzeichen  von  V   umkehrt: 

/'79\  7   —    ^    '    ^^^    ~r  ^  )      **\ 

^^"^^  ^2—      108h^  (1  -  x^)^     •      ^ 

Es  ist  dies,  wie  in  der  Theorie  der  elliptischen  Functionen  gezeigt  wird, 

einer  der  drei  Werthe,  welche  aus  ^  durch  quadratische  Transformation 

des  elliptischen  Integrals  entstehen.  Wir  können  den  interessanten  Zu- 
sammenhang der  Bring'schen  Curve  mit  der  quadratischen  Transfor- 
mation der  elliptischen  Functionen,  der  sich  hier  darbietet,  an  dieser 
Stelle  leider  nicht  weiter  verfolgen***). 

Wir  begnügen  uns  hier,  indem  wir  bis  auf  Weiteres  diese  Ent- 
wickelungen  abbrechen,  mit  der  Thatsache,  dass  sich  die  Bring'schen 
und  Hermite'schen  Formeln  den  unseren  einfügen.  Erst  im  fünften 
Kapitel  werden  wir  unter  allgemeinen  Gesichtspunkten  auf  unsere 
jetzigen  Resultate  zurückkommen  und  die  Frage  zu  beantworten 
suchen,  welchen  theoretischen  Werth  dieselben  besitzen  mögen. 

*)  Man  hat  dabei  (für  (70))  V  =  2^^  •  S^"  •  «2*  (1  —  k^  (1  _  Gm^  +  m*)  zu 
nehmen. 

**)  Vergl.  Gordan,  1.   c. ,   oder  auch  meine  bereits  genannte  Mittheilung  in 
den  Rendiconti  des  Istituto  Lombardo  vom  26.  April  1877. 

***)  Man  vergl.  meine  Abhandlung:  lieber  die  Transformation  der  elliptischen 
Functionen  und  die  Auflösung  der  Gleichungen  fünften  Grades  im  14.  Bande  der 
Mathem.  Annalen  (1878),  insbesondere  p.  166  ff.  dortselbst. 


Kapitel  lY. 
Das  Problem  der  A  und  die  JacoM'sehen  Gleichungen  sechsten  Grades. 

§  1.     Zielpunkt  der  folgenden  Entwickelungen. 

Im  vorigen  Kapitel  haben  wir  zwei  Reihen  binärer  Veränder- 
licher Aj,  Ag  und  fii,  [I2  betrachtet,  welche  simultan  homogenen  Iko- 
saedersubstitutionen  und  ausserdem  einem  Processe,  den  wir  Vertau- 
schung von  A,  (i  nannten,  unterworfen  wurden.  Wir  haben  ferner 
gewisse  bilineare  Formen  der  A,  (i  in  Untersuchung  gezogen,  die  wir  yy 
nannten.  Die  y^  erfuhren  bei  den  in  Rede  stehenden  Transformationen 
der  A,  ft  ihrerseits  lineare  Substitutionen  der  einfachsten  Art,  nämlich 
blosse  Vertauschungen,  und  zwar  sämmtliche  Vertauschungen,  die 
möglich  sind;  sollen  wir  also  ein  zugehöriges  Formenproblem  der  y 
aufstellen,  so  findet  dieses  in  der  Gleichung  fünften  Grades,  der  die 
yv  genügen,  d.  h.  in  der  Hauptgleichung,  seinen  vollständigen  Aus- 
druck. Wir  können  in  diesem  Sinne  behaupten,  dass  wir  uns  im 
vorigen  Kapitel  mit  einem  Formenprobleme  beschäftigt  haben,  das 
durch  Betrachtung  der  simultanen  Substitutionen  der  A,  ^  entsteht. 

Es  soll  nun  im  Folgenden  eine  Fragestellung  ganz  ähnlicher  Art 
(die  übrigens  im  Grunde  noch  einfacheren  Charakter  besitzt)  be- 
handelt werden.  Die  simultanen  Ikosaedersubstitutionen  der  A,  ft  waren, 
wie  wir  es  nannten,  contragre dient:  wir  wollen  jetzt  zwei  Reihen  binärer 
Variabler  in  Betracht  ziehen: 

welche  simultan  jeweils  denselben  Ikosaedersubstitutionen  unterworfen  werden, 
somit  als  cogredient  bezeichnet  werden  können.  Auch  bei  ihnen  bilden 
wir  gewisse  bilineare  Formen,  nämlich  die  symmetrischen  Functionen: 

(1)  Aq  =        —  {AiA,2  -f-  A2A1 ),     Ai  =  AgAg  ,     A2  =        Aj^Ai  , 
d.  h.  die  Coefficienten  derjenigen  quadratischen  Form: 

(2)  k^Zj^  -f  2Ao^i2f2  —  Agi^aS 
welche  durch  Ausmultiplication  der  Factoren 

A^Z^        Aj^2  j     A2  Zi        Aj  Z2 

14* 


212  11,  4.    Das  Problem  der  A. 

entsteht.  Wenn  wir  die  A,  A'  den  120  homogenen  Ikosaedersubstitu- 
tionen  unterwerfen,  oder  untereinander  vertauschen,  so  erfahren  diese 
A  im  Ganzen  60  ternäre  lineare  Substitutionen,  denn  die  einzehien  A 
bleiben  sämmtlich  nicht  nur  bei  Vertauschung  der  X,  l'  ungeändert, 
sondern  auch  dann,  wenn  wir  Aj,  Ag,  Aj^',  Ag'  simultan  im  Vorzeichen 
umkehren*).  Wir  werden  uns  mit  dem  ternären  Formenpröbleme  be- 
schäftigen, welches  durch  Betrachtung  der  hiermit  defmirten  Substitu- 
tionen erwächst. 

Wir  sagten  bereits,  dass  dieses  Formenproblem  der  A  im  Grunde 
einfacher  ist,  als  das  der  y.  In  der  That  werden  wir  mit  unseren 
Ueberlegungen  und  Rechnungen  durchweg  auf  das  gewöhnliche  Ikosaeder- 
problem  zurückgehen  können,  aus  dem  sich  dann  die  von  uns  ge- 
suchten Resultate  durch  ein  bestimmtes,  in  der  modernen  Algebra 
wohlgekanntes  üehertragungsprincip  ergeben,  so  zwar,  dass  die  Durch- 
führung unserer  Aufgabe  beinahe  wie  eine  Uebung  in  der  Anwendung 
gewisser,  der  Invariantentheorie  angehöriger  Grundsätze  erscheint**). 
Wir  würden  nach  demselben  Schema  auch  den  Fall  von  3,  4,  •  •  •  Reihen 
binärer  Variabelen,  die  den  Ikosaedersubstitutionen  oder  irgend  welcher 
anderen  Gruppe  binärer  Substitutionen  in  cogredienter  Weise  unter- 
worfen werden,  behandeln  können.  Wenn  wir  unter  diesen  unendlich 
vielen  so  zu  sagen  gleichberechtigten  Pormenproblemen  eben  das  be- 
zeichnete herausgreifen,  so  geschieht  es,  weil  wir  dasselbe  bei  der 
ferneren  Betrachtung  der  Gleichungen  fünften  Grades  gebrauchen. 
Wir  werden  bald  erkennen,  dass  die  allgemeinen  Jacobi^schen  Gleichungen 
sechsten  Grades,  auf  welche  sich  die  Kronecker' sehe  Theorie  der  Glei- 
chungen  fünften  Grades  stützt,  Resolventen  unseres  Problems  der  A  sind. 
Indem  wir  statt  ihrer  überall  das  Problem  der  A  selbst  substituiren, 
werden  wir  in  einfachster  Weise  dazu  gelangen,  die  verschiedenen, 
bei  den  Jacobi'schen  Gleichungen  sechsten  Grades  von  anderer  Seite 
gefundenen  Resultate  von  unserem  Standpunkte  aus  zu  verstehen  und 
so  für  die  allgemeine  Behandlung  der  Gleichungen  fünften  Grades 
eine  gleichförmige  Grundlage  zu  gewinnen,  welches  nichts  anderes  ist 
als  eine  rationelle  Theorie  des  Ikosaeders  ***). 


*)  Die  Substitutionen  der  A  sind  hiernacli  holoedrisch  isomorph  mit  den  60 
gewöhnlichen,  nicht  homogenen  Ikosaedersubstitutionen. 

**)  Das  betr.  IJebertragungsprincip  ist  im  Wesentlichen  dasselbe,  dem  Hesse 
in  Bd.  66  des  Crelle'schen  Journals  (1866)  eine  Abhandlung  gewidmet  hat. 

***)  In  ähnlicher  Weise,  wie  die  Jacobi'schen  Gleichungen   sechsten  Grades, 
können  die  allgemeinen  vom  {n  -{■  1)^^  Grade,  die  wir  oben  (II,  1,  §  3)  besprachen, 

durch  parallellaufende  Formenprobleme  ersetzt  werden,  welche  sich  auf  die   — - — 


II,  4.    Das  Problem  der  A. 


213 


(3) 


Die  Disposition  für  die  folgenden  EntwickeluDgen  ist  mit  dem, 
was  wir  sagten,  bereits  gegeben.  Es  gilt  zunächst,  das  Problem  der 
A  in  expliciter  Form  aufzustellen,  wobei  wir  wieder  in  ausgiebiger 
Weise  von  geometrischer  Interpretation  Gebrauch  'machen  werden. 
Indem  wir  sodann  die  zugehörigen  Resolventen  studiren,  gewinnen 
wir  den  Uebergang  zu  den  Jacobi'schen  Gleichungen  sechsten  Grades 
und  den  auf  dieselben  bezüglichen  Untersuchungen  von  Brioschi 
und  Kronecker.  Ich  wende  mich  schliesslich  zur  Auflösung  unseres 
Problems  und  zeige,  dass  sich  dieselbe  mit  Hülfe  einer  Ikosaederglei- 
chung  und  einer  zutretenden  Quadratwurzel,  in  genauer  Analogie  mit 
der  im  vorigen  Kapitel  dargelegten  Gordan'schen  Theorie,  durch- 
führen lässt*). 

§  2.    Die  SubstitTitionen  der  A;  invariante  Formen. 

Um  jetzt  zunächst  die  Substitutionen  unserer  A  explicite  zu  be- 
stimmen, recurriren  wir  auf  die  erzeugenden  Ikosaedersubstitutionen 
S  und  T,  bez.   U.     Wir  hatten  für  die  X^,  X^: 

S:    X,'  =  ±sn„     A;  =  +  £%; 

1/5  .  A/  =  +  (£  -  £«)  X,  ±  (a'  -  e')  A„ 
|/5  •  A/  =  +  (£2  -  s^)  X,±{s  —  a')  X,- 
Aj    =  -|-  Ag,     Ag   =  +  Aj. 

Indem  wir  dieselben  Formeln  für  die  A^',  X^'  anschreiben**),  erhalten 

wir  aus  (1)  für  unsere  A  folgende  Substitutionen: 

o  •     Mq  ~ —  ^V) >     ^1  —  ^  ** )     **^  —  ^^2  5 

f]/5.Ao'=    Ao  +  A,  4-A,, 
1/5  .  a;  =  2  Ao  +  (5^  +  8^)  \  +  {s-\-  s')  A„ 

[Vb  .  a;  =  2 Ao  -f  (fi  +  8^)  A,  +  {e'  +  e')  A,; 
. l/  :  Aq  =        Aq,     A|   ==        A2,     A2  ==        Aj, 

Variabelen  A^,  Aj,  •  •  •  A»  — 1  bezieben.     Ich  habe  dies  für  «  =  7  im  15.  Bande 

2  " 
der    Math.    Annalen    (1879)    in   Ausführung   gebracht,    siehe    insbesondere    pag. 
•268—275  daselbst. 

*)  Die  hauptsächlichen  bei  der  folgenden  Darstellung  zu  benutzenden  Ueber- 
legungen  sind  von  mir  am  18.  Nov.  1876  der  Erlanger  Societät  vorgelegt  worden 
[Weitere  Untersuchungen  über  das  Ucosaeder,  I];  man  vergl.  ferner  den  zweiten 
Abschnitt  meiner  im  zwölften  Annalenbande  (1877)  unter  gleichem  Titel  erschie- 
nenen Abhandlung.  Die  Entwickelungen  §8  —  13  wurden  jetzt  erst  hinzugefügt. 
**)  Es  wird,  wie  ich  hoffe,  kein  Missverständniss  erzeugen,  dass  die  Buch- 
staben Jl/,  X.^'  gerade  auch  in  den  Formeln  (3)  linker  Hand,  in  natürlich  ganz 
anderer  Bedeutung,  gebraucht  worden  sind. 


.  U: 


(4) 


T:l 


214  11,  4.    Das  Problem  der  A. 

die,  gleich  (3),  alle  die  Determinante  +  1  haben.  Aus  ihnen  setzen 
sich  die  60  überhaupt  existirenden  linearen  Substitutionen  der  A  nach 
dem  alten  Schema  (T,  1,  §  12)  zusammen: 

(5)  &%  S^^TS%    Sf'U,    S^'TS^'U  {(i,  v  =  0,  1,  2,  3,  4). 

Was  jetzt  die  invarianten  Formen  angeht,  d.  h.  diejenigen  ganzen 
homogenen  Functionen  der  A,  welche  bei  den  Substitutionen  (5)  un- 
geändert  bleiben,  so  gehört  zu  ihnen  jedenfalls  die  Determinante  von  (2): 

(6)  ^  =  Ao2  +  A,A2. 

In  der  That  wird  dieselbe  durch  Einführung  der  A,  l'  gleich 
(A^Ag'  —  AgA/)^  und  bleibt  also  überhaupt  invariant,  wenn  man  die 
A,  A'  simultan  irgendwelcher  homogenen  Substitution  von  der  Determi- 
nante Eins  unterwirft.  Nehen  A  wird  das  volle  System  der  gesucJden 
Formen,  wie  ich  behaupte,  nur  noch  drei  Formen  'beziehungsweise  vom 
gten^  j^Qteu  ^^^^  -jagten  Q-^q^q  enthalten.  Ist  nämlich  A  =  0,  so  wird 
Aj'  =  MA|,  A2'  =  Mk^,  unter  M  eine  beliebige  Zahl  verstanden,  also, 
nach  (1): 

(7)  Ao  =  —  ilfAiAg,     Ai  =  MX^',     A2  =  —  MK^^. 

Die  gesuchten  Formen  verwandeln  sich  dementsprechend  in  Multipla 
solcher  Formen  von  A^,  A2,  deren  Grad  in  den  A  doppelt  so  gross  ist, 
als  der  ursprüngliche  Grad  in  den  A,  und  die  ausserdem  die  Eigen- 
schaft haben,  durch  die  homogenen  Ikosaedersubstitutionen  von  Aj,  Ag 
in  sich  überzugehen.  Nun  wird  aber  das  System  aller  Ikosaederformen 
von  der  Form  zwölfter  Ordnung  /"(A^,  Ag),  der  Form  zwanzigster  Ord- 
nung H{k^,  Ag)  und  der  Form  dreissigster  Ordnung  T{X^,  Ag)  gebildet. 
Hieraus  folgt  unsere  Behauptung  durch  Umkehr.  Wir  werden  sogar 
sagen  dürfen,  dass,  der  Identität  entsprechend: 

(8)  1^  =  1128^-  H\ 

eine  einzige  identische  Beziehung  zwischen  den  neuen  Formen  bestehen 
wird,  welche  in  (8)  übergeht,  sobald  wir  Ä  =  0  setzten. 

Ich  will  die  drei  gesuchten  Formen  mit  B,  C,  D  bezeichnen. 
Indem  wir  ihre  Existenz  durch  Zurückgehen  auf  die  Ikosaederformen 
f,  H,  T  erschlossen,  haben  wir  bereits  von  dem  algebraischen  Ueber- 
tragungsprincip,  welches  wir  oben  in  Aussicht  nahmen,  Gebrauch  ge- 
macht. Wir  werden  dies  in  höherem  Maasse  thun,  indem  wir  jetzt 
JB,  C,  D,  wenn  auch  nur  in  vorläufiger  Form,  wirklich  aufstellen.  Es 
handelt  sich  dabei  um  einen  zweckmässig  angewandten  Polarisa- 
tionsprocess.  Ist  9>(Ai,  Ag)  irgend  eine  Form,  welche  bei  den  homo- 
genen Ikosaedersubstitutionen  der  A^,  A2  ungeändert  bleibt,  und  sind 
A/,  Ag'  mit  Aj,  A2  cogredient,  so  werden  sämmtliche  Polaren: 


II,  4.    Das  Problem  der  A.  215 

bei  den  simultanen  Substitutionen  der  A,  A'  invariant  sein.  Man  bilde 
nun  insbesondere  für  /"(Aj,  Ag),  S(Xi,  Ag),  T(Ai,  Ag)  beziehungsweise 
die  sechste,  zehnte  und  fünfzehnte  Polare.  Wir  erhalten  so  invariante 
Formen,  welche  in  den  X,  A'  symmetrisch  sind,  also  ganze  Functionen 
von  Ao,  Ai,  A2  vorstellen.  Indem  wir  sie  als  solche  anschreiben, 
haben  wir  die  gesuchten  Formen  B,  C,  D  gefunden.  In  der  That 
sind  diese  Formen  jetzt  nothwendig  bei  den  Substitutioneü  (4)  oder 
(5)  invariant,  sie  haben  überdies  in  den  A  die  Grade  6,  10,  15  und 
verwandeln  sich,  wenn  man  die  Formeln  (7)  anwendet,  in  Multipla 
von  /*(Ai,  Ay),  H{X^,  Ag),  ^(Aj,  Ag).  Ich  will  hier  gleich  das  Resultat 
der  Rechnung  mittheilen.  Nach  Abtrennung  geeigneter  Zahlenfactoren 
findet  man  in  der  geschilderten  Weise: 

(B'  =  16Ao«-120Ao^A,A,  +  90Ao^A/A/+21Ao(A,^+A2^)-5A,3A2^ 

C  =  -512A„i"+11520Ao«AiA2-  40320Ao''A,2A/+33600AoX=^A/ 

-  eSOOAo'-^Ai^A,^  -  187(Aii«  +  A,»«)+  126Ai5A2^ 


(9){  +  Ao(A/'  +  A,s)  (22176Ao*  —  18480Ao'AiA2  +  1980A,^A/), 

D  =  [A,^  -  A/']  {—  1024Ao*°  +  3840Ao'AiA2  -  3840Ao*'Ai2A/ 


5 


+  1200Ao*A,3A2-''  —  lOOAo'Ai^Ag*  +  Ai^»+  A2^°+2Ai^A 

+  A„(A,^  +  A/)  (352  Ao^  -  IßOAo^A,  A^  +  10  A,^  A/) } . 
Ich  habe  dabei  die  beiden  ersten  Formen  noch  nicht  mit  B  und 
C,  sondern  mit  B'  und  C  benannt,  weil  ich  dieselben  hernach/  durch 
Zufügen  von  Factoren,  welche  A  als  Factor  enthalten,  noch  modifi- 
ciren  will.  Erst  wenn  dies  geschehen  ist,  werde  ich  die  Relation  auf- 
stellen, welche  B^  gleich  einer  ganzen  Function  von  A,  B,  C  setzt. 
Wenden  wir  die  Substitution  (7)  auf  vorstehende  Formen  an,  wobei 
wir  der  Einfachheit  halber  ilf  =  1  setzen  wollen,  so  kommt  in  Ueber- 
stimmung  mit  dem  früher  Gesagten: 

B'  =    21  .  /-(Ai,  l,), 

(10)  \c'  =m-H{i,,  X,), 

l  ^    =  T  (A„  A^).*) 

*)  Das  im  Texte  eingehaltene  Rechenverfahren  wird  in  den  Lehrbüchern  der 
Invariantentheorie  nach  dem  Vorgange  von  Gordan  als  Ueberschiebung  der  qua- 
dratischen Form  (2)  bezeichnet,  und  zwar  ist  (von  Zahlenfactoren  abgesehen)  B' 
die  sechste,  C  die  zehnte,  D  die  fünfzehnte  Ueberschiebung  der  entsprechenden 
Potenz  von  (2)  bez.  über  f,  H,  T.  Ich  habe  diese  Ausdruckweise  und  die  zu- 
gehörige symbolische  Beziehung  im  Texte  nicht  angewandt,  weil  ich  in  dieser 
Hinsicht  keinerlei  specifische  Vorkenntnisse  des  Lesers  voraussetzen  wollte. 


216  n,  4.    Das  Problem  der  A. 

§  3.    Geometrische  Interpretation;  -Normirung  der  invarianten 

Ausdrücke. 

Zur  Erleichterung  der  Ausdrucksweise  wie  der  functionentlieore- 
tischen  Begriffsbilduiig  führen  wir  jetzt  geometrische  Interpretation 
ein.  Indem  wir  die  Analogie  mit  den  Entwickelungen  des  vorigen 
Kapitels  durchweg  festhalten,  deuten  wir  A^  :  A^  :  Ag  als  die  projectiven 
Coordinaten  eines  Punktes  der  Ebene,  die  Substitutionen  der  A  als 
genau  so  viele  ebene  Collineationen*).  Die  einzelne  invariante  Form  der 
A  stellt  dann,  gleich  Null  gesetzt,  eine  ebene  Curve  vor,  welche  bei 
den  genahnten  Collineationen  in  sich  übergeführt  wird.  In  dieser  Hin- 
sicht haben  wir  zunächst  den  Kegelschnitt  Ä  =  0,  den  wir  den  Fun- 
damentaUiegelschnitt  nennen  wollen.  Schreiben  wir  den  Formeln  (7) 
entsprechend  (indem  wir  wieder  M=\  nehmen): 

Aq  =        "'1^%}     Aj  =  Ag  ,     A2  =        A.^  , 
so   haben  wir  den  variabelen  Punkt  dieses  Kegelschnitts  durch  einen 

Parameter  ^    ausgedrückt.     Hiernach    werden    wir    die   beiden  Para- 

XX' 
meter  y-,   -~ ,  welche  in  Formel  (1)  vorkommen,  durch  zwei  Punkte 

des  Fundamentalkegelschnitts   deuten  können.     Es  sind  dies  diejenigen 
heiden  Punkte,  in  denen  die  zwei  vom  Punkte  A  an  den  Fundamental- 
kegelschnitt laufenden  Tangenten  den  letzteren  berühren.    In  der  That,  die 
Polare  des  Punktes  A  in  Bezug  auf  Ä  =  0  hat  die  Gleichung: 
'^  Aq  Aq  -j-  A2  A|   -j-  Aj  A2  =  Uj 

*)  In  entsprechender  Weise  können  wir  natürlich  jedes  Formenproblem 
deuten.  Wenn  wir  im  vorigen  Abschnitte  anders  verfuhren  und  die  binären 
Formenprobleme  durch  Punkte  der  {x  -\-  iy)Kugel  interpretirten,  so  geschah  dies, 
weil  wir  damals  nicht  nur  die  reellen,  sondern  auch  die  complexen  Werthe  der 
Variabelen  in  elementarem  Sinne  anschaulich  von  uns  haben  wollten.  — 

Ich  knüpfe  hieran  noch  eine  etwas  andere  Interpretation  des  Problems  der 
A.  Man  setze  Aq  =  ^r,  Aj  =  x  -\-  iy,  A^  ^  x  —  iy  und  deute  x,  y,  z  als  recht- 
winkelige Punkte oordinaten  im  Räume.  Beachtet  man,  dass  die  60  Substitutionen 
der  A  die  Determinante  Eins  besitzen  und  A  jetzt  =  x^  -\-  y'^  -\-  z"^  ist,  so  erkennt 
man,  dass  den  erwähnten  Substitutionen  nunmehr  Drehungen  um  den  Coordinaten- 
anfangspunkt  entsprechen.  Es  sind  dies  solche  Drehungen,  bei  denen  ein  be- 
stimmtes Ikosaeder  mit  sich  zur  Deckung  kommt.  Die  6  sogleich  im  Texte  ein- 
zuführenden Fundamentalpunkte  liefern  bei  dieser  Deutung  diejenigen  6  Durchmessei-, 
welche  zwei  gegenüberstehende  Ecken  des  Ikosaeders  verbinden.  Andererseits 
gibt  die  Gleichung  D  =  0,  von  der  wir  sofort  zeigen  werden,  dass  sie  in  15 
lineare  Factoren  zerfällt,  die  15  Symmetrieebenen  der  Configuration. 

