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Full text of "Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft"

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Zeischrift 


fur die 


alttestamentliche Wissenschaft. 


Herausgegeben 
von 


Dr. Bernhard Stade, 
ordentlichem Professor der Theologie zu Giefsen. 


Mit Unterstützung der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. 


1881. 
Erster Jahrgang. 


—ss> — 
Giefsen, 
J. Ricker sche Buchhaudlung. 
1881. 


Inhalt 


Stade, Deuterozacharja. Eine kritische Studie. 1. Theil 

Hollenberg, Zur Textkritik des Buches Josua und des 
Buches der Richter 

Baethgen, Nachricht von einer unbekannten Handschrift 
des Psalterium iuxta Hebraeos Hieronymi 

Stade, Lea und Rahel . . 

Meyer, Kritik der Beriohte über die Eroberung Palletinas. 

Stade, Nachwort zu vorstehendem Aufsatse . . 

Harkavy, Mittheilungen aus Petersburger Handschriften 

Hoffmann, sur Geschichte des syrischen Bibeltextes 

Stade, Bemerkungen über das Buch Micha 

Bibliographie . . . . . . . . 

Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. Der Sprachgebrauch 
des hexateuchischen Elohisten . . . . 

Dersolbe, über die Abfassungszeit der Psalmen 

Derenbourg, zur Psalmenerklärung 

Hoffmann, Lexikalisches 

Stade, zur Entstehungsgeschichte des vordeuteronomischen 
Richterbuches 

Derselbe, zur phönicischen Epigraphik 

Derselbe, IEVE ddwvası . 

Derselbe, wo entstanden die Sagen über den Ursprung dor 
Hebräer . 

Bibliographie 





Die Verantwortung fiir den Inhalt der in diese Zeitschrift aufye- 
nommenen Aufrätze tragen soweit nicht ausdrücklich das Gegentheil 
bemerkt ist, allein die Verfasser derselben. 


Der Herausgeber. 





Deuterozacharja. 
Eine kritische Studie. 
Vom Herausgeber. 


Unter den Aufstellungen der a. t. Kritik hat wohl kaum 
eine solche Verbreitung gefunden !), als die Meinung Za. 
cc. 9—14 ?) seien nicht von dem Zerubbabel und Josua 


!) Man kann die Sachlage nicht besser characterisiren als mit den 
Worten Bleeks, welcher unter allen Vertheidigern der kritischen 
. Aufstellungen den Kernpunkt der gegnerischen Beweisführung am 
, besten durchschaut und allein denselben, wenngleich mit unsureichen- 
den Mitteln und ungeeigneter Methode, zu widerlegen versucht hat. 
| Er bekennt im Eingange seiner Abhandlung über das Zeitalter von 
| ZU 9-14 (Studien und Kritiken, 1852, 8.248 f.), „dals er von jeher, seit 
er sch zum Behufe seiner Vorlesungen genauer mit diesem Buche be- 
schäftigt habe, der Ansicht gewesen sei und sie für eins der sichersten 
Ergebnisse der Kritik über das A. T. gehalten habe, dafs die sechs 
letzten Capitel nicht demselben Verfasser angehören können, wie die 
vorhergehenden, sondern einem früheren und zwar theilweise bedeu- 
tend früheren Zeitalter, und dafs sie ohne diese Annahme und bei der 
Voraussetzung des nachexilischen Zeitalters sich auf natürliche Weise 
gar nicht verstehen lassen.“ Diese Aeulserung ist geradezu typisch für 
die Aufstellungen der neueren Kritik. 

*) Ich wähle dafür den Ausdruck Deuterozacharja, einmal, weil 
derselbe an der ziemlich allgemein adoptirten Bezeichnung Deuterojesaias 
seine Empfehlung und Analogie findet, dann, weil bei ihm die Meinung, 

Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 1. 1881. 1 


9 (Stade, Denterosacharja. Einleitendes. 


unterstützenden Propheten Zacharja verfalst worden, dessen : 
Weissagungsbuch uns Za. c. 1—8 vorliegt, sondern das — 
Werk eines oder zweier vorexilischer Propheten '). 
Umgekehrt hat es immer der neueren Apologetik als 
ein Hauptziel vorgeschwebt, die Herkunft dieses Abschnittes 
von dem nachexilischen Propheten Zacharja zu beweisen. 
Zwar hat es bisher an Widerspruch gegen die Mei- 
nungen dieser beiden Richtungen nicht gefehlt ®.. Der- 
selbe ist jedoch immer in verschwindender Minorität ge- 
blieben und meistens gänzlich überhört worden. Das Er- 
scheinen von Ben. Gilb, Flügge’s *) anonymer Schrift 
ward für die gedeihliche Weiterentwickelung der in Deutsch- 
land bereits vorhandenen Ansätze zu einer richtigeren Lö- 
sung dieser Frage verhingnifsvoll, wie dieselbe auch in 
ihrem grofsen kritischen Ungeschick und hochgradigen 


dafs etwa diese Capitel an zwei Verfasser zu vertheilen seien, von 
vornherein ausgeschlossen ist. Die gegen ihn sprechenden Bedenken 
sind mir nicht verborgen, sie wiegen aber die Vortheile eines kursen 
Ausdruckes nicht auf, welcher schliefslich nicht mifsverstanden werden 
kann. 

!) Es wird um so mehr gestattet sein für die Einzelheiten auf 
von Orteuberg’s Zusammenstellung in „die Bestandtheile des Buches 
Zacharja.“ Gotha. 1859. 8. 1 ff. und A. Köhler’s Uebersicht in den 
„Nachezilischen Propheten“ Bd. 8 8. 297 ff. zu verweisen, als seitdem 
über den betreffenden Gegenstand wenig von Belang veröffentlicht 
worden ist. 

*) C. P. W. Gramberg, kritische Geschichte der Religionsideen 
des A. T. Bd. 2. Berlin 1880. 8. 520 ff W. Vatke, die biblische 
Theologie I, 1. Berlin 1885. 8. 568. A. Geiger, Urschrift und 
Uebersetzungen der Bibel. Breslau 1857. 8. 55 ff. J. Wellhausen 
in Götting., Gelehrt. Anzeigen 1877. 8. 185. Geschichte Israels Bd. L 
Berlin 1878. 8.420. 8. auch Gielener Ludwigstagprogramm vom J. 1880 
8. 19, wo aus Versehen B. Duhm mitgenannt worden ist. Aus 8. 
222 ff. des Buches von B. Duhm, die Theologie der Propheten u. s. w. 
Bonn 1875 geht deutlich hervor, dals dieser Gelehrte die Aufstellungen 
der Kritik auch über Za. 12—14 theilt. 

*) Die Weissagungen, welche den Schriften des Propheten Zacharias 
beygebogen sind, übersetst und kritisch erläutert. Hamburg 1784. 





Stade, Deuterosacharja. Einleitendes. 3 


Mangel an Congenialität mit den prophetischen Gedanken 
für die weitere kritische Behandlung dieser Weissagung 
von ominöser Vorbedeutung ward. 

Der Verf. hat die Ueberzeugung gewonnen, dals so- 
wohl die Meinung der Kritik als die der Tradition über 
die Herkunft dieser Capitel eine irrige ist. Die Kritik ist 
vollständig im Irrthume, wenn sie dieselben für vorexilisch 
halt. Unter den im A. T. befindlichen nachexilischen 
Schriftstücken nichthistorischen Characters verräth keins 

: die nachexilische Entstehung so deutlich als die Schrift 
| Deuterozacharjas. Ohne Zweifel ist es den Apologeten 
| gelungen, das Unrecht der Kritiker in diesem Punkte zu 
' eweisen. Namentlich Hengstenberg’s !) Nachweis, 
x dafs Deuterozacharja durchweg von älterem prophetischen 
2 Schriftthum, namentlich aber von Jeremias und Ezechiel, 
sbhängig ist, ist von der Kritik niemals widerlegt, nur von 
Bleek *) zu widerlegen versucht worden. 

2 Freilich waren es wesentlich die grofse Ungeschicklichkeit 
der kritischen Aufstellung und die von Oberfliéchlichkeit 
nicht frei zu sprechende Methode der Untersuchung der 
Kritiker, welche den Vertheidigern der Tradition diesen Sieg 


‘) Beiträge zur Einleitung ins A. T. Bd. 1. Berlin 1881. 8. 867 ff. 
Christologie des A.T. Theil 2. Abth. 1. Berlin 1882. 8.90 ff. 2. Aufl. 
. Th 8. Abth. 1. Berlin 1856. 8. 827 f. F. B. Köster, meletemata 
i critica et exegetica in Zacharjae partem posteriorem, c. IX.—XIV. 
Göttingen 1818. 8. 189 hatte diesen Punkt zwar angedeutet, jedoch 
ohne ihn genauer zu untersuchen. 


*) Studien und Kritiken, a.a.O. 8. 816 ff. Mancherlei Schwächen 
der Hengstenberg"'schen Aufstellungen machen diese Nichtbertick- 
sichtigung derselben durch die Kritiker begreiflich, wiewohl sie die- 
selbe nicht entschuldigen können. Es lag z.B. nahe, dafs man Heng- 
stonberg's Nachweis nach der Meinung taxirte, es werde dem Pro- 
pheten befohlen die 80 Silberlinge ins Haus Gottes zum Töpfer d. h. 
ins Thal Hinnom zu werfen und es werde dies gesagt, um auf Jer. 18. 19 
ansuspielen. Christologie III., 1°. 8. 456 ff. 


1* 





4 Stade, Deuterozacharja. Einleitendos. 


ermöglichten. Die Kritiker haben bei Bestimmung der Abs; 
fassungszeit dieser Capitel viel zu grolses Gewicht | 
Einzelheiten der Darstellung und der Einkleidung der pro¥' 
phetischen Gedanken gelegt, sie haben es fast ganz ver 
säumt, die letzteren selbst zu untersuchen und auf ihreStel-, 
lung innerhalb der prophetischen Entwickelung zu prüfen, # 

Indem die Apologeten sich dieser Aufgabe, wenngleich # 
weder in dem nöthigen Umfange, noch auch mit der ein 
sicheres Resultat versprechenden Methode, unterzogen, ver- 
mochten sie freilich die nachexilische Abfassung zu be 
weisen, sie vermochten aber nicht denjenigen Platz inner 
halb der a. t. Religionsgeschichte zu finden, an welchen 
Deuterozacharja gehört. Es war ihnen ja auch von vorn- 
herein nicht hierum, sondern um Widerlegung der kritischen 
Position, um den Erweis der Wahrheit der Tradition zu 
thun. Daher folgen ihre Argumente lediglich denen der 
Gegner. Mit dem Erweise nachexilischer Abfassung glauben 
sie auch die Authentie erwiesen zu haben. Die bereits von 
Eichhorn’), wenn man von dem über Tempel und Re- 
ligionswesen Bemerkten absieht, richtig geschilderte Ver- 
schiedenheit der Darstellung Deuterozacharjas von der Za- 
charjas ist in ihren Untersuchungen niemals zum vollen 
Rechte gekommen. 

So verfehlten denn beide Richtungen, da die eine sich 
ein unrichtiges Ziel der Untersuchung steckte, die andere 







1) Einleitung ins A. T. 4. Aufl. Göttingen 1824. Bd. 4. 8. 442 fl. 
In der 1. Auflage hatte sich Eichhorn trotsdem für die Authentie 
entschieden. Die 2. Auflage, Leipzig 1787, wiederholt den betreffenden 
Paragraphen, wiewohl sich Eichhorn 8. 826 Anm. unter dem Ein- 
drucke der F liigge'schen Schrift der Entscheidung für die Nicht- 
authentie suneigt. 9, 1—8 möchte er auf die Siege Alexanders be- 
ziehen. Bei 9,9—10,18 läfst auch er sich durch die Erwähnung Assurs 
und Aegyptens, Israels und Judas täuschen. c. 14 möchte er in die _ 
Zeit der Zerstörung des Tempels setzen. In der 8. Auflage, Leipzig ' 
1808, 8. 862 ff., wiederholt er die Aufstellungen der zweiten. 





BE 


Stade, Deuterosacharja. Einleitendes. 5 


em richtigen Ziele sich auf irreführenden Wegen zu nähern 
shte, die Wahrheit. Der Verlauf des ganzen Streites 
er kann darüber belehren, dafs wissenschaftliche Unter- 
chungen, bei welchen die Blicke der Untersuchenden so 
inzlich von den Gründen der Gegenpartei hingenommen 
erden, den sie weder rechts noch links abzuschweifen ver- 
ögen, niemals zu reinlichen Resultaten führen können. 

Richten sich nun die Ausführungen des Verf. sowohl 
gen die Resultate der Kritik als gegen die der Apolo- 
etik, so wird es nöthig sein, zunächst Stellung zu nehmen 
egenüber den principiellen Voraussetzungen, von welchen 
as diese beiden Richtungen die Herkunft einer a. t. Weis- 
ıgung herkömmlicher Weise beurtheilen. Es wird das 
m kürzesten dadurch geschehen können, dafs der Verf. die 
igenen kurz skizzirt. Ich verkenne hierbei nicht, dafs meine 
\usführungen nur für denjenigen volle Beweiskraft haben 
rerden, welcher von gleichen Voraussetzungen über das 
Wesen und die Entwickelung der hebräischen Prophetie 
usgeht. Um so mehr wird verlangt werden dürfen, dafs von 
Anfang an über diesen Punkt kein Zweifel gelassen werde. 

Aus den Ansichten des Verf. über das Wesen he- 
räischer Prophetie folgt für denselben zunächst, was zu 
merken auch heut zu Tage noch nicht überflüssig ist, 
las eine Weissagung nur einerlei Sinn haben kann d. h. 
1ur das enthalten kann, was der Prophet mit ihr zu sagen 
wabsichtigte.e Man darf nicht scheiden zwischen einem 
om Propheten und einem von Gott mit der Weissagung 
wabsichtigten Sinne. Keine Weissagung hat einen andern 
inn als denjenigen, welchen sie nach ihrem Wortverstande 
nd den Gesetzen menschlichen Denkens haben kann. Mit 
er Ermittelung ihres Wortverstandes ist das exegetische 
eschäft beendigt, nur mit diesem operirt die biblische 
heologie. 

Zweitens : bei der Untersuchung eines prophetischen 
ückes ist die Frage zunächst gänzlich auszuschlielsen, 


6 Stade. Deut-rozacharja. Einleitendes. 


ob dasselbe seine Erfüllung gehabt habe d. h. eingetroffen . 
sei !). Versteht man unter Weissagung soviel wie pre 
phetisches Wort, so sind für den Verf. Weissagung u 
Erfüllung überhaupt keine sich genau entsprechenden Gege 
sätze. Er lehnt aber überhaupt jene dem herkömmlich« 
Begriffe von Weissagung widersprechende Gleichsetsung 
ab. Nur ein Theil der Gedankenwelt der prophetische 
Bewegung findet in dem Begriffe Weissagung Platz, welche 
eine Erfüllung im Sinne von Eintreffen gegenüberstehii 
Die Propheten geben Gottes Willen, geben Gottes Ge 
danken über die Gegenwart, sie geben ihren Zeitgenossen 
Weisung. Aber insofern ihr Auftreten den Zweck hat se 
verhüten, dafs die Gegenwart in eine Zukunft auslaufe, 
welche dem Gnadenplane Gottes mit seinem Volke wider 
spricht, spitzt sich naturgemäls die Weisung der Propheten 
zu einer Weissagung im engeren Sinne, einer Verheifsung 
oder Drohung zu. Indem der Prophet den Schleier von 
der Zukunft hebt, beleuchtet er greller als es durch irgend 
eine Unterweisung geschehen kann die Thaten der Gegen- 
wart, zeigt er sieauch dem blödesten Auge in ihrer wahren 
Gestalt, warnt er am eindringlichsten vor dem zum Ab- 
grunde führenden Wege, entflammt er die guten Geister 
des Volkes zu unentwegter, durch kein Unglück zu beu- 
gender Ausdauer. 

Hieraus ergibt sich des weiteren, dafs jeder. prophe- 
tische Ausspruch über die Zukunft bedingter Natur ist, 
mag das nun vom Propheten ausgesprochen sein, vgl.z. B. 
Jer. 7,5 ff. 26,4 ff., oder nicht. Mit der gesammten Wei- 
sung hat auch die Weissagung bestimmte Voraussetzungen. 
Und zwar einmal bestimmte Verhältnisse der Gegenwart 










1) Nur in diesem engern Sinne nehme ich hier das Wort Erfül- 
lung. Deun insofern die a.t. Gedankenwelt für mich in der n. t. ihre 


nothwendige Vollendung gefunden hat, fand für mich jedes prophe- 
tische Wort seine Erfüllung. 





Stade, Deuterosacharja. Einleitendes. 17 


nd eine die Weiterentwickelung desselben bedingende be- 
timmte Haltung der Zeitgenossen, dann aber auch eine 
estimmte prophetische Erfahrung !). Die letztere wächst 
sturgemäfs mit der Dauer der prophetischen Wirksamkeit, 
die Haltung der Zeitgenossen kann sich sehr rasch und in 
sehr unerwarteter Weise ändern und damit kann die Weiter- 
entwickelung der Verhältnisse der Gegenwart einen sehr 
unerwarteten Verlauf nehmen. Daher ist sowohl möglich, 
dafs Propheten zu verschiedenen Zeiten einander wider- 
sprechende Behauptungen geben, als auch, dafs einzelne 
Weissagungen unerfüllt bleiben, wiedenn bestimmte Weis- 
sagungen nicht erfüllt worden sind, z. B. Hos. 1, 5. Jes. 
10, 28 ff. Jer. 46,13 ff. 

Es ist daher der Umstand, dafs eine Weissagung nicht 
eingetroffen sei, kein Grund gegen dieselbe, am allerwenigsten 
ein Grund, der sich als exegetisches Argument gegen eine 
bestimmte Auffassung derselben verwerthen liefse. Wir 
schen aus ihm nichts weiter, als dafs sich nach dem Aus- 
spfuche der Weissagung die Verhältnisse geändert haben, 
an deren Bestehen dieselbe anknitipfte. Es ist das auch 
die Auffassung der Propheten gewesen, wie Jer. 18, 7—10 
beseugt. 

Aber von secundärer Bedeutung ist dennoch bei jeder 
Untersuchung eines prophetischen Schriftstückes die Frage, 
ob die in ihm enthaltenen Weissagungen eingetroffen seien. 

Die uns im Canon erhaltenen prophetischen Stücke 
stellen für den Verf. eine im Ganzen gradlinig verlaufende 
Entwickelung der prophetischen Bewegung dar, neben 


ı) Für Weiteres genügt es, auf die trefflichen Ausführungen Ber- 
thesu’s in seinem Aufsatze „die a. t. Weissagung von Israels Beichs- 
kerrlichkeit in seinem Lande“ in den Jahrbüchern für Deutsche Theologie 
3d. 4. Gotha 1869. 8. 884 ff. zu verweisen. 


8 Stade, Deuterozacharja. Einleitendes. 


welcher es jedoch noch andersartige gab. Nur indirecte 
Zeugnisse über jene von dieser gradlinigen Entwickelung- 
abweichenden Phasen der prophetischen Bewegung sind uns 
erhalten. Denn derselben zuwiderlaufende prophetische 
Schriftstücke mufsten von der Ueberlieferung in immer | 
steigendem Malse ausgeschlossen werden, wie dies ja auch 
auf anderen Gebieten religiöser Entwickelung beobachtet 
werden kann. Aber wasuns in einem besonders drastischen 
und belehrenden Beispiele 1 Kö. 22 aus den Zeiten des 
alten israelitischen Prophetenthums berichtet wird, gilt auch 
von der Bewegung der schriftstellernden Propheten. In 
sehr verschiedene, einander oftmals widersprechende Ge- 
dankenreihen lief zuweilen die prophetische Bewegung aus 
je nach der Tiefe der Einsicht und der Kraft der religiösen 
Idee in den einzelnen Propheten, und, was zu beachten 
besonders nöthig ist, je nach dem gröfseren oder gerin- 
gerem Einflusse älterer Propheten auf dieselben. Die falschen. 
Propheten, über deren Wirken die uns erhaltenen Pro- 
pheten so oft klagen, werden für uns im Wesentlichen als 
Repräsentanten abweichender prophetischer Richtungen 
gelten müssen. Es ist bereite von anderer Seite darauf 
aufmerksam gemacht worden, dafs sich dies besonders 
deutlich bei den Jer. 7 und 26 bekämpften Propheten zeigt. 
Dieselben verkünden Gedanken, welche in den Kreis der 
prophetischen Gedanken des Jesaias gehören. Ihr Unrecht 
besteht darin, dafs sie die Zeichen der Zeit nicht zu deuten 
und aus ihnen nicht zu lernen wissen, dafs Gottes Plan 
mit seinem Volke jetzt ein anderer ist, als er damals war. 

Für die Weiterüberlieferung eines prophetischen Schrift- 
stückes war nun sicher von jeher die Frage mit ent- 
scheidend, ob dasselbe seine Erfüllung gefunden habe. 
Denn eben danach, ob eine gegebene Drohung oder Ver- 
heifsung eingetroffen sei, bemafs man nach dem zwar nicht 
den prophetischen wohl aber den volksthümlichen An- 
schauungen entsprechenden Canon Dt. 18, 22, ob eine 








Stade, Deuterozacharja. LEinleitendes. 9 


eissagung von Gott sei oder nicht’). Von den Jer. 
4. 14, 13. 26. 27. 28. 29 erwähnten, von Jeremias be- 
mpften, Weissagungen ist daher begreiflicher Weise keine 
sige auf uns gekommen. 

Nicht überall aber war die Sachlage so klar. Oefters 
ritt wohl das Gewicht eines prophetischen Namens gegen 
e aus der Nichterfüllung der Weissagung zu entnehmen- 
m Gründe. Hier nun war das Feld, auf welchem durch 
eberarbeitung abgeholfen werden konnte. Dafür, dafs 
ies wirklich geschehen ist, haben wir eben im Buch Za- 
harja im Abschnitte 6, 9—15 ein classisches Beispiel. 
Venn dort Zacharja in Serubbabel den geweissagten MD¥ 
rönt ?), so fällt dieses Stück hierdurch aus der Analogie 


') Es ist gewifs nicht richtig, wenn Bertheau a. a. O. 8. 852 
en angegebenen, durchaus allgemein gehaltenen Canon, auf Heils- 
erheifsungen einschränkt. Auch Jer. 18,7 ff. zeugt dagegen. Es geht 
ber auch nicht an, ihn mit Riehm, sur Characteristik der messia- 
schen Weissagung in Stud. u. Krit. 1865, 8. 489 auf bestimmt ausge- 
prochene Weissagungen einzuschränken. Auch Jona 8, 4 ist eine solche. 
a tritt dieser Canon in ausgesprochenen und zwar beabsichtigten 
legensatz zu der Lehre der Propheten. Er vermochte gegen die letztere 
urchsudringen, denn er entsprach den volksthümlichen Anschauungen 
ber das Wesen der prophetischen Weissagungen zur Zeit der schrift- 
iellernden Propheten, wie dies aus Jes. 5,19. Jer. 17,14. 15. Ez. 12,21 ff. 
ervorgeht. Reden die Propheten, deren Weissagungen nicht eintreffen, 
ach altisraelitischer Vorstellung von der Gottheit bethört, so reden 
ie jetzt 03m- Wenn Jer. 28,8 f. seinen Worten 18,7 ff. widerspricht, 


» bedenke man, dafs letsteres eine allgemeine Erörterung, ersteres ein 
rymentum ad hominem enthält. Man kann nicht besser iiberzeugen, 
ls wenn man sich auf den Standpunkt des zu Ueberzeugenden stellt. 
ie Kraft der Ueberzeugung hebt im Einzelfalle leicht über die allge- 
eine Regel hinaus. Dafs Jer. 28 überarbeitet ist, ist hierbei irrelevant. 

*) Dieser längst von H. Ewald nachgewiesene Zusammenhang der 
elle wird immer wieder verkannt, selbst noch von H. Schultz, Alt- 
tamentliche Theologie, 2. Aufl. Frankfurt 1878. 8. 745. Dafs davon 
s richtige Verständnifs der Entwickelung der messianischen Idee 
ht unabhängig ist, bedarf keines Nachweise. Hitzig beurtheilt 
Bedeutung des ursprünglichen Inhaltes der Stelle für die letztere 





10 Stade, Deuterozacharja. Einleitendes. 


der gesammten uns im A. T. erhaltenen Prophetie heraus. 
Eben deshalb ward es umgedeutet und aus ihm der Anstofs 
entfernt, dafs Zacharja in Serubbabel die Erscheinung des 
geweissagten myy erblickt habe. Insofern nun die Schick- 
sale einer prophetischen Weissagung von ihrer Erfüllung 
oder Nichterfüllung mitabhängen, ist diese Frage aller- 
dings von einiger Bedeutung für die Beurtheilung der uns 
erhaltenen Weissagungen. 

Andererseits ermiglicht es aber gerade jener Umstand, 
dafs uns in den im A. T. erhaltenen prophetischen Schriften 
im Wesentlichen Erzeugnisse einer gradlinig verlaufenden 
Geistesrichtung vorliegen, den einzelnen Schriften ein be- 
stimmtes Zeitalter anzuweisen. Es wird dasselbe je nach 
der Stellung zu bemessen sein, welche dieselben in jener 
Entwickelung einnehmen. Naturgemäfs werden die Ge 
danken jüngerer Schriften abhängig sein von denen älterer, 
mögen letztere nun Gemeingut der religiösen Ueberzeu- 
gung geworden oder durch die Kenntnifs der älteren Lite- 
ratur dem jüngeren Propheten vermittelt worden sein. Je 
mehr eine geistige Bewegung in ein festes Bett geräth, je 
mehr sie sich ihrem Ende nähert, desto mehr werden die 
jüngeren Träger derselben von ihren Vorgängern abhängig 
sein. Wollen wir daher ein prophetisches Schriftstück auf 
sein Zeitalter prüfen, so haben wir vor allem das Ver- 
hältnifs zu untersuchen, in welchem seine Gedanken zu 
denen der übrigen stehen. 

Hierbei ist unser Augenmerk besonders darauf zu 
richten, ob etwa in dem betreffenden Schriftstücke einzelne 
Gedanken in Isolirung sich finden, welche in einem andern 


ganz richtig, zieht aber daraus den irrigen Schlufs, dafs derselbe eben 
deshalb ein anderer gewesen sein müsse. Für Ewald’s Auffassung 
entscheidet aufser Sinn und Zusammenhang der ganzen Stelle eine 
Vergleichung des vierten Nachtgesichtes. v. 18 ist für das zweite 
WOI-Iy mit LXX dx dekcaw aörov zu lesen yp dy. 


Stade, Deuterozacharja. Einleitendes. 11 


in enger Verkntipfung mit dem übrigen Gedankeninhalte 
auftreten. Da, wo ein Gedanke sich als nothwendiges 
Glied der Kette der übrigen Gedanken einfügt, wird seine 
ursprüngliche Stelle sein. Findet er sich daneben isolirt, 
so wird er in den meisten Fällen entlehnt sein. Ich sage 
absichtlich : in den meisten Fällen. Denn in der That 
findet sich vereinzelt das Auftreten prophetischer Gedanken, 
welche sich mit den übrigen desselben Propheten nicht zu 
einem Systeme susammenschliefsen, oder es kreuzen sich 
wohl gar verschiedene Gedankenreihen. Dann wird aber 
der die Disharmonie verursachende Gedanke nur dann als 
Eigenthum und Erzeugnifs des betreffenden Propheten an- 
erkannt werden können, wenn derselbe bestimmte gleichzeitige 
Ereignisse oder Bewegungen zur Voraussetzung hat, an ihnen 
erwachsen ist. Und das gilt ja überhaupt von den Ge- 
danken der Propheten. Soweit sie ihnen eigen sind, sind sie 
durchweg abhängig von der geschichtlichen Situation, haben 
diese zur naturgemälsen Voraussetzung. Begegnet uns also 
en Gedanke losgelöst von seinen naturgemäfsen Voraus- 
setzungen, begegnet er uns in ungewohnter Umgebung, 
ohne dafs sein Vorkommen an dieser Stelle durch den ge- 
schichtlichen Hintergrund gerechtfertigt wird, so ist er als 
von dem Propheten älterem Schriftthum entlehnt zu er- 
achten. Dies um so sicherer, je unversehrter der Gedanken- 
gang des betreffenden Propheten bleibt, wenn man jenen 
Gedanken streicht. 

Ein solcher auf Entlehnung aus älterem Schriftthum 
beruhender Gedanke hat aber bei Bestimmung der Ab- 
fassungszeit nur insofern Bedeutung, als er uns verräth, 
dafs das betreffende Schriftstück erst nach einem andern 
entstanden sein kann. Sein Inhalt mufs bei Bestimmung 
der Abfassungszeit aulser Ansatz bleiben. Es ist das 
ebenso selbstverständlich, als es bisher bei Untersuchung 
prophetischer Schriftstücke meist aufser Acht gelassen worden 
ist. Grade für unsere Frage ward dies verhängnilsvoll. 


12 Stade, Deuterosacharja. Einleitendes. 


Eine methodische Untersuchung des Verhältnisses der Ge- : 
danken Deuterozacharja’s zu denen der übrigen Propheten 
würde dieKritik vor dem eingeschlagenen Irrwege bewahrt 
haben. Aus bestimmten Erwähnungen einzelner historisch 
zu fixirender Dinge kann man überhaupt nur dann etwas 
schliefsen, wenn man den Zusammenhang, in welchem die 
Erwähnung geschieht, zuvor begriffen hat. Dieser Auf- 
gabe ist die Kritik bei Bestimmung der Abfassungszeit 
Deuterozacharjas nicht gerecht geworden. Sie ist mit 
ziemlicher Oberflächlichkeit an den Einzelheiten haften ge- 
blieben ohne deren Zusammenhang begriffen zu haben. 
Schon der Umstand, dafs das historische Colorit einer 
Stelle auf Nachahmung älterer Muster beruhen kann, hätte 
vor dieser Oberflächlichkeit warnen sollen. Der herkömm- 
liche kritische Ansatz der Abfassungszeit von Za. c. 9-14 
ruht auf einer kritiklosen Zusammenstellung unverstan- 
dener Einzelheiten. 

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, dafs 
der Verf. sich mit dem Leser erst über den Inhalt von 
Za. c. 9—14 auseinandersetzen mufs, ehe er daran gehen 
kann, die Abfassungszeit zu bestimmen. Dies wird in aller 
Kürze in Form einer Inhaltsangabe !) geschehen können. 
Ausgedehnter exegetischer Beweisführungen bedarf es da- 
bei nicht. Denn die exegetischen Möglichkeiten sind be- 
reits von Vertretern der verschiedenen Richtungen in 
scharfsinniger Weise erwogen worden. Nur auf den Text 
der LXX werden wir in höherem Maafse, als es bisher 
meist geschehen ist *), zur Feststellung des ursprünglichen 





') Eine solche ist um so nöthiger, als die in den Einleitungs- 
werken gegebenen Uebersichten und Analysen vielfach die nöthige 
Exactheit vermissen lassen. 

*) Nur Klostermann in der Besprechung von Bredenkamp's 
Commentar in Schürer’s Theologischer Literaturzeitung Bd. IV. 
Leipzig 1879. 8. 561 ff. hat dies richtig erkannt und an mehreren Bei- 
spielen mit Geschick und Glück als nöthig erwiesen. Wir werden auf 
seine Emendationen noch zurückkommen müssen. 





lens 
Stade, Deuterosacharja. Einleitendes. 13 


33 recurriren müssen, da der massoretische mehrfach 
ädigt ist, einigemale auch auf falscher Deutung der 
ünglichen Consonantenlesart beruht. An diese In- 
angabe wird sich eine Untersuchung darüber schliefsen 
‚en, in welchem Verhältnisse dieser Inhalt zu dem der 
zen prophetischen Schriften steht. Schon hier wird 
ergeben, ob die von uns gemachte Voraussetzung, dals 
c. 9—14 das Werk eines Schriftstellers sind, möglich 
der ob ihr bestimmte Hindernisse entgegen stehen. 
allem aber wird sie uns zugleich den Weg zur Auf- 
ıng und reinlichen Bestimmung derjenigen zeitgeschicht- 
ın Voraussetzungen ebnen, an welche diese Prophetie 
nüpft ist. Wir werden dann versuchen können, ob be- 
mte Anhaltspunkte, wie sie uns einerseits die Ge- 
chte der innerjüdischen Entwickelung, andererseits die 
ere Geschichte des Volkes darbieten, es uns etwa er- 
lichen, die Abfassungszeit dieses Schriftstückes genauer 
ixiren. Ferner wird, soweit der Verlauf der bis dahin 
ihrten Untersuchung diese Frage nicht löst, zu unter- 
en sein, ob der Abschnitt Za. c. 9—14 wirklich als Werk 
s Mannes angesehen werden muls, wie in dieser Unter- 
1ung von Anfang an vorausgesetzt werden wird. End- 
aber werden wir die Frage aufzuwerfen haben, wie 
am, dafs die Schrift Za. 9—14 in dem Zwölfpropheten- 
he ihre Stelle am Schlusse der Weissagungen Za- 
ja’s, des Zeitgenossen Serubbabels und Josuas, fand. 
Der Verf. bekennt von vornherein, dafs er nicht im 
ıde ist, alle Räthsel zu lösen, welche der Inhalt dieses 
ressanten Schriftstückes bietet. Allein die weitere 
ersuchung wird lehren, dafs hieran lediglich der Um- 
d die Schuld trägt, dafs wir über die Zeit, in welcher 
ntstand, äulserst schlecht unterrichtet sind. Dann aber 
| sie, wie der Verf. hofft, zeigen, dafs dieser Umstand 
r genauen Bestimmung der Abfassungszeit kein un- 
windliches Hindernifs in den Weg legt. 


14 Stade, Deuterosacharja. 


L Analyse des Inhaltes von Za. c. 9—14. 


c. 9 hat die Ueberschrift xiyp. Dieselbe kehrt in 
c.9—14 nurnoch c. 12,1 wieder. Sonach, scheint es, haben 
wir zu vermuthen, dafs die 9, 1 gegebene Ueberschrift sich 
auf c.9—11, die 12,1 gegebene sich auf c.12—14 bezieht. 
Dieser Schlufs ist jedoch hinfällig. Auf das xgp von 
12, 1 folgt nämlich Suni: by Yı°157 entsprechend dem 9,1 
auf xp folgenden 7 air] an. Nun beschäftigt 
sich aber die Weissagung c. 12, wie auch c. 14, gar nicht 
mit Israel, sondern mit Jerusalem, Juda und den Heiden, 
wie denn auch das Wort Syn) in c. 12—14 gar nicht 
vorkommt. Hiernach ist zu schliefsen, dafs die Ueber- 
schrift c. 12, 1 dem Verf. fremd ist. Sie ward von einem 
Späteren der Ueberschrift c.9, 1 nachgebildet. Und zwar 
rechnete derselbe 177m yıx2 ” 137 mit zur Ueberschrift, 
was, wie die Structur von 9, 1 beweist, ein Mifsverstäudnils 
ist. Es beginnt sonach ursprünglich c. 12, 1 mit Yo) 
«.9,1 mit "gq. Die Ueberschrift xiyp c. 9, 1 gehört 
ursprünglich zu dem ganzen Schriftstücke c. 9—14. 

Wir beginnen also das Schriftstück mit Y'ız7. Das 
selbe ') ergeht wider das Land Hadrach und senkt sich 





*) Bo ist der massoretische Text su übersetsen und so fafste ihn 
schon der Vorf. der Ucberschrift von 12, 1. Die Richtigkeit denselben 
unterliegt jedoch gewichtigen Bedenken. ‘2 in yıyp schliofst sich an 
Yıoayı schlecht an, man erwartet Sy. Bunt palat {pp besser 
als Aussage über Jahve als über sein Wort. Endlich schliefst sich auch 
DHT O9) v.2 schlecht an v. 1" an. Man wird vielleicht besser ¥'-93 
als ursprüngliche Ueberschrift fassen, nach welcher ein das Orakel be 
ginnendes +”) ausgefallen ist. Also : „Wort Jahves. Jahve wohnt ir 
Hadrakhs Lande und lafıt sich nieder in Damaseus,“ nämlich indem 61 
beide für sein Volk erobert. Trgm umschreibt os, wie auch NYT Oy 


Analyse des Inhalts von Za. co. 9—14. 15 


nieder auf Damascus. Jahve hat ein Absehen auf alle 
Menschen und alle Stämme Israels. Auch gegen Hamath, 
das benachbarte (LXX 2» tol delotg avrng 1. S20 oder 
moar), das kluge Sidon, das reiche Tyrus, welches sich 
eine Veste gebaut hat, wendet er sich. Gott schlägt Tyrus’ 
Seemacht !), die Stadt selbst aber gibt er dem Feuer 
Preis. v. 1—4. 


Immer weiter südwärts wendet sich das Unheil. Es 
trifft die philistäischen Städte. Askalon, Gaza, Ekron er- 
schrecken. In Gasa geht das Königthum unter, Askalon 
wird zerstört. In Asdod wohnt der Mamzer. Der Hoch- 
muth der Philister wird gebrochen. Er *) (der Mamzer) 
bekehrt sich zu Jahve und tritt zu Juda in das Verhältnils 


riehtig durch psy yD WD DNA. v. 1°, welchen freilich 
schon LXX in der Fassung des mass. Textes lasen, würde dann mit 
Klostermann (in Schirer’s theologischer Literaturzeitung, 
a =. 0. 8. 566) zu ba wong 52} DR "IY vb hergestellt 
werden können. nen on schlösse sich so treffend an. Dieser Aen- 
derung steht nur der eine Umstand entgegen, dafs man die Nen- 
nung von Israel an dieser Stelle neben Aram nicht recht begreift, 
während Israel und Heiden dem Verf. geläufige Gegensätze sind. Allein 
es kann Jes. 17, 1—8 eingewirkt haben. AYION, schliefst sich dann 
genügend an. Und mit den Folgenden nebst Aram bildet es den su 
Israel gehörigen Gegensats. 

*) Wegen des vorausgehenden ix wv? PW) Wy? AF 
läge es nahe um im Sinne von „Vermögen, Reichthum“ zu nehmen. 


Es. 28, 8. 4 Trg. aN wo om. Ebenso Ped. Es ist dies jedoch 
wegen 73 nicht räthlich. 8. weiteres im folgenden Abschnitte. 


*) Die Suffixe in YOU YS» Ty py ‚v9 wie auch na v. 7 be- 
sichen sich, wie die parallele Stellung von np y beweist, nicht auf 
die mit one ] iy IN kurz vorher genannten Philister im All- 
gemeinen, sondern auf den dereinst in Asdod wohnenden Mamzer, durch 
dessen Vorhandensein der Hochmuth der Philister gebrochen wird. 
Siche weiteres im folgenden Abschnitte. 





16 Stade, Deuterosacharja. 


eines Gaustammes '), Ekron in ein Verhiltnifs wie dereinst 
die Jebusiter. v. 5—7. 

Jahve aber lagert sich (nach Vernichtung dieser Reiche 
in seinem Lande Halt machend) als Schutzwache ?) um 
sein Heiligthum, so dafs kein Zwingherr mehr dorthin 
kommt. v. 8. 

Mit v. 9 setzt eine neue Gedankenreihe ein. Es wird 
uns die Befreiung des Volkes Gottes vom Joche der Heiden, 
die Ueberwindung der letzteren durch den gottgesandten 
Messias geschildert. Nach einer Eigenthümlichkeit jedoch, 
die wir an Deuterozacharja noch mehrfach beobachten 
werden, wird dies nicht nach seinem wirklichen Verlaufe 
unter genauer Berücksichtigung der zeitlichen Aufein- 
anderfolge der zu erzählenden Einzelheiten berichtet. Viel- 
mehr tritt sofort das Endergebnifs der zu erzählenden Er- 
eignisse in einem Bilde vor den Geist des Propheten. Erst 
später führt er dann aus, auf welchem Wege Gott dieses 
Endergebnifs herbeiführt. 

Jerusalem soll laut jubeln, denn sein König zieht in 
die Hauptstadt ein als Sieger °. Trotzdem ist er de- 
müthig *) und reitet auf einem Eselsfüllen. Es ist das ein 


1) Das collectiv gebrauchte 2 verlangt für AND vielmehr 
ON? 

*) Lies statt 23H (=Nay-1) nach LXX dydornua 1239 1 Be. 
14,12 (8. jedoch Wellhausen s. Stelle); vgl. auch Jes. 29,8, wo- 
nach Ewald nye: Wall (Trg. nunn“ NWS) lesen will. 

*) PPD pray di. durch den von Gott verliehenen Sieg (yyy/) 
als aa erwiesen. 

*) Die von Hengstenberg, Kliefoth u.A. aus y gesogenen 
Schlüsse sind hinfällig, da die Plurale Dwy und ONY ohne Zweifel 
promiscue gebraucht werden (vgl. unser ahnen und ahnden). Als König 
kommt ihm, wiewohl er König der OY ist, my zu vgl. y 45, 5: Insofern 
sind LXX noaöc, Trg. yy mit ihren Uebersetzungen im Rechte. 





Analyse des Inhalts von Za. c. 9. 17 


Zeichen davon, wie er diesen Sieg auffafst. Er !) wird ihn 
nämlich zur Abschaffung des Krieges benutzen. Die Kriegs- 
werkzeuge werden vernichtet. Trotsdem erkennen ihn die 
Heiden an. Er vermittelt den letzteren Frieden *) and herrscht 
vom todten Meere bis zum Mittelmeere, vom Euphrat bis 
sa den Grenzen des Landes °). v. 9. 10. 

Die noch in der Verbannung befindlichen Glieder des 
Bundesvolkes (die Gefangenen der Hoffnung) werden be- 
frat *). Sie kehren heim und doppelt wird ihnen vergolten 

_ für jeden Tag ihres Exiles (LXX 12° : xad avr) ws 
.  apbgas xagotxeolas cov dırlä avrarodaom 001, TH = TWO) 
- wil. 12. 
- Jetzt erst erfahren wir Näheres über den Kampf, 
‚. welcher zur Befreiung der Gefangenen führen soll. Es 
‚ wird derselbe Kampf sein, als dessen Folge der v. 9. 10 
x beschriebene siegreiche Einzug des Messias gedacht ist. 
a Bist ein Kampf der Söhne Zions gegen die Söhne der 
Griechen ®). Gott selbst erscheint, um gegen seine Feinde 


) LXX é£oloSgevces nism) besser als 797) des mass. Textes. 


9) Nämlich bei Gott, der eben erst Reiche der Heiden zerstört hat. 
9,1—7. vgl. Esth. 10, 8. 

*) Der Umfang des Reiches des Messias entspricht also dem Um- 
fange der Länder, welche Jahve durch seinen Kriegesug in Besitz ge- 
nommen hat. Es sind die idealen Grenzen des heiligen Landes. Nu. 
1; 89, 7—13. Bi 1, 81. Darüber hinaus bleiben die Heiden im Besitze 
.. der ihrigen. Nur werden sie gedemüthigt und sur Anerkenntnifs Jahres 

und des Messias gezwungen; die heidnische Weltmacht wird vernichtet. 

Das künftig aufsurichtende Gottesreich besteht also aus Israel in seinen 

idealen Grensen als Kern und den sich daran anschliefsenden Heiden- 

ländern. 

‘) rip) des mass. Textes wird durch das Folgende gegen LXX 
d£axlorsıLas als das Richtige ausgewiesen. 
_ NM LEX mm. Date pp nur dieses an unserer Stelle bedeuten 
kann, ist im Giefsner Ludwigstagprogramm von 1880 erwiesen worden. 
Wir werden im weiteren Verlaufe der Untersuchung auf diesen Punkt 
sarickkommen müssen. 

Zeitschrift f. &. alttest. Wiss. Jahrgang 1. 1881. 2 


HM Hm 





18 Stade, Deuterozacharja. 


zu kämpfen. Sein Volk ist die Waffe in seiner Hand '), 
Der Prophet zerlegt die Zionskinder in Juda und Ephraim, 
wiewohl wir erst c. 10 über Ephraims Heimkehr das Nähere 
erfahren. Plötzlich verläfst der Prophet das Bild und schil- 
dert, wie Gott über den streitenden Zionssöhnen *) erscheint. 
Die Schilderung der Theophanie entlehnt auch hier die 
Farben von der Schilderung des Gewitters. Der Herr er- 
scheint in den Gewitterstiirmen des Südens. Der Blits 
ist jedoch nicht sein Pfeil, sondern von ihm gehen seine 
Pfeile wie Blitze aus; und der Donner erscheint hier von 
dem sonst Ueblichen abweichend nicht als Gottes Stimme, 
sondern wird dem Posaunenstofse gleichgestellt, mit welchem 
ein irdischer Feldherr das Signal zum Beginne der Schlacht 
gibt. Jahve der Heerschaaren deckt die Zionssöhne mit 
dem Schild, so dafs sie ihre Feinde überwinden *) und sie 
wie Schleudersteine unter die Fülse treten, ihr Blut wie 
Wein trinken, voll werden wie die Opferschale *), wie die 
Ecken des Altares. So hilft ihnen Jahve jenes Tages, 


!) Auf diese besieht sich opoy v. 14, wie seine Wiederaufnahms 
in v. 15 beweist. 

*) LXX xal pyiagijcw oe Tayo für mir) setst das Bild 
vortrefflich fort. Doch ist dieser Gebrauch von wz) sonst nicht su be 
legen. Auch gibt die L. A. des massoretischen Textes den gleichen 
Sinn. 

s) Klostermann am a. a. O. 8. 564 verlangt mit Recht statt 
RN (LXX xal xarazydcovow adrods, Trg. podem) N und 
für 197 (Nach A, in 8. Correctur; a. auch Field, Hexapla II, 8. Oxford 
1870, 8. 1024.) ON}. Doch glaube ich nicht, dafs es räthlich ist statt 
WI) su lesen WHR) se sie (die Schleudersteine) trefen fehl. Gans 
abgesehen davon, dafs hier pyy5 in sehr bedenklicher, auch durch 
Hos. 9, 2. Hab. 8, 17 nicht su belegender, Bedeutung vorausgesetst 
ist, führt xal xatazdcovow adrotc Ev Aldoıs ogerddyvng auf 
Yop Ward DW) 

*) In der man das Blut des Opferthieres auffängt und aus der man 
den Altar besprengt, nicht der pin von Nu.7, an welchen Trgm denkt. 


Analyse des Inhalts von Za. co. 9. 10. 19 


(weidet) wie eine Heerde sein Volk !), denn Diademsteine 
erheben sich über seinem Lande. v. 13—16. 

Herrlich und schön ist es?) dann. Getreide erzeugt 
(die Kraft der) Jünglinge, Most (die Schöne der) Jung- 
frauen. Möge daher das Volk sich um Regen an Jahve 
wenden (der diesen Segen der Fruchtbarkeit in der mes- 
sianischen Zeit dem Lande verleihen wird). Die Teraphim 
aber redeten Trug und die Weissager schauten Lügen- 
(gesichte), die Träume °) reden Eitles und trösten mit 


) wy ote) v. 168 steht jetst susammenhangslos. Das Folgende 
läfst erwarten, dafs hier nicht nur die Rettung der Zionskinder, son- 
dern auch ihre weitere Leitung durch Gott beschrieben werde. In Folge 
dieser Leitung prangt das Land im Schmucke der Fruchtbarkeit. Das 
Object der Leitung hätten wir in fgy, die Art der Leitung wäre mit 
Rts> a. NED) angegeben. Es wird also etwas wie 57) ausgefallen 
sein. Klostermann a. a. O. 8. 566 will für {yy lesen Ny: 
Allein abgesehen davon, dafs Stellen wie wy 77, 21. 78, 52. 80,2 diese 
Aenderung widerrathen, bekommen wir mit ihr eine nichtssagende 
Vergleichung, denn die Zionskinder sind die Heerde selbst. Auch wird 
fey durch ing Ww geschützt, dessen Suffix nur auf das Volk gehn 
kann. 

*) Die Suffixe in {319 und fH. v. 17> gehen wie das in in| WwW 
v. 16 auf das Volk. 

5, Kliefoth, Köhler, Bredenkamp sind vollständig im Rechte, 
wenn sie als Subject zu den Worten )3F)° 527 MIT Nw His 
10, 2 aus dem Vorhergehenden ergänzen ONO Pit. Die Worte nism 
igi) müssen von jedem semitischen Ohr als Genetivverbindung auf- 
gefafst werden. Man kann beim Hören und Lesen unmöglich darauf 
verfallen, dafs hier „der Abwechslung halber“ einmal das Object den 
Artikel trage (Hitzig). Ergänzt man aber Ong pi so befremdet, 
dafs von diesen so viel ausgesagt wird, während die DON 80 kurs 
hinweg kommen. Ferner hat Hitzig mit Recht hervorgehoben, dafs 
man statt 33°) vielmehr erwarten mülste 379, und dafs sie ander- 
wärts nicht Träume sondern Oop sagen. Auch fällt überhaupt das 
Träumen nicht unter den Begriff des OP Sop- Die Mehrzah] der 
Ausleger tibersetst nun, wie wenn der Artikel vor NY fehlte und vor 





90 Stade, Deuterozacharja. 


Nichtigem. Deshalb sind sie (das Volk) fortgewandert wie 
eine Schafheerde, sind im Unglücke, denn sie sind ohne 
Hirten '). 9, 17—10, 2. 

Mit 10, 3 springt der Verf. plötzlich zu einer Beschrei- 
bung derjenigen Vorfälle über, welche sich an das Er 
scheinen Gottes unter seinem Volke 9, 8 anknüpfen, die 
Besiegung der Javansöhne und den Anbruch der messis- 
nischen Zeit ermöglichen. Denn nur hier läfst sich das 
jetzt Folgende eingliedern, wenn anders der Verf. sich eine 
reinliche, die zeitliche Aufeinanderfolge der verschiedenen 


ison stände, wie man ihn denn wegen des parallelen artikellosen 
on vor NYY überhaupt gar nicht erwartet. Es ist das der su erwar- 
tende Sinn, er entspricht Stellen wie Jer. 27, 9. 28,8, wo auch die 
Worte der oO» und die eigenen non einander gegenübergestellt 
werden, er liegt aber nicht in den hebräischen Worten. Dieselben 
sind zu corrigiren. Man setse den Artikel vor non und streiche 
ihn vor NY. Der Fehler entstand dadurch, dafs ein Abschreiber beide 
Worte als ‘Genetivverbindung auffafste. Wenn LXX tibersetsen r& 
évinvian wevdn &AdAovv, so ist das allerdings kein Beweis dafür, dafs 
der alexandrinische Text noch in der von uns vorausgesetsten Weise 
las — wird doch durch éAddovy, nagexddovy die hebräische Vorlage frei 
und swar falsch wiedergegeben. Allein diese Uebersetzung darf viel- 
leicht als Zeugnifs für die damalige exegetische Tradition aufgefalst 
werden. Es werden also in unserer Stelle als Arten genannt, den 
Schleier von der Zukunft zu heben : 1) die Teraphim, 2) die Wahr- 
sager, 8) die eigenen Träume befragen. Die beiden ersteren befragte 
man früher (Ma) 1m) die eigenen Träume befragt man noch jetst 


ART: pony)- 

1) zal éxaxdOnoav dıdrı odx iv taocc. LXX. Bie L also yyy 
für yy. und NES für Ty NH wird durch die weiter unten nach- 
suweisende Besichung auf Es. 84, 6. 8 ausgeschlossen. Da der Pro- 
phet mit v. 2 von nis. an deutlich auf Verhältnisse der Gegen- 
wart anspielt, so hat man wohl anzunehmen, dafs der mit ‘yyy y5eey 
gegebene Rath für die Gegenwart nicht für die dereinst eintretende 
messianische Zeit gegeben ist. Zudem ist es selbstverständlich, dafs 
man sich dann nuran Jahve wendet. Der Verf. erlaubt sich hier aller- 
dings eine Abschweifung und hat damit den Auslegern Noth gemacht 


Analyse des Inhalts von Za. co. 10. 91 


Ereignisse auseinanderhaltende, Vorstellung von dem An- 
bruche der messianischen Zeit gemacht hat. Es ist aber 
peychologisch begreiflich, weshalb das Folgende von ihm 
gerade hier gebracht wird. Vorbedingung des Eintrittes 
der messianischen Zeit ist, dafs Israel die rechten Oberen 
erhält, dafs also der Zustand der Hirtenlosigkeit beseitigt 
wird, welchen er 10, 2 seinen Zeitgenossen als Strafe des 
Abfalles ihrer Väter vorgehalten hatte. Der Verf. weissagt 
also auch hier nicht der zeitlichen Aufeinanderfolge des 
von ihm Erwartenden entsprechend. Er verliert abermals 
den Faden der Erzählung und knüpft einen neuen an. 
Und abermals tritt ihm das zu Erzählende in einem 
Bilde vor die Seele. Er schaut den unter seinem Volke 
erschienenen Gott, welcher ihm verkündet, dafs sein Zorn 
gegen die Hirten d. h. die Leiter des Volkes entbrannt 
sei und dafs er die Böcke heimsuchen wolle. Gott wird 
die Hirten und Böcke von seiner Heerde, dem Hause Juda, 
entfernen und letzteres mit Kampfesmuth erfüllen. Er gibt 
ihm neue Obrigkeit ') nach seinem Herzen *?). Hierauf 
ziehen die Judäer muthig in den Streit und überwinden die 
auf Rossen Reitenden. So stärkt Gott das Haus Juda und 
hilft Ephraim, indem er letzteres zurückführt °). Da wird 


*) Hier erwartet man die Erwähmung des Meessiaskönig, welcher 
doch nach 9, 9 die Spitze dieser neuen Obrigkeit bilden sollte. Er 
wird aber auch 9, 18 ff. vermifst. Meint vielleicht der Verf., dals er 
sich erst im Endkampfe mit den Söhnen der Griechen als solcher aus- 
weist ? 

*) Gegen die am besten von Hengstenberg, Christologie III, 
1°, 8. 398 vertheidigte alte Auffassung, wonach das Suffix in pp v. 4 
nicht auf Gott sondern auf das Volk zu beziehen ist, so dals damit den 

Hirten die neuen einheimischen Oberen entgegengesetst werden, 
vgl. Köhler’s Ausführungen zur Stelle. Trots Jer. 80, 21. 51, 26 
entscheidet der Zusammenhang dagegen. 


*) Für die Unform pyyiny/{n) v. 6 ist selbstverständlich nach 
v. 10 oma zu lesen. 


22 Btade, Deuterosacharja, 


auch Ephraim wie ein Held und freut sich vor Jahve. 
v. 3-1. 

Auf welche Weise Ephraims Befreiung und Zurück- 
führung erfolgt, das erfahren wir, nachdem die Erwähnung der 
Thatsache vorausgeschickt worden ist, abermals erst aus 
dem Folgenden 10, 8—12. Gott ruft das in fernen Landen 
zerstreute Ephraim herbei, nachdem er es unter den Hei- 
denvölkern sich in wunderbarer Weise hat mehren lassen *). 
Nachdem sie den ihnen von Gott gegebenen Kindersegen 
grofs gezogen haben *), ziehen sie unter Gottes wunder 
barem Schutze heim aus Assur und Aegypten, besiedeln 
Gilead und Libanon, so dals ihnen der Platz nicht reicht ?). 
Da zieht es über das Meer nach Tyrus und es werden 
vertrocknen alle Tiefen des Niles‘), es wird gedemüthigt 


1) DUTTINY v. 9 ich ode vie ous erklärt sich nach Hos. 3,25. Was 
man säet, zerstreut man ja freilich. Doch nicht, damit os verloren 
‚gehe, sondern damit es keime, aufgehe und Frucht trage. Es empfiehlt 
sich daher durchaus nicht, mit Ewald und Stähelin den Bat 
conditional su fassen. Zu dom Gedanken vgl. Jer. 81,27. Schon Trym 
mifsversteht denselben und bexieht Qy yx wider die Grammatik suf 
die Vergangenheit : wmny ‘32 UMIIIT RDI 

*) Für yyy L nach LXX yy 

®) Trgm ‚richtig : wd poo’ why LXX xal of uh dxorerpy 
&§ adröv oft el; ist gerathen. Da pry so weit zurück steht, 
kann die 8. Pers. Maso. Bing. als allgemeinste Form stehen. Dies gegen 
Köhler. 

*) Man wird gut thun, mit Klostermann a a. O. 8. 566 für 
TTY su lesen mfg. Weil die Eirmlantenschaaren nicht alle im alten 
Gebiete des Nordreiches Plats finden, occupiren die zuletzt heimkeh- 
renden Tyrus, welches ja nach 9, 4 von Jahve in Besits genommen ist. 
Es ist das Beitensttick su 9, 6. 7, wonach Asdod und Ekron von Ju- 
dern bewohnt werdensollen. Entscheidend hierfür ist, dafs Subject von “ray 
nur Ephraim nicht Jahve sein kann. Freilich befremdet daneben 
DY] OY] IM. Man erwartet ein Seitensttick zu : eu sicht durch das 
Meer nach Tyrus und nach 9, 4 würde als Subject von iTpi} Gott an- 
sanehmen röthlich sein. Wie man ans den Worten durch eine Aen- 
derung ein Beitenstück su My O89 Dy) gewinnen kann, weils ich 


DR 
Analyse des Inhalts von Za. o. 10. 23 


der Hochmuth Assur’s und von Aegypten weicht das Köd- 
nigsscepter. Sie werden stark durch Jahve und rühmen 
- sch (LXX. Warm) seines Namens. 
| Haben wir nun das 10, 2 ff. Geweissagte richtig ein- 
gegliedert, so wird diese Demüthigung Aegyptens und 
: Assyriens entweder mit der 9, 13 geweissagten Ueberwin- 
dung der Griechenkinder identisch sein, oder die letztere 
wird sich an die erstere anschliefsen. Ist letzteres der Fall, 
: so hat Deuterozacharja wahrscheinlich gemeint, dafs das in 
- seine Heimath zurückgekehrte Volk Gottes einen letzten 
t Ansturm der heidnischen Weltmacht, hier der Griechen- 
söhne, zu überstehen hat, bevor die messianische Zeit eintritt. 
Der zeitliche Verlauf der in c. 9. 10 geweissagten Er- 
cignisse wäre dann dieser : Gott nimmt das ganze Land, 
welches sein Volk in den Zeiten seiner grifsten Ausdeh- 
nung besessen hat, nebst Aramäa und den phönicisch-phi- 
bstäischen Küstenländern in einem Kriegszuge in Besitz, 
welcher von Aramäa aus südwestwärtssich erstreckt. 9, 1—8. 
In Juda angelangt befreit er sein Volk Juda von seinen 
Oberen und setzt eine neue Obrigkeit ein, unter deren 
Führung Juda seine heidnischen Feinde überwindet. 10, 3—6. 
Ephraim aber führt Gott, nachdem er es auf wunderbare 
Weise gemehrt, heim. Es besiedelt sein ganzes früheres 
Land nebst Tyrus. Assyrien und Aegypten werden gedemü- 
tigt. 10, 6—12. Hierauf erfolgt die endgültige Besie- 
gung der Weltmacht 9, 13 ff., die Befreiung aller gefan- 
genen Glieder des Bundesvolkes 9, 11. 12, der Einzug des 
siegreichen Meseiaskönigs in Jerusalem und der Anbruch 
des messianischen Friedensreiches. | 


nicht. Ich vermuthe vielmehr, dafs sie eine in den Text gedrungene 
Glosse eines Lesers sind, welcher auf 9, 4 verweisen wollte und daher 
die Worte ug OD mim an den Rand schrieb. oS) scheint aus 
“u verschrieben zu sein. Die Worte stören das Gleichmafs des 
‘ Verses, welcher jetst aus fünf Gliedern besteht, während nur vier zu 
erwarten sind. 





24 Stade, Deuterozacharja. 


Ist jedoch die Demüthigung Assurs und Aegyptens f 


identisch mit der 9, 13 ff. geweissagten Besiegung der - 


van 


Griechensöhne — und hierfür könnte sprechen, dafs 9,11.122 


mit letzterer gleichfalls eine Befreiung der Gefangenen 
verknüpft wird — so haben wir ein gleiches Zukunftsbild 
wie yw 68, 21ff. Dort wird zunächst die Heimführung der 
Exulanten aus Basan und von den Tiefen des Meeres her 
d. h. aus den Ländern der Seleukiden und Ptolemäer, dann 
v. 24 die Niederwerfung des heidnischen Feindes durch 
Israel erwarte. Das erste geschieht, damit das zweite 
möglich werde. 

Ausgeschlossen jedoch ist die Annahme, dafs etwa. 
9, 1—10, 2 und 10, 3—12 parallele Weissagungen über die 
Wiederherstellung des Volkes seien. Denn wenn 9, 13 
Ephraim als Waffe in Gottes Hand erwähnt wird, so setst 
das seine Heimkehr und Wiedervereinigung mit den Brü- 
dern vom Hause Juda voraus, was uns erst c. 10 erzählt. 
Eine weitere Bestätigung für die von uns vertretene An- 
sicht ergibt sich bei unserer Auffassung von 10, 11. 

Mit c. 11 setzteineneue Weissagung ein, und zwar eine 
Weissagung von wesentlich anderem Inhalte, als wir c. 9. 10 
trafen. Ihr Anfang ist nicht markirt. Es war nicht nöthig, 
da über den mit 10, 12 stattfindenden Schlufs kein Zweifel 
sein kann. Doch ist das die Veranlassung gewesen, dafs 
derjenige, welcher 12, 1 die Ueberschrift Seti ">y “37 x 
zugesetzt hat, dies an unserer Stelle unterlassen hat. Wir 
werden weiter bemerken, dafs auch 14, 1 aus diesem Grunde 
ohne Ueberschrift geblieben ist. 

Auch in c. 11 wird eine Heimsuchung des Volkes durch 
Gott beschrieben. Auch hier wird sie zunächst als ein 
vom Norden her sich über das Land ergiefsendes Kriegs- 
wetter beschrieben. Auch hier ist Gottes Absicht mit 
seinem Volke bei der Heimsuchung eine freundliche, sein 
Vorhaben mit den Heiden aber ist ein anderes. Will er 
c. 9 sein Reich in Besitz nehmen, so erregt er c. 11 einen 


Analyse des Inhalts von Za. c. 11. 25 


Krieg aller Heiden gegen einander. Sein Volk soll hier- 
vor bewahrt werden. Er stellt es deshalb unter besondere 
Leitung. Allein es verschmäht diese und verfällt daher 
dem Strafgerichte. 

Auch Za. 11, 1-3 ') tritt das zu Weissagende dem 
Verf. sofort in einem Bilde vor die Seele. Ein kriegerisches 
Ungewitter hat die Landschaften im Norden und Osten *) 
des Landes verwüstet, die Hohen und Mächtigen sind ge- 
fallen, darum herrscht allgemeine Trauer. Im Bilde erscheinen 
die Grofsen und Mächtigen als die Cedern des Libanons 
und Eichen Basans, als Hirten, als Junglöwen aus den 
Jordanniederungen. Wie 9, 9 die heilige Stadt aufgefordert 
wird, wegen des Einzuges ihres Königs zu jubeln, so hier der 
Libauon, seine Thore zu öffnen, damit das Feuer seine 
Cedern verzehre. Die Cypresse soll über den Fall der 
Ceder weinen ®), die Eichen Basans über die Zerstörung 
des undurchdringlichen Waldes. Lautes Klagen der Hirten 
erschallt, weil ihre Pracht zerstört ist, lautes Brüllen der 
Junglöwen, weil des Jordans Pracht verwüstet ist. 

Vor solchem Unheil hat nun Jahve sein Volk ver- 
geblich bewahren wollen. Wir erfahren das Nähere über 


. %) Es sollte nicht erst bewiesen zu werden brauchen, dafs Za. 11, 1—8 
kein selbständiges Orakel ist, wie, seitdem Flügge die Untersuchung 
in Deutschland auf falsche Wege geleitet hat, vielfach angenommen 
worden ist (Knobel, Bleek, Ortenberg). Für die Zugehörigkeit 
dieser Verse zu 11, 4 ff. ist entscheidend eine Vergleichung von 11, 8 
einerseits mit Jer. 12, 5, von 11, 4 andererseits mit Jer. 12, 8, wovon 
weiter unten noch die Rede sein wird. 

*) Es mufs die Auffassung als möglich anerkannt werden, dafs 
11, 1—8 das über das Volk nach 11, 16 ff. hereinbrechende Unheil in 
einem Bilde darstellen, so dafs die Libanoncedern, Basaneichen, die Löwen 
der Jordanaue nur Bild der Grofsen des Volkes sind, welche bei jenem 
Unglücke umkommen. Doch möchte die parallele Stellung von 9, 1 ff. 
die oben vertretene Auffassung empfehlen. 

8) TINY DAR 7) v.2 ist zu streichen. Es ist ein inden Text 


gerathenes Glossem zu 8. 





26 Stade. Deuterosacharja.. 


diesen Rathschlufs Gottes und seine Vereitelung 11, 4 ff. 
Und zwar wird uns die Erzählung eingekleidet in die Form 
eines Berichtes tiber eine dem Propheten befohlene und 
von ihm ausgeführte symbolische Handlung. Wir haben 
hier nicht die Erzählung: eines wirklichen Vorfalles, sondern 
lediglich eine rhetorische Wendung, eine Art Allegorie 
vor uns, in welcher der Gedanke zum Ausdruck kommt, 
dals das Volk die hesondere göttliche Leitung verschmäht 
und daher dem Unglücke überlassen wird. Allegorisch 
drückt dies der Verf. folgendermalsen aus. Er erhält den 
Auftrag, Gottes Heerde zu weiden. Es ist eine Heerde 
der Schlachtung, welche von ihren Käufern ohne Ver- 
schuldung getödtet, von ihren Verkäufern zur Bereicherung 
ausgebeutet, von ihren Hirten nicht geschont wird. Er 
erhält diesen Auftrag, weil Jahve einen Krieg aller Völker 
unter einander erregen will. Geschildert wird dieser Krieg als 
ein Preisgeben dieser Völker in die Hand ihrer Könige 
und Hirten'). Die Könige lassen also die Völker sich in 
Kriegen aufreiben, welche nur im Interesse der Herrscher, 
nicht in dem der Völker geführt werden. Sie verwüsten 
dabei die Erde, ohne dafs Jahve aus ihrer Hand rettet. 
11, 4—6. 

So weidet denn der Prophet als Stellvertreter Gottes 
die Heerde der Schlachtung für die Kanander *) der 


') Für yıy) v. 6 lies wegen ino vielmehr yy. 

*) Für Nyt) spy 12> lies, da 9) keinen Sinn gibt, yx) 
ean LXX. elo thy Xavacvitey. Aus gleichem Grunde ist v. 11 statt 
wy 2 zu lesen wy, LXX ot Xavavaloı. Die Kananker der Heerde 
sind dieselben schlechten Oberen, welche nach 10, 8 von Gott hinweg- 
gefegt werden sollen; dieselben, welche nach 11, 5 ihr Volk verkaufen 
und es unter Lug und Trug, Bedrlickung und Gewaltthat zu ihrer Be- 
reicherung ausbeuten Es sind dieselben, welche den Propheten mit 
80 Silberlingen ablohnen. Kananäer heifsen sie nach dem Vorgange 
von Hos. 12, 8, weil sie sich hierdurch des Namens der Israeliten un- 
würdig gemacht haben. 





Analyse des Inhalts von Ze. o. 11. 7 QT 


leerde. Dafs das Thun des Propheten, wie wir behauptet 
ıben, hier lediglich Abbild der Hirtenthätigkeit Gottes 
t, welcher das Volk durch die kommenden schlimmen 
aiten hindurch leiten will, ergibt eine Vergleichung von v. 6 
nit v. 10. Nach v. 6 erregte Gott den Krieg unter den 
/öikern, nach v. 10 schliefst aber der Prophet ein Ab- 
commen mit den Völkern, Israel nicht anzugreifen. Es ist 
tr das Verständnils der Weissagungen Deuterozacharjas 
richtig, diese Bedeutung des Thuns des Propheten festzu- 
alten. Diese besondere Leitung, unter welche Gott sein 
folk genommen hat, ist nur ein anderer Ausdruck für 
as, was 10, 3.4 geweissagt worden war. Es ist ja selbst- 
erstindlich, dafs Gott sein Regiment durch von ihm ein- 
esetste und nach seinem Willen regirende Autoritäten 
usüben läfst '),, Hieraus ergibt sich aber weiter 1) dafs 
ach c. 11, 1—17. 13, 7—9 das von Deuterozacharja 10, 5 ff. 
teweissagte nicht eingetreten ist. Das Volk geht der 
ort in Aussicht gestellten messianischen Hoffnungen ver- 
tig. 2) Dafs der historische Standpunkt, von welchem 
us Deuterozacharja c. 11 weissagt, ein anderer ist, als 
erjenige, von welchem er in c. 9. 10 ausgeht. Ein Theil 
er in den beiden ersten Capiteln in Aussicht genommenen 
xwartungen hat sich als trügerisch erwiesen. 

Der Prophet führt als Hirt zwei Hirtenstäbe, von 
reichen er den einen Huld, den andern Verbindung nennt. 
x entfernt die drei Hirten in einem Monate ?). Dann 
ber wird er der Heerde überdrüssig und diese seiner. Er 





) Vergleiche die Umschreibung des Targums von "ya v. 7 : 
py Sy KONTO mm 

*) Nicht beliebige drei, sondern die drei bekannten. Die Worte 
od räthselhaft. Am besten bezieht man sie noch auf die Vernichtung 
r drei Weltreiche, welche das Gottesreich bisher anzubrechen ver- 
dert haben. Wie px pm) hierbei zu deuten sei, ist mir freilich 
nkel. Siehe weiteres hiertiber unten. 





28 Stade, Deuterozacharja. 


spricht : ich mag euch nicht ferner weiden, was stirbt mag | 
sterben, was umkommt umkommen, und was übrig bleibt, : 
einander gegenseitig aufzehren. 11, 7. 8. Hierauf nimmt ' 
der Prophet den Stab Huld und zerbricht ihn zum Zeichen, 
dafs das von ihm mit den Völkern geschlossene Abkommen 
(Israel nicht anzugreifen) aufgehoben sei. Es ward auf- 
gehoben und hieran erkannten diejenigen Kananäer der 
Heerde, welche auf den Propheten geachtet hatten, dafs 
es ein Wort Jahves sei. Hierauf fordert der Prophet von 
den Kananiern seinen Hirtenlohn. Sie geben ihm 30 Sil- 
berlinge. Auf Befehl Gottes wirft der Prophet diesen 
schnöden Lohn in den Tempelschatz !). Hierauf zerbricht 
er auch den Stab Verbindung um die Bruderschaft zwischen 
Juda und Israel aufzuheben d. h. Gottes Volk geht nicht 
nur des Schutzes verlustig, welchen Gott ihm hatte ge 
währen wollen, sondern verscherzt auch die dereinstige Wie- 
dervereinigung Israels und Judas, sowie diejenigen messia- 
nischen Hoffnungen, welche sich hieran knüpfen, wovon 
der Verf. c. 9. 10 geweissagt hatte. 11, 9—15. 