Man  kann  diese  neue  Interpretation  mit  derjenigen  der  X,  X'  auf  einer 
Kugel  fläche  verbinden,  doch  gehe  ich  hierauf  nicht  ein,  weil  uns  dies  zu  weit  ab- 
führen würde. 


II,  4.    Das  Problem  der  A.  217 

und  diese  Gleichung  wird  befriedigt,  wenn  wir  für  die  A  die  Aus- 
drücke (1)  und  für  die  A'  die  Ausdrücke  (7),  oder  die  entsprechen- 
den, in  denen  k'  statt  X  geschrieben  ist,  substituiren. 

Die  Punkte  des  Fundamentalkegelschnitts  gruppiren  sich  natür- 
lich so,  dass  unter  ihnen  Aggregate  von  12,  20,  30  ausgezeichneten 
sind,  welche  beziehungsweise  durch 

/•(Ai,  A^)  =  0,     H{1,,  A,)  =  0,     T(Ai,  A,)  =  0 

dargestellt  werden;  es  sind  dies  zugleich  die  Schnittpunkte  von  ^  =  0 
mit  den  Curven  B  =  0,  C  =  0,  D  ==  0.  Wir  wollen  von  diesen 
Punkten  diejenigen  zwei,  welche  je  bei  derselben  CoUineation  fest- 
bleiben, durch  eine  gerade  Linie  verbinden.  So  bekommen  wir,  den 
Formen  f,  H,  T  entsprechend,  beziehungsweise  6,  10  und  15  gerade 
Linien.  Indem  wir  sodann  zu  jeder  dieser  Linien  den  Pol  in  Bezug  auf 
den  Fundamentalkegelschnitt  construiren,  erhalten  wir  ausgezeichnete 
Gruppen  von  6,  10  und  15  Punkten  der  Ebene. 
Betrachten  wir  jetzt  die  Gleichungsform 

^  =  Ao^  +  A,A2  =  0. 

Offenbar  sind  die  beiden  Ecken  des  Coordinatensystems 

Aq  =  0,  Ai  =  0  und  Ao  =  0,  Ag  =  0, 

welche  A  =  0  angehören,  zusammengehörige  Verschwindungspunkte 
von  /■;  denn  beide  bleiben  bei  der  CoUineation  S  [siehe  oben,  Formel 
(41)]  ungeändert.  Daher  ist  Aq  =  0  eine  der  sechs  Geraden,  die  zu  /" 
gehören,  Aj  =  0,  Ag  =  0  ist  der  entsprechende  Pol.  Uebereinstimmend 
hiermit  nimmt  Aq  bei  unseren  60  Substitutionen  nur  folgende  12, 
paarweise  bis  auf  das  Vorzeichen  übereinstimmende  ^^Werthe  an: 

(11)  +Ao,     +  (Ao  +  «"A, -f  £*^A,), 

und  es  gruppiren  sich,  in  Folge  derselben  Formeln,  mit  dem  Punkte 
Aj^  ==  0,  Ag  =  0  nur  folgende  fünf  zusammen: 

(12)  Ao:Ai  :A2=  1:2£*'':2£\ 

Ich  will  die  sechs  solchergestalt  ausgezeichneten  Punkte  als  Funda- 
mentalpunJcte  der  Ebene  bezeichnen.  Verbinden  wir  den  ersten  Fun- 
damentalpunkt mit  den  fünf  anderen,  so  erhalten  wir  die  fünf  Geraden : 

£''Ai  —  £*'A2  =  0. 

Offenbar  sind  die  linken  Seiten  dieser  Gleichungen  sämmtlich  als 
Factoren  in  dem  soeben  mitgetheilten  Werthe  von  D  enthalten.  Die 
Curve  D  =  0  muss  sich  aber  nothwendig  gegen  alle  Fuudamen- 
talpunkte  gleichförmig  verhalten.     Die  Curve  D  ==  0  zerfällt  ddlwr  in 


218  n,  4.    Das  Problem  der  A. 

die  15  Verb'mdimgsgeraden  der  6  FimdamentalpimMe.  Dem  entspricht 
die  folgende  algebraische  Decomposition: 

(13)     D  =  11  (^^'A,  -  s'^A,)  ■  IT  ((1  +  yS)  A„  +  a'A,  +  5*^ A,) 

V  V 

.n((l-l/5)Ao  +  6^^A, +  £"A,), 

(i;  =  0,  1,2,  3,4), 

die  man  leicht  verificirt.  Wir  könnten  über  die  15  hier  auftretenden 
geraden  Linien  eine  Menge  interessanter  Sätze  aufstellen:  sie  sind  die 
15  Geraden,  welche  zu  den  Punktpaaren  von  T  gehören,  sie  laufen  zu 
drei  durch  die  10  Punkte,  die  wir  den  Punktepaaren  von  H  coordi- 
nirten*),  etc.  Ich  gehe  hier  auf  diese  Sätze  nicht  näher  ein,  weil 
wir  sie  des  Weiteren  nicht  gebrauchen;  übrigens  sind  dieselben  leicht 
erkennbare  Uebertragungen  der  Gruppirungsverhältnisse,  welche  beim 
Ikosaeder  Statt  haben. 

Was  die  Curven  B'  =  0,  C  =  0  angeht,  so  haben  dieselben  zu 
unseren  sechs  Fundamentalpunkten  keinerlei  ausgezeichnete  Relation. 
Eben  diesen  Umstand  wollen  wir  jetzt  henutzcn^  um  B'  und  C  durch 
0wei  andere  Ausdrücke  m  ersetzen.  Wir  werden  statt  B'  eine  lineare 
Combination  B  von  B'  und  Ä^  einführen,  derart,  dass  die  Curve 
B  =  0  den  Pundamentalpunkt  A^  =  0,  Ag  =  0  und  daher  (als  inva- 
riante Curve)  sämmtliche  Fundamentalpunkte  enthält.  Desgleichen 
werden  wir  C  durch  eine  lineare  Combination  G  von  C",  Ä^B,  Ä^ 
ersetzen,  welche,  gleich  Null  gesetzt,  eine  Curve  repräsentirt,  die  in 
A^  =  0,  Ag  =  0,  also  in  sämmtlichen  Fundamentalpunkten,  einen  mög- 
lichst hohen  singulären  Punkt  hat.  Auf  diese  Weise  finden  wir  (unter 
Abtrennung  geeigneter  Zahleufactoren) : 


(14) 


i?  =  =l^^^  =  8Ao^AiA,-2Ao^A,^A,^  +  A,^A/-Ao(A,'^-fA,^), 


—  G'~  512Ä^ +  1160 A^B 


5 

10 


=  320\'\^A^'  —  leOAo^Ai^A^^  +  20Ao''A,^A/  -f  6\''A, 
-4Ao(A,5-f  A,ö)  (32Ao*-20Ao^A,A,  +  5A,2A/)  +  A,^'>  + A 
Offenbar    hat  ^  =  0  in  A^  =  0,    Ag  =  0   und  somit  in   sämmtlichen 


*)  Clebsch  hat  sich  gelegentlich,  bei  verwandten  und  doch  wieder  ganz 
anders  formulirten  Betrachtungen,  mit  eben  der  Figur  des  Textes  beschäftigt  und 
die  letztgenannte  Eigenschaft  so  ausgesprochen:  dass  die  sechs  Fundamentälpunkte 
ein  10- fach  Brianchon' sches  Sechseck  bilden.  (Math.  Annalen,  t.  IV:  Ueber  die 
Amvendung  der  quadratischen  Substitution  auf  die  Gleichungen  5.  Grades  und  die 
geometrische  Theorie  des  ebenen  Fünfseits,  1871.) 


II,  4.    Das  Problem  der  A.  219 

Fundamentalpunkteii,  uiclit  nur  einen  einfachen  Punkt,  sondern  einen 
Doppelpunkt,  ist  also  (da  wir  zeigen  können,  dass  es  keine  weiteren 
Doppelpunkte  besitzt)  vom  Geschlechte  p  =  4.  Ebenso  hat  C  ==  0  in 
jedem  der  Fundamentalpunkte  zwei  Spitzen,  d.  h.  einen  vierfachen 
Punkt,  und  ist  vom  Geschlechte  ^  =  0. 

Substituiren  wir  in  unsere  neuen  B,  C  der  Formel  (7)  ent- 
sprechend; 

A    — j  2        A    —  2  ^      A   — ;^ 

so  kommt: 

(15)  •  B=-f  (K  h),    C=^-H{X„  A2), 

was  man  mit  (10)  vergleichen  mag.  Die  Relation,  welche  U^  als 
ganze  Function  der  A,  B,  C  ausdrückt,  wird  also  folgende,  von  A 
freien  Glieder  haben: 

Z)2  =  -  1728  B^  +  CK 
Indem  wir  auf  die  expliciteu  Werthe  (9),  (14)  zurückgehen  und  eine 
hinreichende   Anzahl  von  Termen   in  Betracht  ziehen,  finden   wir  die 
vollständige  Formel  *) : 

(16)  D'  =  —  n28B''-\-C'-{-T20ACB'-H0A''C''B-^64A\6B''-'ACy. 

§  4.    Das  Problem  der  A  und  seine  Reduction. 

Das  Problem  der  A,  wie  wir  es  in  Aussicht  nahmen,  ist  durch 
die  jetzt  explicite  gewonnenen  Formeln  (6),  (9),  (14)  für  A,  B,  C,  D 
und  die  Relation  (16)  vollkommen  bestimmt.  Wir  denken  uns  die 
A,  B,  C,  D  ihrem  Zahlenwerthe  nach  in  Uebereinstimmung  mit  (16) 
irgendwie  gegeben:  unser  Froblem  verlangt,  die  zugehörigen  Werthsystemc 
der  Aq,  Ai,  A2  zu  bestimmen.  Do.  A,  B,  C,  D  das  volle  System  der 
invarianten  Formen  bilden,  so  kann  unser  Problem  nur  solche  Lö- 
sungen besitzen,  welche  aus  einer  derselben  durch  die  60  Substitu- 
tionen (5)  hervorgehen.  In  der  That  werden  wir,  wenn  wir  die  Zahl 
der  Lösungen  nach  dem  Bezout'schen  Theoreme  bestimmen,  auf  60 
geführt.  Aus  den  Werthen  von  A,  B,  C  nämlich  ergeben  sich  zu- 
vörderst 2  •  6  •  10  =  120  Werthsysteme  der  A,  von  denen  sich  aber, 
Aveil  A,  B,  C  sämmtlich  gerade  Functionen  der  A  sind,  je  zwei  allein 
durch  einen  simultanen  Vorzeichenwechsel  der  A  unterscheiden  können. 
Von  diesen  120  Werthsystemen  wird  dann  nur  die  Hälfte  den  vorge- 
gebenen Werth  von  D  befriedigen  können,  indem  D  ja  von  ungerader 
Ordnung   ist.  —  Alle    60  Lösungssysteme    gehen,   wie   schon   gesagt. 


*)  Man    vergl.    Brioschi   in    t.  I    der   Annali   di   Matematica    (ser.  2,  1867), 
pag.  228. 


220  n,  4.    Das  Problem  der  A. 

aus  einem  beliebigen  derselben  durch  die  Substitutionen  (5)  hervor. 
Die  letzteren  enthalten  als  einzige  Irrationalität  die  Einheit« wurzel  s. 
Wir  können  also  in  dem  früher  (I,  4)  dargelegten  Sinne  sagen:  dass 
unser  Problem  nach  Ädjundion  von  s  seine  eigene  Galois'sche  Besolvente 
ist  und  also  eine  Gruppe  besitzt,  ivelclie  mit  der  Gruppe  der  60  IJco- 
saederdrehungen  holoedrisch  isomorph  ist. 

Wir  betrachten  nunmehr,  im  Anschlüsse  an  I,  5,  §  A,  das  parallel- 
laufende Gleichungssystem.  Offenbar  sind  die  Verhältnisse  von  A^ :  A^ :  A^ 
auf  60  Weisen  bestimmt,  wenn  wir  in  den  Gleichungen: 

(17)  |,~r,     |,  =  Z 

die  Werthe  von  Fund  Z  als  bekannt  ansehen  dürfen*):  die  gesuchten 
Punkte  A  sind  der  vollständige  Schnitt  der  Curven  sechster,  bez. 
zehnter  Ordnung: 

B  -  YÄ^  =  0,     G  —  Z-A'  =  0. 
Alis  den  60  Lösungen  des  Gleichungssystems  berechnen  wir  jetzt  die  des 
entsprechenden  Formenproblems  rational.     Man  setze  nämlich: 

(18)  ^  =  X. 

Ist  dann  A^ :  A^  :  Ag  =  «^  •  <^i  •  ^2  ^^^^  *^^^  Lösungssysteme  des  Glei- 
chungsproblems, so  haben  wir  offenbar: 

(19)  Ao  =  ()ao;     \  =  Q(^i,     Aa  =  ^a^,- 
unter  q  den  folgenden  Ausdruck  verstanden: 

^  X)(oro,  «1,  «2)  ' 

womit  das  Gesagte  bewiesen  ist. 

In  letzterer  Hinsicht  findet  zwischen  den  früher  studirten  binären 
Formenproblemen  und  dem  jetzigen  ternären  ein  wesentlicher  Unterschied 
statt;  denn  damals  bedurften  wir,  wie  wir  I,  3,  §  2  zeigten,  bei  nachträg- 
licher Lösung  des  Formenproblems  immer  noch  einer  zutretenden  Quadrat- 
wurzel. Es  entspricht  dies  natürlich  dem  Umstände,  dass  die  Gruppe  der 
homogenen  binären  Substitutionen  mit  derjenigen  der  nicht  homogenen 
nur  hemiedrisch  isomorph  war,  während  jetzt  holoedrischer  Isomorphismus 
statt  hat.  Dagegen  ergibt  sich  in  einem  anderen  Punkte  wieder  Ueber- 
einstimmung.  Wir  konnten  damals,  wie  wir  es  nannten,  die  Formen- 
probleme reduciren,  d.  h.  statt  der  drei  an  eine  Bedingungsgleichung 
gebundenen  Grössen  .F^,  F^,  F^,  von  denen  die  Formenprobleme  ab- 
hingen, zwei  unabhängige  X  und  Y  setzen,  welche  selbst  rationale 
Functionen  der  i^-^,  F2,  F^  waren,  während  umgekehrt  letztere  wieder 

*)  Diese  Grössen  T,  Z  sind  dieselben,  die  wir  in  II,  1,  §  7  [Formel  (36)  da- 
selbst] mit  a,  h  bezeichnet  haben. 


IT,  4.    Das  Problem  der  A.  221 

von  ihnen  rational  abhingen.  Genau  dasselbe  erreichen  wir  bei  dem 
Probleme  der  A,  wenn  wir  die  Quotienten  X,  Y,  Z  in  Betracht  ziehen, 
die  wir  gerade  in  (17),  (18)  einführten.  Diese  X,  Y,  Z  sind  an  sich 
als  rationale  Functionen  der  Ä,  B,  C,  D  definirt,  aber  wir  können 
umgekehrt  auch  Ä,  B,  C,  D  durch  die  X,  Y,  Z  rational  ausdrücken. 
In  der  That,  dividiren  wir  in  (16)  beide  Glieder  durch  A^^,  so  kommt 
nach  leichter  Umsetzung  vermöge  (17),  (18): 

(20)  A  =  ^3_i728rs+720r«Z  — 80rZ^-|-64(5r^^Zp» 
während 

(21)  B^YA^,    C  =  Z'A\    D  =  XA' 
ist,  was  die  gewünschten  Formeln  sind. 

Es  ist  lehrreich,  hier  auch  noch  das  Problem  der  yv,  welches  wir 
im  vorigen  Kapitel  als  Hauptgleichung  fünften  Grades  studirten,  zum 
Vergleiche  heranzuziehen.  Wir  dachten  uns  damals  neben  den  Gleichungs- 
coefficienten  a,  ß,  y  auch  noch  die  Quadratwurzel  V  aus  der  Discrimi- 
nante  gegeben,  deren  Quadrat  eine  ganze  Function  der  a,  /3,  y  ist.  Wir 
erhielten  dann  60  Lösungssysteme  «/(,,  y^,  y^,  y^,  y^,  welche  wieder 
durch  die  entsprechenden  Verhältnisswerthe  ^/o  •  Vi  '  t/^  '•  Vs  '  Vi  voll- 
kommen (rational)  bestimmt  sind.  Dies  beruht  darauf,  dass  wir,  wie 
eben,    aus    den    gegebenen   Grössen   Quotienten    bilden  können  (z.   B. 

-  oder    „-)  j    die    in    den   y   von    der    ersten   Dimension   sind.     Auch 

können  wir  das  Formenproblem  der  y  reduciren,  nur  gelingt  dies 
nicht  so  einfach,  wie  in  den  anderen  Fällen.  Die  Beduction  wird  tJiat- 
sächlich  durch  die  m,  n,  Z  der  Hauptresolvente  des  Ikosaeders  geleistet. 
Wir  haben  nämlich  in  I,  4,  §  12,  §  14  die  a,  ß,  y,  V  rational  durch 
m,  n,  Z  dargestellt,  während  wir  umgekehrt  soeben,  in  II,  3,  ausführ- 
liche Methoden  gegeben  haben,  vermöge  deren  m,  7i,  Z  als  rationale 
Functionen  der  a,  ß,  y,  V  erscheinen.  — 

Ist  für  das  Formenproblem  der  A  J.  =  0,  so  können  wir  dasselbe 

ohne   Weiteres   durch    die  Ikosaedergleichung  .^  j. '     .  .  =         j^^ 

erledigen.  Haben  wir  nämlich  aus  ihr  X^  :  X^  bestimmt,  so  finden  wir 
nach  Formel  (7): 

Aq  :  Aj  :  A2  =        /Ij  X^'.  X^   '        X^ 
und  hieraus,    wie    wir    oben    sahen    [Formel   (19)],   die  Werthe    von 
Aq,  Ai,  A2  selbst. 

§  5.    Ueber  die  einfachsten  Resolventen  des  Problems  der  A. 
Wir  wollen  jetzt  die  einfachsten  Resolventen  des  Problems  der  A  in 
Betracht  ziehen.     Nach  dem,  was  wir  über  die  Gruppe  des  Problems 


222  n,  4.    Das  Problem  der  A. 

wissen,  ist  selbstverständlich,  dass  es  sich  dabei  um  Resolventen  des  fünften 
und  sechsten  Grades  handeln  wird.  Unsere  Aufgabe  wird  nur  sein, 
die  einfachsten  rationalen,  bez.  ganzen  Functionen  der  A  aufzustellen, 
welche  bei  den  uns  bekannten  Substitutionen  fünf  bez.  sechs  Werthe 
annehmen.  Hierzu  dient  uns  nun  wieder  das  in  §  2  entwichelte  Ueher- 
tragungsprincip :  wir  nehmen  die  einfachsten  ganzen  Functionen  von 
^i,  Ag,  die  hei  den  homogenen  Ilwsaederstibstitutionen  fünf  oder  sechs 
Werthe  annehmen,  polarisiren  dieselben  so  oft  nach  A/,  L^',  bis  eine  in 
den  A,  k'  symmetrische  Function  entstanden  ist,  und  substituiren  endlich 
statt  der  symmetrischen  Verbindungen  der  A,  A'  die  A. 

Was   die  fönfwerthigen  Functionen  der   A^,  Ag  angeht,   so  waren 
die  einfachsten: 

ty{l„  Ag)  =  f^^Ai«  +  2£2'A,^A2  -  5£"A,U/ 

—  öf^'A^^A/  —  2£=^"AiA/  +  E^'X^\ 

Wr{x„  i,)  =  -  B^n,^  +  £^"A,u,  —  Tf-'^'A/A/  _  lan.n^^ 

ihnen  schlössen  sich  des  Weiteren  t^^  und  t^Wv  an.  Indem  wir  jetzt 
tr  dreimal,  Wv  viermal  polarisiren  und  die  A  einsetzen,  erhalten  wir 
entsprechend  als  einfachste  fünfwerthige  Function  der  A: 

m\      [^'  = '' ^^'^''^' " ^'^'^  + '''  ^~ ^^'^''  +  ^''^ 

^     ^         1      +53.(2A„A/-A/)     +  5^^' (_  4A,2A,  +  VA,), 
'd;=a-  (-  4Ao^A2  +  3AoAi  A,^  -  A^^) 

+  £2^(-6Ao^A,^  +  AoA,«  +  A,A,^) 

^_,3r(_6A,2A,2  +  AoA/  +  A,«A,) 
,      4_  ,4r(_  4A^3A^  +  SA^A^^A^  -  A/);  • 

brauche^  wir  weitere  fünfwerthige  Functionen,  so  werden  wir  den 
Ausdrücken  tv^  und  tvWv  entsprechend  dv^  und  d^d^  hinzunehmen. 
Die  Resolvente  der  dv  werden  wir  sogleich  noch  ausführlich  discutiren. 
Von  den  Resolventen  sechsten  Grades  der  Ikosaedergleichung 
haben  wir  früher  (I,  5,  §  15)  nur  die  eine  betrachtet,  deren  Wurzeln 
<p  durch  die  Formeln  gegeben  sind: 

|^.  =  5A/A,^ 

Wir  erhalten  hieraus  durch  unser  Uebertragungsprincip  die  folgenden 
Wurzeln  einer  Resolvente  sechsten  Grades  der  A: 

r25V  |^«  =  5V, 

^     ^  U  =  (f^A,  +  Ao  +  s^^\)\ 


II,  4.    Das  Pi«blem  der  A.  223 

Hiermit  aber  haben  ivir genau  die  in  II,  1,§  3 gegebenen  Befinitionsgleichimgen 
der  JacoM sehen  Gleichungen  sechsten  Grades;  wir  hätten  höchstens  den 
einen  Unterschied  zu  markiren,  dass  hier  «*  da  steht,  wo  damals 
£*",  und  umgekehrt.  Aber  dies  ist  eine  Abweichung  bloss  in  der  Be- 
nennung der  Wurzeln  0y.  Recurriren  wir  auf  die  Formeln,  welche 
wir  1.  c.  §  5  des  Ferneren  bei  Besprechung  der  Jacobi'schen  Gleichungen 
mittheilten,  so  erkennen  wir  zunächst,  dass  unsere  jetzigen  Grössen 
Ä,  B,  C  mit  den  dort  ebenso  bezeichneten  genau  übereinstimmen. 
Wir  können  also  die  Form  der  früher  mitgetheilten  Jacobi'schen 
Gleichung  ohne  Weiteres  herübernehmen: 

es  fragt  sich  nur,  wie  wir  dieselbe  von  unserem  Standpunkte  aus  be- 
gründen wollen.  Es  fragt  sich  ferner,  inwieweit  man  das  Problem  der 
A  durch  die  Gleichung  (26)  ersetzen  kann,  und  insbesondere,  welche 
Bedeutung  dabei  unsere  Form  D  gewinnt. 

§  6.     Die  allgemeine  Jacobi'sche  Gleichung  sechsten  Grades. 

Die  linearen  Functionen  der  A,  deren  Quadrate  die  Wurzeln  z 
(25)  der  Jacobi'chen  Gleichung  sechsten  Grades  vorstellen,  sind  uns 
schon  in  Formel  (11)  begegnet;  wir  sahen  dort,  dass  dieselben  gleich 
Null  gesetzt  die  Polaren  der  sechs  FundamentalpunMe  in  Bezug  auf 
den  Kegelschnitt  A  =  0,  also  gerade  Linien  repräsentiren,  die  nicht 
etwa  selbst  durch  die  Fundamentalpunkte  hindurchlaufen.  Inzwischen 
können  wir  statt  ihrer  Curven  einführen,  bei  denen  letzteres  der  Fall 
ist.     Wir  erkennen  nämlich  sofort,  dass  die  Kegelschnitte: 

z,  -  A  =  0    (1/  =  0,  1,  2,  3,  4) 
sämmtlich  durch  A^  =  0,   A2  =  0  hindurchgehen,    dass  also  von  den 
Kegelschnitten 

z^  —  A  =  0,    0v  —  A  =  0 

jeder  diejenigen  fünf  Fundamentdlpunkte  enthält,  deren  Index  von  dem  sei- 
nigen verschieden  ist.  Wir  wollen  jetzt  die  {z  —  A)  als  die  eigentlichen 
Unbekannten  betrachten.  Dann  gestattet  uns  der  angegebene  Satz 
mit  Rücksicht  auf  die  in  §  3  enthaltene  Definition  der  B,  C  sofort, 
die  Coefficienten  der  zugehörigen  Gleichung  der  Art  nach  hinzu- 
schreiben.    Betrachten  wir  z.  B.  die  Summe: 

i:{Zi-A){z,-A)  {z^-A) 
(summirt  über  alle  von  einander  verschiedenen  Werthe  der  i,  Je,  l),  die 
den    dritten   Coefficienten  jener    Gleichung    abgeben    wird:    sie    muss 
einer  invarianten  Form  sechsten  Grades  der  A  gleich  sein,  welche  für 


224  n,  4.    Das  Broblem  der  A. 

alle  Fundamentalpunkte  zweifach  verschwindet,  und  kann  also  von  J5 
nur  um  einen  Zahlenfactor  verschieden  sein.  Auf  solche  Weise  er- 
halten wir  ohne  Weiteres: 

{0-Äy-\-hÄ(0-Äf-}-lB{s  —  Ay-\-mC{0-Ä)-\-{nB^-{-pÄC)  =  O, 
wo  Ic,  l,  m,  n,  p  noch  unbekannte  Zahlencoefficienten  sind,  die  wir 
hinterher  mit  Leichtigkeit  bestimmen,  indem  wir  auf  die  explicitenWertlie 
der  vorkommenden  Grössen  in  den  A  zurückgreifen.  Die  üeberein- 
stimmung  mit  Formel  (26)  liegt  auf  der  Hand.  Bemerken  wir  noch, 
dass  (26)  in  der  That  in  die  früher  aufgestellte  Resolvente  sechsten 
Grades  der  Ikosaedergleichung  übergeht,  wenn  wir  in  Uebereinstim- 
mung  mit  (24)  und  (15) 

A  =  0,     B=-f,     C=-H,     s  =  (p 
setzen. 

Was  die  Gruppe  der  Gleichung  (26)  [im  Galois'schen  Sinne]  an- 
geht, so  ist  dieselbe  durch  unsere  früheren  Erläuterungen  über  den 
Fall  A  =  0,  auf  die  wir  hier  verweisen  (I,  4,  §  15),  mitbestimmt. 
Es  ist  eine  Gruppe  von  60  Vertausch ungen,  welche  mit  der  Sub- 
stitutionsgruppe der  A  holoedrisch  isomorph  ist.  Daher  muss  es  mög- 
lich sein,  die  A  rational  durch  unsere  z  auszudrücken.  Wir  erreichen 
dies  am  einfachsten,  wenn  wir  aus  den  Gleichungen  (25)  zuvörderst 
die  Quadrate  der  A  und  die  Producte  je  zweier  berechnen,  hieraus  die 
Quotienten  A^ :  A^  :  A2  ableiten  und  dann  genau  so,  wie  eben  in  §  4, 
verfahren.  Dabei  müssen  wir  neben  A,  JB,  C,  die  allein  in  den  Coeffi- 
cienten  von  (20))  auftreten,  selbstverständlich  das  D  benutzen.  Wir 
können  also  sagen: 

Bie  Jacohi'sche  Gleichung  (26)  ist  ein  Aequivälent  des  Problems  der 
A,  sobald  wir  ausser  ihren  Coefficienten  auch  noch  B  gegeben  denTcen, 
d.  h.  nach  (16).*  die  Quadratwurzel  aus  einer  bestimmten  ganzen  Function 
der  A,  B,  C. 

Wir  fragen,  wie  B^  sich  als  rationale  Function  der  Wurzeln  z 
mag  darstellen  lassen.  Zu  dem  Zwecke  bilden  wir  uns  aus  (25)  die 
Differenz  irgend  zweier  z  a,ls  Function  der  A  und  finden,  dass  dieselbe, 
als  Differenz  zweier  Quadrate,  nach  Abtrennung  eines  constanten 
Factors,  immer  in  solche  zwei  Linearfactoren  zerlegt  werden  kann, 
welche,  Formel  (13)  zufolge,  auch  in  B  auftreten.    Wir  bekommen  z.  B. 

.       Zr  -  Z2V  =  (£^  -  e^')  {s'K  -  s^'^)  ((1  +  ]/5)  Ao  +  £'A,  +  ^^''A^) 

für  V  =  1,  2,  3,  4,  wo  +  )/5  für  v  =  2,  3,  —  Vö  für  v  =  1,  4  zu 
nehmen  ist.  —  Multipliciren  wir  nun  alle  diese  Differenzen  (jede  ein- 
mal genommen)  mit  einander,  so  erhalten  wir  linker  Hand  die  Quadrat- 
wurzel   aus    der  Discriminante    von   (26),    welche    wir   früher    bereits 


II,  4.    Das  Problem  der  A.  225 

(II,    1,  §  5)  mit  77  bezeichneten.     Rechter  Hand  aber  liefern  die  con- 
stanten  Factoren  +  f/ö^,  die  übrigen  gerade  D^,  so  dass  also 

(27)  D«  =  ]/^,oderi)=]/g 

wird. 

Das  D  selbst  erscheint  hier,  wir  wir  sehen,  als  eine  accessoriscJie 
Irrationalität,  d.  h.  als  irrationale  Function  der  0.  Dies  wird  sofort 
anders,  wenn  wir,  mit  Hrn.  Kronecker,  nicht  die  £,  sondern  die  yg 
als  Unbekannte  von  (26)  auffassen:  denn  wir  können  ja  durch  die 
y^  die  Ao,  \,  Ag  unmittelbar  linear  ausdrücken.  Aber  auch  dann  ist 
die  Problemstellung  durch  (26)  allein  noch  nicht  fixirt,  sondern  es 
muss  der  Werth  von  D  ausdrücklich  hinzugegeben  werden.  Ich 
glaube  also,  dass  es  nicht  zweckmässig  ist,  die  Jacobi'schen  Glei- 
chungen sechsten  Grades  an  die  Spitze  der  Theorie  zu  stellen,  dass 
es  vielmehr  besser  ist,  wie  wir  es  thaten,  mit  dem  Probleme  der  A  als 
solchem  zu  beginnen. 

§  7.  Die  Brioselii'sche  Resolvente, 
Wir  verfolgen  den  Zusammenhang  unserer  Betrachtungen  mit  den 
Entwickelungen  von  Brioschi  und  Kronecker  des  Weiteren,  indem  wir 
jetzt  zuvörderst  diejenige  einfachste  ßesolvente  fünften  Grades  studiren, 
deren  Wurzeln  die  Ausdrücke  dy  (23)  sind.  Es  muss  dies  genau  die 
Brioschi' sehe  Resolvetite  liefo'n,  über  die  ivir  in  II,  1,  §  5  Bericht  er- 
statteten. Denn  in  der  That  stimmen  die  d,.,  wie  ein  nunmehriger 
Vergleich  lehrt,  mit  den  damals  [Formel  (22)]  als  Xv  bezeichneten 
Grössen  vollständig  übereiu. 

Um  unsere  Gleichung  fünften  Grades  zu  berechnen,  fragen  wir 
wieder  zunächst  nach  der  geometrischen  Bedeutung  der  d^.  Wir  be- 
merken zuvörderst,  dass  sämmtliche  d».  für  A^  ^  0,  Ag  =  0  verschwinden. 
Sie  stellen  daher,  gleich  Null  gesetzt,  Curven  dritter  Ordnung  vor, 
welche  durch  sämmtliche  Fundamentalpunkte  durchlaufen.  Aber  mehr: 
das  Product  der  dy  muss  als  invariante  Form  15*®°  Grades  in  den  A 
bis  auf  einen  Zahlenfactor  mit  D  übereinstimmen,  J)  =  0  aber  reprä- 
sentirt,  wir  wir  wissen,  die  15  Verbindungsgeraden  der  6  Fundamen- 
talpunkte. Daher  stellt  jedes  d^,  gleieh  Null  gesetzt,  solcJie  drei  gerade 
Linien  dar,  welche  zusammengenommeji  sämmtliche  FundamentalpunJcte 
enthalten.     Dementsprechend  verificirt  man  die  folgende  Zerlegung: 

(28)  ör  =  (s'^A,  -  f^A,)  .  ((1  +  )/5)  A„  +  a^^\  +  «"A^) 

.((l-l/5;Ao  +  a**A,+f^A). 
Wir  schliessen  aus  ihr,  dass  das  Product  d^did^d^d^  mit  D  nicht  nur 

Klein,  Gleichnngen  5   Grades.  15 


226  II,  4.    Das  Problem  der  A. 

bis  auf  einen  Zahlenfactor  übereinstimmt,  sondern  geradezu  mit  D 
identisch  ist,  —  Was  die  'anderen  symmetrischen  Functionen  der  d 
angeht,  so  ist  jedenfalls: 

denn  es  gibt  keine  invarianten  Formen  vom  dritten  oder  neunten 
Grade.  Wir  schliessen  ferner  aus  dem  Verhalten  der  8  gegen  die 
Fundamentalpunkte : 

S8^  =  JcB,     Ud''  =  IB'  +  mÄC, 

unter  Je,  l,  m  geeignete  Zahlenfactoren  verstanden.  Indem  wir  letztere 
bestimmen,  haben  wir  endlich: 

(29)  (J5  -f-  105  .  ö^  +  5(952  _  j^Q^  8  —  B  =  0, 

in  Uebereinstimmung  mit  Brioschi*),  in  Uebereinstimmung  ferner  mit 
der  besonderen  Formel,  die  wir  in  T,  4,  §  11  unter  der  Voraussetzung 
.4  =  0  abgeleitet  haben.  Die  Discriminante  von  (29)  ist  natürlich  ein 
volles  Quadrat.    Es  hat  keine  Schwierigkeit,  das  Product  JJ (d».  —  d,,) 

r  <  v' 

als  ganze  Function  der  A,  JB,  G  zu  berechnen.  Für  A  ==  0  wird 
dasselbe,  nach  I,  4,  §  14,  in  —  25  ]/5  •  C^  übergehen. 

Gleichung  (29)  muss  um  so  interessanter  erscheinen,  als  sie,  im 
Sinne  unserer  früheren  Terminologie,  die  allgemeine  Biagonälgleichimg 
fünften  Grades  repräsentirt.  Sollen  wir  es  geometrisch  ausdrücken,  so 
können  wir  sagen,  dass  die  Formeln  (23)  für  8y,  indem  sie  die  Rela- 
tionen Z18  =  0,  E8^  =  0  identisch  befriedigen,  eine  eindeutige  Ab- 
bildung der  Biagonalfläche  auf  die  Ebene  der  A  vermitteln.  Diese  Ab- 
bildung ist  ein  specieller  Fall  jener  wohlbekannten,  die  von  Clebsch 
und  Cremona  für  die  allgemeinen  Flächen  dritter  Ordnung  gegeben 
wurde**),  und  die  dann  Clebsch  genau  in  der  hier  vorliegenden  Form 
bei  der  Diagonalfläche  studirt  hat***).  Denn  den  ebenen  Schnitten 
der  Diagonalfläche  entsprechen  vermöge  (23)  allgemein  solche  Curven 
dritter  Ordnung,  die  sich  in  den  sechs  Fundamentalpunkten  der  Ebene, 
welche  jetzt  die  Fundamentalpunkte  der  Abbildung  werden,  durchkreuzen. 


*)  Bei  Brioschi  finden  sich  ursprünglich  etwas  andere  Zahlencoefficienten, 
dieselben  sind  später  von  Hrn.  Joubert  (Sur  l'equation  du  sixieme  degre,  Comptes 
rendus  t.  64  (1867,  1))  rectificirt  worden,  siehe  insbesondere  p.  1237 — 1240 
daselbst. 

**)  Man_  yergl.  Salmon- Fiedler'' s  analytische  Geometrie  des  Raumes  (3.  Auflage 
1879,  80). 

***)  Nämlich  in  der  bereits  soeben  genannten  Abhandlung:  lieber  die  Anwen- 
dung der  quadratischen  Substitution  auf  die  Gleichungen  5.  Grades  etc.  im  vierten 
Bande  der  Math.  Annalen  (1871). 


II,  4.    Das  Problem  der  A.  227 

Hierbei  wird  der  Schnitt  der  Diagonalfläche  mit  der  Hauptfläche,  wie 
aus  (29)  hervorgeht,  durch  B  =  0  abgebildet,  während  die  Curven 
-4  =  0,  C  ==  0  zusammengenommen  jene  beiden  Raumcurven  sechster 
Ordnung  der  Diagonalfläche  vorstellen,  die  der  geometrische  Ort  für 
Punkte  mit  den  Pentaedercoordinaten  ty.  sind  (II,  3,  §  4).  Hiermit 
stimmt,  dass  wir  das  Geschlecht  p  der  Curven  B  =  0,  Ä  =  0,  C  =  0 
in  §  3  des  gegenwärtigen  Kapitels  gleich  4,  0,  0  gefunden  haben. 

§  8.    Vorbemerkungen  zur  rationalen  Transformation  unseres 

Problems. 
Von  den  früher  besprochenen,  auf  Jacobi'sche  Gleichungen  sechsten 
Grades  bezüglichen  Untersuchungen  restiren  jetzt  noch  diejenigen, 
welche  sich  auf  die  Aufgabe  beziehen,  aus  einer  ersten  Jacobi'schen 
.Gleichung  sechsten  Grades  durch  möglichst  allgemeine,  in  den  ]/^ 
rationale  Transformation  eine  zweite  herzustellen.  Ich  werde  diese 
Untersuchungen  von  unserem  Standpunkte  aus  darlegen,  ohne  weiter 
auf  die  historisch  gegebenen  Beziehungen  einzugehen.  Es  handelt 
sich  für  uns  darum:  drei  Grössen  B^,  B^,  Bg  in  möglicJist  allgemeiner 
Weise  so  als  rationale  Jiomogene  Functionen  der  A^,  A^,  Ag  zu  be- 
stimmen, dass  sie  selbst  die  linearen  Substitutionen  des  §  2  erfahren,  wenn 
wir  die  A^,  A^,  Ag  denselben  unterwerfen*). 

Durch  unsere  Forderung  ist,  wohlverstanden,  keineswegs  ver- 
langt, dass  die  einzelne  Substitution  der  B  mit  derjenigen  der  A 
identisch  sei,  es  ist  nur  nothwendig,  dass  die  Gesammtheit  der  Sub- 
stitutionen beiderseits  übereinstimme.  Wir  kennen  bisher  zwei  Möff- 
lichkeiten,  um  eine  solche  Uebereinstimmung  zu  erzielen:  das  eine  Mal 
setzen  wir  die  Substitution  der  B  mit  derjenigen  der  A  in  der  That 
identisch,  das  andere  Mal  lassen  wir  sie  aus  der  Substitution  der  A 
hervorgehen,  indem  wir  überall  a^  statt  s  schreiben:  das  eine  Mal 
sprechen  wir  von  cogredienten,  das  andere  Mal  von  contragredienten 
Variabelen.  Im  zweitfolgenden  Paragraphen  werde  ich  zeigen,  wie  so 
man  a  priori  zur  Unterscheidung  gerade  dieser  beiden  Fälle  gelangen 
muss,  und  dass  ausser  ihnen  keine  weiteren,  die  selbständige  Bedeu- 
tung hätten,  existiren.  Einstweilen  nehmen  wir  unsere  Fälle  als  er- 
fahrungsgemäss  gegeben  und  fragen,  wie  wir  sie  durch  bestimmte 
Formeln  zu  erledigen  haben. 


*)  Dass  wir  gerade  homogene  Functionen  verlangen,  ist,  wenn  man  will,  eine 
unnöthige  Beschränkung,  die  wir  hinterher  aufheben  können,  an  der  wir  aber 
bei  unserer  Darstellung,  um  immer  unsere  geometrische  Ausdmcksweise  benutzen 
zu  können,  festhalten.     Siehe  die  analoge  Bemerkung  in  II,  2,  §  7. 

15* 


228 


II,  4.    Das  Problem  der  A. 


Es  wird  zweckmässig  sein,  die  entsprechende  Problemstellung  zu- 
nächst im  binären  Gebiete  zu  behandeln,  wo  wir  sie  in  den  früheren 
Kapiteln  schon  wiederholt  berührt  hatten.  Es  seien  Xy,  x^  homogene, 
rationale  (nicht  nothw endig  ganze)  Functionen  von  X^,  K^: 

(30)  Xi  =  ^i(Ai,  Ag),     »^2  =  92('^i;  ^^2); 

wir  verlangen,  qp^,  gjg  so  zu  bestimmen,  dass  x^,  y.^  sich  entweder 
cogredient  oder  contragredient  ändern,  wenn  A^,  Ag  den  homogenen 
Ikosaedersubstitutionen  unterworfen  werden.  Zu  dem  Zwecke  bilden 
wir  uns  die  doppeltbinäre  Form: 

(31)  F{ly,  A2;  ^1,  fi^)  =  ^1  •  9^2  (^1;  -^2)  —  f*2  •  Ti  (^1,  y- 
Offenbar  bleibt  dieselbe,  wenn  wir  dieAj,  Ag  den  ursprünglichen,  diefw-j,  ju-g 
aber  den  zugeordneten  (cogredienten  oder  contragredienten)  Ikosaeder- 
substitutionen unterwerfen,  invariant;  denn  sie  ist  gleich  y^^'n^  —  1^2 '^n 
und  fAj,  ftgj  ^ß^-  "^ly  ^2  erfahren  jeweils  identische  Substitutionen  von 
der  Determinante  Eins.  Umgekehrt,  wenn  wir  eine  in  diesem  Sinne 
invariante  Form  F  der  A,  ^  haben,  die  in  den  (i  linear,  in  den  Aj,  Ag 
homogen  ist,  wird: 

r32^  X   =-^      x=^ 

eine  Lösung  der  gestellten  Aufgabe  sein,  Fs  Jcommt  also  einsig  darauf 
an,  alle  invarianten  Formen  F  aufzustellen. 

Bemerken  wir  nunmehr  Folgendes.  Haben  wir  zwei  Lösungs- 
systeme x^,  Xgi  Jt/,  Xg'  von  (30)  gefunden,  so  bleibt  die  Determinante 
(x^Xg'  —  yi^'X'i)  bei  sämmtlichen  Ikosaedersubstitutionen  invariant.  Die- 
selbe ist  aber  gleich  der  Functionaldeterminante  der  zugehörigen 
Formen  F,  F' : 


dF 

dF 

dfi, 

8(1.;^ 

dF' 

dF' 

d[ii 

^^2 

und  diese  muss  also  als  rationale  Function  von  Aj,  Ag  eine  rationale 
Function  der  Ikosaederformen  /"(A^,  Ag),  H{X^,  A^),  T{Xy,  Ag)  sein.  Ich 
will  jetzt  annehmen,  dass  wir  irgend  zwei  der  gesuchten  Formen: 
Fy,  F2  von  nicht  verschwindender  Functionaldeterminante  kennen. 
Bringen  wir  dann  die  Identität  zur  Anwendung: 


F 

dF 
d(ii 

dF 
d(i2 


d[ii 

dF, 
d(ii 


F, 
dF, 


0, 


n,  4.    Das  Problem  der  A.  229 

so  folgt  aus  dem  gerade  aufgestellten  Satze,  dass  jede  der  von  uns 
gesuchten  Formen  sich  aus  F^,  F^  in  folgender  Form  zusammensetzt: 

(33)  F==R,.F,-{-B,-F„ 

wo  i?^,  i?2  rationale  Functionen  der  /"(Aj,  Ag),  H{^i_,  Ag),  T(Aj,  Ag) 
sind.  Umgekehrt  aber,  wenn  wir  R^,  B.^  als  solche  rationale  Func- 
tionen annehmen  und  dabei  nur  dem  Gesetze  Rechnung  tragen,  dass 
i^  in  Ai,  Ag  homogen  sein  soll,  wird  F  eine  Form  der  von  uns  ge- 
suchten Art  sein.  Balier  entliält  (33)  überJmnpt  die  Lösung  unserer 
Aufgabe,  sobald  wir  nur  zwei  unserer  Formen,  F^,  F.^,  als  bekannt  an- 
seJien  dürfen.  Diese  Voraussetzung  trifft  aber,  sowohl  im  contragre- 
dienten  als  im  cogredienten  Falle,  in  der  That  zu.  Wir  kennen  sogar 
beidemal  die  niedrigsten  Formen  F^,  F^,  d.  h.  diejenigen,  deren  Grad 
in  Aj,  Ag  möglichst  gering  ist.  Im  contragredienten  Falle  sind  dies 
die  beiden  N-^^,  M^,  die  wir  im  vorigen  Kapitel  immer  benutzten: 

F,=  N,  =  ii,  {U,%'  -\-  A/)  -f  ii,  (-  A/  +  lX,n,% 

(34)  If,  =  M,  =  (i,  (Ai^^  _  39;i^8;i^5  _  26 Ai^A^i«) 

-f  ft2  (26Ai'"A2=*  —  39 A/A/  —  X^'^), 
im  cogredienten  Falle  aber  die  folgenden  beiden: 

(35)  Ij.        df  ,     df 

Hiermit  ist  unsere  Fragestellung,  soweit  das  binäre  Gebiet  in  Betracht 
kommt,  vollständig  erledigt*). 