Das weitere Schicksal des Volkes erzählt der Prophet 
abermals in Form einer symbolischen Handlung oder ge 
nauer in einer zweiten Allegorie, in welcher er wiederum 
als symbolische Figur auftritt. Ist er früher Abbild des 
sein Volk leitenden Herrn gewesen, so tritt er jetzt als 
Abbild des schlechten Hirten auf, welchen Gott der Heerde 
zur Strafe für ihren Undank setzt. Gott befiehlt ihm, das 
Geräthe eines thörichten Hirten zu nehmen. Denn einen 
solchen setzt er ein im Lande; dem Umkommenden wird 
derselbe nicht nachgehen, das Versprengte nicht aufsuchen, 
das Gebrochene nicht heilen, das Gesunde nicht ernähren, 


1 syyn~ one 9 p> 1. syen-dy ven vergleiche Mal. 8, 10 
yian mp. Die aramaisirende Schreibung mit % wird schon durch die 
LXX belegt. 





hen 
Analyse des Inhalts von Za co. 11. 18, 7—9. 2 


s Fleisch des Fetten verzehren und die Klauen der Heerde 
alten. Gegen ihn ergeht der Fluch : Wehe, thörichter 
irt, welcher die Heerde im Stich läfst. Dürre !) (komme) 
ber seinen Arm und sein rechtes Auge, trocken soll 
erden sein Arm und sein rechtes Auge erlöschen. 11, 
b—17. | 

Mit c. 11 verbindet Ewald mit Recht c. 13, 7—9. 
er 11, 17 gegen den schlechten Hirten ausgesprochene 
uch ist kein passender Abschluß von c. 11. Wir müssen 
of Grund der 11, 6 ff. ausgesprochenen Gedanken zu 
ren erwarten, dafs die Heerde nun dem Unheile verfällt. 
etsteres aber kann nicht in der üblen Behandlung ge- 
mden werden, welche dieselbe nach 11, 16 durch den 
shlechten Hirten erleidet. Als Gott die Heerde unter 
esondere Leitung stellte, so war sein Absehen darauf ge- 
chtet, dafs dieselbe nicht unter dem in der Heidenwelt 
ıtbrannten Kampfe leide. Verwirft es diese Leitung, so 
t die natürliche Folge, dal es in diese Kämpfe hinein- 
issen wird. Die üble Behandlung durch den Hirten 
ınn höchstens Mittel zum Zweck sein. Nun erfahren wir 
ıs schliefsliche Schicksal der Heerde 13, 7—9. Gottes 
chwert soll den Hirten treffen, die Heerde soll sich zer- 
reuen. Zwei Drittel derselben werden in den Gefahren 
nkommen. Aber auch das übrig bleibende Drittel mufs 
schmals durch ein Unglück geläutert werden. Der als- 
ınn bleibende Rest wird Gottes Volk sein. Diese Verse 
3, 7—9 bilden einen normalen, 11, 17 in zu erwartender 
Veise fortsetzenden Schlufs einer messianischen W eissagung. 
ügt man sie nicht hinter 11, 17 ein, so.ist c. 11 eine 
essianische Weissagung ohne Schlufs, was um so we- 
ger erwartet werden kann, als jede der drei übrigen 





ı Für av. 17:1. Jr. Die Nothwendigkeit dieser Punktation 
ibt sich aus der v. 17% folgenden Erläuterung 


30 Stade, Deuterosacharja. 


Weissagungen c. 9. 10; c. 12, 1—13, 6; c. 14 ihren nor- 
malen Schlufs hat. 
Zu dem gleichen Resultate kommen wir, wenn wir die | 
Umgebung näher ansehen, in welcher 13, 7—9 vorkommt. 
An 12, 1—13,6 lälst es sich nicht anfügen. c.12, 10—13, 6, 
die Bekehrung und Bufse der leitenden Kreise des Volkes, 
bildet hier einen der übrigen Weissagung vollkommen 
homogenen Schlufs. Von einem Hirten weils der Abschnitt 
gar nichts, geschweige dafs er uns über irgend einen An- 
lafs berichtete, aus welchem die Drohung 13, 7 ergehen 
könnte. Ebenso wenig aber können wir 13, 7—9 anc. 14 
anlehnen. Der in 13, 7—9 bedrohte Hirt fehlt in c. 14 
und c. 14, 1 setzt überhaupt eine neue Weissagung ein '). 


1) o. 14, 1 steht themaartig der nach c. 12 am Wenigsten su er- 


‘ wartende Gedanke als Hauptgedanke voran. Diese Weissagung ent- 


behrt daher durchaus nicht, wie Hitzig urtheilt, eines Ausgangs- und 
Stitspunktes. Wenn Hitzig bemerkt und Köhler dem beitritt, man 
begreife nicht, wie 18, 7—9 von 11, 17, wohin es oberflächlich ange- 
sohen passe, hierher habe verschlagen werden können, so ist das völlig 
richtig, gibt jedoch keinen Grund gegen die Vereinigung beider Ab- 
schnitte ab. Denn es ist so manches, dessen Genesis man nicht be- 
greift. Hofmann und Köhler schließen daraus, dafs die Tödtung 
eines solchen schlechten Hirten, wie ihn 11, 16 beschreibt, eine Wohl- 
that für die Heerde sei, während die Folgen der Tödtung des 18, 7 er- 
wähnten Hırten sowie seine Beseichnung als XYOY 13 letzteren als 
gottwohlgefälligen guten Hirten auswiesen, auf eine Verschiedenheit 
beider Hirten. Letsteres wäre allerdings eine Instanz gegen die Ver- 
einigung beider Abschnitte. Allein der Schlufs ruht auf nicht su- 
treffenden Voraussetzungen. Auch das Regiment eines schlechten Köd- 
nigs kann das Volk vor Beschädigungen durch äufsere Feinde be- 
wahren. Wegfall aller autoritativen Gewalten (die Heerde zerstreut 
sich) ist schlimmer als ein schlechtes Regiment, ist das schlimmste 
Unglück, welches ein Volk treffen kann, die rechte Vorbedingung dafür, 
dafs es seinen Feinden Preis gegeben werde. Und die Tödtung des 
schlechten Hirten mufs nicht nur ihren Zweck, sondern auch ihren 
Grund haben. Da jede Königsgewalt von Gott ist, der schlechte Hirt 
noch dasu von Gott zur Strafe eingesetzt ist 11, 16, so ist gar kein 
Grund vorhanden, demselben das Prädicat YOY DY 18, 7 zu be- 


streiten. 


Analyse des Inhalts von Za. o. 11. 18, 7—9. 31 


Will man c. 13, 7—9 nicht mit c. 11 verbinden, so bleibt 
nur übrig, es für ein selbständiges Orakel zu halten. Das 
ist aber nicht möglich, da 13, 7 nothwendig eine Verschul- 
dung des bedrohten Hirten zur Voraussetzung hat, wor- 
über nur in c. 11 uns etwas berichtet wird. 

Bedarf nun auf der einen Seite c. 11 eines Schlusses, 
welcher nur in c. 13, 7—9 gefunden werden kann, auf der 
andern c. 18, 7—9 eines Anfanges, welcher nur in c. 11 
stecken kann, so würde das allein schon ein völlig genügender 
Beweis sein für die Nothwendigkeit beide Abschnitte mit 
einander zu vereinigen. Allein noch drei andere Gründe 
fordern dieselbe gebieterisch. 

Einmal hat bereits Ortenberg ') mit Recht darauf 
aufmerksam gemacht, dafs 11, 16 und 13, 7 einander ent- 
sprechen wie Ez. 34, 4 und 62). Wenn nun zwischen 
11, 16 und 13, 7 noch 11, 17 steht und 13, 7 sich nicht 
genau mit Ez. 34, 5 deckt, so erklärt sich das aus dem 
Umstande, dafs der Verf. einen Jer. 50, 37. 38 nachgebil- 
deten Gedanken einschaltet. Nun entspricht aber Jer. 50, 38 
dem Verse 11, 17, dagegen Jer. 50, 37 dem Verse 13, 7. 
Dies ist der zweite Grund für die Zusammengehirigkeit 
von 11, 17 und 13, 7. Endlich aber gehört 13, 7—9 vor 
c. 12 wie Ez. 37, das neue Israel, vor Es. 38. 39, der 
Ueberwindung der Heiden steht. 


%)a.a 0.8.58 ff. 


*) Ze. 11, 16. Denn siehe ich stelle einen Hirten im Lande auf, 
der dem Umkommenden nicht nachgeht, das irre gehende nicht aufsucht, 
das Gebrochene nicht heilt, das Gesunde nicht versorgt, das Fleisch der 
Fetten ifst und seine Klauen spaltet. 18, 7 Schwert... ... schlag 
den Hirten, dafs sich die Schafe serstreuen. Ez. 84, 4. 5. Das Kranke 
kräftigtet ihr nicht und das Leidende heiltet ihr nicht und das Ge- 
brochene verbandet ihr nicht; das Versprengte führtet ihr nicht heim, 
das Umkommende suchte ihe nicht ..... ‚da serstreuten sic sich, 
weil kein Hirte war. 





39 Stade, Deuterosacharja. 


Die Abneigung der meisten Exegeten gegen diese von 
uns hiermit als nothwendig erwiesene Vereinigung von 
c. 11 und c. 13, 7—9 erklärt sich aus falscher Auffassung 
des messianischen Inhaltes beider Abschnitte. Man findet 
. in dem guten Hirten von c. 11 den Messias, in dem Tod des 
schlechten Hirten von 13, 7—9, welcher eben deshalb ein 
guter sein muls, den Tod des Messias geweissagt. Das 
Suffix von yo 18, 7 besticht auf den ersten Blick für 
diese Auffassung. Allein wir sahen schon, wieso der von 
Gott über seine Heerde eingesetzte Hirt sehr wohl als 
‘YOY 23 beseichnet, und sonach auch WY genannt wer- 
den kann. Völlig dagegen entscheidend ist jedoch der 
Grund, dafs der Tod des c. 11 vorgeführten guten Hirten 
auf die Heerde gar nicht die Wirkung des Zerstreuens 
haben kann. Denn dieselbe ist ja gar nicht mehr in seiner 
Hand, sondern in die des thörichten übergegangen. Ebenso 
kann schon um deswillen von einer Beziehung des guten 
Hirten von c. 11 auf den Messias keine Rede sein, weil 
seine Hirtenthätigkeit der Vergangenheit angehört. Die 
Weissagung setzt erst mit 11, 15 ein, 11, 4—14 berichtet 
die historischen Voraussetzungen dieser Weissagung. Der 
als guter Hirt auftretende Prophet ist Stellvertreter Gottes, 
nicht Abbild eines Kommenden. 

c. 12, 1—13, 6 bilden eine Weissagung. Auch hier 
tritt nach kurzer Einleitung : „Ausspruch Jahve’s !), welcher 
den Himmel spannte und die Erde gründete und den Geist 
des Menschen in seinem Innern schuf, v. 1,* themaartig 
der Gedanke, in welchem die Weissagung gipfelt, mit 
v. 2.3 voran : „Gott macht Jerusalem zum Taumelbecken ?) 
für alle Völker ringsum und auch Juda wird Jerusalem 


1) Ueber den Anfang von 12, 1 vgl. 8. 14. 


2) Trg. 19 1p RD- Oder auch „zur Taumelschwelle*. LXX 
robdvon wecdeviyeve, worüber weiter unten zu handeln ist. 


nie. un. 


LS el ot wees 


PET) 2 20 


Analyse von c. 12. 33 


, mit belagern® !) Jenes Tages wird Jerusalem zum Hebestein 
für alle Völker, wer ihn hebt ritzt sich. Alle Völker der 
Erde versammeln sich wider Jerusalem. Im weitern er- 
fahren wir nun nicht, was diesen Zug der Heidenwelt ver- 
anlafst hat und auch nicht, welchen Verlauf er bis zu der 
von Gott veranlafsten Wendung hat. Sondern wir hören 


N) Nur diesen Sinn können nach Mafsgabe der von v. 4 an folgen- 
den Ausführungen die Worte ey) An) N02 IT amp ON 
haben. Trgm umschreibt richtig: T} NYY NT MIT MIT FR 
oben MIMD PO ye: (Ebenso su 14,14.) Hitzig wird dem Folgenden 
nicht gerecht, wenn er a ee) übersetzt : für Juda Nur für die 
Heiden wird Jerusalem sum 5y 1p, nichtauch für Juda. Köhler’s Auf- 
fsssung : „und auch um Juda wird (Belagerung). sein bei der Belage- 
rung von Jerusalem“ scheitert daran 1) dafs die Hauptsache (Belage- 
rang) ergänst werden mufs Es ist das um so mehr zu betonen, als 
der von Köhler eingelegte Gedanke, Juda werde um Jerusalems 
Mauern gelagert von den Heiden mit belagert werden, ein so seltsamer 
und auffallender ist, dafs er wohl deutlich auszusprechen gewesen 
wäre, 2) dafs man nach hebräischem Sprachgebrauche vielmehr ein 
oT oy iyp> MM) NS MM ON erwarten würde, 8) dafe der 
Zusammenhang deutlich Juda nicht als belagert sondern als in gleicher 
Lage mit den Heiden befindlich, also als belagernd ausweist. Köhler 
wird durch seine Annahme, dals das vor Jerusalems Mauern susammen- 
gedrängte Juda bereits siegreich mit den Heiden kämpft, während Je- 
rusalem noch von den letzteren bedrängt wird, zu der weiteren ge- 
nöthigt, dafs Juda an einer Seite der Mauern Jerusalems zusammen- 
gedrängt sei. Aufserdem aber verträgt sich dieselbe nicht mit v. 4 
und v. 6. Nach v. 4 schlägt Gott alle Rosse mit Scheuheit und Blind- 
beit und deren Reiter mit Wahnsinn. Alle Heiden werden somit von 
Gottes Eingreifen betroffen. Ihre Wehrlosigkeit reist die Judäer zum 
Abfall und Ueberfall. Wenn die m “pide ferner v. 6 mit dem in 
Hols gestellten Feuerbecken verglichen werden, so müssen sie sich 
mitten im Heeré der Heiden befunden haben. Michaelis, Rosen- 
müller, Ewald gewinnen nun diesen von uns vorausgesetsten Sinn 
in dem Passus 'ıy a5 y Oj) indem sie by als das der Obliegen- 
heit, des Zwanges fassen. Noch näher liegt es vielleicht mit Geiger, 
a. a. O 8. 58 dieses by zu streichen. Es könnte eingeschoben worden 
sein, um den anstölsigen Gedauken zu beseitigen, dafs Juda die heilige 


Stadt als Bundesgenosse der Heiden belagern wird. 
Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang |. 1881. 3 


34 Stade, Deuterosacharja. 


sofort, auf welche Weise es Gott bewirkt, dafs Jerusalem 
zum 5y7 ng für alle Völker wird. Jahve schlägt jenes 
Tages die Rosse der Jerusalem belagernden Heiden mit 
Scheuheit und Blindheit und deren Reiter mit Wahnsinn, 
über dem Hause Juda aber öffnet er seine Augen"). Da 
sprechen die Gaufürsten (Aeltesten) Judas : „möchte sch 
doch den Bewohnern Jerusalems genügen (helfen) können *) 
durch Jahve der Heerschaaren, ihren Gott.” Gott macht 
sie wie ein Feuerbecken bei Holz und wie eine brennende 
Fackel bei Garbenhaufen. Sie fressen nach rechts und 
nach links alle Völker ringsum, so dafs Jerusalem an seiner 
Stelle bleibt. So hilft Jahve den Zelten Judas zunächst, 
auf dafs sich nicht das Haus Davids und die Einwohner 
Jerusalems allzusehr über Juda erheben. 12, 4-7. 

Jenes Tages überschildet Jahve die Bewohner Jeru- 
salems und es wird der Strauchelnde unter ihnen wie David 
und das Haus Davids wie Gott und wie der Engel Jahves 
vor ihnen. Jenes Tages sucht Gott alle Heiden zu ver- 
nichten, welche wider Jerusalem ausgezogen sind. Aber 
über das Haus Davids und die Bewohner Jerusalems gielst 
er aus den Geist der Gnade und des Flehens. Da blicken 
sie auf den ®), welchen sie durchbohrt haben und trauern 


') Die also früher, während Gott den Zug der Heiden zuliefs, ge- 
Br waren. 1 Kö. 8, 29. Neh. 1, 6. 

*) a % myor v. 5 1. nach LXX ebgyoouer davrolg rods 
xatroıxovvrag ’IepgovaaAnı =) ar } PINZON: Auch Trgm MINEN 
ea) PN zeugt für diese L. A. Die Worte des jüdischen An- 
führers sind gleichsam die Parole, mit welcher sie für die heilige Stadt 
in den Streit ziehen. 

8) Der Durchbohrte ist es also, um dessen willen sie um Gnade flehen 
und von Gott mit dem Geist der Gnade und des Flehens begnadigt 
werden. Sie haben durch seine Tödtung eine Blutschuld auf sich ge- 
laden und bedürfen der Entsühnung, welche ihnen dadurch wird, 
dafs Gott die Quelle 13, 1 aufthut. Ueber die Nothwendigkeit ar in 


YON zu ändern, sollte man nicht nöthig haben ein Wort verlieren su 


BE 





Analyse des Inhalts von c. 14. 35 


+ über ihn, wie man über den Eingeborenen klagt, bitterlich 


‚ih! 


wie über den Erstgeborenen. Die Klage wird so grofs wie 
die Klage Hadadrimmons in der Ebene Megiddo. Und 
swar erheben die einzelnen Geschlechter die Klage je für 
sich, nämlich das Haus Davids allein und seine Frauen 
allein, das Haus Nathans allein und seine Frauen allein, 
das Haus Levi allein und seine Frauen allein, das simeitische 
Geschlecht allein und seine Frauen allein und so auch die 
übrigen Geschlechter. 12, 8—14. 

Jenes Tages eröffnet Gott für das Haus Davids und 


: die Bewohner Jerusalems eine Quelle zur Entsündigung 


und Reinigung '). Jenes Tages wird Gott aus dem Lande 
ausrotten die Namen der Götzen, so dafs man sie nicht 
mehr erwähnt, und die Propheten und wird den Geist der 
Unreinigkeit aus dem Lande hinwegschaffen. Wenn einer 
ferner noch als Prophet aufzutreten wagt, so schlagen ihn 
Vater und Mutter. Jenes Tages schämen sich die Pro- 
pheten ihrer Gesichte und ziehen nicht mehr den Haar- 
mantel an. Keiner will mehr ein Prophet sein. Lieber 
gibt er sich für einen seit seiner Jugend das Land be- 
bauenden Ackersclaven aus. Und zeigt man einem solchen 
seine Wunden, so erwidert er, also sei er im Hause seiner 
Lieben (Angehörigen) geschlagen worden. 13, 1—6. 


müssen. Ewald, Propheten 2°. 8. 57. Z. 25 ff. trifft den Nagel auf 
den Kopf. Nur war es nicht geschmackvoll, sich auf Handschriften 
des massoretischen Textes zu berufen. 

t) Die Quelle ist m (. ME) Ar) eigentlich gegen Sünde 
und Unreinigkeit, vgl. y 68, 21 mingin Mp9. Bie ist also ein grofses 
Dey YQ und 9 vel. Trgm. QOPI) KNYAK "DD IT XDD 
KENNT KAW. Die von der Massora geforderte Punktation newrd 
(vgl. Massora magna ed. 8. Fronsdorff. 8. 62 und Michaelis in 
der Halleschen Bibel sur St.) beruht auf der irrigen Voraussetzung, 
dafs das erste von zwei eng verbundenen Worten in der Verbindungs- 
form stehen könne. Es ist hier wie anderwärts die Hauptform herzu- 
stellen. 

3% 





36 Stade, Deuterosacharja. 


c. 14 ist eine Doublette su c. 12, 1—14. 13, 1-4 
Auch diese Weissagung erzählt uns von einer Belagerung 
Jerusalems durch die Heiden, in deren Heere sich Juda als 
Bundesgenosse befindet. Auch sie berichtet die wunder- 
bare Rettung der Stadt durch Gottes Einschreiten und die 
Ueberwindung der Heiden. Nach ihr wird jedoch Jer- 
salem erobert und gezüchtigt, bevor Gott eingreift. Mit 
seinem Einschreiten bricht der grofse Tag Jahves an, bei 
der Ueberwindung der Heiden tritt Judas Antheil gegen- 
über der Darstellung in c. 12 zurück. Mit Ueberwindung 
der Heiden beginnt Gottes Reich; zu ihm bekehren sich 
auch die Heiden. 

Unter diesen vom Inhalte von c. 12 abweichenden 
Gedanken ist der auffallendste, dafs Jerusalem erobert wird. 
Nach 12, 1—14. 13, 1—6 erwartet man ihn nicht. Er wird 
daher, nach einer auch bei älteren Propheten sich finden- 
den Manier, an die Spitze der ganzen Weissagung gestellt 
14, 1: „Siehe ein Tag kommt Jahve, da wird in dir deine 
Beute vertheilt.* Von v. 2 an erzählt dann der Prophet 
den Hergang gemäls der Aufeinanderfolge der einzelnen 
Ereignisse. Jahve sammelt alle Heiden gegen Jerusalem. 
Sie erobern die Stadt, plündern die Häuser, schänden die 
Frauen, deportiren die Hälfte seiner Bewohner. Um den 
Rest zu retten erscheint Jahve zum Streite wider die Heiden. 
Seine Fülse treten auf den Oclberg'). Da spaltet sich 
dieser unter ihnen. Indem die Hälfte des Berges nach 
Norden die andere nach Süden zurückweicht bildet sich 
ein weites von Westen nach Osten verlaufendes Thal, ir 
welches die noch übrigen Bewohner Jerusalems fliehen 


') Der Zusats Dam Day NH~OY ge zeigt, dafs Deutero 
zacharja kein Jerusalemer ist. Die Rolle, welche nach c. 12 und 1: 
die Juden von Judäa spielen, wie namentlich 12, 7 ff., weisen darau 
hin, dafs er vielmehr ein Judäer vom Lande war. 


=? = 2 .- 


ee A EEE ef — 





BE 


Analyse des Inhalts von c. 14. 37 


Hierauf schreitet Jahve begleitet von allen Heiligen zum 
Kampfe 14, 2—5. 

Nun erfahren wir aber zunächst den weiteren Verlauf 
dieses Kampfes noch nicht. Vielmehr schildert der Verf. 
zuvor v. 6. 7 diesen Tag als einen lichtlosen !); nicht Tag 
noch Nacht ist es, erst gegen Abend wird es hell. Dann 
erzählt er weiter v. 8—11 die beglückenden Folgen, welche 
der Tag Jahves für das heilige Land haben wird. Leben- 
dige, immer fliefsende Wasser werden von Jerusalem aus- 
gehen und zur Hälfte ins todte, zur Hälfte ins mittellän- 
dische Meer fliesen. Jenes Tages wird Jahve König sein 
über das ganze Land *), jenes Tages wird Jahve einer 
sein und sein Name einer. Das ganze Land wird sich vor 
Jerusalem zu einer Ebene wandeln, Jerusalem aber an 
seiner hohen Stelle sitzen bleiben und in alter Ausdehnung 
wieder aufgebaut werden. In ihm wird man wohnen, kein 
Bann wird mehr sein und Jerusalem wird sicher sitzen. 

Nun erst erfahren wir den Hergang der vor Eintritt 
dieser seligen Zustände erfolgenden Ueberwindung der 
Heidenwelt in 14, 12—15. Der Bericht schiebt sich der- 
gestalt zwischen die Schilderung der mit Anbruch des 


In PROD? Np" liegt eine offenbare Verderbnifs vor. LXX 
zal wy xal xdyoc. Trg. phy (1. Ny) “Wy Ped. Ipeyo bee 
weisen auf eine Lesart wie )'e@P) An) welcher ja auch das Kerf 
entspricht. Allein man begreift hier die Erwähnung von Kälte und 
Hagel nicht, erwartet vielmehr, dafs erwähnt werde, dafs auch die 
Berne nicht scheinen. Es soll ja weder Tag noch Nacht sein. Diesen 
Sinn gewinnt man durch die Punctation (ARP?) PREP’ nM: Allein 
darin fehlt 1) die Copula vor MID Aufserdem stöfst man sich 2) an 
der Incongruens von Subject und Prädicat. 

*) In Anbetracht der Auslegung, welche v. 9 in v. 16 ff. erfährt, 
könnte man sich versucht fühlen, Yan mit Erde su übersetzen. 
Allein der Zusammenhang zeigt, dafs hier vorerst nur von denjenigen 


Veränderungen die Rede ist, welche der Anbruch des Gottesreiches 
im heiligen Lande sur Folge hat. 





38 Stade, Deuterozacharja. 


Gottesreiches eintretenden Veränderungen ein, dafs er die 
Schilderung der im Lande eintretenden von der Schilde- 
rung der in der Heidenwelt eintretenden trennt. Es ist 
das, nachdem der Verf. in v.8 den naturgemiifsen Faden 
der Erzählung hat fallen lassen, nun nöthig geworden. 
Denn die Ueberwindung der zur Zerstörung der heiligen 


Stadt ausgezogenen Heiden muls erzählt werden, ehe ihre 


Aufnahme in das Gottesreich berichtet werden kann. 

So wird denn eine Seuche die Heidenvölker, welche soeben 
Jerusalem erobert haben, plagen. Bei lebendigem Leibe 
verfaulen ihnen die Glieder. Ein Gottesschrecken wird 
unter sie fahren, so dafs einer die Hand wider den andern 
erhebt. Auch Juda wird in !) Jerusalem kämpfen und die 
Schätze aller Völker ringsum sammeln ?), Gold und Silber 
und Gewänder in Menge. Auch das im Lager der Heiden 
befindliche Vieh wird von einer Seuche befallen und ver- 
nichtet werden. 

Jetzt wendet sich der Verf. zur Beschreibung der- 
jenigen Wirkungen, welche der Anbruch des Gottesreiches 
auf die Heiden ausübt. Doch erhalten wir keine ausführ- 
liche Schilderung. Nur einzelne Züge werden uns vorge- 
führt. Von den Kindern der Zerstreuung schweigt der Verf. 
zunächst in auffallender Weise. Er scheint vorauszusetzen, 
dafs sie inzwischen in das heilige Land zurückgekehrt sind. 
Von denjenigen Heiden aber, welche von jener Plage ver- 
schont worden sind, weissagt er, dafs sie jährlich nach 
Jerusalem pilgern, um den König Jahve der Heerschaaren 
anzubeten und das Laubhüttenfest zu feiern. Sie erkennen 
also gleichfalls das Königthum Jahves an, bekehren sich 
zu ihm und ordnen ihr Leben nach seinen Geboten. Dafs 
sie gerade zum Laubhüttenfeste pilgern bedeutet, dafs sie 


1) v. 14 Ody 5, 8. hierliber die Ausführungen Köhler ’s. 
2) Für MON] Y- 14 1. FDR) zal ovvdkeı, vgl. zu 12, 2.- 





Analyse des Inhalts von o. 14. 39 


m ihre Länder schmückenden Erntesegen von Jahve her- 
iten. Wer aber von den Geschlechtern der Erde nicht 
sch Jerusalem pilgert, dessen Land wird keinen Regen 
md damit auch nicht den messianischen Erntesegen) er- 
alten '). Den möglicherweise zu machenden Einwand, 
als man aber auf diese Weise die Aegypter nicht zur 
ährlichen Pilgerreise nach Jerusalem werde zwingen können, 
la die Fruchtbarkeit ihres Landes nicht vom Regen ab- 
linge, schneidet der Verf. mit der Weissagung ab, dafs 
lie Aegypter, im Falle sie die Pilgerfahrt unterlassen 
ollten, von Gott zur Strafe mit jener Plage geschlagen 
werden sollen *), welche die Jerusalem belagernden Heiden 
befallen wird. 

Die ganz ausnchmende Heiligkeit aber, welche unter 
der Gottesherrschaft das neue Jerusalem durchdringen soll, 
schildert zum Schlusse seiner Weissagung der Verf. dahin, 
dafs jenes Tages auch die Rosse Jahve heilig sein und auf 


') Des Regens bedürfen die Länder der Heiden im Gegensatze zu 
Jerusalem und Juda, welche jene immerfliefsende von Jerusalem aus- 
gehende Quelle fruchtbar macht. 


*) Die Lesart omby xD) v. 18, bei welcher Hy) ergänst zu 
rerden pflegt, gibt keinen Sinn, denn Aegypten, welches Regen weder 
at noch braucht, kann nicht mit Entziehung desselben gestraft werden. 
Jafs hier der Prophet an die das Steigen des Niles veranlassenden tro- 
ischen Regengüsse gedacht oder auch nur von denselben etwas ge- 
rafst habe, ist mehr als unwahrscheinlich. Dagegen ergibt sich, dafs 
nsere Stelle verdorben ist, auch daraus noch, dafs das Folgende pq 
. 18 sich nicht anschliefst. Man begreift überhaupt nicht, wozu 
och von einer Plage die Rede ist, wenn doch auch Aegypten in 
leicher Weise durch Entziehung des Regens gestraft werden soll. 
XX, Ped. sind im Rechte, wenn sie xb nicht lesen und Hy mit 
„rn verbinden. Das Eindringen der Negation ist dadurch ver- 
ulafst worden, dafs man den Fortschritt der Gedanken nicht begriff 
od meinte, es solle an Aegypten nur exemplificirt werden. Trgm 


Ift sich durch die Paraphrase yın 11799 DI 019") PO" 179 ND) 
pop 53 m MOT RAND. 


u 


40 Stade, Deuterozacharja. 


ihren Schellen die Aufschrift „Jahve heilig“ tragen werden, — 
Die Kochtöpfe im Tempel werden so heilig sein, wie 
Opferschalen auf dem Altare. Alle Kochtöpfe in 
salem und Juda !) werden Jahve der Heerschaaren 
sein. Die Opfernden werden von ihnen nehmen und 
ihnen kochen und wird jenes Tages kein Kananier 
sein im Tempel Jahves d. h. keiner, welcher durch V 
schacherung von neuen, ungebrauchten Gefälsen an 
zum Tempel Kommenden sich bereichert. 


Wir haben hiermit einen Ueberblick über den Ge 
dankeninhalt von Za. 9—14 gewonnen. Allein wir können 
doch noch nicht zu einer Untersuchung darüber fortschreiten, 
auf welche Zeit derselbe zu deuten ist. Es wird nach des 
8.10 ff. entwickelten Grundsätzen erst zu untersuchen sein, 
was von diesem Inhalte mit Deuterozacharja neu auftritt 
und was er etwa mit andern Propheten theilt. Nur dam 
erste wird zur Bestimmung seiner Zeit direct benuts& 
werden können. Indirect aber wird auch die Ermittelung- 
der Deuterozacharja nicht eigenthümlichen, etwa von anderrm 








i) 





1) Man beachte, wie sich hier Juda in einem ganz Gufserlicheam 
Zuge an Jerusalem anhängt. Trotzdem Deuterozacharja 12, 7 gegamm 
die Ueberhebung der Jerusalemer über Juda polemisirt, kann er sie 
doch von dem Zuge der Zeit, Juda als heilige Stadt der ganzen Glam- 
bensgemeinschaft auf eine von Juda nicht zu erreichende. Höhe sua 
heben, nicht frei machen. Auch ihm, dem Nichtjerusalemer, ist Juda 
nur die Umgebung der Reichshauptstadt, welche an Bedeutung ver- 
liert, sobald jene zum Mittelpunkte der Welt wird. Schon hier sei 
darauf hingewiesen, dafs Juda in dem messianischen Zukunftsbilde von 
c. 12—14 keine rechte Rolle spielt. Erscheint es erst als Schweif im 
Gefolge der Heiden, so jetzt in dem Jerusalems. Dals es Jerusalem 
hilft und die Beute der Heiden erbeutet, ist alles was ihm sur Aus 
zeichnung gesagt wird. Der Helfer Jerusalems aber wird an inner 
licher Bedeutung wie auch äufserlich 14, 10 von letzterem durchaus 
überragt. Aus ihm werden dabei die Gitzen und Propheten ausge 


Jerusalem. 


rottet 13, 2 ff. Auch bei unserem Verf. dient Juda nur als Folie für % 
” 


Das Verhältn. Deuterosacharjas s. d. übrigen a. t. Weissagung. 41 


Propheten entlehnten, Gedanken für die letztere Aufgabe 
von gröfstem Werthe sein, da sie uns vielleicht den Be- 
weis liefern kann, dafs Deuterozacharja jünger als bestimmte 
andere Propheten ist !). 


I. Untersuchung des Verhältnisses, in welchem 
der Inhalt Deuterozacharjas zu der übrigen 
a. t. Weissagung steht. 


A. c. 9. 10. 


Wir stellen das Resultat unserer Untersuchung als 
These voran : Der gesammte Habitus der Weissagung 
Za. 9.10 ist im Allgemeinen nachezechielisch, im Besonderen 
nachexilisch. 

Wir mufsten es auf S. 23 f. unentschieden lassen, in 
welchem Verhältnisse die Besiegung der Söhne der Griechen 
9, 13 zu der Demüthigung Assurs und Aegyptens 10, 11 
steht. Mögen nun beide Verse ein und dasselbe Ereignils 
weissagen, oder mag, was uns wahrscheinlicher war, die 
Ueberwindung der Griechensöhne später fallen als die Assurs 
und Aegyptens und einen letzten vergeblichen Ansturm der 


*) Der Gedankenumfang der Weissagungen Deuterozacharjas deckt 
sich, vielmehr mit dem der jüdischen Apocalyptik als mit dem der 
Prophetie. Besonders frappant ist die Aehnlichkeit mit Or ac. Sibyll. 
IN, 652—794, vgl. Schtirer, neutestamentliche Zeitgeschichte. Lpzg. 
1874. 8. 567 f. Es genügt diesen Punkt hier zu streifen. Er ist bei 
Bestimmung der Abfassungszeit zwar nicht zu übersehen, aber doch 
nicht von entscheidender Bedeutung. Es gilt zudem zunächst den 
terminus zu finden, post quem Deuterozacharja geschrieben haben muls. 
Auf die mannigfachen Berührungen zwischen ihm und nachexilischem, 
selbst spät jüdischem Schriftthume werden wir in Abschnitt 8 noch 
zurückkommen. 





42 Stade, Deuterozacharja. 


Heidenwelt vorstellen, so haben wir hier jedenfalls einen § 
nachezechielischen Zug. Denn wenn nach 9, 12 nicht nur # 
Juda sondern auch Ephraim eine Waffe in Jahves Hand § 
zur Ueberwindung der Griechensthne ist, so ergibt sich, 
dafs die endgültige Ueberwindung der Weltmacht erst nach ¢ 
der Heimkehr Ephraims geschieht. Gott erscheint erst in; 
seinem Lande, nimmt es in Besitz und bewirkt Ephraims ; 
Heimkehr. Letztere vermittelt die Besiegung. In der vor- 
ezechielischen Weissagung ist es gerade umgekehrt. Die : 
endgültige Ueberwindung der Feinde Judas ermöglicht die 
Heimkehr der Zerstreuten !). Indem Gott den das zuge 
billigte Maafs überschreitenden Feind in die Hände seines 
Volkes gibt oder selbst gegen ihn einschreitet, bricht un- 
mittelbar die messianische Zeit an. Keinerlei vermittelnde 
Ereignisse schieben sich dazwischen *). Ja in der vorjere- 
mianischen Weissagung spielt die Heimführung Ephraims 
überhaupt keine Rolle. In Stellen wie Mi. 4,6. Nah. 2, 1—3. 
Zeph., 3, 8—20 ist kaum an sie gedacht. Für die Judäer 
bis auf Josia fällt, wie die Erzählung 2 Kö. 23 beweist, 
die Katastrophe des Nordreiches vom Jahre 722 durchaus 
nicht unter den Gesichtspunkt einer Zerstreuung der Nord- 
‘stimme und Hinwegtilgung derselben aus ihrem Lande, 
sondern unter den eines Unterganges des nationalen König- 
thumes und des Verlustes der Selbständigkeit. Nur ein 
Theil des Volkes ist ja überhaupt weggeführt worden, ein 
weit grifserer in den assyrischen Kriegen umgekommen, 
ein grofser aber im Lande sitzen geblieben. Diese sind 
immer noch die alten Stämme, nur dafs über sie ein assy- 
rischer Vasall als König herrscht. Diese Anschauungen er- 
leiden erst eine Aenderung infolge der deuteronomischen Be- 
wegung und, wiewohl die Einwirkungdieses zweiten Umstandes 





ee a DE ln. m. 


') Mi. 4, 6 ff Nah. 2, 1—8. Zeph. 8, 8—20. 
*) Vgl. Jes. 9, 1 ff. 10, 5—11, 16. 30, 27 ff. 81, 4—9. 88, 1 ff. 87. 
80—35. Micha 5, 2—14. Nah. 2, 1—8. 


Das Verbältn. Deuterosacharjas s. d. übrigen a. t. Weissagung. 43 


kleiner ist, infolge der’ sich verbreitenden Ueberzeugung, 
dafs auch Judas Untergang vor der Thür steht. Gleiches 
Unglück pflegt auch sonst Entfremdete wieder zu ver- 
anen !). Jetzt rückt der Untergang des nationalen König- 
thums, die Deportation der besten Stände des Volkes unter 
den Gesichtspunkt einer Strafe für den Bruch des mit 
Gott geschlossenen Bundes, einer Strafe, welche auch Juda 


treffen wird, da es sich nicht bekehrt. Jetzt ist kein 


Grund mehr vorhanden, hochmüthig auf den von Gott ge- 
straften Joseph herabzusehen. Und die Verheilsung der 
Propheten, dafs Gott sein Volk dennoch retten wird, wenn 
es sich bekehrt, gilt jetst auch diesem. Wie allen 
Stämmen die göttlichen Verheifsungen zu Theil geworden 
and, wie Gott ganz Israel aus Aegypten geführt, alle 
Stämme seinem Knechte David zum Reiche übergeben 
hat, so wird er auch sie alle heimführen, mit ihnen einen 
neuen Bund schliefsen, auf dafs sie alle in Zion ihren 
Mittelpunkt haben und Davids Haus über sie herrsche. 

Daher treten für Jeremia das Haus Israel und das 
Haus Juda beständig in Parallele 3, 8. 5, 11. 7, 15. 13, 11. 
23,1—8; ja es beginnt Israel überhaupt bei ihm erst eine Rolle 
zu spielen. Er ist der erste, welcher mit dürren Worten 
Ephraims Heimkehr und Wiederherstellung verkündet3, 11 ff. 
(23, 8); und wiesehr diese Gestaltung des jeremianischen Zu- 
kunftsbildes abhingig ist von den deuteronomischen Ideen 
lehren diejenigen Stellen, an welchen er am ausführlichsten 
davon handelt : c. 11, 1—11. c. 30. 31. c. 33, 6 ff. 

Ist also schon aus der grofsen Rolle, welche Ephraims 
Heimführung in Za. c. 9. 10 spielt, ganz im Gegensatze 
zu der landläufigen Kritik zu schliefsen, dafs dieser Ab- 
schnitt der Prophetie der assyrischen Zeit, überhaupt der 


!) Zu voller Wirkung kam dieser Umstand erst, nachdem auch 
Juda exilirt und damit Joseph gleichgestellt worden war. 


44 Stade, Deuterosacharja. 


vorjeremianischen nicht angehören kann, so ist noch leichter 
zu zeigen, dafs die Vorstellung von einem nach Ephraims 
Heimführung d. h. nach Wiederherstellung des gesammten 
Bundesvolkes erfochtenen Siege über die Heiden, durch 
welchen erst das messianische Reich endgültig begründet 
wird, erst mit Ezechiel aufgetreten ist. 

In jenen oben erwähnten Weissagungen Jeremias fällt 
mit der Wiederherstellung Ephraims und Judas der An- 
bruch der neuen Zeit zusammen. Diese Weissagungen sind 
vor der Katastrophe Jerusalems und des Tempels gehalten 
worden. Ganz anders aber urtheilt über diesen Punkt 
Ezechiel in den nach dieser letzteren geschriebenen Theilen 
seines Buches. Verzeiht nach Jeremia (31, 15—22) Gott 
Ephraim, weil es zur Einsicht seiner Sünden gekommen 
ist und sie reuig bekennt, so spitzt Ezechiel in seiner Aus- 
führung von der Schöpfung des neuen Israels durch Gott 
_c. 33—39 den jeremianischen Gedanken, dafs Gott seinem 
Volke liebevoll entgegenkommen werde, dahin zu, dafs er 
sein Volk, wiewohl es dies durch keine Herzensänderung 
verdient hat, der Gewalt der Feinde entreifsen, ihm sein 
Land zurückgeben, ihm die Sünden verzeihen und ein neues 
reines Herz verleihen werde. Nicht um des Volkes willen 
geschieht es also, vielmehr um Gottes selbst willen, dessen 
Namen seit Jerusalems und des Tempels Zerstörung unter 
den Heiden mifsachtet ist). Um die Heiden von seiner 
Macht zu überzeugen, wendet er die Geschicke des Volkes. 
Aber damit, dafs Israel wieder in seinem Lande wohnt, 
hat für Ezechiel Gott den Heiden noch nicht den unwider- 
leglichen Beweis geführt, dafs Jerusalem und der Tempel 
nur um deswillen in den Staub gesunken sind, weil Jahve 
dies als Strafe für die Sünden seines Volkes verhängt hat. 
Dafs Jahve selbst Israel in die Hand der Feinde gab, 
werden die Heiden erst recht erkennen, nachdem Gott die 


!) Vgl. Smend's Ausführungen zu Ez. 38—39. 





Des Verkältn. Deuterosacharjas s. d. übrigen a. t. Weissagung. 45 


gen die heilige Stadt anstiirmenden Schaaren Gogs ver- 
htet haben wird. Durch Gogs Ansturm ist von neuem 
s Volk in die Gefahr des Unterganges versetzt worden, 
e zur Zeit seiner Bewältigung durch die Chaldäer. Und 
rar ist die Grefahr des Unterganges viel grölser, denn 
cht das einzelne Volk der Chaldäer sondern Völker von 
len Enden der Erde her haben sich aufgemacht, um 
ider Gottes Volk zu streiten. Vermag Gott in dieser 
hlimmsten Gefahr sein Volk zu retten, so ist damit er- 
esen, dals er es auch in der kleineren Gefahr, welcher 
| einst erlegen ist, hätte retten können, wenn er gewollt 
itte. Damit ist Gottes geschädigte Ehre aufs glänzendste 
ieder hergestellt. 

Der Umstand, dafs Ezechiel nach Israels Wiederher- 
tllang einen endgültigen Sieg über die Heidenwelt er- 
artet, erklärt sich sonach lediglich aus der Stellung, 
reiche Ezechiel zu der Katastrophe Jerusalems und des 
‘anpels einnimmt. Sie ist abhängig von dem ihn beherr- 
chenden und daher auch c. 39 schliefsenden Gedanken, 
als Gottes Ehre dadurch geschädigt worden ist und durch 
nen glänzenden Erweis seiner Macht wiederhergestellt 
erden mufs. Diese Voraussetzungen fehlen bei Deutero- 
wharja gänzlich. Nichts konnte ihn hindern, die Heim- 
thr Ephraims als Folge der Besiegung der Griechensöhne 
ıfzufassen. Indem er sich in so äufserlicher Weise ohne 
ırch einen inneren Grund gezwungen zu sein in der Auf- 
nanderfolge seiner Erwartungen an Ezechiel anschliefst, 
weist er seine Abhängigkeit von letzterem. 

Weiter aber mufs zwischen Ezechiel und Deutero- 
charja das Exil liegen. Für Ezechiel handelt es sich um 
Tiederherstellung des Hauses Israel unter einem Könige 
ırch gemeinsame Zurückführung und Vereinigung Judas 
id Josephs. Beide haben genau das gleiche Geschick, 
ie sie jetzt im gleichen Unglücke schmachten. Für Deu- 
rozacharja aber handelt es sich um Befreiung Ephraims 


46 Stade, Deuterosacharje. 


durch Juda. Juda sitzt also im Lande und zwar nicht 
noch im Lande, sondern wieder im Lande, da die Weis- 
sagung, wie eben bewiesen, jünger als Ezechiel ist. 

Sonach erweist schon eine allgemeine Vergleichung 
des Inhaltes von Za. 9. 10, dafs dieser Abschnitt nicht 
nur nachezechielisch, sondern auch nachexilisch ist. Noch 
präcisere Resultate gewährt eine Vergleichung der ein- 
zelnen Theile dieses Abschnittes mit den übrigen prophe- 
tischen Schriften. Sie lehrt nicht nur, dafs Deuterozacharja 
in c. 9. 10 bestimmte jeremianische und ezechielische W eis- 
sagungen wieder aufnimmt, sondern zeigt, dafs er im Ge- 
danken und noch weit mehr im Ausdrucke fast Vers für 
Vers von älteren Propheten abhängig ist. Diese Capitel 
sind eine Mosaik, in welcher bestimmt nachweisbare ältere 
Stellen die in den Mörtel eingelassenen Steine bilden. 
Losgerissen aus ihrer Umgebung und in eine neue, viel. 
fach nicht naturgemifse gebracht, zeugen sie überall laut 
und lebhaft gegen den, welcher aus alten Trümmern einen 
Neubau schichtete. 

Den Manipulationen des Verf. werden wir am sichersten 
folgen, wenn wir c. 9. 10 in kleinere Abschnitte zerlegen. 
Es wird das die Untersuchung wesentlich erleichtern. 


a. © 9, 1—8. 


Diesen Abschnitt baute der Verf. auf Grund der Stelle 
Am. 1, in deren Darstellung er jedoch Entlehnungen aus 
verschiedenen andern Stellen der Propheten einflocht. Am. 1 
wie hier beginnt die Weissagung mit einer Bedrohung der 
Stadt und des Landes Damaskus. Aber während Amos 
keine geographische Ordnung einhält, vielmehr auf Da- 
maskus folgen läfst Philistäa, dann Tyros, hierauf Edom, 
Ammon und in c. 2 weiter Moab, Juda, Israel, schweigt 
Deuterozacharja von Edom, Ammon, Moab, Israel ganz, 
läfst auf Damaskus zunächst Hamath, dann Sidon und 


Das Verbältn. Deuterosacharjas s. d. übrigen a. t. Weissagung. 47 


Tyros und hierauf erst Philistiia folgen. Auch ist insofern 
der Inhalt von Za. 9, 1—8 ein anderer, als den genannten 
Ländern nicht nur Kriegsunglück angedroht, sondern zugleich 
ihre Besitznahme durch Jahve angekündigt wird. Damit 
hängt zusammen, dafs Juda nicht bedroht wird, sondern 
die Verheilsung besondern göttlichen Schutzes empfängt. 
Sonach erwartet Deuterozacharja einen Kriegszug, welcher 
von Nordosten herginbricht, während Amos den Nach- 
barvölkern Israels wie diesem selbst Gottes Zorn ankündigt, 
ohne an einen bestimmten Kriegszug zu denken, welcher 
sie etwa gleichzeitig verwüstete. 


Deuterozacharja bringt aber nicht nur die bei Amos 
entlehnte Scenerie in anderm Zusammenhange und anderer 
Anordnung, er ändert auch die von letzterem ausge- 
ß enen Drohungen im Einzelnen ab. Am. 1, 9. 10 
sagt : 

Also sprach Jahve : ob der drei Sünden von Tyros 
Und ob der vier will ich es nicht zurücknehmen, 
Weil sie auslieferten eine vollzählige Gefangenenschaar an Edom 
Und des Bruderbundes nicht gedachten, 
So will ich Feuer senden an Tyros’ Mauer, 
Dafs es seine Paläste fresse. 
Dagegen lesen wir Za. 9, 2 —4: 


Tyros und Sidon, denn es ist sehr weise, 
Und es baute sich Tyros eine Burg, 

Und häufte sich Silber wie Staub 

Und Gold wie Gassenkoth. 

Siehe der Herr wird sie einnehmen lassen. 
Auf dem Meere schlägt er ihre Macht (5979). 


Sie aber wird mit Feuer verbrannt werden. 


Doch ist dasjenige, was Deuterozacharja abweichend 
von Amos über Tyros und Sidon verkündet, durchaus 
nicht ganz sein geistiges Eigenthum. Er ist nicht von 
selbst auf diese Züge der Beschreibung verfallen. Viel- 
mehr characterisirt er beide auf Grund der Schilderung, 
welche er Ez. 28 von Tyros fand. Zu der Hervorhebung 





48 Stade, Deuterosacharja. 


der Weisheit und des Reichthums von Tyros ward er an- } 
geregt durch v. 3. 4 jenes Abschnittes : 


Siehe, du bist weiser als Daniel, 
Nichts Verborgenes entgeht Dir. 
Durch deine Weisheit und Klugheit erwarbst du dir Vermögen (9), 


Erwarbst Gold und Silber in deinen Schatshäusern 
Durch deiner Weisheit Fülle, durch deinen Handel machtest du großs 


dein Vermögen (5179), 
Da blähte sich dein Herz ob deines Vermögens. 

Wenn jedoch Deuterozacharja dem nach Ez. 28, 3. 4 
als weise beschriebenen Tyros androht, dafs seine Macht 
auf dem Meere geschlagen werden soll, so hat ihm hierba 
die Drohung Ez. 28, 8 vorgeschwebt : 

Und du stirbst den Tod Erschlagener im Herzen des Meeres. 


Er gebraucht dabei das ihm durch Ez. 28, 3. 4 an die 
Hand gegebene Yırj, welches dort Vermögen bedeutet, in 
der Bedeutung Macht, ohne Zweifel um bei dem mit Ez. 28 
vertrauten Leser den Eindruck eines Wortspieles hervor- 
zurufen. 

Auch, dafs er abweichend von Amos Sidon an Tyros 
angegliedert hat, war ihm durch Ez. 28, 20-23 an die 
Hand gegeben. Aber während Ezechiel eine besondere 
Drohung gegen Sidon ausstöfst, nennt Deuterozacharja das- 
selbe nur beiläufig mit; ja es wird nicht einmal das zu 
behaupten sein, dafs er das von Tyros Ausgesagte mit auf 
Sidon bezogen haben wolle. Vielleicht darf man daraus 
schliefsen, dafs Sidon zu seiner Zeit eine sehr bescheidene, 
hinter der von Tyros erheblich zurückstehende Rolle spielte, 

So bleibt denn, da die Verzehrung durch Feuer stehende 
Drohung bei Amos ist, als geistiges Eigenthum Deutero- 
zacharjas an diesem Abschnitte nur übrig einmal de 
Grundgedanke, dafs Gott diese Heidenländer in Besits 
nimmt, dann der Vergleich der von Tyros gesammelten 
Schätze mit Staub und Gassenkoth, endlich aber der Aus- 
druck 9 is is Jam, welcher zugleich eine Paronomasie 


| —— 


Das Verhältn. Deuterozacharjas zur a. t. Weissagung. c. 9. 49 


(ex) und einen Doppelsinn (isn 1. Veste, 2. Belage- 
rung) enthält. 


Desto genauer hält sich nun Deuterozacharja bei der 
Bedrohung Philistäas v. 5—7 an die Grundstelle bei Am. 
1, 6-8. Eigenthümlich ist ihm die Verknüpfung mit dem 
vorhergehenden, nämlich der Gedanke v. b*, dafs Philistäa 
ob des über Phönicien gekommenen Unwetters, welches 
sich jetzt weiter südwärts zu wälzen droht, erschrickt !). 
Können wir ihm nun auch den Ausdruck dieses Gedankens 
vom Wortspiele x) opwe xım an bis auf jf py) als 
Eigenthum zuerkennen, so wird doch bei 939 WRN? 
eine Reminiscenz an Jes. 20, 5 vorliegen. Denn ein 920 
Ekrons ist vorher nirgends genannt worden, auch nach 
Lage der Sache eine derartige Nennung nicht zu erwarten. 
Weiter aber stellen v. 5°—7 nur eine eigenthtimliche Um- 
bildung und Neuanordnung der Gedanken von Am. I, 7. 8 
vor. Eine Gegenüberstellung beider Stellen belehrt sofort 
über das hierbei von Deuterozacharja eingeschlagene Ver- 


fahren. 
Am. 1, 7. 8. Za. 9, 6°—7. 
mu npina we mar mye dy IH 
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") Geringes Gewicht lege ich darauf, dafs sowohl Amos als Deutero- 
racharja von den Städten der philistäischen Pentapolis nur die vier : 
Gasa, Asdod, Askalon, Ekron aufzählt, von Gath aber schweigt. Da 
auch Zeph. 3, 4. Jer. 25, 20 also verfahren, so könnte man daraus 
schliefsen, dafs Gath damals nicht mehr oder doch nicht mehr als 
philistäische Stadt bestand. Bei der Natur des Verhältnisses, welches 
zwischen Deuterozacharja und der tbrigen a. t. Weissagung besteht, 
ist es mir jedoch nicht zweifelhaft, dafs er Gath nur deshalb nicht 
nennt, weil er es an jenen Stellen nicht vorfand. 
Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 1. 1881. 4 


50 . Stade, Deuterosacharja. 


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Beide Stellen beginnen mit Gaza, schliefsen mit Ekron. 
Dagegen hat Deuterozacharja die Reihenfolge Asdod, As- 
kalon vertauscht. Ebenso hat er das von Amos über die 
einzelnen Städte Ausgesagte je auf andere übertragen. 
Seine Weissagung YY 799 2 ist aus DIY main (TEN) 
open bei Amos geflossen ') und eben deshalb, was zu 
beachten wichtig ist, für die Bestimmung der Abfassungs- 
zeit des Orakels werthlos *). Umgekehrt droht Deutero- 
zacharja das Am. 1, 7 der Stadt Gaza Angedrohte seiner- 
seits v. 6* der Stadt Askalon. Für Asdod findet sich bei 
beiden die gleiche Drohung, denn das : „es soll der Mamser 
in Asdod wohnen“ ist nur die Positive der Negative bei 
Amos : „ich will die Bewohner aus Asdod ausrotten.* Dem 
von Amos gleichfalls bedrohten Ekron jedoch wird vom 
Verf. keine Drohung zugerufen, vielmehr ihm freundliche 
Aufnahme in Juda verheifsen. Dieses auf den ersten Blick 
sehr befremdliche Verhiltnifs aber erklärt sich völlig aus 
dem Umstande, dafs der Verf. den Schlufs der Drohung 


ı) Vgl. auch Am. 2, 2. 8. 


*) Es ist daher durchaus unnöthig, sich mit Köhler, Nach- 
exilische Propheten, 8. 8. 29 Anm. darauf zu berufen, dafs Hogesias 
von Magnesia (Arrian ed. Dibner 2, 8. 142) in derSchilderung der Er- 
oberung Gazas durchAlexander erzählt, Leonnatos und Philotas hätten den 
Baordevc Gazas gefangen genommen. Abgesehen davon, dafs dem die 
übrigen Nachrichten auf's Bestimmteste widersprechen und jenes Baccievc 
aus einer Verderbnifs der Stelle erklärt werden kann, s. Droysen, J.G., 
Geschichte des Hellenismus I, 1*8. 298, ist Hegesias ein höchst bedenklicher 
Zeuge. Ueber seinen Leumund als Historiker vgl. A. Gellius, attische 
Nächte, 9, 4. Droysen, a. a. O. 8. 801. 





ee en 


Das Verhältn. Deuterosacharjas sur a. t. Weissagung. c. 9. 51 


des Amos ovny/p Mey TDN) in noch näherzu erläuternder 
Weise umdentet. 
Es ist diese Umdeutung der Drohung des Amos, und 
wir stofsen hier abermals auf eine sich immer wieder- 
holende Eigenthümlichkeit der Schriftstellerei unsers Ver- 
fassers, abhängig von dem Einflusse anderer Schriftsteller, 
und zwar zunächst von Jer. 25, 20 mırnm ype ny) 
ap med na) py hay. In den Gedanken des Verf. 
hat sich dem O'MYIH mw? des Amos der IWR NY 
des Jeremias untergeschoben. Doch das betrifft nur das 
Aeufserliche. Ihm eigen ist die der Meinung des Amos wie 
Jeremias widersprechende Umbiegung des Gedankens, dafs 
der Rest von Asdod nicht ausgerottet wird, sondern ein Jahve 
heiliger Rest sein soll. Dies besagen die Worte "2 
urd ammo. Sonach überträgt Deuterozacharja auf jene 
Philister dasjenige, was die ältern Propheten, insonderheit 
Jesaias, von dem das Gericht Jahves bestehenden Reste 
Israels erwarten. Für ihn kommen nicht die Philister 
überhaupt um, sondern es gehen nur einzelne ihrer Städte 
sa Grunde und damit auch ihr Hochmuth. Dies aber 
drückt er mit dem bei Amos vorgefundenen Mm aus. 
‚ In Uebrigen beginnt er wie Amos mit Yıiayim so seiner- 
. mits mit 479M), stellt aber 277 an das Ende. Dafs er 
als Bedingung dafür, dals die im Gerichte behaltenen Be- 
wohner Asdods, welchen er am Schlusse die Ekroniten bei- 
geellt, eine Gott heilige nm werden sollen, ihre Bekeh- 
rung hinstellt, ist selbstverstiindlich. Characteristisch aber 
ist es für den Verf., daß er an ihrem Götzenopferfleisch 
Anstofs nimmt und nicht die Asdodäer selbst, sondern den 
dort künftig wohnenden Mamzer in die Gemeinde kommen 
läßst '). 


ı) Nach dem vorliegenden Befunde ist Hengstenberg völlig im 
Unrechte, wenn er Christologie 8, 1° 8. 846 behauptet : „Zacharja 
4* 





52 Stade, Deuterosacharja. 


Weshalb Deuterozacharja eine Verheifsung für Jude! 
bringt, sahen wir bereits. Wenn er aber Gott sich als 
schützenden Wall um Jerusalem lagern lälst, so spielt ®. 
an auf die Weissagung Jes. 29, 3 may Toy WD mp 
ayo 7'2y. Was dereinst zur Zuchtigung der Stadt verheifsen 
wurde, erfüllt sich dann zu ihrem Heile. Seine nächste Ans 
logie aber hat dieser von Deuterozacharja hier ausge- 
sprochene Heilsgedanke an der exilischen und nachexilischen 
Weissagung. Jes. 52, 1 : Denn nicht mehr werden ferner 
: Umbeschnittene und Unreine dich betreten. Joel 4, 17: 

Jerusalem aber wird haslig sein und Fremde nicht mehr in 
dasselbe dringen. Aber auch zu diesen Gedankenreihen hat 
Ezechiel den Anstofs gegeben, vgl.44,9 : So spricht Herr 
Jahve : kein Fremder unbeschnittenen Herzens und wnbe- 
schnittenen Fleisches soll mehr in mein Heiligthum kommen 


u. & W. 


b. 9, 9—10, 2. 


In diesem Abschnitte verhält sich der Verf. wesentlich 
selbständiger als im vorhergehenden. Doch verräth sich 
auch hier an zahlreichen Stellen Bezugnahme auf jeremis- 
nische, ezechielische und deuterojesajanische Ideen. Ds 
neben sind Anspielungen auf Micha, sowie auf Stellen de 
Pentateuches und des Samuelisbuches glaubhaft zu machen. 


Wesentlich beeinflufst worden ist zunächst der Verf. 
durch den Abschnitt Jes. 61—63. Auch seine Aufgabe ist 
es ja : Gefangenen Freilassung anzukündigen und Gebwr- 
denen Kerkersöffnung, ein Gnadenjahr von Jahve ansukin- 
digen und einen Rachetag von unserm Gotte, alle Traurige 
zu trösten, zu reichen Zions Traurigen, zu geben einen 


Oe 


schliefst sich hier zunächst an Jeremias an, das letzte Glied in der 
prophetischen Kette, in das er einzugreifen hatte.“ 





Das Verhältn. Deuterosacharjas zur a. t. Weissagung. c.9. 63 


Kopfschmuck statt der Asche, Freudenöl statt Trauer, Ruhmes- 
mküllung statt matten Geistes u. 8. w. Jes. 61, 1—3 vgl. 
wach 42, 7. Nach seiner Methode stellt auch hier Deutero- 
mcharja den Schluß und Gipfel seiner Weissagung mit 
%, 9 voran. Er hat ihn geformt nach Jes. 62, 11 ox 
a Aer mF Wy-ma>. Doch ist der Gedanke selbst Wie- 
deraufmahme der jeremianischen Weissagung vom Mmpy 
8, 5. 6 : Siehe Tage kommen, Ausspruch Jahves, YWionT 
O2: RR TRIN OPYD Nyy aig aye eA pas mag TP 
nah py been pm yyy Nur bringt Deuterozacharja 
dadurch einen neuen Zug hinzu, dafs er den Messias als 
pag durch den von ihm mit Gottes Hülfe über den Feind 
erfochtenen Sieg erwiesen werden läfst. Die Veranlassung 
sa dieser Umbiegung war vielleicht Reminiscenz an die 
beiden Stellen Jes. 61, 10 yoy as Syn vera yyrpon 
md 45, 21 pins EN 

Dafs dieser messianische König aber ‘yy sein und auf 
enem Esel reiten soll, halte ich im Hinblick auf 12, 7 für 
ane recht bezeichnende Umbiegung der Weissagungen 
Jer. 17, 25. 22, 4, dafs, wenn Davids Haus auf Gottes 
Gebot hört, durch die Thore des königlichen Palastes 
Davids Nachkommen beständig einziehen sollen sm Wagen 
fahrend und zu Rols. 

Dieser König ist, wie der eben besprochene Zug be- 
weist, ein Friedenskönig. Er rottet daher in seinem Volke 
die Kriegswerkzeuge aus, v. 10, deren es ja nach endgül- 
tiger Ueberwindung der Heidenwelt nicht mehr bedarf. 
Der Gedanke, daß in der messianischen Zeit die Werk- 
seuge des Krieges überflüssig werden, ist ein alter. Er 
findet sich schon bei einem der älteren Propheten der 
assyrischen Zeit, an dessen Wort sowohl Jesaias als auch 
Micha ein Orakel angeknüpft haben, Jes. 2, 4. Mi. 4, 1, 
ferner Mi. 5, 9. Bei der durchgängigen Abhängigkeit 
Deuterozacharjas von älteren Propheten wird man mit der 
Meinung wohl nicht fehlgreifen, dals sein : „er wird 


o-4 Stade, Deuterozacharja. 


ausrotten die Wagen aus Ephraim und die Rosse aus Jeru- — 
salem* auf einer Reminiscenz an jenes Wort Michas be | 
ruht : „ich will ausrotten deine Rosse aus deiner Mitte und 
deine Wagen vernichten.“ Wihrend aber Micha 5, 10 fort 
fährt : „ich rotte aus die Städte deines Landes und reife ~. 
ein alle deine Festungen“, so bietet dafür Deuterozacharja 
einen andern Zug. Er fährt fort : es wird der Kriegsbogen 
ausgerottet werden. Hat auch dieses Wort an jener oben- 
genannten Stelle eines alten Propheten inhaltlich seinen 
Vorgang, so wird man doch hier eine Beeinflussung De- 
terozacharjas durch dieselbe nicht anzunehmen haben. 
Denn derselbe deutet Michas Wort in einer auf seine Zeit 
passenden Weise um. Da sein Volk aufser Jerusalem 
keine festen Städte mehr hat, so mufs er es ebenso durch 
etwas anderes ersetzen wie er Michas Wort von der Ab- 
schaffung der Abgötterei und Zauberei weglassen mufs, da 
diese Züge bei der nachezechielischen Gestalt seiner mes- 
sianischen Erwartungen an diese Stelle nicht passen. Die- 
selben wären vielmehr bei dem 10, 3 Geweissagten mit zu 
bringen gewesen. Die Worte verrathen sich aber auch 
durch die Form als Eigenthum Deuterozacharjas. Er ge 
braucht einmal vom Bogen m3) mit Rücksicht auf das 
vorausgehende M2", dann aber ist ihm der Ausdruck 
mondo hwp eigenthümlich. Er findet sich aufser hier nur noch 
10, 4. Es sieht fast danach aus, als habe der Verf. dar 

. tiber reflectirt, dafs ja keine Veranlassung sei, den Jagdbogen 
mit auszurotten. 

Auch weiterhin noch verrathen sich die Worte De- 
terozacharjas als Wiederaufnahme und Umdeutung der 
Weissagung Michas. Denn die Weissagung, dafs der Me- 
siaskönig den Heiden den Frieden vermitteln werde, ist 
nur die erfreuliche Kehrseite der Drohung Michas 5, 14: 
„ich übe in Zorn und Grimm Rache an den Völkern, 
welche nicht hörten.“ Es ist nicht nöthig, dafs Israel über 








ee 


Das Verhältn. Deuterosacharjas sur a. t. Weissagung. c. 9. 55 


die Heiden falle wie der Thau oder der Junglöwe in die 
Hürde, Mi. 5, 6—8, da sie sich freiwillig fügen '). 

v. 11. 12 weissagt Deuterozacharja den im Auslande 
befindlichen Gefangenen die Erlösung aus der Gefangen- 
schaft um des Bundeshlutes willen. Er spielt an auf die 
Stelle des Bundesbuches Ex. 24,3—8. In der Darstellung 
der Gefangenschaft als einer Grube ohne Wasser kann 
man eine Reminiscenz aus Jer. 38, 6 oder Gen. 37, 24 
eblicken. Doch liegt es näher, an deuterojesajanische 
Stellen wie 42, 7.22.61,1 zu denken. Denn dals sich Deu- 
terosacharja hier im Gedankepkreise Deuterojesaias be- 
wegt, ersehn wir aus der v. 12 den Gefangenen gegebenen 
Verheifsung, dals ihnen jeder Tag der Gefangenschaft 
doppelt gelohnt werden soll. Dieselbe hat zum Vorbilde 
Jes. 61, 7 : „statt der Schande wird euch Doppeltes und 
satt der Beschimpfung jubeln sie ob ihres Theiles, darum 
werden ste Doppeltes in ihrem Lande in Besitz nehmen, 
wige Freude wird ihnen sein.“ Verkiindet doch jener 
Prophet gleich im Anfange seines Buches, dafs Jerusalem 
Doppeltes für seine nun gebülsten Sünden empfängt 40, 2. 

v. 14 ist interessant, weil in ihm zwei Vorstellungen 
sussmmengeflossen sind. Nach der alten Sitte, den Ein- 
bruch eines Feindes in das Land durch aufgestellte Paniere 
und Posaunenschall zu melden, erscheinen beide häufig als 
Signal der bevorstehenden Wendung oder des anbrechen- 
den Strafgerichtes. Am. 3, 6. Jes. 18, 3. Hos. 5, 8. 8, 1. 
Jer. 4, 5. 19. 21. 6, 1. 17. 51, 27. Ez. 33, 3. 4. Joel 2, 1. 
Der Tag Jahves ist der "Pd Di‘ Zeph. 1,16. Wenn Gott 
die Diaspora aus Assyrien und Aegypten sammelt, so wird 
m die grofse Posaune gestofsen Jes. 27, 13. Ebenso 
verbreitet ist die Vorstellung, dafs Gott mit Gebrüll zum 


2) Die Worte YR “DON TY MD OY OD kehren wieder in 
dem späten wy 72, 8. Ich vermag keinen Grund su finden, welcher 


die Priorität von w 72, 8 erwiese. 





56 Stade, Deuterozacharja. 


Gerichte erscheint : Am. 1, 2. vgl. 3, 8. Hos. 11, 10: 
Jes. 17, 13. 30, 30. 33, 3. 50, 2. Jer. 25, 30. Joel 2, 11. 4, 16, 
wy 2,51). Sie geht zurück auf die alte, mythologische 
Vorstellung, dafs der Donner Gottes Stimme, die Blitse 
die von ihm nach seinen Feinden geschleuderten Pfeile 
Jer. 10, 13. 51, 16. » 18, 8—16. 29, 3 ff. 77, 18 f. Hiob 
37, 2 oder Speere sein Hab. 3, 10. 11. Verräth sich nun 
schon dadurch der Verf. als Nachahmer, dafs er von Gott 
Pfeile wie Blitze ausgehen läfst, so weiter durch die Ver- 
schmelzung beider Bilder, so dafs nun der Donner als Po- 
saunenschall erscheint. Zu letzterem konnte er dadurch 
veranlafst werden, dafs Posaunenschall das Signal zum Be- 
ginne der Schlacht gibt 1 Sa. 13, 3. 2 Sa. 2, 28. 18, 16. 
(20, 1.22) und Jahve hier sein Volk zum Siege führt. Auch 
Zeph. 1, 16. Jes. 27, 13 konnten ihm den Posaunenschall 
an die Hand geben. Doch glaube ich, dafs der nächste 
Grund zur Verschmelzung beider Bilder in einer Einwir- 
kung der Stelle Ex. 19, 16—19 zu suchen ist. Dort 
finden sich die beiden hier verschmolzenen Bilder getrennt 
neben einander. Wie damals also Jahve über seinem am 
Berge Sinai stehenden Volkeerschienen ist unter Donner und 
Blitz, dichter Wolke und starkem Posaunenschall, so win 
er nochmals über ihm erscheinen, um es zur Ueberwin- 
dung der heidnischen Weltmacht zu führen. Daraus aber, 
dafs dem Verf. die Erscheinung Jahves am Sinai vorge 
schwebt hat, erklärt sich weiter, dafs er Gott auch hier 
mn nnyo> einherschreiten lifst. Ri. 5, 4 f. Dt. 33, 2°). 

In v. 15 befremdet nicht nur, dafs die siegreichen 
Israeliten das Blut ihrer Feinde trinken sollen, sondern 
dafs sie von ihm voll werden sollen wie die Opferschale, 
wie die Ecken des Altares. Der letztere Vergleich erklärt 


!) Weiteres s. de Isaise vaticiniis Aethiopicis, 8. 80 ff. 
*) Dieser Sachverhalt zeugt gegen LXX éy odip dneuing adrou 


Te rt 7, 


Das Verhältn. Deuterozacharjas zur a. t. Weissagung. c. 10. 57 


sich nur daraus, dafs Deuterozacharja hier nach dem Vor- 
bilde älterer Propheten Jes. 34,6. Zeph. 1,7. Jer. 46, 10. 
Es. 21, 15 ff. 39, 17 ff. die Niederlage, welche. Gott unter 
den Feinden anrichtet, als ein Opfer ansieht. Während 
Es. 39, 17 ff. die Vögel des Himmels als Gäste zu Gottes 
grofsem Opfer geladen werden, sind hier die Israeliten die 
Gäste. Darin aber, dafs der Gedanke des Opfers nicht ausge- 
sprochen, sondern nur auf ihn angespielt wird, verräth sich 
Deuterozacharja deutlich als Nachahmer. v. 15 ist eben 
nur für den voll verständlich, welchem aus den betreffenden 
Stellen der Propheten die Darstellung des Gerichtes über 
die Heiden unter dem Bilde eines Opfers geläufig ist. 

Eigenthümlich ist dagegen dem Verf. der Vergleich 
der von Israel niedergetretenen Feinde mit Schleuder- 
steinen. Damit hängt zusammen, dafs v. 16 die Israeliten 
mit Kronensteinen verglichen werden, während sie Jes. 62, 3 
mit einer prächtigen Krone und einem königlichen Kopf- 
bund vergleicht. Wenn er vorher Gottes Verhiltnifs zu 
ihnen mit dem des Hirten zur Heerde vergleicht, so ist 
das vielleicht schon mit veranlafst durch c. 10. 11, wo 
dieser Vergleich weiter durchgeführt wird. Es ist ein alter 
Vergleich Gen. 49, 24 Nachdem er jedoch durch Jer. 
c. 23, Ez. c. 34, Deuterojesaias (40, 11. 63, 13 ff.) und den 
exilischen Propheten, welcher Micha 7, 14 spricht, geläufig 
geworden ist, wird er ein stehender Vergleich der nach- 
exilischen Dichter '). 

Auch in 9,17 und 10, 1 entfernt sich Deuterozacharja 
nicht wesentlich von den Gedanken der tibrigen Propheten. 
Der a. t. Weissagung ist die Hoffnung geläufig, dals Gott 
in der messianischen Zeit das heilige Land mit besonderer 
Fruchtbarkeit schmücken werde. Am. 9, 13. Hos. 2, 23 ff. 
Jes. 4, 2. 30, 23. Jer. 31, 12 ff. Ez. 34, 26. 27. 36, 29 ff. 