§  9.     Durchführung  der  rationalen  Transformation. 

Indem  wir  jetzt  zu  den  A  zurückkehren,  können  wir  bei  ihnen 
mit  einem  Schritte  beginnen,  welcher  dem  üebergange  von  (30)  zu 
(31)  analog  ist;  mit  anderen  Worten:  statt  Elemente  B^,  B^,  Bg  zu 
suchen,  welche  zu  A^,,  A^,  Ag  in  dem  einen  oder  anderen  Sinne  cova- 
riant  sind,  suchen  wir  lieber  eine  Invariante,  welche  beide  Reihen  von 
Variabelen  simultan  enthält.  Die  Möglichkeit  hierfür  ist,  geometrisch 
zu  reden,  darin  begründet,  dass  in  der  Ebene  B  ein  unveränderlicher 
Kegelschnitt  liegt: 
Bo^+B,B2  =  0 

*)  Was  den  contragredienten  Fall  angeht,  so  hatten  wir  einen  particu- 
lären  Fall,  der  sich  hier  subsumirt,  bereits  in  Formel  (25)  von  II,  3,  §  4 
kennen  gelernt. 


230  11^  4.    Das  Problem  der  A. 

und  dass  in  Bezug   auf  diesen  Kegelschnitt  jedem  Punkte  B^,  B^,  B^ 
eine  gerade  Linie,  nämlich  die  zugehörige  Polare: 

2Bo.Ao'  +  b,.a/  +  Bi-a;  =  o,*) 

in  CO  varianter  Weise  zugeordnet  ist.    Wenn  also  folgende  Formeln: 

(36)  Bo  =  (p,  (Ai,  K„  A3),  B,  =  9i  (Ao,  A^,  A^),  B^  =  g)^  (Ao,  A^,  A^) 
die-  B    den  A   cogredient  oder  contragredient  zuordnen,  so  wird  die  aus 
ihnen  abgeleitete  Form: 

(37)  F  (Ao,  Ai,  A,;  A«',  A/,  A/)  =  2(p^  ■  \'  +  qp^  •  A/  +  (p^  •  A/, 
sofern  wir  die  A'  ebenso  substituiren ,  wie  die  B,  invariant  sein.     Umge- 
kehrt, sobald  F  in  dem  erwähnten  Sinne  invariant  ist,  sind: 

(38)  Bo—  yy^,      ti.—j^^,      «2  — yÄ7 

Formeln  der  von  uns  gesuchten  Beschaffenheit. 

Wir  bemerken  jetzt,  dass  jedes  F  sich  aus  dreien,  die  linear  un- 
abhängig sind,  in  der  Form  zusammensetzen  lässt: 

(39)  F=R,F,-\-B,F,-\-B,F„ 

wo  die  B^,  B^,  B^  rationale  Functionen  der  von  A^,  Aj,  Ag  allein  ab- 
hängigen invarianten  Formen,  d.  h.  rationale  Functionen  der  A,  B, 
C,  D  sind.  Umgekehrt  werden  wir,  sobald  wir  jBj,  B^,  B^  als  solche 
rationale  Functionen  annehmen,  aus  (39)  immer  eine  Form  F  der 
gewünschten  Art  gewinnen,  wobei  wir  es  in  der  Hand  haben,  sofern 
wir  darauf  Werth  legen,  F  zu  einer  homogenen  Function  der  Aq, 
Ai,  A2  zu  machen.  Alles  kommt  also  darauf  an,  nur  noch  in  beiden 
Fällen  drei,  in  den  A  möglichst  niedrige  Formen  F^,  F^,  F^  mi  finden. 
Im  cogredienten  Falle  erledigen  wir  diese  Aufgabe  direct  durch 
Polarenbildung,  denen  wir  die  niedersten,  bloss  A  enthaltenden  inva- 
rianten Formen,  d.  h.  A,  B,  C,  unterwerfen.  Wir  werden  nämlich  setzen: 
(F,  =  2Ao.Ao'  +  A,.A;-f  A,.A,', 


(40) 


F  _  ^^  .  A  '  4-  ^  .  A  '  4-   ^^-- .  A  ' 


Im    contragredienten    Falle    dagegen   recurriren  wir  noch  einmal   auf 
das   Uebertragungsprincip    des    §   2.     Wir   werden   uns  zunächst  drei 

Formen 

ß  (Aj ,  Ag ;  ^i,  (I2) 

verschaffen,    welche,    bei   contragredienten  Ikosaedersubstitutionen  in- 
variant,   in    den   ft  vom  zweiten,    in  den  X  von  möglichst  niederem, 
*)  W  A/,  A2'  bedeuten  hier  die  laufenden  Punktcoordinaten. 


II,  4.    Das  Problem  der  A.  231 

geradem  Grade  2n  sind.  Dann  werden  wir  diese  il  unter  Einführung 
von  X'  n-mal  nach  A,  unter  Einführung  von  fi'  einmal  nach  (i  polari- 
siren  iind  schliesslich  die  symmetrischen  Functionen  der  A,  A'  durch  die 
A,  die  der  fi,  (i'  durch  die  A'  ersetzen,  also  schreiben: 


(41) 


2 

Ao'  =  —  -^  (/*,  H    +  \^i  ^l)  1      K  =  ^2  \^2  7      A2'  =  —  fti  ^/.  *) 


2 

Die  Formen  ß,  welche  hier  die  zweckmässigsten  sind,  können  wir 
den  früher  citirten  Angaben  von  Hrn.  Gordan  entnehmen.  Als  il^ 
wählen  wir  die  Form  t,  die  wir  in  §  11  des  vorigen  Kapitels  (Formel 
(60)  daselbst)  mitgetheilt  haben: 

(42)  ß,  =  ^,2  (-  A,«  -  3A,A,^)  +  10^,^, .  k,ni  +  ii,^{M,n,  -  k,% 
Um   sodann  üg  ^^  gewinnen,   bilden   wir  von  der  ebendort  angegebe- 
nen Grundform  a  und  dem  noch  so  eben  benutzten  N^  die  Functional- 

determinante: 

da.  da 

Wir  erhalten  so: 

(43)  Si,  =  t^,\-  10A,«A/  +  20 X,n,')-{- 2 (i,ii,{-  X,''+  14A,U/4- A^»«) 

+  iit/(-20A/A/-10A,2A/). 

Endlich  ziehen  wir  als  ^3  das  Quadrat  von  N^  heran: 

(44)  ^3  =  [ii,  (-  7A,-^A;^  -  V)  +  ^,  (A/  -  7  A,U/)]l        ' 

Indem  wir  jetzt  unseren  Umwandelungsprocess   zunächst  auf  ü^   an- 
wenden, entsteht,  nach  Wegwerfung  eines  Zahlenfactors,  die  folgende 
einfachste  Form  F^,  dritten  Grades  in  den  A^,  Aj,  Ag: 
(45)i^,  =  2A;(2Ao«-3AoA,A,)-A;(3AoA/+A,^)-A/(3AoA,2+A/). 

Wir   behandeln  jetzt  SI2   (^3)    in    ähnlicher  Weise,    subtrahiren  aber 

vom  Resultate  der  Vereinfachung  halber  noch   ein  geeignetes   Multi- 

plum  von  Ä  •  F^.     So  entsteht: 

(46)       F,  =  2  Ao'  (-  8  Ao^  A,  aJ  +  6  A«  A/ A/  -  A^^  -  A/) 

+  A;  (16 Ao^A^^  -  8 A/A,^  -  4AoA,A2^  +  2 A,^A,) 
+  A/  (16Ao«A,2-8Ao^A/-4AoA,3A2  +  2A,A,^). 


*)  Natürlich  könnten  wir  aach  im  cogredienten  Falle  genau  so  verfahren; 
wir  würden  dann  aber  keine  anderen  Resultate  erhalten,  als  die  ohnehin  mitge- 
theilten,  imd  nur  den  Polarisationsprocess ,  der  uns  oben  zu  den  A,  B,  C,  D  ge- 
führt hat,  noch  einmal  wiederholen. 


232  11,  4.    Das  Problem  der  A. 

Wir  behandeln  endlich  £1^  (44)  und  erhalten  nach  Subtraction  geeig- 
neter Multipla  von  Ä^  •  F^  und  A  •  F^: 

(47)  F,  =  2  Ao'  (32 Ao^A/A/  - 4Ao^(A,^  +  A/)  -  16 A« A,^' A,=^ 

+  3A,A,(A,^  +  A/)) 
+  A/(-32A„^A/  +  48Ao^A,-'^-32Ao^A,A,3-  4Ao2A,^A, 

+  14AoA,2A/-3A/A/-A,^) 
+  A/(-32Ao^A/  +  48Ao^A,^-32Ao3A/A,-4Ao^A,A/ 
+  14AoA,^A,2-3A,2A,5-A/). 
Indem   wir  die   so   gewonnenen  F^,  F^,  F^  in  (39)  und  hierdurch  in 
(38)   eintragen,   ist  auch  im  contragredienten  Falle  unserer   Aufgabe 
vollkommen  entsprochen. 

§  10.     Gruppentheoretische  Bedeutung  von  Cogredienz  und 
Oontragredienz. 

Wir  kehren  jetzt  zu  der  gruppeutheoretischen  Frage  zurück,  zu 
der  wir  bei  Beginn  von  §  8  geführt  wurden.  Die  linearen  Substitu- 
tionen der  B  sind  denen  der  A  jedenfalls  holoedrisch  isomorph;  es 
handelt  sich  also  in  letzter  Linie  um  die  Aufgabe,  zu  untersuchen,  auf 
wie  viel  verschiedene  Weisen  man  eine  Gruppe  von  60  Ikosaedersub- 
stitutionen : 

(48)  Fo,  F„ ...... .  n, 

holoedrisch  isomorph  sich  selbst  zuordnen  kann.  Zwei  Arten  dieser 
Zuordnung  sind  durch  Cogredienz  und  Oontragredienz  gegeben;  wir 
wollen  zeigen,  dass  auf  sie  alle  anderen  im  Wesentlichen  zurück- 
kommen. 

Ich  muss  dabei  von  vorneherein  sagen,  welche  Umordnungen  von 

(48)  als  unwesentlich  betrachtet  werden  sollen.  Es  sind  diejenigen 
Umordnungen,  welche  im  Sinne  unserer  früheren  Erläuterungen  (1,  1, 
§  2)  äuYc\ Transformation  entstehen,  welche  also  Vk  je  durch  V  ~^VkV' 
ersetzen,  unter  F'  eine  beliebige  Operation  von  (48)  verstanden.  Bei' 
den  Anwendungen,  die  wir  zu  machen  haben,  können  wir  nämlich 
eine  solche  Umordnung  immer  als  blosse  Aenderung  des  Coordinaten- 
systems  deuten.  Man  ersetze  die  Variable  2,  die  den  Ikosaedersub- 
stitutioneu  (48)  unterworfen  wird,  durch  0'  =  V  (ß),  so  wird  an  Stelle 
der  Operation  Vk  durchweg  F'~  ^  FtF'  treten.  Analog,  wenn  wir  die 
Vk  als  die  ternären  Substitutionen  unserer  A^,  Aj,  Ag  deuten. 

Wir  recurriren  jetzt,  indem  wir  uns  vornehmen,  wiederholt  das 
gerade  formulirte  „Transformationsprincip'^  zu  verwenden,  auf  die  Er- 
zeugung der  Ikosaedergruppe  aus  zwei  Operationen  S  und  T,  von 
denen  die  erste  die  Periode  5,  die  zweite  die  Periode  2  besitzt  (I,  1, 


li,  4.    Das  Problem  der  A.  23o 

§  12).  Wir  werden  die  Zuordnung,  die  wir  suchen,  bestimmt  haben, 
sobald  wir  angeben,  welche  Operationen  S',  T'  den  S,  T  entsprechen 
sollen.  Hier  wird  S'  jedenfalls  wieder  die  Periode  5  besitzen  müssen. 
Nach  I,  1,  §  8  gibt  es  aber  innerhalb  der  Ikosaedergruppe  überhaupt 
24  Operationen  von  der  Periode  5,  von  denen  12  mit  S,  12  andere 
mit  S'^  gleichberechtigt  sind.  Wenn  wir  also  bei  der  von  uns  ge- 
suchten Zuordnung  eine  Modification  derselben  durch  geeignete  Trans- 
formation der  Gruppe  zu  Hülfe  nehmen,  können  tvir  auf  alle  Fälle  S' 
entweder  =  S  oder  =  S^  setzen.  Ist  dies  geschehen,  so  bleibt  S'  un- 
geändert,  wenn  wir  Vk  allgemein  durch  S~'^VkS^  ersetzen  (v  =  0, 
1,  2,  3,  4).  Man  beachte  jetzt  die  15  Operationen  von  der  Periode  2, 
welche  in  (48)  enthalten  sind.  Wenn  wir  v  in  der  gerade  genannten 
Transformation  geeignet  wählen,  so  können  wir  die  einzelne  Operation 
von  der  Periode  2  immer  auf  eine  der  folgenden  drei  zurückführen: 

T,  TU,  U, 
wo  ?7  in  I,  1,  §  8  definirt  ist  [man  vergl.  I,  2,  §  6].  Haben  wir 
daJier  über  S'  in  der  gerade  genannten  Weise  verfügt,  so  genügt  es,  T'  irgend 
einer  der  drei  Operationen  T,  TU,  U gleich  zu  setzen.  Man  vergleiche  jetzt 
die  Periodicitätsangaben  in  I,  2,  §  6.  Denselben  zufolge  hat  ST  die 
Periode  3;  es  muss  also  auch  S'  T'  die  Periode  3  haben.  Nun  findet 
man  aber  ebendort  für  ST,  STU,  SU,  S^T,  S^TU,  Ä^  f/"  beziehungs- 
weise die  Perioden  3,  5,  2,  5,  3,  2  angegeben.  Daher  kann  S'  T'  nur 
entweder  wieder  ST  oder  S'^TU  sein.  Es  bleiben  also  überhaupt  bloss 
zwei  Möglichheiten:  das  eine  Mal  setzen  wir  S'  =  S,  T'  =  T,  das  andere 
Mal  S'  =  S^,  T'  =  TU.  Schreiben  wir  die  zugehörigen  Ikosaeder- 
substitutionen  hin,  so  erkennen  wir,  dass  S^  und  TU  aus  S  und  T 
hervorgehen,  indem  wir  e  in  6^  verwandeln.  Somit  werden  wir  in 
der  That  genau  zu  den  beiden  Fällen  der  Cogredienz  und  Contra- 
gredienz,  und  nur  äu  ihnen,  hingeführt,  was  zu  beweisen  war. 

Offenbar  können  wir  die  Frage,  welche  hiermit  beim  Ikosaeder 
beantwortet  ist,  bei  jeder  Gruppe  wiederholen.  Ist  dann  ein  Formen- 
problem vorgelegt^  welches  zu  einer  bereits  untersuchten  Gruppe  ge- 
hört, so  können  wir  algebraische  Entwickelungen  verlangen,  die  den 
in  §  8,  9  gegebenen  entsprechen.  Ich  will  mich  hier  nicht  auf  all- 
gemeine Erläuterungen  einlassen,  die  über  unser  Thema  hinausführen 
würden  (siehe  iudess  I,  5,  §  5).  Nur  diese  eine  Bemerkung  finde  hier 
ihre  Stelle,  dass  der  cogrediente  Fall(der  natürlich  jedesmal  existirt)  immer 
dann  durch  Polarenbildung  erledigt  werden  kann,  wenn  unter  den  Inva- 
rianten des  Formenproblems  eine  solche  vom  zweiten  Grade  ist.  Dies 
tritt  zumal  bei  denjenigeh  Formenproblemen  ein,  deren  Variabele 
^0?  ^li  '  '  '  ^n  —  i  einfach  permutirt  werden,  die  also  durch  Gleichungen 


234  n,  4.    Das  Problem  der  A. 

n^^  Grades  mit  unbeschränkten  Coefficienten  repräsentirt  werden.  Be- 
nutzen wir  bei  ihnen  die  Invariante  Ex^  genau  so,  wie  wir  soeben 
(in  §   9)  den  Kegelschnitt   B^,^  +  B^Bg   verwandten,    so  gelangen  wir 

dazu,  den  Xq,  x^,  •  •  •  a;«  —  i  die  Differentialquotienten  -^^,  ^-^,  •••.  -^ — -— 

covariant  zu  setzen,  unter  qp  irgend  eine  bei  den  Vertauschungen  der 
Gruppe  invariante  Form  verstanden.  Offenbar  kommen  wir  durch 
Verfolg  dieses  Ansatzes,  sobald  wir  als  Functionen  (p  insbesondere 
Fotenzsummen  der  x  in  Betracht  ziehen,  genau  zur  Tschirnhaustrans- 
formation  zurück.  Das  alte  Verfahren  von  Tschirnhaus  subsumirt  sich 
also,  zusammen  mit  den  Formeln  (38),  unter  eine  allgemeine,  auf 
Formenprobleme  einer  bestimmten  Classe  bezügliche  Methode.  —  Man 
vergleiche  hierzu,  was  in  II,  2,  §  7  über  die  Zuordnung  von  Punkten 
und  Ebenen  gesagt  wurde*). 

§  11.     Ansatz  zur  Auflösung  unseres  Problems. 

Wir  wollen  die  Analogie  mit  der  Tschirnhaustransformation  einen 
Augenblick  festhalten  und  die  Coefficienten  11^,  üg,  -Bg  in  (39)  dem- 
entsprechend als  unbestimmte  Grössen  betrachten.  Berechnen  wir 
dann  für  die  zugehörigen  B^,  Bj,  B^  den  Ausdruck  Bo^-f-B^Bg,  so 
erhalten  wir  eine  quadratische  Form  dieser  Grössen^  welche  wir  durch 
mannigfache  Annahme  der  B^j  B^,  B^  zu  Null  machen  können.  Dann 
aber  können  wir,  wie  wir  wissen,  die  B^,  Bj,  Bg  unmittelbar  durch 
eine  Ikosaedergleichung  bestimmen.  Ist  dies  geschehen,  so  bringen 
wir  jetzt  noch  einmal  die  Formel  (39),  bez.  (38)  in  Anwendung,  doch 
so,  dass  wir  die  Buchstaben  A,  B  vertauschen  und  also  Aq,  A^,  Ag 
durch  B„,  B^,  Bg  ausdrücken.  Die  Coefficienten  B^,  B.^,  B.^  werden 
dann  nothwendig  rationale  Functionen  der  ursprünglichen  A,  B,  C,  D 
und  derjenigen  Irrationalitäten,  die  wir  eingeführt  haben  mögen,  indem 
wir  Bq^  -j-  B^B^  =  0  setzten:  das  ursprüngliche  Problem  der  A  ist  also 
durch  Vermittelung  dieser  Irrationalitäten  und  der  für  die  B  maassgeben- 
den  Ihosaedergleichung  gelöst'**). 

Ich    erwähnte  dies   allgemeine  Verfahren  nur,    um  die  Anwend- 


*)  Man  kann  die  Bemerkung  des  Textes  noch  ein  wenig  verallgemeinern. 
Es  ist  nicht  nöthig,  damit  die  Polarenbildung  zum  Ziele  helfe,  dass  eine  in  den 
X  quadratische,  invariante  Form  existire,  sondern  es  genügt  das  Vorhandensein 
einer  invarianten,  in  den  x,  x'  hilinearen  Form.  In  diesem  Sinne  gehören  die 
Formeln  (35)  ebenfalls  hierher,  denn  in  ihrem  Falle  liegt  eine  solche  bilineare 
Invariante  in  der  Determinante  {l.^  [i^  —  X^  ftj,)  vor, 

**)  Wir  berührten   denselben  Gedanken  bereits  (indem  wir  von  den  Jacobi- 
schen Gleichungen  sechsten  Grades  sprachen)  in  II,  1,  §  6. 


II,  4.    Das  Problem  der  A.  235 

barkeit  der  Formel  (39)  hervortreten  zu  lassen.  Der  Weg,  den  wir  jetzt 
einschlagen  wollen,  um  das  Problem  der  A  zu  lösen,  d.  h.  auf  eine  Iko- 
saedergleichung  zu  reduciren,  ist  ein  sehr  viel  einfacherer.  Wir  hatten: 
(49)        2A(,  =        {^1^2  -j-  A.2^i),     Ai  =  A2A2  ,     A2  =       AjAj  ; 

wir  wollen  die  Auflösung  jetzt  so  versuchen,  dass  wir  uns  die  Ikosaeder- 

X  X ' 

gleicJmng  gebildet  denJcen,  von  der  das  hier  auftretende  j-  resp.  das  A  abhängt. 

X2  Aj 

Geometrisch  heisst  dies,  dass  wir  den  Punkt  A  durch  einen  der  beiden 
Punkte  auf  A  =  0  zu  bestimmen  suchen,  in  welchem  eine  von  A  an  den 
Kegelschnitt  A  laufende  Tangente  berührt,  während  die  allgemeine  so- 
eben skizzirte  Methode,  —  wenn  anders  wir  die  vorkommenden  Func- 
tionen als  homogene  Functionen  der  Aq,  A^,  Ag  voraussetzen  — ,  dem 
Punkte  A  irgend  einen  auf  A  =  0  gelegenen  covarianten  Punkt  zu- 
ordnet, sodann  auch  dessen  Coordinaten  Bq,  Bj,  Bg  nicht  nur  ihrem 
Verhältnisse  nach,  sondern  absolut  bestimmt  denkt. 

Die  Analogie  unserer  Fragesteilung  mit  derjenigen,  die  wir  nach 
Hm.  Gordan  im  vorigen  Kapitel  behandelt  haben,  liegt  auf  der  Hand.  Es 
handelt  sich,  wie  wir  wissen,  beidemal  um  ein  Formenproblem,  dessen 
Variabele  bilineare  Formen  solcher  zweier  Reihen  binärer  Variabler  sind, 
die  simultan  den  Ikosaedersubstitutionen  unterworfen  werden:  beidemal 
suchen  wir  die  Lösung,  indem  wir  auf  die  Ikosaedergleichung  zurück- 
gehen, von  der  die  Variabelen  der  einen  Reihe  ihrem  Verhältnisse 
nach  abhängen.  Wir  werden  dementsprechend  genau  dem  Gedanken- 
gange folgen  können,  der  in  §  6  —  11  des  vorigen  Kapitels  entwickelt 
wurde:  die  einzelnen  Schritte  werden  so  einfach,  dass  es  überflüssig 
scheint,  die  jedesmaligen  Resultate  ausführlich  zu  begründen. 

Wir  beginnen  damit,  solche  homogene  ganze  Functionen  der 
/l^,  Ag  und  A/,  A2'  aufzuzählen,  welche  bei  den  simultanen  (jetzt  cogre- 
dienten)  Ikosaedersubstitutionen  dieser  Grössen  ungeändert  bleiben 
(invariante  Formen).  Die  einfachsten  beiden  in  den  A'  linearen  Formen 
haben  wir  in  Formel  (35)  zusammengestellt;  es  waren  die  folgenden  beiden: 

l  dx,    ^^  ^  dx,   ^-^  —  ^' 

(wo  gleich  der  ausgerechnete  Werth  der  ersten  Form  angegeben 
und  der  Buchstabe  P  für  später  der  Abkürzung  halber  eingeführt  ist). 
Es  gehören  ferner  hierher,  wie  wir  schon  in  §  2  bemerkten,  alle 
sonstigen  Formen,  welche  aus  f  {X^,  A_,),  H{X^,  A^),  T(Ai,  A2)  durch 
Polarisation    nach    A/,    Ag'    entstehen*).     Unsere    A,    B,    G,   B,    die 

*)  Ich  urgire  nicht  weiter,  dass  mit  den  solchergestalt  aufgezählten  Formen 
bereits  das  volle  System  der  hier  in  Betracht  kommenden  Invarianten  erschöpft  ist. 


236  II,  4.    Das  Problem  der  A. 

„bekannten"  Grössen  des  Formenproblems,  sind  solche  Combinationen 
der  hiermit  genannten  Formen,  welche  in  den  l,  X  symmetrisch  sind. 
*  Wir  betrachten  jetzt  überhaupt  die  Vertauschung  der  X,  X',  d.  h. 
die  Ersetzung  von  l^,  X^  durch  A/,  X^'  und  umgekehrt.  Bleibt  eine 
invariante  Form  bei  Vertauschung  von  X,  X'  ungeändert,  so  ist  sie 
eine  ganze  Function  von  A,  JB,  C,  D;  ändert  sie  dagegen  bei  Ver- 
tauschung ihr  Vorzeichen,  so  ist  sie  das  Product  einer  solchen  ganzen 
Function  in  Yä  (50).  Hat  eine  invariante  Form  nur  gleichen  Grad 
in  den   A,   A',   so  kann  sie  immer  in  folgende  Gestalt  gesetzt  werden: 

(51)  F(X„  A,;  A/,  A/)  =  G  (Ä,  B,  0,  D)  +  }/Z  •  H{A,  B,  G,  B), 

wo  die  ganzen  Functionen  G,  H  durch  folgende  Gleichungen  definirt  sind : 

f  2G  =  F(Ai,  A2;  A/,  A/)  -\-  F{X^,  A/;  A^,  A^), 

(52)  ^       ,_ 

\2yA-H  =  Fix,,  X,;  A/,  A/)  -  F(X;,  A/;  A„  A,).  - 

Der  allgemeine  Gang  unserer  Auflösungsmethode  wird  nunmehr 
folgender  sein.    Wir  haben  zunächst  die  Ikosaedergleichung  zu  bilden: 

^^'^^  1728 /M^rry~' 

von  welcher  A^  :  Ag  abhängt,  dann  aber  die  Invariante  P  (50)  durch 
^1?  ^a;  V^  u^d  ^iß  bekannten  Grössen  auszudrücken.  Beides  gelingt, 
wenn  wir  Formel  (51),  (52)  ia  geschickter  Weise  verwenden.  Wir 
betrachten  sodann  die  Formeln  (50)  als  lineare  Gleichungen  zur  Be- 
stimmung von  A/,  A2':  die  gesuchten  Schlussformeln  für  die  A^,  A^,  Ag 
ergeben  sich,  indem  wir  die  gefundenen  Werthe  in  (49)  eintragen.  Dabei 
erscheinen  die  Ap,  A^,  Ag,  wie  es  sein  muss,  als  geeignete  lineare  Com- 
binationen der  linearen  Invarianten  ]/J.  und  P. 

§  12.     Zugehörig©  Formeln. 

Die  Formeln,  welche  vermöge  des  allgemeinen  soeben  gegebenen 
Ansatzes  benöthigt  werden,  sollen  jetzt  noch  soweit  entwickelt  werden, 
als  zur  Präcisirung  des  Gedankenganges  wünschenswerth  erscheint. 
Ich  will  dabei  wieder  (wie  im  vorigen  Kapitel)  die  uns  ursprünglich 
gegebenen  Formen  mit  dem  Index  1,  die  anderen,  die  aus  ihnen  durch 
Vertauschung  der  Variabelen  A,  A'  entstehen,  mit  dem  Index  2 
bezeichnen.  Höhere  Indices  mögen  den  Grad  ganzer  Functionen 
der  jeweils  beigesetzten  Argumente  unter  der  Voraussetzung  an- 
geben, dass  man  diese  Argumente  als  Functionen  der  A^,  Aj,  Ag 
betrachtet. 

Wir  beginnen  mit  der  Berechnung  von  Z  (53),  oder,  wie  wir 
jetzt  sagen,  von  Z,.     Offenbar  haben  wir  der  Reihe  nach: 


(54)  Z,  = 


II,  4.    Das  Problem  der  A.  237 

1728 /iYa' 

3456/;Y2' 
^  G^eo  (^,  Jg,  (7)  +  l/I  •  J  •  g,,  (^,  B,  C) 
3456  [6?,2  (^,  B,  G)Y 

Neben  (51),  (52)  habe  ich  dabei  den  Umstand  verwendet,  dass  unter 
den  gegebenen  Grössen  Ä,  B,  C,  D  das  J)  allein  von  ungeradem 
Grade  in  den  A,  sowie,  dass  D^  eine  ganze  Function  von  Ä,  B,  C 
ist.  —  Die  ganzen  Functionen  G^^,  G^^,  G^q  von  Ä,  B,  C  bleiben  aus- 
zuwerthen,  indem  man  auf  die  expliciten  Werthe  der  in  Betracht 
kommenden  Grössen  in  den  Aq,  Aj,  A2  recurrirt.  Die  betreffende 
Rechnung  ist  natürlich  etwas  umständlich;  ich  unterlasse  sie,  weil  sie 
keinerlei  principielles  Interesse  bietet. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zur  Berechnung  von  P,  oder  vielmehr  von 
Pj.  Die  Form  P^  ist  in  den  A'  von  der  ersten,  in  den  A  von  der 
elften  Dimension;  wollen  wir  ein  Verfahren,  wie  das  eben  bei  Zi^  an- 
gewandte, benutzen,  so  werden  wir  P^  vorab  mit  solchen  nur  von 
A^,  A2  abhängigen  Factoren  behaften  müssen,  dass  das  entstehende 
Aggregat  in  den_  X,  X'  gleichförmig  die  erste  Dimension  besitzt.  Wir 
setzen  dementsprechend: 
(55)  9,  =-  ^^  •  ''^ 


1\      ' 
und  haben  dann  der  Reihe  nach: 

(56)  Q,  =  ^^~  =  ^^^- 

2T,2', 

_D-G,,  jA,  B,  C)  +  yÄ-  G,,  {A,  B,  C) 
2  r,,  {A,  B,  G)  ' 

wo    die    ganzen    Functionen    G^^,    G^q,    F^q    auszuwerthen    bleiben.  — 
Tragen  wir  ein,  so  kommt: 

r^,7^  P    —^    D  •  G,,  {A,  B,  C)  +  Va  ■  G,,  {A,  B,  C) 

WU  ^1—  H/  2r,,{A,B,C) 

Wir   suchen  jetzt,  wie   verabredet,   aus  YA  und   P^   die   A/,  A/. 
Die  entstehenden  Formeln  lauten  einfach: 


(58) 


dfr 

a; 

=  -Vä- 

12/,      '     ^1     12/1 

a; 

=  +  Vä 

1     1    p       ^2 
12/1  "f"  -^1  •  12/1 

238  11,  4,    Das  Problem  der  A. 

Indem  wir  sie  mit  (49)  vergleichen,  kommt  schliesslich; 
'2Ao==  —  yÄ-2?^- 


(59) 


^1  ^i 

12/1' 


wo  wir  uns  für  P^  den  Werth  (57)  eingetragen  denken. 

Wir  können  die  hiermit  gegebene  Auflösungsmethode,  wenn  wir 
noch  einmal  den  Entwickelungsgang  des  vorigen  Kapitels  heranziehen 
wollen,  mannigfach  modificiren.  Man  substituire  beispielsweise  in  (59) 
statt  Pi  die  Grösse  q^  (55),  worauf  die  A  nur  von  Yä,  q^  und  Aj :  X.^ 
abhängen,  berechne  sodann,  indem  man  diese  drei  Grössen  als  beliebig 
gegeben  ansieht,  das  zugehörige  Problem  der  A  und  vergleiche  dasselbe 
mit  dem  vorgegebenen  Probleme.  Man  erhält  so  für  q^  und  Z^  (53) 
Bestimmungsgleichungen,  die  zur  wirklichen  Berechnung  derselben 
verwandt  werden  können.  Auch  können  wir,  wie  wir  es  im  vorigen 
Kapitel  thaten,  jeden  Schritt  der  Auflösungsmethode  geometrisch 
deuten.  Indem  ich  alle  diese  Dinge  dem  Leser  überlasse,  betone  ich 
zum  Schlüsse  noch  das  Auftreten  von  Yä.  Im  Sinne  unserer  früheren 
Ausdrucksweise  ist  dies  eine  accessoriscJie  Irrationalität,  d.  h.  eine  solche, 
welche  in  den  zu  berechnenden  Grössen  Aq,  \,  Ag  nicht  rational  ist*). 
Wir  werden  bald  sehen,  dass  eine  derartige  Irrationalität  in  der  That 
nicht  zu  vermeiden  ist,  wenn  anders  wir  das  Problem  der  A  auf  eine 
Ikosaedergleichung  zurückführen  wollen. 


*)  In  analogem  Sinne  überträgt  sich  der  Begriff  der  accessorischen  Irrationa- 
lität auf  Formenprobleme  überhaupt. 


Kapitel  V. 
Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades. 

§  1.     Formtilirung  zweier  Auflösungsmethoden. 

Indem  wir  uns  jetzt  zu  den  allgemeinen  Gleichungen  fünften 
Grades  wenden,  nehmen  wir  sofort  das  eigentliche  Auflösungsproblem 
in  Angriff*).  Es  handelt  sich  in  der  Hauptsache  darum,  aus  fünf 
Grössen  Xq,  x^,  -  •  x^,  welche  der  einzigen  Bedingung  Sx  =  0  unter- 
worfen sind,  eine  Function  (p  (Xq,  x^,  •  •  •,  x^  =  A  zusammenzusetzen, 
welche  bei  den  geraden  Vertauschungen  der  x  sich  ikosaedrisch  sub- 
stituirt;  wie  wir  später  die  einzelnen  x  rational  durch  k  darstellen  werden, 
ist  eine  Frage  für  sich,  die  wir  für's  Erste  als  secundär  betrachten. 
Indem  wir  uns  vorab  auf  die  Hauptfrage  beschränken,  legen  wir  geo- 
metrische Interpretation  zu  Grunde:  wir  deuten,  wie  es  oben  geschah, 
Xf^:  Xi  :  '  •  •  x^  als  Coordinaten  eines  Raumpunktes,  k  aber  als  Para- 
meter einer  Erzeugenden  erster  Art  auf  der  Hauptfläche  zweiten 
Grades  2x^  =  0.  Unsere  Aufgabe  wird  dann:  dem  beliebigen  Ratim- 
punJcte  x  durch  geeignete  Construction  eine  Erzeuge^ide  A  in  covarianter 
Weise  zuzuordnen,  d.  h.  der  Art  zuzuordnen,  dass  die  Beziehung  zwi- 
schen Raumpunkt  und  Erzeugender  ungeändert  bleibt,  wenn  man  beide 
simultan  den  geraden  Collineationen  unterwirft. 

Eine  erste  Lösung  dieser  Aufgabe  ergibt  sich,  auf  Grund  unserer 
bisherigen  Entwickelungen,  wie  von  selbst.  Wir  tverden  nämlich  dem 
Punkte  X  zuvörderst  in  covarianter  Weise  einen  Punkt  y  der  Hauptfläche 
zuweisen  und  dann  als  Erzeugende  A  die  durch  y  hindurchlaufende  Er- 
zeugende nehmen.  Also,  dass  wir  gleich  die  hieraus  hervorgehende 
algebraische  Behandlung  der  allgemeinen  Gleichung  fünften  Grades 
charakterisiren:  wir  werden  die  allgemeine  Gleichung  fünften  Grades 
durch   eine  geeignete   Tschirnhaustransformation   in  eine  Hauptgleichimg 


*)  Die  im  Folgenden  gegebenen  Entwickelungen  sind  ihren  Grundzügen 
nach  bereits  in  meinen  öfter  citirten  Arbeiten  in  den  Bänden  12,  14,  15  der 
Mathematischen  Annalen  enthalten,  doch  werden  sie  hier  zum  ersten  Male  in 
zusammenhängender  Form  zur  Darstellung  gebracht. 


240  n,  5,    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades. 

fünften  Grades  verwandeln  und  dann  diese  nach  der  im  dritten  Kapitel 
des  gegenwärtigen  Abschnitts  dargelegten  Methode  auflösen. 

Die  Tschirnhaustransformation,  welche  bei  dem  hiermit  bezeich- 
neten Verfahren  benöthigt  wird,  haben  wir  bereits  in  II,  2,  §  6  ge- 
nauer besprochen  und  dort  in  der  Weise  formulirt,  dass  wir  dem 
Punkte  4?  zunächst  eine  ßaumgerade  zuordneten,  welche  zwei  rationale, 
zu  X  covariante  Punkte  verbindet,  um  dann  von  den  Schnittpunkten, 
die  diese  Raumgerade  mit  der  Hauptfläche  gemein  hat,  den  einen  als 
Punkt  y  zu  wählen.  Dabei  wurde  zur  Trennung  der  beiden  Schnitt- 
punkte, allgemein  zu  reden,  eine  accessorische  Quadratwurzel  gebraucht. 
Wollen  wir  uns  kurz  fassen,  so  können  wir  bei  Beschreibung  dieser 
Construction  den  Punkt  y  auch  bei  Seite  lassen.  Es  handelt  sich  für  uns 
dann  einfach  darum,  eine  der  beiden  Erzeugenden  erster  Art  der  Haupt- 
fläche zu  benutzen,  welche  einer  zu  x  covarianten  Raumgeraden  be- 
gegnen. Die  accessorische  Quadratwurzel  beruht  darauf,  dass  es  neben 
einer  ersten  Erzeugenden  dieser  Art,  die  wir  X  nennen,  immer  noch 
eine  zweite,  mit  A  gleichberechtigte  gibt,  die  wir  einen  Augenblick 
mit  A'  bezeichnen  wollen.  Indem  wir  uns  so  ausdrücken,  erkennen 
wir  die  Möglichkeit,  die  Benutzung  der  accessorischen  Irrationalität 
noch  etwas  hinauszuschieben.  Statt  gleich  die  Ikosaedergleichung  auf- 
zusuchen, von  welcher  X  abhängt,  werden  wir  vorab  das  Gleichungs- 
system aufstellen,  durch  welches  die  symmetrischen  Functionen  der 
X,  X'  bestimmt  werden,  und  erst  später  aus  diesem  Gleichungssysteme  die 
vorbenannte  Ikosaedergleichung  ableiten.  Das  aber  heisst  augenscheinlich 
nichts  Anderes,  als  dass  wir  auf  die  Entwickelungen  unseres  soeben 
abgeschlossenen  vierten  Kapitels  zurückgreifen.  In  der  That:  unsere 
X,  X'  sind  cogrediente  Variabele;  das  Gleichungssytem,  von  dem  wir 
sprechen,  ist  also  ein  Gleichungssystem  der  A,  bei  dessen  Behandlung 
wir  übrigens  sofort,  wie  wir  sehen  werden,  zur  homogenen  Fassung, 
d.  h.  zum  Formenproblem  der  A  hingeführt  werden.  Zugleich  ist  die 
Ikosaedergleichung,  von  welcher  X  abhängt,  dieselbe,  die  wir  ohnehin 
bei  Auflösung  des  Problems  der  A  benutzen  würden.  Wir  finden  also 
eine  zweite  Lösungsmethode  der  allgemeinen  Gleichung  fünften  Grades,  bei 
der  wir  die  Entwickelungen  von  II,  4  genau  so  verwerthen,  wie  bei  der 
ersten  Lösungsmethode  diejenigen  von  II,  3. 

Uebrigens  ist  die  Formulirung,  welche  wir  gerade  für  die  zweite 
Lösungsmethode  aufstellten,  noch  unnöthig  particulär.  Indem  wir  uns 
der  Betrachtungen  erinnern,  die  wir  in  II,  2,  §  9  gegeben  haben, 
erkennen  wir,  dass  wir  dem  Punkte  x  statt  einer  Raumgeraden  bei 
Durchführung  der  zweiten  Methode  einen  allgemeinen  linearen  Complex 
zuordnen  können.     Die  Erzeugenden  X,  X'  sind  dann  diejenigen  beiden. 


II,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades.  241 

welche  diesem  linearen  Complexe  angehören.  Die  expliciten  Formeln, 
welche  wir  später  behufs  Präeisirung  der  zweiten  Methode  aufstellen 
werden,  bleiben  von  dieser  Verallgemeinerung  unberührt;  wir  werden 
also  auf  die  specielle  Forraulirung,  mit  der  wir  gerade  begonnen 
haben,  überhaupt  nur  beiläufig  zurückkommen. 

Wir  haben  für  die  folgenden  Paragraphen  nunmehr  eine  doppelte 
Aufgabe.  Einmal  werden  wir  noch  die  genauen  Formeln  aufstellen 
müssen,  welche  den  zweierlei  Lösungsniethodeu,  deren  Möglichkeit  wir 
erkannten,  entsprechen,  —  dann  aber  wollen  wir  die  Gesammtheit 
jener  Untersuchungen,  über  die  wir  in  11,  1  Bericht  erstatteten, 
in  unsere  eigenen  Ueberlegungen  einordnen.  In  letzterer  Hinsicht  ist 
von  vorneherein  die  Verwandtschaft  unserer  ersten  Lösungsmethode 
mit  derjenigen  von  Bring,  unserer  zweiten  Methode  mit  derjenigen 
von  Kronecker  evident.  Durch  Benutzung  eines  Satzes,  den  wir  früher 
(I,  2,  §  8)  über  die  Ikosaedersubstitutionen  aufgestellt  haben,  gelingt 
es  denn  auch,  jenen  Fundamentalsatz  der  Kronecker'schen  Theorie  zu 
beweisen,  über  den  wir  in  II,  1,  §  7  referirt  haben. 

§  2.     Durchführung  unserer  ersten  Methode. 
Um  unsere  erste  Methode  zu  fixiren,  sei 

(1)  x^  -\-  ax^  -{-  bx^  +  ex  -\-  d  =  0 

die  vorgelegte  Gleichung  fünften  Grades  (bei  der  wir  Sx  =  0  ge- 
nommen haben).     Wir  setzen  ferner  nach  II,  2,  §  5: 

(2)  y,.=  p-  4'^  +  q-xf'-\-r.  x?  +  s  •  x'^\ 

wo  xl    =  Xy ~  Ex^ ,    und     berechnen    Etj-.      Dasselbe    wird    eine 

homogene  ganze  Function  zweiten  Grades  der  p,  q,  r,  s: 

(3)  0(j),  q,  r,  s), 

deren  Coefficienten  symmetrische,  ganze  Functionen  der  x  und  also 
ganze  Functionen  der  in  (1)  auftretenden  Coefficienten  a,  h,  c,  d  sind. 
Wir  ivünscJmi  ein  Lösungssystem  der  Gleichung  0=0  -zu  finden, 
welches  hei  den  geraden  Vertauschungen  der  x  ungeändert  bleibt. 

Bemerken  wir  vorab,  dass  die  gesuchten  p,  q,  r,  s  unmöglich 
gleich  rationalen  Functionen  der  Xq,  x^,  •  •  x^^  sein  können.  Es  geht 
dies  aus  dem  später  zu  erbringenden  Beweise  hervor,  demzufolge  bei 
Durchführung  unserer  Methoden  die  Benutzung  einer  accessorischen 
Irrationalität,  zum  Mindesten  also  einer  accessorischen  Quadratwurzel, 
nicht  zu  vermeiden  ist*).    Um  so  mehr  greifen  wir  auf  die  geometrische 

*)  Umgekehrt  würde  man,  wenn  man  den  Satz  des  Textes  (betrefifs  der  Irra- 
tionalität der  p,  q,  r,  s)  direct  nachwiese,  oineu  neuen  Beweis  für  die  Nothwendigkeit 

Klein,  Gleichangen  6.  Grades.  16 


242  n,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades. 

Constrnction  mit  der  covarianten  Jlaumgeradon  zurück,  die  wir  soeben 
bezeichneten  und  für  welche  wir  in  ]I,  2,  §  G  bereits  die  nöthigen 
Formeln  gegeben  haben.     Es  seien: 

l\j  Qi7  ^if  ^i'i  A'  Q->}  ^2>  ^2 
zwei  Reihen  von  vier  Grössen,  welche  von  den  x  rational  und  derart 
abhängen,  dass  sie  sieh  bei  den  geraden  Vertauschungen  der  x  nicht 
ändern,  die  also  rationale  Functionen  der  Coefficienten  n,  h,  c,  d  von 
(1)  und  der  Quadratwurzel  aus  der  zugehörigen  Discriminante  sind. 
Wir  setzen  dann  in  (2)  wie  früher: 

(4)       p  =  ^jP,  +  qJ\,,     q  =  Q^Q^  -\-  Q^,Q,,     r  =  q^B,  +  q.,B.^, 

S  =  Qj^Si   -j-   ^2^-2- 

Hierdurch  verwandelt  sich  0  [Formel  (3)|  in  eine  binäre  quadratische 
Form  der  q^,  q.>,  deren  Coefficienten  rationale  Functionen  der  be- 
kannten Grössen  sind:  wir  setzen  0  =  0  und  bestimmen  ^j  :  ^2  aus 
der  entstehenden  quadratischen  Gleichung,  wodurch  die  in  Aussicht 
genommene  accessorische  Quadratwurzel  eingeführt  wird.  Sodann  sub- 
stituiren  wir  zugehörige  Werthe  von  Q^,  q^  i"  (4);  resp.  (2)  und  be- 
rechnen die  für  die  ?/  resultirende  Hauptgleichung,  die  wir  folgender- 
maassen  abkürzend  bezeichnen  wollen: 

(5)  /'  +  r)ar  +  6/5?/+V  =  o. 