!) Hierüber wird noch weiter unten zu reden sein. 





58 Stade, Deuterosacharja. 





Joel 4, 10, wie andererseits in der prophetisch-gesetali 
Ermahnung der Erntesegen als Lohn der Gesetzeserfül- 
lung verheifsen wird : Dt. 11, 14 f. Mit letsterer 8 
aber auch mit Jes. 30, 23. Jer. 31, 12 ff. Ez. 34, 26 f,, be =: 
rührt sich unsere Stelle auch im Ausdrucke. Eigenthümlieh : 
ist ihr die Verheilsung, dafs die vegetabilische Frucht- 
barkeit des Landes im Israel der messianischen Zeit Manner 
kraft und Frauenschöne erzeugen werde. Es ist eine rich 
tige und sinnig empfundene Consequenz der prophetischen 
Erwartung von der Fruchtbarkeit des Landes in der me- 
sianischen Zeit. Sie erinnert aber, und deshalb gehe ich - 
auf diesen Zug näher ein, an Stellen nachexilischer, wahr- 
scheinlich aus den Zeiten der milden Ptolemäerherrschaft 
herrührender Psalmen, wie py 127, 3 ff. 128, 3. 144, 12, 
aus welchen die Freude über die Jugendkraft des heran- 
wachsenden Geschlechtes hervortönt und in welchen da 
Geschenk einer gesunden und kräftigen Nachkommenschaft 
als ein besonderer Gottessegen empfunden wird. Namentlich 
wp 144, 12 ist unserer Stelle verwandt. Dem Gedanke 
nach, denn auch dort erscheint die Frauenschöne neben 
der Manneskraft im Preise des heranwachsenden Ge 
schlechtes, aber auch der Form nach : es sind die beiden 
einzigen Stellen des A.T., in welchen sich das aramäische 
Fremdwort nim findet. 

Besonders auffällig ist die Abhängigkeit Deutero- 
zacharjas von älterem Schriftthum in 10, 2. Dals die 
Israeliten, statt auf die Worte der Propheten zu hören, 
sich über Gottes Willen und die Geheimnisse der Zukunft 
lieber bei falschen Propheten und in der Weise der Heiden 
bei Zauberern, Todtenbeschwörern u. s. w. zu unterrichten 
suchen, ist eine alte Klage der Propheten : Jes. 2, 6. 8, 19. 
57, 3. Jer. 7, 4. 14, 13. 23, 25 ff. 27, 9. 29, 8 f. Es. 13, 9. 
22, 28. Mi. 3, 6 f. 5, 11. Am meisten berührt sich unsere 
Stelle mit Jer. 29, 8 f. Diese hat Deuterozacharja mög- 
licherweise vorgeschwebt. Sicher aber daneben 1 Sa. 15, 23. 


In jener Erzählung von Sauls Verwerfung durch Samuel 
sus Anlafs der Verschonung des Amalekiterkinigs Agag, 
deren literarisches Verhältnife zu den übrigen. Traditions- 
schichten unlängst Wellhausen in seiner trefflichen Ana- 
lyse der Bücher Samuelis !) richtig skizzirt hat, werden 
v. 23 dem Seher die Worte in den Mund gelegt : ‘9 
WOT OPEN Im "m Dop"namn. An dieser Stelle ist, wie 
Wellhausen richtig gesehen hat, DOM WM nur euphe- 
mistische Umschreibung von DM 1ER, welche zu den 
stehenden Einrichtungen des altisraelitischen vorprophe- 
tischen Cultus gehörten *). Das drastische Urtheil, welches 
ususgesprochen in der Wortverdrehung OM PW über 


') Bleek, Einleitung i. d. A. T. Berlin 1878. 4. Aufl. 8. 215 f. 
*) Beiläufig sei bemerkt, dafs auch Hos. 8, 4 TION 7230 2} 
DOM Einrichtungen der Jahveverehrung und nicht der heidnischen 


Gottesverehrung sind. Freilich ist das eine Jahveverehrung, welche 
Hesea dem Heidenthume gleich achtet. Es entspricht der Zustand des 
Volkes Israel, welches ohne König, Beamten, Opfer u. s. w. viele Tage 
ütsen soll, genau dem Zustande des ehebrecherischen Weibes des Pro- 
pbeten, welches der letztere zurückgekauft hat. Dasselbe soll sitzen 
viele Tage und entbehren 1) den Umgang seiner Buhlen, 2) den seines 
alten Ehemannes, welcher sich seiner zwar erbarmt aber es noch nicht 
wieder in die Rechte einer Ehegattin eingesetzt hat. Sonach mulfs 
auch von Israel irgendwie gesagt sein, dafs es Jahve, seinem Ehe- 
msnne, nichts sein wird. Darin, dafs es der frühern staatlichen Ord- 
nung entbehrt, kann das nicht stecken. Denn die Königswahl war für 
Hosea ein Abfall des Volkes gleich wie der heidnische Cult 8, 4. 9, 9. 
15. 10, 9. 18, 10. Es kann das Fehlen von König und Beamten so- 
nsch nur dem Nichtverkehren des zurückgekauften Weibes mit seinen 
Buhlen gleichgesetzt werden. Wir können daher das dem moe UN 29) 


Entsprechende nur in dem Feblen von Opfern, Malsteinen, Ephod 
und Teraphim finden. Diesen seinen Jahvecultus, welchen der Pro- 
phet ja freilich dem heidnischen gleich werthet, wird es entbehren. 
Usberhaupt kommt das Ephod allein wie in Verbindung mit Teraphim 
our als Einrichtung des altisraelitischen Cultus vor. Und dafs auch 
die 939 eine solche war, lehrt die Väter- und Stammsage. Dals 


alles dies auch Einrichtungen der kananäischen Gottesverehrung waren, 
ist freilich a priori gewils, aber für unsere Frage nebensächlich, 


Das Verhältn. Deuterosacharjas sur a. t. Weissagung. c. 10. 59 


60 Stade, Deuterozacharja. 


die Befragung des Ephod oder des Ephod und der Teraphim 
steckt, spricht der Verf. direct aus, wenn er aus jenen 
Worten den Satz bildet 1x 117709 mn'). Das vorausgehende 
“WO Dpn-nnwm ‘> aber bildet er zu pp nn OOM um. 
Für dieses Verhiltnifs beider Stellen dürfte zeugen, dafs nur 
in ihnen eine solche Zusammenstellung der O9" und des 
Oop sich findet. 


Nun verräth sich aber der Epigone darin deutlich, dafs 
er Dwpip und OMIM gleich setzt, während nach älterer 
Vorstellung nur die die OP"M befragenden Personen den 
DwpiD gleich gestellt werden können. Es ist die einzige 
Stelle, an welcher im A. T. die Teraphim als redend er- 
scheinen, nur hier und Ez. 21, 26 erscheinen sie überhaupt 
als Orakel gebend. Aber Ezechiel zeigt deutlich, dafs er 
noch bessere Kunde über dieses Orakel hat. Er redet von 
DPm3 Sew. Sie sind an dem betreffenden Orte ein von 
einem Heiden denutztes Orakel. Als solches kann jedes 
Götzenbild, ja schliefslich jede Quisquilie *) benutzt werden. 
Der Israelit aber fragt in alten Zeiten nicht die Teraphim 
sondern Jahve und erfährt Gottes Willen durch das her- 
beigebrachte Ephod. Und dieAntwort gibt Jahve durch den das 
Ephod (bezw. die Urim und Tummim) befragenden Priester, 
nicht geben sie die Teraphim. Darin dafs Deuterozacharja 
sagt 1337 O'My] verräth er sich als Epigone, welcher für 
seine Vorstellungen von altisraelitischer Gottesverehrung 
auf die Lectüre und die trüb fliefsende Ueberlieferung an- 
gewiesen war. 


*) Auf den Plural 3737 lege ich kein Gewicht. Aus Hos. 8, 4 
sicht man nur, dals von DOM kein grammatischer Singular gebildet 
werden konnte. 

*) Man denke an die oniayxvoozonla, #xatooxonla, böpouavrele, 
xooxıvouavrela, puvllouavrela der Alten oder an die läppischen 
Orakel, welche sich als Scherze aber wohl auch als wirklicher Aber- 
glaube bis auf unsere Tage in unserm Volke erhalten haben. 


Das Verhältn. Deuterosacharjas zur a. t. Weissagung. c. 10. 61 


Weit entfernt also ein Anzeichen vorexilischer Ab- 
fassung zu sein, wie die Kritiker behaupten, ist diese 
Erwähnung der Teraphim wegen ihrer absonderlichen Art, 
welche die Kritiker nicht beachtet haben, als Beweis für 
eine recht späte Abfassung ') dieser Stelle in Anspruch 
su nehmen Und zwar würde sie als solcher anzu- 
sehen sein, auch wenn die hier behauptete Abhängigkeit 
von 1 Sa. 15, 23 sich nicht erweisen liefse. 

Keinerlei Zweifel aber lälst uns Deuterozacharja über 
sein Zeitalter, wenn er weiter erzählt, Israel sei, weil es 
sich in der Vergangenheit nicht an Gott gewandt, sondern 
auf DON, Oop, Mw verlassen habe, wie Schafe fort- 
gewandert (3 13 'YO)) und befinde sich noch im Elende 
(ay), weil es keinen Hirten habe. Zudem ist Deutero- 
sscharja hier abhängig von Ez. 34, 4 ff., wo es von Israel 


1) Bei diesem Sachverhalte bedarf es keinerlei Nachweises, dafs 
noch in nachexilischer Zeit Zauberei u. s. w. unter den Juden vor- 
gekommen sei. Hengstenberg, Christol. III, 1*. 8. 626 verweist 
auf Actor. 8, 9. 18, 6. Jos. Archaeol. 20, 6. 6. Bell. Jud. 2, 12. 28. 
Im Exile selbst ist dieselbe sicher noch im Schwange gewesen. Jer. 
4,8 ff. Jes. 65, 8—5. Lev. 17—26 kennt noch das Verbot sich an 
finie und wy zu wenden. Lev. 20, 6. 19, 81. Der Priestercodex 


kat keins, woraus man auf ein totales Zurticktreten dieser Richtungen 
schliefsen darf. Maafsregeln, wie das von Nehemia durchgesetzte Ver- 
bot, fremde Weiber zu ehelichen, schnitten neue Infection ab. Dals 
solche Regungen aber noch in nachexilischer Zeit vorhanden waren, 
lehrt Malachi’s Klage 8, 5 über die OıDgiyn. Treffen wir nun in n. t. 
Zeit, wie schon früher, solche Erscheinungen, so wird behauptet werden 
dürfen, dafs unter dem Einflusse des Hellenismus und der im Gefolge 
desselben auftretenden Theokrasie auch dieser Aberglaube wieder hier 
und da unter Judäern Wurzel geschlagen hat. Wie sehr s. B. die grie- 
chische Eroberung des Orients zur Verbreitung der chaldäischen Magier bei- 
getragen hat, ist ja bekannt. Aber auch Abgötterei muls in Juda unter 
dem Einflusse des Hellenismus wieder Platz gegriffen haben. Nur so 
erklären sich die Mafsregeln des Antiochus Epiphanes, nur so die 
Wucht der Reaction gegen den Hellenismus. Bei diesem Sachverhalte 
kann daher auch 13, 2949 990° x) PINTO DIayP Ming MAN IDN 
nicht als Grund für vorexilische Abfassung ins Feld geführt werden. 


62 Stade, Deuterosacharja. 


heifst : myn oan mywM und v. 8 : Gottes jy sei von 
den Thieren des Feldes gepltindert und gefressen worden 
myn pep. Ein besonderer Nachweis der Entlehnung wird 
hier gespart werden können, weil nachher der Beweis zu 
erbringen ist, dafs die folgenden Abschnitte c. 10, 3—12. 
11, 1—17. 13, 7—9 in ausgedehntester Weise auf Ez. 34 
zurückgehen. Hieraus begreift sich zugleich, dafs v.2 ein 
recht passender Uebergang zur folgenden Weissagung ist. 


©. © 10, 8—12. 


c. 10, 3-12 ist eine Weissagung, welche die Weis- 
sagungen Jer. 23, 1—8 und Ez. 34 wieder aufnimmt, jedoch 
so, dafs sie die Grundgedanken dieser mit Gedanken und 
Wendungen anderer Propheten verquickt. Es ist ein Ge- 
webe messianischer Erwartungen, in welchen jene genannten 
beiden Weissagungen die Kette, Gedanken aus dem Buche 
Jesaias, aus Hosea und Micha den Einschlag bilden. 

Durch keinen Gedanken tritt Jeremis so sehr in 
Widerspruch mit der genannten prophetischen Entwicke- 
lung seit Jesaias, als mit der von ihm laut verkündeten 
Ueberzeugung, dafs Jerusalem und Juda dem Untergange 
durch die Chaldäer zueile. Dieser Gedanke setzt mit ihm 
neu ein'). Es ist einer seiner Grundgedanken, welchen 
den darüber zum grofsen Theil entrüsteten Zeitgenossen 
einzuprägen er nicht müde wird. Damit steht die Stellung 
im Zusammenhange, welche Jeremia dem Hause David 
gegenüber einnimmt ?).. Er droht diesem den Untergang, 


1) Er entspringt der rechten Erkenntnifs der Lage seines Volkes. 
Ob ihn Uria aus Kirjat jfarim, Jeremias Zeitgenosse, spontan erfalst 
hat oder von Jeremia darin abhängig gewesen ist, geht aus Jer. 26, 20 
nicht hervor. Nur allgemein spricht ihn Micha 8, 12 aus, bei ihm 
wechselt er zudem mit ganz andern Vorstellungen von dem End- 
geschicke Zions. Auch steht er dort als rhetorische Antithese. 

*) Man vgl. im Gegensatz dazu Jes. 8, 1 ff. | 


Das Verhältn. Deuterosacharjas sur a. t. Weissagung. c. 10. 63 


die Beseitigung von der Herrschaft. Auf die Drohreden 
gegen die schlechten Nachfolger des Josia c. 22 folgt 
c. 23, 1—8 ein das gegenwärtig an der Regierung befind- 
liche königliche Haus bedrohender Weheruf. Es erscheint 
in ihm unter dem Bilde schlechter Hirten '), welche die 
ihnen anvertraute Heerde ins Elend geführt und zerstreut 
haben. Sie haben nicht nach ihr gesehen (DD), deshalb 
wird Jahve nach ihnen sehen. Er wird nach ihrer Ent- 
fernung den Rest der Heerde sammeln aus den Ländern, 
wohin sie zerstreut worden sind, und sie in das Land zu- 
rückführen, damit sie dort fruchtbar sind und sich mehren. 
Dann gibt er ihnen neue Hirten, welche sie weiden. David 
aber erweckt er einen gerechten Sprofs (mpy), welcher als 
König über Israel herrscht. In jenen Tagen wird Juda 
gerettet werden und Israel sicher wohnen. Man sagt dann 
nicht mehr : „beim Leben Jahves der Israel aus Aegypten 
heraufführte*, sondern : „beim Leben Jahves, welcher den 
Samen des Hauses Israel aus dem Nordlande zurückführte 
und aus allen Ländern, wohin ich sie verstofsen, dals sie 
in ihrem Lande wohnen.“ 

Man sieht sofort, dafs sich der Inhalt von Za. 10, 3—12 
in den wesentlichsten Punkten mit dieser Weissagung Jer. 
23, 1—8 deckt. Einzelne Abweichungen von derselben 
erklären sich, wie weiter unten nachzuweisen sein wird, 
daraus, dafs Deuterozacharja daneben deren, Wiederauf- 
nahme durch Ez. c. 34 vorlag. Ezechiel deutet das Bild 
von der Heerde weiter aus und schildert sowohl das Be- 
nehmen der früheren Hirten gegen die Heerde, als das 
Verhalten der einzelnen Glieder der Heerde zu einander. 
Ezechiel hat die Bestrafung und Entfernung der schlechten 
Hirten, welche Jeremia androht, bereits erlebt. Hierdurch 


t) Wie denn auch sonst Jeremia Könige und Machthaber als 
Hirten, ihre Völker als Heerden zu bezeichnen liebt. 2, 8. 8, 15. 6, 3. 
10, 21. 22, 22. Vgl auch 18, 17 Israel Jahves Heerde. 





64 Stade, Deuterosacharja. 


kömmt ein von Jeremias Schilderung abweichender Za 
in seine Darstellung. In sehr bemerkbarer Weise unte 
scheidet er sich aber weiter dadurch von Jeremias, dafs e 
Gott nicht nur die Heerde zurückführen, sondern sie ih 
auch auf den Bergen des heiligen Landes weiden läfi 
Erst später verlautet, dafs sein Knecht David das thu 
und als x‘) in der Mitte der Heerde weilen werde. Di 
Idee des König-Messias beginnt eben bei Ezechiel zu ver 
bleichen. 

Insofern nun für den Verf. die Hirten wie für Jeremis 
am Ruder sind, während Ezechiel auf ihre bereits er- 
folgte Entfernung zurückhlickt, war es nur naturgemäls, 
dafs er sich mehr an den (Gedankengang des Je 
remias als an den Ezechiels hielt. Er beginnt v. 3 mit 
‘aN mn OY n~dy so auf das oıyın-by Jer. 23, 2 zurück. 
greifend 1), Aber wenn er fortfährt SPOR oepayn-by, m 
sieht man deutlich, wie hier einzelne Züge aus der Weir 
sagung Ez. 34 einzufliefsen beginnen. Zwar Men hat @ 
noch aus Jeremias, welcher den Hirten droht : 
er ION; und zwar zeugt sowohl das Object bei 
J eremias, als der Umstand, dafs bei letzterem He durch 
vorausgehendes Ink OPH N) veranlalst worden ist, fü 
die Priorität Jeremias. Dagegen ist aımy aus Ezechie 
entlehnt, nach welchem v. 17 Gott richten wird ny) rig y: 
omaya O72. Während jedoch bei Ezechiel die Böck: 
und Widder, welche die übrigen Schafe stofsen, ihnen da 
gute Futter wegfressen, das klare Wasser wegtrinken u. s. w. 
die Mächtigen und Vornehmen der exilischen Gemeind 


') Schon darin verräth sich Deuterozacharja als Nachahmer, da! 
er sich in ganz abrupter Weise nur an die Hirten wendet, so an di 
aus Jeremias und Ezechiel wohl bekannten in scheinbar dunkler Red 
anspielend. Jer. 28, 1 beginnt : „O Hirten, welche die Schafe mem 
Weide verderben u.s w.“ und Ex. 84, 1 : „Menschensohn, weissage wid 
Jeraels Hirten.“ 





sda 


Das Verbältn. Deuterosacharjas sur a. t. Weissagung. c. 10. 65 


und, setzt Deuterozacharja die Drmay und D'Y gleich. 
E versteht darunter im Allgemeinen soviel wie Obrigkeit, 
wie dies der folgende Vers deutlich beweist '). 


Die besondere Situation, aus welcher heraus Deutero- 
sıcharja im Gegensatze zu seinen Vorbildern Jeremias und 
Bsechiel schreibt, verräth sich deutlich in der Fassung von 
vr. 3°. Der Verf. fährt fort : „denn Jahve der Heere sucht 
ham seine Heerde, das Haus Juda, und macht es wie ein 
Prachtrof[s im Streite.* Der Zusammenhang mit Jeremias 
ist hier nur noch durch BB angedeutet. Dagegen kann 
er die v. 3 bei Jeremias folgende Verheilsung von der 
Sammlung der Heerde so wenig brauchen wie deren Aequi- 
valent bei Ezechiel 34, 12. Denn die Heerde, das Haus 
Juda, ist nicht erst zu sammeln. Es ist bereits als ge- 
ordnetes Ganzes vorhanden, es steht nur unter gottwidriger 
Leitung. Es bedarf nur der Beseitigung dieser, nur der 
Aufrichtung eines gottwohlgefälligen Regimentes. Dann 
hat es um seine Freiheit zu kämpfen und kann auch 
Ephraim befreien. 

Da sonach Juda sich zu seiner Zeit in einer wesentlich 
anderen Situation befindet als zu den Zeiten des Jeremias 
und Ezechiel, da für Deuterozacharja die Einsetzung einer 
neuen Obrigkeitnur die Befreiung Judas von fremdem Joche 
und Ephraims aus der Gefangenschaft vermittelt, nicht 
aber den Anbruch der messianischen Zeit bedeutet, so 
mufs Deuterozacharja sich im Folgenden von der Dar- 
stellung Jeremias und Ezechiels emancipiren. Er verfährt 
jedoch auch bei der nun folgenden Beschreibung der Ein- 
setzung des neuen Regimentes und des Kriegszuges Judas 


f) Wie sehr an dieser Stelle jede Untersuchung fehl greift, welche 
nieht Jer. 28, 1 und Es. 84, 17 sum Ausgangspunkte nimmt, zeigen 
die Erörterungen der Exegeten su IYmy- 

Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 1. 1881. 5 





66 Stade, Deuterosacharja. 


gegen die Heiden nicht selbständig, sondern lehnt sich | 
such hier überall an ältere Muster an. 


Wenn Deuterozacharja in v. 4 betont, dafs jede ante 
ritative Gewalt von Gott (app) eingesetzt werden solle, 
so verheifst er den vollen Gegensatz zu jenem Zustande, - 
über welchen Hosea 8, 4 in Gottes Namen klagt: on 
en Mn PN. Und wenn er weiter weissagt, dafs die ' 
Judäer wie Helden werden sollen, welche im Gassenkoth ' 
stampfen im Streite, so wird dies, da es keine Art de : 
Helden ist, im Streite im Gassenkoth zu stampfen, ent 
begreiflich, wenn man weils, dafs der Verf. hier an eine 
Weissagung des Mi. 7, 10 redenden exilischen Prophete | 
anknüpft. Dort wird verheifsen, dafs die Feindin der Ge . 
meinde wie Gassenkoth zertreten werden soll. Sonach ist ' 
Gassenkoth nichts als eine Bezeichnung der niedergeschls | 
genen Feinde. 

Diese selben heifsen nun am Schlusse von v. 5 die uf 
Rossen Reitenden. Der Verf. redet absichtlich scheinbar 
dunkel. Jeder mit Ezechiels Weissagungen Vertraute ver 
steht den Ausdruck sofort. Denn Ezechiel hat demselben 
die symbolische Beziehung auf die Weltmächte aufge 
drückt !). Der Verf. aber gebraucht diesen Ausdruck als 
courante Münze. 

Nach 8. 45 f. haben wir in v. 5. 6 Deu jas 
geistiges Eigenthum anzuerkennen. Ebendort wie auch 
S. 63 ff. ist bereits besprochen worden, in welchem Verhält- 
nisse dasselbe zu den verwandten Gedanken Jeremias und 


‘) Am. 2, 15 begegnet uns der Ausdruck ng] 355 noch in der 
Bedeutung : Kriegemann su Pferd. Wenn Hos. 14, 4 sagt : we 
wollen nicht auf Rossen reiten, so heifst das, wir wollen uns nicht 
durch von Aegypten gelieferte Kriegsmittel zu helfen suchen. Ebenso 
Jes. 80, 16. 81, 1. Dagegen beschreibt Es. 88, 15 die in Gogs Heer 
streitenden Völker als alle auf Rossen reitend. Ebenso bezeichnet e 
28, 6. 12. 28 die Buhlen Israels als ra} =} 'e) a7 





 £+ 


Des Verhältn. Deuterosacharjas sur a. t. Weissagung. c. 10. 67 


schiels steht. Doch vermag er auch diese seine eigenen 
danken nicht auszudrücken, ohne dafs ihm Remi- 
cenzen sus älteren Propheten einfliefsen. omiagym v. 6 
d 10 ist aus der Grundstelle Jer. 23, 3 geflossen; 
yee) aus Hos. 2,23. An Hosea wird er dadurch erinnert, 
fs er die Fassung Jeremias und Ezechiels (34, 12. 13) 
fgab, wonach die Exulanten aus allen Ländern heim- 
hren, wohin Gott sie zerstreut hat, und dafür die Exu- 
ıten aus Assur und Aegypten heimkehren läfst '). 

Mit v. 8 gibt Deuterozacharja, soweit dies nach 
m oben Ausgeführten möglich ist, Jer. 23, 3 genau 
ieder. %97 5 07) umschreibt jeremianisches 134) 119 
icht jedoch findet sich in dieser Grundstelle etwas dem 
zyert entsprechendes. Es liegt hier eine Anspielung auf 
es. 7, 18 vor. Jetzt wird Jahve auch herbeilocken von 
an Flüssen Aegyptens und aus dem Lande Assur, jedoch 
icht Verwüster seines Landes, sondern sein eigenes Volk, 
essen er sich wieder erbarmen will. 

Nach v. 9 soll sich Ephraim vor der Heimkehr im 
xile wunderbar mehren. Es gleicht einer dort von Gott 
usgestreuten Saat, welche aufgeht und reiche Frucht 
rigt. Also wendet Gott die Strafe des Exiles zum Heile. 
a diesem Bilde regte ihn wohl der Ausdruck Jeremias 
23,8) an, dafs Gott ‘in yfoy yo OND PIE 827. 
Joch ist es ihm nicht eigenthümlich. Auch Jeremias hat 
s, wenn er 31, 27 weissagt : „Siehe Tage kommen — 
ipricht Jahve — da besäe ich das Haus Israel und das 
Haus Juda mit Samen von Menschen und Samen von Vieh.* 
Er gebraucht es aber, wie die Form beweist, nach dem 
Vorgange von Hos. 2,25. Natürlich hat er es der Situation 


f) Diese zwei alten Weltmächte hatten sich, wie wir weiter unten 
eben werden, zu Deuterozacharjas Zeit in neuer verjüngter Gestalt er- 
oben. In ihren Ländern wohnten zahlreiche Glieder des Bundes- 
olkes als Exulanten. 

5* 


68 Stade, Deuterosacharja. 


entsprechend umgebogen. Denn bei Hosea und Jeremias 
siet Gott die Saat im Lande — hier mufs sie unter den 
Heiden gesäet werden. Uebrigens ist es nur eine Abart 
des bei den Propheten allgemein verbreiteten Gedankens 
von der wunderbaren Mehrung des Volkes Israel in der 
messianischen Zeit *). 

Auch durch v. 10* werden wir an hoseanische Ge- 
danken erinnert. Aufser an Hos. 11, 11 aber auch an 
Jes. 27, 12. 13. v. 10° dagegen erinnert an diejenige Ge- 
staltung der messianischen Hoffnung, welche sich Mi. 7, 
14. 15. Ob. 19. 20 zeigt. Die Schlufsworte ond ayor on 
entstammen der Stelle Jos. 17, 16. v. 11 von WI an 
erinnert an Jes. 11, 15. 


B. CG. 11, 1-17. 18, 7—9. 


Kaum an einer anderen Stelle verräth sich die eigen- 
thümliche Manier Deuterozacharjas, auf Grund älterer 
Weissagungen eine neue auszuarbeiten, so deutlich, wie 
in c. 11, 1-3. Zu Grunde liegt, wie bereits Hengsten- 
berg in allem Wesentlichen richtig erkannt hat, die Stelle 
Jer. 25, 34—38. Dort heifst es : 


DY] or) (84) 
137 TM WHEN pyn 
rap) Opp non "2 
Yan 32 O20) 
DW OL am) (85) 
+ Ja IAD TEWOS 


1) Hos. 2, 2. Jes. 9, 2. Mi. 2, 12. 4, 6 f. Jer. 81, 8. Ex. 86, 10 ff. 
*) Das die Zeile unförmlich anschwellende und jeder Erklärung 
spottende op nisions ist nach LXX su streichen. Es ist vielleicht 


nur aus verwischtem 1555 Om5p)) entstanden und neben der Cor- 
rectur stehen geblieben. 





si “as sa 


Das Verhältn. Deuterozacharjas zur a.t Weissagung. o. 11. 69 


CI MpYE rp (86) 
peed vr Ho 
: DAY OR 1) TT 19 
Dior miny nem, (87) 
2 eng I ID 
pP 7922 ary (88) 
: Mp? DR NO 7 
Den v. v. 34und 35 des massoretischen Textes bilden- 
m sechs Zeilen des Jeremias stellt Deuterozacharja auch 
inerseits sechs Zeilen gegenüber. Doch setzt er an die 
elle der Hirten, welche Jeremias zu weinen auffordert, 
e Cypressen (des Libanon) und die Eichen Basans, und 
iederholt dem entsprechend die Aufforderung zum Weinen. 
e weinen aber darüber, dafs andere Baumriesen gefällt 
orden sind. Der Libanon selbst wird aufgefordert seine 
hore zu Öffnen, damit das Feuer seine Cedern verzehre. 
lle diese Züge hat Deuterozacharja bei Jeremias nicht 
rgefunden. Doch sind sie deshalb nicht als originell an- 
sehen. Sie indie von Jeremias entlehnte Form zu füllen 
ar dem Verf. durch zahlreiche andere Stellen an die Hand 
egeben, in welchen die Cedern Libanons, die Eichen 
asans als Bild der Grofsen und Mächtigen erscheinen, 
'ofür Jeremias in der Grundstelle das Bild der Hirten ge- 
raucht hatte. Jes. 2, 13. 10, 34. 37, 24. Ez. 17, 3. 31, 3. 
n andern hinwiederum wird in kühner Prosopopoie ge- 
childert, wie Libanon, Basan u. s. w. von Gottes Gerichte 
etroffen werden. Nah. 1,4. Jes.29, 17. (vgl.14, 8.) Das 
ma wee Dann könnte durch Ri. 9, 15 wen bon) 
ax veranlafst sein. 

“In v. 3 hingegen schliefst sich der Verf. viel enger 
ı seine Vorlage an, jedoch so, dafs er die beiden Zeilen 
Oya npyy Sip 
NST Ie M9) 

einer zusammenzieht : 


ows nbd Sip 





10 Stade, Deuterosacharja. . 





Dafs er aber nicht aus der ersten Zeile mpyy sonden 
aus der zweiten n5% beibehält, mag dadurch veranlaft 
worden sein, dals Jer. 25, 34 mit 34x beginnt, was ®' 
v. 2° verwandt hatte. Doch lifst er INS “p34 nicht gam > 
fallen, sondern verflicht es in die folgende Zeile, indeme; 
statt OM yop 7’) des Jeremias sagt OMT Te MAY af 
Statt des weggelassenen zweiten Ausrufes N I" ny” 
bringt er aufserdem einen zweiten in OYYP? NY Sip nach 
Die Wahl von Ov")? mag aber ist durch das Jer. 20, 3} ? 
folgende 120 973 31¥ veranlafst worden. Die dort weite * 
folgende Begründung 1995 ayıR np 9» ersetzt Deuter > 
zacharja durch yym fin? TW 13. Auch das letztere it ? 
aber eine jeremianische Redensart : 12, 5. 49, 19 (auch 1 
50, 44). Sie ist aus 12, 5 dem Verf. in die Feder ge ® 
flossen und zwar trotzdem hier der Löwe nur angedeutet, 
49, 19. 50, 44 aber genannt ist. Denn wenn er v. 4 fort- 
fährt AWN INS Ny) Tx 3, so ward der Ausdruck 
MYT] IW veranlafst durch Jer. 12, 3 : mins 839 Com 
myan o> ogapm. Es wird also hier ein Bild, welches wir 
bei Jeremias entstehen sehen, von Deuterozacharja als fest 
ausgeprägtes verwerthet'). Zugleich begreifen wir nun 
aber auch, weshalb gerade hier Jer. 25, 34—38 vorgeschoben 
und mit Jer. 12, 3—5 verflochten wurde. Es ward das 
veranlafst durch die Worte Jer. 25, 34° : opp’ Ron 9 
rap. 

Sonach ist m INB derjenige Begriff, auf welchen 
es Deuterozacharja von 11, 1 an ankommt. Es ist aber 
nun c. 11, 1—17. 13, 7—9 eine auf dem gleichen Grunde 
wie c. 10 erwachsene Weissagung. Hatte in c. 10 Deu- 
terozacharja sich enger an Jer. 23 als an Ez. 34 ange 
schlossen, so bringt er jetzt eine Reihe von Zügen aus 
Ez. 34 nach, welche er c. 10 nicht hatte verwerthen können. 


!) Man sieht hieraus, wie sehr diejenigen Kritiker im Unrechte 
sind, welche 11, 1—8 für eine besondere Weissagung halten. 


Das Verhältn. Deuterosacharjas sur a. t. Weissagung. c. 11. 71 


Es ist c. 11, 4—17. 13, 7—9 eine Ausdeutung und Anwen- 
dung desjenigen, was wir Ez. 34, 2—10 lesen. Auch die 
schriftstellerische Manier ist die gleiche wie bisher : die 
Vorstellungen der Grundstelle werden in ausgedehntem 
Maalse mit denen anderer versetzt und auf diese Weise 
wie durch Hinzuthun eigener Gedanken wird das Ganze: 
den Zeitverhältnissen angepalst. 

Es ist der Prophet, welcher v.4 den Auftrag bekommt, 
die Heerde der Schlachtung zu weiden, und sie nach v. 7 
a. E. weidet. Was er dabei den Schafen gethan, wird 
uns nicht berichtet. Aber sicher denkt der Verf. an das 
Gegentheil dessen, was nach v. 17 der schlechte Hirt den 
Schafen thut. Letzteres ist aber zugleich das Gegentheil 
dessen, was Gott nach Ez. 34, 15 ff. den Schafen thun wird, 
wenn er dereinst die Hut seiner Heerde übernimmt. Sahen 
wir nun schon 8. 26 f., dafs hier der Prophet nur Stellver- 
treter Gottes ist, so wird weiter zu schliefsen sein, dals 
nach Deuterozacharjas Meinung Gott die Weissagung Ez. 
34, 15 ff. an seinem Volke hat erfüllen wollen, aber durch 
das Benehmen seines Volkes daran verhindert worden ist. 
Ist ferner der gute Hirt als Vertreter Gottes thätig, so 
werden die drei Hirten, welche der Prophet in einem Mo- 
nate (?) beseitigt, nicht schlechte Hirten im Allgemeinen, 
sondern die dem Gottesreiche widerstrebenden Weltreiche 
sein !). 

In v. 5 begründet Deuterozacharja, weshalb er v. 4 
Israel die Heerde der Schlachtung genannt hat. Es sind 
Schafe, welche thre Käufer schlachten. Hiermit gibt er 
den Ez. 34, 3 erhobenen Vorwurf wieder : „Das Fett elst 
thr und in die Wolle kleidet thr euch, das Fetste schlachtet 
thr.“ Hierbei aber verschulden sich die Käufer der Heerde 


5) Man denkt dann am besten an die drei einander ablösenden 
Weltreiche der Assyrer, Babylonier, Perser. 


72 Stade, Deuterozacharja 


nicht. Hiermit spielt Deuterozacharja an auf Jer. 50, 6 f, 
wonach Jsrael eine irrende Heerde ist; alle die es finde; 3 _ 
verzehren es und seine Feinde sprechen : wir werden 
nicht verschulden'). Dafs die Feinde Israels aber = 
nicht verschulden, dies kommt hier daher, dafs sie 
die Käufer der Heerde sind. Sie haben dieselbe va?” 
ihren Herren (O'y4) verkauft (17'150) erhalten. Letztes - 
hinwiederum denken, wenn sie die Heerde preisgeba: 
„Gepriesen ist Jahve, wenn ich nur reich werde”. Hie 
spielt der Verf. an auf Hos. 12, 9 : Ephraim sprach, ba 
ich doch reich geworden, habe Vermögen mir erworben. (b 
all des von mir Erworbenen trifft mich keine Schuld, welche 
zu bülsen wäre” Eben wegen dieser nur auf Erwerb und 
Bereicherung ausgehenden Gesinnung nennt Deuterozacharjs 
die Leiter der Heerde Kanander v.7 und 11. Auch hierin 
hat er Vorgänger. Hos. 12, 8 heilst Ephraim geradesa 
Kanaan. ,Kanaan hält trügerische Wage, zu betrügen licht 
es.“ Und Zeph. 1,11 nennt die sich mit Geld schleppenden - 
vı> OY. Da vorher eine Anspielung auf Hos. 12, 9 sich 
vorfand, so wird der Verf. dabei an die erstere Stelle ge- 
dacht haben. 

Der zeitgeschichtlichen Situation mufs es angehören, 
dafs Deuterozacharja einen im Interesse der Könige ge 
führten Krieg aller Völker untereinander erwartet, welchem 
Israel infolge besonderer göttlicher Gnadenveranstaltung 
enthoben sein soll v. 6, jedoch schliefslich, weil es Gottes 
Regiment verschmäht, verfällt v. 10. Dagegen war ihm 
das von Gott angewandte Mittel der Bewahrung, der Ab- 
schluls eines Vertrages mit den Völkern, durch Ez. 34, 26: 
„ich will für sie einen Friedensbund schliefsen* an die 
Hand gegeben. Ob Deuterozacharja dabei zugleich Hos. 
2, 20 vor Augen hatte, welche Stelle diesem Worte Ezechiels 







1) Umgekehrt Jer. 2, 8. 


Das Verhältn. Deuterosacharjas sur a. t. Weissagung. ©. 11. 73 


zu Grunde liegt, kann unbestochen bleiben. Jedenfalls 
verräth sich aber die Entlehnung auch darin, dafs das Bild 
nicht festgehalten wird. Während bei Hosea und Ezechiel 
das Bündnis mit den wilden Thieren geschlossen wird, 
so geschieht es hier mit den Völkern selbst, deren Bild 
bei jenen die wilden Thiere sind. 

Als Eigenthum wird man dem Verf. zuerkennen dürfen 
das Bild von den beiden symbolischen Stäben, mit welchen 
die Heerde geweidet wird '., Das gleiche gilt selbstver- 
ständlich von der gegenseitigen Verwerfung von Hirt und 
Heerde, von dem Begehren des Hirten, seinen Lohn zu 
- empfangen und von seiner Ablohnung. Es sind das nur 
weitere Ausdeutungen des Bildes vom Hirten. 

Dagegen zieht der Verf. v. 9 in den Worten : „was 
stirbt, mag sterben, und was umkommt, umkommen“ das- 
jenige kurz zusammen, was Ez. 34, 4 über die Thätigkeit 
der schlechten Hirten berichtet : „die Schwachen habt thr 
nicht gestärkt und das Kranke nicht geheilt, und das Ver- 
wundete nicht verbunden, und das Versprengte nicht zurück- 
gebracht und das Verlorene nicht gesucht“ Er drückt 
sich aber hier so kurz aus, weil er diesen, mit einer kleinen 
Modification Ez. 34, 15 wiederholten Gedanken, nochmals 
v. 16 in die Beschreibung des schlechten Hirten verwebt. 
Dort aber sagt er, sich viel enger an Ezechiel anschliefsend : 
‚nach dem, was zu Grunde gehen will, sieht er nicht, das 
Verirrte sucht er nicht, das Verwundete heilt er nicht, und 
das Gesunde erhält er nicht, und das Fleisch des Fetten 
ist er und thre Klauen spaltet er.“ Mit dem: „das Fleisch 
des Fetten i/st er“ hat er dem Sinne nach Ez.34,3 : „die 
Feten schlachtet thr* nachgetragen. Dagegen darf man 
vielleicht in pH 17091 eine Anspielung auf Ez. 34, 4 
JWR On OMT erblicken. Wenn Deuterozacharja aber 


v. 9 hinzufügt : „eins fresse das Fleisch des andern“ so 


!) Ueber ihre Bedeutung s. 8. 28. 





14 Stade, Deuterosacharja. 


drückt er damit unter einem andern Bilde den Sinn des! 
Ez. 34, 17 f. den Böcken gemachten Vorwurfes aus. 4 

Dafs der Verf. dem guten Hirten 30 Sekel Silber ak : 
Hirtenlohn spenden lälst, v. 12, pflegt man ngch Ex. 21,8: 
zu erklären. Dagegen scheint ihm bei der Formulirung | 
des göttlichen Befehles, nochmals seinem Volke als Abbi 
eines (schlechten) Hirten zu dienen, v. 15, die Stel 
Hos. 3, 1 vorgeschwebt zu haben. Dem dort sich finder 
den Befehle TYıx-3x 77 Ty entspricht genau der hier an 
den Propheten ergehende : myn 93 aber Ti. 

Das Verhiltnifs, in welchem einerseits 11, 16 und 13,7 
zu Ez, 34, 4. 5, andererseits 11, 17 und 13, 7 su Jer. 50), 
37. 38 stehen, ist bereits S. 31 besprochen worden. Auch 
sonst ist in 13, 7—9 Anlehnung an ältere Muster sichtbar. 
Die Anrede an Gottes Schwert erinnert an Jer. 47, 6, das 
Nu mom an Ex. 34, 5, die OYıyS, gegen welche Gott 
seine Hand erhebt, an Jer. 14, 3. Der Gedanke, dals in 
dem Gerichte, welches über die letzteren ergehen soll, 
zwei Drittel umkommen werden, das dritte Drittel aber 
nach nochmals erfolgter Läuterung Gottes Volk bilden 
soll, ist nur eine Variation des schon von den älteren 
Propheten vertretenen, besonders aber Jesaias geläufigen 
Gedankens, dafs nur ein Theil des Volkes im Gerichte 
behalten, dann aber der Stamm eines neuen, in Gottes 
Wegen wandelnden Volkes werden soll. Die Form von 
13, 8 f. erinnert am meisten an Ez. 5, 12 : „Ein. Drittd 
von dir soll an der Seuche sterben und durch Hunger um- 
kommen in deiner Mitte und das (andere) Drittel soll durchs 
Schwert fallen rings um dich und das (leiste) Drittel will 
ich in alle Winde serstreuen und das Schwert hinter thu 
her ziehen.“ In den letzten Worten dieser Stelle findet 
sich auch bereits der 13, 9 ausgeführte Gedanke ange 
deutet. In einem andern Bilde weissagt Jes. 6, 13 das 
Gleiche. Dagegen schliefst sich das von Deuterozacharjı 
gebrauchte Bild vielmehr an Jes. 1, 25 an. Vielleicht is 


Das Verbältn. Deuterozacharjas zur a. t. Weissagung. c. 12, 7—9. 75 


gar das Sy * Ying durch das poy m Np wy) letzterer 
Stelle veranlafst worden. 
Dieser Gedanke, dafs Israel durch ein läuterndes 
Strafgericht hindurch gehen müsse, um der Segnungen 
' der messianischen Zeit theilhaftig werden zu können, ist 
nun ein Gedanke der vor Jerusalems Zerstörung weissagen- 
den Propheten. Diese erblicken in dem Ansturm der As 
syrer, Scythen, Chaldäer dieses kommende Gericht. Be- 
gegnet uns dagegen der Gedanke wie hier bei einem Pro- 
pheten, dessen Weissagungen durchaus nachezechielischen 
Character an sich tragen, so erscheint er losgerissen von 
seinen naturgemiifsen Voraussetzungen. Eben damit ist 
er aber als nicht original, als entlehnt ausgewiesen. 
Ebenso müssen wir in Myx 90) v. 9 eine Reminiscenz 
sus einem älteren Propheten, nämlich aus Hos. 2, 22—25 
erblicken, mit welcher Stelle Deuterozacharja schon 10, 6 
(s. 8. 67) Bekanntschaft gezeigt hatte. Denn der Schlufs 
von v.9 : „und sch spreche mein Volk istes und es spricht : 
Jakve mein Gott“ erinnert an Hos. 2, 25° : „und ich sage 
su Nichtmeinvolk : mein Volk bist du, und es wird sagen : 
mein Gott“. Dafs aber auf Seiten Deuterozacharjas wirklich 
eine Entlehnung vorliegt, verräth sich darin, dafs er mit 
diesem Schlusse aus seinem Bilde fällt. Letzterem ent- 
sprechend wäre etwa zu sagen gewesen : „ich allein werde 
es weiden,“ oder : „mein Hirt wird es weiden®. Dals 
Israel früher nicht Gottes Volk, Jahve nicht Israels Gott 
gewesen sei, haben wir 11, 1—17. 13, 7—9 nirgends gehört. 


C. © 12, 1—14, CG. 18, 1—6. © 14. 


Wir haben bereits S. 41 ff. gesehen, dafs die Besie- 

gung der 7 ‘32 durch das unter Gottes Anführung käm- 

. pfende, in seiner Heimath wieder vereinigte Gesammtisrael 
; in der Weissagung Deuterozacharjas dieselbe Stelle ein- 
' nimmt, wie bei Ezechiel die Ueberwindung Gogs und 





16 Stade, Deuterosacharja. 


seiner Vilkerschaaren. Dasselbe ist nun auch von de 
c. 12 und c. 14 geweissagten Besiegung der gegen Je} 
salem ausgezogenen Heiden zu behaupten. Es sind dies ? 
Capitel im Wesentlichen eine Wiederaufnahme der Wee | 
sagungen Ezechiels c. 38. 39 und wir sahen bereits 8. 31, 
dafs c. 12 ebenso auf 13, 9 folgt wie Ex. c. 38 auf c. 31, 
die Weissagung vom neuen Israel. Hieraus folgt aber 
weiter — selbstverständlich unter der von uns bis jetzt 
festgehaltenen Voraussetzung, dafs Za. c. c. 9—14 eine 
Verfasser haben — dafs c. c. 12, 1—16. 13, 1—6. 14. nw 
eine, von 9, 13 in der Detaillirung der Züge abweichende, 
Ausmalung desselben Grundgedankens sind. Aber auch 
diese verräth sich Ezechiel gegenüber sofort dadurch als 
secundär, dafs der Zug der Völker eines naturgemälsen 
Anknüpfungspunktes entbehrt. Bei Deuterozacharja wird 
er durch nichts gefordert, er dientnicht zur Rechtfertigung 
Gottes, wiewohl zu seiner Verherrlichung, aber weit mehr 
zur Prüfung und Läuterung Jerusalems und zur Bekeh- 
rung der Heiden. Es ist ein vom Verf. fertig vorgefun- 
denes, nur abweichend ausgeschmücktes und ausgemaltes, 
sowie einem andern Zusammenhange eingegliedertes, apo- 
kalyptisches Zukunftsbild. 

Auch in diesen beiden Abschnitten bleibt Deutero- 
zacharja seiner schriftstellerischen Manier getreu. Mit dem 
aus Ezechiel entlehnten Grundgedanken, daß alle Völker 
zu Hauf kommen, um die heilige Stadt zu vernichten, 
hierbei jedoch durch Gottes Einschreiten unter allerhand 
Wundern umkommen, verquickt er nicht nur individuelle 
Hoffnungen, welche aus den Zeitverhältnissen zu erklären 
sein werden, sondern daneben auch Ideen und einzelne 
Züge der Darstellung, welche er andern Propheten ent- 
lehnt hat. 

Dieses Verhiltnifs ist sofort aus 12, 1—3 ersichtlich. 
Dafs Jerusalem den zu seiner Vertilgung herbei geeilten 
Völkern zum Sy. 9D werde, ist ein Bild, welches Ez. 38 sich 






Das Verhältn. Deuterosacharjas zur a. t. Weissagung. co. 12. 77 


nicht findet. Es ist vom Verf. jedoch auch nicht frei er- 
funden, sondern gebildet mit Rücksicht auf das viel ge- 
brauchte Bild vom göttlichen Zornbecher Jer. 25, 15. 49, 12. 
51, 7. Ha. 2, 16. Thre. 4, 21. p 75, 9. Es. 23, 31-34. 
Jes. 51, 17—22. Und zwar scheint Deuterozacharja be- 
sonders die letztere Stelle vor Augen gehabt zu haben. 
Deuterojesaias knüpft in ihr!) an die vorhergenannte Weis- 
sagung Eizechiels an, welcher Juda zugerufen hatte : „Auf 
dem Wege deiner Schwester gingst du, so gebe ich ihren 
Becher in deine Hand, den Becher deiner Schwester 
sollst du trinken, den tiefen und weiten... .... . , den Becher 
der ODede und Verödung, den Becher deiner Schwester Sa- 
marten.“ An diese Strafverheilsung knüpft Deuterojesaias, 
das Ende der Strafe weissagend, an. Jerusalem liegt ohn- 
mächtig am Boden, denn es hat aus der Hand Jahves den 
ren of nyap (d. i. der weite, tiefe Becher Ezechiels) 
nehmen und ihn trinken müssen. Die Weissagung Ezechiels 
hat sich also erfüllt. Aber nun nimmt Gott den Becher 
aus der Hand des am Boden liegenden Jerusalems, welches 
denselben nicht weiter trinken soll, und gibt ihn in die 
Hand seiner Dränger. So bedroht auch Deuterozacharja 
Jerusalems Feinde. Allein er weicht dadurch von seiner 
Vorlage ab, dafs er nicht aus der Hand Jerusalems den 
Zornbecher in die der Feinde übergehen, sondern Jerusalem 
selbst für die letzteren zum 5y7 "> werden läfst. Hat er 
unter 0 eine Schale verstanden, so mag diese Wahl da- 
durch veranlalst sein, dafs alle Völker trinken sollen. Das 
Bild ist freilich unappetitlich, wo nicht thierisch, aber Deu- 
terozacharja zuzutrauen. Hat er aber, was mir wahr- 
scheinlicher ist, }Q in der Bedeutung Schwelle gefalst, so 
hat er dem gebräuchlichen Bilde von dem Taumelbecher 
ein verwandtes untergeschoben. 


T) Dieser Sachverhalt wird namentlich durch eine Vergleichung 
von Jes. 51, 17 mit Es. 28, 84 nahe gelegt. 


18 Stade, Deuterozacharja. 


Dafür nun, dafs Deuterozacharja beim Schreiben von 
12, 1—3 wirklich die Stelle Jes. 61, 17 ff. vorgeschwebt 
hat, wird man die Berührungen geltend machen dürfen, 
welche sich zwischen den einleitenden Worten 12, 1 und 
Jes. 51, 13 finden. Von dort her stammt die Bezeichnung 
Jahves als pox 9 Dioy M9. Während ihn aber Deutero- 
jesaias vorher 7’%Yy nennt, hat der Verf. letzteres, weil er 
eine solche Anrede nicht brauchen kann, umgesetst in 
Dp2 OFAN 5%). Vielleicht hat ihn hierbei Jes. 42, 5 
geleitet. Dort heilst Jahve : o7 MN O'NW Na. Dann 
aber führt Deuterojesaias fort : mm (roy opb map) Kb 
my ODI 

Von der Darstellung Ezechiels c. 38 f. weicht der 
Verf. darin etwas ab, dals er nicht nur im Allgemeinen 
weissagt, dafs die gegen Jerusalem herangezogenen Völker- 
schaaren auf Israels Bergen umkommen werden, sondern 
ganz bestimmt erwartet, dafs sie bei dem Versuche, Jeru- 
salem zu erobern, scheitern und zu Grunde gehen. Doch 
hatte Deuterosacharja für diese Erwartung an Mi. 4, 11 ff. 
einen Vorgänger. Eigenthümlich ist ihm sonach nur die 
Vorstellung, dafs Juda im Heere der Heiden mit gegen 
Jerusalem streiten mufs. 

Von 12,4 an beginnt Deuterozacharja. sich etwas freier 
zu bewegen. Wir werden darin ein Anzeichen dafür er- 
blicken dürfen, dafs er hier zur Besprechung von Dingen 
gelangt ist, welche ihn ganz besonders bewegen. Gerade 
aus dem jetzt Folgenden werden wir daher die sichersten 
Schlüsse auf das Zeitalter Deuterozacharjas ziehen dürfen. 
Zwar schliefst sich Deuterozacharja auch noch im Weitern 
an Ezechiel an. Doch durchbricht er dessen Gedanken- 
gang nicht nur durch Entlehnungen aus andern Propheten, 
sondern auch durch Einschaltung ganz selbständiger, in 
ausführlicher Darstellung entwickelter Zukunftsbilder. 
Aufser Ezechiel ist es wesentlich Joels Weissagung vom 
Tage des Herrn, an welchem die zur Vernichtung Jerusalems 


Das Verhiltn. Deuterosscharjas zur a. t. Weissagung. 0.12. 79 


herbeigeströmten Heiden im Thale Josaphat vernichtet 
werden, welche ihn beeinflufst. Doch werden wir auch 
noch manche Entlehnung aus andern Propheten auffinden. 

Das Eingreifen Gottes zu Gunsten seiner Stadt, 
weiches sowohl c. 12 als c. 14 berichtet, wird in c. 12 in 
anfacherer Weise beschrieben als in c. 14. Nach 12, 4 
whligt Jahve die Rosse der Heiden — letztere sind so- 
uch auch hier wie 11, 5 die auf Rossen Reitenden — mit 
(ten und jiny, die Reiter mit jpg). Und zwar bildet 
dee Verf. einen aus vier — sehr ungleichen — Zeilen be- 
stehenden Vers. Z. 1. 2. 4 desselben enthalten je ein 
wiches. Nomen auf ji, Z. 3 nicht. Zugleich entspricht : 
‚ih will öffnen meine Augen über dem Hause Juda“ nicht 
recht der 4. Zeile : „und alle Rosse der Heiden will ich 
nit Blindheit schlagen“. Schon das erweckt den Verdacht, 
| dafs hier vielleicht eine aus drei Zeilen bestehende Vorlage 
m eine vierte Zeile erweitert sein könnte. In Wirklichkeit 
athält nun diese Vorlage, welche sich Dt. 28, 28 findet, 
mr eine Zeile, in derselben jedoch jene drei Nomina auf 
f Deuterosacharja benutzte diese drei Nomina, um auf 
Grund jedes derselben eine Verszeile zu bilden. Die feh- 
lade vierte mufste er frei ergänzen und that dies in der 
vorliegenden Weise, da ihm kein viertes synonymes Nomen 
auf )i zur Hand war. 

Infolge dieses Eingreifens Gottes zu Gunsten Jeru- 
salems verlassen die Judäer die Sache ihrer Bundesgenossen 
und fallen über dieselben plötzlich her. Das Resultat ist, 
dafs Jerusalem unerobert an seiner Stelle sitzen bleibt, 
wie auch nach c. 14, welche Weissagung Jerusalem zeit- 
weilig erobert werden läfst, das Schlufsresultat v. 11 den- 
noch lautet : 935 O24 maw». Beide Stellen ruhen auf 
Joel 4, 20 m x17 oben wn obiy) nam. 

Eigenthtmlich ist Deuterozacharja der Inhalt von 
12, 6. 7; eigenthümlich auch der Vergleich, dafs nach Er- 
rettung Jerusalems das Haus Davids wie Gott und wie 





80 Stade, Deuterozacharja 


der Engel Jahves vor ihnen sein werde. Letzterer Ve: 
gleich zieht den andern herbei, dafs der 5y/>y wie Dani 
sein werde. Einfacher liegt dieser Gedanke Joel 4, # 
vor : „der Schwache spricht ein Held bin ıch.“ Dafs abe 
der Engel Jahves vor den Gläubigen zum Schutze gegen 
deren Feinde kämpfe, oder sich um sie lagere, ist gleich 
falls eine aus nachexilischem Schriftthume zu belegende 
Meinung » 34, 8. 36, 5. 6. 

12, 9 fafst kurz zusammen, was Ez. 39, 4—-24 mit be 
haglicher Breite erzählt wird. Die neue Wendung, welche ' 
mit der messianischen Zeit eintreten soll, kann nur dam 
Dauer haben, wenn kein neuer Anlals zu göttlichen Straf- 
gerichten gegeben wird. Es müssen daher nicht nur die 
alten Sünden entweder durch Vergebung oder durch Be 
strafung der Sünder gesühnt werden, sondern es mul 
weiter durch eine besondere Gnadenveranstaltung Gottes 
ein neues Verfallen in Sünde unmöglich gemacht werden. 
Daher verheifst denn Ez. 36, 25—28 für die Zeit der Zu 
rückführung Israels beides : „Ich sprenge auf euch reine 
Wasser, dals ihr rein werdet, von allen euren Flecken 
und allem euren Schandwesen reinige ich euch, und gebe 
euch ein neues Here und einen neuen Geist lege ich in euer 
Inneres u. s. w. Und nach Ez. 39, 29 folgt auf die Be 
siegung Gogs die Ausgiefsung des Geistes Gottes. 

Im Allgemeinen schliefst sich nun Deuterozacharja an 
diesen Gedankengang Ezechiels an und nicht an den Joels, 
welcher 3, 1 die Ausgiefsung des Geistes Gottes beim An- 
bruche des Tages Jahves erwartet, und ihr die Rolle zu- 
schreibt, das Volk Israel zum Bestehen dieses Tages ge 
schickt zu machen, während er am Ende seiner Schilde- 
rung des Tages Jahves 4, 21 eine Tilgung der noch nicht 
gebüfsten Schuld (durch Bestrafung der Sünder) voraus- 
sagt. Dals der Verf. diesen Gedankengang nicht einschlägt, 
kann bei dem Schreiber von 13, 2—6 nicht Wunder nehmen. 
Joel 3, 1 mufste diesem durchaus unsympathisch sein. 


Das Verbältn. Deuterozacharjas zur a. t. Weissagung. c. 12. 8] 


Deuterozacharja biegt aber nun Ezechiels Gedanken 
Grund eines ihn besonders bewegenden Vorfalls aus 
unmittelbaren Vergangenheit um und bezieht das von 
jenem allgemein Ausgesagte auf ein bestimmtes Ereignils 
wad bestimmte Personen. Es ist daher in seiner Beschrei- 
bbung der Ausgielsung des Geistes eine ganz besondere rm, 
welche Gott ausgiefst, eine OAH) m MN und dieselbe 
wird nicht über Juda (bezw. Israel) sondern über das Haus 
Davids und die Bewohner Jerusalems ausgegossen. Dieser 
Geist bewirkt also, dafs man Gnade erhält und um sie 
kittet, und nur die Genannten haben Veranlassung, um 
dieselbe zu bitten. Juda ist schon im Stande der Gnade, 
thm ist schon geholfen, wie sich ja schon in dem Ezechiels 
wie Joels Gedanken durchaus fremden Zuge, dafs Gott 
Juda zum Werkzeuge seiner Pläne wählt, der Umstand 
verräth, dafs es bereits im Gnadenstande ist. Davids 
Haus aber und Jerusalems Bewohner bedürfen der Gnade 
wegen einer von ihnen begangenen Blutthat. Es bewirkt 
nun die aan mm, daß sie für dieselbe in der 12, 10—14 
beschriebenen Weise Bufse thun. Diese Schilderung ist 
Deuterozacharjas unbestreitbares Eigenthum und wenn 
irgendwo, wird man hier Indicien für die Bestimmung der 
Abfassungszeit von Za. 9—14 zu finden erwarten dürfen. 
Nach erfolgter Bulse vergibt Gott den Davididen und 
Jerusalemern ihre Schuld. Der Verf. läfst sie also nicht 
wie Es. 36, 24-28 mit dem Wasser der Sühne besprengt 
. ears sondern verheifst 13, 1, dafs ihnen ein Quell in 
Jerusalem aufgethan werden soll Hierin ist er abhängig 
von der Es. 47, 1 ff. ausgesprochenen, Joel 4, 18 wieder 
i sufgenommenen , Erwartung, dafs in der messianischen 
Zet eine wunderbare, das Land befruchtende Quelle im 
Tempel entspringen solle. Die gleiche Vorstellung ver- 
vebt Deuterozacharja nochmals 14, 8 in seine Darstellung. 
Und swar schliefst er sich dort enger an Ezechiel (und 


Joel) an. Dort ist es eine Sommers und Winters strömende 
Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 1. 1881. 6 


a ET 17 = 2 ss 





82 Stade, Deuterosacharja. 


und von Jerusalem aus zur Hälfte ins todte sur Half 
ins Mittelmeer flielsende Quelle. Es ist jedoch leicht s 
beweisen, dafs diese Erwartung nur Es.47 ursprünglich i 
während ihr Vorkommen bei Joel und Deuterozachar 
auf Entlehnung beruht. Denn bei diesen ist die Vorstellu 
von ihren natürlichen Voraussetzungen losgelöst und std 
— es gilt das namentlich von Joel 4, 18. Za. 14, 8 — voll 
isolirt unter den. übrigen messianischen Erwartungen. D 
Tempelquelle Ez. 47 ist ein an richtiger Stelle stehend 
Glied in der Kette ezechielischer Erwartungen von d 
Neugestaltung aller Verhältnisse im Lande. Der Ke 
punkt dieser Erwartungen ist, dafs Jahve künftig inmitt 
seines Volkes im Tempel wohnen soll. Wie vom Temp 
aus die religiösen und sittlichen Lebensmächte über d 
Volk strömen, so von diesem auch der Segen der Fruch 
barkeit. Die Quelle, welche von jeher auf dem Temp 
berge entsprungen ist und wohl von jeher als heilig g 
golten hat, wird dann zu einem unüberschreitbaren Strom 
welcher die Ostmark fruchtbar und das todte Meer gesu 
macht. Dagegen geht die Quelle Joel 4, 18. zwar no 
vom Tempel aus. Allein sie ist nur ein einzelner Zu 
welcher in der Beschreibung der Fruchtbarkeit des Land 
neben andern erscheint. Weshalb sie bei Joel vom Temy 
ausgeht, was doch bei Ezechiel selbstverständlich ist, « 
fahren wir so wenig, als weshalb sie ins Akasienthal flief 
Ja sie steht so isolirt, dafs man Joel 4, 18° streich 
könnte, ohne dafs eine Spur davon zurückbleiben wür 
dals hier einst eine weitere messianische Erwartung g 
standen habe. Noch deutlicher aber verräth sich die Eı 
lehnung Za. 13, 2. 14, 8. An letzterer Stelle geht sie ı 
nächst nicht vom Tempel sondern von Jerusalem aus. D 
neue Tempel ist eben längst erbaut, aber die Tempelque 
die alte geblieben. Dann aber dient die erwartete Que 
nicht mehr dem speciellen Zwecke, die Ostmark fruchtt 
und das todte Meer gesund zu machen. Sondern : 


Das Verhältn. Deuterosscharjas sur a. t. Weissagung. co. 14 83 


Hälfte nach Osten zur Hälfte nach Westen fliefsend ver- 
leiht sie dem ganzen Lande Fruchtbarkeit. Man würde 
Ze. 14, 8 streichen können, ohne dafs man etwas vermissen 
würde, Beweis genug, dals Deuterozacharja von dieser 
wunderbaren Quelle weissagt, nicht weil ihn seine eigenen 
Vorstellungen darauf führen, sondern weil diese Erwartung 
sa dem festen Bestande der messianischen Erwartungen 
seiner Zeit gehörte. Vollends aber verräth sich der Epi- 
gone in der midraschartigen Auslegung der ezechielischen 
Weissagung, welche Deuterozacharja 13, 2 gibt. Jene 
Tempelquelle ist hier ein grofses Sühnwasser geworden, 
an TYP OD und meygn w') für die Davididen, Leviten und 
anderen Jerusalemer. 

Vielfach irregeführt hat Deuterozacharja die Kritiker, 
wenn er 13, 2 fortfährt : „ick vernichte die Namen der 
Götzen aus dem Lande und nicht gedenkt man ihrer mehr.“ 
Die Namen der Götzen zu vernichten ist recht gezwungen, 
wohl aber erklärt sich die Wahl des Ausdruckes, wenn 
dem Schreiber Hos. 2, 19 vorschwebte : „ich well ent- 
fernen die Namen der Baale aus ihrem Munde und nicht 
erwähnt man sie ferner mit thren Namen.“ Es ist ferner 
zu beachten, dafs an die Beseitigung des Götzendienstes 
angeschlossen wird die Beseitigung der Prophetie — und 
zwar der Prophetie überhaupt, nicht blos der falachen *). 
Denn Deuterozacharja richtet sich dabei nach den Dt. 13, 
6—12. 18, 20 über Götzendienst und falsche Prophetie 
gegebenen Bestimmungen. Und zwar lälst er gegen die 
sich als Propheten Aufthuenden die eigenen Angehörigen 
ebenso verfahren, wie es in der ersteren Stelle für den 


1) Nu. 8, 7. 19, 4. 18. 20—22. 

*) Bo umschreiben schon LXX Trgm. Pes. Allein trotz MNNR) 
TRENT ist, wie das Folgende ausweist, vom Weissagen tiberhaupt 
die Rede. 

6* 


84 Stade, Deuterosacharje. 


Fall der Verführung zum Götzendienst befohlen ist. Aus 
diesem Verhältnisse läfst sich wohl entnehmen, dafs sur 
Zeit des Verf. allerdings im Lande Götzendienst vorhanden 
war, aber kaum Gefahr, dafs ihm Isracliten verfielen. 
Endlich wird man, da Deuterozacharja noch mehrfach 
Bekanntschaft mit Joels Buch verräth, annehmen dürfen, 
dafs er sich durch 13, 3 ff. in bewulsten Gegensatz zu 
Joel 3, 1 setzt. 

In c. 14, dessen Eingang an Jes. 13, 9 erinnert, weicht 
der Verf. vielfach sowohl von Ezechiel als von Joel ab. 
Und zwar ist die nächste Veranlassung hierzu, dafs er ab- 
weichend von beiden sowie abweichend von den Erwar- 
tungen, welche er selbst in c. 12 ausgesprochen hat, hier 
eine vorübergehende Eroberung Jerusalems durch die Heiden 
in Aussicht nimmt. Dies zieht sofort dahin seine Con- 
sequenzen, dafs nun Jahve nicht wie bei Joel 4, 16 von 
Zion aus seinem Volke zu Hülfe kommen kann. Die Ver- 
heifsung jener Stelle, dafs Jahve seinem Volke eine Veste 
und Zuflucht sein werde, muls daher umgedeutet werden. 
Die Jerusalemer müssen durch eine wunderbare Veran- 
staltung Gottes aulserhalb Jerusalems ihre Rettung finden. 
Beiden Anforderungen genügt der Verf.,, indem er Gott 
seinen Fuls auf den Oelberg setzen lälst, so dafs letaterer 
sich spaltet und so ein die fliehenden Jerusalemer aufneh- 
mendes und schützendes Thal bildet. Ob ihn bei dieser 
Umdeutung die Meinung Joels geleitet hat, das Gericht 
der Heiden werde im Thale Josaphat stattfinden, ob er 
etwa meint, die Heiden würden vom eroberten Jerusalem 
aus die in das wunderbare Thal fliehenden Israeliten ver- 
folgen und hierbei im Thale Josaphat von Gottes Straf- 
gericht ereilt werden, wird sich nicht entscheiden lassen. 

Weiter aber schliefst sich der Verf. darin an Joel 4, 
14—16 an und entfernt sich von den Vorstellungen Ezechiels, 
dafs das den Öelberg spaltende Erdbeben den Tag 
Jahves selbst beginnt und bereits ein Mittel der Rettung 





En _ 


Das Verhältn. Deuterosscharjas zur a. t. Weissagung. ©. 14. 85 


st. Es. 38, 18-20 hingegen erfolgt das Erdbeben sofort, 
obald Gogs Heer das Land betritt. Es ist eine Zorn- 
wfserung des über die Betretung seines Eigenthumes er- 
mimmten Landesgottes, eine Drohung gerichtet an die es 
yetretenden Feinde. 

Die Flucht der Jerusalemer in das durch jenes Erd- 
yeben gebildete Thal vergleicht Deuterozacharja 14, 5 mit 
ler Flucht der Jerusalemer vor jenem grofsen Erdbeben 
m den Tagen Ussias. Auch dieser Zug hat die Kritiker 
m denkwürdiger Weise irregeführt. Gerade er aber zeigt 
deutlich die gelehrte, an älteres Schriftthum anknüpfende 
Manier des Verf. Er ist lediglich Reminiscenz aus Am. 1, 1, 
veranlafst durch die Schilderung des Einschreitens Gottes 
sam Gericht Am. 1, 2. Sehr bezeichnender Weise läfst 
er Jerobeam von Israel weg. Mit Jahve aber läfst er alle 
Haligen d. h. die Engelheere erscheinen. Es ist das ein 
Zug, der ihm aus Dt. 33, 2 geläufig sein mufste. 

In der Beschreibung der meteorischen Vorgänge 14, 
6.7, welche den Tag Jahves auszeichnen, entfernt sich 
Deuterozacharja nicht wesentlich von den ihm vorliegenden 
Weissagungen der Propheten. Während die Vorstellungen 
des Jesaias von den am Tage des Herrn am Himmel ein- 
tretenden Veränderungen sich durch eine gewisse Selbstän- 
digkeit der dichterischen Erfindung auszeichnen '), erwarten 
die übrigen Propheten Verfinsterung von Sonne, Mond 
und Sternen — deutlich im Anschlusse an volksthümliche 
Vorstellungen über Sonnen- und Mondfinsternisse. Am. 
5, 18. 8, 9. Zeph. 1, 15. Jes. 13, 9 f. 24,23. Es ist gerade 
die letztere Stelle : 

Dean schämt sich der Mond und erblalst die Sonne, 


Dean Kinig ward Jahve der Heerschaaren auf dem Zionsberg und in 
Jerusalem. 





1) Jes. 80, 26 : „Und es wird das Licht des Mondes wie das Licht 
der Sonne sein und das Licht der Sonne siebenfach.“ 84, 4 : „Da 


86 Stade, Deuterozacharja. 


welche dem Verf. vorschwebt. Hierauf weist die Wieder- 
kehr des Gedankens von Jes. 24, 23? in v. 9. Die dem 
Verf. von Jes. 24—27 eigenthümliche und sich aus dem 
Zusammenhang der ganzen Stelle erklärende Vorstellung, 
dafs sich Sonne und Mond schämen, bildet er zu ni 
peop’ um, um sich den Vorstellungen der anderen pro- 
phetischen Stellen zu accommodiren. Ihm eigen ist, dafs er 
den Tag nochmals näher als einen Tag der Dämmerung 
beschreibt, an welchem es erst Abends hell wird. Der 
Widerspruch gegen den natürlichen Verlauf der Dinge ist 
hierdurch noch gesteigert worden. Auch hierin verräth 
sich der nachahmende Epigone. 

Ueber 14, 8 ist bereits 8. 81 ff. gehandelt worden. 
Nur darauf ist noch hinzuweisen, dals durch die Eintragung 
dieses messianischen Zuges Deuterozacharja die Jes. 24, 23 
enthaltenen beiden Gedanken von einander getrennt hat. 
Jes. 24, 23* kehrte wieder 14, 6. 7, dagegen 23° folgt, 
wie wir sehen, erst 14, 9. 