Hiermit  haben  wir  Alles  zugerichtet,  um  die  Entwickelungen  von 
11,  3  unmittelbar  verwenden  zu  können.  Haben  wir  sodann  mit  Hülfe 
dieser  Entwickelungen  die  Wurzeln  yv  von  (5)  berechnet,  so  finden 
wir  die  zugehörigen  rr„   durch  Umkehr  von  (2).  — 

Ich  möchte  dabei  hinsichtlich  der  Umkehr  der  Tschirnhaustrans- 
formation eine  beiläufige  Bemerkung  machen.  Man  sagt  gewöhnlich, 
und  so  haben  wir  es  früher  auch  ausgedrückt  (II,  1,  §  1),  dass  man 
das  gesuchte  Xv  rational  als  gemeinsame  Wurzel  der  Gleichimgen  (1) 
und  (2)  [wo  jetzt  pr  als  bekannte  Grösse  zu  erachten  ist]  berechnet. 
Im  Wesentlichen  dasselbe,  aber  mehr  im  Sinne  unserer  sonstigen  Be- 
trachtungen ist  es,  wenn  wir  der  Formel  (2)  folgende  andere  explicite 
gegenüberstellen: 

/n\  '        (1)      r         '        (2)      I         /•        (3)     ,         /         (4) 

der  in  Rede  stehenden  Quadratwurzel  haben.  Liesse  sich  nämlich  aus  (1)  ohne 
Benutzung  accessorischer  Irrationalitäten  eine  ikosaedei'gleichung  herstellen,  so 
würde  man  von  dieser  eine  der  unendlich  vielen  zugehörigen  Hauptresolventen 
fünften  Grades  bilden  können  und  erhielte  dann  durch  Zusammenziehen  der 
Formeln  eine  Transformation  (2),  deren  Coefficienten  p,  q,  r,  s  rationale  Func- 
tionen der  X  wären,  die  sich  bei  den  geraden  Vertausch iingen  der  x  nicht  änderten. 


11,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades.  243 

WO  y]?  =  Vv r    ^y^   und  p',   q,    r' ,   s'    rationale    Functionen    der 

Ci7  Qi}  ^7  ^}  ^7  <^  ""*^  ^6^  Quadratwurzel  aus  der  Discriminante  von 
(1)  bezeichnen,  die  man  mit  Hülfe  elementarer  Methoden  berechnet. 
Die  Bestimmung  des  oCy  lässt  sich  dann  so  auffassen,  dass  man,  geo- 
metrisch zu  reden,  aus  dem  erstgefundenen  Punkte  y  =  y'-^^  zunächst 
drei  weitere  covariante  Punkte:  y''^\  y^^\  i/^^'  ableitet  uud  dann  aus 
diesen  den  gesuchten  Punkt  x  vermöge  invarianter  Coefficienten  zu- 
sammensetzt*). 

Beachten  wir,   dass   bei  der  so  geschilderten  Auflösungsmethode 
die  Berechnung  von  Xy  aus  der  Wurzel  A  der  schliesslich  zu  Grunde 
gelegten  Ikosaedergleichung  in  zwei  Schritte  zerlegt  ist:    Avir    haben 
ursprünglich,  in  II,  3,  die  fünfwerthigen  Functionen  von  X: 
_  12r-(X).U(l)  _  l2fiX)-Wy{X) 

benutzt,  um  aus  ihnen,  resp.  aus  Vy  uud  n,.Vy,  die  y,,  linear  zusammen- 
zusetzen, wir  haben  sodann  den  Punkt  x  als  lineare  Combination  der 
y*',  y^'^\  y^^\  2/^^)  dargestellt.  Offenbar  können  wir  diese  beiden 
Schritte  in  einen  Schritt  zusammenziehen:  wir  können  den  Punkt  x 
direct  ans  solchen  vier  Punkten  componiren,  die  Covarianten  der  Erzeugen- 
den X  sind.  Die  einfachsten  rationalen  Functionen  von  A,  welche  bei 
den  Ikosaedersubstitutionen  im  Ganzen  fünf  Werthe  annehmen,  siud 
nach  dem  Früheren  (I,  4)  die  folgenden: 

tly,         Vy,  UyVy,  ry     =     "— ^    • 

Hier  ist  Eu  =  Hv  =  Euv  =  0,  dagegen  Er  ^  0,  so  dass  wir  statt 
»\  die  Verbindung  ry  —  -y  Er  einführen  wollen.     Dann  ist: 

(7)         Xy  =  p"  ■  Uy  4-  q"  ■  i\  +  r"  ■  u,.Vy  +  s"  •  {i\  —  —  Er)  , 

wo  p'\  q'\  r",  s"  Coefficienten  derselben  Beschaffenheit  sind,  wie  eben 
die  p',  q',  r',  s'. 

Ich  habe  diese  neue  Umkehrformel  wesentlich  aus  Gründen  der 
Vollständigkeit  zugefügt.  In  der  That  scheint  mir  gerade  dieses  der 
eigentliche  Vorzug  unserer  ersten  Methode  zu  sein,  dass  sie  bei  der 
durch  (6)  dargestellten  Formulirung  m  zwei  getrennte  Theile  zerfällt. 


*)  Die  geometrische  Ausdruckaweise  des  Textes  ist  natürlich  nur  dann  ein 
Gegenbild  des  algebraischen  Verfahrens,  wenn  man  letzteres  wieder  so  specialisirt, 
dass  durchweg  dem  Gesetze  der  Homogeneität  genügt  wird,  d.  h.  dass  die  Ver- 
hältnisse der  y  nur  von  den  Verhältnissen  der  x  abhängen.  Wir  müssten  eigent- 
lich die  gleiche  Bemerkuug  bei  allen  folgenden  Entwickelungen  wiederholen,  was 
wir  aber  der  Kürze  wegen  unterlassen. 

IG* 


244  II,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades. 

von  denen  der  erste,  der  den  Zusammenhang  der  allgemeinen  Gleichung 
fünften  Grades  mit  der  Hauptgleichung  betrifft,  durchaus  elementaren 
Charakter  hat.  Wir  können  Formel  (6)  auch  als  einfacher  betrachten, 
als  Formel  (7).  Denken  wir  uns  nämlich  die  Pj,  ^i,  ••••  B.^,  S.^  in 
(4)  nur  von  a,  b,  c,  d,  nicht  aber  von  der  Quadratwurzel  aus  der  zu- 
gehörigen Discriminante,  rational  abhängig,  so  wird  die  Quadratwurzel 
aus  der  Discriminante  auch  in  den  Coefficienten  von  (6)  fehlen,  wäh- 
rend sie  in  den  Coefficienten  von  (7),  wie  in  der  rechten  Seite  der 
Ikosaedergleichung  für  A,  durchaus  nothwendig  auftritt. 

§  3.    Kritik  der  Methoden  von  Bring  und  Hermite. 

Ehe  wir  weiter  gehen,  werden  wir  jetzt  unsere  erste  Lösungs- 
methode mit  den  eng  verwandten  Auflösungsarten  vergleichen,  welche 
Bring,  bez.  Hermite,  gegeben  haben.  Die  Einzelheiten,  welche  hier 
in  Betracht  kommen,  haben  wir  bereits  in  H,  3,  §  13  und  14  ent- 
wickelt. Indem  wir  auf  dieselben  snrücl'greifen ,  müssen  wir  unsere 
Methode  als  wesentliche  Vereinfachung  der  Bring'schen  Methode  bezeichnen. 
Auch  Bring  transformirt  die  gegebene  Gleichung  fünften  Grades  in 
eine  Hauptgleichung,  auch  er  benutzt  die  geradlinigen  Erzeugenden, 
die  auf  der  Hauptfläche  verlaufen.  Aber  hierüber  hinaus  kommt  er 
zu  einer  unnöthigen  Complication:  um  eine  Normalgleichung  mit 
nur  einem  Parameter  zu  erreichen,  glaubt  er  durch  Vermittelung 
einer  Hülfsgieichung  dritten  Grades  eine  neue  accessorische  Irratio- 
nalität einführen  zu  sollen.  Ich  halte  also  dafür,  dass  das  ursprüng- 
liche Verfahren  von  Bring  zu  verlassen  ist  und  durch  unsere  erste 
Methode,  welche  den  wesentlichen  Gedanhen  der  Bringt  sehen  Methode 
festhalt,  ersetzt  werden  muss.  Der  Fortschritt,  um  den  es  sich 
handelt,  findet  in  dem  Geschlechte  der  bei  der  geometrischen 
Deutung  zu  benutzenden  Gebilde  seinen  prägnanten  Ausdruck:  die 
Schaar  der  auf  der  Hauptfläche  verlaufenden  geradlinigen  Erzeugenden 
der  einen  oder  anderen  Art  bildet  eine  Mannigfaltigkeit  vom  Ge- 
schlechte Jö  ==  0,  das  Geschlecht  p  der  Bring'schen  Curve  ist  gleich  4*). 

Im  Grossen  und  Ganzen  werden  wir  in  das  hiermit  formulirte 
Urtheil  auch  das  Verfahren  von  Hermite  einbegreifen:  wollen  wir  zur 
Auflösung  der  Hauptgleichung  fünften  Grades  elliptische  Functionen  ver- 
wenden, so  geschieht  dies  in  einfachster  Weise,  wenn  wir  für  die  Wurzel 

*)  Von  diesem  Werthe  des  p  und  der  allgemeinen  Theorie  der  Curven 
p  =  4  ausgehend,  kann  man,  was  ich  hier  nicht  ausführe,  zeigen,  dass  Bring's 
cubische  Hülfsgieichung  in  der  That  nicht  zu  vermeiden  ist,  wenn  man  einen 
Punkt  der  ßring'schen  Curve  bestimmen,  d.  h.  die  trinomische  Gleichungsform 
2/^  -|-  Sßi/  -j-  y  =  0  als  Normalgleichnng  benutzen  will. 


II,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades.  245 

der  zugehörigen  IJwsaedcrgleichung  die  in  I,  5,  §  7  gegebene  Formel  be- 
nutzen. Hermite's  Benutzung  der  Bring'schen  Form  kann  fürderhin  nur 
dann  noch  in  Betracht  kommen,  wenn  man  statt  der  rationalen  Invariante 

=~,  der  die  rechte  Seite  der  Ikos^edergleichung  gleich  wird,  das  zu- 
gehörige x^  benutzen  will.  In  der  That  sahen  wir  ja  in  II,  3,  §  14, 
dass  die  cubische  Hülfsgieichung  von  Bring  reducibel  wird,  sobald 
wir  das  x  als  bekannt  erachten.  —  Auch  will  ich  hier  noch  beson- 
ders den  Fortschritt  hervorheben,  der  darin  liegt,  dass  wir  die  Mög- 
lichkeit, die  Iksosaedergleichung  durch  elliptische  Functionen  zu  lösen, 
früher  unmittelbar  aus  der  Gestalt  des  Ikosaeders  abgeleitet  haben 
(siehe  I,  5,  §  7). 

§  4.     Vorbereitungen  zu  unserer  zweiten  Auf  lösungsmethode. 

Der  geometrische  Ansatz,  den  wir  für  unsere  zweite  Auflösungs- 
methode gegeben  haben,  verlangt,  die  quadratische  Gleichung  aufzu- 
stellen, von  welcher  die  beiden  Erzeugenden  erster  Art  der  Haupt- 
fläche, die  einem  bestimmten  linearen  Complexe  angehören,  abhängen. 
Genau  diese  Aufgabe  haben  wir  in  11,  2,  §  10  für  eine  beliebige 
Fläche  zweiten  Grades  gelöst,  aber  wohlverstatiden  unter  Benutzung 
eines  j)articidären  Coordinatensystems.  Wir  hatten  damals  als  Gleichung 
der  Fläche  die  folgende  genommen: 

(8)  X,X,  +  X,X,  =  0, 

hatten  sodann  den  Parameter  X  der  Erzeugenden  erster  Art  in  nach- 
stehender Weise  definirt: 

/f)^  A== "^t  -—  ^  _—  ^1 

und  endlich,  unter  J^^,, ,,  die  Coordinaten  des  linearen  Complexes  ver- 
standen, die  Gleichung  erhalten: 

(10)  Ä,, X,'  -f-  {A,,  -  Ä,,)  A, X,  +  Ä^X^  =  0. 

Ich  füge  hier  gleich  die  entsprechenden  Formeln  für  die  Erzeugenden 
zweiter  Art  hinzu.     Wir  fanden  als  Definition  des  Parameters  fi: 

(11)  ^=-§  =  ^  =  ^ 

und  als  zugehörige  quadratische  Gleichung: 

(12)  -  A,,[i,^  +  {Ä,,  -f  Ä,,)  iL.ii,  +  A,,fi,'  =  0. 

Wir  erinnern  uns  jetzt  zunächst  der  Art  und  Weise,  vermöge 
deren  wir  in  II,  3,  §  2,  3  die  Parameter  X,  /*  speciell  bei  der  Haupt- 


246  il,  5-    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades. 

fläche  eingeführt  haben.  Es  geschah  dies  genau  iu  Uebereinstimmung 
mit  (8),  (9),  (11),  nur  dass  wir  statt  X,,  Xg,  Xg,  X^  beziehungsweise 
2h>  Pit  Ps)  Pi  geschrieben  hatten,  wo  ^j^«  den  Ausdruck  des  Lagrange 
bedeutete: 

(13)  p^,  =  ^0  +  «■"  •  ^1  +  ^^''  •  ^a  +  ^^''  '  ^3  +  «^''  *  ^4- 

Wir  liönnen  also  an  Gleichimg  (10),  (12)  ungcändert  festhalten,  sofern 
wir  nur  durchweg  hei  unserer  Behandlung  das  Coordinatensystem  von 
Lagrange  m  Grunde  legen. 

Das  Letztere  ist  nun  in  II,  2,  §  9,  wo  wir  dem  Raumpunkte  x 
in  allgemeinster  Weise  einen  covarianten  linearen  Complex  zuordneten, 
keineswegs  vorausgesetzt  worden,  vielmehr  beziehen  sich  die  damals 
angegebenen  Complexcoordinaten: 

(14)  -  a,,=  ^c'.«{4'^4"'^-4'"^4'^l 

[wo  die  c'' "'  irgend  welche  rationale  Functionen  der  Coefficienten 
«,  h,  c,  d  und  der  Quadratwurzel  aus  der  zugehörigen  Discriminante 
bezeichnen]  ebenso  wie  die  Punktcoordinaten  x  selbst  auf  das  funda- 
mentale Pentaeder.  Unsere  nächste  Aufgabe  ist  also  eine  Coordinaten- 
transformatiou :  wir  müssen  die  Coordinaten  A„v  bestimmen,  ivelche  der 
Complex  (14)  annimmt,  wenn  ivir  durch  (13)  die  Ausdrücke  Pfi  einführen. 
Ich  will  zu  dem  Zwecke  diejenigen  p,  welche  den  Punkten  a;"\  ic^"'^  zu- 
gehören,  mit  p'^''^ ,  p'"-^   bezeichnen.     Wir  haben  dann: 

(15)   i^W'^-/V!:"^=^ {s^"^-'  -£"^+^'*)  (^f'4"^- ^'M'"^ 

/,  k 

WO  rechter  Hand  jede  Combination  (^,  li)  =  (Ji,  i)  einmal  auftritt. 
Wir  addiren  jetzt  die  sechs  Gleichungen,  die  wir  solchergestalt  für  die 
verschiedenen  Combinationen  {l,  m)  =  (m,  l)  erhalten,  nachdem  wir 
jede  mit  c'»"'  [Formel  (41)]  multiplicirt  haben.  So  entstehen  links  die 
gesuchten  -4^,,,  rechter  Hand  aber  ziehen  sich  je  sechs  Terme  zu  den 
ttik  (14)  zusammen.  Hiernach  lauten  die  gesuchten  Transformations- 
formeln: 

(16)  A,,r  =  ^(£'"'  +  *'^  —  £-•  +  "*)  •  aik- 

i,k 

Die  so  gewonnenen  A/^v  tragen  wir  jetzt  in  (10),  (12)  ein.  Ich 
will  die  dabei  entstehenden  quadratischen  Gleichungen  in  derjenigen 
Gestalt  schreiben,  die  wir  soeben,  in  11,^  4,  zu  Grunde  legten: 

A^/li^  +  2A0A1A2   —  AaAg^  =  0,  bez. 


^^^^  'A,V,^+2A,>,^,-A,>/  =  0. 


II,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades.  247 

Es  wird  daim: 

(18)      A,  =  +  ^^  -  =  ^(£^'+^^  -  £^'+")  •  a,„ 

i,k 

A,  =  ~  A,,  =  ^(^=^'+*  -  £'+^*)  •  «.•* , 

SO  wie  ferner: 

(19)1  a;  =  +  ^3.        =2(*^''^''-^"'^'')-«'-^' 

i,k 

A;  =  +  ^12  =  ^(£'+-^-  -  8''+')  •  a,*. 


§  5.     Von  den  Substitutionen  der  A,  A'.     Definitive  Formulirung. 

Vermöge  der  geometrischen  Betrachtungen,  die  wir  voranstellten, 
ist  es  selbstverständlich,  dass  sich  die  Verhältnisse  der  gerade  auf- 
gestellten Aü,  Aj,  Aa  (18)  bei  den  geraden  Permutationen  der  Xq,  o;,, 
^27  ^3>  ^4  genau  so  linear  substituiren,  wie  die  Verhältnisse  der  im 
vorigen  Kapitel  zu  Grunde  gelegten,  mit  denselben  Buchstaben  bezeich- 
neten Grössen;  ebenso  ist  ersichtlich,  dass  sich  die  Verhältnisse  der  in  (19) 
eingeführten  A'  zu  den  Verhältnissen  der  A  contragredient  verhalten, 
Ich  sage  nun,  dass  diese  Uebereinstimmung  bestehen  bleibt,  wenn  wir 
statt  der  Verhältnisse  der  A,  A'  die  A,  A'  selber  ins  Auge  fassen.  Es 
wäre  nicht  schwer,  die  Richtigkeit  dieser  Behauptung  aus  allgemeinen 
Gründen  zu  beweisen;  wir  werden  sogleich  noch  (§  9)  den  Ansatz 
dazu  geben.  Einstweilen  begnügen  wir  uns  damit,  die  Richtigkeit  aus 
den  Formeln  zu  verificiren.  Offenbar  haben  wir  nur  die  beiden  Ope- 
rationen S,  T  in  Betracht  zu  ziehen,  aus  denen  sich  alle  anderen 
durch  Wiederholung  und  Combination  zusammensetzen.  Was  zunächst 
die  geraden  Vertauschungen  der  x  angeht,  so  haben  wir  in  II,  3,  §  2 
als  solche  S,  T  die  nachstehenden  eingeführt: 

O    •         JUy      ^^^-^     Jby  JL.  J  , 


y      j.  .      UyQ    UyQj     U/j^     ==  U/2)     ^2     **'l;    "^S    "^4 

Ihnen  entsprechend  erhalten  wir  bestimmte  Permutationen  der  a,^.  (14) 
und,  wenn  wir  diesen  Rechnung  tragen,  für  die  durch  (18)  definirten 
A  folscende  Substitutionen: 


(21) 


248  n,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades. 

Aj    =  £  A|,     A2   ==  Sf^2i 
Ao  H~  A^  -f~  "2, 
A/  =  2  Ao  +  (5^  +  s')  \  +  (s  +  e')A„ 
A/  =  2  Ao  +  (f  +  e')  A,  +  (5^  +  s')  A„ 
d.  h.  genau  dieselben  Substitutionen,   die  wir  in  II,  4,  §  2  angegeben 
haben*).  —  Was    aber  die   Contragredienz  der  Grössen   A'  (19)   und 
der  A  (18)  angeht,  so  genügt  es,  zu  bemerken,  dass  die  Werthe  der 
A'  aus   denen  der  A  hervorgehen,  wenn   wir  in  letzteren  s  durchweg 
in  £^  verwandeln.  — 

Wir  denken  uns  jetzt  aus  den  A,  A'  (18),  (19)  irgendwelche  der 
invarianten  Formen  gebildet,  die  wir  im  vorigen  Kapitel  besprachen, 
also  entweder  aus  den  A  allein  die  Ausdrücke  Ä,  B,  C,  D,  oder  auch 
aus  den  A,  A'  simultan  die  in  den  A'  linearen  Functionen  jF\,  F^,  F^, 
die  wir  in  §  9  daselbst  betrachtet  haben  [siehe  insbesondere  Formel 
(45),  (46)  und  (47)].  Indem  wir  für  die  A,  A'  die  entsprechenden 
Werthe  in  Xq,  x^,  •  •  x^  eintragen,  erhalten  wir  durchweg  solche 
rationale  Functionen  der  x,  welche  sich  bei  den  geraden  Vertauschungen 
der  X  nicht  ändern,^  welche  sich  also  mit  Hülfe  elementarer  Methoden, 
die  wir  nicht  ausführen,  als  rationale  Functionen  der  in  (1)  vor- 
kommenden Coefficienten  a,  h,  c,  d  und  der  Quadratwurzel  aus  der 
zugehörigen  Discriminante  darstellen  lassen.  Um  unsere  zweite  Me- 
thode in  definitiver  Weise  zu  formuliren,  gebrauchen  wir  zunächst  nur 
das  Problem  der  A  und  also  die  Werthe  der  gerade  genannten  Grössen 
A,  B,  C,  D.  Wir  folgen  dann  genau  den  Entwickelungen,  die  wir  in 
den  beiden  Schlussparagraphen  des  vorigen  Kapitels  gegeben  haben, 
und  bilden  uns,  indem  wir  die  accessorische  Irrationalität  ]/j.  ad- 
jungiren,  eine  zugehörige  Ikosaedergleichung  zur  Bestimmung  von  A. 
Es  fragt  sich  nur  noch,  wie  wir  rückwärts  mit  Hülfe  dieses  X  die 
Wurzeln  x^,  x^,  •  •  x^  darstellen  wollen.  Hiervon  soll  erst  im  folgen- 
den Paragraphen  gehandelt  werden. 

§  6.     Die  Umkehrformeln  der  zweiten  Methode. 

Um  die  noch  restirende  Aufgabe  zu  lösen,  bieten  sich  nicht  we- 
niger als  dreierlei  Ansätze,  jenachdem  wir  nämlich  unsere  Aufgabe 
mit  einem  Schlage  erledigen  oder  in  zwei  oder  drei  Schritte  zer- 
legen wollen. 


*)  Die  Buchstaben  A^',  A/,  A^'  sind  in  (21)  in  ganz  anderer  Bedeutung  ge- 
braucht, wie  in  (19);  da  ich  auf  (21)  nicht  mehr  recurrire,  so  wird  daraus, 
hoffe  ich,  kein  Missverständniss  entsteheu. 


II,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades.  249 

Im  ersteren  Falle  machen  wir  unmittelbar  von  der  Formel  (7) 
Gebrauch,  die  ich  noch  einmal  hersetze,  indem  ich  jetzt  die  damals 
bei  p,  q,  r,  s  gebrauchten  Accente  weglasse: 

(22)  Xv=P'Uv  -i-  q-  Vv  ■;{-  r  '  UyVy  +  s  [r^  —  —  Ur^j  • 

Hier  sind  die  p,  q,  r,  s  rationale  Functionen  der  a,  h,  c,  d,  der  Quadrat- 
wurzel aus  der  zugehörigen  Discrimiuante  und  der  accessorischen 
Quadratwurzel   yÄ. 

Im  zweiten  Falle  drücken  wir  zunächst,  wie  wir  dies  in  §  12  des 
vorigen  Kapitels  ausführten,  die  Aq,  Ai,  A^  selbst  durch  die  Wurzel 
X  der  Ikosaedergleichung  aus.  Wir  nehmen  dann  ferner  die  niedrig- 
sten fünfwerthigen  ganzen  Functionen  der  A  zu  Hülfe.  Nach  §  5  des 
vorigen  Kapitels  sind  dies: 

dy,  dy,  dy^,  ÖySy. 

Hier  ist  wieder  Sd  =  Zd'  =  Sdd'  =  0,  dagegen  Zd^  von  Null  ver- 
schieden,  so  dass  wir,  zur  Darstellung  der  Xy,  statt  des  einzelnen  dy^ 

die  Combination  Idy^ ~  2Jd^)   einführen  wollen.     Wir  haben   dann 

wieder  Formeln  folgender  Art: 

(23)  Xy    =  P'    •    dy    -f    q'    •    Ö;    +    r'    •    {dy^    -      l      Zd)    +    S'   .    dyd;, 

wo  p',  q,  y',  s'  rationale  Functionen  der  a,  6,  c,  d  und  der  Quadrat- 
wurzel aus  der  Discriminante  sind,  die  accessoriscJw  Irrationalität 
Yä  aber  nicht  mehr  entJialten. 

Im  dritten  Falle  endlich  denken  wir  uns  aus  der  Wurzel  X  der  Iko- 
saedergleichung zunächst  wieder  die  Aq,  A^,  Ag  berechnet,  suchen  dann 
aber  nicht  die  Xv  direct,  sondern  vorab  die  zugehörigen  Aq',  A^',  Aj' 
(19).  Wir  erreichen  dies,  nach  Analogie  von  Rechnungen,  die  wir 
früher  ausführten,  indem  wir  die  soeben  genannten,  von  den  A  und  A' 
abhängenden  Formen  jp\,  F2,  F^  als  Functionen  der  a,  b,  c,  d  und  der 
Quadratwurzel  aus  der  Discriminante  darstellen  und  aus  den  so  ent- 
stehenden Gleichungen  die  A^',  A^',  A2'  als  linear  vorkommende  Unbe- 
kannte bestimmen.  Ist  dies  geschehen,  so  suchen  wir  möglichst 
einfache  Functionen  der  A,  A',  die  fünfwerthig  und  dabei  in  den 
A,  A'  symmetrisch  sind.  Wir  finden  eine  erste  derartige  Function, 
wenn  wir  das  f/,    von  II,  3: 

quadriren    und    dem   in   §    2    des    vorigen   Kapitels   etc.   fortwährend 


250  II,  5.    Die  allgemeiuen  öleichungen  fünften  Grades. 

benutzten  üebertragungsprocesse  unterwerfen.  Auf  solche  Weise  kommt 
eine  in  den  A,  A'  bilineare  Form: 

(24)  ^  =  2Ao'  {8•''■^,  +  £'A,)  +  A;  (-  2£^'A,  +  ^^^A,  -  6^'A,) 

+  A;  (- 2£^^ :A„  -  £^  A, +  £^'A,). 
Als  Aveitere  Functionen  derselben  Eigenschaft  wollen  wir  die  Potenzen 
ll ,  Xi,  Xv  verwenden,  wobei  wir  aber  beachten  müssen,  dass  keine  der 
Wurzelsummen  ^x^,  ^%^,  ^X^  identisch  verschwindet.  Wir  werden 
also  die  Formel,  welche  (22),  (23)  entspricht,  am  besten  mit  einem 
Zusatzgliede  t"  folgendermaassen  schreiben: 

(25)  X.,  =  p' .  xr  +  2"  •  x^  +  r"  •  x^  +  s"  •  xt  +  t". 

Hier  sind  ^j",  q",  r",  s",  t"  zuvörderst  wieder  rationale  Functionen  der 
a,  h,  c,  d  und  der  Quadratwurzel  aus  der  Discriminante.  Uebrigcns 
können  wir  auch  erreichen,  dass  sie  blosse  rationale  Functionen  der 
a,  h,  c,  d  ivcrdcn.  Wir  müssen  dann  nur  in  dem  ursprünglichen  An- 
sätze (14)  die  c'' '"  ihrerseits  allein  von  den  a,  h,  c,  d  rational  ab- 
hängen lassen.  — 

Ich  habe  diese  Angaben  ohne  ausführliche  Begründung  zusammen- 
gestellt, da  sie  sich  aus  den  früheren  Entwickelungen  sozusagen  mit 
Noth wendigkeit  ergeben.  Am  zweckmässigsten  erscheint  mir  ohne 
Zweifel  die  dritte  Art  des  Ansatzes.  Indem  dieselbe  die  Berechnung 
der  Xy  in  nicht  weniger  als  drei  getrennte  Schritte  zerlegt,  benutzt  sie 
dreimal  dieselben  Grundsätze  der  typischen  Darstellung,  welche  wir 
unter  wechselnden  Formen  in  den  drei  voraufgehenden  Kapiteln  kennen 
gelernt  haben. 

§  7.     Beziehungen  zu  Kronecker  und  Brioschi. 

Unsere  zweite  Auflösungsmethode  ist,  wie  wir  schon  öfter  sagten, 
nur  eine  Modification  und  Weiter eniwiclcelung  der  Kronecker'schen  Me- 
thode. In  der  That  haben  wir  ja  in  II,  4  ausführlich  gesehen,  dass 
das  Problem  der  A  in  dem  dort  näher  erläuterten  Sinne  durch  seine 
einfachste  Resolvente  sechsten  Grades,  die  Jacobi'sche  Gleichung, 
ersetzt  werden  kann.  Im  Einzelnen  bieten  sich  dann  freilich  mannig- 
fache Abweichungen.  Ich  will  hier  nur  auf  zwei  derselben  aufmerk- 
sam machen,  von  denen  die  zweite  die  wichtigere  ist. 

Wir  bemerken  zunächst,  dass  die  Art,  vermöge  deren  Hr.  Kronecker 
in  seiner  ersten  Mittheilung  an  Hermite*)  die  allgemeine  Jacobi'sche 
Gleichung  sechsten  Grades  auf  den  Fall  A==  Q,  oder,  wie  wir  hier 
sagen,  auf  eine  Ikosaedergleichung,  reducirt,  von  der  im  vorigen 
Kapitel  angewandten  Methode  verschieden  ist.    Hr.  KronecJcer  formulirt 

*)  Siehe  II,  1,  §  6. 


II,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades.  251 

seinen  Ansatz  so,  dass  die  A,,,  Aj,  Ag  einen  linear  vorkommenden  Fara- 
meter  v  enthalten,  der  dann  hinterher  derart  bestimmt  wird,  dass 
A„^  -f-  AjAg  =  -4  m  Null  ivird.  —  Wir  können  diesen  Gedanken  iiatür- 
licli  auch  mit  unseren  Formeln  verbinden,  indem  wir  nämlich  die  c''"' 
selbst  [Formel  (14)]  zuvörderst  mit  einem  linear  vorkommenden  Para- 
meter V  versehen.  Statt  dann  die  beiden  Erzeugenden  erster  Art,  welche 
der  betreffende  lineare  Complex  bei  beliebigen  v  mit  der  Hauptfläche  gemein 
hat,  durch  eine  aecessorische  Quadratwurzel  zu  trennen,  verfahren  wir  so, 
dass  wir  den  Complex  zunächst  in  einem  linearen  Büschel  beweglich 
sein  lassen  und  nun  durch  die  Forderung  fixiren,  er  solle  von  den 
Erzeugenden  erster  Art  der  Hauptfläche  zwei  zusammenfallende  ent- 
halten. Eben  diese  Forderung  bringt  dann  ihrerseits  eine  aecesso- 
rische Quadratwurzel  mit  sich.  —  Ich  habe  die  hiermit  angedeutete 
Formulirung  im  Vorangehenden  vermieden,  weil  sie  nur  anwendbar 
ist,  wenn  wir  das  Problem  der  A  als  Resolvente  der  vorgegebenen 
Gleichung  fünften  Grades  behandeln,  ich  aber  das  Problem  der  A  zunächst 
unabhängig  von  jedem  solchen  Zusammenhange  betrachten  wollte.  — 
Wir  bemerken  ferner,  dass  die  allgemeinen  Formeln,  ivelche  Hr. 
Brioschi  für  die  Durchführung  der  Kronecker' sehen  Methode  gegeben  hat, 
—  Formeln,  über  die  wir  in  H,  1,  §  6  ausführlich  Bericht  erstatteten,  — 
von  unseren  Formeln  (18)  durchaus  verschieden  sind.  Hr.  Brioschi  be- 
nutzt zur  Bildung  seiner  A^,,  Aj,  A^,  sechs  linear  unabhängige  Grössen 
u»,  Uq,  •  •  M4,  während  wir  zwanzig  Grössen  a,x.  gebrauchen,  zwischen 
denen  die  Relationen  a,i=  —  a/d,  llaik=  Haik=  0  bestehen.     Dafür 

»  k 

wieder  reichen  wir,  wenn  wir  neben  den  A  die  A'  in  Betracht  ziehen 
wollen,  mit  denselben  Grössen  aik  aus,  während  Hr.  Brioschi  sechs  neue 
Grössen  i<<»',  u^y',  •  •  •  u^'  würde  heranziehen  müssen.  Ich  will  diesen  Ver- 
gleich, der  nur  den  äusseren  Aufbau  der  Formeln  betrifft,  nicht  weiter 
fortsetzen.  Bemerken  wir  vor  Allem,  dass  unsere  Formeln  (gleich  den 
Brioschi'schen)  jedenfalls  so  allgemein  als  möglich  sind.  Giebt  man  näm- 
lich die  A,  A'  beliebig,  so  können  wir  rückwärts  aus  ihnen  die  zu- 
gehörigen ttik,  resp.  c''"*  [Formel  (14)]  bestimmen.  Wir  haben  nur  die 
Coordinatenverwandlung  des  §  4  im  umgekehrten  Sinne  zu  wiederholen. 
Die  betreffende  Rechnung  stellt  sich  folgendermassen.  Wir  haben  zu- 
vörderst, indem  wir  von  (18),(19)  zu  denCoordinaten  J.„„(16)zurückgehen : 

I  ^12  =       A2 ,  ^34  ==  Ai  , 

(26)  U,3=-A„  A,,  =  ^„ 

\   -4j4  =     —    Aq  Aq  ,  ^23  ^^  \  A(j  . 

Wir  ersetzen  sodann  die  Formeln  (13)  durch  ihre  Umkehr: 

(27)  bxi  =  £-'■  •  i?i  +  «~ ^'  •  i?2  +  «~ ^'  •  JP3  +  «~ *'  •  Pv 


252  II,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades. 

Hieraus: 

lil,V 

wo  die  Summe  rechter  Hand  über  alle  Combinationen  {^,  v)  =  (y,  (i) 
zu  erstrecken  ist,  und  nun,  indem  wir  die  einzelne  Gleichung  mit  c*'"' 
multipliciren  und  über  (l,  m)  =  (m,  l)  addiren: 

(28)  25aa  =  ^(e-/'--*  -  £— --M)  .  a^,, 

was  die  gesuchte  Formel  ist. 

Ich  möchte  zum  Schlüsse  den  geometrischen  Gedanken,  der  unserer 
Behandlung  der  Kronecker'schen  Methode  zu  Grunde  liegt  und  der  viel- 
leicht weitertragende  Bedeutung  hat,  noch  einmal  scharf  formuliren. 
Das  Erste  ist,  dass  wir  dem  Punkte  x  überhaupt  einen  linearen 
Complex  substituiren,  also  statt  der  Gleichung  5.  Grades  eine  Glei- 
chung 20.  Grades  in  Betracht  ziehen,  deren  Wurzeln  a^  der  wiederholt 
genannten  Relationen  aik=  —  a/d,    2^«»^  ==  2Ja/jt  =  0  genügen.     Das 

i  k 

Zweite  ist,  dass  wir  diesen  Complex  durch  (18),  (19)  auf  ein  neues 
Coordinatensystem  beziehen.  Ich  will  betreflfs  der  Bedeutung  der 
A,  A'  in  keine  Einzelheiten  eingehen*),  sondern  nur  bemerken,  dass 
die  erste  der  beiden  Gleichungen  (17)  identisch  verschwindet,  wenn 
sämratliche  A,  die  zweite,  wenn  sämmtliche  A'  gleich  Null  sind.  Für 
die  Erjseugenden  erster  Art  der  Hauptfläche  ist  also  A^  ==  A^  =  Ag  =  0, 
für  die  Erseugende^i  zweiter  Art  Aq'  ==  A^'  =  A2'  =  0.  —  Welches  ist 
nun  der  Zweck  dieser  Coordinatenverwandlung?  Wir  erreichen  da- 
durch, dass  die  Gleichung  20.  Grades  der  aik  durch  das  Formenprohlcm 
der  A  oder  der  A'  ersetzt  werden  kann.  In  der  That  haben  wir  ja 
gesehen,  dass  bei  den  60  geraden  Collineationen  des  Raumes  sich  die 
A(j,  A,,  A2  und  ebenso  die  Aq',  A/,  Ag'  für  sich  genommen,  also  ternär, 
linear  substituiren.  Bemerken  wir  jetzt,  dass  wir  dieses  Verhalten 
von  unserer  geometrischen  Auffassung  aus  a  priori  hätten  erschliessen 
können.  Bei  den  geraden  Collineationen  des  Raumes  wird  nämlich, 
wie  wir  wissen,  jedes  der  beiden  Systeme  geradliniger  Erzeugender 
der  Hauptfläche  in  sich  verwandelt.  Daher  werden  bei  diesen  Colli- 
neationen nothwendig  auch  die  beiden  dreigliedrigen  Schaaren  linearer 
Complexe,  denen  diese  Erseugendensysteme  hesiehungsweise  angehören,  in 
sich  transformirt.  Hieraus  folgt  aber  ohne  Weiteres  das  bezeichnete 
Verhalten  der  A,  A',  sofern  wir  noch  hinzunehmen,  dass  jeder  Raum- 

*)  Man  vergleiche  meinen  Aufsatz  im  zweiten  Annalenbande  (1869):  Die 
allgemeine  lineare  Transformation  der  Liniencoordinaten.  Insbesondere  beachte 
man,  dass  der  lineare  Complex  speciell,  d.  h.  eine  gerade  Linie,  wird,  wenn 
Ao'  +  A^Aj,  =  Ao'2  +  A/Aa'  ist. 


II,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades.  253 

collineation  eine  lineare  Transformation  der  Liniencoordinaten  ent- 
spricht. Die  Möglidikeit,  unsere  Gleichung  der  an,  auf  ein  ternäres 
Formenproblem  zu  reduciren,  erscheint  so  als  ein  unmittelbarer  Äusfluss 
der  elementaren  Anschauungen  der  Liniengeometrie.  Dies  ist  der  eigent- 
liche Gesichtspunkt,  unter  welchem  ich  die  zweite  Methode  betrachtet 
sehen  möchte.  — 

§  8.     Vergleich  unserer  beiden  Methoden. 

Die  beiden  Methoden  zur  Auflösung  der  Gleichung  fünften  Grades, 
welche  wir  einander  gegenüberstellten,  sind  jedenfalls,  wie  schon  aus 
den  Betrachtungen  von  §  1  des  gegenwärtigen  Kapitels  hervorgeht, 
auf  das  Engste  verwandt:  wir  wollen  hier  zeigen,  dass  sie  überhaupt 
nur  unwesentlich  verschieden  sind,  indem  jede  Ikosaedergleichung, 
welche  einer  vorgegebenen  Gleichung  fünften  Grades  vermöge  der 
einen  Methode  zugeordnet  wird,  immer  auch  durch  die  andere  Me- 
thode abgeleitet  werden  kann. 

Der  Uebergaug,  welcher  in  diesem  Sinne  von  der  ersten  Methode 
zur  zweiten  führt,  ist  ohne  Weiteres  deutlich.  Um  einen  Punkt  y  der 
Hauptfläche  dem  Punkte  x  covariant  zuzuordnen,  haben  wir  soeben 
(in  §  2)  zuvörderst  eine  zu  x  covariante  Gerade  construirt,  mit  der 
wir  daim  die  Hauptfläche  geschnitten  haben.  Eben  diese  Gerade 
können  ivir  jetzt  als  specieUen  linearen  Complex  der  zweiten  Methode  zu 
Grunde  legen:  wir  haben  uns  nur  die  zugehörigen  Coordinaten  an;  zu 
berechnen.  Bilden  wir  dann  das  entsprechende  Problem  der  A,  so 
wird  die  eine  der  zwei  Ikosaedergleichungen,  durch  welche  wir  dieses 
Problem  erledigen  können,  mit  der  Ikosaedergleichung,  zu  der  die  Be- 
stimmung der  yv  führt,  ohne  Weiteres  identisch  sein. 

Die  Umkehr  dieser  Betrachtung  ist  nicht  viel  complicirter.  Wir 
nehmen  an,  wir  haben  vermöge  unserer  zweiten  Methode  der  Gleichung 
fünften  Grades  eine  Ikosaedergleichung,  also  dem  Punkte  x  eine  Er- 
zeugende X  der  Hauptfläche  coordinirt.  Dann  können  wir  jedesmal  aitf 
rationalem  Wege  (und  zwar  auf  mannigfache  Weise)  einen  Punkt  y  an- 
geben, der  auf  der  Erzeugenden  k  liegt:  wir  brauchen  z.  B.  die  y^  nur 
den  Wv{X)  oder  den  anderen  in  der  Hauptresolvente  der  Ikosaeder- 
gleichung auftretenden  Ausdrücken  proportional  zu  setzen.  Dieser 
Punkt  y  ist  aber  dem  Punkte  x  jedenfalls  in  covarianter  Weise  zugeordnet; 
wir  haben  also  ohne  Weiteres  eine  TschirnJiaustransformation,  welche  dem 
Funkte  x  einen  Punkt  y  der  Hauptfläche  coordinirt.  Legen  wir  jetzt 
diese  Tschirnhaustransformation  unserer  ersten  Methode  zu  Grunde, 
so  kommen  wir  natürlich  zur  anfänglichen  Ikosaedergleichung  zurück. 

Wir    können   in   diesem   Sinne    sagen,   dass  im   Grunde  mir  eine 


254  n,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades. 

Auflösung  der  Gleichungen  fünften  Grades  gefunden  ist.  Die  Verschie- 
denlieit  der  beiden  Methoden,  die  wir  in  Vorschlag  brachten,  liegt 
allein  in  der  Anordnung  der  einzelnen  Schritte.  Bei  der  ersten  Methode 
stellen  wir  die  accessorische  Quadratwurzel  voran,  bei  der  zweiten 
führen  wir  sie  erst  nach  Trennung  der  beiden  Erzeugeudensysteme 
ein.  Dafür  hat  die  erstere  Methode,  wie  wir  schon  sagten,  den  Vor- 
zug, zunächst  mit  ganz  elementaren  Mitteln  zu  operiren. 

Wie  dem  auch  sei:  als  gemeinsames  Fundament  der  beiden  Me- 
thoden erscheint  bei  unserer  Darstellung  einmal  die  Theorie  des  Iko- 
saeders,  dann  weiter  die  Betrachtung  der  geradlinigen  Erzeugenden 
der  Hanptfläche.  Dass  erstere  die  wirklichen  Normalgleichungen  ab- 
gibt, auf  welche  man  ein  für  allemal  die  Auflösung  der  Gleichungen 
fünften  Grades  zurückführen  muss,  ist  mir  unzweifelhaft.  Dagegen 
beurtheile  ich  unsere  geometrischen  üeberlegungen  und  Constructionen, 
so  forderlich  uns  dieselben  gewesen  sind,  anders:  ich  glaube,  dass  es 
gelingen  wird,  die  allgemeine  Theorie  der  Formenprobleme  in  der  Art 
algebraisch  zu  entwickeln,  dass  unsere  Zurückführung  der  Gleichungen 
fünften  Grades  auf  das  Ikosaeder  als  blosses  Corollar  erscheint  und 
nicht  in  besonderer  Weise  begründet  zu  werden  braucht.  Ich  habe 
selbst  hierzu  im  15.  Bande  der  Mathematischen  Annalen  einen  Ansatz 
gemacht,  indem  ich  den  Zusammenhang  zwischen  dem  Probleme  der 
A  und  der  Gleichung  fünften  Grades  —  und  zwar  ebensowohl  die 
hierher  gehörigen  Formeln  von  Brioschi  als  unsere  Formeln  mit  den 
an-  —  aus  dem  einzigen  Umstände  herleitete,  dass  die  Substitutionen 
der  A  den  geraden  Permutationen  der  x  isomorph  und  dabei  eindeutig 
zugeordnet  werden  können*).  Wenn  ich  hierauf  in  den  vorstehenden 
Erläuterungen  nicht  eingegangen  bin,  so  geschah  es,  weil  ich  diese 
weitergehenden  Speculationen,  auf  die  ich  schon  in  I,  5  (§  4,  5,  9) 
hinwies,  noch  nicht  für  abgeschlossen  halte.  Ich  habe  mich  vorab 
um  so  lieber  auf  geometrische  Constructionen  von  individuellem  Cha- 
rakter beschränkt,  als  ich  meine,  dass  man  gerade  durch  sie  zu  den 
richtigen  Gesichtspunkten  auch  für  die  allgemeine  Theorie  wird  hin- 
geführt werden  können. 

§  9.     lieber   die  Nothwendigkeit  der  accessorischen  Quadratwurzel. 
Wir  sind   am  Ende  unserer  Darlegungen;    was  wir  noch   hinzu- 
zufügen haben,  betrifft  die  Nothwendigkeit  jener  accessorischen  Quadrat- 

*)  lieber  die  Auflösung  getvisser  Gleichungen  vom  siebenten  und  achten 
Grade  (1879);  siehe  insbesondere  §  1 — 5  daselbst.  —  Die  Ausdrucksweise  des 
Textes  meint,  dass  jeder  Vertauschung  der  x  nur  eine  Substitution  der  A  ent- 
spricht; Eindeutigkeit  im  umgekehrten  Sinne  findet  auch  statt,  aber  wäre  für 
den  Erfolg  des  algebraischen  Processes  nicht  nothwendig. 


11,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades.  255 

Wurzel,  welche  in  unserer  ersten  Methode  bei  der  Tschirnhaustrans- 
formation^  in  unserer  zweiten  Methode  aber  auftrat,  sobald  wir  die 
Auflösung  des  Problems  der  A  bewerkstelligen  wollten.  Wir  werden 
zeigen,  dass  diese  Quadratwurzel  in  der  That  nicht  zu  vermeiden  ist, 
wenn  überhaupt  eine  Ikosaedergleichung  erreicht  werden  soll;  wir 
werden  ferner  nachweisen,  dass  eben  hieraus  jener  allgemeine  Kro- 
necker sehe  Satz  hervorgeht,  den  wir  in  II,  1,  §  7  besprochen  haben, 
und  der  bei  der  allgemeinen  Gleichung  fünften  Grades  die  generelle 
Unmöglichkeit  einer  rationalen  Resolvento  mit  nur  einem  Parameter 
aussagt. 