Es sind jedoch noch andere prophetische Gedanken, 
welche den Verf. bei der Gestaltung von 14, 9 beeinflufst 
haben. Jahve wird nicht nur König über das ganze Land, 
er wird auch einer sein und sein Name einer. : Damit ist 
einmal der Ausschlufs jeder andern Gottesverehrung aus- 
gesprochen, es ist aber auch zweitens hierdurch die Mei- 
nung ausgeschlossen, dafs etwa die Heiden Jahve unter 
anderm Namen dienen. Deuterozacharja spricht sich hier 
gegen eine Vorstellung von der Gottesverehrung der Heiden 
aus, wie sie Malachi 1, 11 ff. dem Volke Israel zur Be- 
schämung vorgetragen hatte, indem er ihm zuruft : „Denn 
vom Aufgange der Sonne bis zu ihrem Niedergange ist mein 
Name grols unter den Heiden, und überall opfert und 
bringt man meinem Namen dar und zwar reine Gaben, denn 


gusammengerollt, “ 


Das Verbältn. Deuterozacharjas zur a. t. Weissagung. c. 14. 87 


grols ist mein Name unter den Heiden.“ Es wird um so 
zaehr angezeigt sein, in der Stelle 14, 9 einen beabsich- 
tigten Widerspruch gegen Malachis Doctrin zu finden, als 
such Malachi in jener Stelle das Königthum Jahves ver- 
kundet; 1, 14 : „Denn ein grolser König bin ich, spricht 
dJakve der Heerschaaren, und mein Name ist gefürchtet 
unter den Heiden.“ 

Auf die Beschreibung des Tages Jahves folgte nicht, 
wie das naturgemäß gewesen wire, die Verkündigung, 
dafs Jahve König wird über sein Land, sondern die Weis- 
sagung von der wunderbaren Quelle. So folgt auch jetzt 
auf die Verkündigung, dafs Jahve König wird tiber sein 
Land, nicht, wie naturgemils gewesen wäre, die Verheilsung, 
dafs auch die Heiden sich König Jahve unterwerfen, welche 
wir vielmehr erst v. 16 ff. lesen, sondern zunächst aber- 
mals einige isolirte messianische Erwartungen, v. 10. 11, 
und dann die noch rückständige Erzählung von der Ver- 
nchtung der gegen Jerusalem ausgesogenen Heiden. 
vy. 12—15 *). | 

Die erste der eingeschalteten messianischen Erwar- 
tungen v. 10, dafs das ganze Land sich zu einer Ebene 
wandeln soll, über welche Jerusalem hoch emporragt, ist 
nur eine Umbiegung des alten messianischen Gedankens, 
welchen wir Jes. 2, 2. Mi. 4, 1 lesen. Auch sie ist aus 
ihrem naturgemälsen Zusammenhange herausgerissen. Denn 
diese Erhabenheit Jerusalems entspricht der religiösen Be- 
deutung, welche dereinst Jerusalem für alle Völker haben 
soll Daher folgt denn auch in jener alten Weissagung 
sofort die Verkündigung, dafs alle Heiden nach Jerusalem 
pilgern sollen, deren Aequivalent Deuterozacharja erst 
v.16 ff. bringt. Damit steht im Zusammenhange, dals es 


') Der grelle Contrast dieser Flickarbeit eines Epigonen mit der 
Entwickelung selbständiger prophetischer Gedanken erhellt deutlich 
aus einer Vergleichung des parallelen Abschnittes Zeph. 8, 8—20. 





88 Stade, Deuterozacharja. 


sich für ihn hier nur darum handelt, daß Jerusalem the F 
das Land Juda emporragt. Auch die Beschreibung de ? 
dereinstigen Ausdehnung und Sicherheit Jerusalems sind * 
Einzelzüge der messianischen Erwartung, welche ursprüng- f 
lich nicht in diesen Zusammenhang gehören. Bei dem ! 
ersten hat wahrscheinlich Jer. 31, 38 ff. Modell gestanden, 
der zweite ist allgemein verbreitet. | 

Auch die Vorstellung v. 11, dafs künftig kein Bam : 
mehr sein solle, ist nicht originell. Sie enthält eine An 
spielung auf die Worte älterer Propheten und wird erst 
als solcherecht verständlich. Jeremias verkündete dereinst 
im 4. Jahre Jojakims dem Volke Judas, dafs Gott, wel 
sie nun 23 Jahre lang die ihnen durch den Propheten 
übermittelten Befehle Gottes mifsachtet und die Mahnungen 
der Propheten zurückgewiesen hätten, die Völker des Nor- 
dens in ihr Land führen werde, „und ich banne ste und 
mache sie zum Entsetzen und zum Gesische und zu ewigen 
Einöden.* An dieses Wort des Jeremias knüpft Deutero- 
jesaias 43, 28 wieder an, wenn er verktindet, Jacob sei 
wegen seines Abfalles dem Banne preisgegeben worden. 
Und wenn Elia vor Anbruch des Tages Jahves erscheint 
und die Herzen der Väter den Söhnen und der Söhne 
Herz den Vätern wieder zuwendet, so geschieht es, „da- 
mit ich nicht komme und strafe das Land mit dem Banne.* 
Also nicht um jeden Bann handelt es sich, sondern um 
diesen, von welchen die Propheten Gottes geredet haben, 
um jenen Bann, welchem das Volk schon einmal erlegen ist. 

Auch in der Beschreibung der Vernichtung der Heiden 
arbeitet Deuterozacharja mit entlehntem Gute. Sie geht 
zurück auf Ez. 38, 21. 22. Und zwar ist die ekelhafte 
Beschreibung von v. 12 Ausdeutung von Ez. 38, 22: 
„Ich rechte mit thm durch Seuche und durch Blut“, wäh- 
rend v. 13 das Wort Ez. 38, 21 ausführt : „des einen 
Schwert wird gegen den andern sein.“ 





Bu bil .M. 971° 


wr 
= 


Das Verhältn. Deuterozacharjas zur a. t. Weissagung. c 14. 89 


Wir sahen schon, dafs den v. 16—19 gegebenen Aus- 
fahrungen so alte Erwartungen wie Jes. 2, 2 ff. Mi. 4, 1 ff. 
sa Grunde liegen. Hier sind dieselben jedoch aus dem 
leraelitischen ins Jüdische übertragen worden. Die Völker 
pilgern nicht nach Jerusalem, um sich belehren zu lassen, 
sondern um das Laubhüttenfest zu feiern. Sie sind zu 
Proselyten und Gliedern des Bundesvolkes geworden. Im 
Ausdrucke des Gedankens schliefst sich Deuterozacharja 
hier zunächst an Deuterojesaias an, welcher seine Weis- 
sagung mit dem Gedanken schliefst, dafs alles Fleisch 
Jahve huldigen wird. An die Stelle von Neumond und 
Sebbat aber, an welchen nach Deuterojesaias alle Völker 
kommen, um anzubeten, setzt Deuterozacharja das Laub- 
hüttenfest. Dieses feiern alle Völker mit. Wie eng der 
Verf. sich aber an seine Vorbilder anschliefst, lehrt gerade 
hier eine Vergleichung beider Stellen besonders deutlich : 


Jes. 66, 28: My Rn DR N Tr TR Wp my 
“OR 297 MinpY? 

Zu 14 16: 8 7a) N a MIR a an PM 
I) MINDY 

In den Zusammenhang deuterojesajanischer Gedanken 
verwebt der Verf. weiter den diesen durchaus fremden 
Zug, dals diejenigen Heiden, welche nicht nach Jeru- 
salem pilgern, dadurch gestraft werden sollen, dafs ihrem 
Lande die Fruchtbarkeit entzogen wird. Die Erwähnung 
Aegyptens aber ist wohl nicht aus einem Einfluls von 
Joel 4, 18 f., sondern in der Weise wie 8. 39 zu erklären. 
Auch die Schlufsverse 20. 21 sind durchaus angeregt 
durch ältere prophetische Gedanken. Dafs Jerusalem in 
der messianischen Zeit von einer ganz besonderen Heilig- 
kat sein soll, ist ein Jeremias geläufiger Gedanke. Nach 
Jer. 3, 16 wird man der Lade nicht mehr gedenken, weil 


=: ganz Jerusalem Jahves Thron ist. Und seine Weissagung 
: vom künftigen Ausbau der Stadt schliefst er 31, 40 mit 


| 


der Verheifsung, dafs nicht nur das neugebaute Jerusalem, 


90 Stade, Deuterosacharje. 


sondern auch das ganse Thal mit den Aesern und der 
Fettasche u. s. w. dem Jahve heilig sein solle. Nach Deu- 
terojesaias ist das erlöste Juda ein heiliges und priester- 
liches Volk Jes. 61, 6. 62, 12. 66, 12. Am Schlusse seines 
Buches aber weissagt er 66, 20 : „und es dringen eure 
Brüder aus allen Heiden Opfergabe für Jahve auf Rossen 
und auf Wagen und auf Bänften und auf Maulthieren 
und auf Dromedaren nach seinem heiligen Berge gen Jeru- 
salem, spricht Jahve, gleichwie die Kinder Israel in reinem 
Gefälse Opfergabe nach dem Hause Jahves bringen.“ Joel 
aber sagt, gleichfalls gegen den Schlufs seines Weissagungs- 
buches, 4, 17 kürzer : „Jerusalem wird heilig sein und 
Fremde werden nicht dahin kommen.“ 

Sind sogar die sonst dem Kriegsdienste gewidmeten 
Rosse heilig, ‚wie erst die Bewohner Jerusalems! Und 
sind deren Kochtöpfe so heilig wie die Opferschalen, so 
wird lauter reine Gabe gebracht werden. Und kömmt 
nach Joel kein Fremder mehr in die heilige Stadt, so 
treibt Deuterozacharja auch diese Erwartung auf die Spitze, 
wenn er versichert, dafs kein Kananier d. h. kein schachern- 
der, sich am Tempeldienste bereichernder Israelit mehr im 
Tempel sein werde. Die Erinnerung an Zeph. 1, 8—11 
mag ihn hierbei geleitet haben, wie möglicherweise der Um- 
stand, dafs auf den Schellen der Rosse Y’') wp stehen soll, 
durch Ez. 28, 36 veranlalst worden ist. 

Versuchen wir zum Schlusse die Deuterozacharja 
eigenthümlichen Erwartungen zu einem Gesammtbilde zu 
vereinigen. Als Grundgedanken des Verf. werden wir an- 
sehen dürfen, dafs Gott die dereinst von den Propheten 
gegebenen aber noch nicht erfüllten Weissagungen jetzt 
erfüllen werde. Daher knüpft er aller Orten an diese 
alten Weissagungen an. Und nur so erklärt es sich, dafs 
er für die Zeit der Erfüllung derselben das Ende der Pro- 
phetie erwartet. Denn dann bedarf es keiner Prophetie 
weiter. Gott hat, was er von Hoffnungen seinem Volke 


Das Verhältn. Deuterosacharjas zur a. t. Weissagung. 91 


dereinst erfüllen wird, längst durch den Mund seiner 
Knechte, der Propheten verkündet. Darüber hinaus gibt 
ee keine Zukunftshoffnungen. Wer solche bringt, wer mit 
diesem im Widerspruch stehende Gedanken verkündet, 
redet ne’ 12, 3. Die Reihe der Propheten ist abgeschlossen. 
Wer sich noch Prophet. zu nennen wagt, bezeugt eben 
damit, dafs er nicht von Gottes Geist, sondern von der 
msi] MI 12, 2 getrieben wird. Deuterozacharja selbst 
will er gar kein Prophet sein !). 

Die von Gott dereinst gesandten Propheten hatten 
geweissagt, dafs Gott in der Zukunft Juda und Ephraim 
sus dem Exile zurückführen und beide unter dem Scepter 
eines in Gottes Wegen wandelnden Davididen vereinigen, 
sie in Glück und Frieden im heiligen Lande wohnen lassen 
werde. Ezechiel erwartet nach der Herstellung des neuen 
Israels einen nochmaligen Ansturm der Heidenwelt. Indem 
Gott diesen bricht, verherrlicht er sich an seinem Volke 
und überzeugt die Heiden, dafs er sein Volk dereinst nur 
wegen der Sünden desselben preisgegeben hat. 

Erst einiges von diesen Weissagungen hat sich nun 
bisher erfüllt. Allerdings ist Juda wieder heimgekehrt, 
aber die Brüder vom Hause Joseph sind noch in der Ver- 
bannung und aus Juda sind aufs Neue viele Tausende in 
fremde Länder geschleppt worden oder freiwillig dorthin 
gewandert. Kein König aus Davids Geschlecht herrscht 
über Gottes Volk, wie die Propheten es geweissagt hatten, 
sondern Herren aufser Jahve (Jes. 26, 13) beherrschen es. 
Die von den Propheten geweissagte Ausdehnung des 
Volkes über das ganze heilige Land ist nicht eingetreten. 
Dafs das Volk die Grenzen der Herrschaft Davids wieder 
haben werde, ist ein unerreichbares Ideal geblieben, aber 
auch ein unvergessenes. Statt dafs Israel, wie für die Zeit 


1) Wellhausen, Geschichte Israels I, 8. 420. 








92 Stade, Deuterozacharja. 


nach der Zurtickftithrung verheifsen worden war, siegreich‘ 
und gefürchtet unter den Heiden sitzt, wird es von diese 
geknechtet und zertreten. Seine eigenen Oberen beutes 
es frevelhaft aus und verkaufen es den Feinden. Wohl ist 
der Tempel wieder aufgerichtet worden und beständig 
raucht das Opferblut. Aber die Tempelquelle ist ein stil 
fliefsendes, sanftes Wasser geblieben und nicht zu einem 
unüberschreitbaren Strome geworden, welcher Leben und 
Fruchtbarkeit in die dürren Gefilde des Landes trägt und 
die grauenhafte Oede des todten Salzmeeres in ein Bild 
fröhlicher Lebensfülle wandelt. Und noch deutet maa 
nicht mit dem Dichter von » 46!) den Strom auf dem 
Tempel selbst, von welchem reiche Segnungen über die 
Gottesstadt ausströmen, überall hin Gnade und Heil ver 
mittelnd. Wohl sind die Mauern der Stadt wieder auf- 
gebaut worden, aber nicht haben sie zu hindern vermocht, 
dafs unlängst ein Zwingherr dort eingedrungen ist. Grolsen 
Ruhm und grofses Ansehen genielst die Gottesstadt im 
Volke, aber wenig merkt man davon, dafs Gottes Geist 
wirklich in ihr seine Wohnung aufgeschlagen habe. Vor- 
nehm und verächtlich sehen die Familien aus Davids Ge 
schlecht und aus dem Geblüte der Priester, ja verächtlich 
sieht jeder Jerusalemer auf die aufserhalb der heiligen 
Stadt wohnenden Judäer herab. Und mit Gewaltthätigkeit, 
nicht mit Gerechtigkeit und Liebe, sind sie noch unlängst 
in einem besonders schlimmen Falle für ihre eigenen In- 
teressen eingetreten. 

Jener grofse Völkersturm endlich, welcher von den in 
geheimnilsvolles Dunkel gehüllten Gegenden des Nordens 
aus losbrechend ein letztes Mal die heilige Stadt umtoben 
sollte, ist nocht nicht erfolgt. Aber jetzt scheint es, wird 


*) p 46, 5 : Ein Strom, dessen Bäche erfreuen die Gottesstadt, ist 
die heilige Wohnung des Höchsten. 


Das Verhältnifs Deuterosacharjas zur a. t. Weissagung. 93 | 


ott ihn herbeiführen. Jetzt hofft der Verf. werden die 
eh rückständigen Hoffnungen der Propheten sich er- 
Ben. 

Die gesammte Summe dieser in ihrer Erfüllung noch 
ckständigen Weissagungen nun führt Deuterozacharja 
nächst in dem grofsen Zukunftsbilde vor, welches jetzt 
9 und 10 des Buches Zacharja bildet. Es ist noch zu 
warten, dafs Gott das ganze heilige Land in seinen idealen 
rensen in Besitz nehme — denn noch besitzen es eben 
exrn aulser Jahre. Eben jetzt scheint es, wird sich dies 
ı Zusammenhange mit einem von Nordosten her zu er- 
artenden Kriegssturme vollziehen. Diese Besitsergreifung 
ss heiligen Landes durch Gott bedingt zunächst die Be- 
sung Judas von der Fremdherrschaft und die Ausdeh- 
ung der Judäer über die ihrem Lande benachbarten, jetzt 
ndeen Völkern gehörigen Territorien, welche innerhalb 
er idealen Grenzen des Reiches Israel liegen. Das unter 
lott wohlgefälligen Führern kämpfende Juda ermöglicht 
urch die Besiegung seiner Feinde die Befreiung Ephraims. 
n großser Volkszahl kehrt Ephraim heim, besiedelt nicht 
ur sein eigenes Land, sondern verbreitet sich wie Juda 
ber die angrenzenden Territorien. Noch einen letzten 
ampf hat das wieder vereinte Bundesvolk mit der dem 
ache Gottes feindselig gesinnten Weltmacht zu bestehen. 
ber Gott hilft ihm diese — die Söhne der Griechen — 
. überwinden. Aus dem Kampfe zieht der von den Pro- 
ıeten geweissagte ideale König heim als Sieger und hält 
inen Einzug in der Gottesstadt als Friedensftirst. Er 
herrscht — ohne der Kriegswaffen zu bedürfen — das 
nze heilige Land in der Ausdehnung des Reiches Davids. 
en Heiden aber vermittelt er den Frieden. 

Alles andere, was wir c. 11—14 lesen, verhält sich zu 
9. 10 wie der Theil zum Ganzen und findet in dem Ge- 
nmtbilde c. 9. 10 irgendwo seinen Platz. Die in c. 11—14 
thaltenen Weissagungen sind einzelne, in der Detaillirung 





94 Stade, Deuterosscharje. 


abweichende Ztige aus jenem Gesammtbilde, es sind Nach- 
träge, Supplemente, bestimmt einzelne hinfällig gewordene 
Ausführungen von c. 9. 10 zu ersetsen. Und zwar kommt 
c. 11, 1—17. 13, 7—9 im Umfange der in ihm enthaltenen 
Erwsrtungen c. 9. 10 ziemlich nah. Was in ihm fehlt, 
findet sich c. 12, 1—14. 13, 1—6 und c. 14. Es sind die 
letztern nur je ein Supplement zu einem einzelnen Theile 
von c. 9. 10, c. 11, 1—17. 13, 7—9 aber das pessimistische 
Gegenstück zu den optimistisch gehaltenen cc. 9. 10, oder 
wie Ewald nicht untreffend sagt, die dunkle Sette der 
Zukunft. 

Hinfillig aber werden Weissagungen, wie wir in der 
Einleitung sahen, dadurch, dafs Bedingungen sum Wegfall 
kommen, an welche jene geknüpft sind. Sonach müssen 
zwischen c. 9. 10 einerseits und c. 11—14 andererseits Er- 
eignisse liegen, welche Deuterozacharja davon überzeugten, 
dafs nunmehr bestimmte Zukunftserwartungen ihre Berech- 
tigung verloren hätten, dafs nunmehr an deren Stelle andere 
getreten seien. Sonach würde ein zeitlicher Abstand 
zwischen der Conception von c. 9. 10 einerseits und 
c. 11—14 andererseits anzunehmen sein. Oder aber es 
wird die Meinung Platz greifen müssen — und bei der 
engen Verbindung, welche zwischen c. 10 und 11 besteht, 
wird sie vielleicht mancher vorzuziehen geneigt sein — dals 
Deuterozacharja- seinen Zeitgenossen dadurch zum Bewulst- 
sein bringt, was sie von Zukunftshoffnungen durch ihr Thun 
verscherzt haben, dafs er ihnen in c. 9. 10 die ganze 
Summe deren vorträgt, welche ohne ihr gottwidriges Thun 
zu erwarten gewesen wären. 

Was aber nun den Eintritt der c. 9. 10 geschilderten 
Hoffnungen zu einem Theile verhindert hat, das erfahren 
wir aus c. 11, 1—17. 13, 7—9. Allerdings erfolgt jener 
9, 1—8 vorausgesehene Sturm von Nordosten her 11, 1 ff. 
In seinem Gefolge scheint es, werde Juda die 10, 3. 4 ver- 
heifsene Neuordnung aller seiner Verhältnisse erhalten 


| 


Das Verhältnifs Deuterosacharjas sur a. t. Weissagung. 96 


11, 4—8. Aber diese Hoffnung triigt. Das Volk weist 
die ihm von Gott gebotene Hand zurück, mag nicht die 
ihm von Gott gegebenen Autoritäten, zieht die alten vor, 
welche es verkaufen und sich an ihm bereichern. Ob hier- 
mit die 12, 10 den leitenden Kreisen zur Last gelegte That, 
nach Deuterozacharjas Meinung wohl ein Justizmord, in 
Verbindung su bringen ist, wird sich bei unserer durch- 
aus ktimmerlichen Kenntnifs von jenen Zeiten niemals er- 
mitteln lassen. Mir ist es wahrscheinlich, wie ich mir es 
auch hieraus erkläre, dals der 9, 9 verheifsene persön- 
liche Messias in der Schilderung der messianischen Zeit 
c. 12 und c. 14 gänzlich fehlt '). So unterbleibt denn die 
10, 6 ff. verheifsene Heimführung Ephraims 11, 14. Assurs 
und Aegyptens Hochmuth wird nicht gebrochen, wie 10, 12 
in Aussicht gestellt hatte, und nicht besiegt unter Gottes 
Führung das geeinte Bundesvolk die Griechensöhne, ge- 
schweige dafs aus diesem Kampfe der siegreiche Messias- 
könig heim zöge. Vielmehr vermittelt sich der Anbruch 
der messianischen Zeit ganz anders. Durch das tiefste Elend, 
durch noch gröfsere Erniedrigung mufs Juda zu ihr hin- 
durch. Die schlechten Oberen quälen und mifsbrauchen 
das Volk, bis Gott sie durch ein Strafgericht hinwegrafft, 
in welchem zwei Drittel des Volkes umkommen. Das letzte 
Drittel mufs durch ein neues grofses Gericht hindurch ; 
was in diesem übrig bleibt, wird Gottes Volk 11, 15—17. 
13, 79. 

Als dieses letzte Strafgericht von 13, 7—9 ist der Zug 
der Völker gegen Jerusalem anzusehen, welcher c. 12, 1—14. 
13, 1—6 und c. 14 geweissagt wird. Mit knapper Noth 
entrinnt die heilige Stadt dem Untergange. Nur dadurch 
wird sie gerettet, dafs Gott für-sie zum Streite wider die 
Heiden erscheint, und die von den Jerusalemern so 

‘) Freilich schliefsen sich die Betonung des Königthums Jahve 


und die Erwartung eines messianischen Königs nicht aus, wie Psalt. 
Salom. 17, 1. 5 zeigt. 





96 Stade, Deuterosacharja. 


verachteten Judier sich, ermuthigt durch Gottes Einschreiten, 
wider die Heiden erheben, welchen sie Heeresdienst wider 
Jerusalem haben leisten müssen. 


Aus dem über c. 12, 1—14. 13, 1-6 und c. 14 Ge | 
sagten ergibt sich zugleich, dafs diese beiden Weissagungen ' 


in ähnlicher Weise sich zu einander verhalten, wie c.9. 10 


und .c. 11, 1—17. 13, 7—9. In der ersten ist das Bild von * 
der Zukunft mehr mit hellen, in der zweiten mehr mit 


dunklen Farben gemalt. Diese symmetrische Disposition 
des Abschnittes Za. 9-14 ist einer der besten Beweise 
für seine Herkunft von einem Verf. Aber auch wenn die 
erstere nicht vorhanden wäre, würde bei dem Ergebnils 


dieser unserer Untersuchung das Nebeneinanderbestehen - 


optimistischer und pessimistischer Zukunftserw 
weit davon entfernt sein, einen Gegengrund zu bilden. Deu- 
terozacharja fand eben beides in der älteren Weissagung vor. 

Freilich werden wir bei dergrofsen Verbreitung, welche 
die Meinung gefunden hat, dals der Abschnitt Za. 9—14 
von zwei Verfassern herrühre, auf den Ungrund derselben 
nochmals ex professo zurückzukommen gut thun. ‚Aber es 
wird bei dieser Sachlage in aller Kürze geschehen können. 

Ferner aber hat die bisherige Untersuchung uns bereits 
den vollgültigen Beweis geliefert, dafs wir in Za. c. 9—14 
ein nachexilisches Product, ein Buch jünger als Joel vor 
uns haben. Wenn wir in einer weiteren Untersuchung 
alle diejenigen Momente zusammenfassen, welche sowohl aus 
der innerjüdischen als der äufseren Geschichte für die nach- 
exilische Abfassung geltend gemacht werdenkönnen, so ver- 
anlafst uns dazu weniger das Bedürfnifs, für unser bisheriges 
Resultat weitere Bestätigung zu finden, — es wird dieselbe, 
deren es gar nicht mehr bedarf, freilich im reichsten Malse 
erhalten — als vielmehr die Erwartung, es möchte ge 
lingen, die Abfassungszeit noch genauer zu bestimmen, 
als es bisher geschehen konnte. 

(Fortsetsung folgt im nächsten Heft.) 


Zur Textkritik des Buches Josua und des Buches 
der Richter 


von Joh. Hollenberg, 
Gymnasial-Oberlehrer in Mors. 


Im Folgenden möchte ich die Aufmerksamkeit auf 
einige theils wichtige, theils unwichtige Lesarten der LXX 
im B. Josua und im B. d. Richter lenken, welche mir bei 
Stadien zur Gruppirung der Handschriften des Holmes- 
Parsons’schen Apparates aufgestolsen sind. 


1. Jos. V, 11 fehlt in dem Bericht über das von den 
Israeliten zu Gilgal gefeierte Passah in der LXX nınoo 
nmioorn, ebenso in V. 12 .nımon. Zugesetzt finden wir es 
in beiden Versen in Syrohex. mit Asteriskus, am Rande 
einmal in VII 85, als Lesart der Aoırol gibt es beide mal X. 
Vollständig in den Text aufgenommen hat es in V.11 die 
Handschriftenklasse 44 74 76 84 106 134; ferner 19 108 
Compl. In V. 12 haben es an derselben Stelle wie im 
Hebr. (hinter ro parva) nur 19 108 Compl., an anderer 
Stelle (zwischen nuepg und égé¢dexe) die Handschr. 64 75, 
welche zwar eigenartig sind, aber in nächster Verwandt- 
schaft mit 44 76 u.s. w. stehen. Dieser Sachverhalt macht 
es unzweifelhaft, dafs die Worte in beiden Versen in der 
LXX ursprünglich fehlten; denn die sie enthaltenden HH. 
sind diejenigen, welche im B. Jos. fast überall die Lücken 
nach den übrigen Uebersetzungen ausfüllen. Dafs der 
Uebersetzer etwa an dem Ausdruck wegen seiner Nicht- 
übereinstimmung mit navn money Lev. 23, 11 Anstofs 
genommen, ist schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil 
man beide Ausdrücke ohne genauere kritische Analyse 


leicht identificiren konnte. Also standen beide Worte nicht 
Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 1. 1881. 7 


98 Hollenberg, sur Textkritik 


in der hebräischen Vorlage des Uebersetsers. Schon 
Hupfeld ') hat nachgewiesen, dafs die im mas. T. voll- 
zogene Gleichstellung von fawn nwmp mit moon MIrmD 
falsch sei und gegen den Sinn von Lev. 23 verstofse; 
auch Wellhausen *) hält sie für eine spätere Ausdeu- 
tung. Aus der LXX aber sehen wir, dafs diese auf Grund 
von Lev. 23, 11 ff. gemachte falsche Ausdeutung eine 
ziemlich späte ist und dafs es fernerhin an jeder Berech- 
tigung fehlt, unsere Worte zur Erklärung von Lev. 23 


heranzuziehen. 


2. Jos. IX, 27 owanım) OVY Son mn OYS yey? on 
mm ownsy mm naw) mp5. Hier will „bis auf diesen 
Tag* nicht recht zum Vorhergehenden passen. Die LXX 
macht hinter my maw einen Punkt und fährt dann fort: 
dıa tovro Lyevorro of xaroıxoüvres FaBawy §&vdoxoxot 
xad edpopegor tot Pvoraornolov (andere HH. tq Oveie- 
ornelo) tov Seov *), dann folgt erst das masor. fm¢ ric 
onueoov nuéoac. Es läfst sich nicht leugnen, dafs letzteres 
so besser mit dem Vorhergehenden zusammenstimmt. 
Also ist vor MM OVNI einzuschieben wor Nya) ‘sw WM 
mm mand Dosen OY. Der Grund der Weglassung 
ist das Ueberspringen des Abschreibers vom ersten sum 
zweiten mm maw. Interessant ist dabei, dafs in dem 
Mehr der LXX sich may) nicht wiederholt findet, nur 
54 74 76 84 106 134 haben auch hier xzaoy ty Owwayoryü. 
Getilgt ist das Mehr der LXX in einer Anzahl von HH; 
von den sonst mit Vatic. übereinstimmenden fehlt es nur 


!) Commentatio, qua festorum memoriae apud rer. hebr. scriptores etc. 
(appendix comment. de prim. ac vera fest. ap. Hebr. rat.) Hal. 1865 
p- 1—8. 

*) Jahrb. f. d. Th. XXII 482. 


®) Dieses Mehr der LXX habe ich leider in meiner „Charakteristik 
der alex. Ueb. des B. Jos. Moers 1876“ tibersehen, worauf mich 
Kuenen aufmerksam machte. 





des Buches Josua und des Buches der Richter. 99 


n 209 236 Cat. Nic., aufserdem in 19 108 Cpl., ferner in 
II 29 58 59 82. — Syrohex. und 121 haben es sub obelo. 
Wenn diese Lesart der LXX richtig ist, wird es tibrigens 
noch wahrscheinlicher, dafs die Worte mim OYAy ursprüng- 
lich den Vers geschlossen haben. 


3. Jos. XV, 60. Es ist fast allgemein anerkannt, dafs 
swischen 59 und 60 sich in der LXX ein ursprünglicher 
Bestandtheil des hebr. T., eine Gruppe von 11 Städten er- 
halten hat’). Man pflegt in den Comment. die Formen 
der Ed. Rom., des Cod. Alex. (III bei Holmes) und des 
Hieronymus nebeneinander zu stellen, um aus ihnen die 
hebr. Formen zu gewinnen. Wir haben aber noch eine 
dritte Gestalt dieser Namen in den HH. 44 74 76 84 106 
1%; 54 75, mit welchen Syrohex. sum Theil übereinstimmt. 
Für das Sayme des Vatic. bieten sie Soywe, für Aurav 
Arc mit den meisten HH., für Koviov, wofür auch 
Kovdoz und Koviou vorkommt, Koday. Für Tarau (Ta- 
yaa?), wofür auch Tara, Tarausı, Tausı, Taye, finden 
wr hier Tavay, für Emßrs (das falsche Owfnc der Ed. Rom. 
ist völlig zu beseitigen), was jedenfalls in Vat. und 55 
(woßns) nur Schreibfehler für das Zwerg fast aller andern 
HH. ist, bieten sie I'wens; für Taieu (Tarsıu, Talleıu, 
Tedd) Taiciu und T'alasıu, bei letzteren ist a nur ver- 
ksen fir 2. Für Ocn0, womit Vatic. ganz allein steht, 
säigen sie mit den meisten Bacio (einzelne andere Br797P), 
für Maworo (Mavayo) haben sie theils Mavay (44 54 75 
106 Syroh.), theils Ma»vay (74 76 84 134). Wir werden 


N), Neubauer, la géographie du Talmud 8. 128 Anm. sagt : Bi 
notre mémoire nous est fidéle, ces villes se trouvent énumérées dans 
un fragment biblique (msc.) de la bibliothöque impériale de St. Péters- 
bourg. Wenn ein hebr. Manuscript gemeint ist, so ist die Angabe 
nicht sehr wahrscheinlich, da die Städte schon zu Hieronymus Zeiten 
im Hebr. nicht mehr standen, aber die Sache wäre doch einer Nach- 
keschung werth. 

78 





100 Hollenberg, sur Textkritik 


demnach zu den ganz unzweifelhaften Namen „Pr, mK ! 
= ond ns, 00°Y hinzufügen können 11), OND OD"), Os | 
wv. Da Eoßrns und I'weng sich leicht auf Zoprx zu 
rückführen lassen, so wird dies die Originalform sein. 
Am unklarsten bleiben auch ferner Taraus (Taway) und 
Mavoyo (Mavay), doch ist Tavay schon wegen seiner 
Aehnlichkeit mit Mavay keine sehr vertrauenerweckende 
Form ®). | 

4. Jos. XIX, 30. Von den Grenzen Assers kann man 
sich bekanntlich nur eine höchst mangelhafte Vorstellung 
machen, da die meisten dort genannten Ortschaften trots 
der Identificationen der Commentare unbekannt sind. Ge 
wöhnlich wird ganz willkürlich angenommen, die zuletst 
genannten Städte Sm) pox Mwy seien außerhalb der vor- 
her bezeichneten Grenzen im äufsersten Norden zu suchen. 
Aber schwerlich reichte Asser so weit nach Norden, dafs 
z. B. Aphaca auf dem Libanon zu ihm gerechnet werden 
konnte. Nun lesen wir im Vatic. am Schluß von V. 29 
und in V. 30 für ‘wn name San xaı aroieß (1. ax Disp) 
xat exyocop xat apxoß (Ed. Rom. Apxöß) xat apex xat pacer. 
Mit «pxoß, welches Myy entspricht, steht Vat. ganz allein; 
es ist wohl unter Einwirkung von &x060ß oder noch wahr- 
scheinlicher durch ein statt gaav an den Rand geschrie- 
benes gayoP verderbt. Die Hdschr. III XI; 15 18 64 
128; 29 56 58 82 121 (Ald.); 19 108 und Syroh., welche 
meist die Namen nach dem hebr. Text corrigiren, lesen 
Auuc. Um so mehr ist zu beachten, dafs die sonst im 
wesentlichen den vatic. Text darstellenden HH. (16 52 53 


‘) Für Kopeu findet sich keine Variante, nur 57 hat Kapaıy, ent- 
sprechend dem Caraem des Hieronymus. | 
 ®) Bei de Lagarde, V.T. ab Orig. rec. fragm. apud Syros serv. qu, 
welches Werk mir leider erst bei der Correktur vorlag, lauten die syr. 


Formen der 9 letzten Städte : Orwp D’ND SONO ap DON WH 
“pro Yarn D- 


des Buches Josua und des Buches der Richter. 101 


57 77 85 131 144 236 237 Cat. Nic.) sämmtlich Axxo 
lesen und dafs die oben genannte Klasse 44 74 76 84 134 
Axxme *), die verwandten 54 75 verderbt Axxaf haben. 
Also ist 799 ein alter Schreibfehler für jap. Dies wird 
freilich sonst i2y geschrieben, vielleicht verursachte die hier 
vorkommende Schreibung mit 7 die Entstehung der Ver- 
derbnifs in der Mas. Die Vermuthung, dafs irgend ein 
gelehrter Leser hier Axxo durch Conjectur eingeschoben, 
ist schon deshalb zurückzuweisen, weil solche Namen-Cor- 
recturen nur nach dem hebr. Text gemacht wurden. Das 
Einzige, was in den vorhergehenden Versen wirklich klar 
hervortritt, ist der Zug der Grenzlinie von Norden nach 
Süden (Sidon, Tyrus, Achsib), hieran schliefst sich also 
Akko aufs schönste an. 5 und » zeigt allerdings in den 
späteren Formen der aramäischen Schrift, welche unmittelbar 
der Quadratschrift vorangehen, keine besondere Aehn- 
lichkeit, um so mehr in den früheren Entwicklungsstadien. 
Auffallend ist, dafs in Jud. I, 31 die Städte "39 pox und 
xm ebenso bei 238 stehen, wenn man hier für barı mit 
LXX 35n liest ®). 

5. Jud. I, 11 und 14 bestätigt die LXX die Richtig- 
keit der Lesarten der Parallelstellen im B. Josua XV, 15. 
18 5ym für ym und mw für mais und zeigt, dals 7 
durch den Einflufs von 95% in V. 10, non aus der Ver- 
doppelung des 7 von mm entstanden ist. Die Uebersetzung 
des B. d. Ri. ist im Unterschiede von der des B. Jos. 





1) Auch Jud. I, 81 haben viele HH. für Axyw Axywoe (X XI 
64 84 121 [Ald.] 106 184), wie öfter an auf w endigende Namen _ an- 
gehängt wird, cf. Egew Jud. I, 31 mit Egewe in vielen HH. 

*) Schon Reland (Pal. ex mon. sacr. ill. 1714 Tom. II p. 584) 
bemerkt, wie ich nachträglich sehe, unter Acco : Inter urbes Ascheri- 
ticas Jos. 19, 25 etc. nulla fit mentio urbis hoc nomine : verum in 
Graeca versione video pro nomine urbis yy, quod commate 30 legitur 
post Ecdippam, scriptum 49768, et in aliis codicibus Axwu (bier war 
Reland mangelhaft unterrichtet), quae non multum abeunt ab 4xxw. 


102 Hollenberg, sur Textkritik 


streng wörtlich, so dafs man auch in Kleinigkeiten sichere 
Schlüsse auf ihr Original machen kann. Auch ist die 
Uebersetzung des Textes von der Uebersetzung im Jos. 
völlig verschieden und zeigt in keinem andern Punkte 
einen nachträglichen Einflufs der Parallelstellen, welcher su 
der Ansicht berechtigen könnte, dafs der Text der LXX 
hier nach Jos. XV geändert sei. 

6. Jud. I, 16 haben am Schlufs des Verses alle HH., 
welche sonst den vaticanischen Text darstellen [16 52 u. a. w., 
auch 30 44 76 !)] hinter weta tot Acot noch Aualııe. Ob- 
gleich die Mas. hier den auffallenden Ausdruck hat : die 
Keniter ... . zogen hinauf mit den Söhnen Judas .... 
und wohnten bet (mit) dem Volke, wofür man „bei ihnen*® 
oder „bei den Söhnen Judas“ erwartet, wage ich doch 
nicht recht, diese Lesart von 16 52 ff. für ursprünglich 
zu halten. Man mülste dann annehmen, dals die LXX 
ursprünglich gelautet habe peta Auadnx = pyayne und 
tov Aaot Dublette sei.. Einen guten Sinn gäbe diese L. 
wohl, da ja in der That die Keniter ihre Sitze bei den 
Amalekitern hatten cf. I Sam. 15, 6. Danach könnte 
freilich die LXX auch corrigirt sein. 

7. Jud. I, 36. Nachdem der Verf. von Jud. I darge- 
legt, dafs verschiedene Stämme nicht ihr ganzes Gebiet in 
Besitz nehmen konnten und speciell vom Stamme Dan er- 
wähnt hat, dafs die Amoriter ihn bedrängt hätten, dafs 
das Haus Josephs sie jedoch tributpflichtig gemacht habe, 
heifst es im letzten Verse : 


: Moyo) ybono o'apy nbyon monn Dian 
Mit dieser Notiz haben die Ausleger nichts anfangen kinnen 
und zum Theil die abenteuerlichsten Erklärungen ersonnen *). 


1) 4476 gehen im B. Jud. sum Theil mit dem Vat. 


*) Nur Studer das B. d. Ri. 8. 58—57 hebt die Schwierigkeit 
der Stelle gebtihrend hervor und kommt su dem Resultat, dafs die 


des Buches Josua und des Buches der Richter. 103 


Dazu gehört auch die, dafs mbyp hier die Richtung nach 
Norden bezeichnen könne, während doch der Zusammen- 
hang mit völliger Klarheit nach Süden weist. Aber freilich 
wohnten nach V. 34 35 die Amoriter im Norden der an- 
gegebenen Punkte. Dies Dilemma löst auch der Vat. 
nicht. Seine Uebers. stimmt genau mit der Mas. : xal 
Td dgcov tov Auoppalov axd zig avaßaosıng Axpaßlv dxö 
tig xeroas xal éxavo. Dagegen bietet eine Anzahl von 
HH. bei Parsons folgende Lesart (kleinere orthographische 
Verschiedenheiten und Schreibfehler übergehe ich hierbei) : 
xal tO Sgeoyv tov Auoppalov 6 Idovualos éxavw Axpapplv 
axo (éxt) tig xerpas xal éxavo. Diese L. findet sich in 
54 59 751); 19 108; III Syroh. (mit 6 ’Id. sub obelo) 
56 (?). Ferner in 84 106 134, nur haben letztere die Du- 
blette éxavmw tig avaBacems, während doch éxavm schon 
open ausdrückt. Es läge hier nun ja die Vermuthung 
sehr nahe, dafs „der Edomiter* hier einem gelehrten Leser, 
der Petra als edomitische Stadt kannte, seinen Ursprung 
verdankte; diese Vermuthung würde jedoch nur aus einer 
oberflächlichen Betrachtung der Stelle hervorgehen und 
unzutreffend sein. Denn dafs wir in Cod. 54 u. s. w. die 
ursprüngliche LXX mälsige Lesart haben und nicht im 
Vat., zeigt schon allein das dxavo Axpaßplv für nbyon 
o'apy. Dies ist falsch und eben deshalb ursprünglich 
(cf. auch 8, 12; 4, 15). Wir sehen noch genau das all- 
mähliche Eindringen der Mas. in den LXX-Text. Die 


unklare und sum Theil erwiesen unrichtige Notiz entstellt oder von 
unwissender Hand an den Rand geschrieben in den Text gerathen sei. 


*) Man darf diese eigenthümliche Klasse, deren T. auch Theo- 
doret hatte, nicht deshalb ignoriren, weil bei Holmes ihr kein Uncial- 
codex angehört. Es ist das zufällig, wiedenn Tischendorf in Monum. 
sacra inedita Nova collectio Vol. I 1855 Fragmente eines Uncial- 
oodex veröffentlicht hat, welcher dieser Klasse angehört. Fritzsche 
nennt ihn in seinem Lib. Jud. (1867) Nr. 7, de Lagarde K. 


104 Hollenberg, sur Textkritik 


HH. 84 106 134 enthalten schon die Dublette éxavm tic 
avaBacews, haben aber dabei 6 Tovyatog erhalten; X XI; 
15 18 64 128; 29 71 82 121 (Ald.) haben die Dublette 
ohne 6 Id. und endlich hat der Vat. und seine Verwandten 
genau unsern hebr. Text *). Wir haben also, um den rich- 
tigen Text zu gewinnen, hinter “nxn nach der LXX 
rn einzuschieben und zu übersetzen : „und die Grenze 
der Amoriter bilden die Edomiter vom Aufstieg der Skor- 
pione, von Petra an und weiter nach Büden.* Möglich 
wäre es auch, dals 'oxr erst an Stelle des ursprünglichen 
warn in deft Text eingedrungen wäre (in Folge der Er- 
wähnung der Amoriter in V. 34 35); dann schlösse das 
Kapitel mit der Bemerkung : das Gebiet der Edomiter 
aber erstreckt sich u. 8. w. 


8. Jud. X, 1 heifet ee : ywind spose nme Oph 
: wer ere NT mor win Sewer. Die LXX falst 
yw" als xargadéAgpov avrot, während es jetzt üblich ist, 
das Wort als einen Eigennamen zu fassen, der ja aller- 
dings auch sonst vorkommt. Die HH. 44 76 84 106 134; 


1) Das Verhältnifs der HH. im B. d. Ri. ist überhaupt ein sehr 
eigenthümliches und vom B. Jos. verschiedenes. Während der Vat. 
dort vom Einflufs der Mas. verhältnifsmäßsig wenig berührt ist, liegt 
die Sache im B. d. Ri. nicht selten so, dafs andere Klassen von HH. 
das urspr. LXX mäfsige und zugleich Falsche erhalten haben. So 
haben Jud. I, 22 nur 54 59 75 84 184 (mrg. 85); 19 108; IH 58 
Euseb , die gewils falsche, aber nur aus einem schlechten hebr. T. er- 
klärliche Lesart Jovdac (449M) für My) erhalten; ebenso in Jud. II, 
81 nur die HH. 44 54 75 84 106 184; X 15 64; 29 58; 19, 108 mit 
halber Dublette, III 56 63 mit vollständiger Dublette das urspr- &xröc 
udozor für P37 sp5y erhalten; cf. auch Jud. XVII, 8 für 1335 
zaru fLovag = 9995 und so an vielen anderen Stellen. Trotzdem 
stimme ich nicht dem Urtheil Grabe's in der epistola ad Millium zu, 
sondern halte den Vat. iın allgemeinen für urspriinglicher, die andern 
für gräcisirt. Doch muls ich mir den Beweis für einen andérn Ort 
vorbehalten, da diese Frage einen ziemlich grofsen Apparat erfordert. 
cf. Field, Hexaplorum quae supersunt I pg. 899. 


des Buches Josua und des Buches der Richter. 105 


54 59 75 haben vor zarpad. einen dem mas. T. fremden 
Eigennamen Kagye oder Kapıs (am Rande von X ver- 
schrieben Kagxe) = mi (cf. 2 Kin. 25, 23; Jer. 40, 8, 
wo auch in 2 HH. Kaoxe verschrieben ist). Wo sollte 
dieser Name herkommen, wenn er nicht in der hebr. Vor- 
lage der LXX gestanden hätte? Es wäre also dann zu 
übersetzen „und es stand auf (nach andern Op" nämlich 
Jahve) nach Abimelech Israel zu erretten Thola, der Sohn 
Puahs, des Sohnes Kareachs, seines Oheims (nämlich Abi- 
melechs), ein Issascharit. Freilich war Abimelech aus dem 
Stamme Manasse, eine Schwierigkeit, die wohl in 54 59 75 
84 106 134 den Ausfall des avy Icoayap verursacht hat. 
Aber man ist ja nicht genöthigt, 17 streng als Vaterbruder 
zu fassen; es läfst sich annehmen, dafs Kareach der Halb- 
bruder Gideons, oder der Bruder seiner Frau, oder der 
Mann seiner Schwester gewesen ist. 


Nachricht von einer unbekannten Handschrift 
des Psalterium iuxta Hebraeos Hieronymi 


von Friedrich Baethgen in Kiel. 


Der Text des Psalterium iuxta Hebraeos Hieronymi 
ist in Handschriften und Ausgaben von zwei entgegen- 
gesetzten Seiten her corrumpirt worden : durch Eindringen 
von Lesarten aus der Vulgata und durch Correctur nach 
dem masoretischen Text. Die erste von diesen beiden 
Corruptionsquellen ist deutlich erkennbar in den von de La- 
garde !) mit W und Z bezeichneten Handschriften, aber 


*) Psalterium iuxta Hebrasos Hieronymi e recognitione Pauli 
de Lagarde. Lipsiae 1874. 


106 Baethgen, Nachricht von einer unbekannten Handschrift 


auch in R, einer Handschrift, welche dem Amiatinus (U) 
äulserst nahe verwandt ist; die beliebte unbedingte Bevor- 
zugung von U ist somit keineswegs begründet. Unter den 
Ausgaben zeigt besonders die um 1473 von Günther Zainer 
veranstaltete (vy) den Einflufs der Vulgata, wie denn über- 
haupt der Text dieser Ausgabe mit dem von WZ nahe 
verwandt ist (Lagarde p. IV. V.). Als Beispiele solcher 
Correcturen mögen folgende Stellen dienen. 

1, 4 Ende y + a facie terre. 8, 1 y in fine RUWZ 
in finem für victori, und ähnlich die entsprechenden Stellen. 
8, 8 yWZ pecora campi für animalia agri. 26, 4 WZ 
iniqua gerentibus für superbis. 30, 10 xWZ descendo 
für descendero. 38, 8 WZ anima mea impleta est für 
lumbi mei impleti sunt (nach Pealterium Romanum). 
119, 22 RUWZ exquisivi für custodivi. v. 48 RUWZ 
levavi für levabo u. v. a. Insbesondere sid die Ueber- 
schriften der einzelnen Psalmen bei RU durchgehends nach 
der Vulgata umgeändert. 


Eine von entgegengesetzter Seite ausgehende Cor- 
ruption des Hieronymianischen Textes hat de Lagarde in 
den von ihm mit S bezeichneten Scholien nachgewiesen. 
Solche von einem des Hebräischen Kundigen herrührende 
Randbemerkungen sind bereits bei RUWZ theilweise in 
den Text selbst eingedrungen. Im besonderen aber finden 
sich Correcturen nach dem masoretischen Text in den 
Ausgaben gguf8') und unter diesen wieder in hervor- 
 ragender Weise bei wf. Vgl. 2, 6 Bu&p montem sanctum 
meum gegen yABCDGRUW (suum). 8, 3 Bugp adver- 
sarios tuos gegen y GRUWZ (meos). 9, 9 lassen Busp 
terrae hinter orbem aus. 50, 23 Busp qui ordinat viaın 
gegen BGRUW (qui ordinate ambulat). Die letetere Ueber- 
seteung geht auf Symmachus zurück und ist dadurch als 


1) Die Bedeutung der Siglen bei de Lagarde. 


des Psalterium iuxta Hebracos Hieronymi. 4107 


urepringlich gesichert. Dasselbe gilt von 20, 6, wo Bu de- 
ducemus lesen für ducemus (al. docemus) choros bet y& 
BDGRUWZ at. (Symmachus : taypata taypara dtaote- 
Lotuew nach Fields Conjectur). 

Die Qdellen, auf welche Sys sich stützten, stehen 
mir nicht zu Gebote, so dafs ich den stricten Beweis für 
die Behauptung, dafs die Herausgeber ihren Text nach 
dem Hebräer zugestutzt haben, nicht führen kann; wohl 
aber läfst sich diese Behauptung bis zur höchsten Wahr- 
scheinlichkeit erheben. 

Was zunächst von der Sorgfalt des Erasmus (9) bei 
Texteseditionen zu halten sei, ist bekannt genug. Eine 
Anzahl beliebig herausgegriffener singulärer Lesarten bei 
g zeigen auch hier die Willkür des Herausgebers deutlich 
genug. Prooem. p. 2. 1. 20 sephar tallim 9 ON "00 
mit hebräischen Buchstaben ; 5 begnügte sich doch mit sepher 
thehilim. 12, 6 a gemitu. 14, 1 abominabiles facti sunt 
okne et. 26,7 ut audiam (nach der Conjectur yo) vocem 
laudis für ut clara voce praedicem laudem. 31, 18 quoniam 
für quia. vgl. 5, 1. 6, 1. 23, 1. 24, 1. al. 958 psalmus 
für canticum. — Hieraus ergibt sich, dafs g und der ihm 
verwandte & besonders wo sie allein stehen von keinem 
oder sehr geringem Werth für die Kritik sind. Anders 
scheint es mit fu zu stehen, über deren Zusammengehirig- 
keit zu vergleichen Lagarde p.V. 2,6 ist orditus sum Au 
UZ? ohne Zweifel die ursprüngliche Lesart (nach Aqutla 
bduacayıp vgl. das Scholion bei Field). Ebenso 8,1 canti- 
cum BuG gegen psalmus ySpRSUWZ. Allein in den 
meisten Fällen, wo fu allein stehen, beruht ihre Lesart 
dennoch auf Correctur nach dem masoretischen Text. Es 
ergibt sich dies aus Folgendem. Hieronymus stellt in der 
Epist. 135 ad Sunn. et Fret. (angeführt bei de Wette- 
Schrader Einleitung) folgenden Grundsatz auf. Non debemus 
sic verbum de verbo exprimere ut dum syllabas sequimur 
perdamus intellegentiam. Es bezieht sich dies offenbar 


108 Baethgen, Nachricht von einer unbekannten Handschrift 


darauf, dafs er die im Hebräischen nicht ausgedrtickte 
Copula in seiner Uebersetzung durch Formen von esse 
wiedergibt ; dafs er aus dem Zusammenhang Pronomina 
ergänzt; dafs er bei Asyndetis die Conjunction hinzufügt, 
Vergleiche durch eingeschobenes quasi mildert u. dgl 
Alles dies fehlt bei Au vgl. z. B. im Apparat bei de La- 
garde 26, 10. 27, 9. 31, 4. 5. 36, 9. 38, 12. 39, 13 al. 
18, 29 haben fu sprachwidrig tenebram meam gegen tene- 
bras meas der Uebrigen, um den Singular Sn auszu- 
drücken u. dgl. Sind also Bu nach dem Hebräer cor- 
rigirt, so ist natürlich dadurch nicht ausgeschlossen, dafs 
auch bei ihnen vereinzelt eine Lesart der Vulgata den ur- 
sprünglichen Text verdrängt hat, so 11, 1 sicut passer für 
ut avis. 51, 14 salutaris tui für Jesu tui. 

Bei dieser Lage der Dinge scheint bei der Herstellung 
des Hieronymianischen Textes der Fall in die Scylla der 
Vulgata fast unvermeidlich zu sein, wenn man die Charybdis 
des „sciolus iudaicus® -vermeiden will. Glücklicher Weise 
ist jedoch ein Codex von de Lagarde ans Licht gezogen, 
der von beiden Arten absichtlicher Corruption frei ge- 
blieben ist; es ist dies der um 872 geschriebene von de 
Lagarde mit G bezeichnete Codex sancti Galli 19. de La- 
garde hat dieser Handschrift und der mit ihr nahe ver- 
wandten Ausgabe von 1496 (xy) daher die erste Stelle bei 
seiner Recognition eingeräumt, und an einer ganzen Reihe 
von Stellen stützt G oder xG allein die hergestellte Textes- 
gestaltung. Eine Handschrift, welche nun ihrerseits die 
Spuren naher Verwandtschaft mit G an sich trägt, darf 
aus den oben angeführten Gründen Anspruch auf Interesse 
erheben. Es ist dies die wie es scheint de Lagarde unbe- 
kannt gebliebene Handschrift der Hamburger Stadtbiblio- 
thek 4° Nr. 92 mit der Verweisung Cod. man. theol. Vol. I. 
pag. 121). 

1) In der handschriftlichen Beschreibung des Manuscriptes, die 
sich auf der Bibliothek befindet und mir vorlag, ist nicht angegeben, 


des Psalterium iuxta Hebracos Hieronymi. 109 


Höhe 21 Cm. Breite 17 Cm. 1219 beschriebene 
Seiten (sic) und 25 unbeschriebene (später angebundene). 
Enthält das alte und neue Testament nebst den Apocryphen 
und dem alphabetisch geordneten Onomasticon. Geschrieben 
von Einer Hand auf Pergament in Minusceln des 13. Jahr- 
hunderte. Dafs die Vorlage des Schreibers ziemlich viel 
älter war, scheint sich daraus zu ergeben, dafs die Um- 
‘ schrift der griechischen Worte in dem dem Psalter voraus- 
geschickten Prooemium auf griechische Unzialschrift zu- 
| rückgeht. Vgl tenoito tenoito (= IS'ENOITO TENOITO). 
nenictiomencoc (= TEHICT2MENQC) antigiaonicon toic 
alacypoycin (=ANTIBIAONIKON TOIC AIACYPOYCIN). 

Das Psalterium steht auf Seite 490--548 der Hand- 
schrift. Anfang : Prologus ieron[imi] super psalt. quod 
ipse transtulit ex hebreo. 

Ich führe nun zunächst eine Anzahl von Stellen an, 
in welchen de Lagarde’s Recognition sich allein auf G oder 
| auf G und Einen andern Zeugen stützt, der dann in Klam- 
' mern angegeben ist, und an denen der Hamburger Psalter, 
den ich mit I’ bezeichne, ebenso liest. 1, 3 arbor trans- 
plantata ... que (D). 4,2 invocantem (exaudi me). 6, 7 
lectulum (x). 7, 9 iudicat (zy). 8, 9 vias aquarum (D). 
9, 6 increpuisti (y). 9, 17 sonitu sempiterno (y). 11, 6 
; plait (x). 12, 2 salva me (D). 13, 6 quia. 14, 5 ibi 
timebunt formidinem (D). 17, 12 quasi leonis. 18, 25 
restituet (ohne et). 21, 4 prevenies. 22, 12 recedas. 27,2 
cam. 27,6 exaltabit (x). 30, 11 adiutor meus (y). 31, 14 
cogitarent (xy). 31, 20 quia (D). 32,8 doceam (D). 33, 4 
" quia (8). 35,2 michi (x). 35, 23 dominus. 41, 2 salvabit (y). 
_ 42,7 memet. 42,16 tuum domine (D). 44, 24 proiecisti (x). 
45, 11 domum (x). 50, 20 adversum, zwei Mal. 59, 1 
occideret eum (xy). 60, 2 III. 63, 2 conficiente. 68, 2 


dafs das Psalterium das von Hieronymus aus dem Hebräischen über- 
setzte ist. 





110 Baethgen, Nachricht von einer unbekannten Handschrift 


dispergantur (x). 74, 6 scalpturas (y). 87, 4 sciente 
me (B). 97, 5 orbis terrae. 102, 8 quasi. 104, 18 ericiis 

Noch deutlicher tritt aber die Verwandtschaft von G 
und J’ an den Stellen hervor, an welchen eine singulän 
Lesart von G bei de Lagarde nicht aufgenommen ist, be 
sonders da, wo sie auf einem offenbaren Fehler beruht, 
und wo I’ dann wieder ebenso liest. Ich führe folgende 
Stellen an. 

9,27 ageneratione. 12, 9 filii. 16,4 libabo. G mer 
alii non litabo. I’ tm Context : sequentium. al. non litabo, 
non libabo. 16, 8 domino. 18, 37 dilatabis + me. 26, % 
hierusalem (für Israhel). 28,1 fehlt das zweite te. 30,15 
fehlt me. 31, 12 quia (für qui). 31, 20 fehlt es. 32, § 
chamo. 32,10 fehlt autem. 33, 2 decacordo. 33, 6 fehl 
eius. 38, 15 corde (für ore; auchD). 44, 6 ante (für in 
te). 44, 23 tota die zum Folgenden gezogen. 45,9 smyrra 
45, 10 fehlt tua. 48, 3 montis. 48, 14 separata. 49, 8 
redimetur (für redimet vir). 49, 21 comparabit se. 50,7 
fekls Israhel, 50, 16 fehlt ut. 51, 20 in bona voluntat 
tua. 53, 5! fehlt non. 64, 3 fehlt tua. 65, 12 robo 
rabuntur. 66, 7 in. semet ipso. 68, 5 et cantate (G), 
69, 5 rapuebar. 69, 8 quapropter (ohne te). 71,6 Anfang 
fehlt a. 73, 8 calumniam calumniam. 74, 17 fehlt ter 
minos. 76, 11 meror. idid. reliquus. 81, 4 plangite: 89,11 
in brachio fortitudo. 89, 51 fehlt tuorum. 103, 4 viam, 
104, 10 inter medios fontes. 106, 1 fehlt alleluia. 108, 9 
rex. 108, 11 et (G'). 136, 25 pacem. 138, 14 et tame 
141, 7 more (für in ore). 143, 6 animam meam. 145, 12 
adam (G?). 

Einige dieser Lesarten sind so eigenthümliche Fehler 
(vgl. 16, 4. 44, 6. 45, 9. 49, 8. 65, 12. 69, 5. 71, 6. 73, 8& 
81, 4. 89, 11. 103, 4. 136, 25. 141, 7), dafs man auf die 
Vermuthung kommt, I’ sei eine directe Abschrift von G. 
Diese Annahme wird nun aber doch dadurch unmöglich 
gemacht, dafs sich bei I’ nicht allein singuläre Lesarten 


des Psalterium iuxta Hebracos Hieronymi. 111 


fnden, sondern dafs I’ doch auch hin und wieder mit 
anderen Zeugen gegen G stimmt. Die folgenden Stellen 
sind willkürlich herausgegriffen und machen natürlich keinen 
Anspruch auf Vollständigkeit. 

Singuläre Lesarten. 2,6 ad regem meum. 2,12 dum 
für cum. 5,11 cogitationibus für consiliis. «did. et expelle 
eos. 9, 3 nomini domini altissimi. 9, 5 iusticie mee. 9, 15 
landationes. 9, 16 comprehensus für captus. 22, 8 sub- 
sannaverunt. 20, 17—19 fehlen die Worte multiplicatae 
sunt dis quia v..19. (Der Schreiber irrte von multiplicatae 
sant v. 17 auf multiplicati sunt v. 19 ad). 27, 4 hance. 
31, 8 tribulationes in dorso anime mee. 38, 4 fehlt meis. 
39, 7—12 fehlt. 42, 15 ipsa educet me. 46, 10 concadet. 
50, 6 et adnuntiabit (ohne caeli wie G). 58, 3 fehlt in 
corde. 74, 6 tunc. sd. dolatores. 138, 5 ut cantent. 

Wichtiger sind solche Stellen, an denen J’ mit anderen 
Zeugen gegen G stimmt. 8, 6 minuisti wie x. 22, 30 
pingues mit BuspyRWZ gegen xG principes. 25, 20 qm 
= quoniam mis ByugWZ gegen EG quia. 31, 3 fehlt 
ad me mit RW. 38, 14 non aperiens os suum mit @ gegen 
SABCDGRWZ. 45, 14 fascis mit go (G von jüngerer 
Hand). 50,5 meum mit BuspRW gegen G mecum. 50,15 
Ende am Rande -+- semper mit RW*. 561, 6 coram mit 
BuspRW gegen G contra. 62, 1 eruditio mit Buép gegen 
GW erudito. 54, 3 salvum me fac mi y statt salva me. 
65, 20 humiliabit gegen G humiliavit. 68, 15 dum mit 
„quatuor codices Gallorum* für cum. 73, 20 sompnium 
gegen G somnum. 106, 31 scinifes gegen G scynifes. 108, 9 
Galaad mit Bugs—@RWZ gegen G Galaath. 

Allerdings sind diese Abweichungen bei weitem nicht 
so zahlreich und significant wie die Uebereinstimmungen 
mit G; dennoch verbieten sie die Annahme I sei ein di- 
recter Abkömmling von G. Wie sich das Verhältnifs 
zwischen beiden genauer gestaltet, vermag ich zur Zeit 
nicht anzugeben, da ich die Handschrift nur wenige Tage 





112 Lea und Rahel. 


in dem wenige Stunden geöffneten Lesezimmer der Ham- 
burger Bibliothek benutzen konnte. Wenn J” etwa auf 
eine Schwesterhandschrift von G zurückgehen sollte, se 
würde der Werth natürlich höher anzuschlagen sein als bei 
directer Descendenz. 

Zum Schlufs gebe ich für die ersten acht Psalmen die 
Abweichungen zwischen "und de Lagarde’s Recognition. 
Die verhältnifsmäfsig geringe Zahl derselben bestätigt in 
überraschender Weise den Werth dieser einzigen wissen- 
schaftlichen Ausgabe des psalterium iuxta Hebraeos. Blofse 
orthographische Abweichungen sind aufser Acht gelassen. 

2, 6 ad regem meum. 2, 12 dum. 3,2 quid multipl 
3, 3 Ende ist semper vom Mintator ausgelassen, aber die 
Lücke ist vorhanden; ebenso 4, 3. 3, 6 et vigilavi. 3, 9 
et super. 4, 5 tacete ohne et. 5, 6 qui operantur. 5,8 
in domum tuam. 5, 11 cogitationibus für consiliis. «did. 
et expelle eos. 6, 11 fehlt mei. 17, 3 eripiat für erust, 
7, 17 caput suum... verticem ipsius . . . iniquitas eiw, 
8, 6 minuisti. 


Lea und Rahel. 


Seitdem H. Ewald die Gestalten der Vitersage, zwar 
noch vielfach tastend und mit nicht immer gleichmäfsiger 
Methode aber in allem wesentlichen mit richtigem Blicke, 
auf alte stammgeschichtliche Verhältnisse zu deuten ver- 
sucht hat, bricht sich immer mehr die Ueberzeugung Bahn, 
dafs wir in den Jacobssöhnen nicht historische Personen, 
sondern Heroos eponymi der einzelnen Stämme zu finden 
haben. Man gewöhnt sich allmählig an die Einsicht, dalı 
die Zwölfzahl derselben etwas durchaus künstliches ist 


' Lea und Rabel. 113 





= wad sucht in der Gruppirung der einzelnen Jacobskinder 
QO . Aufschlüsse über eine jenseits der geschichtlichen Erinne- 
= rung liegende Entwicklung des Volkes. Was von physi- 
=: -mythologischen oder etymologisch-mythologischen 
. Erklärungen dem entgegengesetzt worden ist, hat bislang 
= zieht den Beifall der Fachgenossen gefunden. Das ziemlich 
== allgemeine Urtheil derselben scheint dagegen entschieden 
= m haben. 
-- ind nun die Jacobskinder aus den zu einer bestimmten 
=. Zeit vorhandenen Stämmen abgeleitet, erklärt sich, dafs 
m=. gerade sie und nicht andere Stämme, Clans u. s. w. als 
e® Jsoobskinder erscheinen aus bestimmten geschichtlichen 
-* Verhältnissen und aus eben diesen ihre Reihenfolge und 
+ Btellang in der Familie, so drängt sich die Frage auf, 
“ was aber bedeuten die beiden Mütter, auf welche im letzten 
-- Grande alle Jacobskinder zurückgeführt werden? Diels 
= um so mehr als auf flacher Hand liegt, welche geschicht- 
- lichen Verhältnisse durch die Zutheilung der einzelnen 
Stämme zu Lea oder Rahel bzw. zu deren Mägden zum 
Ausdrucke gelangen. Ewald!) meinte, man habe unter 
Lea den älteren von Abraham und Isaak her in Kanaan 
schon sefshaften Bestandtheil, unter Rahel den mit dem 
Zuge Jacob’s nach Kanaan gekommenen Theil des he- 
bräischen Volkes zu begreifen. Es ist dies nicht ganz 
richtig. Zwar trifft zu, dafs die Sage damit zwei Schichten 
israelitischer Stämme unterscheidet. Aber in der Zuthei- 
lang zu Lea oder Rahel wird lediglich zum Ausdrucke 
kommen, ob der betreffende Theil früher oder später in 
das Westjordanland gekommen ist. Die Stellung Judas 
einerseits, die der Josephkinder andererseits lehrt dies un- 
wiederleglich. Dieselbelehrt bekanntlich noch etwas anderes, 
nämlich dafs die Sage von den Jacobskindern erst nach 


t) Geschichte des V. I. I®. 8. 584. 
Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 1. 1881. 8 


114 Lea und Rahel. 


Theilung des Reiches die Gestalt erhalten haben kann, in 


welcher sie uns vorliegt. 


Der Umstand nun, dafs unter den Stämmen Israels 
zwei gar nicht Söhne, sondern Enkel Jacobs sind, zum 
Zeichen, dafs sie erst zu geschlossenen Hauptstämmen 
geworden sind, als die anderen es längst schon waren, er- 
laubt auch andere Glieder der Familie als die Söhne Jacobs 
auf hebräische Stämme zu deuten. Und dies wird mit Lea 
und Rahel geschehen miissen. 


Wir halten uns so nicht nur innerhalb des genea- 
logischen Sprachgebrauches, in welchem eine Heirath die 
Verschmelzung zweierStämme bedeutet, sondern gewinnen 
auch einen von unserem sonstigen Wissen über jene dunklen 
Zeiten vollständig bestätigten Einblick in die alten Stammes- 
verhältnisse wie in deren Darstellung durch die Sage. 


Als Frau erscheint in der genealogischen Darstellungs- 
weise der schwächere, in einen stärkeren Stamm aufgehende 
Bestandtheil; als stärkerer Stamm also in unserem Falle 
Jacob, nach welchem ja eben deshalb das ganze Volk be- 
nannt wird. Istder schwächere Bestandtheil ein immerhin 
berühmter und ansehnlicher Stamm, so erscheint er als 
Eheweib, andernfalls als Kebse. 


Wie Jokt&n, Jetür, Jidl&ph, Joseph, J&ktn 
Gen. 46, 16, Je’a% 36, 18, JiXbak 25, 2, Jephunne 
u. 8. w., so werden wir auch Jacob als Stammnamen be- 
trachten dürfen. In historischer Zeit war er als solcher 
bereits verschollen. 

Benjamin, früher ein Unterstamm des Hauses Joseph, 
welcher erst im Westjordanlande auf einer Neurodung an 
der Südostgrenze des josephidischen Gebietes zu einem 
selbständigen Stamme erwuchs, erscheint als jüngster Sohn 
Jacob’s, jüngster Bruder Joseph’s, erst im Lande der Ver- 
heifsung geboren — Ephraim und Manasse, welche sich 


Les und Rahel. 116 


noch später sonderten !), gar als Joseph's Söhne. Umgekehrt 
sind diejenigen Stämme, welche in historischer Zeit bereits 
verschollen oder nur noch in Trümmern vorhanden waren, 
Ruben, Simeon, Levi, die ältesten der Jacobskinder. Die 
Mütter aller werden daher als in vorhistorischer Zeit ein- 
mal vorhanden ‚gewesene Unterstämme des Hauses Jacob 
zu gelten haben, und zwar genauer als solche, welche 
bereits vor Ruben, Simeon, verschollen waren, sich aufge- 
löst hatten oder sonst wie zu Grunde gegangen waren. 
Die Namen stimmen hierzu auf’s beste. mb ist die 
Wildkuh *), 5rm das Schaf, sie gehören wie nyow (pam) 


za jenen Stammnamen, welche von Thieren entlehnt sind, 
von welchen A. Dillmann in seinem Commentare zur 
Genesis unter den Horiterstämmen von Gen. 36 eine ganze | 
Anzahl nachgewiesen hat und deren Verbreitung W. Ro- 
bertson Smith in seiner scharfsinnigen und interessanten 
Abhandlung Animal worship and animal tribes among the 
Arabs and tn the Old Testament *) weiter verfolgt hat. 
Es sind vorzugsweise Namen von Unterstämmen. 


Aber noch nach einer anderen Seite hin fällt von hier 
aus Licht. Es ist in neuerer Zeit viel tiber die Entstehung 
des Namens n5 gestritten worden. Der Ableitung von Mb, 
nach welcher die Leviten die Clienten des Heiligthums 
waren, steht einmal das Zere der Form, dann der Umstand 


1) Simei rechnet sich 2 Sa. 19, 21 noch zum AH) MD, zur Zeit 
Salomos bildet dasselbe noch einen Verwaltungsbesirk 1 Kö. 11, 28, 
aus welchem jedoch, wie tus dem wichtigen Document 1 Kd. 4, 7—19 
su erschliefsen ist, Benjamin bereits ausgeschieden war. 


2) G. Woetzstein, bei F. Delitzsch, d. Buch Hiob*. Lpag. 
1876. 8 507 Anm. 


s) Journal of Philology. Vol. IX, 8. 75 ff. Es sei erlaubt an 
diesem Orte auf diese die wichtige Frage nach den ältesten religiösen 
Vorstellungen der Semiten beleuchtende Abhandlung aufmerksam su 
machen. 


8* 


116 Lea und Rahel. 


entgegen, dafs dieser Stamm nach Gen. 49, 5—7 in vor- 
historischer Zeit als weltlicher Stamm vorhanden gewesen 
ist. Letztere Stelle macht es unmöglich, ihm eine andere 
Herkunft als den übrigen Jacobskindern zuzuschreiben, 
oder den späteren geistlichen Stamm Levi, welcher ja frei- 
lich aus sehr verschiedenen Elementen zusammengewachsen 
ist, gänzlich aus freien Anfängen entstehen zu lassen. Die 
Reste des alten weltlichen boten ihm einen Krystallisations- 
punkt'). Die plausibelste Etymologie von ‘> hat nach 
meiner Ueberzeugung W ellhausen *) gegeben. Er meint, 
dafs 5 vielleicht nur einfach das Gentile seiner Mutter 
mud sei. 

Weit entfernt, unserem obigen Resultat zu wider- 
sprechen, stimmt diese Auffassung vollständig zu dem- 
selben. Der Mosestamm mufs einstmals eine führende 
Rolle gespielt haben; auch sonst gelten die priesterlichen 
Geschlechter als die ältesten der Völker. Lea, das Weib 
Jacobs, wird als ein älterer Stamm zu gelten haben als 
seine Söhne Ruben und Simeon. Erscheint aber derselbe 
Stamm das einemal in der Form 5 als Weib Jacobs, 
das anderemal in der Form des Gentile "5 als einer seiner 
ältesten Söhne, so ergibt sich, dafs man an verschiedenen 
Orten und zu verschiedenen Zeiten die Verhältnisse dieses 
Stammes verschieden aufgefafst, in verschiedener Weise in 
der Sprache der genealogischen Geschichtedarstellung zum 
Ausdrucke gebracht hat. Derjenige Sagenkreis, in welchem 
von Haus aus Lea Jacobs Weib war, kannte selbstver- 
ständlich nicht den dritten Jacobssohn Levi, der andere 
von Haus aus nicht Lea als Jacobs Weib. Durch spätere 
Combination entstand die jetzige Form der Genealogie. 
Selbstverständlich gelten mir nach dem Obigen auch Zilpa 
und Bilha, welche ich freilich nicht zu deuten weils, als 
Namen verschollener Stämme. B. 8. 