Um  zunächst  den  ersten  Punkt  zu  erledigen,  formuliren  wir  unsere 
Behauptung  folgendermassen.  Es  seien  .r^,  a;,,  •  •  x^  fünf  beliebig 
veränderliche  Grössen,  (p,  ^  seien  zwei  ganze  Functionen  derselben 
ohne  gemeinsamen  Theiler.  Dann  ist  es,  behaupten  wir,  imniöglich, 
(p,  if  derart  zu  wählen,  dass 

/e)C)\  J   __     <P  (^o  ^1  ^2  ^a  »^4) 

ip  {Xq  ÄJj  a?2  "^  •*'4/ 

bei  deti  geraden  Vertan seimngen  der  x  die  Ikosaederstthstitntionen  erleidet. 
Der  Beweis  ergibt  sich  sofort,  wenn  wir  beachten,  dass  sich  die 
ursprünglich  functionentheoretische  Frage  vermöge  der  Willkürlich- 
keit der  X  in  eine  fonnenthe&retiseJie  umsetzt.  Soll  nämlich  irgend 
einer  Permutation  der  x  entsprechend  die  Substitutionsformel  statt- 
haben : 


(30)  A' == 


q>'  aq)  -f-  ßtl> 


so  werden  wir  wegen  der  Willkürlichkeit  der  x,  unter  C  eine  geeignete 
Constante  verstanden,  sofort  schreiben  können: 
(31)  g>'  =  C{a<p-\-ßt),     t'==C(ycp  +  dt), 

so  dass  also,  mit  den  Vertauschungen  der  x  zusammen,  die  beiden 
ganzen  Functionen  <p,  ip  sich  hinär-linear  transformiren.  Nun  aber 
umfasst,  wie  wir  in  I,  2,  §  8  ausführlich  zeigten,  jede  Gruppe  binärer 
Substitutionen,  die  mit  der  Gruppe  der  nicht  homogenen  Ikosaeder- 
substitutionen  isomorph  sein  soll,  nothwendig  mehr  als  60  Operationen, 
während  doch  den  60  geraden  Vertauschungen  der  x  nicht  mehr  als 
60  Umänderungen  der  ganzen  rationalen  Functionen  (p,  t^  entsprechen 
können.  Dies  ist  ein  unhebbarer  Widerspruch  und  also  erweist  sich 
der  in  (29)  ausgedrückte  Ansatz  in  der  That  als  unmöglich,  w.  z.  b.w.*).  — 
Der  Widerspruch  wird  auch  nicht  beseitigt,  wenn  wir  jetzt  hinterher 

*)  Man  vergl.  hier  und  in  den  folgenden  Paragraphen  meine  wiederholt  ge- 
nannte Abhandlung  in  ßd.  XII  der  Math.  Annalen  (1877),  sowie  meine  Mittheilung 
an  die  Erlanger  Societät  vom  15.  Januar  1877. 


256  II,  5.    Die  allgemeinea  Gleichungen  fünften  Grades. 

2Jx  ==  0  annehmen;  denn  jede  Gleichung  fünften  Grades  kann  rational 
in  eine  solche  mit  Ux  =  0  verwandelt  werden.  — 

Vergleichen  wir,  um  den  Kern  des  Beweises  noch  besser  zu  fassen, 
die  Theorie  der  Hauptgleichungen   fünften  Grades.     Bei  ihnen  haben 
wir    ausser   Ux  =  0    auch    noch  2Jx^  ==  0;    schreiben    wir   also    Glei- 
chung (30)  etwa  folgendermassen: 
(32)  <p'  (ycp  +  dt)  =  r(cc<p-}-ß  t), 

so  ist  im  Falle  der  Hauptgleichungen  keineswegs  nöthig,  dass  die 
beiden  Flächen: 

unter  sich  identisch  sind,  sondern  nur,  dass  sie  die  durch  jene  Be- 
dingungen dargestellte  HauptfläcJie  zweiten  Grades  je  in  derselben  Curve 
d\irclisetsen.  Nun  haben  wir  allerdings  ausgeschlossen,  dass  (p,  tp,  und 
somit  auch,  dass  (p',  ij)'  einen  Theiler  gemein  haben.  Ebensowenig 
soll  sich,  werden  wir  verlangen,  ein  Theiler  absondern  lassen,  wenn 
wir  die  vorkommenden  Functionen  durch  Hinzufügen  geeigneter  Multipla 
von  EX)  Ux^  modificiren.  Trotzdem  aber  können  die  Durchschnitts- 
curven  der  Hauptfläche  mit  gj'  =  0,  ^'  =  0  einen  Bestandtheil  ge- 
meinsam haben:  es  muss  dieser  Bestandtheil  nur  eine  unvollständige 
Durchschnittscurve  sein  und  sich  also  nicht  für  sich  genommen  durch 
eine  zur  Hauptfläche  hinzutretende  Fläche  ausschneiden  lassen.  Nehmen 
wir  an,  dass  dies  eintritt,  so  ist  für  die  Entstehung  der  Formel  (31) 
(aus  welch'  letzterer  wir  unseren  Widerspruch  ableiteten)  in  der  That 
kein  Grund  vorhanden.  —  Ich  unterlasse  es,  das  hier  Gesagte  noch 
specieller  auszuführen  und  zu  zeigen,  dass  sich  unsere  frühere  Be- 
handlung der  Hauptgleichungen  fünften  Grades  in  der  That  unter  die 
hiermit  gegebene  Ueberlegung  subsumirt.  — 

Den  Beweis,  den  wir  für  unsere  anfängliche  Behauptung  gegeben 
haben,  erstreckt  sich  ohne  wesentliche  Modification  auch  auf  andere 
Fälle.  Zunächst  dürfen  wir  ohne  Weiteres  statt  der  allgemeinen 
Gleichung  fünften  Grades  das  Problem  der  A  substituiren:  wir  erkennen, 
dass  es  bei  Zurückführung  dieses  Problems  auf  eine  Ikosaedergleichung 
unmöglich  ist,  die  früher  benutzte  Quadratwurzel  Yä  (oder  eine  äqui- 
valente accessorische  Irrationalität)  zu  vermeiden.  Wir  erkennen  ferner, 
dass  es  unmöglich  ist,  die  allgemeinen  Gleichungen  vierten  Grades 
durch  rationale  Resolventenbildung  auf  eine  Oktaedergleichung,  oder 
auch,  nach  Adjunction  der  Quadratwurzel  aus  der  Discriminante,  auf 
eine    Tetraedergleichung    zu    reduciren*).    —   Uebrigens    können    wir 

*)  Was  die  Gleichungen  vierten  Grades  betrifft,  so  lässt  sich  bei  ihnen,  wie  ich 
hier  beiläufig  anführe,  eine  Auflösung  mit  Hülfe  der  Oktaedergleichung  (resp.  der 
Tetraedergleichung)  ■  bewerkstelligen,    welche  sozusagen  eine  Verschmekung  der 


II,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades.  257 

unserem  Gedankengange  ancli  eine  positive  Wendung  geben.  Ich  be- 
merke in  dieser  Hinsicht  nur,  dass  sich  das  Verhalten  der  Aq,  A,  ,  A^, 
welches  soeben  (in  §  5)  besprochen  wurde,  auf  dem  hiermit  ange- 
deuteten Wege  ableiten  lässt. 

§  10.     Specielle   Gleichungen   fünften   Grades,   welche   rational   auf 
eine  Ikosaedergleichung  zurückgeführt  werden  können. 

Wir  müssen  jetzt  unsere  allgemeinen  Betrachtungen  unterbrechen 
und  specielle  Gleichungen  fünften  Grades  zur  Sprache  bringen,  bei  denen 
der  gerade  bewiesene  Satz  eine  Ausnahme  erleidet.  In  II,  2,  §  4  haben 
wir  die  Resolventen  fünften  Grades  der  Ikosaedergleichung  geometrisch 
gedeutet  und  gesehen,  dass  dieselben  je  durch  zwei  halbreguläre  Raum- 
curven  vom  Geschlechte  Null  repräsentirt  werden.  Es  handelt  sich 
jetzt  darum,  dies  Resultat  umzukehren.  Sei 
(33)  .  F(x,  Z)  =  0 

eine  Gleichung  fünften  Grades  mit  einem  Parameter,  welche  eine 
Interpretation  der  genannten  Art  zulässt:  ich  behaupte,  dass  wir  die- 
selbe allemal  in  rationaler  Weise  auf  eine  Ikosaedergleichung  zurück- 
führen können. 

Der  Beweis  ist  im  Grunde  derselbe,  den  wir  in  etwas  anderer 
Form  bereits  in  II,  3,  §  1  bei  Betrachtung  der  Hauptgleichung  ge- 
geben haben.     Nach  Voraussetzung  lassen  sich  die  fünf  Wurzeln  von 

(33)  derart  als  rationale  Functionen  einer  Hülfsgrösse  k  darstellen: 

(34)  xr  =  B,  (A), 

beiden  bei  den  Gleichungen  fünften  Grades  unterschiedenen  Methoden  ist.  Man 
deute  die  Wurzeln  x^,  x^,  x^ ,  x^ ,  die  der  Bedingung  Ex  =  0  unterworfen  sein 
sollen,  in  früherer  Weise  als  Vierseitscoordinaten  in  der  Ebene.  Dann  haben  wir 
den  Hauptkegelschnitt  Ex'  =  0,  und  wir  sahen  schon  oben  (II,  .3,  §  2),  wie  ein 
demselben  angehöriger  Punkt  durch  eine  Oktaedergleichung  oder  eine  Tetraederglei- 
chung direct  bestimmt  werden  kann.  Jetzt  werden  wir  dem  beliebigen  Punkte  x 
der  Ebene  einen  Punkt  y  des  Hauptkegelschnitts  covariant  zuordnen,  indem  wir 
von  X  die  beiden  an  den  Kegelschnitt  möglichen  Tangenten  legen  und  unter  den 
zwei  Berührungspunkten  den  einen  auswählen.  Wir  können  dann  die  Oktaeder- 
gleichung (oder  Tetraedergleichung)  aufstellen,  von  welcher  y  abhängt,  können 
rückwärts  daraus  x  finden ,  etc.  etc. ,  alles  in  genauer  Analogie  mit  den  Ent- 
wickelungen,  die  wir  in  den  beiden  Schlussparagraphen  des  vorigen  Kapitels 
erbracht  haben. 

Bei  den  Gleichungen  dritten  Grades  kommen  alle  solche  Weitläufigkeiten,  wie 
wir  bereits  in  II,  3,  §  2  bemerkten,  in  Wegfall.  In  der  That  sahen  wir  auch  in 
1,  2,  §  8,  dass  die  bei  ihnen  in  Betracht  zu  ziehende  Diedergruppe  von  6  Substi- 
tutionen sehr  wohl  in  die  homogene  Form  umgesetzt  werden  kann,  ohne  dass 
sich  die  Zahl  ihrer  Substitutionen  vermehrt;  es  fällt  also  der  Grund  für  das  Auf- 
treten der  accessorischen  Irrationalität  fort,  den  wir  im  Texte  als  bei  Gleichungen 
vierten  und  fünften  Grades  maassgebend  erkannt  haben. 

Klein,  Gleichungen  5.  Grades.  17 


258  il,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades. 

dass  bei  geeigneter  Veränderung  des  K  die  Xv  jede  beliebige  gerade 
Permutation  erfahren.  Wir  müssen  nun  aus  der  Theorie  der  rationalen 
Curven  den  Satz  hinzunehmen,  dass  man  dieses  X  allemal  als  rationale 
Function  der  x  einführen  kann,  also  derart,  dass  jedem  Punkte  der 
Curve  nur  ein  X  entspricht*).  Ich  will  der  Kürze  halber  voraussetzen, 
dass  das  in  (33)  auftretende  X  bereits  in  der  hiermit  bezeichneten 
Weise  gewählt  sei.  Dann  begründet  jede  eindeutige  Transformation, 
welche  unsere  Curve  in  sich  überführt,  insbesondere  also  jede  gerade 
Vertauschung  der  Xv^  eine  eindeutige  und  eindeutig  umkehrbare,  also 
lineare  Umwandlung  des  X.  Somit  erhalten  wir  den  60  geraden  Ver- 
tauschungen der  Xy  entsprechend  eine  zu  ihnen  holoedrisch  isomorphe 
Gruppe  linearer  Substitutionen  der  Variabelen  X.  Nach  I,  5,  §  2  ist 
dies  nothwendig  die  Ikosaedergruppe;  dieselbe  erscheint  in  der  bei 
uns  immer  festgehaltenen  kanonischen  Form,  sobald  wir  statt  X  eine  geeig- 
nete  lineare  Function  X'  =■  —. — r— 7    als   Parameter    einführen.     Dieses 

CK  -\-  d 

X',  welches  seihst  eine  rationale  Function  der  x^  ist,  hängt  dann  unmittel- 
bar von  einer  Ikosaedergleichung  ab,  womit  der  Beweis  unserer  Behauptung 
erbracht  ist.  — 

Wir  knüpfen  an  das  Gesagte  noch  einige  lose  Bemerkungen. 
Zunächst  sehen  wir,  dass  wir  unseren  Satz  mit  unwesentlichen  Modi- 
ficationen  beim  Probleme  der  A,  oder  auch,  wenn  wir  statt  des  Iko- 
saeders  Oktaeder  oder  Tetraeder  in  Betracht  ziehen  wollen,  bei  den 
Gleichungen  vierten  Grades  wiederholen  können.  Wir  erkennen  ferner, 
dass  es,  bei  den  Gleichungen  fünften  Grades,  keinerlei  rationale  Raum- 
curven  geben  kann,  die  bei  sämmtlichen  Vertauschungen  der  x^  in 
sich  selbst  übergingen.  Endlich  bemerken  wir,  dass  das  Auftreten  ratio- 
naler invarianter  Curven  (wie  wir  uns  ausdrücken  wollen)  überhaupt  auf 
diejenigen  Formenprobleme  beschränkt  ist,  deren  Gruppe  mit  einer 
der  früher  aufgezählten  Gruppen  linearer  Substitutionen  einer  Varia- 
belen holoedrisch  isomorph  ist. 

§   11.     Der  Kronecker'sche  Satz. 

Wir  haben  jetzt  alle  Mittel,  um  den  Beweis  des  wiederholt  ge- 
nannten Satzes  von  Kronecker  zu  erbringen.  Es  handelt  sich  darum, 
nachzuweisen,  dass  es  bei  beliebig  vorgegebener  Gleichung  fünften  Grades 
auch  nach  Adjimction  der  Quadratwurzel  aus  der  Discriminante  unmöglich 
ist,  eine  rationale  Resolvente  zu  bilden,  welche  nur  einen  Parameter  enthielte. 

Bemerken  wir  vorab,   dass  wir   diesem  Satze,  indem   die   Gruppe 


*)  Vergl.    den    Beweis    dieses    Satzes   bei    Lüroth   im    neunten    Bande    der 
Mathematischen  Annalen  (1875). 


II,  5,    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades.  259 

der  geraden  Vertauschuagen  von  fünf  Dingen  einfach  ist*),  sofort  eine 
scheinbar  engere  Formulirung  ertheilen  können.  Wir  werden  nämlich 
aus  dem  angegebenen  Grunde  von  jeder  rationalen  Resolvente  durch 
erneute  Resolventenbildung  wieder  eine  Gleichung  fünften  Grades 
F  (X)  =  0  ableiten  können,  wobei  wir  die  X  ohne  Weiteres  auch  der 
Bedingung  27X  =  0  unterwerfen  dürfen.  Dabei  sind  die  Wurzeln 
Xv  den  ursprünglichen  rc^  in  der  Art  einzeln  zugeordnet,  dass  die 
Zuordnung  bei  beliebigen  geraden  Vertauschungen  der  Xy,  ungeäudert 
bleibt.  Wir  können  also  in  früherer  Weise  schreiben: 
(35)  X,=p-  4'^  -+  q  •  ^f  +  r  •  xf  +  s  •  xf , 
wo   x^y^  =  x\ Ex''  und   die  p,   q,  r,  s  von  den  Coefficienten  der 

vorgelegten  Gleichung  fünften  Grades  und  der  Quadratwurzel  aus  der 
zugehörigen  Discriminante  rational  abhängen.  Alles,  ivas  wir  zeigen 
müssen,  ist  jetzt  dieses,  dass  es  unmöglich  ist,  aus  der  allgemeinen  Glei- 
chung fünften  Grades  durch  eine  Tschirnhaustransformation  (35)  eine 
Gleichung  fünften  Grades  mit  nur  einem  Parameter  zu  machen. 

Zu  dem  Zwecke  überlegen  wir  vorab  im  Allgemeinen,  welche 
geometrische  Interpretation  eine  solche  Gleichung  finden  müsste.  Die 
Gesammtheit  der  willkürlichen  Werthe  Xq,  Xy,  x^,  %,  x^  bildet  ein 
zusammenhängendes  Continuum.  Lassen  wir  also  die  Xq,  x^,  •  •  x^  in 
(35)  sieh  beliebig  ändern,  so  wird  der  Punkt  X  jedenfalls  ein  irredu- 
cibeles  Gebilde  durchlaufen.  P^ügen  wir  jetzt  die  Voraussetzung  hinzu, 
dass  die  Gleichung  der  X^  nur  einen  Parameter  enthalte,  so  wird  das 
fragliche  irreducibele  Gebilde  eine  Curve  sein  müssen.  Ich  sage 
jetzt,  dass  die  so  erhaltene  irreducibele  Curve  hei  den  60  geraden 
Collineationen  des  Baumes  in  sich  übergehen  wird.  In  der  That,  ver- 
möge der  Festsetzung,  die  wir  hinsichtlich  der  in  (35)  auftretenden 
Coefficienten  p,  q,  r,  s  gemacht  haben,  entsprechen  den  geraden  Ver- 
tauschungen der  Xr  die  geraden  Vertauschungen  der  X,,  —  anderer- 
seits aber  können  wir  jede  Vertauschung  der  Xv  (und  also  insbesondere 
jede  gerade  Vertauschung  derselben)  erzielen,  indem  wir  die  x^  von 
irgend  welchen  Anfangswerthen  beginnend  in  geeigneter  Weise  con- 
tinuirlich  laufen  lassen. 

Wir  greifen  jetzt  speciell  auf  die  Entwickelungen  des  vorigen 
Paragraphen  zurück.  Es  ist  nämlich  deutlich,  dass  die  gerade  besprochene 
Curve  der  Xv  auf  alle  Fälle  rational  sein  muss.  Denn  wir  können  uns 
die  Xq,  Xy,  •  ■  x^  in  (35)  irgendwie  rational  von  einem  Parameter  X 
abhängig  denken,  worauf  die  X,,  selber  rationale  Functionen  dieses  A 
werden:    den    Einwand,    dass    in    besonderen   Fällen    das    A    aus    den 

*)  Vergl.  die  Definition  in  1,  1,  §  2. 

17* 


260  II,  5.    Die  allgemeinen  Gleichungen  fünften  Grades. 

Xv  überhaupt  herausfallen  könnte,  brauchen  wir  nicht  zu  berück- 
sichtigen, da  wir  ein  solches  Ereigniss  augenscheinlich  immer  ver- 
meiden können.  Es  sind  also  in  der  That  die  Prämissen  des  vorigen 
Paragraphen  gegeben.  Wir  schliessen,  dass  wir  eine  rationale  Ftmetion 
der  Xv  aufstellen  können,  welche  hei  den  geraden  Vertauschtmgen  der 
Xr  die  Ikosaedersuhstitutionen  erleidet.  Diese  Function  würde  vermöge 
(35)  auch  von  den  a;,  in  der  Weise  rational  abhängen,  dass  sie  bei  den 
geraden  Vertauschungen  der  x^  ikosaedrisch  substituirt  würde.  Nun  haben 
wir  aber  in  §  9  ausdrücklich  bewiesen,  dass  eine  solche  rationale  Function 
der  Xy  unmöglich  ist.  Wir  kommen  also  zu  vollem  Widerspruche  und 
müssen  unsere  Annahme,  es  gäbe  eine  Tschirnhaustrausformation  (35) 
von  der  oben  naher  bezeichneten  Eigenschaft,  fallen  lassen,  w.  z.  b.  w. 

Ich  schliesse,  indem  ich  noch  einige  allgemeine  Bemerkungen  zur 
Gleichungstheorie  hinzufüge. 

Zunächst,  wenn  wir  in  den  vorstehenden  Erläuterungen  dem  Iko- 
saeder  überall  das  Oktaeder  oder  Tetraeder  substituiren,  so  können 
wir  alle  Betrachtungen  ungeändert  für  die  Gleichungen  vierten  Grades 
wiederholen  bis  auf  die  eine,  die  von  der  Einfachheit  der  zugehörigen 
Gruppe  handelte.  Die  Gruppe  der  Gleichungen  vierten  Grades  ist 
zusammengesetzt.  Wollen  wir  also  bei  den  Gleichungen  vierten  Grades 
den  Kronecker'schen  Satz  wiederfinden,  so  nrüssen  wir  demselben  aus- 
drücklich die  Bedingung  hinzufügen,  dass  die  Gruppe  der  in  Betracht 
zu  ziehenden  Resolvente  mit  der  Gruppe  der  24  oder  der  12  Vertauschungen 
der  Xq,  x^,  x^,  x^  holoedrisch  isomorph  sein  solle.  Lassen  wir  diese 
Bedingung  fallen,  so  gibt  es  sehr  wohl  rationale  Resolventen  der  all- 
gemeinen Gleichung  vierten  Grades,  welche  nur  einen  Parameter  ent- 
halten. Der  empirische  Beweis  hierfür  wird  durch  die  gewöhnliche 
Auflösung  der  Gleichungen  vierten  Grades  erbracht.  In  der  That 
operirt  dieselbe  ja  mit  lauter  Hülfsgieichungen,  die  nur  einen  Parameter 
enthalten,  nämlich  mit  binomischen  Gleichungen. 

Bei  den  Gleichungen  dritten  Grades  kann  auf  Grund  unserer 
früheren  Bemerkungen  von  einem  Satze,  der  dem  Kronecker'schen  ent- 
spräche, natürlich  keine  Rede  sein. 

Ueber  Gleichungen  höheren  Grades  will  ich  hier,  um  nicht  zu  weit- 
läufig zu  sein,  nur  Eins  bemerken,  indem  ich  dabei  der  Einfachheit 
wegen  an  der  Beschränkung  festhalte,  die  wir  eben  für  den  vierten 
Grad  formulirten.  Unter  der  genannten  Voraussetzung  sind  Resol- 
venten mit  nur  einem  Parameter  —  von  ganz  speciellen  und  leicht 
erkennbaren  Fällen  abgesehen  —  bei  der  allgemeinen  Gleichung  schon 
deshalb  unmöglich,  weil  nach  der  Bemerkung  von  §  10  unter  den 
zugehörigen  invarianten  Curven  keine  rationalen  existiren  können. 


8INDING  SECT.       JUN  2  1  1982 


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^  Klein,  Felix 

215       Vorlesungen  über  das 

K5  Ikosaeder 

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63 


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