1) s. Lit. Centralbl. 1879, 8. 828. 
*) Gesch. I, 8. 149. 


117 


Kritik der Berichte über die Eroberung 


Palaestinas. 
(Num. 20, 14 bis Jud. 2, 5). 


Von Dr. Eduard Meyer in Leipsig. 


Die Aufgabe des folgenden Aufsatzes ist, die einzelnen 
Berichte über die Eroberung des trans- und cisjordanischen 
Palaestina, welche in den geschichtlichen Abschnitten von 
Num. 20, 14 bis Jud. 2, 5 mosaikartig durcheinander ge- 
worfen sind, von einander zu sondern und auf ihre histo- 
rische Glaubwürdigkeit zu prüfen. Ich bemerke jedoch, 
dafs ich den knappen und fast überall mit völliger Sicher- 
heit ausgeschiedenen Bericht des Priestercodex (Grund- 
schrift, A, Q) nicht weiter berücksichtige. Die für den nach- 
exilischen Ursprung desselben aufgestellten Beweise er- 
scheinen mir unwiderlegbar, seine Erzählungen handgreiflich 
entweder den älteren Geschichtswerken entlehnt, oder will- 
kürliche Constructionen. Auf alle Fälle wülste ich nicht, 
was eine Wiederaufnahme der Discussion bei der uns be- 
schäftigenden Frage nützen könnte. Es handelt sich also 
für uns nur um den Jahvisten und den Elohisten. Dafs 
diese beiden Werke bereits vor der deuteronomistischen 
Ueberarbeitung der gesammten historischen Literatur zu 
einer Einheit verbunden waren, oder doch gleichzeitig mit 
dieser zu einer solchen verbunden worden sind, lange ehe der 
Priestercodex hinzukam, halte ich für sicher und werde 
für den Bearbeiter nach Wellhausen’s Vorgang den 
Namen Jehovist anwenden. Diese Frage ist jedoch für unsere 


118 Meyer, Kritik der Berichte 


Untersuchung ohne größsere Bedeutung; wer Dillmann’s 
Anschauungen theilt, wird an Stelle des ,Jehovisten* 
überall den „Schlufsredactor* einsetzen können. 

1. Einen sicheren Ausgangspunkt bieten die beiden 
völlig gleichartig gebauten Erzählungen Num. 20, 
14—21 und 21, 21 ff. Von Qadesh aus schickt Moses 
Gesandte an den König von Edom mit der Bitte um Ge- 
währung freien Durchzugs ; die Kinder Israel wollten auf 
der Königsstrafse ziehen, Felder und Weinberge nicht be- 
treten, kein Wasser aus den Brunnen trinken u. s. w. 
Aber Edom schlägt das Gesuch ab und rüstet zum Wider- 
stand. „Da wandte sich Israel von ihm“. Genau die 
gleiche Forderung ergeht 21, 22 f. an den Amoriterkönig 
Sihon; seine Weigerung aber führt zum Kampf und zur 
Eroberung seines Reichs „vom Asnon bis zum Jabboq und 
den‘ Ammonitern.* Seine Städte, „Heshbon und ihre Téchter* 
' werden erobert. Folgt die Angabe (v. 26) Sthon’s Reich 
habe früher zu Moab gehört und als Beleg ein später aus- 
führlich zu besprechendes Lied. „Und Israel wohnte im 
Lande der Amoriter®. 

Von diesen beiden Stücken aus läfst sich der weitere 
Faden gewinnen. Vor dem Kampf mit Sthon bei Jahas be- 
findet sich Israel in der Wüste südlich vom Arnon (21, 23); 
mithin gehören hierher aus dem Routier 21, 10—20 die 
gleichartig formulirten Verse 12—18*, wo der Marsch über das 
Thal Zared an „das jenseitige (d. i. südliche) Ufer des Arnon, 
der in der Wüste ist und an der Amoritergrenze entspringt“ 
und zum „Brunnen“ berichtet und durch abgerissene Lie- 
derstücke aus dem „Buch der Kriege Jahve’s“ illustrirt 
wird. Der Anfang der Stationenliste fehlt; ein Bruchstück 
derselben liegt aber in Deut. 10, 6—9 vor, wie die Formel 
wo) OWD beweist. Die letzteren Verse sind durch irgend 
einen Zufall mitten in Mose’s Erzählung von der Gesetz- 
gebung am Horeb gerathen, mit der sie nicht das mindeste 


über die Eroberung Palaecstinas. 119 


zu thun haben’). Sie berichten den Zug vom Brunnen 
Bné Jaq&n über Mosera und Gudgoda nach den Bächen 
von Jotbat *). An der zweiten Station stirbt Aharon und 
sein Sohn El asar folgt ihm als Priester, an der’ vierten 
„sondert Mose den Stamm der Leviten ab um die Lade 
[des Bundes] Jahve’s zu tragen, um vor Jahve zu stehen 
zu seiner Bedienung, und um in seinem Namen zu segnen 
bis auf diesen Tag; daher hat Levi keinen Theil und Be- 
sitz erhalten mit seinen Brüdern; Jahve ist sein Besitz, 
wie er ?) ihm gesagt hat”. Warum dieser Abschnitt von 
dem Schlufsredactor in Num. gestrichen ist, liegt auf der 
Hand. Der Tod Aharons wird von ihm nach dem Priester- 
codex erzählt 20, 22—29, der ihn nach Analogie von Mose’s 
Tod auf den Berg Hor verlegt; und der Bericht über Ein- 
setzung und Bestimmung der Leviten stand in zu starkem 
Widerspruch mit Num. 3 ff., um aufgenommen zu werden. — 
Zu beachten ist übrigens, dafs der Verfasser der Stationen- 
liste Num. 33 in v. 30-33 die vier Namen Deut. 10, 6ff. 
kennt, aber vor die Ankunft in Qadesh verlegt; sonst zeigt 
er nur sehr selten Bertihrangspunkte mit der jehovistischen 
Darstellung. 

Die Stationen 21, 10, 11 (= 33, 43 f.) mit der For- 
mulirung UM — ıyDN gehören dem Priestercodex an; tiber 
v. 18°—20, wo im Widerspruch mit der Sihongeschichte 
der Marsch bis zur Pisga in Moab geführt wird, s. u. 


Auf die Verhandlungen mit Edom läfst unser Text 
zunächst Aharons Tod auf dem Hor folgen 20, 22—29, 
einen dem Priestercodex angehörigen Abschnitt, an den 


1) Ebenso ist bekanntlich Deut. 4, 41—43 (Einsetzung der trans- 
jordanischen Freistädte), eine dem Priestercodex angehörige und un- 
mittelbar an Num. 85 anschliefsende Erzählung, sinnlos an den Schlufs 
der ersten Einleitung des Deut. gerathen. 

*) Versch. Varianten in Sam. und LXX. 

) ox um ist natürlich Glosse und fehlt in LXX. 





120 Meyer, Kritik der Berichte 





21, 4° ssm“imp wer ankntipft. Dagegen setzt sich 20, NT 
yoyo Su on unmittelbar fort in 21, 4 20) nom m 
Ow ya Me „Israel wandte sich von Edom weg auf da! 
Weg nach dem Schilfmeer, um das Land Edom x} 
umgehen.* Es folgt eine Hungersnoth, Murren des Volks, | 
Ziichtigung durch Schlangen, die Aufrichtung der au | 
Reg. II, 18, 4 bekannten ehernen Schlange. Hier win : 
sich die Liste der Stationen bis an den Arnon angeschlossen 
haben. 

Der Verfasser unserer Erzählung denkt sich also von 
Arnon bis an den Jabboq ein Amoriterreich, im NO. von 
‘Ammon 21, 241), im S. von Moab begrenzt. Der Arno 
entspringt 21, 13 an ihrer Grenze und der Zusatz „denn 
der Arnon ist die Grenze Moabs zwischen M. und den 
Amoriter *)*, der ganz wie eine Glosse aussieht, gibt jeden- 
falls die Meinung des Schriftstellers richtig wieder. Der 
selbe nimmt offenbar an, dafs die Israeliten östlich um 
Moab herumzogen, ohne sein Gebiet zu berühren; erst als 
Sihon besiegt ist, wird Balaq besorgt und beruft den 
Bileam. So wird denn auch Jud. 11, 17 f. berichtet: wie 
Edom sei auch Moab vergeblich um Gewährung des Durch- 
zugs gebeten worden, man habe sein Gebiet von Osten 
(wow mmmp; so auch Num. 21, 11 umgehen müssen, vgl. 
Deut. 2,9 ff.). Ob diese Darstellung auf Conjectur beruht oder 
der Redactor des Pentateuchs den entsprechenden Abschnitt 
gestrichen hat, läfst sich nicht mehr entscheiden. Jedenfalls 
kehrt dieselbe geographische Anschauung auch Num. 22, 36 
wieder: „es hörte Balaq, dafs Bile am angekommen sei und zog 
ihm entgegen nach ‘Ar *) Moab, welches im Arnongebiet 


') Für poy 99 5159 19 m bieten die LXX offenbar richtig 
éte Tacho (MY) Bera vlov Auudy 2orı; die Bemerkung ist eine mit 
21, 82 zusammenhängende Glosse. 

*) >a S123 N 1D auch Jud. 11, 18. 

*) Dals aby für “py zu lesen ist hat schon Knobel zu Num. 21,2 
erkannt. 


fiber die Eroberung Palaestinas 121 


an der Grenze des (moab.) Gebiets liegt 1)*. Dieser Vers 
gehört zu der ersten der beiden Versionen der Bileam- 
geschichte v. 9—20, 21, 36>, nach der Bileam mit den 
Fürsten Moabs zu Balaq kommt und die unzweifelhaft 
dem Elohisten entnommen ist *). 


Zwischem dem Kampf mit Sthon und der Bile amge- 
schichte steht noch 21, 32—35 die Besiegung des Amoriters 
von Jaezer und des ‘Og von Bashan. Wellhausen ®) 
bemerkt mit Recht, dafs diese Verse späterer Zusatz sind. 
Von der Besiegung der „zwei Amoriterkönige* ist zwar 
sonst oft genug die Rede (auch Deut. 3), aber Num. 22, 2%) 
hört Balaq nur von der Besiegung „des Amoriters“ und 
auch Jos. 24, 8. Jud. 11, 22 f. wird “Og völlig übergangen. 


2. Der so gewonnene Bericht gehört sicher dem Elo- 
histen, nicht dem Jahvisten ®) an. Dies beweist das Vor- 
kommen von Aharon Deut. 10, 6, während dieser dem Jah- 
visten unbekannt ist, der Gottesname Dinbx 21, 5 — dafs 
sonst M¥T im Text steht ist bekanntlich kein Gegen- 
argument; ferner der nachgewiesene Zusammenhang mit 
Num. 22, 36. Sodann werden unsere Geschichten gerade 
in elohistischen Partien immer wieder erwähnt. Jos. 2, 10. 
9, 10 sind allerdings deuteronomistisch überarbeitet, aber 
nicht Jos. 24, 8 f., wo die Besiegung des „transjordanischen 
Amoriters* neben der Vereitelung des Fluches Bile ams 
erwähnt wird. Den letzten Zweifel hebt die Thatsache, 


1) Etwas anderes kann doch mip WR TWIN by) by “WS 
Sox] nicht bedeuten. 


*) 8. Wellhausen, Jahrb. D. Theol. XXI, 578 ff. 

*) A. a. O. 8. 578. 

*%) Num. 22, 1 gehört bekanntlich dem Priestercodex, in v. 8 ff. 
sind die verschiedenen Versionen untereinander gemengt. 

5) Wie Wellhausen annimmt, wegen der singularischen Be- 
handlung der Völkernamen DAX (30,18) und  yQN; indessen letzteres 
gebraucht gerade der Elohist immer als Singular. 





192 Meyer, Kritik der Berichte 


dals der Völkername Amoriter ausschlielslich dem 1 
histen!), wie Kanaanaeer ausschlielslich dem Jakvü 
angehört. Beide Namen decken sich nach Begriff und | 
fang vollständig und bezeichnen die gesammte vorisraelitü 
Bevölkerung Palaestinas. 

Dies bedarf eines längeren Nachweise. Bekannt! 
enthält das Buch Josua keine jahvistischen Bestandth 
(über die Ausnahmen s. u.), sondern geht abgesehen ı 
den Stücken, die der deuter. Bearbeitung oder dem Priesi 
codex angehören, ausschliefslich auf den Elohisten zurück 
Hier findet sich aberals Name der Landesbewohner dur 
weg) nur ‘DN gebraucht. Jos. 10, 5. 6 ziehen „ı 
(fünf) Könige der Amoriter, die im Gebirge wohne 
gegen Israel; 24, 15 läfst Josua das Volk wählen, ob 
dem Jahve oder den Göttern, welchen seine Vorfahren j 
seite des Euphrat und in Aegypten dienten, oder „( 
Göttern des Amoriters in deren Lande sie wohnen“ dia 
wolle. Wie Sthon 24,8 „der König der transjordaniscl 
Am.* genannt wird (ebenso Deut. 3, 8. 4, 47 =J 
2, 10. 9, 10), redet Josua 24, 12 von der Vertreibung ı 
„zwölf *) Amoriter-Kinige*. Dieselbe Auffassung kehrt 


') Dies bemerkt auch Wellhausen a. a.O. 8. 602; die Ident 
von OX und 197955 hat ganz neuerdings Steinthal, Ztschr. f. Vall 
psych. XII, 8. 267 erkannt. 

*) Für unsere Untersuchung ist es gleichgültig, dafs die Kan 
mit Jericho und ‘Ai und die Verhandlungen mit Gibe‘on in zwei ' 
sionen vorliegen. Nur bei der letzteren Erzählung kann die Fi 
überhaupt aufgeworfen werden, ob die eine Version, welche statt Jc 
den 5x ws wr handeln lälst (9,6. 7 cet.), nicht vielleicht jahvist 
ist; und diese nennt die Bewohner Chivviter (LXX XYoppaloı Y 
die jüngere, jedenfalls elohistische, einfach py) I. 

*) In Jos. 5, 1 55) mr gem Ty. Wwe ms Don 
om by “wR YYIN 155x ist der zweite Theil natürlich Interpolat 
„die Könige der Am. jenseits (westlich) des Jordan nach dem Meere 
lassen für „Kan. Könige am Meere“ keinen Platz mehr; die Besiel 
der letzteren auf Phönikien (LXX) ist exegetische Ausflucht. 

*) LXX dwdexa für yy, es. Wellhausen, a. a. O. 8. 596. 


über die Eroberung Palacstinas. 123 


Deuteronomium wieder, das ja auch sonst immer mit dem 
Elohisten übereinstimmt, nur den eloh. Dekalog kennt, 
den Berg der Gesetzgebung durchweg Horeb, nicht wie 
der Jahvist Sinai nennt !. Wenn ich nichts übersehen 
habe, kommt "939 im Deut. nur 1,7 (wahrscheinlich inter- 
polirt) und 11, 30 vor, sonst immer "px; und 1, 20 bezeichnet 
Moses Qadesh (in der Wüste) als an der Südgrenze des 
„Amoritergebiets, das Jahve uns gegeben hat“ gelegen. 
Denselben Sprachgebrauch finden wir bei dem deuterono- 
mistischen Bearbeiter der geschichtlichen Bücher, z. B. 
Gen. 15, 16; Jud. 1, 34 ff. 6, 10. 10,8 im scharfen Gegen- 
satz zu dem sonstigen ‘y29; Sam. I, 7, 14, wo sogar die 
Philister unter on begriffen werden, u. a. In dem 
ganz späten Capitel Gen. 14 wird v. 13 aus dem Haine 
Mamre ein Amoriter dieses Namens gemacht. „Amoriter“ 
bezeichnet somit genau was wir „Kanaaniter“ zu nennen 
pflegen. Da auch Amos 2, 9 f. Amoriter sagt, scheint 
dies allgemeiner Sprachgebrauch des Nordreichs gewesen 
zu sein, wie Horeb für Sinai. 

Beim Jahvisten wie im Richterbuche finden wir da- 
gegen durchweg 923; so Gen. 12, 6 pIN3 IN YYIDM, wo- 
für 13, 7 OM "1m steht wie Gen. 34, 30 und in den viel- 
Jeicht interpolirten Versen Jud. 1, 4. 5 (s. u.); ferner 


*) Die gewöhnliche Annahme, dafs die Verfasser des Deut. schon 
das aus Jahvist und Elohist zusammengesetzte Wort (Jehovist) benutzt 
hätten, erscheint mir sehr fraglich. Sicher jahvistisch ist wohl nur 
Datan und Abiram 11, 6, die auch dem selbständigen Werke entnommen 
sein können. Sonst herrschen nicht nur durchaus die elohistischen An- 
schauungen, sondern die im jehovistischen Texte durch die Vermen- 
gung der beiden Berichte verwirrten Erzählungen scheinen hier noch 
in einfacher Fassung vorgelegen zu haben; s. die nächste Anm. — 
Wenn das Deut. die Zerschmetterung der Tafeln und Anfertigung neuer 
kennt, so scheint mir auch der Elohist schon so erzählt zu haben. 
Auch um dieser Frage willen ist eine Detailuntersuchung der Gesetz- 
gebungsgeschichte dringend erforderlich. 


124 Meyer, Kritik der Berichte 


Gen. 10, 18 f. 24, 3. 37. In der jahvistischen Version de 
Gesandschaftsgeschichte Num. 13.14 berichten die Gesandten 
13,29 „ Amaleq wohnt im Negeb und der Kan. wohntam Meere 
und am Jordan“, entsprechend dem Befehl des Moses v. 17 : 
„zieht nun hinauf ins Negeb und dann ins Gebirge.* Damitist 
das Land ausgefüllt; denn vom Meer zum Jordan sind nur 
zehn Meilen. Ganz sinnlos ist daher hier eingeschoben : 
„und der Chetiter (!) und Jebusiter und Amoriter wohnt 
(! sing.) im Gebirge“. Von diesen Völkern ist denn nachher 
auch nirgends mehr die Rede; 14, 26. 43. 45 heifsen die 
Bewohner ‘Amal. und Kan. !). 

Die an dieser Stelle eingeschobenen Namen beruhen 
auf der Anschauung von den „sieben Völkern“ Kana ans. 
Die älteste Stelle, an der dieselben vorkommen, wäre falls 
dies Capitel alt ist*), Deut. 20, 17: „bannen sollst du sie, den 
Chetiter, Amoriter, Kana aniter, Perizziter, Chivviter, Jebu- 
siter Girgashiter fehlt, wie Dir Jahve befahl“; dann folgt 
Deut. 7,1: , Wenn Jahve Dich in das Land etc. führen und 
zahlreiche Völker vor Dir austreiben wird, den Chet. 
Girg. Am. Kan. Per. Chivv. Jeb., sieben Völker, grölser 
und stärker als Du*. Diese Liste ist historisch sinnlos. 
Amor. und Kan. sind identisch ; Jebusiter sind ausschliels- 
lich die Bewohner von Jerusalem (Jud. 1, 21 = Jos. 15, 63. 
Sam. II, 5, 6), also ein rein localer Name. Chivviter 
heifsen in dem älteren der beiden Berichte Jos. 9 (8. 0.) 
die Bewohner von Gibeon, die an der weit älteren Stelle 
Sam. II 21, 2 einfach "oa m? „ein Rest der Amoriter* 
genannt werden. Ferner heilst Gen. 34, 2 Sichem ein 
Chivvite [ob jahv.? v. 30 werden die Eingeborenen 9% 
„9 genannt], während der Elohist ihn nach 48, 22 
“ox nannte. Auch Nr ist also wahrscheinlich ein 


ft) Weiteres s. u. 8. 189 ff. — Nach dem Jahv. kommen die Kund- 
schafter nach Hebron, nach dem El. in das Thal Eshkol. Deut. 
1, 22 ff. kennt nur die letstere Version und nennt die Einwohner 
Amoriter. 

®) Vgl. Wellhausen a. a. O. XXII, 468 f. 


über die Eroberung Palaestinas. 125 


ia localer Name !). Ueber Perizsiter („Dorfbewohner“ ?) 
i Girgashiter [„Vertriebene“ ? ?)] wissen wir gar nichts. 
le Chetiter aber gehören nach den genau übereinstim- 
enden Angaben der ägyptischen Inschriften des 15—13. 
wits. und der historischen Bücher der Hebräer (Sam. II, 
‚6. Reg. L 10, 29. I, 7, 6°), ebenso Gen. 10] aus- 
hliefslich an den Libanon, nach Koelesyrien im engeren 
ane, nicht in das von den Hebräern besetzte Land. Dafs 
r Verfasser des Deuteronomiums von den Verhältnissen 
r Urzeit nichts mehr wulste, ist sehr begreiflich ; ebenso, 
fs man diese zwar wohlklingenden aber inbaltsleeren 
unen sei es sämmtlich sei es mit Auswahl in maiorem 
aeli gloriam an zahlreichen Stellen des Hexateuchs ein- 
gte. Die Stellen — wenn ich nichts übersehen habe, 
ıd es Gen. 10, 16 f. 15, 19 ff. (die umfangreichste und 
yernste Liste). Exod. 3, 8. 17. 13, 5 (v. 11 steht in der 
schen Formel nur 933). 23, 28. 28 = 33, 2. 34, 11. 
ım. 13, 28. Jos. 9, 1 (dem Inhalt nach = 10, 5). 11, 3. 
‚8. 24, 11. Jud. 3, 5 — geben sich denn auch durch- 
g deutlich als Interpolationen zu erkennen, oder gehören 
n spätesten Partien des jehovistisch-deuteronomistischen 
eschichtswerks an 4). 

Dafs man diesen Thatbestand verkannt hat und allge- 
ein (aulser Steinthal) die Amoriter für ein von N. 





*) (Falls man sie nicht mit Ewald, G. V.I. I, 8. 841 vom Wohnen 
fey benannt sein läfst. B. 8.) 

*) Vielleicht von pj: Redslob, Alttest. Namen der Bevölkerung 
s Israclitenstaats 8. 108. 

*) 8. Wellhausen, d. Text d. Bücher Sam. 8. 217 f. Bekannt- 
b ist os reine Willkür — die aber Aegyptologen wie Chabas (voyage 
m égyptien) (und viele a. t. Theologen. B. 8.) irre geleitet hat — 
an die Geshichtserzählung des Priestercodex die Chetiter in der 
kiarchenzeit zu Bewohnern Palaestinas, speciell Hebrons, gemacht 
. — .Auch Jos. 1, 4 (Deuteron.) tritt die richtige Anschauung noch 


vor. 
*) Ein gleiches gilt natürlich von der Formel yy) 3571 ND! yu: 


126 Meyer, Kritik der Berichte 


erobernd in Kana an eingedrungenes Volk hält, liegt aufser 
an Num. 21, 26, worüber unten, an den Stellen Jos. 13, 4 
und Jud. 1, 34 ff. — Jos. 13, 2—6, eine äufserst corrupte 
Aufzählung der von den Hebräern nicht unterworfenen 
Stämme, ist dem Kerne nach identisch mit Jud. 3, 3, wo 
„die fünf Fürstenthümer der Philister und alle Kana anäer, 
Sidonier, Chetiter !), die am Libanon vom Gb. Baal Her- 
mon bis nach Hamat hin sitzen“ aufgezählt werden. Jos. 


13 folgen auf die Philister (incl. Geziriter *) und‘Avviter®)] — 


„das ganze Land Kanaan [von Gaza an ?] 4), die Sidonier 
bis nach Apheq, der Grenze der Amoriter, das Gebiet von 
Byblos, und das ganze Libanongebiet im Osten von Baal- 
Gad bis nach Hamat hin“. Interpolirt ist die Stelle jeden- 
falle, und wenn sie überhaupt verwerthet werden darf, ist 
nach dem früheren klar, dafs Apheq (im 8.O. von Byblos) 
als Nord-, nicht etwa als Südgrenze der Amoriter, d. i. 
Kana ans, bezeichnet werden soll. — In Jud. 1, 34 ff. „es 
drängten die Amoriter die Söhne Dans ins Gebirge u. s. w. 
und das Gebiet der Am. reicht von der Skorpionenhöhle, 
von Sela aufwärts (byo1)“ scheinen die Am. von den 
vorher immer genannten Kana aniern als ein besonderes 
Volk geschieden zu werden. Indessen die Verse geben 
sich durch ihre von dem gleichmifsigen Bau der voran- 
gehenden Abschnitte völlig abweichende Form deutlich als 
späteren Zusatz zu erkennen 5). Auch ist die letzte Be- 
merkung ja offenbar unvollständig und nicht hierher gehörig. 


') Wie Jos. 11, 8 (Vat. Xerralovg) setzt Wellhausen d. Text 
d. Büch. Sam. 8. 218 auch hier richtig wry für npj ein. 

») 73, LXX Teoıel für sy} wie Sam. I, 27,8 s. Wellhausen, 
a. a. O. 8. 189. 

*) 1o'MD [Oly scheint übrigens Interpolation. 

*) Für das unsinnige OyTyb AW DAY) YIN PW 4D bieten 
die LXX xal ndoy yy Xavady Evarılov (var. And und drrevavrlor) 
Tdlns xal ol Zudavıoı, was indessen auch nicht richtig sein wird. 

5) (Vgl auch 8. 102 ff. B. 8.) 


über die Eroberung Palaestinas. 127 


- Die ägyptischen Inschriften bestätigen unser Resultat 
dig. Kanäna d. i. 1933 scheinen sie nur als einen 

an der palästinensischen Grenze zu kennen. 
grofse Harris-papyrus erwähnt Kanänas als „Festung 
Landes Zahi® (entspricht dem Umfange nach 
«wa dem griechischen Zvupla), von Seti I heilst es „er 
['wernichtete die Shasu (denen etwa die ‘Amalegiter und 
® Midianiter entsprechen) von der Feste von Zal (an der 
F ag. Grenze) bis nach Kanäna® !). Dagegen als Name für 
Land und Bevölkerung von Kanaan im weitesten Sinne 
wird immer Amir d. i. "ON gebraucht. Ramses III be- 
siegt Rebu (Libyer) und Amar und bringt ihre Fürsten 
gefangen nach Theben. Dapur (für 37 oder. man er- 
klärt) heifst „die Stadt welche s. Maj. im Lande von 
Amäur einnahm®, betreffs Qedesh, der Hauptstadt der 
Cheta = om am Orontes, wird gesagt : „Auszug des 
Pharao (Seti I) zu erobern das Land von Qedesh in dem 
Amärflande]® *). Die letztere Angabe stimmt vollkommen 
damit, dafs in dem jahvistischen Abschnitt der Völkertafel 
Gen. 10, 15 Chet Bruder des Stdon und Sohn Kana ans 
heifst, und dafs in Laodikea am Libanon (Umm el‘ Awämtd) 

in unmittelbarer Nähe des alten Qedesh noch unter den 
Seleuciden phönicisch gesprochen wird. Die Chetiter, d.h. 
die Bewohner der eigentlichen xoAn Zvpla „bis nach 
Hamat zu® sind eben Amoriter oder Kana anäer, und werden 
daher auch im A. T. von den Aramäern in Damaskus 
und dem nördlichen (Euphrat-) Lande durchweg geschieden °). 









') Lepsius, Denkm. III, 126. Brugsch, Gesch. Aeg. 8. 460. 

9, Dimichen, Hist. Inschr. I, Taf. 28. Lepsius, Denkm. III, 
16. Rosellini, mon. stor. pl. 58. Im allgemeinen vgl. Brugsch, 
Geogr. Inschr. II, 21 ff. 

*) Zu beachten ist auch, dafs der Name der Astarta d. i. ANY, 
den die Aegypter gewils den Cheta entlehnten, kansanäische, nicht 
ısmäische Form zeigt Andererseits haben die Eigennamen der Cheta 
'" (susammengestellt bei Chabas voyage 829) meist ein sehr unsemitisches 
Gepräge. 


128 Meyer, Kritik der Berichte 


3. Kehren wir jetzt zu unserem Bericht zurück. Deut- 
lich tritt in demselben die Tendenz hervor, die Zustände 
der späteren Zeit zu erklären und zu rechtfertigen, in 
welchem Sinne er denn auch in der antiquarischen Dis- 
cussion Jud. 11 verwerthet wird. Wie bekannt, erstreckte 
sich das Gebiet Israels ideell, und in den Zeiten der gröfsten 
Macht auch factisch, bis an den Arnon. Daher ist hier 
die „Grenze der Amoriter*, hier beginnt das von Jahve 
den Israeliten verheifsene Land; daher wird Edom um- 
gangen und von Moab und ‘Ammon (21, 24) so wenig 
wie möglich geredet. Der Verfasser der ersten Einleitung 
zum Deuteronomium bringt die Tendenz seiner Vorlage nur 
deutlicher zum Ausdruck, wenn er die Erzählung dahin 
abändert, dafs Edom den Durchzug gewährt und Jahve 
den Krieg mit Moab und “Ammon als „Söhnen Lot’s* 
streng verbietet, dagegen den Angriff auf den Amoriter 
Sthon freigibt '). Unsere Geschichte gehört insofern in 
dieselbe Kategorie, wie die von der Festsetzung der Grenze 
zwischen Israel und Aram durch Jakob und Laban Gen. 31 
und der Vertrag zwischen Abimelech und Isaak oder 
Abraham Gen. 21, 26, nur dafs dies Volkssagen sind, 
während jenes bewulste Geschichtsconstruction ist. 


Indessen die Wirklichkeit stimmte schlecht zu dieser 
Schilderung. Gerade die Gegenden, welche die Erzählung 
und das Lied als Reich Sthons bezeichnen, sind recht 
eigentlich moabitisch, wenn auch zeitweilig von den Israe- 
liten erobert. Daibon ?) ist der Sitz des Königthums, 
Médeba, Baal Meon, Qirjatain, “Aroer, Heshbon selbst 
gelten dem Mesha wie dem Jesaia (c. 15 f.) und Jeremia 


1) Vgl. noch Deut. 28. Bekanntlich sind im sam. Pentateuch die 
entsprechenden Stücke aus Deut. 2 in Num. eingelegt. — Deut. 2, 8> 
(23-9). 10—12. 20—328 gehören wie 8, 9. 11. 18° —14su einem 
späten und völlig werthlosen antiquarischen Commentar. 


*) Da Meshs > schreibt, ist mit LXX Aa:ıßov zu sprechen. 


über die Eroberung Palaestinas. 129 


(c. 48) als moabitische Städte; Baal Peör, der auf dem 
Gipfel des Pisga [= Peor, Num. 21, 20. 23, 28 ')] verehrt 
wird, ist ein moabitischer Gott Num. 25, 2 f.*). Die 
Bile amgeschichte ist wohl in der jahvistischen Darstellung, 
nach der Israel mitten im moabitischen Lande lagert, aber 
kaum in der elohistischen am Platze, nach der Israel längst 
über Moabs Gebiet hinaus ist und keine Neigung zeigt, 
seinen „Bruderstamm“® anzugreifen. Zwar bleibt der Elohist 
sich getreu, indem er den Balaq dem Bileam nach ‘Ar 
Moab am Arnon an die Grenze seines Reichs entgegen- 
kommen läfst, aber wenn wir uns die dann folgenden 
Weissagungen doch wohl wie beim Jahv. auf den Bergen 
nördlich vom Arnon gesprochen denken müssen, so sind 
Balaq und Bileam über die Grenze gegangen. 

Trotz der elohistischen Darstellung denken sich denn 
auch das Deuteronomium wie der Priestercodex (SN N127y) 
Moab als Schauplatz der letzten Thaten des Mose; und 
die eben entwickelten Bedenken haben die Einfügung von 
v. 26 in unseren Text veranlafst. Nachdem die Verhand- 
lungen mit Sthön, die Schlacht, die Eroberung Heshbon’s 
und der übrigen Amoriterstädte berichtet sind, heifst es : 
„Heshbon ist nämlich die Stadt des Amoriterkönigs Sthon ; 
dieser aber hatte mit dem früheren (!pwain) König von 
Moab Krieg geführt und ihm sein ganzes Land bis an den 
Arnon *) entrissen“. Es liegt auf der Hand, dafs dieser 


N) Der Jahvist, dem auch 21,20 angehört, sagt JOH nach 28, 14; 
ob aber yh 28,28 elohistisch oder interpolirt ist, ist wohl nicht zu 
entscheiden ; das Deut. sagt Pisga. 

%) 25, 1>—5 wird wohl dem Jahvisten angehören, da der Elohist 
sonst seinen Anschauungen widersprechen würde; Deut. 23, 5 f. Jos. 
24, 9 f. wird diese Erzählung übergangen. V. 1* dagegen „1 
Owws Sew? ist sicher elohistisch, da Jos. 2, 1. 8, 1 der Aufbruch 
von Shittim aus erfolgt. Vgl. noch Micha 6, 5. 

*) Far rn ty im hat LXX dnd Aoors Ewe Apvar, a. i. wahr- 
scheinlich Wy; auch Deut. 2, 9. 18. 29 steht Agojo für ap (nur 
Num. 21, 15 gibt Ho). Geographisch sind beide Orte unmöglich und 

Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jalırgang 1. 1881. 9 





130 Meyor, Kritik der Berichte 


nachhinkende Vers eine Interpolation ist, welche die ge- 
graphischen Schwierigkeiten heben soll '). 

Freilich scheint v. 26 nur den Inhalt des folgende 
Liedes kurz wiederzugeben. Aber die gangbare Auffassung 
und Uebersetzung desselben ist so unwahrscheinlich und 
gezwungen wie nur möglich. Danach soll zunächst 
v. 27—30 Sthons Sieg über Moab verherrlicht werde, 
v. 31 dann plötzlich (mit ) consec.!) zu Israels Sieg über 
Sihon übergehen. Der letztere Vers lautet im mas. Text 
waTD Ty Por MED Ty DON PT IW Jar "OR DM: 
man übersetzt „doch wir waren hoch (von einem angeb- 
lichen O'Y = angeblich Ok = OF; Gesen. thes. 626 wo- 
möglich noch sinnloser „et iaculati sumus*, von m7), He- 
bon ging unter bis Dibon, wir verwüsteten (von Onw) bis 
Nophach (unbekannt), Feuer [gerieth] an Medeba* (Knobel). 
Eine andere Lesung mit völlig verständigem Sinn bieten 
die LXX : xal to oxégua avrav axodetrat Eoeßov ng 
daıßoov, xal al yuvalxes [avrar) Erı xpoce§éxaveay xe 
xt Moap ®) d. i. ınp) THY an ja TW pawn ar OFT 
oxo Sy wes nur ist für Moab gewils Médeba beizubehalten ‘), 
Aufserdem ist v. 29 ImO ‘TDN ob deutlich eine Glosse, 
die den Parallelismus stört und den übrigen Versen völlig 
widerspricht. Nunergibtsich ein klarer und einfacher Sinn : 


“Ar ist jedenfalls Dittographie von 2y. Nach v. 24 wird ursprünglich 
pan dagestanden haben. 

!) Jud. 11 scheint diesen Vers noch nicht su kennen, da sons 
wohl erwähnt werden würde, dafs Sibén die Moabiter verdrängt habe 
vgl. v. 21 gm] yun 2277) “ON. 

*) Der Punkt zeigt, dafs "\zu streichen ist. Bam. liest (Hiph.?) opy 
Nato Sy we. 

*) Ebenso die Itala, cod. Ashburnham. London 1868 : et sema 
eorum periit Sedesbon et mulieres insuper exusserunt super Moab. Di 
Vulgata übersetzt : iugum ipsorum disperiit ab Hesebon usque Dibos 
lassi pervenerunt in Nophe et usque Medeba. Vgl. Vercelloni var. lee 
vulg. zu der Stelle. 

“) Will man an der Verbindung von 4)p mit dem Perf. Anstol 
nehmen, so bleibt nur übrig, eine tiefer greifende Corruption ann 
nehmen und durch Conjectur zu helfen. 


über die Eroberung Palaestinas. 131 


„Kommt nach Heshbon — aufgebaut und befestigt werde die Stadt 
des Sibon! 
Denn Feuer ging aus von Heebbod — eine Flamme von der Burg 
Sibons; 
Sie frafs die Btädte *) Moabe — die Bewohner der Höhen des Arnon. 
Wehe Dir Moab — vernichtet bist Du, Volk des Kemosh. 
Es gab hin seine Sthnae zu Flüchtlingen — seine Töchter su Gefangenen ; 
Ihr ®) Geschlecht ist vernichtet von Heshbon bis Daibon — ja die 
Weiber legen Feuer an Médeba.* 
Sthon ist König von Moab, der in Heshbon residirt. Er 
wird besiegt, seine Städte verbrannt, offenbar von den 
Israeliten, die dies Triumphlied anstimmen. „Von Heshbon 
bis Daibon“ zeigt deutlich, dafs der Angriff von Norden 
kam. Mit einem Wort, das Lied bezieht sich auf die lang- 
wierigen Kämpfe, die Nordisrael mit Moab geführt hat, 
und aus denen wir die Mesha episode genauer kennen. 
Eine Bestätigung erhält unsere Auffassung dadurch, 
dafs in dem Zusatze zu Jeremias Prophezeiungen gegen 
Moab 48, 4547 (fehlt in LXX) unsere Verse (mit Num. 
24, 17 verbunden) mit geringen Abweichungen direct auf 
Moab bezogen werden; sogar das „Haus Sthons“ ®) kehrt 
hier wieder. V. 46 „Wehe Dir Moab! Kemosh Volk ist 
untergegangen, denn Deine Söhne sind gefangen, Deine 
Töchter im Gefängnifs“ scheint zu zeigen, dafs der Ver- 
fasser den Zusatz jmo Nox bpb noch nicht kannte. 


Knobel’s Vermuthung, dafs auch die 21, 14 f. 17 f. 
angeführten, für uns freilich fast völlig unverständlichen 
Bruchstücke demselben Liede angehören, ist gewils richtig. 
Diese stammen aber aus dem „Buche der Kriege Jahves* 
d. h. der Nationalkriege, worunter wir uns eine etwa um 


') Mas. Sy Samar. und LXX sy, fu. Richtiger ist wohl vy 
Sn su lesen, im Gegensatz zu den Einwohnern 14x MD2 'Dy2- 


*) Dafs hier (—3°)) Moab pluralisch construirt wird, vorher (qn) 
isch, kann natürlich keinen Anstofs erregen. 


Für 3% v. 45 ist natürlich ‘ a) zu lesen. 
*) Für po pap D map oe 





139 Moyer, Kritik der Berichte 


850—800 entstandene Liedersammlung zu denken haba 
Zur Zeit des Elohisten war der Sinn des Liedes längst 
vergessen; er bezieht es auf die mosaische Zeit, wis 
er Jos. 10, 13 den Vers des "Ww "DD — nach Sam. IL 
1, 18 gleichfalls ein Liederbuch — : „da stand die Sonne i» 
mitten des Himmels, nicht eilte sie zu gehen einen ganzes 
Tag“ u. s. w. ins Triviale umgedeutet und willkürlich saf 
Josua bezogen hat. Ebenso scheint er für Bile ams Sega 
Num. 24 ältere Lieder benutzt zu haben. 2 
Der einzige Bestandtheil des elohistischen Berichts, dee . 
auf Ueberlieferung zurückgeht, ist somit die Bile amge- 
schichte. Dieselbe wird bekanntlich auch vom Jahvistea 
erzählt, und wenn, wiemir erwiesen scheint und sich später 
noch weiter ergeben wird, dieser bei weitem der ältere der 
beiden Schriftsteller ist, so hat der Elohist sie ihm ent- 
lehnt und nur nach seinen Gesichtspunkten bearbeitet : 
an eine selbständige Version kann bei den vielen Berth- 
rungspunkten im Detail auf keinen Fall gedacht werden. 
4. Wir kommen jetzt zum Jahvisten. Sicher gehört 
ihm Num. 21, 1—3. Ob vorher von einem Durchzug durch 
Edom die Rede war, wissen wir nicht. Jetzt ist Israd 
auf dem Marsche nach Südjudäa. „Da hörte der Ka 
na aniter, der König von ‘Arad im Negeb, dafs Israel auf 
dem Wege nach Atarfm herankomme, und er griff es an 
und machte Gefangene. Da gelobte Israel dem Jahve, 
wenn Du dies Volk in meine Hand gibst, will ich seine 
Städte zerstören (omrm). Und Jahve hörte die Stimme 
Israels und gab ihm den Kanaaniten, und es bannte sie 
und ihre Städte und nannte den Namen des Ortes Horma 
„Zerstörung“.* Nach Jud. 1, 17 ziehen Juda und Simeon 
gegen den Kana aniten von Spat, bannen ihn, und nennen - 
die Stadt Horma. nos wird hier auf einer Verschreibung © 
beruhen; denn in v. 16 ist ny ganz ungehörig hineinge :' 
rathen (s u.8.137,4), wird also ursprünglich als Correctur zu h 
moy am Rande gestanden haben. Dann ist wohl dieser | 





über die Eroberung Palsestinas. 133 


Bericht als Erfüllung des Gelübdes zu betrachten und 
Num. 21, 3 entweder zu streichen oder als Vorausnahme 
des später noch einmal zu erzählenden zu betrachten. Eine 
Dublette derselben Erzählung ist dagegen Num. 14, 39—45, 
der Abschlufs der Kundschaftererzählung. Israel zieht 
gegen Jahve’s und Mose’s Willen gegen die ‘Amalegiter 
und Kanaaniter, aber diese „besiegten sie und schlugen 
sie bis nach Horma (Mor 9)“. Hier ist die Nieder- 
lage Israels theologisch motivirt. Auch das Deuteronomium 
1, 43 f. kennt die Geschichte und nennt die Feinde mwN 
Mi Wo 23991; vielleicht ist es nicht zu gewagt, dies für 
die — dann aus 13, 29 entnommenen — jahvistischen 
Völkernamen 14, 43. 45 xy 372 301 9y39m ‘prpyN ein- 
zusetzen !) und die Erzählung für den Elohisten in An- 
spruch zu nehmen. 

Die Kämpfe bei “Arad-Horma müssen auch beim Jah- 
visten das Verlassen des directen Weges nach Palaestina 
veranlafst haben; denn auch hier folgt jetzt die Bile am- 
geschichte, die aber in Moab, nicht jenseits seiner Grenzen 
spielt. Bileam schaut von 5y3 mw (22, 41) und später 
vom Gipfel der Pisga (23, 14) auf das Lager des Volks. 
Demnach wird die Stationenliste 21, 19 f., welche aus der 
Wüste über Mattana Nahaliel Bamot (= 5y3 nm») in das 
„Thal im Gefilde Moab |am| Gipfel der Pisga, welche auf 
die Wüste herabschaut® *) führt, dem Jahvisten angehören. 


5. „Erwähnenswerth ist, dafs seit dem Segen Bile ams 
der Jahvist plötzlich abbricht. Nur in Num. 25, 1—5 
(s. o. S. 129,2) und Deut. 34 könnte man vielleicht einige 
Spuren dieses herrlichen Geschichtswerks finden wollen“ ®). 
Allerdings für die Geschichte Josua’s konnte der Jahvist 


1) Der Singular sy (LXX 5 &yxa9ıjuevog) weist deutlich auf 
eine Interpolation hin; ebenso 14, 25 pP ya awy)- 

*) Für now ist mit LXX wie Num. 23, 18 ‘wy zu lesen. 

*) Wellhausen, Jahrbb. f. D. Theol. XXI, 585. 





134 Meyer, Kritik der Berichte 


nicht verwerthet werden, da er diesen gar nicht kennt. Abe 
ebensowenig kann er sein Geschichtswerk etwa mit Moses}, 
Tod geschlossen haben : Patriarchengeschichte und Exodus ;. 
erfordern die Eroberung des gelobten Landes als nothwa | 
dige Ergänzung. Nun finden sich auch in dem jehovisti | 
schen Theile des Buches Josua Bestandtheile, die weder ! 
dem Elohisten angehören können, noch wie der zweite Be - 
richt über Jericho und ‘Ai seinen Anschauungen sehr nahe : 
stehen, die daher auch Knobel für „die zweite Urkunde 
des Jehov.* in Anspruch genummen hat. Bekanntlich 
sind von der jehovistischen Beschreibung der Landesver- 
theilung nur wenige Bruchstücke, vor allem über Joseph, 
erhalten. Hier heifst es Jos. 17, 11 : „Aufserdem gehörte 
zu Manasse im Gebiet von Isashar und Asher : Bet-She- 
an, Jibfam, Dor, En-Dor], Tanak, Megiddo nebst den 
zugehörigen Gebieten (MMyai)* !). Diese Angabe ist un- 
sinnig, denn die betreffenden Orte bilden nicht etwa an- 
zelne von Manasse entfernte Enklaven, sondern einen in 
ziemlich gerader Linie vom Meere am Tabor vorbei zum 
Jordan sich ziehenden Landstrich, der an das Gebiet von 
Manasse unmittelbar angrenzt. Es heifst weiter : „die 
Söhne Manasse’s vermochten aber nicht diese Städte sa 
erobern, sondern. der Kana anite wohnte in diesem Gebiete; 
und als Israel stark ward, machte es ihn tributpflichtig, 
aber vertrieb ihn nicht.“ Dieser Abschnitt zusammen mit 
der Städteliste ist wörtlich aus Jud. 1, 27 entlehnt, wo er 
in gutem Zusammenhang steht; v. 11 ist demnach nur 
eingelegt um diesen Bericht mit der geographischen Ver- 
theilung, welche diese Städte an Asher und Isashar wies, 
scheinbar zu vermitteln *). Ebenso ist die Geschichte von 


f 


') Was noon nwow (tars. 195°) mb „die drei Districte*) am 
Schlufs des Verses bedeute, wufsten schon die LXX nicht. y 
fehlt Jud. 1 und bei LXX, die auch sonst kleine Abweichungen bieten. 

*) Die gleiche Tendenz verfolgt auch Jos. 16, 9 : „zu Ephraim 
gehören auch die mitten in Manasse für Ephraim abgesonderten Btädte®: 





über die Eroberung Palaestinas. 135 


Walebs Ansiedelung Jos. 15, 13—19 aus Jud. 1, 20 [10). 


15 entlehnt und der Deuteronomist hat eine Einleitung 
14, 6—15 dazu geschrieben. Jos. 15, 63 stammt aus 
1, 21; 16, 10 aus 1, 29; ebenso die eisernen Wagen 
17, 16. 18 aus Jud. 1, 19; Jos. 13, 2—6 wahrscheinlich 


am Jud. 3, 3 (#.0.); Jos. 19, 47 aus Jud. 18. 


Schon hiernach scheint mir völlig sicher, dafs Jud. 1 
{mit 2, 1—5] dem Jahvisten angehört. Weitere Beweise 
sollen sogleich folgen. Zunächst mufs der Text gesäubert 
werden, der sehr stark interpolirt ist. v. 1* gehört wie 
3, 1-—5* dem Schlufsredactor. v. 5 wiederholt v. 4, v. 7> 
setst voraus, dafs Jerusalem erobert war, was v. 21 aus- 
drücklich negirt wird, v.8 ist Folgerung aus 7> im Wider- 
spruch mit 21. In der Adonibezeqgeschichte, die übrigens 
vielleicht einen ächten Kern enthält, fällt aufserdem noch 
der Gebrauch von ovmde auf; in v. 4 ist on sicher aus 
v. 5 interpolirt und die Zahl von 10000 Gefallenen min- 
destens verdächtig; das übrige, d. i. ne mm yn nm Syn 
ma ODN Oma YyION, wird durch v. 22 gestützt. v. 10 
ist Variante von v. 20 und letzterer nach Ausweis’ von 
Jos. 15, 13 f. an seine Stelle zu setzen, als Einleitung zu 
11-15. V. 18 ist eine ganz späte und sinnlose Interpolation. 
V. 19. 21. schliefsen unmittelbar an v. 9an. Dals v. 34-36 
unächt sind, ist schon ausgeführt. Was übrig bleibt, ist 
eine durchaus einheitliche, wenn auch vielleicht an manchen 
Stellen verkürzte Darstellung, die an historischem Werth 
alles was im Hexateuch erzählt wird weit übertrifft und 


geradezu den Ausgangspunkt der jüdischen Geschichte 
bildet *). 


denn der Priestercodex rechnet z. B. Sichem zu Manasse (Jos. 17, 2), 
während es nach allen älteren Angaben ephraimitisch ist. 
) Wie Jud. 1, 1—2, 5 und co. 17—21 in das grolse einheitlich 
überarbeitete deuteronomistische Geschichtswerk, das Gen. 2, 4b bis 
Joma 34, 88 (nach Ausscheidung des Priestercodex), Jud. 2, [6—9], 


136 Meyer, Kritik der Berichte 


Der Eingang des Berichts mufs ergänzt werden; dafs 
wir ein Recht haben an die jahvistische Erzählung anzu- 
knüpfen, soll gleich weiter bewiesen werden. Mose’s Tod 
auf dem Gipfel des Pisga in Moab hat der Jahvist un- 
zweifelhaft erzählt; Stücke in Deut. 34 dürften ihm ange- 
hören '). Dann geht das Volk über den Jordan, erobert 
Jericho „die Palmenstadt* Jud. 1,16; der mm x59 nimmt 
seinen Wohnsitz zu Gilgal 2, 1. Wenn die ältere Version 
der Gibe ongeschichte (s. 0.) jahvistisch ist, mufs sie auch 
hierher gehören, da Israel in derselben noch geschlossen 
auftritt. Dieselbe beruht übrigens bekanntlich auf einer 
Antedatirung viel späterer Ereignisse, s. Reg. I, 9, 20. 
Sam. II, 21,2. Jetzt aber zerfällt das Volk sofort in seine 
einzelnen Bestandtheile. „Und es fragten die Söhne Israels 
bei Jahve an : Wer von uns soll den Anfang machen 
gegen den Kanaaniter hinauf zu ziehen? Und Jahve 
sprach : Juda soll hinaufziehen; siehe ich gebe das Land 
in seine Hand. Und Juda sprach zu Simeon seinem Bru- 
der : ziehe mit mir in mein Loos zum Kampf gegen den 
Kana aniter, dann will auch ich mit Dir in Dein Loos 
ziehen. Und Simeon ging mit ihm. Und es zog Juda 
hinauf und Jahve gab den -Kana aniter in seine Hand und 
sie schlugen ihn bei Bezeq (folgt vielleicht der Kern der 
Adonibezeqgeschichte). Und dann zogen die Söhne Juda 
zum Kriege gegen den Kan. im Gebirge im Negeb und 
in der Küstenebene *); und Jahve war mit Juda ‘und er 
eroberte das Gebirge; aber die Bewohner der Ebene 
konnten sie nicht verjagen, da sie eiserne Wagen hatten. 
Und (auch) den Jebusiter in Jerusalem verjagten die Söhne 


10—16, 81. Sam. I. II. Reg. I. II. umfalst, hineingerathen ist, ist be- 
kanntlich völlig räthselhaft. 


*) OMAN Wp Deut. 34, 8 neben ri scheint jahvistisch nach 
Jud. 1, 16 (3, 18). 
*) Dieser Vers ist vielleicht auch interpolirt ; vgl. auch Jos. 10,40(Deut.). 


oe rere 


über die Eroberung Palaestinas. 137 


Juda !) nicht, und er wohnte unter ihnen in Jer. bis auf 
den heutigen Tag. Und sie gaben dem Kaleb Hebron 
wie Moses gesagt hatte — und Hebron hiefs früher Qirjat- 
‘Arba — und Kaleb verjagte von da die drei Söhne 
des Riesen, den Sheshai Ahiman und Talmai *)*. Folgt 
die Eroberung von Debir — früher Qirjat-Sepher — durch 
‘Otniel den Sohn des Qenaz, der Kalebs Tochter “Aksa 
erhält. „Und Qain®), der Schwager Mose’s, zog hinauf 
von der Palmenstadt mit den Söhnen Juda in die Wüste 
Juda, welche im Negeb *) liegt und er kam und wohnte 
mit dem Volke®). Und es ging Juda mit Simeon, seinem 
Bruder, und sie schlugen den Kana aniter in ‘Arad *) und 
bannten ihn, und er nannte den Namen der Stadt Horma. — 
Und auch das Haus Josephs zog hinauf nach Bet-el 
und Jahve war mit ihnen.* Sie erobern Bet-el — das 
früher Luz hiefs 7) — durch Verrath; der Verräther baut 
Luz im Lande der Chetiter. „Und Manasse unterwarf 


‘) Natürlich ist nach Jos. 15, 63 AAW YD für pod 2 (sic!) 
einzusetsen. Letzteres kann Correctur sein, ersteres nicht, da es mit 
den späteren Anschauungen im Widerspruch steht. — Uebrigens liefse 
sich der Vers auch hinter v. 16 oder 17 versetzen. 

®) Nach Jos. 15, 14 aus v. 10 und 20 reconstruirt. 

*) Nur so kann für yyy—ıyy 177) gelesen werden. LXX fügen 
theils Jethro (aus Exod 18, eloh.) theils Hobab (Num. 10, 29, welche 
Quelle?) ein, mithin stand keiner der beiden Namen im Text (vgl. 
Studer su d. Stelle). Auch Jud. 4, 11 NPD Mo) PM] am 
lo nn a9 ya] ist das Eingeklammerte sicher Interpolation. 
Unsere Stelle erfordert nothwendig den Namen des Stammvaters, wie 
bei Kaleb und Qenaz, nicht das Gentilicium; und dafs er ursprünglich 
da stand, zeigen die folgenden Singulare 9y 45. 

*) Unser Text fügt nach 3993 Wx ATT 279 sinnlos 77 
ein; wie schon bemerkt ist dies Correctur zu MHy im folgenden Verse 
und an falscher Stelle in den Text gerathen. 

5) Oder wohlrichtiger „unter“ Amaleq“, s. Hollenberg oben 8. 102. 

*) s. o. 8. 132. Da unser Vers wegen v. 3 unzweifelhaft ächt ist, 
ergibt sich, dafs oben mit Recht Num 21, 3 angezweifelt oder als Hin- 
weis auf diese Stelle gedeutet wurde. 

?) Es ist sehr bezeichnend, dafs der Elohist Jos. 16, 2 aus Luz 
ome Bet-ol benachbarte Stadt gemacht hat. 


138 Meyer, Kritik der Berichte 


nicht Bet-Shean“ u. s. w. Gleiche Angaben folgen über 
Ephraim, Zebulon, Asher, Naphtali. Wenn der judäisehe 
‘Erzähler die gileaditischen Stämme überhaupt berück- 
sichtigt hat, was zweifelhaft erscheinen kann, so wird dies 
wahrscheinlich vor dem Jordantibergang geschehen sein, 
wie beim Elohisten. Den Abschlufs bildet : „Und der 
Mal’ak Jahve zog von Gilgal nach Betel'); und dort 
opferte man dem Jahve*. 

Jeder Zug des so hergestellten Berichts ist nun jah- 
vistisch : die Bevorzugung J uda’s, die Unbekanntschaft 
mit Josua, )yy5m, die Befragung Jahve’s 1, 1; der “wo 
mm 2, 1°) Ja wenn Exod. 23, 20. 23 (vgl. 981) 32, 3. 
33, 1. 2° jahvistisch sind ®), wo Jahve verspricht, seinen 
Mal’ak dem Volke mitzugeben, so würde Jud. 2, 1 direct 
auf diese Stellen zurückgreifen. Zu Grunde liegt hier be- 
kanntlich die uralte Vorstellung, dals Jahve seinen Wohn- 
sitz auf dem Berge Horeb oder Sinai oder allgemeiner in 
dem Wüstengebirge Setr habe, wie die griechischen Götter 
auf dem Olymp *). Daher ist er in Kanaan nicht per- 
sönlich oder nur vorübergehend anwesend : hier weilt sein 
Vertreter, der Y'ı wöo. Eine genauere Untersuchung über 
die Quelle der angeführten Stellen würde indessen zu weit 
führen ; sind sie jahvistisch, so zeigt der Elohist auch hier 
wieder seinen späteren Ursprung dadurch, dafs er die naive 
Vorstellung ins theologische umsetzt : Jahve zieht nach 
ihm nicht persönlich mit nach Kanaan zur Strafe für das 
goldene Kalb (Exod. 33, 3°). 


1) s. Wellhausen in Bleek’s Einleitung 4. Aufl., 8. 188. 
*) Vgl. Wellhausen, Gesch. Isr. I, 8. 855. 368. 


s) So Wellhausen, wie ich glaube mit Recht; Dillmann weist 
88, 1 f. an B, v. 8 an C; die Vorstellung des Wop soll C aus B ent- 
lehnt haben. 


*) Lied der Debora, Jud. 5, 4, im Segen Mose’s Deut. 88, 2 nach- 
geahmt. Ferner Reg.I, 19. Exod. 8 (eloh.). 


tiber die Eroberung Palacstinas. 139 


Sehr deutlich ist auch die Berührung zwischen Jud. 
1, 20 = 10 und der jahvistischen Kundschaftergeschichte, 
die erst durch den Bericht in Jud. 1 ins rechte Licht ge- 
stellt wird. Es ist nöthig, die Analyse von Num. 13. 14 
etwas schärfer als bisher durchzuführen '). Sicher jahvistisch 
ist v. 29%) und folglich auch 17° und 22 (3) 28°. Mithin 
gehört 23. 24. 26°. 27. 32°. 33 dem Elohisten; dort gehen 
die Kundschafter nach Hebron, hier zum Traubenbach, 
dort treffen sie ,Riesenkinder* poyn r'%, hier „Giganten, 
Söhne Riese’s* poy 33 O9; Jud. 1 stimmt auch sprach- 
lich genau zum Jahvisten *). V.20 bereitet v. 23. 27 vor, 
ebenso schliefst 32° an 31; auch 30 wird wegen ANN DYN 
elohistisch sein. V. 18. 19 sind aus beiden Berichten ge- 
mischt; #71 Hyon mH in 18 ist die Frage, welche 32° be- 
antwortet wird, also elohistisch, 19 mit 20 unvertriglich, 
also jahvistisch. Dann gehört auch 28* dem Jahvisten an. 
Seine Erzählung lautete dann folgendermalsen : „[Moses 
schickt Kaleb und andere Kundschafter (?) aus] und sprach 
zu ihnen : zieht jetzt hinauf in den Negeb und dann ins 
Gebirge, um zu sehen, wie das Land beschaffen ist und 
ob seine Bewohner stark und zahlreich sind u. s. w. Und 
sie zogen ins Negeb und kamen nach Hebron; dort waren 
Ahtman Sheshai und Talmai, die drei Riesenkinder; gebaut 
ist Hebron 7 Jahre vor Zoan in Aegypten)... [und 
sie kehrten zurück und sprachen : ]... Stark ist das 


1) Die sum Priestercodex gehörigen Bestandtheile hat schon Ndl- 
deke, Unters. 75 ff. sicher ausgeschieden. 

%) 8. o. 8. 124. 

*) pyr 32 steht Jud. 1, 20; Jos. 15, 14 daneben payn yn». 
Jos. 11, 21 ff. werden dann ein Volk der ‘Anagqiten opsy daraus, 
das auch Jerem. 47, 5 (LXX) kennt. Deut. 1, 28. 9, 2 sagt D’PIy 2- 
Ebenso wird aus den 4H 57 17'S: Sam. II, 21, 16 ff. das Gen. 14 leib- 
haftig auftretende Volk der m>9~%H7. — Der Priestercodex macht‘ Anaq 
sum Sohn des Arb&# 1! Jos. 21, 11 vgl. 14, 15. 15, 18. 


*) Wenn dies nicht Glosse ist. 


140 Meyer, Kritik der Berichte 


Volk das im Lande wohnt und die Städte sind befestigt 
und sehr grofs; ‘Amaleq wohnt im Negeb und der Kana- 
“aniter am Meer und am Jordan; und auch Riesenkinder 
haben wir dort gesehen“ '), Weitere Spuren des Jahvisten 
vermag ich nicht zu finden. Das Gespräch zwischen Jahve 
und Mose 14, 11—25 ist sicher nicht jahvistisch; denn 
v. 14 bezieht sich auf die elohistische nicht die jahvistische 
Darstellung der Gesetzgebung, das Motiv v. 12. 15 ff. ist 
aus Exod. 32, 9 ff. entlehnt, v. 18 = Exod. 34,6 f. Elo- 
histisch ist es freilich auch schwerlich, da diesem v. 30—32 
(= Deut. 1, 39) angehört; mithin sind die Verse eine 
spätere Composition. Jedenfalls hat nach Jad. 1, 20*) Moses, 
nicht Jahve (Num. 14, 24) dem Kaleb Hebron versprochen. 

In der That pafst nun auch das Motiv von dem Klein- 
muth des Volks und seiner Angst vor den Riesen swar 
sehr gut für ein theologisch angehauchtes Werk wie das 
des Elohisten, aber schlecht zu der frischen und kriftigen 
Auffassung des Jahvisten. Hat derselbe aber nichts von 
diesen Dingen erzählt, so fallt fiir thn auch der vierzig- 
jährige Aufenthalt in der Wüsteweg®). Bei ihm mufs viel- 
mehr auf die Aussendung der Kundschafter unmittelbar 
der Aufbruch zur Eroberung gefolgt sein. In den Marsch 
durch die Wüste fällt die Rebellion des Datan und Abtram ®); 
dann folgt der vereitelte Angriff auf “Arad 5), der Zug 
nach Moab, der Uebergang über den Jordan. Die Kund- 
schaftergeschichte aber hat gar keinen anderen Zweck, als 
zu motiviren, weshalb Kaleb in Hebron angesiedelt ist; 
Jud. 1, 20 ist also ihre nothwendige Ergänzung. Kaleb 


1) So wird wohl umzustellen sein. — *) Beseichnend ist die Variante 
Jos. 15, 18 yerıyb sy HdR für mon 27 oa) Jud. 1, 20. — 
5) Die Anschauung von demselben ist jedenfalls alt : Amos 5, 25; 
der Elohist benutzt die Kundschaftergeschichte um ihn theologisch zu 
motiviren. — *) Ueber die jahvistische Darstellung s. Wellhausen, 
Jahrbb. f. D. Theol. XXI, 8. 572 ff. — °) So erklärt sich auch, wie 
der Kampf bei Horma in theologischer Umgestaltung 14,45 unmittelbar 
an die Kundschaftergeschichte angeschlossen werden konnte. 


rr “or SEES EERE 


über die Eroberung Palaestinas. 141 


erhält Hebron natürlich weil er die Kundschaft übernommen 
hat, nicht weil er standhaft geblieben ist. | 

Die elohistische Erzählung — die auch Deut. im Aus- 
mg vorliegt — verräth deutlich ihre völlige Abhängigkeit 
vom Jahvisten. Kaleb wird beibehalten, aber für Hebron 
der „Iraubenbach“ Eshkol eingesetzt. Die Kundschafter 
und natürlich zwölf; die meisten fürchten sich vor den 
Riesen, nur Kaleb bleibt treu, zum Lohn dafür soll er 
allein seine Generation überleben, während selbst Moses 
vor der Eroberung sterben und das Regiment dem Josua 
übergeben mufs (Deut. 1, 37 f.). Der Priestercodex be- 
rechnet dann aus Jos. 24, 29, dafs auch dieser schon in 
Aegypten geboren war, fügt ihn daher den Kundschaftern 
bei, und läfst ihn neben Kaleb beharrlich bleiben. 

6. Ueberblicken wir jetzt die jahvistische Geschichte 
der Eroberung Kana ans im Zusammenhang, so tritt vor 
allem hervor, dafs ihr eigentlich sagenhafte Bestandtheile 
und ausführlichere Erzählungen so gut wie ganz fehlen. 


‘In unsere Darstellungsweise übertragen enthält dieselbe 


lediglich eine Schilderung der zu Anfang der Königszeit 
bestehenden Zustände Das heifst mit anderen Worten : 
eine Tradition. über die Geschichte der Eroberung gibt er 
nicht; der Verfasser füllt die Lücke zwischen dem Abschlufs 
der mythischen Zeit (Exodus) und den Anfängen halb- 
sagenhafter historischer Erinnerungen, die im Buche der 
Richter gesammelt sind, nothdürftig aus durch eine auf die 
späteren Zustände gegründete und durch einige etymo- 
logische (Horma; die beiden Lüz) und genealogische (Kaleb, 
‘Othniel u. s. w.) Combinationen ausgeschmückte Recon- 
struction. Ein paar judäische Localsagen (die Riesen, Aksa, 
Adonibezeq) kommen hinzu; die einzige ausführliche Erzäh- 
lung, die großartig concipirte Bile amepisode, ist dagegen weit 
eher eine freigeschaffene Dichtung als eine Sage; historische 
Thatsachen wird wohl Niemand in ihr suchen. Nur ein Punkt in 
dem ganzen Bericht mufs auf Tradition beruhen und seinem 
Kerne nach historisch sein : dafs das Volk bei Jericho 


142 Meyer, Kritik der Berichte 


über den Jordan ging !) und dies die erste Stadt war, die 
erobert wurde. Von allem weiteren hat weder Sage noch 
Geschichte eine Spur bewahrt. Ein vollständiges Analogon 
dazu bietet die griechische Tradition, die zwar den Einfall 
der Dorer in den Peloponnes als Abschlufs der mythischen 
Epoche kennt, aber weder Sagen an denselben angeknüpft 
noch historische Nachrichten über den Gang der Erobe- 
rung bewahrt hat : was die Späteren davon ersählen, be- 
ruht bekanntlich auf verhältnifsmälsig später Erfindung 
nicht peloponnesischer Dichter. 

Die Dürftigkeit des jahvistischen Berichts, die unge- 
schminkte Art seiner Darstellung macht ihn für uns um 
so werthvoller. Namentlich Jud. 1 verdient weit grölsere 
Beachtung, als ihm bisher zu Theil geworden : die gang- 
bare auf den grundfalschen Angaben des Buches Josua 
beruhende Auffassung der Stämme, der Vertheilung des 
Landes, des Verhältnifses zwischen Hebriiern und Kana a- 
nitern, wird durch ihn völlig über den Haufen geworfen. 
Hier hebe ich nur hervor, dafs, den Verhältnissen der Zeit ’ 
des Verfassers entsprechend, die Zweitheilung swischen 
Juda und Joseph d. i. dem Süd- und dem Nordreich, deut- 
lich hervortritt. An Judaschliefsen sich die kleinen Stämme 
Simeon, Kaleb, Qenaz, Qain an, an Joseph die Nordstämme 
und das Nationalheiligthum zu Bet-el in Ephraim *). Ben- 
jamin ®), Dan, Isashar (Levi) dagegen werden ganz tiber- 
gangen. In die Genealogie sind dieselben allerdings, wie 
der Segen Jakobs beweist, schon recht früh als gleich- 


1) Auch QO Dy bedeutet nach Redslob’s höchst wahrschein- 
licher Erklärung (alttest. Namen der Bevölkerung 8. 18) „die über 
den Jordan Gekommenen“ oder „Transjordanischen*. [8. auch mein 
Lehrbuch der hebr. Grammatik. Leipzig 1879, 8. 1 $1? Anm.3. Als ich 
jenen Sats schrieb, kannte ich Redslob’s Ausführungen nicht. B. 8.] 

*) Der Priestercodex erklärt Jos. 18, 22 Bet-el für benjaminitisch! 

s) [Falls es nicht stillschweigend unter das RDY ms subsumirt 
wird, vgl. 28a. 19, 21. B. 8] 


über die Eroberung Palaestinas. 143 


berechtigte Söhne Israels aufgenommen worden, um die 
Zwölfsahl zu completiren. Aber historisch stehen sie mit 
den grofsen Stämmen Juda, Joseph, Gil'ad (= Gad) und 
den Nordstämmen keineswegs auf gleicher Linie, sondern 
eher mit den zahlreichen Unterabtheilungen von Juda oder 
. höchstens mit Ephraim und Manasse. 

7. Auf dem gewissermafsen naiven Standpunkt, den 
der Jahvist einnimmt, bleibt keine Geschichtsschreibung 
stehen; wie sie an den Mythen und Sagen so lange herum- 
arbeitet, bis sie zu einer zusammenhängenden, mit fester 
Chronologie ausgestatteten pragmatischen Geschichte werden, 
so sucht sie auch durch Combination und freie Erfindung 
die Lücken der Ueberlieferung auszufüllen. Am verderb- 
lichsten für die Erkenntnifs des wirklichen Kerns wirkt 
dieser Procefa da, wo, wie überall im alten Orient, ein 
theologisches System mehr und mehr die Herrschaft ge- 
wiont. Durchaus auf diesem Standpunkt steht der Elohist, 
den eine weite Kluft, etwa dem Abstand zwischen Ephoros 
und Herodot vergleichbar, vom Jahvisten trennt !). In 
den früheren Partien konnte er sich umgestaltend und er- 
weiternd doch wesentlich an diesen halten; aber an die 
Stelle von Jud. 1 hat er das Buch Josua gesetzt, und hier 
wo er am freiesten arbeitet, lälst sich auch seine Eigenart 
am deutlichsten erkennen. Neues Material hat er zu dem 
jahvistischen nur wenig hinzugefügt : den auf ephraimi- 
tischer Tradition beruhenden Führer Josua ?), der hier 
zum eigentlichen Nationalhelden gemacht wird und z. B. 


1) Natürlich ist auch der Jahvist von einer einfachen Wiedergabe 
der Volkssagen weit entfernt; diese sind vielmehr, wie s. B. das fest- 
stehende genealogische Schema beweist, schon lange vor ihm bearbeitet 
und umgestaltet worden. 

*) Josua verhält sich zu Ephraim wie Kaleb zu Juda. Denn da 
er sich nach Jos. 19, 50. 24, 80 (= Jud. 2, 9) in Tamnat-Heres (so 
Jud. 2, 9 und Vatic. Jos. 19, 50 [Bauapxraens]) für MID Fon) an- 
siedelt, wird er ursprünglich Geschlechts- oder Stammname sein, 


144 Meyer, Kritik der Berichte 


auch die Beschneidung einführt (Jos. 5, 2. 3. 9), die nach 
dem Jahvisten auf Moses (Exod. 4, 24) zurückgeht; das 
mifsverstandene Liederbruchstück Jos. 10, 13; und viel- 
leicht die Gibe onerzählung. Alles andere, das Detail der 
Eroberung Jerichos, der Kampf gegen “Ai, gegen Adoni- 
sedeq und seine Bundesgenossen, und gegen die nörd 
lichen Amoriter, trägt deutlich den Stempel freier und 
recht dürftiger Erfindung und zeigt schon eine bedenk- 
liche Hinneigung zu der wollüstigen Grausamkeit, in der 
der deuteronomistische Bearbeiter des Buches Josua schwelgt. 
Das theologische Ideal ist schon völlig und breit durch- 
geführt. Neben den weltlichen Führern stehen Hohepriester 
(Aharon und Elazar), das Volk handelt einmüthig und 
geschlossen, die Amoriter werden, wenn auch noch nicht 
sämmtlich (13, 1. 18, 3 ff. vgl. 24, 15), wie beim deut. Be- 
arbeiter und im Priestercodex, so doch grölstentheils aus- 
gerottet oder unterworfen, den einzelnen Stämmen wird 
ein fest abgegrenztes, ja schriftlich aufgezeichnetes Gebiet 
zugewiesen, und das Ganze schliefst mit der feierlichen 
Verpflichtung des Volks, Jahve allein zu dienen, nach 
einer langen Rede Josua’s, die in Wirklichkeit natürlich 
an die Zeitgenossen des Verfassers gerichtet ist. 

Diese Schilderung verlangt nothwendig eine Fortsetzung, 
welche zeigt, wie es gekommen ist, dals der ideale Zustand 
nicht bestehen blieb '). Die starke Betonung der frei- 
willigen Verpflichtung des Volks (24, 22 : „Ihr selbst seid 
Zeugen, dafs ihr selbst Jahve gewählt habt ihm zu dienen ; 
und das Volk sprach : wir sind Zeugen“) und die vorher- 


*) Man wende nicht ein, dafs ja auch der Priestercodex mit Josua 
abschliefse. Die Verfasser desselben sind durch die politische Vernich- 
tung der Nation von der Vergangenheit völlig losgerissen und haben 
lediglich den Zweck. ihre „Gemeinde“ wiederherzustellen; der Elohist 
aber will reformiren. Er steht mitten im historischen Leben der Nation 
und bedarf nothwendig einer Vermittelung zwischen dem theologischen 
Ideal und den factisch bestehenden Verhältnissen. 





tiber die Eroberung Palaestinas. 145 


mehenden Worte Josua’s v. 19 f.: „Ihr werdet nicht im 
Stande sein Jahve zu dienen, denn er ist ein heiliger, ein 
sifersüchtiger Gott, der Euren Abfall und Eure Sünden 
sicht vergeben wird ; wenn Ihr ihn verlalst und den Göttern 
der Fremde dient, wird er Euch mit Bösem vergelten und 
Euch vertilgen, anstatt dafs er Euch bisher Wohlthaten 
erwies® weisen besonders gebieterisch auf eine Fortsetzung 
hin. Und diese liegt deutlich vor in Jud. 2, 22 = 3, 4. 
2, 23°. 3, 1°. 5. 6, Versen, die mit den vorhergehenden 
in gar keinem Zusammenhang stehen. Der Inhalt ist : 
ahve hat einige Völker übrig gelassen, um die Israeliten 
su versuchen und zu erfahren, ob sie seinen Geboten Folge 
kisten werden. Sie aber schliefsen Mischehen mit den 
Eingeborenen und dienen ihren Göttern.“ Damit ist der 
Uebergang zu den factischen Zuständen wie die Motivirung 
für das Elend der Richterzeit gewonnen. 

Meine Ueberzeugung ist, dafs wie der Elohist so auch 
der Jahvist mindestens noch die Richterzeit behandelt hat, 
aber nach ganz anderen Gesichtspunkten. Ihm gehören 
Jad. 2, 23». 3, 1°. 2 und wohl auch die Völkerliste in v. 3 
(s. 0.) : „Jahve vertrieb die Kana aniter nicht en Eile, nur 
damit die Geschlechter der Söhne Israels die Kriegführung 
Kanaans lernten, die sie früher nicht gekannt hatten.“ 
Diese Auffassung, welcher die des Bundesbuchs Exod. 
23, 29 f. zunächst steht, ist die passendste Einleitung zur 
Geschichte der Heldenzeit Israels und steht in voller Ueber- 
einstimmung mit dem Geiste, in welchem diejenigen Ge- 
schichten des Richterbuchs, welche seinen ursprünglichen 
Kern bilden, erzählt sind. 

Dies weiter zu verfolgen ist nicht unsere Aufgabe. 
Für die Geschichte ist das Resultat unserer Untersuchung, 
dafs von historisch verwerthbaren Nachrichten über die 
Eroberung Palaestinas, geschweige denn tiber die älteren 
Zustände des Landes, nicht die Rede sein kann. Erst bei 
len Kämpfen, welche die Hebräer sn Kanaan geführt 


Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 1. 1881. 10 


146 Nachwort des Herausgebers 


haben, weniger mit den älteren Einwohnern (Debora), mit 
denen sie vielmehr meist in Frieden lebten, als mit den 
nachdringenden Wüstenstämmen, die ihr Beispiel nach- 
zuahmen suchten, beginnen die ältesten historischen Er- 
innerungen des Volks. 


Nachwort des Herausgebers. 





Wenn der Herausgeber sich erlaubt, der scharfsinnigen 
Studie unseres geehrten Herrn Mitarbeiters einige Worte 
hinzuzufügen, so geschieht es nicht, um in eine Discussion 
über die Einzelheiten seiner Quellenscheidung einzutreten. 
Er unterläfst diefs um so mehr, als er die Schlufsresultate des 
Verf. über J uud E für unumstößlich hält. Allein er 
glaubt, dafs es demselben eine nicht unerwünschte Bestäti- 
gung für die Richtigkeit seiner Resultate ist, zu erfahren, 
dafs der Herausgeber von jeher in seinen Vorlesungen über 
die Geschichte des V. I. betont hat, dafs die hebräische 
Geschichtschreibung keinerlei historisch verwerthbare Er- 
innerung über die Eroberung des Landes enthält, und von 
jeher das alte Lied Nu. 21, 28—30 unter Streichung der 
aus v, 27 entnommenen Naht prro “x 3502 v. 29 als 
israelitische Parallele zu M&is Z. 4 ff. erklärt hat. 

Den Schlufssatz der vorstehenden Abhandlung vertritt 
der Herausgeber nicht nur vollständig, sondern es ist ihm 
sogar zweifelhaft, ob die Sage mit Recht Jericho als erste 
Eroberung der Kinder Israels im Westjordanlande auf- 
fafst. Der Umstand, dafs in Ri. 1 als erste Eroberung 
Josephs Laz, als erste Eroberung der Israeliten überhaupt 
aber die des judäischen Gebietes erscheint, schliefst diese 
Annahme zwar nicht aus, aber sie wird widerrathen durch die 
Entstehungsgeschichte des Stammes Benjamin. In der 





' 


su Meyer, die Berichte über die Eroberung Palaestinas. 147 


Vätersage schimmert noch deutlich durch, dafs er sich erst 
im Westjordanlande gebildet hat, wie dies 8. 113 ange- 
deutet worden ist. Von Joseph ausgehend hat sich Ben- 
jemin d. h. der Südliche eines grofsen Theiles der kana- 
näischen Territorien bemächtigt, welche dereinst Joseph 
von dem um Bethlehem wohnenden israelitischen Stamme 
Juda und den sich an diesen anschliefsenden judäisch-edo- 
mitisch-arabischen Mischstämmen trennten. Allein ein 
großer Theil dieses Gebietes : Beeroth, Hakkephira, Gibeon, 
Jebus und vielleicht auch Kérjath Jearim Jos. 9, 17 blieb 
kananäisch bis zum Beginne der Königszeit. Zu diesem 
enst kananäischen Gebiete gehörte wohl auch Jericho. 
Ich halte es für möglich, dafs die Sagen von der Erobe- 
rang Jerichos und des gleichfalls im Gebiete Benjamins 
gelegenen Ai aus einer Umdeutung der Erinnerungen an 
jene Festsetzung josephidischer Clans südlich vom alten 
Gebiete Josephs entstanden sind, welche zur Bildung des 
Stammes Benjamin führte. Bei derselben kann der jose- 
phidische Clan Josua sehr wohl eine besondere Rolle ge- 
gielt haben. Es ist ferner auch möglich, dafs die Sage 
den Beitritt der Gibeoniten zu dem Verbande der Kinder 
Iwaels richtig als Folge der Eroberung Jerichos und Ais 
ssieht. Die Eroberung dieser Städte kann deshalb zeitlich 
immerhin erheblich früher fallen. Sie wird den Beginn 
ron Bewegungen bezeichnen, als deren letste Ausläufer 
man die uns verschwiegenen Ereignisse ansehen kann, 
welche zu dem tragischen Untergange der Sauliden 2 Sa. 
4, 2 ff. c. 21 führen. Uebrigens ist daran zu erinnern, 
lafs Städte wie Penuel, Mahanaim, Jabes als ältester Besitz 
ler Kinder Israel weit besser bezeugt sind, als die dem 
tebiete Benjamins gegenüberliegenden gaditischen Städte. 
be spielen in der ältesten Zeit schon eine bedeutende 
olle, jene gar keine. Und die Meinung, dals Gilgal das 
ste Standlager auf transjordanischem Gebiete gewesen 
10* 





148 Nachwort des Herausgebers 


sei, würde sich aus einem Rückschlusse aus den zur Zeit 
Sauls bestehenden Verhältnissen völlig erklären. 

Mag man aber nun den Uebergang der Hebrier ins 
Westjordanland bei Jericho oder weiter nördlich erfolgen 
lassen, so steht jedenfalls fest, dafs die ersten Schaaren 
der Hebräer auf friedlichem Wege, durch Vertrag mit dea 
kananäischen Ureinwohnern, in den Besitz westjordanischen 
Landes gekommen sein werden. Bildeten auch die kans- 
näischen Städte keinen festen politischen Verband, so waren 
sie doch ohne Zweifel stark genug, um ein gewaltsames 
Eindringen in das Westjordanland abzuwehren, oder eine 
schon eingedrungene Schaar, selbst wenn sie etwa durch 
Verrath oder Handstreich bereits in den Besitz einer Stadt ge- 
kommen war, wieder über den Jordan zurückzuwerfen, wie 
es später die Israeliten den ihnen nachdringenden Wiüsten- 
völkern gegenüber gewesen sind. Alle Vortheile, welche eine 
höhere Cultur und die Ueberlegenheit der Zahl gewähren, 
waren ja auf ihrer Seite. Aus Aeulserungen wie Jos. 17, 16. 
Ri. 1, 19. 3, 1. 2. schimmert zudem noch deutlich durch, 
dafs die Kananäer den Israeliten ursprünglich durch ihre 
bessere kriegerische Organisation überlegen waren. 

Dagegen begreift sich sehr wohl, dafs die Kananie 
kraft eines Vertrages einzelnen israelitischen Geschlechtern 
die Ansiedelung im Westjordanlande gestatteten. Schickte 
vielleicht früher diehebräischen d. i. transjordanischen Stämme 
ihre junge Manneskraft auf Raub und Plünderung the 
den Jordan in das kananäische Culturland — wodurch js 
später die Wüstenvölker den Israeliten so lästig fielen — 
so konnten die Kananäer hoffen, durch Ansiedelung solcher 
Elemente dieser Plage ledig zu werden. Die Kananie 
haben im Allgemeinen nur die Ebenen und Thäler dicht 
besiedelt. Daneben haben sie freilich auch einige durch 
ihre günstige Lage sich auszeichnende Plateaus und Berge 
besiedelt und befestigt. Aber zwischen ihren Siedelungen 
lag noch reichlicher Wald, welcher der Rodung harrte und 





150 Harkavy, Mittheilangen 


kananäischen Urbevölkerung Herr des gröfsten Theiles 
seines späteren Besitzes geworden war, so erklärt sich dies 
daraus, dafs es bei aller Verwandtschaft seiner religiösen Ideen 
mit denen der Kananäer Dank seiner vom Sinai stammenden 
Religion religiös und sittlich höher stand als die Urbevél- 
kerung und mit gänzlich unverbrauchter Kraft an seine Auf- 
gabe herantrat. So kam es, dafs Israel sich allmählich als 
adliges Herrenvolk (DW 9) fühlen lernte, welchem die 
Urbevölkerung trotz grifserer Cultur zu dienen bestimmt 
war. Gen. 9, 26. B. 8. 


Mittheilungen aus Petersburger Handschriften. 


Einleitendes. Die zweite, im Jahre 1876 von der 
Petersburger Kaiserl. Oeffentl. Bibliothek erworbene Samn- 
lung Firkowitsch enthält gar vieles für die bibl. Wissen- 
schaft Werthvolles, sei es an alten, in Babylonien, Syria 
und Aegypten geschriebenen Bibelcodd. nebst der Rand- 
und Schlufsmassora, sei es an exegetischen, in arabische 
Sprache abgefafsten Werken von rabbinischen und karäischen 
Autoren. Die Einen wie die Anderen sind in die Bibliothek 
in der gröfsten Unordnung gekommen; so sind s. B. in 
einem Haufen von Blättern, die der Sammler mit eine 
Nummer bezeichnete, disjecta membra aus verschiedene 
(manchmal mehr als 10) Codd. zusammengestoppelt; ebenso 
sind umgekehrt manche Blätter aus einem und demselben 
Cod. auf mehrere NN. vertheilt. Die exegetischen Hand- 
schriften sind noch dazu gar oft mit Fragmenten aus gans 
anderen Werken vermischt, und da die Einen wie die 
Anderen akephala und ateleuta sind, so wird die Arbeit 
der Vereinigung des Zusammengehörigen und des Aus- 





a a 


aus Petersburger Handschriften. 151 


cheidens des Fremdartigen dadurch sehr erschwert, umso- 
nehr, da es sich hier zumeist um bisher unbekannte, sonst 
urgends vorhandene Werke (Unica) handelt. Es ist dem- 
nach leicht begreiflich, dafs die Sichtung und die Beschrei- 
bung einer solchen, aus mehreren Hunderttausenden Blät- 
tern und Fragmenten bestehenden Sammlung nicht von 
anem, noch dazu anderweitig viel Beschäftigten, schnell 
su Stande gebracht werden können. Diels diene auch zur 
Erklärung des fragmentarischen Charakters folgender Mit- 
theilungen aus unseren Handschriften. Es folgt hier zu- 
nächst ein Verzeichnifs der Werke über biblische Exegese 
und hebräische Sprachwissenschaft, von denen ich bisher 
mehr oder weniger Kenntnifs genommen habe, oder die 
ich excerpirte, und zwar ursprünglich blofs zum eigenen 
Gebrauche. 


A. Rabbinische Autoren. «. Exegese. 


Saadiah Gaon (892—942). Von diesem, von Ibn- 
Esra mit Recht Dip 533 OND WN betitelten, Rector 
der Akademie in Sora, hat sich bis jetzt bei uns Folgen- 
des in diese Rubrik Gehörendes aufgefunden. a) Bruch- 
stück seines Commentars zur Genesis (Abschn. mw rn); 
vielleicht aber nicht ihm, sondern Ibn-Chofni gehörend, 
vgl. meine Bemerkung in Berliner’s Magazin (V, 1878, 
p. 183). b) Einen bedeutenden Theil seines Commentars 
sum Exodus (von Cap. 25 an) fand ich noch im Spät- 
sommer 1874 in Tschufut-Kale und theilte verschiedene 
Excerpte daraus mit in einigen hebräischen Zeitschriften. 
Diese Hachr. war seitdem in Paris bei Herrn Joseph Deren- 
bourg, der dieselbe zum Behuf einer Publication copirte. Vor 
iniger Zeit fand ich noch ein Fragment aus einer anderen 
Ischr., blos aus vier kleinen Blättchen bestehend (zu Exod. 
ap. 3), und beeilte mich, eine Abschrift davon Herrn 
Jerenbourg zuzuschicken. Ich erkannte es als saadianisch 





152 Harkavy, Mittkeilungen 


an der Erklärung des roba (III, 2), wie dieselbe vom 
Karäer Jephet (bei Munk u. Pinsker, Lickute II, 71-9) 
und in seiner eigenen Erklärung der 70 Wörter vorkommt, © 
nämlich durch den Vergleich mit einem Ausdruck in der 
Mischna. Dunasch (Kritik, ed. Schröter, p. 54, Nr. 108) 
will es gleich 5152 betrachten, wogegen Ibn-Exzra (Sephat 
Jether, ed. Lippmann, p. 31° Nr. 140, wo der Herausgeber 
in seinem Commentar nicht wulste, dafs Saadiah die von 
ihm angeführte Mischna gebrauchte, um gerade das Gegen- 
en wot) Einspruch erhebt. Uebrigens sagt hier 
Saadiah ausdrücklich, dafs er so etwas wie die Erklärung 
der 70 Wörter zu verfassen gedenke (WH M392 lu, 
MPS! 3 Lgive pty ON 3 Kan] KL a Led JE payer 
hung bo 3 la! 0,535 Lila, LE wot, RS 3) Neu- 
lich fand ich noch ein weit gröfseres, aus 67 Bl. bestehendes, 
Bruchstück zu Exod. cap. 9—12, welche wahrscheinlich 
mit den eben erwähnten 4 Bl. aus einem und demselben 
Cod. stammen. c) Ein Theil vom Commentar zu den letzten 
Capp. des Deuteron. ist von dem Abschreiber, wie er selbst 
in der Aufschrift meldet, mit dem Comment. des Ibn-Chofhi 
zusammengewürfelt.. d) Ein grofses Bruchstück (79 Bl) 
von seinem Commentar, oder vielmehr von seinem Glossen, 
zu Samuel, Könige, Jesaia, Jeremia und Jesekiel, wovon 
ich die Hälfte ungefähr schon abgeschrieben habe. Die Hachr. 
enthielt auch die Glossen zu Josua und Richter, denn am 
Schlusse von Sam. liest man st all ws At PR. 2% 
Drabn It 932. e) Mehrere Fragm. (aus 9 verschiedenen 
Hschr.) vom Commentar zu den Psalmen, die ich noch 
nicht näher untersuchte; f) Verschiedene Citate aus seinen 
verloren gegangenen exegetischen und sprachwissenschaft- 
lichen Schriften habe ich aus den Schriften seiner Nach- 
folger gesammelt. Auch werden sich vielleicht mehrere 
andere exegetische Fragmente, die noch nicht gehörig unter- 
sucht sind, als dem Saadiah angehörig erweisen. 
Samuel Ibn-Chofni (st. 1034). Von diesem Gaon, 
Schwiegervater des Haja Gaon, besitzen wir : a) das oben 





sd 


aus Petersburger Handschriften. 153 


erwähnte Bruchstück zum Abschn. mw “Mm, dessen Autor- 
schaft übrigens zweifelhaft ist. b) einen fast vollständigen 
Commentar zu den drei letzten Abschnitten der Genesis 
(mm, wm, ppd), wo ich, unter anderem, auch seine Genea- 
legie gefunden habe; s. Magazin von Berliner V, 5/—8; 
mane „Studien und Mittheilungen* III, 7u. 10. c) Einiges 
aus seinem Commentar zu den letzten zwei Abschnitten 
von Deuteron. befindet sich, wie oben erwähnt, zusammen 
mit dem saadianischen Commentar. d) Mehrere Citate aus 
seinen exegetischen Werken habe ich in den Schriften der 
Nachfolger gefunden ; ebenso werden sich wohl einige unter 
den anonymen Fragmenten als ihm gehörig herausstellen, 
wie mir dies für eines zu Exod. und eiu anderes zu Numeri 
sehr wahrscheinlich ist. 

Noch einen dritten Gaon will ich hier erwähnen, näm- 
ich Aharon (arabisch hieß er : Chalaf) Ibn-Sar- 
dschado, Zeitgenossen und Nebenbuhler des Saadiah. Bis 
jetzt waren nur ein paar Citate von ihm bei Ibn-Ezra (zu 
Gen. 34, 30. 49, 6; zu Exod. ed. Reggio p. 113; zu Levit. 
18, 6) bekannt. Ich habe zwar bis jetzt seinen eigent- 
lichen Commentar zum Pentat. auch noch nicht auffinden 
können; es ist mir aber gelungen, Bruchstücke daraus in 
der Originalsprache bei Ibn-Balam und bei Tanchum von 
Jerusalem (im „ar! WLS) zu entdecken. 

Jehuda Ibn-Bal&m (um 1070-1090). Von seinen 
sehr wichtigen Schriften besitzen wir : a) Fragmente vom 

> ai us, wie der Commentar zum Pentat. vom Autor 

itelt wird. b) Commentar zu den Prophetae prior. et 
posteriores, fast vollständig. c) Bruchstücke zu den Psalmen 
und d) zu Kohelet. 

Ali Ibn-Israil (aus der zweiten Hälfte des XI. Jahr- 
hunderts). Von diesem bis jetzt ganz unbekannten Autor, 
der in Babylonien oder Persien gelebt zu haben scheint, 
besitzen wir einen ausführlichen Commentar zum 1. Buche 
Samuel, in welchem er öfters gegen die Karäer polemisirt. 





154 Harkavy, Mittheilungen 


Tanchum al-Maqdisi (oder Jeruschalmi, im 
XIII. Jahrh.). Von seinem .\.Jj! WS, welches die Er- 
klirung der ganzen Bibel enthielt, besitzen wir : a) Ein 


bedeutendes Fragment zu Deuteron. (Noch Goldsiher, . 


Stud. über Tanchum p. 8, Anm. 1, leugnete die Existens 
des Comment. zum Pentat.), wo Saadiah, Ibn-Chofni, Ibn- 
Sardschado und andere häufig citirt werden, b) zu Josus, 
c) zu Könige, d) zu Jesaia, e) zu den Psalmen und f) zu 
Hiob, zweifelhaft ob ihm gehörend. Seine Werke, ebenso 
wie die Ibn-Baläm’s, sind eine unerschöpfliche Fundgrube 
für die ältere exegetische und grammatische Literatur. 

Von mehreren offenbar alten Werken und Fragmenten, 
deren Verfasser noch unbekannt sind, will ich vorläufig 
nicht sprechen, da es doch sehr möglich ist, dafs ich im 
Verlauf meiner Arbeit die Namen der Autoren entdecken 
werde. Ebenso will ich jetzt nicht von den vielen Citaten 
aus verloren gegangenen Schrifter (wie z. B. die Isaak 
Ibn-Giath’s und Mose Dachaktila’s, beide aus dem 
XI. Jahrh.) handeln. 


ß. Sprachwissenschaftliche Werke. 


Saadiah. Auch hier stofsen wir zuerst auf diesen 
klangvollen Namen in der jüdischen Literatur des X. Jahr- 


nk 


hunderts. Von ihm befindet sich in unserer Sammlung: : 


a) Die genaue Abschrift eines aus sechs Blättchen bestehen- 
den Fragments (das Ms. selbst ist in Kahira) von der 
arabischen und hebräischen Vorrede zum Agron (U) 
betitelten Werke, wo die hebr. Radices, nach der Vorrede 
zu schliefsen, nach ihren Anfängen und Enden (nach Art 
der Reim-Wbb.) geordnet waren. Dieses Werk enthielt 
auch Grammatisches, wie aus Dunasch’ Kritik (p. 56, 
Nr. 169), den Responsen der Schüler Menahem’s (ed. Stern 
p. 40) und Ibn-Ezras Mosnajim (am Anf.) erhellt. Der 
hebr. Theil ist fehlerhaft (nach einer anderen Copie) edirt 
in der hebr. Ztschr. Lebanon }y25n, VIL, 275-6) und 


ve Eee lk 


ı 


aus Petersburger Handschriften. 156 


in Geiger’s Jüd. Zechr. (X, 256—262); mehrere Erklä- 
rungen und Berichtigungen gab ich in der hebr. Zschr. 


ı! Karmel (won II, 666-668). Das arabische Frag- 
‚| ment ist noch unedirt, und werde ich dasselbe in dieser 
| Zechr. veröffentlichen. b) Eine kurzgefafste Grammatik 
| m unserer Sammlung, die ebenfalls Saadiah zugeschrieben 
| wird, harrt noch der Bestätigung bei näherer Untersuchung. 


Haja Gaon (st. 1038). Das hebräische und chal- 
däische Wörterbuch des letzten Rectors der talmudischen 
Akademie in Pumbeditha (Babylonien), das öfters von 
Ibn-Dschan&h, Ibn-BalAm u. A. unter dem Titel 
ga Was angeführt wird (Ibn-Ezra im Mosnajim nennt 
es hebr. MORENO, Abraham Bukrat bbı9 ‘p), war im 
Alterthum sehr geschätst. Das Bruchstück daraus (von 
xt bis ox, 20 theils beschädigte Bl.) unserer Sammlung 
seigt, dals obzwar der Verfasser von der Triliteralität noch 
nicht wufste, das Werk dennoch werthvoll ist in vielen 
Beziehungen, und namentlich wichtig ist es für talmudische 
Lexicographie. 

Samuel Ibn-Nagdilah (992—1065) und sein 
Gegner Abulwalid Ibn-Dschan&h. Von dem erst- 
genannten Vezir in Granada befindet sich bei uns das zweite 
Cap. des ersten Theiles seiner 36 J} J5U.,, einer polemischen 
Schrift gegen Ibn-Dschanäh zur Vertheidigung der gram- 
matischen Ansichten des Chajudsch. Ich habe das Bruch- 
stück den Herren Derenbourg mitgetheilt, die es in der 
Einleitung zu der vortrefflichen Ausgabe der Opuscules 
d’Ibn Djan&h (Paris 1880 p. LIX seq.) veröffentlichten. 
Auch habe ich eine beträchtliche Anzahl von Citaten aus 
den genannten Resail, wie auch aus dem Hauptwerke 
des Ibn-Nagdilah, dem Lisi 3! L&S (bei Ibn-Ezra Mosnajim 
Wyn "5D genannt), in den Werken der Nachfolger ge- 
sammelt. Unser Fragm. aus der Replik Ibn-Dschanäh’s 
auf die Resail (gen. „Al Us), ebenso wie anderes, 
diesen Gelehrtenstreit Betreffendes, wurde ebenfalls von den 
Herren Derenbourg (ebendas. p. XLIX seq.) abgedruckt. 


156 Harkavy, Mittheilungen 


Isaak (arabisch : Abu Ibrahim) Ibn-Jaschüsch 
(aus der zweiten Hälfte des XI. Jahrh.). Wir besitzen : 
ein grammat. Werk, welches 3 Loi} WLS betitelt ist und 
nach verschiedenen Merkmalen mit dem von Ibn-Ezra er- : 
wähnten O'DY137 Wo identisch ist. 

Ibrahim Ibn-Barun (Ende des XI. und Anf. des 
XII. Jahrh.). Von diesem Verfasser besitzen wir das sehr 
wichtige grammatische und lexicalische Werk &jl,l} Ws, 
welches sehr reich ist an Citaten, nicht nur von jüdischen, 
sondern auch von muhammedanischen Autoren, da unser 
Verfasser öfters auch die arabische Grammatik zum Ver-. 
gleich anführt. 

Da hier vorläufig nur die ältere Literatur in Betracht 
kommt, so wollen wir nun von den rabbinischen zu den 
karäischen Autoren und Werken übergehen. 


B. Karäische Autoren. y. Exegese. 


Abu-Nasr Jusuf Ibn-Barhun (wahrscheinlich 
identisch mit dem bei Pinsker I, 25 genannten Joseph b. 
Abraham Albasri? yıan). Wir besitzen einen bedeuten- 
den Theil seines Pentateuch-Commentars, der nicht nur 
wegen seiner frühen Zeit (VIII. oder IX. Jahrh.), sondern 
auch an und für sich sehr interessant ist; vgl. mein FOND 
ow I, N. 6, p. 91. 

Abu-Jakab JtsufIbn-N th (wahrscheinlich iden- 
tisch mit dem ebenfalls dem VIII. oder IX. Jahrh. ange- 
hörenden Joseph b. Noah bei Pinsker I, 25. If, 73—74.) Auch 
von ihm befindet sich bei uns ein Commentar zum Pentat., 
und ein Epigraph vom Schreiber des Cod. versichert, dafs 
wir nur das Compendium, von dem bekannten Abulfara- 
radsch Harfin verfertigt, vor uns haben, obwohl auch in 
dieser Gestalt das Werk keineswegs kurz genannt werden 
kann. 

Abu-Jüsuf Jaküb Alkirkisäni, Zeitgenosse des 
Saadiah und einer der Häupter des Karaismus (schrieb 





aus Petersburger Handschriften. 157 


937). Sein ‚1,53 WLS, von dem wir mehrere defecte 
Hschr. besitzen, aus denen vielleicht das ganze Werk sich 
zusammenstellen lassen wird, besteht aus zwei Theilen, von 
denen der letzte, Lästa2L UT betitelt, einen sehr ausführ- 
lichen Pentat. Commentar enthält, der erste aber, der als 
Einleitung zu jenem dient, spricht ausführlich über die 
Geschichte der jüdischen Secten, bei welcher Gelegenheit 
er auch gegen das Christenthum polemisirt, über die Inter- 
pretationsregeln der Bücher Mose, die Differenzpunkte 
zwischen Karäern und Rabbaniten u. dgl.m., worauf ein voll- 
ständiges karäisches Gesetzbuch (<3!,2J! L&S) folgt. 

David ben Boas, der Fürst (xy) genannt; er 

soll Nachkomme des Stifters der Karäersecte in der fünften 
Generation (Anan, Saul, Joschija, Jehoschafat 
ud Boas, der Vater des Dav.) gewesen sein. In seinem, 
bei uns befindlichen Commentare zu Levit. und zur letzten 
Hälfte des Deuteron., wird öfters gegen Saadiah heftig 
polemisirt, und zwar wird er nie beim Namen, sondern 
immer ,>,J$ 169 genannt. Der Verfasser scheint sein Zeit- 
genosse gewesen zu Bein. 

Salomo ben Jerucham (oder arab. Ibn-Ruheim), 
jüngerer Zeitgenosse des Saadiah und heftiger Gegner des- 
selben. Von ihm haben wir Theile des Comment. zu den 
Psalmen (der sich auch in der ersten Sammlung Firko- 
witsch befindet), zu den Sprüchen und zum Buche Esther. 

Sahlben Mazliach, genannt Abfis-Sari, einer der 
grölsten Eiferer gegen die Rabbaniten überhaupt und gegen 
seinen älteren Zeitgenossen Saadiah insbesondere. Ein Theil 
seines Commentars zu Deuteron. hat sich bei uns erhalten. 

Jephet (arab. Hasan) ben Ali (aus dem Ende des 
X. Jahrh.), der gröfste und fruchtbarste karäische Exeget. 
Wir besitzen seine Werke in einer reichen Fülle von 
ganzen Heschr., defecten und Fragmenten, aus denen sich 
wohl, nach genauer Untersuchung, sein Commentar zur 
ganzen Bibel herstellen lassen wird. 





168 Harkavy, Mittheilungen 


Levi ben Jephet, Sohn des Vorhergehenden. Ba 
uns befindet sich ein bedeutender Theil seines Comment, | 
zur Genesis; die Autorschaft desselben ist mir übrigens | 
noch zweifelhaft. 

Abül-Faradsch Furgen (abbrev. 58, hebräisch 
Jeschua ben Jehuda), Schüler des berühmten Jüsuf 
al-Bagtr oder Joseph ha-Ro6, und selbst ebenfalls einer der 
wichtigsten karäischen Gelehrten. Sein Pentat.-Commentar 
wird häufig von Ibn-Esra citirt (Gen. 28, 12. Exod. 3, 
2, 13. 4, 4. 6, 3, 13. 7, 3, 12 u. s. w.) und wir besitsen 
bedeutende Bruchstücke dieses Werkes. 

SahlIbnFadhl at-Tusteri (hebr. Jaschar ben 
Chesed), aus dem XI. oder XII. Jahrh., hinterliefs eben- 
falls einen Pentat.-Comment., von dem bei uns verschiedene 
Theile sich vorfinden. 
 Abél-Faradsch Harfn (aus dem XI. Jahrh.) ver 
falste einen bist! „ & zur Bibel, wo alle schwierigen 
Wörter, manchmal auch ganze Sätze, erklärt werden; von 
ihm haben sich mehrere Theile, die möglicherweise da 
ganze Werk enthalten, bei uns erhalten. Ebenso besitze 
wir mehr oder weniger bedeutende Bruchstücke von da 
Commentaren des Ali Ibn Suleim4n (XIL oder XII 
Jahrh.) und des Joseph Ibn Küdschak (XIII. Jahrh.?) 
zum Pentat., des Samuel Ibn-Mansfir (XIV. Jahrh ?) 
und des Samuel Magribi (Maarabi, XV. Jahrh.) su da 
Propheten u. dgl. m. 


6. Sprachwissenschaftliche Werke. 


Als besonders wichtig auf diesem Gebiete erscheinen 
die Werke kaäsll WES und Jul OLS von dem oben- 
erwähnten Abt4l-Faradsch Harfn aus Jerusalem, 
dessen Lob auch von Mose Ibn-Ezra (in seinem 8 ol Ws) 
verkündet wird. Der Vergleich des Hebräischen mit dem 
Arabischen wird hier mit besonderer Vorliebe, manchmal 
sogar übertrieben, behandelt. Ein »w Ww! „AS betiteltes 





aus Petersburger Handschriften. 159 





/örterbuch von einem gewissen Salomo ben Mebo- 
ach, eine Grammatik von einem al} &,9 (hebr. Nethanel), 
eide zweifelhaft ob Karäer oder Rabbaniten, und mehrere 
ndere Wörterbücher, Glossare und grammatische Schriften 
efinden sich in unserer Sammlung und harren noch einer 
iheren Untersuchung. 
Die hier gegebene kurse Uebersieht eines Theiles der 
Firk. wurde nach einem von mir in Tschufut- 
“ale im J. 1874 angefertigten Verzeichnisse, in welches einige 
päter hinsugekommene Bemerkungen eingetragen worden 
ind, dargestellt. Das Nähere wird wohl am besten durch 
\uszüge aus den Werken selbst, zu. denen wir nun über- 
‘shen wollen, beleuchtet werden. 


A. Harkavy. 
(Fortsetsung folgt.) 


Zur Geschichte des syrischen Bibeltextes. 


Dafs die monophysitische Ueberlieferung des Bibel- 
xtes und seiner Aussprache, wie sie in den Marginalien 
ee von Wiseman besprochenen Codd. des Vaticans und 
en ähnlichen des britischen Museums vorliegt, aus Klöstern 
m Häb'ör& in Mesopotamien hervorgegangen ist, darauf 
chien die Lage des Klosters Qargaft'ä bei der Stadt 
fag*dal (Migdel) unweit Réé ainä zu deuten. ».2. D.M.G. 
2, 745. Eine Bestätigung dieser Bestimmung bietet eine 
tlosse des Cod. Huntingdonianus in Bar Bahlül’s Lexikon, 
ie ich nach Larsow’s Abschrift hersetse : 
taltadaien Jasnjo un . com du] 2 Loajo Hu 
ei al ie Dis Be in;o wlan 
am Ian AU te) belo om has tod 127+? 
wo ‚am Bas fica .|Zaltedate? \Lodmdun „slo |Zaaalo 
» GSS janet, Joa fac jac Zul ao fa] No bola 


160 Hoffmann, sur Geschichte des syrischen Bibeltextes. 


om Sit Ploeg om As Las om fom waiwete? fio ond 
on yaasso Soyo Puzo lon yon} (1. wey oder wan) 
ha} da (1. eins) las ade .ddadsrte 
@ hope Da Npd2) 
„Santä und Tüb'änä waren zwei anerkannte und be- 
rühmte Ueberlieferer der Testamente in der Stadt 
Rés ainä. Santä wohnte in einem der dortigen Klöster; 
der andere, ein gewisser ehrwürdiger Greis, dessen Keusch- 
heit und dessen Genauigkeit der Ueberlieferung wohl be- 
zeugt sind, hatte den Namen Tüb'änä. Ueberall wo da- 
her am Rande des Blattes ein Versglied (= Wort) steht, 
dem ein .» tibergeschrieben ist, gehört es demjenigen an, 
was jener Greis (Santä) am Tüb"änä verändert hat. Sofern 
(dieser) irgend eine Lesart überliefert hatte und jener 
sie verschieden überlieferte, wurden defswegen diese (Vers- 
glieder) überschrieben, damit dieser Umstand bekannt würde.® 
So dürfte dieser Text indessen noch nicht fehlerlos 
sein. Der Name Santa ist mir sonst unbekannt; vielleicht 
lautete er Saniitios (Sanütä) oder Sanbata. Auch wird 
dieser Magerjänä oder seine Sigle in den Maselm&nit*ahss., 
so viel bis jetzt bekannt, nicht erwähnt, während Tüb’änä 
häufig vorkommt. Ich kenne jetzt eine Stelle, aus der 
hervorgeht, dafs dieser Leser nicht immer dem Pöälttä-text 
folgt : Er las Rim. VII, 8 we Aus statt wie jene 
Zon ae : xmpls yap vouov Auaprla vexpa. Vgl. Rich, 
Catal. 8. 66s. 


Kiel, December 1880. 
G. Hoffmann. 





161 


Bemerkungen über das Buch Micha. 
Vom Herausgeber. 


Dafs nicht der gesammte Inhalt des Buches Micha 
dem Propheten Micha herrühre, welcher in den Tagen 
Ahaz und Hiskia weissagte, ist schon länger vermuthet 
len. Ewald!) spricht ihm cc. 6.7 unbedingt ab und 
uptet aufserdem von 2, 12. 18 *), dafs entweder Micha 
it oder ein anderer alter Leser diese Worte eines der 
)heten, welche Micha bekämpfte, zuerst nur an den 
d geschrieben habe, des Beispiels wegen : der Zusam- 
hang verlange sie nicht nothwendig, sie störten dazu 
Bau der Wenden. Gegen diese Auffassung Ewald’s 
2, 12. 13 hat bereits Hitzig mit Recht geltend ge- 
nt, dafs diese Verse eine „den wahren Propheten ge- 
schaftliche Idee“ enthielten, d. h. innerhalb der im 
", erhaltenen prophetischen Entwickelung liegen, s. 8. 
Ewald’s Auffassung von c. 6.7 hat Wellhausen °) 
n verbessert, dafs zwischen Mi. 6, 1—16. 7, 1-6 und 
ff. zu unterscheiden sei. 7, 7 ff. sei durchaus nicht 
setzung von 7, 6, vielmehr sei mit 7, 6 der Faden ab- 
hnitten. 7, 1-6 enthalte eine schmerzliche Klage 
s über die Verderbtheit seiner Söhne — verschwunden 
aus dem Lande Fromme, der Richter richtet für Be- 
ung —, das Zion aber, welches 7, 7 ff. redet, sei 
r Feindin, der heidnischen Weltmacht, bereits erlegen. 
ıerrsche zwischen Mi. 7, 7 ff. und Jes. 40—66 die 


ng, 


| Die Propheten des A. B.* Bd. 1. 8. 601. 525 ff. Gesch. d. V. L 
716. Anm. 1. 
Die Propheten a. a. O. 8. 512. 
Bleek, Einl. i. A. T.* 8. 425 f. Anm. 
ehrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 1. 1881. 11 





162 Stade, Bemerkungen 


auffallendste Verwandtschaft. Zwischen 7, 6 und 7,7 ff. ” 
klaffe etwa ein Jahrhundert. In der That haben wir nicht : 


ganz cc. 6. 7 sondern nur 6, 1—16, 7, 1—6 im die Periode 
des Manasse zu setzen, vgl. namentlich 6, 7, aus welche 
uns sonst leider kein einziges prophetisches Schriftstück 
überliefert worden ist. Der ursprüngliche Schluls dieser 
Weissagung ward im Exile durch 7,7 ff. ersetzt. Aufser- 
dem hat Wellhausen mit Recht darauf aufmerksam ge- 


macht, dafs 4, 9. 10 in vollem Widerspruche zu 4, ll ff | 


stehen. 

Die folgenden Bemerkungen beabsichtigen nun zu er 
weisen, dafs das Buch Micha erst nach dem Exile seine jetzige 
Gestalt erhalten hat, und dafs dem unter Ahas und Hiskia 
wirkenden Propheten Micha nur c. c. 1—3 nach Ausschal- 
tung von 2, 12. 13 beigelegt werden können. 

1. Zunächst ist Ewald’s Meinung über 2, 12. 13 da- 
hin zu präcisiren, dafs diese Verse eine exilische oder nach- 
exilische Einschaltung sind. Für das richtige Verständnils 
von c. 1 ff. ist es wichtig, festzuhalten, daß die 1, 2 fl. 
beschriebene Erscheinung Jahves zum Gerichte erfolgt, 
um gegen die Sünden Israels Zeugnils abzulegen. Aut 
die Beschreibung des Strafgerichtes, welches Samarien und 
Juda verwüstet, folgt daher naturgemäfs die Beschreibung 
der Stinden des Volkes Gottes, welche die Ursache dieses 
Gerichtes sind. Diese steht c. 2. 3. Erkennt man diese 
Anlage des ganzen Abschnittes, so wird man weiter ein- 
sehen, dafs die von den meisten Auslegern beliebte Tren- 
nung von c. 2 und 3 nicht richtig ist. 

Die das Gericht veranlassenden Sünden werden in 
Kürze dahin beschrieben, dafs die Grofsen und Mächtigen 
das Volk schamlos ausbeuten. Ihr Sinnen und Trachten 
geht nur auf Bereicherung, für Geld beugen sie das Recht. 
Gar sehr sind ihnen die Mahnungen des Propheten im 
Wege. Sie wünschen sich Propheten nach ihrem Herzen 
und finden dieseauch. Darum wird um ihretwillen Zion zer- 


stört werden 3, 12. c. 1—3 bilden also eine Weissagung. 





ann 





über das Buch Micha. 163 


Es herrscht nun in c. 2. 3 eine planmäfsige Disposition 
der Gedanken, welche durch 2, 12. 13 gestört wird. Wir 
haben 2, 1. 2 die erste Beschreibung des Treibens jener 
Grofsen, gegen welche daher 2, 3-5 ein Gericht ergeht. 
Gegen diese Verkündigung aber eifern sie, sie fassen das 
ewige Predigen des Propheten als einen ihnen angethanen 
Schimpf auf v. 6. Diese Auffassung des göttlichen Wortes 
verweist ihnen der Prophet v. 7. 

Parallel mit 2, 1.2 folgt in v.8—10 ein neuer, zweiter 
Zug aus dem gewaltthätigen und scheinheiligen Treiben 
jener Volksbedrücker und hierauf — der Gedanke des 
Gerichtes, welcher den Verf. in der ersten Wende von c.1 
her noch beherrscht hatte, tritt hier zurück — genau v. 6 
entsprechend eine Schilderung der Stellung jener zum Pro- 
pheten : „wenn einer von Wein und Meth weissagen wollte, 
das wäre ihr Mann,“ 2, 11. 

Wir erwarten nun auf Grund der Gedankengliederung 
von v. 1—7, dafs jetzt der Prophet Stellung zu diesem 
Treiben nimmt. Das geschieht aber nicht in 2, 12. 13, 
wohl aber 3, 1. Der Prophet verweist den Grofsen jenes 
Treiben, weil sie als Richter Israels die Pflicht haben, das 
Recht zu kennen. | 

Kuenen ‘) hat nun gegen Ewald’s Auffassung ein- 
gewandt, "ww 3, 1 könne keine Antithese bilden, weil das 
Pronomen nicht ausgedrückt sei. In der That fährt Micha 
3, 8 mit me Ode fort. Allein hier handelt es sich vor- 
nächst noch um eine blofse Auseinandersetzung mit jenen 
Grofsen und ihrer Stellung zur Prophetie. Das Pronomen 
ist defshalb hier so wenig wie 2, 7 von Nöthen. 

Man beachte überhaupt die durchgehende Steigerung 
der Gedanken in c. 2. 3. Dieselbe zeigt sich zunächst in 
der Beschreibung des Treibens der Gegner des Propheten. 
2, 1. 2 sinnen sie ständig auf Uebelthaten, gieren nach 


*) Hist. krit. Ondersook 2. 8. 850. Anm. 1. 
11* 





164 Stade, Bemerkungen 


Feldern, reifsen Häuser an sich, drücken die Leute. v. 8—10 * 


aber reifsen sie hülflosen Maroden die Kleider vom Leibe, 


wer 


vertreiben hülflose Weiber und Kinder. In 3, 2 werden ° 


sie gar als wahre Leuteschinder beschrieben. Dieselbe 


Steigerung zeigt sich in der Beschreibung ihrer Stellung : 


zum Propheten : v. 6 weisen sie die Mahnungen desselben 
als lästig zurück, v. 11 wird ihnen vorgehalten, dafs ihr 
Wunsch dahin gehe, zu Propheten Gesinnungsgenossen zu 
haben. Und 3, 5—7 treten solche denn auch wirklich auf 
offener Scene auf. Erst jetzt ist es an der Zeit, dals sich 
diesen der Prophet mit einem: „ich aber” gegenüberstellt. 

Schon hieraus ergibt sich, dafs c. 3 die gleiche Dis 
position der Gedanken zeigt wie c. 2. Es entsprechen sich 
8, 2—4 und 2, 1-5. 8-10; 3,5—7 und 2,6. 11; 3,8 und 
2, 7. 8,1. Hierauf folgt die zusammenfassende Schlufs- 
apostrophe an die Grofsen 3, 9—11 und die Verkündigung, 
dafs um ihrer Sünden willen Jerusalem zerstört werden 
solle 3, 12. 

Die Tradition nun, welche die Weissagungen Mi. 1—3 
von dem unter Hiskia weissagenden Propheten Micha von 
Moreschet herleitet, erhält eine ganz einzigartige Bezeu- 
gung durch Jer. 26, 17 ff. Dann aber dient ihr zur Be 
stitigung der Umstand, dafs die Gedanken von c. 1—3 
sich durch Vergleichung mit jesajanischen Stellen als der 
prophetischen Gedankenwelt jener Zeit zugehörig nach- 
weisen lassen. Man vgl. 1,2—4 mit Jes. 2, 12 ff., 3, 13 ff, 
5, 16. 26. 30, 27; 1, 5—8 mit Jes. 1, 11 ff, 16. 20 f., 2, 8. 
20. 17, Tf., 28, 7 f., 30, 22, 31, 7; 1, 9—17 mit Jes. 8, 5 ff, 
28, 14; 2, 1—5, 3, 14 mit Jes. 1, 10. 17. 23. 3, 14 ff, 
5, 8. 29, 20 f.; 2, 6 ff, 3, 5 ff. mit Jes. 3, 12. 9, 15. 28, 
5—13. 30, 9 ff. 

Dagegen hat schon Hitzig herausgefunden, dafs die 
messianische Weissagung 2, 12. 13 sich zunächst berührt 
mit Jer. 31, 8, Jes. 52, 12. Keine einzige messianische 
Weissagung aus Jesaias’ Zeit zeigt gleiche Züge. 2, 12.13 





isd 


fiber das Buch Micha. 165 





zt voraus, dafs Israel sich in der Zerstreuung, im Exile 
indet. Es muls erst zu einer Heerde gesammelt werden, 
vor es unter Gottes Führung den Weg zur Heimath an- 
tt. Hiermit aber ist im Zusammenhang mit dem S. 41 
merkten bewiesen, dafs diese Verse frühestens aus der 
it des Exiles stammen können. 

Aber weshalb schaltete ein Späterer, etwa ein in Deu- 
‚ojesaias’ Gedankenkreise Lebender, diese Verse ein? 
} könnte dadurch veranlafst worden sein, dafs er das 
8-10 Gertigte auf Greuelthaten bezog, welche an flüch- 
ren Bewohnern des Nordreiches verübt wurden. Doch 
nnen auch ohne dies die Worte : „von meinen Kindern 
hmt thr meinen Schmuck auf immer“ v. 9 die Veran- 
sung gewesen sein. Dem Treiben jener, welche israeli- 
che Kinder durch Vertreibung aus Jahves Lande dem 
Stzendienst in die Arme treiben, wird Gottes Wille ent- 
gengesetzt, den Rest Israels aus allen Heiden zu sammeln. 

2. Nach der Erzählung Jer. 26, 17 ff. ist es durchaus 
wahrscheinlich, dafs Micha den Eindruck seiner Weis- 
gung 3, 12 durch solche vom reinen Gegentheil abge- 
hwächt hat, wie sie sich c. 4. 5 finden. Der Inhalt 
tsterer Capitel stimmt ferner eben so schlecht zu den 
leissagungen Jesaias, als der von c. 1—3 nach Ausschei- 
ing von 2, 12. 13 sich mit denselben deckt. Nur kehrt 
1—4 im Buche Jesaias mit bekannten Abweichungen 
2 ff. wieder. Dafs dieses Stück nun nicht von Micha 
ammt, ist jetzt so ziemlich anerkannt. Gewöhnlich leitet 
an es von einem älteren Propheten der assyrischen Periode 
' und auch ich habe dies SS. 87. 89 arglos gethan. 
itzig hat an Joel diesen älteren Propheten nachzuweisen 
rsucht. In der That zeigt dies Stück auch die auf- 
lendste Verwandtschaft mit den Ideen Joels, genauer der 
n Ezechiels Ideen lebenden Epigonen, deren einen wir 

Deuterozacharja oben nachgewiesen haben, gar keine 
t denen der Prophetie der assyrischen Zeit. Die vielen 


166 Stade, Bemerkungen 


Völker, welche nach Jerusalem ansubeten kommen, finden 
sich zuerst Jes. 66, 23, dann Za. 14, 16—19. Die Stel- 
lung, welche Jerusalem hier einnimmt, ist durchaus die 
gleiche wie Za. 12—14, eine ganz andere als Mi. 1—3. 
Der Gedanke, dafs Jerusalem auch äufserlich erhaben sein 
soll, ist die Vergröberung des jesajanischen Gedankens 
von Jerusalems innerer Bedeutung. Ja die letstere hat Ge- 
danken wie Jer. 31, 40. Jes. 61, 6. 62, 12. 66, 12 zur Vor- 
bedingung, ist jünger wie diese. Das Wallen der Völker 
hat seine weitere Parallele an Jes. 60. Aber während 
Jes. 60, 10 alles natürlich vorgeht, erfolgt hier ein Wunder. 
Das ist secundär. Es scheint, das Jes.60 Geweissagte ist 
längst erfüllt. Die sentimental angehauchte Weissagung 
endlich vom Sitzen unter dem eigenen Feigenbaume hat 
ihre nächste Analogie an nachdeuteronomischen Aeulse- 
rungen wie 2Kö. 18, 31. Lev. 26, 3-5. 10. Dt. 28, 1 ff. 
‚Untersuchen wir nun, bevor wir über die Herkunft 
von 4, 1—4 uns äulsern, das Folgende. 4, 5 ist eine sehr 
ungeschickte Anknüpfung. v. 1—4 ist noch nicht einge- 
troffen. Noch verehrt jedes der fremden Völker seinen 
eigenen Gott. Da dem so ist (19), so soll Israel etst recht 
den seinigen verehren. Die Verbindung : „em Namen Elo- 
hims wandeln” ist beispiellos. Sie ward durch v. 2 ver- 
anlafst. Diese Anknüpfung in v.5 begreift sich nur, wenn 
v 6 und der damit eng zusammenhängende v. 7 nicht vom 
Verf. von v. 1—4 herrühren. Ihr Verf. kann sowohl der 
Schreiber von v. 5 als ein Prophet älter als er sein, nicht 
aber Micha. Denn sie tragen nicht den Charakter der 
Prophetie der assyrischen Zeit. Sie erinnern, wie bereits 
Hitzig gesehen hat, durch das in ihnen gebrauchte Bild 
an 2, 12. 13, aufserdem an Zeph. 3, 14 f. Ez. 34, 16. Sie 
können sehr wohl von einem Epigonen auf Grund der 
beiden letzteren Stellen verfafst worden sein. Vgl. zu dem 
Gedanken von Jahve’s Königthum auf Zion 8. 87. 





fiber dss Buch Michs. 167 


Wenn aber v. 8 sum Heerdenthum, sum Ophel der 
Tochter Zion, die frühere Herrschaft, eine Königsherrschaft 
der Tochter Zion zurückkehren soll, so erklärt sich diese 
Form der Weissagung am besten aus der Abstammung 
dieser Weissagung aus exilischer oder nachexilischer Zeit. 
Dagegen könnte man annehmen, dafs v. 9 wegen der 
Frage : „ist kein König in dir“ aus vorexilischer Zeit 
stamme. Aber diese Annahme wird dadurch widerrathen, 
dafs v. 10 aufs engste mit v. 9 verknüpft ist. Wenn 
asterer den Eintritt der messianischen Zeit von der Rück- 
kehr aus dem babylonischen Exile abhängig macht — 
ack Babel” zu streichen, wire trivial, — so kann er 
frühestens in die Zeit des Deuterojesaias gesetzt werden. 
Es kann ihn aber auch sehr wohl ein Epigone verfalst 
haben, welcher von der Voraussctzung ausging, dafs c. 4 
Micha spreche. Denn zwischen Michas Zeit und dem noch 
unerfüllten 4, 11 konnte das babylonische. Exil vermilst 
werden. v. 10 ist jedenfalls ein vatscınium ex eventu. 

Dagegen bildet nun der Abschnitt 4, 11—5, 3 eine 
völlig zusammenhängende Weissagung. Dieselbe wider- 
spricht den vorausgehenden v. 8—10 eben so sehr, als sie 
su v. 1-4 stimmt, was von den Auslegern bislang tiber- 
sehen worden ist. Jetzt ist Jerusalem von vielen Völkern 
belagert, welche über dasselbe.zu triumphiren hoffen. 
Gottes Rathschlufs geht jedoch vielmehr dahin, dieselben 
durch Zion vernichten zu lassen. Jerusalem soll sich gegen 
die Belagerung rüsten, es wird eine Beschimpfung seines 
Richters erleben müssen. Aber aus Bethlehem, dem kleinen, 
wird ihm ein Herrscher erstehen, dessen Ursprünge in das 
Alterthum zurückgehen. Bis dieser geboren worden ist, 
wird Israel preisgegeben werden. Dann aber wird der 
Rest seiner Brüder zu den Kindern Israels zurückkehren. 
Der Messias ersteht und weidet in Jahves Kraft, jene 
aber siedeln, denn er ist grofs bis zu den Enden der Erde. 





168 Stade, Bemerkungen 


Mit nny) 4, 11 wird ein Gegensatz eingeführt, und 
zwar der Gegensatz, in welchem die Gegenwart oder nächste 
Zukunft zu dem 4, 1—4 für die Endzeit Geweissagten 
steht. v. 11 schliefst sich direct an v. 4 an und setzt der 
Herrlichkeit der Endzeit die Drangsal entgegen, durch 
welche hindurch Israel zu jener gelangen wird. 

4, 11ff. wird schon durch den Begriff der vielen Völker 
mit 4, 1—4 zusammengehalten. Die vielen Völker, welche 
Jerusalem bedrängen, verweisen unsere Weissagung nach 
dem 8. 44 ff. Ausgeführten in die nachezechielische Zeit. 
Ez. 38.39. Joel 4. Za. 12.14. Es sind natürlich dieselben, 
welche nach ihrer Ueberwindung in Jerusalem anbeten. 
v. 1—4. Jes. 66. Za. 14, 16 ff. In vorexilischer Zeit handelt 
es sich immer um ein bestimmtes Volk, welches Jerusalem 
bedroht. 

Auch die Beschreibung des Messias 5, 1—3 palst nicht 
zu den Erwartungen der assyrischen Zeit. Freilich erwartet 
auch Jesaias ein Reis aus Isais Stamme, allein überall 
knüpft sich bei ihm die messianische Zeit in allen einzelnen 
Zügen direct an die Gegenwart, sie ist die glänzende Kebr- 
seite der vom Propheten getadelten Zustände der jetzigen 
davidischen Herrschaft. Hier aber fehlen alle bestimmten, 
greifbaren Züge. Die Umrisse der 5, 3 gegebenen Be 
schreibung der Regierung des Messias sind durchaus un- 
bestimmt. 5, 2. 3 passen am besten in die nachexilische 
Zeit. 

Die Fortsetzung nun von v. 3 : „denn jetzt ist er grofe 
bie zu den Enden der Erde“ bildet nicht v. 4, sondem 
v.6—8. Hier treten wieder die „vielen Völker“ auf. 5, 4.5 
widersprechen durchweg dem Vorhergehenden. Stellt das 
Volk sieben Hirten und acht gesalbte Leute d. h. eine 
neue Obrigkeit auf, welche Assur schlagen, sobald er das 
heilige Land betritt, und Nimrods Land mit dem Schwert 
verwüsten, so vermittelt sich der Anbruch der messianisches 
hierdurch, also anders als nach 5, 1—3. 





tiber das Buch Micha. 169 


Dieser Schwierigkeit kann man nun allerdings durch die 
nnahme entgehen, dafs v. 6—8 nicht den Anbruch, son- 
wm ein Ereignifs aus dem Verlaufe der messianischen Zeit 
schreiben, die Abwendung einer nochmaligen grolsen 
efahr von Jerusalem. Die von diesem zurückgeschlagenen 
dlker erscheinen nochmals im Lande und werden durch 
ie Heerführer des messianischen Königs endgültig besiegt 
nd bis in ihr Land verfolgt. 

Diese Auffassung wird jedoch widerrathen, einmal 
urch die Einleitung : „und diels wird der Friede sein“, 
rs naturgemäls als Bericht über die Anbahnung des 
lelles gefafst wird, dann aber durch die Nennung nur 
ines Volkes, der Assyrer. Wer sie aber annimmt, ist 
hne Zweifel dann genöthigt, die gesammte Weissagung 
tr nachezechielisch zu halten, wie 8. 41 f. nachgewiesen 
rorden ist. 

Ich glaube nun in 5, 4. 5 einen Einschub, und zwar 
regen “TTV ‘>, xD’ 9 derselben Hand erkennen zu sollen, 
relche 4, 5 ‘Wy °> geschrieben hat, ja von welcher überhaupt 
‚5-10 eingeschaltet, wo nicht verfalst worden ist. Die 
inschaltung ist von der Voraussetzung aus gemacht worden, 
als die Weissagung 4, 1—4. 11—14, 5, 1—3 eine Weis- 
ıgung Michas von Moreschet sei, welcher dann zwar deh 
m Ende der Tage zu erwartenden Ansturm der heid- 
ischen Völker, nicht aber das bereits abgelaufene Exil 
nd die erst noch zu beseitigende Fremdherrschaft geweis- 
agt haben würde. Diesem Mangel half jener Epigone 
urch seine Einschaltung ab. 

Allein jene also überarbeitete nachexilische W eissagung 
at nicht blofs 4, 14. 11—14. 5, 1—3 umfalst, ihr gehört 
uch 5, 6-8 an. Die vielen Völker kehren hier wieder. 
‚benso gehört v. 9—14 zu dieser Weissagung, deren Schlufs 
iese Verse bilden. Die Beschreibung von der Wegschaf- 
ıng der Zauberei und heidnischen Gottesverehrung könnte 
thon in die Zeit des Micha passen. Allein sowohl der 


170 Stade, Bemerkungen 


Eingang, welcher ganz dem Eingange der übrigen Stro- 
phen entspricht, als der Schlufs : sch nehme in Zorn und — 
Grimm Rache an den Völkern, welche nicht hörten, räth 
9—14 mit 4, 14. 11—14. 5, 1-3. 6—8 zu einem Ganzen 
zu verbinden. Es ist die nothwendige Erginsung von 
4, 1-4, beide gehören mit 5, 6—8 zu einem und dem- 
selben Gedankenkreis. 

Wir haben somit an Mi. 4, 1—4. 11—14. 5, 1—3. 
6—14 die Weissagung eines Epigonen nachgewiesen, welche 
nicht nur in ihren Ideen, sondern sogar in ihrer Form, 
man beachte die Voranstellung von 4, 1—4, sich aufs 
engste mit der Weissagung Deuterozacharjas berührt und 
wie diese von den S. 90 ff. geschilderten Voraussetzungen 
ausgeht. Der Grund, aus welchem jener Epigone seine 
Ausführungen hinter 3, 12 einschaltete, war ohne Zweifel 
dieser, dafs er an der Einseitigkeit des Inhalts von c. 1—3 
einen nicht unberechtigten Anstofs nahm. Auf die Weis- 
sagung vom Gerichte, von der Zerstörung Jerusalems folgt 
nicht, wie dies nach Analogie der jesajanischen Weis- 
sagung erwartet werden mufste, die lichte Kehrseite der- 
selben, die Weissagung vom Anbruche der messianischen 
Zeit. Hierdurch widersprach Micha in einer Weise der 
vorexilischen Prophetie, welche auch an Nahum und Ha- 
bakuk kein völliges Analogon hat. Die S. 8 dargelegten 
Gesichtspunkte konnten dazu rathen, Michas Weissagung 
vom Canon auszuschliefsen. Allein dafür war sie durch 
Jer. 26 viel zu gut bezeugt. So ward denn der Anstols 
durch Ergänzung des Vermilsten behoben. Die gewählte 
Disposition der Gedanken aber erklärt sich daraus, dafs 
c. 4 von vornherein als Antithese zu 3, 12 gedacht ist. 

Nachdem nun diese nachexilische Weissagung den 
Weissagungen Michas hinzugefügt worden war — und 
ohne dieselben hat sie nach dem Obigen niemals existirt — 
nahm ein Späterer, von der Voraussetzung ihrer Herkunft 
von Micha ausgehend, die oben beschriebene Umarbeitung 


tiber das Buch Micha. 171° 


mit ihr vor. Durch Einschaltung neuer Weissagungen 
glich er sie mit dem Geschichtsverlaufe und der Entwicke- 
lung der Weissagung aus. 

3. Das durch diese Untersuchung gewonnene Resultat 
ist wichtig einmal für die Frage nach dem Abschlusse des 
Prophetencanons, dann für die Gewinnung correcter Vor- 
stellungen von der Entwickelung der messianischen Idee. 
In der Geschichte der letzteren hat Micha von Moreschet, 
der Zeitgenosse Jesaias, künftig keine Rolle mehr zu 
spielen. Seine prophetische Theologie erweist sich als in. 
bemerkenswerther Weise einseitig. Auf die Zeit aber, in 
welcher, und auf die Personen, durch welche der Abschlufs 
des Prophetencanons erfolgt ist, wirft dieselbe wie die ihr 
vorhergegangene über Deuterozacharja helles Licht. Die- 
selben bestätigen, dafs die Sammlung und Canonisirung 
des Prophetencanons zeitlich um über ein Jahrhundert 
später als die Canonisirung der Thora zu setzen ist, was 
sich ja schon um deswillen empfiehlt, weil die Canonisirung 
des Prophetencanons die der Thora zur Voraussetzung hat. 
Sie zeigen weiter, dals die Schriften der Propheten nicht 
allmählich durch Vereinigung der damals noch vorhandenen 
Reste zu der uns vorliegenden Sammlung zusammen- 
gewachsen sind, dafs vielmehr die letztere nach bestimmten 
Principien veranstaltet worden ist, um deren Willen einzelne 
Reste der prophetischen Vergangenheit einer Umarbeitung 
oder doch Bearbeitung unterworfen wurden. Es ist das 
weder von einer Hand noch auf einmal geschehen. Es hat 
zu seiner Durchführung und Geltendmachung Zeit ge- 
braucht. Und haben wir vielleicht auch nicht das Recht 
hier von einer Schule zu reden, so ist es doch jedenfalls 
ein Kreis geistesverwandter, von denselben theologischen 
Voraussetzungen ausgehender, Schriftgelehrter gewesen, 
welche diese Bearbeitungen vorrahmen und die jetzige 
Sammlung prophetischer Schriften veranstalteten. Und 
zwar gingen diese Epigonen, wie dies 8. 90 ff. bemerkt 





172 Bibliographie. 


worden ist, von der Voraussetzung aus, dals die Weis- 
sagungen, welche Gott seinem Volke hatte verkünden 
lassen, abgeschlossen seien. Denn nur unter dieser konnten 
sie den Gedanken einer Sammlung der Prophetenschriften 
fassen, wie sie ja auch inhaltlich zu dem schon Vorhandenen 
nichts neues hinzubringen, sich selbst nicht für Propheten 
ansehen. 

Das Resultat dieser Untersuchung widerspricht direct 
gewissen Fabeln und Mythen von dem Abschlusse des 
Prophetencanons, welche bis heute in den Vorlesungen und 
Büchern über die Einleitung ins A. T. vorgetragen sa 
werden pflegen. Vielleicht findet es aber gerade hierin 
eine kleine Empfehlung. 


Bibliographie. 





1. Bibelausgaben. Uebersetzungen. Ezxegese. Geschichte 
der Exegese. Einleitung. 


Liber Psalmorum, textum masoreticum accuratissime expressit, e fontibus 
Masorae varie illustravit notis criticis confirmavit 8. Baer. Pree 
fatus est edendi operis adjutor Franc. Delitzsch. Lipsiac ex officm 
B. Tauchnitz. 1880. 160 8. 8°. 


Liber Proverbiorum, textum masoreticum accuratissime expressit, ¢ font. - 


Mas. codicumque varie illust., expositionem de legibus dagessationis 
adjecit 8. Baer. Praofat. est edendi op. adjutor Franc. Delitzsch. 
Lipsiae ex officina B. Tauchnitz. 1880. XVI. 68 8. 8°. 

Testamentum, vetus, Graece juxta LXX interpretes ed. Const de 
Tischendorf. Ed. VI. Prolegomena recognovit, collationem oodicis 
Vaticani et Sinaitici adjecit Eberhard Nestle. 2 tmi Lipsiae 18%. 
LXXXI. 684. 803 8. 8°. 

Vollers, K. A., das Dodekapropheton der Alexandriner. 1. Hälfte. 
Naim, Ambakfim, Sophonias, Angaios, Zacharias, Malachias. Berlin 
1880. IV. 808. 8°. 

Scholz, Ant., die alexandrinische Uebersetzung des Buches Jesaias. 
Eine Rectoratsrede. Würzburg 1880. 47 8. 8°. 

Pentateuchi versio latina antiquissima e cod. Lugd. Version latine du 
Pentateuque antérieure & St. Jéréme, publide etc. per Ulysse Ro- 
bert. Paris 1880. CXLIV. 841 8. 4°. 





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. New-York 1880. VIII. 819 8. 8°. 

Teube, Emil, Praktische Auslegung der Psalmen. 6 Hefte. Brom- 
1880. 

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Abraham ibn Esra. Ed. from a MB. in the Bodleian Library. Ox- 

. ford 1880. 

Clarke, H. J., the hook of Job. London 1880. 210 8. 8°. 

Cox, 8., a commen on the book of Job. With an translation. 
London 1880. 552 8. 8°. 

Studer, G. L., das Buch Hiob f. Geistliche und bildete Laien 
tibersetst und kritisch erläutert. Bremen 1881. 2383 8. 8°. 

Grimm, W., über die Stelle Koh. 8, 11> s. Zeitschr. f. wissenseh. 
Theol. 28, 8. 274 ff. 

Raleigh, A, the book of Esther. London 1880. 250 8. 8°. 

Nestle, E, Bemerkungen s. d. Esra-Propheten. 4 Esra 6, 51. 9, Mt. 

a. Zeitschr. f. wiss. Theol. 23, 8. 358 f. 

Delitzsch, Frans, Pentateuch kritische Studien I. 2 s. Zeitschr. f. 
kirchl. Wiss. u. kirchl. Leben I, 8. 8 ff. 

Egli, sur Textkritik von Gen. 28. s. Hilgenfeld’s Zeitschr. £ wie 

heol. 28. 8. 844 ff. Ä 

Hochstädter, die mosaische Völkertafel u. d. griechischen u. ria 
Geschichtsschreiber. s. Jüd. Literaturbl. 1880. 48. B. 170 f. 

Hoffmann, D, die neueste Hypothese über d. pentat. Priesterood. IL : 
Die Ausstattung d. Clerus. s. Mag. f. Wissensch. d. Judenth. 1880, | 
8. 8. 187 ff. 4 8. 287 ff. 

Jülicher, A, die Quellen von Exodus I—VII, 7. Ein Beitrag mr 
Hexateuchfrage. Dissertation. Halle 1880. 848. 8°. 

Kuenen, A., Bijdragen tot de critick van Pentateuch en Josua VI. 
Dina en Sichem. Gen. 84 VII Manna en Kwakkelen Ex. 16. 
8. Theol. Tijdschr. 1880 Mai. 8. 267 ff. 

Marti, K., die Spuren d. sogenannten Grundschrift d. Hexsteuchsi.d. 
vorexil. Propheten (Schlufs). s. Jahrb. f. prot. Theol. 1880, 8. 806 ff. 

Steinthal, H., die ersählenden Stücke im 5 Buche oo s. Zischr. 
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Valoton, Jeo Pe P., Deuteronomium II, IV s. Studien VI, 2.8 8. 1882. 
4. 8. 308 

Lohr, sur über die Echtheit von Jesaias 40—60. Ein realkrit, 
Beitrag. eft Berlin. Wiegandt u. Grieben. 8%. 51 8. 

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88 8 

Stade, B. de populo Javan parergon patrio sermone conscriptum. 
Giefsen 1880. 20 8. 4°. 

Port, D., de profet Amos, s. Theol. Tijdschr. Märs 1880. 8. 114 £ 

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—, Der Wechsel von 5yqy> und dyyy. Ebenda. Mars 1880. 8. 97 £ 

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Meyer, R, Ex libro Chronicorum quaecumque ad eruendam terii 
historiam et illustrandam ejus usum sacrum orum 

titulis cacterisque additamentis significatum proficere possunt colli- 

efnn. W. über einige das Buch Tobi betrell “lo Fragen. tachr. 
rimm, u obit en s.Z 
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Kihn, Hreh., Theodor v von Mopsuestia u. Junilius Africanus als Exe- 

get, Nobe Nebst einer v..d. letzteren Instituta regularia 
Frobur i Br. order 1880 XIII, 528 8.° 8°. 

Junilii Aicani institute regularia divinae legis, ex ampliore libro qui 

inseribitur, Theodor von Mopsuestia u. Junilius Africanus als Exe- 

eee i Br in usum m praclectionum publicarum ed. Henr. Kihn. Frei- 


2. Hebr. Grammatik, Lexicographie und Verwandtes. 


> iS gH pli cy ale oF ules, At. Opuscales 
re traités ar Walid een Ibn Djanah de Cordoue, 
texte arabe publié avec une traduction francaise par Joseph Deren- 
it, et Hartwig Derenbourg. Paris 1880. . 400 8. 8°. 

Bickell, @., Metrices biblicae regulae exemplis illustratac. Acc. supple- 
mentam metrices biblicae. Oenip. 1879. 8°. 

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Lagarde, P. de, Orientalia, Heft 2. (Erklärung hebräischer Wörter. — 
Ueber den Hebräer Ephraims von Edessa.) Gd 1880. 648. 4°. 
Lowy, I sur Deutung d. Partikel my. s. Jüd. Litbl. 1880, 83. 
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Schefftel, 8. B., Bemerkungen zur Massora auf Onkelos s. Jid 
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(Fortsetzung folgt.) 





177 


Zur Hexateuchkritik. 


Der Sprachgebrauch des hexateuchischen Elohisten. 
Von FE. Giesebrecht. 


Methode und Ziel der Untersuchung. 


In seiner Schrift de sermone Eloh. Pent. hat Ryssel 
das Thema, dessen Behandlung die folgenden Blätter unter- 
nehmen wollen, bereits bearbeitet. Wenn wir uns zu einer 
nochmaligen Besprechung des elohistischen Sprachgebrauchs 
anschicken, so soll damit Ryssel der Dank für seine 
erste Arbeit auf diesem Gebiet nicht geschmälert werden. 
Tabellen über den Sprachgebrauch, sonderlich das Lexicon 
des Elohisten sind ja in den verschiedenen Commentaren 
und Einleitungsschriften zahlreich zu finden, denselben aber 
einmal vom Standpunkt der Sprachgeschichte aus darzu- 
stellen, dazu sind nur hin und wieder zerstreute Versuche 
gemacht worden. Ryssel hat sich an eine systematische 
Behandlung dieser Aufgabe zum ersten Male gemacht und 
"über eine Reihe wichtiger Punkte durch seine Unter- 
suchungen volles Licht verbreitet. 

Trotzdem glaubt die folgende Arbeit recht gut neben 
der Ryssel’schen bestehen zu können : die ersten Schritte 
auf dem wenig betretenen Boden sind, wie uns scheinen 
will, nicht ohne Straucheln und Fallen gethan worden, es 
dürfte sich daher der Mühe verlohnen, weitere Nachfolger 
auf diesem Arbeitsgebiet vor den gefährlichen Stellen zu 
warnen und ihnen einen möglichst geraden und leicht be- 
gänglichen Weg zu zeigen. 

Der Hauptfehler des Ryssel’schen Buches liegt nach 
meiner Ansicht in der Methode. Dafs hier falsch gegriffen 
ist, mufs man um so mehr beklagen, als bei Erscheinen 
von Ryssel’s Schrift bereits auf die richtige Methode hin- 


Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jalırgang 1. 1881. 12 





178 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


gewiesen war; Wellhausen hatte sie gezeigt. Gewinnt 
man bei der Lectüre des Ryssel’schen Buches mehr und 
mehr den Eindruck, dafs hier Alles auf künstlichen, js 
z. Th. unrichtigen Annahmen basirt ist, so einfach ergeben 
sich die Resultate, so klar und verständlich erscheinen sie, 
wenn man jenen von Ryssel verschmähten Wegweiser be- 
nutzt. Ich hatte gehofft, mir schliefslich durch die Gran- 
matik noch die Waffen gegen die Graf’sche Hypothese 
schaffen zu können und deswegen Ryssel’s Buch zur Hand 
genommen, aber wie bald mufste ich mich davon tiber- 
zeugen, dafs hier keine Beweise für ein hohes Alter des 
Elohisten zu gewinnen waren, dagegen die späte A bfassungs- 
zeit des Buches fast auf jeder Seite sich neu bestätigte; 
wie mufste ich (so sehr ich mich in ihr Inneres. hinein- 
versetzen konnte) diejenigen Theologen bedauern, welche 
wegen der leichteren Vereinbarkeit der Ryssel’schen Re- 
sultate mit der traditionellen Anschauung denselben vor 
den Graf’schen den Vorzug geben zu müssen glaubten. 
Warum der Gott der Offenbarung nothwendig zugleich 
ein WNNOD SN sein müsse, ist an sich so verständlich und 
kürzlich wieder in so weitblickender und überzeugender 
Weise dargethan worden, dafs man nicht gut thut, seinen 
Glauben auf so gebrechliche Fundamente wie das hohe 
Alter von Gen. 1; 5; 17 u. 8. w. zu stellen. 

Die obigen Bemerkungen über das Irreführende der 
Ryssel’schen Methode seien hier nun kurz bewiesen. Die 
Hauptfrage der jetzigen Pentateuchkritik ist folgende : 
bildet der Elohist die älteste oder jüngste Quelle des von 
Genesis bis Josua verarbeiteten Quellenmaterials, d. h., da 
nach ziemlich allgemeiner Annahme der Jehovist in der Zeit 
von 900-700 und das Deuteronomium nicht lange vor 
621 entstanden sind : ist der Elohist vor 900 oder nach 
620 anzusetzen? Hiernach wire, da die Grenze nach 
unten ungefähr durch das Jahr 450 gebildet wird, die Auf- 
gabe gewesen, zu untersuchen : gestattet oder verbiete! 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 179 


die Sprache des Elohisten, seine Entstehung in den Zeit- 
raum von 620—450 zu verlegen? War seine Ansetzung 
in diesem Zeitraum unmöglich, dann konnte man fragen, 
ob er noch älter als der Jehovist sein könne, und wenn 
hierauf ebenfalls verneinende Antwort erfolgte, mochten 
die vermittelnden Ansichten geprüft werden, welche ihn 
aus der Arbeit eines Jahrtausends allmählich hervorwachsen 
lassen, oder ihn zwischen Deuteron. und den Jehov. stellen 
u. s. w. Hiernach mag man beurtheilen, ob eine Schrift 
wirklich geeignet ist, auf die Hauptfrage der Pentateuch- 
kritik Antwort zu geben, welche folgende zwei Probleme 
zu untersuchen sich zur Aufgabe macht : a) quaenam 
sint notse sermonis tempore exilium subsequente usi- 
tati? b) num certa harum notarum vestigia reperiantur 
in libro Elohistae? Es ist ja allerdings auch werthvoll su 
wissen, ob resp. wie weit die eloh. Sprache mit der nach- 
exilischen übereinstimmt, es wird aber eine reine Neben- 
frage auf diese Weise behandelt. Wenn auch der Elohist 
hier und da mit Esra identificirt wurde, so ist doch evident, 
dafs die Graf’sche Hypothese mit dieser Identification 
keineswegs steht und fällt : kein Grafianer ist gehindert, 
die Abfassungszeit des Elohisten in die letzten Decennien 
des Exils zu verlegen. — Doch folgen wir Ryssel weiter. 
Nach dem eben Bemerkten hatte er sich vorgenommen, 
zu untersuchen, ob der Elohist zwischen 536 und 450 ver- 
fafst sein könnte. Jedermann muls es infolge dessen selbst- 
verständlich dünken, dafs er die in jenem Zeitraum ent- 
standenen Schriften zunächst zu Rathe zieht, um sich über 
die notae der damaligen Sprache zu informiren : nämlich 
die Bücher Haggai, Sacharjah, Maleachi. Statt dessen 
consultirt er die Memoiren des Esra und Nehemia, soweit 
sie uns in den nach ihnen genannten Büchern aufbewahrt 
sind, d. h. Schriften, welche sicher nach 450 verfafst und 
uns nur in einem gröfseren Werke überliefert sind, dessen 
Entstehungszeit in den Anfang der griechischen Herrschaft 
12* 





180 Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. 


fällt. Wenn man, über diese Kritik befremdet, nach ihren 
Gründen forscht, so wird zunächst ein Argument ange- 
führt, das gar nicht aus der Sache gewonnen ist, sondern 
auf einer ganz abstracten und darum unmöglichen Thei- 
lung der hebräischen Literaturgeschichte beruht. R. rechnet 
nämlich drei Perioden der hebräischen Sprachgeschichte : 
die erste reicht bis zum Ende des 8. Jahrhunderts, die 
zweite bis zum Ende des Exils, die dritte enthält als erste 
Zeugnisse die Memoiren des Esra und Nehemia, also 
Schriften aus dem Ende des 5. Jahrhunderts. Ueber die 
genannten drei kleinen Propheten wird bemerkt, dafs die- 
selben, obwohl der nachexilischen Zeit angehörig, doch 
nicht mit den eigentlichen Schriften der dritten Periode 
zusammengestellt werden könnten, sondern vielmehr als 
letzte Ausläufer der zweiten Periode anzusehen seien. Aber, 
lag denn nicht ein anderer Schlufs bei Weitem näher? 
Gehören die ersten Schriften der dritten Periode der 
zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts an, und bieten die vor 
diesen entstandenen nachexilischen Bücher noch die Sprache 
der zweiten Periode — so lassen wir naturgemäls diese 
sich bis 450 erstrecken und fragen nun : stimmt der 
Sprachgebrauch des Elöhisten mit dem der zweiten Periode, 
resp. mit den exilischen Büchern dieser Zeit überein? 
Doch R. begegnet uns mit seinem zweiten Grunde : „Die 
erwähnten nachexilischen Propheten nämlich sollen theils 
von ihren Vätern her noch reineres Hebräisch verstanden 
haben, theils durch die Lectüre der älteren Propheten- 
literatur vor gröberen, zu ihrer Zeit in der Umgangssprache 
gewöhnlichen Verstifsen bewahrt geblieben sein.” Abge- 
sehen nun davon, dafs die Vorstellung von dem Charakter 
der damaligen Umgangssprache immer wieder auf dem 
unter Umständen falschen Vorurtheil beruht, dafs die Me- 
moiren des Esra und Nehemia, eine wirkliche Quelle für 
die Sprache von 536—450 bilden — kann denn ein Grafianer 
sich nicht auf dieselbe Weise erklären, warum der mit 


182 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


getreten. Bei der Kleinheit der alttestamentlichen Lite- 
ratur, bei der grifstentheils unsicheren Datirung der ein- 
zelnen Schriften müssen schon eine Reihe deutlich sprechen- 
der sprachlicher Erscheinungen mit Gründen der sach- 
lichen Kritik zusammentreffen, um uns zu ermächtigen, 
eine Schrift mit Bestimmtheit einem kurzen, nach oben und 
unten scharf abgegrenzten Zeitraum zuzusprechen. Ungemein 
gewagt müssen hiernach die Ryssel’schen Resultate er- 
scheinen. Denn die mühsam erkämpfte, jetzt fast allgemein 
zugestandene Einheit des elohistischen Buches wird von 
ihm nach seinen sprachlichen Untersuchungen wieder auf- 
gegeben und die disjecta membra Elohistae sodann in alle 
Perioden der hebräischen Literaturgeschichte vertheilt '). 
Die bedeutenden Schwierigkeiten, von denen diese Annahme 
gedrückt wird, sind dabei nicht genügend gewürdigt worden. 
Es würde ganz aufserhalb des Plans dieser Besprechung 
liegen, dieselben hier bis ins Einzelnste zu wiederholen, 
wir müssen uns mit einer blofsen Hinweisung darauf be- 
gnügen. 

Aus dem bisher Beobachteten ziehen wir folgende Lehre: 

1) Man muls sich hüten, die Abfassungszeit des Elo- 
histen möglichst präcis bestimmen zu wollen : je kleiner 
der Zeitraum ist, mit dessen sprachlichen Eigenthümlich- 
keiten wir diejenigen des Elohisten vergleichen, je weniger 
Literatur er enthält, um so unsicherer werden unsere Re- 
sultate sein, um so weniger Nutzen wird unsere Unter- 
suchung abwerfen. Je gröfser wir aber unsere Grundlage 
legen, je weiter jener Zeitraum ist, je klarer und leichter 
er sich gegen andere sprachgeschichtliche Perioden absondert, 


!) Es ist leicht zu sehen, wie grundverschieden hiervon die An- 
nahme ist, der Elobist sei das Werk „einer ganzen Schule“. Oder 
kann man im Ernst Mose, Aron, Samuel u. s. w. als Häupter der- 
selben „Schule“ ansehen, der ein Esra und die anderen Sopherim an- 
gehörten ? 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 183 


um so bestimmter werden wir am Schlufs es aussprechen 
können, ob der Elohist in demselben abgefafst sein kann 
oder nicht. — Ist nun die Hauptfrage der Pentateuch- 
kritik augenblicklich : soll man den Elohisten für nach- 
deuteronomisch halten, und ist der terminus ad quem durch 
das Jahr 450 fixirt, so scheint sich der in Rede stehende 
Zeitraum auf die Zeit 620-450 zu bestimmen. Offenbar 
kommen wir durch diesen Ansatz mit dem eben entwickelten 
Princip nicht in Widerspruch : der Zeitraum ist ziemlich 
grofs, er umfalst beinahe 20) Jahre und enthält eine Fülle 
von Literatur : Jeremia, Sephanja, Habakuk, Ezechiel, 
Deuterojesaia und andere unächte jesaianische Stücke, 
Threni, die nachexilischen Propheten. Aufserdem müssen 
wir ihm diejenigen Stellen der historischen Bücher, welche 
die Hand des Redactors zeigen, überweisen und endlich 
Hiob, Proverbien und einige Psalmen. Aber einen Uebel- 
stand bringt diese Ausscheidung des Zeitraums von 620 
bis 450 mit sich, diese Theilung der Literatur in vor- und 
nachdeuteronomische durchkreuzt sich unangenehm mit 
einer anderen, durch natürliche Verhältnisse gegebenen. 
Das Deuteronom. ist nämlich seiner geschichtlichen Stel- 
lung wegen ganz ungeeignet, als Grenze der älteren Lite- 
ratur nach unten betrachtet zu werden : seine Composition 
ist bis jetzt nicht sicher erkannt, einige Capp. am Anfang 
und Schlufs des Buches fallen jedenfalls nach 620, vielleicht 
in das Exil; ferner liegen zwischen ihm und den Pro- 
pheten des 8. Jahrhunderts gewifs 50 Jahre, wenn nicht 
noch eine längere Zeit, während ihm Jeremia und seine 
Zeitgenossen bedeutend näher stehen. Es scheint sich daher 
mehr zu empfehlen, den mit dem Elohisten zu vergleichen- 
den Zeitraum mit der (z. B. auch von Ryss. angenommenen) 
zweiten Periode der Sprachgeschichte zu identificiren und 
demnach die Frage noch allgemeiner dahin zu formuliren : 
verbieten die sprachlichen Eigenthümlichkeiten des Elo- 
histen denselben in die Zeit von 700-450, also die mittlere 





184 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


Zeit der hebräischen Literatur, zu verlegen, oder nöthigen 
sie zu dieser Annahme? Den Einwurf, dafs bei dieser 
Fragestellung von dem Hauptproblem zu einer reinen 
Nebensache zurückgelenkt werde, würden wir nicht be 
fürchten oder wenigstens nicht fürchten. Denn steht es 
durch die sprachliche Kritik fest, dafs der Elohist der 
alten Literatur bis zum Ende des 8. Jahrhunderts nicht 
angehören kann, dann ist er auch aus sachlichen Gründen 
nachdeuteronomisch, gerade so sicher, wie er wenn nach- 
deuteronomisch auch nachezechielisch ist. Die Einrede, 
dafs die logische Aufeinanderfolge Deuteronom., Ezechiel, 
Elohist noch nicht dieselbe geschichtliche Reihenfolge be- 
dingt, ist deswegen so durchaus unstatthaft, weil es sich 
in unserem Falle nicht um Kathedertheorieen jener Schrift- 
steller handelt, sondern weil ihre Anschauungen z. B. über 
das Verhiltnifs der Priester und Leviten immer die Wirk- 
lichkeit voraussetzen und abspiegeln. So lange man e 
nicht einmal versucht hat, in der Zeit von Jesaia bis 
Ezechiel geschichtliche Ankntipfungspunkte für die Ideen 
des Elohisten nachzuweisen, solange ist auch mit dem Nach- 
weis, dafs der Elohist der Zeit nach 700 zuzuschreiben ist, 
ein wesentlicher Stützpunkt für die Graf’sche Hypothee 
gewonnen. — Aber einmal zugegeben, jener Einwurf sei 
stringent, wir können ja unsere Untersuchung so einrichten, 
dafs wir nach Erledigung der allgemeineren Frage, ob der 
Elohist der zweiten Periode der Sprachgeschichte angehöre, 
noch speciell seine Uebereinstimmung mit den nachdeutero- 
nomischen Schriftstellern untersuchen. 

2) Welches sind nun die Kriterien, nach denen wir 
entscheiden ? Es istunnöthig, hier nochmals auf die Formen- 
lehre einzugehen und alle erst in späterer Sprache auf- 
tauchenden Nominal- und Verbalformen aufs neue m- 
sammenzutragen. Wir verweisen hierfür den Leser auf 
Ryssel S. 38 ff. Jedermann erkennt hier übrigens leicht, 
dafs nicht nur notae der nachexilischen Zeit aufgeführt 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 185 


sondern auch die zweite Periode der Sprachgeschichte her- 
angezogen ist. Weiter aber macht man die Bemerkung, 
dafs auf diesem Felde keine durchschlagenden Resultate 
zu gewinnen waren. Die meisten von Ryss. als spät be- 
zeichneten Formen finden sich auch in der alten Literatur : 
Ryss. hat unterlassen, auf das Verhiltnifs der Frequenz 
dieser Worte in den verschiedenen alttestamentlichen 
Büchern aufmerksam zu machen. In Betreff‘ der Syntax 
und ihrer Behandlung von Seiten Ryssels werden wir uns 
weiter unten noch mit ıhm auseinandersetzen — dagegen 
wird vom Lexikon jetzt sofort die Rede sein müssen. Un- 
streitig ist nichts charakteristischer für den Elohisten als 
sein Wörtervorrath und die Art wie er aenselben verwendet. 
Durch sein Lexikon unterscheidet er sich so bedeutend 
vom Jehovisten, dafs über die ihm zuzuweisenden Stücke 
selten Streit ist, während diese Einigkeit in Betreff der 
Scheidung von J und E öfters sehr vermifet wird. Er hat 
eine geschlossene Zahl von Vocabeln, welche stehend wieder 
auftauchen, in einer Reihe fester Wendungen, die gern aus 
denselben Worten bestehen, bewegt sich seine Rede 
vorwärts. Eine Untersuchung des sermo Elohisticus hätte 
sich daher auch mit diesem Theil der elohistischen Sprache 
beschäftigen müssen. Dies hat Ryss. so gut wie ganz 
unterlassen. Eine einheitliche Betrachtung der wohlbe- 
kannten elohistischen Vocabeln sucht man vergebens — 
zerstreute Bemerkungen, meist sehr wenig eingehend, sind 
in den Anmerkungen gegeben, aber auch nicht der leiseste 
Versuch wird gemacht, dem elohistischen Lexikon eine 
Stellung in der Sprachgeschichte anzuweisen. Wenn Ryss. 
das Seinige damit gethan zu haben glaubt, dafs er einige 
von Wellhausen als Aramaismen in Anspruch genommene 
Vocabeln für das hebräische rettet und dagegen in den 
mittleren Büchern des Pentateuchs eine Reihe von Aramaismen 
nachweist, so konnte er freilich hierzu leicht durch Well- 
hausen veranlafst werden. Denn dieser hatte sich in 


186 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


seiner Beurtheilung des eloh. Lexikons zu einseitig darauf 
gerichtet, die aramaisirende Färbung desselben zu erhärten. 
So hatte Ryssel mit seiner Behauptung, dafs mp7 nicht 
nothwendig eine aramäische Bildung sei, sondern ebenso 
gut als echt. hebräisch angesehen werden könne, jenem 
gegenüber Recht, so mögen 573 und sm von ihm mit 
Grund dem hebräischen Sprachschatze zugewiesen sein. 
Dennoch aber hätte es sich der Mühe verlohnt, auf Well- 
hausen’s Weg in der Art weiter fortzuschreiten, dafs ge- 
fragt wurde, welchem Theile der hebräischen Sprach- 
geschichte gehören die Vocabeln des Elohisten (gleichgiltig 
ob Aramaismen oder nicht) eigentlich an. Diese Arbeit 
hätte um so mehr in Angriff genommen werden sollen, 
als die Ausbeute der Untersuchung über die Formenbildung 
des Elohisten offenbar keine sehr bedeutende gewesen war. 
In diesem Punkte beabsichtigen wir daher vor Allem die 
Ryssel’sche Arbeit zu ergänzen : aus zerstreuten Notizen, 
die ich mir bei Ausarbeitung von Vorlesungen über die 
Genesis und Einleitung in das A. T. in Betreff des elo- 
histischen Lexikons gemacht hatte, gewann ich die Ueber- 
zeugung, dals man auf diesem Wege zu einer klareren 
Erkenntnifs über die Stellung des Elohisten in. der hebräi- 
schen Sprachgeschichte kommen werde, ja ich fafste die 
Hoffnung, dafs das bisher noch recht dunkle und wenig 
angebaute Feld der Geschichte des Hebräischen durch 
Untersuchung des Wortschatzes der einzelnen Bücher 
wesentlich aufgehellt und unserem Verständnifs näher 
‘gebracht werden könne. 

Ich denke nichts Unnützes zu thun, wenn ich zunächst 
eine Tabelle folgen lasse, aus welcher das Vorkommen der 
elohistischen Wörter in den anderen Büchern des A.T. er- 
sehen werden kann. Die Anordnung derselben ist aus dem 
oben über die Methode dieser Arbeit bemerkten verständlich. 
Unter der „ersten Periode“. sind alle aus der Zeit vor 700 
stammenden Schriften aufgeführt. Die zweite Periode, 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 187 


das 7.und 6. Jahrhundert, ist in den beiden folgenden Ru- 
briken vertreten, Jeremia ist der Uebersicht halber dem 
1. Jahrhundert zuertheilt. Unter der Rubrik „Exil? sind 
such diejenigen Stellen, welche dem Redactor der Königs- 
bücher u. s. w. zugewiesen werden müssen, sowie die 
nschexilischen Propheten eingetragen. Dagegen habe ich 
die Stellen, welche nach meiner Ansicht von dem Redactor 
des Hexateuch oder Diaskeuasten stammen, nicht mit den 
nachexilischen zusammengestellt, sondern in eine besondere 
Spalte aufgenommen, so dafs wer nicht an den Hexateuch- 
redactor glaubt, sie leicht herausfindet. Wenn eine Stelle 
mir verderbt zu sein schien, ist sie mit einem Fragezeichen 
versehen worden. 

Hinter die Tabelle stelle ich zunächst einige Bemer- 
kungen, welche mich wegen der Auslassung dieses oder 
jenes Wortes verantworten, oder die Art, wie ich andere 
Vocabeln behandelt habe, rechtfertigen sollen. Hieran 
schliefst sich zuerst eine allgemeine Betrachtung über die 
Tabelle und der Versuch, aus ihr über die Abfassungszeit 
des Elohisten Folgerungen zu ziehen. Dieser wird endlich 
durch Behandlung einzelner Erscheinungen gerechtfertigt, 
wobei auf die von Ryssel geltend gemachten Spuren des 
höchsten Alters der elohistischen Genesispartieen beson- 
ders eingegangen ist. Am Ende gebe ich eine kurze Be- 
sprechung über das Verhältnifs zwischen Ezechiel und dem 
Elohisten. 





Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


188 


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Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. 


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198 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


Anmerkungen sur Tabelle. 


“vier Dafs dieses Derivat von “yyx in der alten Literatur auch schon 
vorkam, kann sus der Analogie von Tp Jes. 11, 8 nicht ge- 
schlossen werden. Denn neben “375 pafst hier nur myp cf. auch 
LXX xolım. 

ıne Ein anderer eigenthümlicher Gebrauch dieses Verb. ist ebenfaly — 
dem Elohisten mit der späten Literatur gemeinsam. jy Th _- 
(vom Loos) erfalst aus einer Mehrheit Num. 81, 80, 47 und 1Chra, =~ 
24,°6. Der Jehovist sagt dafür 455 of. Knob. z. d. St . 

“pa Dafs der Gebrauch dieses Verb. Lev. 18 und 27 Zeichen eine „u 
späten, aramäisch gefärbten Sprache sei, hat Ryss. a. a. O. 8.71 ! 
nachgewiesen und ähnliches auch von mapa behauptet. Hierbei | 
fallt nur auf, dafs an den aus dem Levit. angeführten Stellen dem L 
Verb. die Bedeutung „discernere“ zugewiesen ist, und diese de | 
durch von den anderen Stellen, als an denen “pa aliis notionibus | 
gebraucht werde, getrennt worden sind. Mir scheint dies nicht ;— 
begründet. 7p bedeutet Lev. 18 nicht unterscheiden, sondern = 
beachten, sein Augenmerk auf etwas richten, was mit dem syrischen ı 
„inguisivit, investigarit“ gut harmonirt. Auch Lev. 27 wird die L 


Bedeutung ,unterscheiden“ erst durch die Construction mit 

hervorgebracht cf. Mal. 8, 11. 2 Sam. 19, 86. Jon. 4, 11. 1 Beg. 
8, 9, wo m) nach IN) pr ran in ähnlicher Weise die Bedeu- 
tungen dieser Verba modificirt. Wie nahe endlich die Bedeutung 
,castigatio“, welche nips Lev. 19 nach der Tradition zukommt, 
mit dem Grundsinn „beachten, betrachten“ zusammenhängt, zeigt 
die Vergleichung von 45. Der Stamm heifst daher im Grunde 
überall dasselbe, und die Losreifsung der in der Tabelle ange- 
führten Psalm- und Königsbücherstellen von den „aramaisirenden" 
Leviticusstellen ist ganz willkürlich : sind diese als aramaisirend 
später anzusetzen, dann ist dieselbe Annahme auch bei jenen notb- 
wendig. Dals 2 Reg. 16, 15 der zweiten Periode der Sprachgeschichte 
angehört, wird durch die Facta bestätigt, welche sie erzählt. Bie 
durfte daher auch nicht von Ryss. 8. 72 zum Erweis für das Vor- 
kommen von MD in allen Perioden der Sprachgeschichte ver- 


wendet werden. Vielmehr hätte auch aus diesem Beispiel ersehen 
werden können, wie prekär die Annahme von einer perantiquites 
des Genesis-Elohisten ist. 

An Da ich der Ueberzeugung bin, dafs der Elohist jünger ist, als 
Lev. 17—26, so habe ich auch alle späten Vocabeln aus diesem 
Codex als wichtig für die Zeitbestimmung des Priesteroodex mit 
angeführt. Wenn sie im Elohisten sich nicht fanden, sind wie hier 
ihre bestiglichen Stellen besonders angegeben. 


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Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. 199 


"> Zu Ex. 84, 10 : Der Uebersicht wegen habe ich hier und an 
anderen Stellen die deuteronomistischen Einschübe in JE mit 
eingetragen. 

Um neben der auffälligen Verwandtschaft zwischen dem Elo- 
histen und Jos. 33 auch die späte Abfassungescit dieses Stückes 
hervortreten zu lassen, habe ich das nicht elohistische Wort mit 
in die Tabelle aufgenommen. Auf zwei andere Erscheinungen 
spätester Art in Jos. 32 mache ich hier aufmerksam : on 23, 8 


ist ein reiner Aramaismus, im hebräischen Text des A. T. nur 
noch Kohel. 5, 18 und 3 Chron. 1, 11 f. of. D2) Eer. 6, 8. 7, 26. 


Nicht anders ist das v. 23 vorkommende TR su beurtheilen. Es 
ist cin hebraisirtes chald. Wort of. TID Ear. 4, 19. 


Pi Ich konnte es nicht über mich gewinnen, das 9375) :9U/ND 
1 Reg. 17, 1 unter >) mit anzuführen. Ueber die Gründe of. 
Then. s. d. St. 


m Kenner des elohistischen Lexicons werden unter } {my ver- 
missen of. Ryss. a. a. O. 8. 73. Aber wenn es auch das fast ein- 
stimmige Concert der eloh. Vocabeln nicht gestört hätte (Ex. 18, 
20. 2Kön. 6, 10. Ezech. 10 mal, Kohel. 2 mal, Chron. u. Ps. 19), 
so kann ich mich doch nicht überreden, dafs es Lev. 15, 81 im 
ursprünglichen Text gestanden habe. Dafs freilich Dillmann 
(Ex. u. Lev. Leipzig 1880) Recht hat DAMM V 357 dem gleichen 
vw vorzuziehen, leuchtet ein cf. Ges. Thes. zu ym 2) u. 8), 


aber was in aller Welt soll der Befehl : „ihr sollt die K. I. ab- 
mahnen von ihrer Unreinigkeit, dafs sie nicht sterben in ihrer Un- 
reinigkeit, wenn sie verunreinigen meine heil. Wohnung in ihrer . 
Mitte“ im Zusammenhang dieser Stelle und an sich? Eine Er- 
mahnung, sich vor Verunreinigungen in Acht zu nehmen kann 
nicht gemeint sein, das ganze Cap. handelt von Lustrationen und 
Reinigungsopfern, also lauter Handlungen, welche die Verunreini- 
gung bereits voraussetzen. Ebenso deutlich ist diese in dem Zu- 
"satz „dafs sie nicht sterben in ihrer Unreinigkeit“ etc. bereits als 
vorhanden gedacht. Aber : eine Ermahnung, dafs sich die K. I, 
wenn verunreinigt, entsündigen lassen, kann ebensowenig in diesen 
Worten liegen. Einmal wegen des Contextes nicht, denn unser 
Betz bildet die directe Fortsetzung des vorigen 117977 eb y 70>) 
FOP ap, durch welchen der Erfolg eines Stindopfers ange- 
geben wird. Sodann : man kann Jemanden von seinem bösen 
Weg abmahnen Es. 8, 18, aber von seiner Verunreinigtheit un- 
möglich, ebensowenig als man Jemanden von seiner Schuld ab- 
mahnen kann. Nach meiner Ueberzeugung hat für OMI oder 





200 Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. 


DON OHR im Texte gestanden of. 16, 19 u.5. — Nebenbei sei b+- 1: 
merkt, dafs auch Ex. 18, 20 das Wort auf einem Versehen beruhe f* 
mufs. "17 heifst ermahnen und kommt nie mit einem doppelte |- 

Accusativ vor, der nicht ohne eine starke Prignans gesetzt werde 
könnte. Auch unter deu von Levy im targum. Wörterbuch bi 
Tr “WN und ITIN angeführten Stellen findet sich das Verb, 
nur wieder in der Uebersetzung von Ex. 18, 20 mit doppelten 
Accusativ. Ferner palst die Aufforderung, die K. I. zu den thoroth 
zu ermahnen,, gar nicht in den Zusammenhang dieser Stelle. Dis 
„Lehren“ sind dem Volke nach gar nicht bekannt, das zweit 
Versglied zeigt, dafs hier vielmehr die erste Belehrung des Volks 
von Jethro dem Mose anbefohlen wird. Nach Deut. 83, 10, w 
die [°36Hv'y und die SM als Object desselben erscheinen und 
nach Ex. 4, 12, 15, wo wir es mit einem doppelten Accusatir 
im Zusammenhang von JE. vorfinden, ist offenbar nur mn hier 


an der Stelle. sym wurde zu AP Ay; of. Lev. 15, 81. Uebrigens 
nöthigt nicht einmal das d:auaerveouac der LXX zu der Ar 
nahme, dafs sie hier 77) las, denn sie übersetzt auch an anderen 
Stellen : Ez. 16, 2. 20, 4 das dem 7) sinnverwandte yyy mit 
jenem terminus. 

Man Auch das Verbum or scheint nicht alt zu sein, Prov. Deut. 


2 mal Chron. bieten es. Ob es 1 Reg. 8, 68 wirklich der Quelle 
angehört, mufs sehr zweifelhaft erscheinen, auch die sonst nicht 
vorkommenden O20 Gen. 14 erregen Bedenken, da das Cap. 
stark tiberarbeitet ist. 

myo Auch in der Bedeutung „Zaun“ nur Ezech. 46, 28 cf. das 


gleichbedeutende "AM a. a. O. Dieses erscheint in der Wendung 
„Reihe“ ebenfalls im Elohisten 11 mal, bei der Beschreibung des 
Tempels 1 Reg. 6 f. 9 mal und in der Chronik 2 mal. Doch 
scheint der Ausdruck ein terminus technicus gewesen zu sein und 
ist deswegen nicht mit aufgeführt. 

wa Die ältere Zeit scheint statt des Qal das Piel bevorzugt zu haben 
cf. 2 Sam. 8, 11. 

ap) erscheint in der ganzen Literatur und ist deswegen als zu wenig 
bedeutungsvoll weggeblieben. Ob ihm auch schon in der alten 
Literatur der Sinn ,verfluchen* zukam, mufs freilich zweifelhaft _ 
bleiben : es kommt so nur Lev. 24, 11, 16, Hiob 2 mal, Prov. i 
2 mal vor. Jedenfalls sind die unter 55) von Gesen. im Thes. 
angeführten Stellen aus dem Segen Bileam’s richtiger Jap zum 
weisen. : 

YI Andere Stellen, an welchen py als Bezeichnung eines freund 
lichen Entgegenkommens erscheint : Jes. 47, 8. 64, 4 = schonen, 
sind ebenfalls spät. 





Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 201 


vw in der Bedeutung ,distincte dixit“ ist sicher ein Aramaismus, 
dagegen kann un ein echt hebräisches Wort sein. 

my Die nowy Hos. 5, 2 oder Down Ps. 101, 8 und ws) Ps. 40, 5 
sind von wiz abzuleiten und darum nicht mit angeführt. 

naioyı Der Stamm spy ist schwerlich echt hebräisch, cf. xD und 
was: er findet sich in Appellativen nur noch Jes. 2, 16 my 
und WY Hiob 38, 86. Die zweite Stelle ist spät, die Schwierig- 


keit der ersten bekannt. Nicht unmöglich wäre es. "Di, wenn 
hier ursprünglich, als aramäisch-phönizisches!Fremdwort zu erklärep. 
Anch an anderen Stellen, s. B. in der Aufsählung des Frauen- 
putses C. 8 bietet Jesaia aramäische Ausdrücke, welche die Juden 
von den sie umgebenden Culturvölkern angenommen haben müssen. 
Uebrigens sind die 9D 0°35 Eechmunasar Z. 8 und 18 auch 
nicht alt, über den Einflufs des Aram. auf das Phöniz. cf. Schrö- 
der, Phin. Sprache, 8. 25 und das unten in Betreff des Buff. 77... 
bemerkte. — Was endlich das nom. propr. 15j9 oder my 1 Sam. 


19, 32 angeht, so erweckt schon die Form und die Analogie von 
whe YH kein sehr grofses Vertrauen dazu, dafs hier ein alt- 


bebräischer Name vorliegt, auch yyy Es. ist nicht alt. of. Olsh. 


Hebr. Gramm. 8. 1446. Zudem dürfte mit Wellhausen, Text 
der Bücher Sam. 8. 114 nach LXX %yy3 zu emendiren sein. 

mw Tw Auch hier habe ich Deut. 88, 4 gestrichen. Wozu den Ballast 
von verderbten Stellen mit sich herumschleppen — Niemandem 
zum Nutzen? 


Um die Tabelle richtig beurtheilen zu können, sei zu- 
nächst bemerkt, dafs aus derselben alles bedeutungslose 
Material weggeblieben ist, also diejenigen Stämme und ein- 
zelnen Worte des Elohisten, die gar nichts charakteristisches 
an sich tragen, solche nämlich, welche ziemlich gleichmäfsig 
in allen Zeiten der hebräischen Literaturgeschichte ver- 
treten sind. Dagegen sind vor Allem diejenigen Ausdrücke 
berücksichtigt, welche für die Geschichte des Lexicons 
wirklich von Interesse sind, sofern sie sich in einer be- 
stimmten Literaturperiode besonders häufig finden. Hier- 
bei sind sowohl nur einzelne Derivationen des Verbi resp. 
Nominis in Frage gekommen, wenn sie irgend ein charak- 
teristisches Merkmal darboten, als auch ganze Wortstämme, 


202 Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. 


auch wenn nur gewisse Formen derselben beim IN ee nt 
vorkamen, falls sie nur von sprachgeschichtlicher Viet 
keit waren, mit aufgeführt worden. Aufserdem sind w# 
gelassen alle mehr stilistischen Eigenheiten, sofern 
selben nicht wiederum ein bestimmtes, früheres oder späte» 
Zeitalter kennzeichnen. Auf stilistischem Gebiete ist 

die Nachahmung eines früheren durch einen späteren so leice— 
möglich, dafs unter Umständen die Uebereinstimmumy 
zweier Schriftsteller in diesem Punkte sehr irreführend seuz 
kann. Aber auch gewisse Kunstausdrücke des Elohisten 
glaubte ich aus der Tabelle weglassen zu sollen, z. B. Be 
zeichnungen der Opfer und Opfergeriithe u. s. w. Dies 
sind ja nicht in allen Büchern des A. T. zu erwarten, ihr 
Fehlen in dieser oder jener Periode der Sprachgeschichte 
kann also unter Umständen nur aufdem Stoff der betreffea- 
den Literaturperiode beruhen. So kann z. B. die Ueber- 
einstimmung des Eluhisten mit Ezechiel in einer Reihe 
von termini technici des Cultus gar nichts für späten Ge 
brauch derselben beweisen !). 

Betrachten wir nach diesen nothwendigen Vorbemer- 
kungen nun die Tabelle, so springt in die Augen, wie 
wenig die ältere Literatur unter den angeführten Stellen 
vertreten ist. Lassen wir einmal die Kritik ganz bei Seite, 
nehmen wir die aufgeführten Stellen, wie sie sich uns 
geben, so finden wir unter den aufgeführten Worten ein 
einziges, das dem Elohisten allein mit der älteren Literatur 
eigen ist, nämlich tmx). Andere, welche aufser dem Elo- 
histen sich noch in der älteren Literatur vorfinden, wie 


1) Dooh denken wir nicht, dafs uns Jemand des ungleichen Mafses 
beschuldigen wird, wenn wir 2» nicht unter diese Ausdrücke rechnen 
und es also in der Tabelle mit aufführen. Es ist ja offenbar nicht ein 
specieller terminus wie etwa nb y u. a, sondern eine ganz allgemeine 
Bezeichnung der Gabe wie 7pjy. Da dieses in der alten Literatur | 
häufig ist, so wäre, wenn 12"jD damals bekannt gewesen wäre, sein 
Vorkommen ebenfalls zu erwarten. 


Giesebrecht, sur Hexatenchkritik. 203 


MD, 83 Was, nbeion. sind auch in der spätesten noch 
recht häufig, und die Verhältnisse liegen hier keines- 
wegs so, dafs man annehmen mülste, sie seien in der 
späteren Literatur reine Treibhauspflanzen, die gar nichts 
mit der Volkssprache zu thun gehabt hätten. Auch kann 
s. B. auf #29 und Mwnn als alte Vocabeln schon des- 
wegen gar kein Werth gelegt werden, weil sie im J. Jahr- 
hundert vorkommen, wenn sie auch im 6. (wahrscheinlich 
sus reinem Zufall) fehlen. Was 219 und new anlangt, 
welche im Alterthum vorkommen, dann im 7. Jahrhundert 
fehlen, aber vom Exil und der Zeit nach dem Exil darge- 
boten werden, so wird man, falls jene Stellen aus dem 
Alterthum mit Recht angeführt sind, über das Nichtvor- 
kommen im 7. Jahrhundert ähnlich urtheilen mtissen, wie 
über. 923 und mbv/pp und ihre Abwesenheit im Exil. Man 
sieht, die Ausbeute an wirklich alten Worten ist gleich 
Null, die meisten Vocabeln des Elehisten, die auch in der 
alten heiligen Literatur erscheinen, tragen gar kein be- 
stimmtes Gepriige, sondern finden sich auch in den anderen 
Denkmälern. Die Zahl der aufgeführten Worte oder Wort- 
stämme, welche überhaupt vor dem 7. Jahrhundert vor- 
kommen, beträgt, wenn die Ausbeute der folgenden Kritik 
ganz aus den Augen gelassen wird und nur diejenigen 
weggelassen werden, welche durch eclatante, allgemein an- 
erkannte Textfehler- in der alten Literatur vorkommen, 28, 
also noch nicht einmal ein Drittel aller aufgeführten Vo- 
cabeln. Die folgende Kritik aber wird, wie ich denke, 
nicht mit willkürlichen Mitteln diese Zahl bedeutend her- 
abmindern. Aber selbst angenommen, alle meine Resultate 
wären zu verwerfen, diese 28 Worte kämen wirklich vor 
dem 7. Jahrhundert vor, so würden sie offenbar nach dem 
oben bemerkten nicht halb so viel für die Abfassungszeit 
des Elohisten beweisen, als 10 echte, unzweifelhafte Ara- 
maismen. Hierzu kommt noch folgender, von selbst ein- 
leuchtender Grund : Die scheinbar alten elohistischen Vo- 





904 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


cabeln kommen in der Regel tn der alten Literatur gan} 
sporadisch vor, während die jüngere Literatur sie in hella ¥ 
Haufen darzubieten pflegt. - 
Diese Thatsache werde nun etwas genauer betrachte F 
und an einzelnen Beispielen erläutert. — Eine der wick 
tigsten Quellen für die älteste Gestalt der hebräischen 
Sprache sind nach allgemeinem Urtheil aller Parteien die {' 
Lieder, welche uns hier und da im Texte der historische 
Bücher begegnen; ist der Elohist in der That einer de 
ersten Schriftsteller des A. T., so werden wir erwarten 
müssen, dals sich seine Sprache vor Allem mit der dieser f 
Gesänge berührt. Doch wir sehen uns in dieser Erwar 
tung sehr getäuscht : nur an einer Stelle im Segen Js 
cobs und an drei aus dem Segen Bileams finden wir elo- 
histische Vocabeln. Hierzu kommt, dafs es sich an dre 
von diesen vier Stellen um eine Gottesbezeichnung : d ; 
schaddai handelt, welche einmal in späteren Dichtungen : 
auch nicht selten ist, sodann aber als Name wenig Auf- " 
schlufs über den eigentlichen Sprachgebrauch der alten 
Zeit giebt. Die vierte Stelle aber ist, wie fast allgemein 
zugestanden, corrumpirt cf. die Bemerkungen zu 71. Da 
wir noch Gelegenheit haben werden, eine gewisse Vorliebe 
des Elohisten für poetischen Vocabelschatz zu beobachten, 
so ist diese auffällige Abweichung seines Sprachgebrauches 
von dem der älteren Lieder sehr bemerkenswerth. — Fassen 
wir weiter das Verhältnifs der elohistischen Sprache zu 
derjenigen der älteren Propheten bis Jesaia und Micha ins 
Auge, so finden wir von den hunderten der in der Tabelle 
aufgeführten Stellen, an denen sich die elohistischen Vo- 
cabeln aus dem A. T. erheben lielsen : 12 aus Jes., Mich, 
Hos. und Amos. Wie der Text an den genannten Stellen 
beschaffen ist, davon wird weiter unten noch die Rede sein, | 
jedenfalls giebt sich eine Reihe derselben als interpolirt und 
ist auch schon von Anderen dafür erkannt worden. Da 
gegen ändert sich dies Verhältnils wie mit einem Schlage, 








Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. 205 


ald wir dem Exil nahe rücken : der Prophet Jeremia 
schliefslich der Threni) bietet an 58 Stellen elohistische 
‘tabeln. Selbst wenn man in Rechnung bringt, dafs der 
fang jener vier Propheten nur ungefähr drei Viertel 
ı dem Buch des Jeremia ausmacht, bleibt dies Verhält- 
; im höchsten Grade auffallend. Dafse dasselbe sich 
ht etwa daraus erklärt, dafs Jeremia als Priester das 
histische, der grofsen Menge unzugängliche Gesetzbuch 
ınte und von ihm unwillkürlich seine Sprache beein- 
sen liefs, geht aus einer anderen Thatsache hervor. In 
njenigen Gesetzbuch nämlich, das nach der traditionellen 
schauung die Ideen des Priestercodex popularisirte, dem 
uteronomium, dessen Umfang etwa demjenigen jener 
r älteren Propheten gleichkommt, finden wir die in der 
belle aufgeführten elohistischen Vocabeln an 29 Stellen, 
o an so wenig, dals sie nur die Hälfte der aus Jeremia 
thobenen ausmachen. Wie ganz anders mülste doch das 
xicon des Deuteronomiums aussehen, wie anders müfste 
h das Verhältnifs der elohistischen Vocabeln im Deu- 
‘onomium und Jerem. zu einander stellen, wenn man 
nehmen sollte, die gröfsere Häufigkeit elohistischer Worte 
beiden Büchern gehe aus einer Kenntnifs des priester- 
hen Gesetzes hervor! Bei dem Gesetzgeber sollten die 
ıklänge an den Priestercodex so bedeutend geringer sein, 
s bei dem Propheten! Gehen wir, um uns weiteren 
off zur Beurtheilung zu gewinnen, auf die Schriftsteller 
s Exils über. Da mehren sich die Stellen mit elohisti- 
hen Worten in noch bemerkenswertherer Weise. Bei 
wterojesaia finden wir nicht weniger als 72, also, da der- 
be mit den übrigen prophetischen Stücken des Buches 
saia, welche dem Exil angehören, zusammen noch nicht 
mal die Hälfte des Umfangs von Jeremia’s Buch er- 
ht, im Verhiiltnifs weit über 2 mal so viel Stellen, als 
emia darbietet. Alle anderen lifst endlich Ezechiel mit 
‚en 192 Stellen hinter sich zurück, obwohl das Ver- 





206 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


hältnifs zwischen ihm und Deuterojesaia sich einigermalsen 
ausgleicht, wenn man erwägt, dals sein Buch ungefähr 
doppelt so grofs als das jenes Propheten ist. Endlich ist 
von Wichtigkeit, dafs Hiob und Proverbien, die zusamma 
noch nicht den Umfang des Propheten Jeremia erreichen, 
an etwas über 80 Stellen elohistisches Sprachgut aufweisen, 
dafs aber diese Prävalenz über Jeremia durch das im Bod 
Hiob allein 30 mal vorkommende schaddai bedingt scheint. — 
Aus den bisher betrachteten Thatsachen ergiebt sich dem- 
nach eine allmählich immer mehr steigende Berührung der 
prophetisch-poetischen Literatur mit dem Lexicon des Eic- 
histen : in der alten Zeit fast gleich null, im 8. Jahrhundert 
noch sehr mäfsig, erhebt sie sich im Deuteronomium za 
einer Stärke, welche die der älteren Literatur fast um das 
doppelte übertrifft, und steigt von da fortdauernd von Hiob, 
Proverbien und Jeremia bis Deuterojesaia und Ezechiel '). 


Wenden wir uns nun zu den geschichtlichen Büchern, 
auch hier zunächst den einfachen Thatbestand ohne Kritik 
constatirend. Das Richterbuch liefert an 11 ‘Stellen elo- 
histische Worte, die Samuelisbücher nur an 6, die Königr- 
bücher dagegen an 31, und an ungefähr ebenso vielen das 
Buch des Jehovisten. Hiernach scheint das Verhaltnifs 
der elohistischen Sprache zu derjenigen der älteren Pross 
der Annahme einer früheren Entstehung des elohistischen 
Buches bei weitem günstiger zu sein als ihr Verhältnifs su 
den älteren Propheten. Aber von einem allzuschnellen 
Urtheil mufs die Beobachtung abhalten, dafs die elohistischen 
Worte in den angeführten Schriften so aufserordentlich 
ungleich vertheilt sind. Warum in den Samuelisbtichern 
so viel weniger Stellen mit elohistischen Vocabeln als in 
den Königsbüchern? Und, da die Königsbücher von so 


1) Die Psalmen sind hierbei ihrer unsicheren Datirung wegen st 
nächst aus dem Spiel geblieben. 





Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 207 


iel späteren Gegenständen reden als die Bamuelisbücher, 
a ihre Erzählungen sogar Gegenstände des Exils betreffen, 
äbrend die Geschichte dieser Berichte mit David ab- 
:hliefst, so bietet sich als einziger Erklärungsgrund wieder 
ie Annahme, dafs dieSprache des Elohisten mehr gemein- 
ımes mit derjenigen der späteren Zeit hatte, während sie 
on derjenigen früherer Jahrhunderte beträchtlich diffe- 
rte. Indessen man wendet uns ein, dafs ja der Jehovist, 
essen Erzählung noch frühere Zeiten als die der Richter- 
nd Samuelisbücher betreffe, in seinen Berührungen mit 
em Elohisten gans auf der Stufe der Königsbücher stehe. 
s könne also jenes Herabsinken der Zahl elohistischer 
Vorte in Richter- und Samuelisbb. nur auf einem Zufall 
eruhen. Man sieht : hier kann man nicht einfach addiren 
hne Rücksicht auf Kritik, wir müssen vielmehr - einen 
lick auf die Abfassungsseit jener Bücher werfen resp. auf 
ie Art der Bearbeitung derselben von Seiten ihrer Ver- 
wser oder Redactoren, um hieraus über die angeregte 
rage ein Urtheil zu gewinnen. Da ist zunächst bekannt, 
afs alle genannten Bücher, den Jehovisten nicht ausge- 
ommen, sei es im Exil oder kurz vor dem Exil, jedenfalls 
sch 621 in den jetzigen Zustand gekommen sind. Weiter 
t völlig evident, dafs die Redactoren der betreffenden 
ücher den überlieferten alten Quellenstoff sehr ungleich 
erarbeitet haben. Am besten ist derselbe nach allge- 
einem Urtheil in den Samuelisbüchern conservirt. Ganze 
'artioen desselben, besonders am Ende des ersten und An- 
ıng nebst Mitte des zweiten Buches, sind fast unverändert 
rhalten worden. Dagegen hat der Redactor am Anfang 
es ersten Buches in der Geschichte Samuels einige pro- 
hetische Reden eingeflechten, die man sogleich am ganzen 
onfall als abhängig vom Deuteronomium erkennt, und 
userdem am Schlufs des zweiten Buches einige Lieder 
geschoben, welche eine besonnene Kritik dem David 
tht zusprechen kann. Dafs der Redactor auch sonst 





208 Giesebrecht, zur Mexateuchkritik. - 


ziemlich frei mit der Anbringung von Liedern schaltete, 
zeigt das Lied der Hanna, bei dem von Echtheit gar nicht 
die Rede sein kann. Sehr interessant und offenbar für 
die oben ausgesprochene Vermuthung höchst günstig ist 
es daher, dafs sich von 1Sam. 13 bis 2 Sam. 21 nur 2 von 
den 6 Stellen finden, welche elohistische Vocabeln bieten, 
dafs dagegen die anderen vier theils 1 Sam. 12 in einen 
entschieden deuteron. Stücke !), theils 2 Sam. 22 und 3 
in den eingeschobenen Liedern vorkommen. Ganz ähnlich 
verhält es sich mit dem Richterbuch. Dafs auch hier der 
Redactor zuweilen stark eingegriffen hat, kann Niemand 
leugnen, und auch hier drängen sich die elohistischen Worte 
meist in solchen, vom Redactor besonders abhängigen ' 
Stellen zusammen, von den 11 angeführten z. B. allein 6 
in Cap. 20 und 21, ein siebentes begegnet im zweiten 
Capitel, einer sicher redactionellen Stelle 2). Wie es mit 
den übrigen 4 Stellen beschaffen, darüber siehe unten be 
son naw my und mn, aber selbst angenommen, wir 
hätten in ihnen gut überliefertes altes Quellenmaterial, 
wäre es doch bei der traditionellen Annahme von dem Alter 
des Elohisten kaum zu verstehen, dafs derselbe sich mit 
den Quellen von Jud. und Sam. nur in 6 Stellen berührt. 
Und wunderlicherweise machen wir bei den Königsbüchern 
ganz dieselbe Beobachtung. Auch hier treten in denjenigen 
Stücken, welche von der Ueberarbeitung des exilischen 
Redactors am wenigsten beeinflulst worden sind, die elo- 
histischen Worte gar nicht hervor. Von 1 Reg. 17 bis 
2 Reg. 10 erstrecken sich die Geschichten von Elias und 
Elisa, aus älteren Quellen erzählt, nur selten von deuterono- 
mistischer Hand tingirt, und in dieser ganzen Partie begegnet 
uns keine elohistische Vocabel, ebensowenig in den 4 ersten 


') ef. auch Schrader, Lehrbuch der hist. crit. Einleitung in A.T. 
8. 338. 
*) cf. Schrader, a. a. O. 8. 328. 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 909 


Capp. des ersten Königsbuches, welche nur in Cap. 3 deuterono- 
mistisches Gut enthalten. Dagegen sind die elohistischen An- 
klänge in dem letzten Stück des zweiten Buches dichter gesäet, 
nämlich vom 15. Cap.an. Aber diese Partie kann, schon wegen 
der Zeit, die sie schildert, gar nicht vor dem 7. Jahr- 
hundert verfalst sein, führt also wieder aus der älteren 
Literatur heraus. Sodann ist auffällig, dafs auch hier die 
elohistischen Vocabeln meist dicht beisammen stehen und 
sich gewöhnlich in solchen Stücken finden, welche auch 
eine nicht von Graf beeinflufste Kritik dem Redactor zu- 
weist cf. 16, 10, 15 myam, met und js"); 18, 25 
‘“ybap; 19, 6 nu; 20, 13, 18 Tan und mbwon *); 23, 13, 
4 pipw*); 25, 2 "wy np). Allein steht nur 53p 15, 
10 ®), dafs aber der Vers in den gewöhnlichen Wendungen 
des Redactors gehalten ist, braucht kaum bemerkt zu 
werden, auch I 16, 9 mit myn fällt unter dasselbe Ur- 
theil. — Gehen wir auf die erste Hälfte des ersten Buches 
ein, so braucht es für keinen, der den deuteronomistischen 
Redefall kennt, bewiesen zu werden, dafs 11, 5, 7, 34 ppw 
und av); 8,53 S13" gröfßseren Stücken angehören, welche 
deuteronomistischer Herkunft sind, auch 5,4 711 will selbst 
nirgend anders als im Exil geschrieben sein. Also auch 
bei den Königsbüchern dieselbe Beobachtung, wie bei der 
bis jetzt in Betracht gezogenen älteren Literatur : nur an 
14 Stellen, die nicht sofort von dem Verdacht der redac- 


1) Auch nach Schrader, a. a. O. 8. 868, ist diese Stelle stark 
vom Deuteronomiker tingirt, seine Scheidung im einzelnen ist aber 
unmöglich, of. Bleek-Wellhausen, Einl. 8. 257 ff. 

*) cf. auch Schrader, a. a. O. 8. 858. 

®) Will man mit Ewald Qobolam für einen Namen halten, so 
würde, da der Stamm 555 im alten Hebräisch nicht nachweisbar ist, 
derselbe für ein aus dem Aramäischen herübergenommenes nom. propr. 
angesehen werden müssen, also auch einer wirklichen Bedeutung für 
unseren Zweck entbehren. 


Zeitschrift f. d. alttest. Wien. Jahrgang 1. 1881 14 


210 Giesobrecht, sur Hexateuchkritik. 


tionellen Bearbeitung getroffen werden !), bieten sie Be- 
rührungen mit dem Elohisten. — Was endlich die 30 aus 
dem Jehovisten angeführten Stellen anlangt, an denen wir 
elohistische Vocabeln antreffen, so sind sie freilich nach 
dem sonstigen Verhiltnifs zwischen dem Lexicon des Elo- 
histen und demjenigen der alten Literatur recht dazu an- 
gethan, unsere Verwunderung über den mirus concentus 


!) Wir haben uns im Obigen begnügt, nur diejenigen Stellen aus- 
sunehmen, welche aus offen zu Tage liegenden und, wie der Leser aus 
der vielfachen Uebereinstimmung mit Schrader’s Analyse ersehen 
kann, auch von Anderen anerkannten Gründen der späteren Literatur 
zugewiesen werden müssen. In der That bieten die oben zunächst als 
alt unangefochtenen Stellen keineswegs wirklich sicheres Quellenmaterial 
dar. Der Uebersicht wegen stellen wir hier kurs die im folgenden 
hier und da zerstreuten kritischen Bemerkungen über jene Stellen su- 
sammen. 1) Es erregt Aufsehen, dafs diese 14 Stellen meist nicht ver- 
einzelt auftreten, sondern gewöhnlich in grifseren Gruppen susammen- 
stehen : 7, 14, 20. 8, 1, 5, 68. 9, 19, 28. 11, 15, 16. 12, 18, 20, einzeln 
nur : 5, 80. 10, 15. Das führt offenbar auf den Gedanken, dafs sie 
einer, hier und da in den Text eingreifenden, sei es zufügenden, sei os 
umarbeitenden Hand ihre Entstehung verdanken. 2) Diese Beobach- 
tung bestätigt sich dadurch, dafs wir, wie auf Verabredung, eine Reihe 
dieser Worte in der LXX vermissen : 5, 30. 8, 1, 5. 12, 20. Diese 
Auslassungen aus einer blofsen Flüchtigkeit des Uebersetsers zu er- 
klären, geht nicht an, denn die Uebersetsung trägt sonst nicht den 
Charakter der Eilfertigkeit. Wer z. B. das yy x) 8, 1 übersetzte, 
hätte auch das ‘=y/m ‘Imm mir 8, 2 wiedergegeben, durch welches 
der für einen Sp&teren unverständliche Ausdruck YYymın?] fy) erklärt 
wurde. Ebenso wunderlich wäre es, wenn 5, 80 das Oy3 OW un- 
übersetzt blieb, dagegen ‘5 ‘wy wiedergegeben wurde. Die elohisti- 
schen Ausdrücke beruhen hier vielmehr auf Interpolation, die s. Th. 
nicht ohne Absicht ausgeführt wurde. 3) Andere Stellen : 7, 20. 9, 
19, 23 gehören grölseren oder kleineren Partieen an, welche ebenfalls 
in der LXX fehlen, auch hier hat die LXX zweifellos den älteren 
Text. 4) Das hierdurch erweckte, für die LXX günstige Vorurtheil 
wird weiter durch 10, 15 bestätigt, wo die Königsbücher einen ganz 
sinnlosen Sats bieten, während der Text der LXX gut in Ordnung ist 
und zur Reconstruction des hebräischen Textes verwerthet werden kann. 
(cf. zu dem oben Bemerkten auch Wellhausen a. a. O. 8. 281 ff.) 
Werden hierdurch die elohistischen Worte in den Quellen der Königs- 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 211 


zwischen Elohisten und Jehovisten zu erwecken, wie sie 
das Erstaunen Ryssel’s erregt haben. Giebt man sich 
aber Rechenschaft über das Verfahren der verschiedenen 
Redactoren, durch deren Hände unser Pentateuch gegangen 
ist, ehe er zu seiner jetzigen Gestalt kam, so verschwindet 
dies Erstaunen völlig. Ryssel scheint ganz auf die An- 
schauungen Astrucs zurückzugehen, indem er annimmt, 
dafs da, wo sich charakteristische Eigenthümlichkeiten der 
einen Quelle im Zusammenhang der anderen vorfinden, 
dieselben an dieser Stelle ursprünglich und also auch der 
zweiten Quelle eigenthümlich seien. So stand z. B. nach 
Ryssel’s Ansicht auch nyıSın als ein ursprünglicher Be- 
standtheil im Zusammenhang des Jehovisten. Wird dies 
Princip durchgeführt, so hört offenbar‘ jede Möglichkeit 
der Sonderung der Quellen auf, geht man bei einem Worte 
wie mon To nicht mehr sicher, dann ist jeder Willkür 
Thür und Thor geöffnet. Etwas ganz anderes ist es ja, 
aus der Thatsache, dafs sich ATS u. ä. im jehovistischen 
Zusammenhang findet, den Schlufs ziehen, dafs der Verf. 
der jehovistischen Quelle den Elohisten gekannt und aus 
ihm jenes Wort herübergenommen habe. Dies ist offenbar 
die eine der zwei Möglichkeiten, wie man sich ein solches 
Vorkommnifs erklären kann. Die andere Möglichkeit ist 
anzunehmen, nicht durch den Verf. des Jehovisten, sondern 
durch den Redactor des Hexateuch seien jene genuin elo- 
histischen Ausdrücke in den Jehovisten hineingerathen. 
Einer von diesen beiden Annahmen zu folgen ist wie es 
uns scheint deswegen nothwendig, weil die elohistischen 


bücher abermals um 9 vermindert, so bleiben uns nur 5 : nämlich 

mp 7, 14. "un 8, 68. N 11, 15, 16. Oy 12, 18, aber auch diese 

werden theils durch die bedenkliche Nähe von interpolirten resp. über- 

arbeiteten Stellen verdächtig, theils erwecken sie deswegen Bedenken, 

weil sie wie g} nur durch eine leichte Aenderung der Schreibung 

aus sonst in den alten Quellen vorkommenden Worten verderben konnten. 
14* 





212 Gicsebrecht, sur Hexateuchkritik. 


Worte im Jehovisten so vertheilt sind, dafs sie sich keine 
 wegs über alle Theile desselben gleichmälsig verbreiten, | 
sondern bald hier bald da auftauchen und weil sie weiter | 
häufig in kleineren, leicht abszugrensenden Stücken als 
gröfsere Gruppen auftreten '). Weil aber endlich der Re 
dactor durch die Art wie er an gewissen Stellen, z.B in 
der Sündfluthgeschichte, mit dem Quellenmaterial verfahren 
ist, zeigt, dals ihm eine so mechanische Zusammenftigung 
der Quellen, wie sie der oben angeführte Vater der Pents- 
teuchkritik annahm, fern gelegen hat, dafs er vielmehr 
auch hier und da mit eigener Hand eine Harmonisirung 
der einander widersprechenden Berichte versuchte etc., s0 
scheint mir hierdurch die zweite der oben angeführten 
Möglichkeiten hinreichend gerechtfertigt, um mit ihr die 
Lösung des in Rede stehenden Problems zu versuchen. 
Endlich sei hier darauf verwiesen, dafs die sachliche Kritik, 
selbstverständlich Hand in Hand mit der sprachlichen, in 
einer ganzen Zahl elohistisch gefärbter Jehovistenstellen 
und umgekehrt Einfügungen spätester Art erkannt hat, 
der Beweis dafür kann selbstverständlich nur im Einzelnen 
geführt werden : bei Besprechung dieser oder jener der- 
artigen Stelle werden unten die betreffenden Nachweisungen 
von uns gegeben werden. Es wird sich dabei heraus- 
stellen, dafs nur an verschwindend wenigen Stellen die 
elohistischen Worte im Zusammenhang des Jehovisten 


!) Ein verhängnifsvoller Fehler Ryssel’s scheint mir der su sein, 
dafs er swischen den oben angegebenen beiden Möglichkeiten einen 
Mittelweg suchte, indem er die ungefähre Gleichzeitigkeit des Elohiste: | 
der Genesis und des Jehovisten annahm, denn anders wird man ) 
allerdings etwas nebelhaften Aussagen über die perantiquitas de | 
eloh. Sprache nicht auffassen können. Er hat nämlich, wie wir noch 
weiter unten su zeigen suchen werden, den tiefgreifenden Unterschied 
zwischen der eloh. und jehov. Sprache, sonderlich in lexicalischer Be 
sichung, als einen rein stilistischen aufgefafst, während derselbe nur 
sus verschiedener Abfassungsseit begriffen werden kann. 





214 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


exilischen Geschichtsbücher machen kaum die Hälfte dea 
Umfangs der älteren aus, sollten daher die Bertührunge 
beider mit dem Elohisten auch nurgleichstehen, so mülsten 
die alten geschichtlichen Schriften 200 Stellen anfweite, | 
an denen sich die elohistischen Worte antreffen lassen. | 
Einen deutlicheren Beweis dafür, dafs der Elohist in li 
calischer Beziehung mit den späten Schriften auf einer 
Stufe steht, kann man nicht verlangen. 

Fafst man aber das wahre Verhältnifs ins Auge, w 
wird die späte Abfassung des Elohisten ungleich evidenter: 
von den oben gerechneten 78 Stellen aus der alten Prosa 
können ja nicht einmal 20 als wirklich gesichert gelten. 
Hiernach erreichen die Berührungen des Elohisten mit 
der alten Prosa noch nicht einmal ein Zehntheil von dem- 
jenigen, was sie liefern müfsten, wenn sie denen mit 
Chronik u. s. w. auch nur gleichkommen wollten. 

Dafs diese Rechnung ungefähr das Richtige trifft, geht 
auch aus den zahlreichen Aramaismen hervor, denen wir 
beim Elohisten begegnen. Aus den unten angestellten 
Einzeluntersuchungen ergiebt sich, dafs wir deren nicht 
weniger als 30 nachweisen können. Hierzu kommen we 
nigstens noch 10, bei denen diese Annahme nahe liegt, 
besonders wegen der Thatsache, dafs sich überhaupt der 
artige Erscheinungen im Elohisten vorfinden. Denn ist 
einmal erst eine grifsere Zahl von Aramaismen in einem 
Buche sicher gestellt, so haben wir selbstverständlich auch 
bei anderen, sonst im Hebräischen seltenen und nur in 
späten Schriften vorkommenden Worten, die sich im Aram. 
finden, die höchste Wahrscheinlichkeit dafür, dafs zu ihrem 
Auftauchen in der Literatur aram. Einflufs mitgewirkt hat. 
Etwas über 10 von diesen aramaisirenden Vocabeln finden 
sich sonst im hebräischen Text des A. T. nicht wieder, 
einige von ihnen im bibl. Chaldäisch, ein Zeichen davon, 
dafs der Elohist nicht zu den frühesten, vom Aram. be 


3 
1 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 915 


einflufsten Schriften gehörte, die meisten theilt er jedoch 
mit der exilischen und nachexilischen Literatur. 

Als ein fernerer bedeutungsvoller Umstand ist hervor- 
zuheben, dafs uns im Elohisten eine ganze Reihe poetischer 
Ausdrücke begegnen. Diese Erscheinung finden wir auch 
in einer anderen Reihe von Schriften nichtpoetischen In- 
halts, nämlich bei den Geschichtschreibern des Exils. Die 
Historiographie, welche damals aufkam, war ja nicht im 
strengen Sinn objectiver Erforschung des Alterthums unter- 
nommen, sondern führte dem Volk die grofsen Gottes- 
thaten der Vergangenheit und die Sünden der Vorfahren 
vor die Augen, um es zu vermahnen und zu ermuntern. 
Sie setzte also neben den exilischen Propheten das Werk 
der älteren prophetischen und gesetzgebenden Gottes- 
männer fort. Daher war es natürlich, dafs sie sich in 
ihrem Stil an diese älteren Vorbilder anlehnte, und so 
wurden theils die geschichtlichen Begebenheiten selbst in 
schwunghaftem, rhetorischem Ton erzählt, theils geradezu 
Betrachtungen in dieselben eingeflochten, die ganz im Pre- 
digtstil gehalten waren. Aus diesem Grunde erklärt sich 
das häufigere Vorkommen poetisch-prophetischer Ausdrücke 
im Stil der exilischen Historiographen, so dafs derselbe 
sehr entschieden gegen die schlichte Erzählungsweise der 
älteren Quellen absticht. Um nun auf den Elohisten zu- 
rückzukommen, so werden wir unten den Nachweis ver- 
suchen, dafs dessen Lexicon ungefähr 20 derartige, z. Th. 
auch in den älteren Liedern, gewöhnlich aber bei den 
Dichtern und Propheten des späteren Zeitalters sich findende 
Ausdrücke enthält, welche uns theilweise auch von jenen 
exilischen Geschichtschreibern dargeboten werden. Zum rich- 
tigen Verständnifs dieser Thatsache ist noch hinzuzufügen, 
dafs die wirklich alte Prosa diesen Ausdrücken ganz fremd 
gegentibersteht. Man wird daher auch hier wieder auf die 
Annahme geführt, dafs der Elohist, wenn auch selbst nicht 
im Predigtstil schreibend, doch die Manier der Historio- 





216 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


graphen des Exils befolgte, theilweise wohl in directe 
Nachahmung derselben, sich der Ausdrücke eines gewählten, 
poetischen Stils zu bedienen. Die Richtigkeit dieser Be : 
obachtung wird ferner dadurch bestätigt, dals der Elohist | 
eine sehr bedeutende Verwandtschaft mit den Psalmen 
zeigt : von den in der Tabelle aufgeführten elohistischen 
Vocabeln werden an 80 Psalmstellen Beispiele geboten. 
Unter diesen Psalmen ist nach meiner Ueberzeugung keiner, 
welcher die Grenze des 7. Jahrhunderts nach oben über 
schritte, bei weitem die meisten sind auch von Anderen 
als exilisch oder nachexilisch erkannt. Was für die Ve- 
gleichung der Psalmensprache mit derjenigen des Elohisten 
besonders bedeutungsvoll ist, scheint mir der Umstand zu 
sein, dafs die Uebereinstimmung beider Schriften sich 
durchaus nicht nur auf Worte beschränkt, welche die 
Psalmendichter aus dem Elohisten entlehnt haben könnten, 
z. B. wp pow, 1M u. s. w., sondern dafs auch eine Reihe 
anderer Worte, die im Elohisten gar nicht besonders auf- 
fällig postirt sind, z. B. rUx) NI, NI a8 PW Ip “Wh, 
sich in den Psalmen wiederfinden. Die Berührung ist hier 
sichtlich eine unwillkürliche, sie mufs darauf beruhen, dafs 
die beiden Bücher ungefähr in derselben Zeit entstan- 
den sind. 

Was endlich die Uebereinstimmung des Elohisten mit 
der spätesten nachexilischen Literatur : Cant., Rut., Koh 
und Dan. angeht, so finden sich in der Tabelle 33 Stellen, 
an denen sich eloh. Vocabeln in diesen Büchern bieten. 
Da ihr Umfang nur mälsig über die Hälfte des Deutero- 
nomiums hinausgeht, so ist die Verwandtschaft zwischen 
ihnen und dem Elohisten um vieles bedeutender als die 
Uebereinstimmung mit jenem Gesetzbuch. 

Wir sehen : von allen Seiten bestätigt sich die exi- 
lische Abfassung des Elohisten. Nicht nur der zweiten 
Periode der Sprachgeschichte mufs er seinem Lexicon nach 
angehören, sondern nach dem Deuteron. ist er anzusetzen. 





218 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


fortgepflanzt worden sei? Abgesehen aber davon, dafs wir 
gerade zwischen der eigentlich prophetischen Historiographie 
des Exils und dem Elohisten eine Reihe interessanter Be. }: 
rührungspunkte entdeckten, ungerechnet ferner, dafs jene, :: 
der nicht prophetischen Historiographie ertheilten Epithets } 
das Sachverhältnifs nicht gerade verdeutlichen, jene Hypo- 
these Delitzsch’s, welche den Unterschied zwischen der } 
eloh. Sprache und derjenigen der alten Geschichtsbücher : 
als einen mehr stilistischen, als den Gegensatz sweier | 
„schriftstellerischen Strömungen“ aufzufassen sucht, erscheint | 
en sich unannehmbar. Vor allemdeswegen, weil sobald wir 
das streitige Object, den Elohisten, aus unserer Betrach- 
tung weglassen, der Unterschied zwischen jenen beiden 
Geschichtsschreibungen sich nicht als ein solcher von Strö- 
mungen, welche neben einander hergehen können, sondern 
einfach als eine Differenz zweier Zeitalter ergiebt. Von 
Jener nichtprophetischen historiographischen Strömung 
wissen wir vom 7. Jahrhundert an bis zu den ersten 
Anfängen der hebr. Literatur hinauf gar nichts, erst kurz 
- vor dem Exil beginnt ihr Wortvorrath plötzlich in der 
Literatur lebendig zu werden — aber auch hier vorzugs- 
weise bei Propheten und Dichtern. Sodann ist zu beachten, 
dals der Unterschied zwischen jehov. und eloh. Sprache 
‚durchaus kein blofs stilistischer ist, auch keineswegs als 
Gegensatz zweier theologischer Schulen angesehen werden 
kann, welche für göttliche Dinge und was mit ihnen in 
Zusammenhang steht verschiedene termini ausgeprägt 
hatten. Vielmehr für die Gegenstände des gewöhnlichen 
Lebens : für Besitz und Erwerb, für schreien und schluchzen, 
für fürbitten und bundschliefsen, für zeugen und sterben, 
für Fürst und Stamm, für auskundschaften und steinigen 
werden grundverschiedene Bezeichnungen gebraucht. Und 
dazu die auffallende Thatsache, dafs die eloh. Vocabeln 
zum Theil Aramaismen sind oder dringend dem Verdachte 
von Aramaismen unterliegen, sowie dafs eine Reihe aulser- 





Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 219 


lexicalischer Erscheinungen im Eloh. der späten, exilischen 
Sprache angehören — macht Delitzsch diese Thatsachen 
auch nur einigermafsen verständlich durch seine Annahme ? 

Indessen, es ist noch eine Hypothese zu besprechen, 
welche wenigstens einen Theil des Elohisten für das Alter- 
thum retten will. Ryssel giebt zwar zu, dafs in den 
gesetzlichen Partieen des Elohisten sich eine solche Zahl 
von Aramaismen und Zeichen später Abfassungszeit finden, 
dafs man sie in das Exil verlegen müsse, die geschicht- 
lichen Theile in Genesis und Exodus aber glaubt er für 
alt halten zu können. Zunächst sei bemerkt, dals, was er 
an Spuren höchsten Alterthums in ihnen nachzuweisen 
sucht, weiter unten kritisirt werden wird. Es wird sich 
da herausstellen, dafs dies Urtheil auf unzureichender In- 
formation beruht. Weiter ist dem gegenüber darauf auf- 
merksam zu machen, dafs Ryssel selbst in den geschicht- 
lichen Partieen des Exodus vor Cap. 25 Aramaismen wie 
Asay und "yn nachgewiesen hat, und dafs es dem gegen- 
über inconsequent ist, Worte wie mx und px), die man, 
wenn sie einige Capitel später vorkämen, für Aramaismen 
erklären würde, hier anders zu beurtheilen. Sodann er- 
lauben wir uns, auf folgenden Schatz elohistischer Vocabeln 
der historischen Genesis- und Exoduspartieen hinzuweisen, 
welche theils Aramaismen sind, jedenfalls aber nur in den 
späteren und spätesten Büchern des A. T. sich finden : 
AI DT, NAP} JW» 929; MP} 29, AN Hy, MEY MID. 
maw (cf. unten), 77%, Mos Wy WI OUD pW, MIR 
yi win} Max. Wie soll man die Uebereinstimmung der 
späteren Zeit mit dem Elohisten in Bezug auf diese Worte 
beurtheilen? Die Annahme, dals die exilischen Schrift- 
steller sie aus der alten eloh. Sprache entlehnt hätten, ist 
deswegen unmöglich, weil eine Reihe dieser Worte sich in 
der Genesis und Exodus nur an äulserst wenigen Stellen 
finden, man mülste geradezu glauben, die exilischen Schrift- 
steller hätten dieselben mit der Absicht, sie sich anzu- 





220 —C Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


eignen, aus dem Verborgenen hervorgesucht. Ja maa 
müfste noch weiter gehen und sich zu der Meinung be 
kennen, diese künstlich belebten eloh. Vocabeln hätte 
dann die Fähigkeit gehabt, noch weitere Spröfslinge her- 
vorzubringen, denn, im Elohisten nur in einer Derivation 


auftretend, zeigen sie sich im Exil in einer ganzen Reihe | 
verbaler und nominaler Derivate. Wodurch aber werden 


diese Fragen einfacher und überzeugender beantwortet, als 
durch den Gedanken der späten Abfassungszeit auch dieser 
Partieen des Elohisten? Die Auseinanderreifsung des 
Buches beruhte ja nur auf einer Hypothese, das natür- 
lichere ist, die Einheit der gesetzlichen und historischen 
Partieen anzuerkennen, also da auch diese spätes Sprach- 
gut und Aramaismen aufweisen, sie ebenfalls in das Exil 
zu versetzen. Hierzu kommt ein wichtiger, von Ryssel 
gar nicht beachteter Umstand : in Bezug auf die Verwen- 
dung des ‘3 und das me c. Suff., also in höchst signi- 
ficanten exilischen Erscheinungen stimmt die Genesis gans 
zu den gesetzlichen Stücken des Elohisten. 

Wir gehen nunmehr dazu über, die einzelnen Erschei- 
nungen des elohistischen Lexicons nach einander zu be- 
sprechen und theilen die vorhandenen Vocabeln der Ueber- 
sicht wegen in Aramaismen und echthebräische Worte, 
doch wird sich zeigen, dals beide Kategorieen nicht streng 
auseinandergehalten werden können. 


I. Das Lexicon des Elohisten. 


1) Aramatemen. 
Zu dieser Classe hat Ryssel bereits werthvolle Be- 
träge geliefert. Immerhin hätte ihnen 2% das Gefährt nicht 
entzogen werden sollen, denn wenn wir dies Nomen noch 


ee 


229 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


demnach ganz selbstverstindlich den überlieferten Usus. 
Aber Nu. 30, 14 finden wir als dem 17) 497m entgegen- 
gesetzten Begriff das ‘3 opr, also wenn auch nicht wie es 
nach gemeinem Sprachgebrauch heifsen mülste, ein „halten“ 
des Gelübdes, so doch ein ,bestitigen® desselben. Wie 
sollen wir es nun erklären, dals von diesem scheinbar un- 
verrückbaren Herkommen dennoch abgegangen wird an 
zwei Stellen des Ezech. 16, 60, 62 und im Elohisten ? Diese 
Uebereinstimmung aus einer Benutzung des elohistischen 
Buches durch Ezechiel ableiten, würde nur eine Zurück- 
schiebung der Frage bedeuten : es gälte dann wieder die 
Entstehung des Sprachgebrauchs beim Elohisten zu er- 
klären und dies würde, angesichts der Stelle Nu. 30, 14 
doppelt schwierig sein. Fragen wir daher zunächst, wo- 
durch kann Ezechiel dazu veranlafst sein, sich von dem 
gewöhnlichen Sprachgebrauch zu emancipiren, so ist die 
Antwort auf diese Frage im Hinblick auf die sonstigen 
Aramaismen des Ezechiel durch die Thatsache gegeben, 
dafs im aramäischen O1 resp. Mass die Feststellung, die 
Abmachung bedeutet, und die Wendung xy» op Gen. 9 
geradezu als Uebersetzung von nn Om erscheint !). 
Offenbar ist nun, wenn man eine Nachahmung des Ezechiel 
durch den Elohisten annimmt, auf alle Räthsel die Lösung 
gefunden : jener von Ezech. herübergenommene Ausdruck 
vermochte nicht den Sinn für den gewöhnlichen Gebrauch 
dem Elohisten zu rauben, er hielt denselben in etwas mo- 
dificirter Wendung Num. 30, 14 fest. Von diesem ara- 
maisirenden Gebrauch des Priestercodex ist endlich auch 
die Wendung des späten Psalms 78,5 abhängig : m OY 
nmpy ayn. Schliefslich sei noch bemerkt, dafs an ein hohes 
Alterthum gerade dieser Redensart und an einen zeitlichen 


1) Die Verantwortung für die syr. ‘ad Sons] trägt freilich, soweit 
ich sehen kann, die Peschita an den Stellen, wo sie AD orpn tiber- 
setst, allein. 


a 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 293 





Jorzug derselben vor der jehovistischen M73 M75 deshalb 
gar nicht gedacht werden kann, weil diese sich bei weitem 
miher an den sinnlichen, concreten Vorgang bei der 
Bundesschliefsung und an die Grundbedeutung von n3 
Yun schneiden hält, während jene m3 bereits in ganz 
abgeblafster, abgegriffener Bedeutung denkt. Von diesem 
Gesichtspunkt aus werden wir nun auch im Stande sein, 
das Vorkommen von 718 für Bedrückung richtig zu beur- 
theilen — für das Aram. ist die Bedeutung fricare, commi- 
nuere sicher gestellt, das Wort findet sich aufser dem Elo- 
histen nur bei Esechiel — das spricht doch neben on 
ro laut genug. 

Was :139) angeht, so kann allerdings das Vorkommen 
des Stammes 35) auch in der älteren Literatur beim JE, 
bei Amos u. s. w. die Annahme bedenklich erscheinen 
lassen, dasselbe als einen Aramaismus zu bezeichnen, ob- 
wohl es immerhin bestehen bleibt, dafs die Form 199) in 
der Bedeutung ,weiblich* nur bei Jer., dem Deuteron. 
und im Aramäischen sich findet, jedenfalls fällt es unter 
diejenigen Nomina, welche einer späten Literaturperiode 
angehören. Bei 19} ist die Entscheidung, ob es allein dem 
Eindringen des Aramäischen in das Hebräische seinen Ur- 
sprung verdankt, noch schwieriger, denn schon die alte 
Literatur bietet ein Nomina 7133 in der Bedeutung „mas“, 
Von höchster Bedeutung aber ist es, dafs durch die An 
wendung dieses Nomen sich nicht nur der Jehovist, cf. Ex. 
23, 17. 34, 23, vom Elohisten, sondern auch die alte Lite- 
ratur von der neueren unterscheidet. Denn im Deuteron., 
das allerdings 16, 16 das jehovistische Gesetz citirt und 
%, 13 ebenfalls dem Jehovisten folgt, steht sich der Ge- 
brauch dieses und jenes Nomen noch gleich, von Jeremias 
ab aber finden wir WO} nicht mehr vor. Da Ri. 21 erst 
spät seine jetzige Gestalt erhalten hat (cf. auch A7y) und 
Jos. 4, 5, einem ganz überarbeiteten Stück angehirig, 
inen sehr überfüllten Text zeigt, so bleibt aus der alteı 


294 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


Literatur nur 1 Reg. 11, 15 f.") als Zeuge für “pr übrig, 
also 2 Stellen gegen 20 die der späteren und spätesten 
Zeit der Sprachgeschichte angehören! 

Dagegen scheint mit gröfserer Sicherheit OF als ein 
Aramaismus bezeichnet werden zu können : wenn wir vom 
Elohisten absehen, ist das erste Buch, welches es bietet, 
das Deuteron. Vorher herrscht in der ganzen alten Lite- 
ratur das genuin hebräische 5pp,; dasselbe kommt 7 mal 
beim Jehovisten Ex. 8, 22. 17, 4. 19, 13 21, 28, 29, 32. 
Jos. 7,15 und an 7Stellen der historischen Bücher, welche 
von dem Verdacht der deuteron. Ueberarbeitung gänzlich 
frei gesprochen werden müssen, vor : 1 Sam. 30,6. 2 Sam. 
16, 6, 13. 1Kön. 21, 10, 13 ff. Im Deuteronomium selbst 
ringt der alte Sprachgebrach noch erfolgreich mit dem 
neuen : 4 Stellen mit 9po 12, 11. 17, 5. 22, 21, 24 stehen 
gegen eine mit OF. Von da an verschwindet 5po : eine 
exilische Schrift Jes. 62, 10 bringt es noch einmal in der 
auch durch Jes. 5, 2 vertretenen Bedeutung „von Steinen 
säubern“. Ezechiel braucht 2 mal om, ebenso der 
Redactor der Königsbücher 1 Reg. 12, 18 und die Chro- 
nik (2 mal). Aufserdem erscheint der Stamm in 2 nach- 
exilischen Namen oJ) 1Chron. 2, 4 f. und bp ay)Sach. 7,2, 
in dem späten 68. Psalm v. 28 (Myr) und Prov. 26, 8 


1) Ob an diesen Btellen I} Wirklich ursprünglich ist, wollen wir 
bier dahingestellt sein lassen, unter keinen Umständen aber verdiente 
die Vermuthung Wellhausen’s, dafs es an denjenigen Stellen der 
älteren Literatur, wo wir os jetst finden, für das in früherer Zeit ge- 
br&uchliche >) punktirt sei, die Zurtickweisung, welche ihr von 
Ryssel 8. 78 Anm. widerfährt. Denn dafs man ursprünglich die 
matres lectionis in Mitten der Worte nicht zu schreiben pflegte, dürfte 
Ryssel nach Mesa und Eschmunasar schwerlich bezweifeln wollen, 
und da man nach dem Exil nur noch 19} sprach, so lag die falsche 


Aussprache und Schreibung des TQ] an weniger oft gelesenen Stellen 
wie 1 Reg. 11, 15 f. sehr nahe. 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 995 


mom. Sein häufiger Gebrauch schon im biblischen und 
dann im späteren Aramäisch ist bekannt. 

Zur Vergleichung mit einem aramäischen Sprachge- 
brauch veranlafst ferner das elohistische m sich festsetzen 
in einem Lande, ein Gebrauch, der aufser Gen. 47, 25. 
Num. 32, 30 nur noch Gen. 34 und Jos. 22, in zwei vom 
Hexateuchredactor herrührenden späten Stücken vorkommt 
und auch in der sonstigen Anwendung des Stammes mx 
im Hebräischen nur eine einzige Analogie hat, die eben- 
falls sehr spät herabführt. Ich meine die Verwendung des 
Part. Pass. yrıy im intransitiven Sinne in dem, sonst wie 
bekannt stark aramäisch tingirten Hohenliede. Mangeln 
hierfür jegliche Erklärungsgründe aus dem hebräischen 
Sprachgebiet, so ist uns das Räthsel sofort gelöst, wenn 
wir das Aramiische vergleichen. Denn hier hat paul eben- 
falls intransitive Bedeutung : den Jın mx im Hohen- 


liede entspricht im Syrischen ') der Is pou] = = omnipotens. 


Ebensowenig kann der aramäische Einfluls in einem Stamme 
wie MDS verkannt werden. Gehen wir dem Gebrauch des 
Verbi, dessen Nomen mynny sich wahrscheinlich zwar nicht 
im Priestercodex selbst, aber doch in dem Codex Lev. 
17—26 findet : C. 25, 23, 30, näher nach, so finden wir, 
dafs dasselbe vor dem Ende des 7. Jahrhunderts nicht 
auftaucht, dann aber sowohl in als nach dem Exil in der 
Poesie in Geltung bleibt. Hiob und Klagelieder bieten es, 
ferner die späten Psalmen : 69. 73. 88. 94. 101. 119. 143, 
von früheren, aber wie leicht zu sehen ist, die Grenze der 
zweiten Periode der Sprachgeschichte nach oben auch 
nicht überschreitenden Psalmen : 54 und 18. Dagegen 
haben wir gerade für seinen Begriff eine ganze Reihe von 
echt hebräischen Ausdrücken, welche ebenfalls die Poesie 


1) In Betreff weiterer Erscheinungen der Art im Syrischen cf. 
Nöld. Syr. Gramm. Leipzig 1880. § 280. 8. 198. 
Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jalırgang 1. 1881. 15 


996 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


nicht verschmäht. Aufserordentlich heikel ist es, zu ent- 
scheiden, ob das bekannte Kreuz der Etymologen Wy ‘pwy 
ein echt hebräisches Wort sei, oder nicht. Der Elohist 
bietet es 6 mal gegen einmaliges mılsy Mra Jos. 15, 51, 
im Zusammenhange des Jehovisten dagegen finden wir nur 
wy ne Gen. 32, 23. 37, 9 und dem entsprechend in den 
älteren historischen Büchern 1 Reg. 6, 38. Im Deuteron. 
und bei Ezechiel halten sich beide die Wagschale cf. Deut. 
1, 2 f. Ez. 30, 20. 31, 1 gegen 26, 1. 40, 49, während bei 
Jeremia 1, 3. 39, 2. 52, 5 'y ‘Mey überwiegt cf. 52, 1. 
Der Redactor der Königsbücher sagt, wohl unter dem Ein- 
flufs seiner älteren Quellen (cf. I 6, 38), lieber ‘y nr 
U 9, 29. 23, 36. 24, 18 gegen II 25, 2. Die Chronik, 
wiederum abhängig von den Königsbüchern, bietet doch 
nur 2 mal ’y ane Il 36, 5, 11 gegen 5 maliges ‘y snwy 
I 12, 13. 24, 12. 25, 18. 26, 14. 27, 14. Sacharjah endlich 
hat nur ywwy 1, 7. Man sieht : der Elohist rangirt 
hier ungefähr mit der Chronik : in dem Kampf, den das 
unbestritten alte ‘y Ime mit ‘y ‘nwy von der Zeit des 
Deuteron. ab, anfänglich mit unentschiedenem Erfolg, 
führt, unterliegt es schliefslich fast ganz, und in diesem 
Stadium finden wir die Sachlage beim Elohisten. Bei 
einem Zahlwort ist dieses Resultat von besonderer Wich- 
tigkeit '). 

Auch yoy’ wird man für einen Aramaismus halten 
müssen. Es findet sich aufserhexateuchisch nur Deut., 
Ezech. u. Ps. 105, über sein Vorkommen im Aram. cf. 
Ges. Thes. bei pnw. Einmal bietet es sich im jehovistischen 


!) Beachtenswerth erscheint bei den schwierigen Fragen, welche 
dieses Wort zu beantworten giebt, eine mir von Prof. Wellhausen 
mitgetheilte Vermuthung, dafs dasselbe von [dem assyrischen Zahlwort 
für eins „istin“ cf. Menant Syllabaire Assyrien P. II 8. 880 abhänge. 
Hätten die Israeliten dieses Wort von den Euphratsemiten angenommen, 
dann wäre das späte Auftreten desselben in der hebräischen Literatur 
mit einem Schlage erklärt. cf. auch Stade, hebr. Gramm. 8. 218. 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 997 


Zusammenhange Ex. 7, 28, bei Beschreibung der Frosch- 
plage. Dals aber der Redactor den zweiten Theil des 
Berichtes tiber die Plage aus dem Jehovisten wegliefs und 
durch das entsprechende Stück aus dem Elohisten ersetzte, 
sich also hier einen stärkeren Eingriff erlaubte, ist allge- 
mein anerkannt. Unter diesen Umständen ist es geradezu 
nothwendig, den Satz ‘Os We puw mit seinem gut elo- 
histischen aber ganz unjehovistischen Ausdruck auf die 
Rechnung des Redactors zu schreiben, besonders da der 
Ausdruck : ich schlage dein Gebiet mit Fröschen, so dafs 
wimmeln soll der Strom von Fröschen u. s. w. kein sehr 
gelenker genannt werden kann. 

Ohne Zweifel ist ferner 3% ein Aramaismus : seine 
Häufigkeit im Chaldäischen und Syrischen ist bekannt, in 
der vorexilischen Literatur tritt es niemals auf, so dals 
auch Ryssel 8. 46 sich su der Bemerkung veranlafst 
sieht : id nomen libri Elohistici proprium Ezechieli in 
mentem venisse videtur. Da aber '"p gar kein specieller 
Terminus ist, sondern eine ganz allgemeine Bezeichnung 
für „Gabe“, „Darbringung“, so begreift man nicht, wie 
Ezech. auf die Bildung dieses Ausdrucks gekommen sein 
sollte. Er war vielmehr, nach der Art wie er ihn erwähnt 
zu schließen, aus dem Aramäischen schon längst in der 
Volkssprache eingebürgert. 

Ebenso unzweifelhafte Aramaismen scheinen mir fx 
und pe) zu sein. Was den Gebrauch von myx angeht, 
so findet sich das Niph. und das Nomen dieses Stam- 
mes vorzugsweise in exilischen und auch in nachexi- 
lischen Stellen. Alle vorexilischen Schriften, die den 
Stamm bieten Prov. 29, Hiob, Ps. 6, 31, 38, werden nur 
vermuthungsweise in diese Zeit versetzt, können aber auch 
wohl jünger sein, diesen stehen 14 exilische Stellen zur 
Seite — endlich findet sich das Verbum auch bei Joel. Be- 
kannt ist der häufige Gebrauch des Wortes im Aramäischen. 
Da wir in der ganzen althebräischen Literatur keine Spur 

15* 


998 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


des Wortes auffinden, so ist hier die Annahme eines Ara- 
Maismus sicher gestellt. Besonders wird dieselbe aber 
durch die beiden anderen sinnverwandten Worte py und 
px) unterstützt. Jenes isthäufig im Aramäischen vertreten, 
sowohl im Chald. als Syr. und findet sich ebenfalls nur in 
einer zur Noth vorexilischen Stelle : Ps. 12, sonst nur in 
exilischen und nachexilischen Schriften : Ps. 79. 102. Jer. 
51. Ezech. 3 mal, Mal. Ein Derivat davon mp Lev. 11, 
Name eines Thieres, ist in derselben Eigenschaft im Ara- 
mäischen vertreten, kommt dagegen, soweit ich sehen kann, 
im Arabischen als solcher nicht vor. Ueber px) ziehe man 
die Tabelle zu Rathe : auch hier dasselbe Ergebnifs cf. 
auch pm), das sich im Hebräischen nur bei Hiob, dagegen 
wieder im Aramäischen findet. 

Von nnmivo und der hohen Wahrscheinlichkeit, dafs 
auch der Stamm 2 aus dem Aram. in das Hebr. herüber- 
genommen sei, ist bereits in den Anmerkungen zur Tabelle 
ausführlicher die Rede gewesen. Sollte yD ein alter he- 
bräischer Stamm sein, so ist er doch erst ziemlich spät, 
und dann sehr wahrscheinlich durch das Aram. in die 
Schriftsprache eingeführt worden — auch hier sind sichere 
vorexilische Beispiele nur in einem Exemplar vorhanden : 
Jer. 10, 9, da 2 Sam. 22, 43 das Wort ein Fehler ist, und 
die Elihureden nur in resp. nach dem Exil entstanden sein 
können. 

Zum Schlufs stelle ich die Aramaismen, welche wir 
Ryssel verdanken, kurz zusammen : 7nNI, AM, mim: “pa 
ANT, MM, IOV) OOD O50 ODD) MD WD WH 979 ww, 
AWD, May: May, Mee, muy Twp, 53p endlich noch Ir, 
das ich bei ihm nicht gefunden habe, hinzufügend. Nimmt 
man die 10 soeben besprochenen hinzu, so ergiebt sich 
eine äußserst stattliche Zahl, dabei ist auf andere, weniger 
sichere, wie 53% 11%» 930 (in freundlicher Gesinnung treffen), 
pr PpD PM, AI 72% die alle auch von der aramäischen 
Sprache geboten werden, gern Verzicht zu leisten. 





230 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. - 


Geschichtsschreibung bietet den Ausdruck nie. Ebenso- 
wenig wendet sie das bombastische "y52y „ausgenommen® 
an, vielmehr sprechen hier wieder 4 Stellen aus Deutero- 
jesaia und der 18. Psalm für poetischen Charakter. Die 
zwei noch übrigen Stellen, an denen es sich findet : Jes. 
36, 10 und Jer. 44, 19, sind wiederum der schwungvollen, 
auf hohem Kothurn daherschreitenden späteren Geschichts- 
darstellung eigen. Jes. 36, 10 ist ganz nach dem Muster 
der Rede des Assyrers. beim wirklichen Jesaia gebildet 
cf. Jes. 10, 8—11. Was die andere Stelle anlangt, so kann 
auch sie ihren poetischen Charakter nicht verleugnen : 
Eigentlich reden die männlichen und weiblichen Exulanten 
v. 15, aber der Darsteller wird von seinem Feuer so hin- 
gerissen, dafs er die Weiber plötzlich derartig redend ein- 
führt, als wären ihre Männer gar nicht mitanwesend. Man 
vergleiche aufserdem das Ende des 17. Verses, den Paral- 
lelismus der Glieder, die Paronomasie am Schlufs, die ge 
naue Uebereinstimmung der Antwort Jeremia’s v. 21, die 
ganz in dem vom Deuteron. abhängigen Stil der damaligen 
Zeit gehalten ist, mit dem was v. 17 gesagt war u. s. v. 
Stellen wir ein anderes, allerdings nicht bei Deuterojesais 
vorkommendes Wort neben “yan, so wird dasselbe er 
hellen. Num. 6, 9 lesen wir Oxnd yno2, Num. 36, 2 
ymo> — das erste findet sich nur noch in hochpoetischen 
Stücken : Jes. 29, 5. 30, 13; dieses tritt nur noch be 
Hab. 2, 7 und in dem gewählten Stil der Prov. 6, 15 und 
29, 1 hervor. Man betrachte die Stellen und den ganzen 
Charakter der Ausdrücke, besonders des ersten genau und 


noch in Stücken des Deuteronomisten : so C. 84, 9 cf. Wellhausen, 
Jahrbb. XXI., 8. 555, so 82, 9 cf. Wellh. 8. 561, wie auch Dilla. 
su 88, 8, 5 diese Worte als Zusätze des Bearbeiters beseichnet. Sie 
finden sich nur noch Deut. 9, 6, 18. cf. 81, 27. 9, 26 und in eine 
Reihe späterer vom Deuteron. abhängiger Stücke. Also auch hier ym 


in der blühenden Prosa des Exils. 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 231 


frage sich — würde man diesen Ausdruck in den alten 
einfachen Erzählungen sich denken können? Ja würde 
man überhaupt auf den Gedanken kommen, er könne in 
der Prosa gebraucht sein, wenn er nicht in den beiden 
Stellen aus Num. vorkime? Wenn er sich hier findet, so 
kann dies nur wie bei "y5an daher rühren, dafs ihn der 
Elohist der künstlichen, predigenden Geschichtsdarstellung 
entlehnte, wie wir sie nach dem Deuteron. im Exil öfters 
treffen. — Eine ganz verwandte Erscheinung: ist ap 
Gen. 23, 6. Nie bietet uns die alte Prosa dies Wort, wohl 
aber liefern es ältere poetische Stücke, aus denen es dann 
wie die vorigen von den paränetischen Geschichtsschreibern 
des Exils entlehnt werden mochte. So finden wir es Ex. 
15, 4 und in den echt jesaianischen Weissagungen 22, 7. 
37, 24 !), einmal bei Jeremia 22,7 und 4 mal bei Ezechiel. 
Auch nach dem Exil findet es sich, sogar im Plural : 
Dan. 11, 15. — Unverkennbar ist weiter der poetische 
Charakter des schon in alten Liedern gebrauchten Gottes- 
namens : vaY 5x. Wo er beim Jehovisten vorkommt, ist 
er rein poetisch : Gen. 49, 25. Num. 24, 4, 16, hierzu stimmt 
sein häufiger Gebrauch im Buch Hiob. Besonders scheint 
dies Buch dazu beigetragen zu haben, das Wort bei der 
höheren exilischen Schriftstellerei in Aufnahme zu bringen : 
die prophetische Sprache dieser Zeit wendet es an: Ezech. 
2 mal, Jes. 13, 7. Joel, nicht minder aber die prosaische : 
Rut 2 mal, der Elohist 5 mal und der Redactor des Hexa- 
teuch Gen. 43, 14 im jehovistischen Zusammenhang. 
Offenbar wäre es ein Verstols gegen alle gesunde Kritik, 


1) Nachdenklich macht an dieser Stelle der Umstand, dafs die 
Parallele in 2 Reg. 18—20, deren Text fast durchgängig, sonderlich 
aber auch für die Weissagung 87, 22—82 der bessere ist, hier nicht 
“PIQD sondern 4ipiny bietet. Da durch Jer., Esech. und Daniel 
WIRD für die spätere Zeit gesichert ist, so legt es sich nahe, dafs wie 
Jos. 87, 24 auch 22, 7 “fib das ursprüngliche war. 





232 Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. 


anzunehmen, der Ausdruck, der in der ganzen vorexilisches | 
Prosa niemals vorkommt, sei an dieser Stelle im Jehovisten 
ursprünglich — auch Dillm. weist ihn dem Bearbeiter sa. 


Ist es nach den vorerwähnten zehn einigermalsen 
schlagenden Beispielen noch nothwendig, ausführlich auch | 
den poetischen Charakter folgender elohistischer Ausdrücke 
darzuthun? 23 nur noch bei Jeremia und Jes. 34, 11; 
wn Jes. Jer. Hiob, Deut. Deuterojes. (4 mal), Pseudojes. 
(2 mal), Ps. 107 und in der exilischen Prosa I Sam. 1 
(2 mal); "87 nur noch bei Hiob (4 mal) und Jes. 14; 
mn im Lied Mosis und bei Jerem.; mp5p nur noch in 
Deuterojes.; O70 Hiob, Thren., Ps. 55 und 119, Ezech.; 
837 und Un Hiob, Ps. 33 und 141; pny Pe. 18, Hiob, 
Deuterojes., cf. auch das Derivat D’priY, das nur an poet- 
schen Stellen erscheint; 1 in 4 Psalmen, Deut., Jer, 
Thren., Ezech., Jes. 14 und in ganz später Prosa an 5 
Stellen. Bei nny, das oben als Aramaismus besprocha 
wurde, trifft mit dieser Eigenschaft auch die eines poeti- 
schen Wortes zusammen : Hiob, Threni und 10 Psalmen. 
Auch Mx und px), besonders in den Nominibus, scheine 
unter dieselbe Kategorie zu gehören '). 

Nicht gerade dem poetischen Sprachgebrauch, aber 
ebenfalls sicher einer von der alten Prosa durch eine breite 
Kluft geschiedenen Literaturperiode gehört ferner das Ver- 
bum m auskundschaften an. Die alte Bezeichnung für 
seinen Begriff ist 531 : aufser dem jehovistischen Zusammen- 
hang, der dies Verbum 14 mal bietet, kommt es nur in 
unbestritten alten Stücken des Richterbuchs 18, 2, 14, 11, 
der Samuelisbücher I 25, 4. II 10, 3. 15, 10. 19, 28, aufser- 
dem Deut. 1, 24, das den Jehovisten citirt, und in der 
Chronik 1 19, 3 der Parallelstelle zu II Sam. 10, 3 vor. 
Also vom 7. Jahrhundert ab verschwindet es völlig und 


!) Aa. wie “21, 3) verfluchen etc. sind an zu wenigen und nı 
wonig significanten Stellen vertreten. 





234 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


Ebensowenig läfst sich das yymy Ri. 1, 23 halten. Schon 
an sich wäre der Ausdruck : und es kundschaftete das 
Haus Joseph gegen Beth-El, oder es liefsen d. J. auskund- 
schaften gegen B.-E., mindestens ungeschickt, sodann aber 
sind nachher gar keine Kundschafter sondern Wächter er- 
wähnt, die einen Mann ausB.-E., der sich durchschleichen 
“will, auffangen, weiter setzt der vorangehende Vers, nach 
welchem die J. bereits nach B.-E. hinaufgezogen sind, 
bereits die Ankunft des Heeres vor B.-E. voraus. Endlich 
aber, was das wichtigste ist, hat die LXX (Al. : xaz xag- 


evaBadovy xat xareoxepavro eis BatOyd; Vat. : xat rap 


evaBadov olxog Iogand xata BatOnd) statt des YTYM ein 
vun gelesen. Dieses Verbum palst allein zu dem folgen- 
den 3, denn es wird ganz gewöhnlich mit einer Präposition, 
welche die feindselige Richtung gegen die belagerte Stadt 
angiebt, verbunden cf. I Sam. 16, 17. U 11, 1. 16, 5 
Jes. 39, 1. Es ist daher ohne Zweifel das 11M durch die 
undeutliche Aussprache eines Dictirenden in den Context 
gekommen und aus 13" verderbt. Wenden wir uns endlich 


Num. 10, 33 zu, wo "m wie es scheint in einem jeho- 


beigestanden haben, absetsend, Satrapen an ihre Stellen bringend und 
dann ya) maeinb v. 26 schon wieder mit einem Heere sich Ahab 
gegenüber stellend! Ob die Nachricht des 24. Verses auf einem wirk- 
lichen Milsverständnifs des Redactors beruht, läfst sich jetzt nicht mehr 
entscheiden, soviel dürfte jedoch aus obiger Betrachtung hervorgehen, 
dafs der Vers einem stärkeren Eingriff des Redactors in seine Quellen 
seinen Ursprung verdankt und demnach keine Bürgschaft dafür bieten 
kann, dafs der Titel "MH wirklich in den alten Quellen vorkam. Hier 
nach dürften die apodictischen Worte Schrader’s KAT 89 über 
das Vorkommen des Worts in den ältesten Urkunden etwas zu modi- 
ficiren sein. Selbst wenn übrigens Schrader an dieser Stelle den 
Beweis für semitischen Ursprung des Wortes geliefert hätte, mülste das 
selbe doch als ein assyrisches Fremdwort in der hebr. Literatur angesehen 
werden. Und dies sollte bereits „in so alten Urkunden“ wie 1 Reg. 20 
den Aramäern als Bezeichnung ihrer eigenen Baträpchen in den Mund 
gelegt sein? An der Richtigkeit der Aufstellungen Schrader’s swei- 
felt auch Delitzsch. Comm. s. Jes. 3. Aufl. 8. 878. 


Giesebrecht, zur Hexateuchkritik 235 


-vitischen Stück vorkommt. Bereits Wellhausen hat 
Jabrbb. für d. Th. XXI S. 568 darauf aufmerksam ge- 
macht, wie wenig die hier gegebene Aussage, dals die 
lade des Bundes dem Heere drei Tagereisen weit voran- 


=- gesogen sei, in den ganzen Context passe. Trotzdem 


"oo mM FW 


scheint dieses Stück bereits dem Jehovisten angehört zu 
haben, denn Deut. 1, 33 weist mit seinem Dip» on) nnd 
Bekanntschaft mit unserem Stücke auf. — Und doch ist 
uns gerade durch das Deuteron. möglich, dem ursprüng- 
ichen Inhalt der Numeristelle auf die Spur zu kommen. 
Denn, betrachten wir die Worte des Deut. näher, so zeigt 
sch, dafs dasselbe 1) von der Lade des Bundes gar nichts 
weils, sondern vielmehr behauptet, Jahveh selbst sei in 
der Feuer- und Rauchsäule den Israeliten vorangezogen, 


| um ihnen am Tage den Ort für das Lager auszukund- 


schaften und des Nachts ihnen zu leuchten. 2) Dals es 
dabei keineswegs an ein Voranziehen Jahveh’s in der Weise 
gedacht haben kann, dafs eine Strecke von 3 Tagereisen 
zwischen ihm und dem Volke lag, denn dann würde der 
Zweck, den er nach dem Deut. mit jenem Anführen des 
‘Volks verfolgte, gar nicht erreicht worden sein. Dagegen 
ast es wohl verständlich, wie ein Diaskeuast jene Stelle des 
Deuteron., die von dem Auskundschaften der Lagerstätte 
durch den den Zug des Heeres leitenden Jahveh handelte, 
znit den Worten Mosis Num. 10, 36 'x maar” mag 
so combiniren zu müssen meinte, dafs er annahm, die 
Bundeslade sei dem Heere immer eine grölsere Strecke 
worausgegangen, des Abends aber jedesmal zum Lager 
surückgeschwebt, — von ihm stammt hiernach der 33. Vers 
des Capitels. Wer aus allen diesen Differenzen und Diffe- 
renschen besser herauszukommen versteht, dem werden 
wir für jede Belehrung dankbar sein. 
Ein weiteres, den Elohisten gegenüber dem Jehovisten 
und der ganzen älteren Geschichtsschreibung auszeichnendes 
Wort ist im in der Bedeutung erzeugen. Aber nicht 





236 Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. 


allein in dieser speciellen Bedeutung, sondern überhaupt 
ist das Hiphil von 75° erst in der späteren Literatur nach- 
zuweisen. Das Deut. und Jer. bieten es je zweimal, Hiob 
und die Rede Jesaias II Reg. 20, 18, welche selbstver- 
ständlich als eine freie Composition des Redactors der 
Königsbücher angesehen werden mufs, da sie von dem 
sonstigen Charakter der jesaianischen Reden nicht gerade 
vortheilhaft absticht, und das Buch Hiob je einmal. Von 
da an erscheint die Form häufiger in den exilischen und 
nachexilischen Schriften, während 7%, vom Vater gesagt 
in jener Zeit allmählich verschwindet. In den älteren 
Büchern finden wir demnach im nur Ri. 11, 1. Wem 
diese auffallende Thatsache schon unser Nachdenken her 
ausfordert, so noclı mehr der Zusammenhang, in dem sie 
uns entgegentritt. Es handelt sich um die Herkunft de 
Jeftah, dieselbe wird folgendermafsen berichtet : und 
Jeft. war der Sohn einer Hure und es erzeugte Gilad dea 
Jeft. Es sieht beinahe so aus, als sei die zweite dieser 
ganz unvermittelt nebeneinandergestellten Aussagen dasa 
bestimmt, die erste zu corrigiren, die unehrliche Abkunft 
des Helden zu einer ehrlichen zu stempeln — indels das 
folgende belehrt uns, dafs dies nicht die Absicht des Ex 
zählers gewesen sein kann. Nun könnte man sich dabei 
beruhigen, dafs die Darstellungsweise etwas uneben se, 
aber ein Blick auf die LXX zeigt, dafs wir hiermit dem 
Erzähler Unrecht thun würden. Der Vatican. giebt 9 
&yy&vunoe tH [alaad tov I, der Alex. xal Erexe OT. 
tov I. Hiermit ist jedenfalls das 5 vor 95) gesichert, 
durch welches das Verhältnils zwischen den beiden Eltern 
des Helden hergestellt wird, das nach dem mas. Text ganz 
in der Luft schwebt. Es scheint nach dem Vat. gelesen 
werden zu müssen 1y)% nr, sprang ein Schreiber vom 
ersten auf das zweite 5 über, so lag die Ergänzung des 
53 Sy zu 53 7579) nahe genug. Endlich bleibt noch Gen. 
40, 20 zu betrachten, wo uns das Hophal von "4 einzig 


238 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


muelis bieten den Terminus nie : eine Thatsache, welche 
offenbar die Annahme einer elohistisch gefärbten Inter- 
polation an der eben angeführten Stelle wesentlich unter- 
stützt. — Diejenigen Partieen der jehovistischen Geschichts- 
erzählung, welche x’) anwenden, nämlich Gen. 34 und 
Ex. 34, 31 enthalten aufser ihm noch eine solche Fülle 
von elohistischen Worten, dafs in Betreff der Exodusstelle 
schon Wellh. !) auf eine Mitwirkung des Elohisten ge 
schlossen, Dillm. aber dieselbe vollständig diesem Schrift- 
steller zugewiesen hat. Dafs Gen. 34 von der Hand des 
R. oder eines Diaskeuasten in seinen jetzigen Zustand 
gebracht ist, stand mir bereits fest ®), ehe Kuenen mit 
seiner ausführlichen und gediegenen Begründung dieser 
Annahme hervortrat *). 

Die einzige Stelle, an welcher wir x) vor der Mitte 
des 7. Jahrhunderts sicher nachweisen können, ist dem 
jehovistischen Gesetzbuch angehörig, Ex. 22, 27 onde 
INN 8 1Dy2 wn Yon x5. Wenn man hier vor jeder 
Bearbeitung und Bereicherung des Gesetzes durch die 
späteren Redactoren sicher wäre, so würde dies demnach 
als die erste Spur von dem Vorkommen des Wortes in 
der hebräischen Literatur betrachtet werden können, mög- 
lich aber auch, dafs da dieser Würdename in der älteren 
Zeit nicht gebräuchlich war, das Wort hier noch in seiner 
appellativen Bedeutung „der hervorragende , der hoch- 
stehende* angewendet worden ist. 

Eine noch viel auffallendere Erscheinung bietet sich 
uns in dem Gebrauch der beiden Bezeichnungen für 
Stamm im Sinne des griechischen gvAn : DIY und AMY 
Jenes ist der gewöhnliche vorexilische und, was wohl zu 


1) cf. Jahrbb. XXI. 8. 566. 

*) cf. Dillmann Exod. u. Levit. Leipzig 1880. 8. 858. 
*) cf. Theol. Literaturzeitung 1880. Nr. 8. 8. 179. 

*) of. Theol. Tijdschrift 1880. 8. 257. 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 239 


| beachten, auch exilische Ausdruck — selbst Ezechiel, der 


& 
4 


doch den Elohisten nachgeahmt haben soll, bietet ihn 


: stehend und ‘nie 90, das doch bei diesem Schriftsteller 
: wnendlich häufig erscheiut. Erst nach der Publication des 


elohistischen Gesetzes finden wir dagegen "Hp in häufiger 
Anwendung beim Chroniker. In dieser späteren Zeit ist 
es denn auch, wie die LXX ausweist, an einigen Stellen 
in die ältere Literatur eingetragen worden. In Bezug auf 
1 Reg. 8, 1 braucht dies nicht noch besonders nachge- 
wiesen zu werden, aber auch Jos. 7, 18 kann diese An- 
nahme keinem Zweifel unterliegen. Vorher ist immer, dem 
jehovistischen Sprachgebrauch dieser Partie entsprechend, 
vow für Stamm geschrieben, nun taucht plötzlich Oo auf, 
und wie nach Verabredung fehlt dies Wort in der alexan- 
drinischen Uebersetzung. Ueberhaupt lehrt die Verglei- 
chung derselben, dafs wir die ganze ermtidende genea- 
logische Auslassung, welche der hebräische Text an dieser 
Stelle bietet, im wesentlichen einer im elohistisch-specifi- 
eirenden Sinne die alten Angaben tiberarbeitenden Hand 
zu danken haben. — Die beiden noch übrigen Stellen der 
älteren Literatur, an denen wir Mp finden, brauchen nur 
erwähnt zu werden, um Jedem der sich einmal mit ihnen 
beschäftigt hat, die Erinnerung an eine gelinde Verzweiflung 
zu erwecken, die sich seiner bei der Auslegung bemäch- 
tigte, es sind 1 Reg. 7, 14 und Mich. 6, 9. 

Was die erste anlangt, so bietet ja ihr Wortsinn keine 
besondere Schwierigkeit, sie beginnt vielmehr erst eine 
crux zu werden, wenn man ihre Angaben mit denen der 
Chronik über Hiram vergleicht 2 Chron. 2,13. Die Discre- 
panz zwischen beiden Stellen ist in der That bedeutender, 
als es die Harmonisirungsversuche der meisten Ausleger 
erscheinen lassen. Dieselben divergiren : 1) in Betreff des 
Namens jenes Künstlers, den die Königsbücher Hiram, die 
Chronik Huram Abi nennen. 2) In Betreff seiner Her- 
kunft, indem die Chronik jeden Gedanken an seine israeli- 


240 Giesebrecht , sur Hexateuchkritik. 


tische Abstammung von Seiten des Vaters ausschliefst : 
seine Mutter eine Israelitin, sein Vater ein Phönisier, die : 
Königsbücher dagegen es als eine Möglichkeit erscheinen 
lassen, ihn als echten Israeliten zu denken : seine Mutter 
eine Wittwe vom Stamm Naphtali, sein Vater ein Phö- 
nizier. 3) Welchem Stamm er resp. seine Mutter ange- 
hörte, wird ebenfalls verschieden angegeben, nach den Kö- 
nigsbüchern gehörte er dem Stamm Naphtali, nach der 
Chronik dagegen dem Stamm Dan durch seine Mutter an. 
Wie soll man sich diese Differenzen erklären? Wer jene 
Stelle der Chronik im Zusammenhang durchliest, wird nicht 
daran zweifeln können, dafs dem Chroniker für diese 
Partie seiner Geschichte keine besonderen Quellen vor- 
lagen, sondern dafs er sich hier wie gewöhnlich auf dem 
Fahrwasser seiner eigenen phantasievollen Geschichtsdar- 
stellung mit Anlehnung an die Königsbücher befindet. Das 
Bekenntnifs des Huram zu Jahveh, der Himmel und Erde 
gemacht hat, die übermäfsige Verherrlichung der Kunst- 
fertigkeit des Huram Abi zeugen genugsam hierfür. Auch 
mufs es als höchst unwahrscheinlich bezeichnet werden, 
dafs es über den Tempelbau bessere und reichere Quellen 
gab, als die uns in den Königsbüchern aufbewahrten — 
für kaum einen anderen Theil der Geschichte seit dem 
Tode Davids ist uns in ihnen so reicher historischer Stoff 
gegeben. Ueber den Werth der in den beiden Schriften 
uns gelieferten verschiedenen Nachrichten kann nur nach 
derinneren Wahrscheinlichkeit derselben geurtheilt werden. 
Und diese Wahrscheinlichkeit scheint mir nun in Bezug 
auf eine der angeführten Discrepanzen für die grölsere 
Treue der Chronik zu entscheiden : in Betreff des Namens 
des Künstlers. Dafs nämlich die späteren Juden den Namen 
a8 Onyı nicht mehr verstanden, zeigt die Vergleichung 
der alexandrinischen Uebersetzung zu 2 Chron. 2, 13. Sie 
übersetzt denselben yıpau toy xatega pov (Vat.) yecoau 
tov naıda uov (Alex.). Man sieht : es lag für die späteren, 





Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 241 


wien es nun Abschreiber oder Diaskeuasten, nichts näher, 
is das ">" Of, wenn es in den Königsbüchern ursprüng- 
ich stand, in OW! zu ändern, das ‘3K beseitigte man, weil 
nan es nicht verstand. Dagegen läfst sich nicht denken, 
rie die Chronik auf jene Aenderung des OW, wenn es in 
en Königsbüchern sich vorfand, verfallen sein sollte. Von 
jer aus fällt dann auch ein Licht auf die anderen Ver- 
chiedenheiten. Steht es einmal fest, dafs mannigfache 
\enderungen im Text der Königsbücher vorgenommen 
rurden, so konnte aus der Abneigung heraus, einen Halb- 
)hönizier als Erbauer des salomonischen Tempels denken 
a müssen, auch jenes 05x neben MWe in den Königs- 
jüchern eingeschoben werden, und demselben Bestreben 
rerdankt dann wohl auch das 'D) NMDYD NW seine Ent- 
tehung. Die Freude der Späteren am Einregistriren des 
Einzelnen, besonders am Eingliedern der Einzelnen in die 
Stämme Israels ist uns bereits zu Jos. 7, 18 entgegen- 
getreten, was lag näher als das j7 nU2D durch 'D) moon 
su erweitern, da Dan im Gebiet von Naphtali lag, und 
man das Gebiet des Stammes Dan vielmehr in der nach 
Jos. 19, 40-46 demselben angewiesenen Gegend suchte? 
Dafs aber endlich, bei dem Bestreben das ‘0) moon durch 
x auf Hiram selbst zu beziehen, das 77 Muay nicht stehen 
bleiben konnte, leuchtet ein. — Bei der grofsen Schwierig- 
keit dieser Stelle sind auch andere Erklärungen der vor- 
handenen Abweichungen denkbar : soviel aber scheint mir 
aus dem Charakter des Textes der Königsbücher hervor- 
zugehen, dafs diese Stelle nicht mit Sicherheit für das 
wirkliche Vorkommen des Wortes 99 in der älteren Lite- 
ratur geltend gemacht werden kann. Nicht anders steht 
es mit der vorhin schon angeführten Stelle aus dem Pro- 
pheten Micha. Der Anfang des Verses ist jedenfalls stark 
corrumpirt, die LXX haben gelesen oder gerathen : yum 
ww xy; nicht minder bedenklich ist aber auch das Fol- 


gende : höret Stamm 73" wı, gewöhnlich übersetzt mit 
Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 1. 1881. 16 





249 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


Beziehung des Suffixes an 73" auf "OM „und derjenige 
welcher ihn (zur Versammlung) einberufen.* #99 wäre hier 
ganz gegen seinen sonstigen Gebrauch als Femin. ange- 
wendet, das w da, wo es eine ganz bestimmte Persönlich- 
keit bezeichnete, nämlich den König, für “We gesetzt, 
während doch die Form des Satzes für Jeden die Ueber 
setzung als Interrogativ am nächsten legt, cf. LXX xa 
tig xoounosı xo. Endlich wäre mon als Bezeichnung 
für Stammesversammlung ohne weiteres angewendet. Die. 
Uebersetzung Hitzig’s kann, so wenig sie befriedigt 
neben der eben angeführten Auslegung noch recht woll | 
bestehen. Ich wage keine Correctur des Textes, die LXX 
giebt keinen vollen Aufschlufs über seine. ursprünglich | 
Gestalt, und bei einer poetischen Stelle ist, sonderlich m 
Hebräischen, der Gedankenfortschritt allzu unberechenbar.— 
Man sieht : es bleibt, wenn der Elohist uralt ist, bei diesem 
Worte keine andere Möglichkeit, als die Annahme, dafs es 
in alter Zeit gebräuchlich war, dann Jahrhunderte lang 
schlief, bis es durch den Priestercodex ans Tageslicht her- 
vortrat; hierbei bliebe aufserdem noch zu erklären, warum 
Priester, die nach der traditionellen Annahme den Priester- 
codex kannten, wie der Deuteronomiker und Esechid, 
dieses Wort nie benutzt hätten. — Wie viel natürlicher 
ist auch hier wieder die Annahme, der Ausdruck "wp sei 
erst im Exil in der übertragenen Bedeutung „Geschlecht! 
Volksstamm angewendet! Seit der Zerstörung des nörd- 
lichen Reiches war sicher Sache und Bezeichnung des 
Stammes dem gewöhnlichen Bewulstsein und Leben immer 
mehr abhanden gekommen. Der „Stamm“ Juda existirte 
weder in der Vorstellung, noch in dem Munde des Volks, 
sondern nur das Reich Juda, nur einzelne Prediger und 
Poeten sprachen noch von den 3x1 >, so dals selbet 
diese, früher praktische Bezeichnung einen archaistischen, 
künstlichen Charakter erhielt. In dieser Zeit war, so will 
mir bedünken, das Aufkommen eines Ausdrucks wie Mt 


un eee 


TE ia 
m m .. engen a ee 


Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. 243 


neben Ov möglich, natürlich in rein gelehrter, resp. theo- 
logischer Anwendung. 

Geht man von Mp und x) zu nbwinn über, so fällt 
auch bei diesem Nomen die Thatsache ins Auge, dals seine 
Anwendung in der späteren Literatur sehr viel häufiger 
ist, als in der älteren Zeit. Nach der Mitte des 7. Jahr- 
hunderts, also durchaus in der silbernen Zeit der Sprach- 
geschichte erscheint es 12 mal, von Jeremias bis Daniel. 
Dafs wir zu den Producten dieser Zeit auch 2 Kön. 20, 13 
mit seiner Jesaiasparallele rechnen, bedarf wohl kaum der 
Erwähnung, auch dafs 1 Kin. 9, 19 in eine späte Zeit ge- 
hört, wird theils durch den Charakter jener Nachrichten, 
theils durch ihr Fehlen in der LXX nahe gelegt. So 
bleiben aus der älteren Literatur noch Jes. 22, 21 und 
Mich. 4, 8 — also 2 Stellen gegen 12 z. Th. der spätesten 
Literatur angehörig! Es ist immer dasselbe Lied bei den 
elohistischen Vocabeln ’). 

Ein weiteres Lieblingswort des Elohisten my fehlt 
ebenso auffällig bei Ezechiel wie "Hp, während es die 


f) Aber auch diese beiden Prophetenstellen scheinen mir nicht 
sicher. Palst Jes. 22, 21 neben MIN, MINI: AMOY die mby/nn? 
Besagt sie nicht eigentlich su viel als Bezeichnung der Amtsgewalt 
des Sebnah? Auch Delitzsch bemerkt z. d. Stelle : ,an’pwypy sieht 
man, wie nahe beigeordnet dem König das Amt ist, das Sebnah ver- 
liert“, und die LXX übersetzt das Wort sehr zart aber eigentlich un- 
richtig durch olxovouıa. Neben den oben angeführten Symbolen der 
Herrschaft vermifst man offenbar den Stab, der denn auch gerade zur 
Hand pa(st. Es scheint sich daher zu empfehlen, das ‘wp als eine 
Corruption aus “nyodo anzusehen cf. Num. 21, 18. Dafs Mich. 4,9 f. 
im Widerspruch zu v. 11 ff. stehen, darauf hat Wellhausen, Bleok 
4. Aufl. 8. 426 Anm. bereits aufmerksam gemacht. Ebensowenig aber 
kann, wenn diese Verse entfernt werden, v. 8 stehen bleiben. Er ist 
nur zu begreifen als Versuch aus dem vorigen zu v. 9 f. überzuleiten, 
zwischen v. 7 und v. 11 steht er ganz verloren. Sollte die LXX 
mit ihrem 5499 für M55py Recht behalten, so würde hierdurch 
diese Behauptung wesentlich gestützt. Man achte aber auch auf die 
entsetslich hinkende und tautologische Ausdrucksweise dieses Verses. 

16* 





944 | Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


silberne Literaturperiode in einer grofsen Zahl von 
darbietet : Ps. 1. 7. 22. 68. 74. 82. 86. 106. 111. Jer 
Prov. In 1 Reg. 8, 5 fehlt es selbstverständlich 
bei der LXX, sie bieten den älteren Terminus xac 
Dies erweckt kein grofses Vertrauen dazu, dals da 
an der einzigen Stelle aus den Samuelis- und Königsb 
an der es sich sonst noch findet 1 Reg. 12, 20, au 
nung der alten Quellen geschrieben werden kann. 

der That zeigt der Bericht, den dies Capitel von der Tı 
zwischen Juda und Israel liefert, ein so eigentht 
Gesicht, macht einen so verworrenen Eindruck und 
hier und da durch Zuthaten des Redactors bereichert ı 
dafs man offenbar gar keine Garantie dafür hat, d 
an dieser Stelle der alten Quellenerzählung angehi 
ganz ähnlicher Weise taucht my auch im Rich 
sofort da auf : Cap. 20 und 21, wo ein gröfserer . 
des Redactors wegen des Inhalts und des sonstig 
cabelschatzes der Partie statuirt werden muls. (c 
das gut aramäische rorı rauben Ri. 21, 21, im ganz 
nur noch in dem späten Ps. 10, 9 vorkommend.) 
einzigemal, wo wir my sonst noch in der alte 
finden, nämlich Ri. 14, 8, steht es nicht, wie ms 
dem Elohisten annehmen sollte, von der israel 
Volksversammlung, sondern von Thieren : es be 
einen Bienenschwarm. Aufserdem kommt der Termi 
mal in der älteren prophetischen Literatur vor : H« 
„ich züchtige sie omy pnw“, die erste nicht v 
Verdacht einer späteren Abfassung gedrückte St 
welcher dieses Wort auf menschliche Versammlun 
gewendet wird !). — Schliefslich sei noch bemerl 


') Damit will ich jedoch nicht behaupten, dafs ich mich 
bisher gegebenen und in der That nach dem Wortlaut d 
einsig möglichen Auslegungen befriedigt fihle. Nach dem 
lichen Sprachgebrauch von yoy und pi, nach der An 


246 Giesebrocht, sur Hexateuchkritik 


nellen Zusätzen zu den ursprünglichen Quellennachrichten 
angehörig, welche selbst nirgends anders als im Exil ge 
schrieben sein wollen (cf. 5, 4 Salomo herrschte über 
Alles jenseits des Stromes), in Widerspruch zu anderen 
Nachrichten der Königsbücher stehen und in der LXX 
fehlen. — Auch bei diesem Worte bleibt also schließslich 
eine Stelle aus älterer Zeit, welche gegen so viele Zeugen 
eines späteren Vorkommens des Wortes auftritt, nämlich 
Nu. 24, 19"), eine Stelle, die nach allgemeiner Annahme 
corrumpirt ist. Zieht man das » von Spy’ zu “Mm hin- 
über, so können die Consonanten offenbar ebensowohl 
DTM als OFM gelesen werden. Ich ziehe das erste vor, 
weil das 77% sonst nicht sicher in der älteren Literatur zu 
belegen ist. Eine Sicherheit, das wird Jeder zugeben 
müssen, gewährt also auch diese Stelle nicht für sein frühes 
Vorhandensein. | 

Aber auch mx ist ein spätes Wort. Nächst dem 
Elohisten bietet es am häufigsten Ezechiel, dann Chronik, 
Nehem., Ps. 2, den man schwerlich für alt halten kann *). 
Der Eigenname pyr, von der LXX OyoLar ausgesprochen, 
welcher sich Gen. 26, 26 im jehovistischen Zusammenhang 
findet, wird seine jetzige Punktation erst durch Myr er- 
halten haben, seine Nichtberücksichtigung an dieser Stelle 
dürfte schwerlich auf Widerspruch stofsen. Was andere 
Stellen im Jehovisten anlangt, an denen "m sich findet, 
so ist in Bezug auf Jos. 22, 19 überzeugend nachgewiesen, 
dafs wir es hier mit einem nachelohistischen Stück zu 
thun haben. Num. 32, 5 dagegen ist von Kuenen nicht 
in seine Betrachtung, welche v. 6—15 als späteren Einschub 
beseitigt, hineingezogen worden, während er doch jeho- 


1) Ri. 5, 18 braucht wohl kaum erwähnt zu werden. 

*) Es war mir nicht möglich, mein Urtheil über die Abfassungs- 
zeit der Psalmen in extenso zu beweisen, doch hoffe ich, dafs ich dazu 
bald Gelegenheit finden werde. 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 247 


vistisches und elohistisches Sprachgut nebeneinander zeigt 
und auch sonst ganz der Anschauung von der Sachlage 
entspricht, welche man nach Kuenen bei dem Diaskeu- 
asten voraussetzen muls. 

Ob xD schaffen aus dem Aramäischen in das He- 
bräische herübergenommen ist, oder ob sein Weg umge- 
kehrt vom Hebräischen in das Aramäische gegangen ist, 
wie Ryssel S. 73 annimmt, darüber läfst sich bis zum 
jüngsten Tage disputiren. Aber was sich mit Bestimmtheit 
ausmachen läfst, und worüber, wie wir hoffen, auch noch 
einmal Einigkeit hergestellt werden wird, ist die That- 
sache, dafs N13 in der angegebenen Bedeutung nicht beim 
Jehovisten vorkommt, sondern nur in der sinnlichen, also 
jedenfalls ursprünglicheren Bedeutung „fällen, schneiden, 
ausroden* als Piel x19 Jos. 17, 15, 18. cf. Ezech. 21, 24. 
23, 47. Daß nämlich der Ausdruck eed Wwe Gen. 6, 7 
auf Gen. 1 und 5 zurückweist, kann keinem Zweifel unter- 
liegen, auch Dillm. spricht davon, dafs „die Ausdrucks- 
weise von A hier etwas durchklingt“, folglich gehört die 
Stelle dem Redactor an, der die beiden Quellen zusammen- 
fügte. Auch Ex. 34, 10 spricht der Redactor, und nicht 
nur Wellh. sondern ebensogut Dillm. hat den Vers in 
dieser Weise beurtheilt. So bemerken wir, da x3 in der 
sonstigen Geschichtsschreibung vor dem Exil niemals er- 
scheint, auch hier die schon oft constatirte Discrepanz 
zwischen dem Elohisten und den alten Prosaikern. Da- 
gegen erscheint das Wort seit dem Deuteron. (bei diesem 
und Jerem., also im ganzen 7. Jahrhundert, nur 2 mal) in 
der poetischen und prophetischen Literatur 32 mal. Diesen 
32 Stellen der silbernen Literaturperiode stehen nun aus 
den Propheten des 8. Jahrhunderts nur 2 Stellen gegen- 
über. Also auch hier weist wieder die überwiegend grolse 
Wabrscheinlichkeit den Elohisten mit seinen 12 Stellen 
der späteren Literatur zu. Aufserdem ist leicht zu sehen, 
dafs die beiden x13 des 8. Jahrhunderts Jes. 4, 5. Amos 


248 Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. 


4, 13, dieses einer Interpolation angehört, jenes in einer 
stark corrumpirten Stelle vorkommt. 

Dafs Ryssel, dersich sonst der Annahme von Inter 
polationen oder späteren Aenderungen gegenüber so tugend- 
haft stellt, da wo ihn eine solche Annahme mit seinen 
Theorien über die Entstehungszeit elohistischer Stücke 
nicht in Widerstreit setzt, dieselbe gern acceptirt, zeigen 
z. B. seine Bemerkungen über das späte Vorkommen von 
ney? S. 73 : die Stelle 2 Sam. 16, 13, zu welcher Well- 
hausen im Text der Bb. Sam. S. 199 nachgewiesen hatte, 
dafs noyb hier auf Corruption beruhen müsse, wird hier 
gar nicht erwähnt, dagegen ist von seinem späten Auf- 
tauchen die Rede. In der That ist auch dies Wort spit : 
vor dem Exil kommt es nie vor, zuerst bei Ezechiel, dann 
Chron., Neh., Kohel. und in einer Interpolation der Königs- 
bücher I 7, 20. 

Würdig reiht sich diesen späthebräischen Worten 572 
an, auch hier hat Ryss. gegen spätes Zeitalter nichts ein- 
zuwenden und läfst wie noyb den Vers Jos. 16, 9, einen 
redactionellen, den Zusammenhung zwischen 16, 8 und 
17, 1 unterbrechenden Zusatz zum Elohisten, als spiit pas- 
siren. Er mufs in der That sehr spät sein cf. die LXX, 
welche zeigt, dafs man hier noch in jüngster Zeit inter- 
essante Bemerkungen nachtrug. Sonst kommt das Verbum 
4 mal vor dem Exil und über 20 mal in und nach dem 
Exil vor. 

Ueber ein Wort wie man braucht man kaum beson- 
ders zu sprechen, die einzige ältere Stelle, an welcher es 
sich zu finden scheint, Jos. 22, 19, ist hoffentlich durch 
unsere Tabelle genügend als ein vom Elohisten abhängiges 
Stück gekennzeichnet, cf. auch das in den Anmerkungen 
zur Tabelle unter x" Bemerkte. Die übrigen z. Th. 
schon oben unter den wahrscheinlichen Aramaismen und 
den poetischen Ausdrücken aufgeführten späthebräischen 
Worte seien nochmals zusammengestellt : np me, YD: 





Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 249 


ba u OTNID, 159s Bun. 713% Mw (cf. Anm. z. Tab. 
er DD), nid, end (cf. Anm. z. Tab.), uhr, Ir 
Im. urn (cf. 8. 209) mw mpde, ppp, Map) MT YD 
PO, MD) Mpo pp. AM 99% 59%. Mo Mwy (cf. Anm. 
Cab.), pnw, 729. wey. Da bei den meisten dieser Worte 
h das spite Vorkommen in der Literatur auf den ersten 
ck ergiebt, so kinnen wir eine genauere Betrachtung 
es einzelnen hier unterlassen. Jedermann wird zugeben, 
s ihre Zahl recht bedeutend ist und — zusammen- 
alten mit der grofsen Menge von oben angegebenen 
amaismen sowie mit dem was weiter unten über andere 
achliche Eigenthümlichkeiten des Elohisten entwickelt 
rden wird— den Gedanken einer frühen Abfassungszeit 
ses Buches nicht aufkommen läfst. 

Zum Schlufs sei noch zweier mehr stilistischen Wen- 
ngen gedacht, welche der Elohist ebenfalls mit späten 
hriftstellern theilt. 1) Die Pualform n3y findet sich nur 
ch in den späten resp. spätesten Büchern : Jes. 53, 4. 
. 119, 71. 132, 1. Hier hat es stets eine allgemeinere 
deutung „sich abmühen“, Lev. 23, 29 steht es speciell 
m Sichkasteien. 2) Die Pualform my, 3 mal bei Ezech., 
mal beim Elohisten. 


II. Aufserlexicalisches. 


Einige wichtige Erscheinungen, wenn auch nicht ge 
de lexicalischer Art, bietet der elohistische Sprachgebrauch 
dem Suffix %1.., der auffallenden Bevorzugung der 
mm x für „ich“, und der Ersetzung des Verbalsuffixes 
rch net mit Suffix, des Gebrauchs eines determinirten Ad- 
tives bei undeterminirten Substantivis u. s. w. 


250 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


Was das Suffix 1.- anlangt, so ist dasselbe von 
Ryssel S. 86 als ein suffixum antiquissimum bezeichnet, 
und aus seinem Vorkommen im Elohisten ein Schlufs auf 
dessen hohes Alter gezogen worden. Der Beweis für das 
hohe Alter dieses Suffixes ist jedoch nicht geliefert worden, 
keine Thatsache aus der Sprachgeschichte ist zu diesem 
Zweck angeführt. Nun wäre es ja wohl denkbar, dafs die 
Form ehu = ihu noch ein Ueberbleibsel aus jener Zeit 
darstellte, wo man auch ahu sprach ohne die Contraction 
zu vollziehen. Nur ist es auch in diesem Falle mifslich, 
die Form wegen des Mangels der Contraction für eine 
alte zu halten, weil hier eine Contraction wie bei W1, gar 
nicht möglich war. In jedem Fall war daher zunächst die 
Anwendung der betreffenden Form zu constatiren. Hätte 
Ryssel dies gethan, so würde er die überraschende Be- 
obachtung gemacht haben, dafs dieselbe nur in Stücken 
vorkommt, welche dem Exil nahe stehen : Nah. 1, 13 
www ; Hiob 25, 3 wwe; Deut. und Ezech. Wy; Ri. 19, 24 
wwy5%, ein Stück, in welchem schon mehrfach späte Er- 
scheinungen constatirt worden sind. Eigenthümlich ist es 
weiterhin, dals wir gerade in dieser Zeit bei dem Suffix 
des Plurals ähnliche Erscheinungen finden : Wmws Prov. 
9,18 cf. Olsh. § 135c; way Nah. 2, 4; "nm Hab. 3,2; 
wen ibid. v. 11; winyp Ezech. 43,17. Es ist also die 
Uebereinstimmung des Priestercodex und des Deuteron. 
in Bezug auf die Form 305 heineswegs nothwendig ein 
Beweis dafür, dafs diese feierlichere Aussprache eine von 
Alters her durch den priesterlich-gesetzlichen Usus über- 
lieferte war, vielmehr liegt die Annahme viel näher, dafs 
der Deuteronomiker diese Form aus der gehobenen poeti- 
schen Sprache seiner Zeit sich aneignete. Ob das häufigere 
Auftreten von #7 - . in jener Zeit auf aramäischen Einflufs 
zurückzuführen (dem allerdings wohl das Phönizische die 
Aussprache des Suff. 3. Pers. mit e resp. i verdankt) 


Giesebrecht, sur Hoxateuchkritik. 251 


bleibe hier dahingestellt, nachzuweisen ist jedenfalls kein 
Beispiel der betr. Form vor Nahum. 

Höchst bemerkenswerth ist weiter der Gebrauch der 
zwei verschiedenen Formen für ich : ‘338 und 5x. Bött- 
cher hat in seiner Grammatik eine übersichtliche Zusam- 
menstellung des Gebrauchs dieser zwei Pronomina gegeben 
und bereits hier auf die nicht allein in diesem Capitel be- 
merkbare auffallende Uebereinstimmung zwischen dem Elo- 
histen und den nachexilischen Schriftstellern hingewiesen. 
Ich lasse hier der Vollständigkeit halber seine Tabelle, 
wenn auch zuweilen Fehler vorgekommen sind, von denen 
ich einige corrigire, folgen. 

Beginnen wir mit denjenigen Schriften, welche aner- 
kanntermalsen in die Zeit nach der Zerstörung Jerusalems 
fallen, so ergiebt sich : 

1) Von den Ketubim brauchen 2) Von den Propheten 
Yr IR DM 


Thren. _— Ezechiel 188 1%) 
Qoh. 29 — Deutjes 62 18 
Ester 6 — Haggai 4 — 
Eera 2 — Bach 1-8 8 — 
Neb. 165 1 Mal. 5 1 
Chron. 80 1°) Jona 5 2 
Dan. 28 1 Pseudojes. 8 29 


Die ebenfalls späten Proverbien stehen mit den anderen 
Ketubim -ungefähr auf gleicher Stufe : sie bieten 7 mal 
Ye gegen 2 maliges ‘33%, ebenso überwiegt das ‘x in den 
Psalmen bei weitem : 13 maliges *) ‘3% steht gegen 


1) Mit Recht macht Böttcher daraufaufmerksam, dafs das einzige 
ww) in der Chronik I 17, 1 aus der Parallelstelle 2 Sam. 7, 2 her- 
stammt. 

*) Auch hier haben wir es, wie Böttcher ebenfalls bemerkt hat, 
nur mit einer Lehnstelle 86, 28 cf. Jer. 30, 22 (Lev. 26, 12) su thun. 

®) Hierbei sind C. 13. 27. 88 mit je einem sy und Cap. 21 mit 
2 38 vertreten. 

*) Demnach ist Böttcher's 12 zu verbessern, indessen sind auch 
hier 2 Lebnstellen mit 15)x vorhanden: Ps. 81, 11 und 50, 7. 


262 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


TOmaliges ‘ye. Sehen wir von den in der Anmerkung be- 
zeichneten Lehnstellen ab, so ist die Vertheilung des 
11 maligen ‘9 auf die einzelnen Bücher merkwürdig genug, 
über die Hälfte aller Stellen (7) entfallen nämlich auf das 
4. und 5. Buch, die 3 ersten Bücher liefern ‘D9 nur 4 mal: 
22, 7. 39, 13. 46, 11. 75, 4. Von jenen 7 aber bietet uns 
wieder ein einzelner Psalm, der 119., fast die Hälfte, 
nämlich 3, neben 8 maligem ’%t; ein deutliches Zeichen, dafs 
das häufigere Vorkommen von ‘33 in den letzten Büchern 
mehr auf Zufälligkeiten und Geschmacksvorliebe beruht, 
als dafs es eine wichtige Thatsache der Sprachgeschichte 
wäre. In der That ist es aber nicht bedeutungslos, dafs 
in den ersten 89 Psalmen sich nur 4mal ‘Dx findet, und 
dafs es auch in zwei von diesen Psalmen nicht den An- 
spruch darauf erheben kann, das prädominirende zu sein 
(Ps. 39 und 75 findet sich noch je 2 mal 'w). Die Psalmen 
unterscheiden sich hiernach keineswegs nennenswerth von 
den anderen Ketubim, die bereits erwähnt wurden. — 
Eine Ausnahmedagegen machen das Buch Hiob und das Buch 
Ruth. Dieses hat prävalirendes ‘93x (7 mal) gegenüber 
2 maligem 8, in jenem überwiegt zwar “x, kommt aber 
doch nur an 2 mal so viel Fällen vor als 3x (28 gegen 
14). Indessen von beiden Büchern ist es ja bekannt, dafs 
sie künstlich archaisiren, sollte es sich also im weiteren 
Verlauf der Untersuchung bestätigen, was bis jetzt einige 
Wahrscheinlichkeit hat, dafs nämlich das x einer späteren 
Periode der Sprachgeschichte angehört, dann würde 
sich das häufigere Vorkommen von ‘338 in diesen beiden 
Büchern aus einem Streben nach Archaismen erklären 
lassen. So bietet ja auch Jona auf 5 9x 2 a3x, obgleich 
er eine der spätesten pruphetischen Schriften sein mufs, 
so fällt auch Deuterojesaia mit seinen 18 ‘39% in seiner 
Umgebung auf. 

Ein ganz anderes Bild bieten uns diejenigen Schriften, 
welche, wenn auch im Exil redigirt, doch ältere Quellen 


Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. 953 


in sich aufgenommen und verarbeitet haben. Hierzu sind 
.gm rechnen die historischen Bücher und diejenigen Theile 
. des Jehovisten, an denen wir die überarbeitende Hand des 
Denuteronomisten wahrnehmen 


Ir DIN IR DIN 
Genesis 84 52 Richter 12 17 (Böttcher 15) 
Exodus 14 33 Samuel 50 50 
Nuameri — 7 Könige 44 9 


Josus 4 9 
Jehovist 52 90 


Es liegt in der Natur der Sache, dafs bei einem Pronomen 
micht mehr ins Einzelne nachgerechnet werden kann, an 
~welchen Stellen die eine Form desselben auf die ältere 
Quelle, die jüngere dagegen auf den späteren Redactor 
surückgeführt werden muß. CGesetst m war die ältere 
Form, die überwiegend von den früheren Quellenschriften 
angewendet wurde, ‘3 dagegen zur Zeit des Redactors 
das gewöhnliche, so lag es für diesen offenbar sehr nahe, 
"wenn wir ihn uns nicht in der von A struc vorgezeichneten 
Weise als reinen Compilator denken wollen, beim Ab- 
schreiben und Verarbeiten der Quellen das I in IX zu 
ändern. Hierbei braucht keineswegs die Absicht der Aen- 
derung angenommen zu werden. Andererseits aber lag 
ihm von den benutzten Quellen her 33x gewils häufig im 
Ohre, und so konnte er wiederum bei Stücken, die er 
selbst verfalste resp. freier componirte, oft zur Setzung 
anes my veranlafst werden. Offenbar ist also in allen 
historischen Schriften das Verhältnis, in dem der Ge- 
brauch der zwei Formen des Pronomens zu einander steht, 
das entscheidende. Da ist es nun von grofser Wichtigkeit, 
dafs nach dem Verhältnifs des Alters der Quellen und der 
Redaction der historischen Bücher das Verhältnils von IX 
su „8 sich in den späteren Schriften immer günstiger für 
x gestaltet. Stehen sich Genesis und Exodus soweit un- 
= gefähr gleich, dafs “x etwas mehr als die Hälfte hinter 


254 Giesebrecht, zur Hexateuchkritik. 


xx zurückbleibt, ja liegt das Verhaltnifs im Buch Numeri 
noch günstiger für das letztere '), cf. auch das Buch Josua, 
so steigt ‘We im Richterbuch fast bis auf die gleiche Ziffer 
mit ‘9%, erreicht dieselbe in den Büchern Samuelis und 
dominirt endlich so gut wie ganz in den Königsbüchern. 

' Dem einzelnen weiter nachzugehen ist unnöthig, nur 
bei dem kleinen leicht übersehbaren Richterbuch können 
wir nicht umhin, den Gebrauch der Formen im Einzelnen 
einmal kurz vorzuführen. Es wird durch diesen Ueberblick 
das oben Bemerkte auffallend bestätigt. Es findet sich 
nämlich 39 in alten Stücken 14 mal *); in Stücken des 
Ueberarbeiters 3 mal ®); x in alten Stücken 5 mal‘), in 
Stücken des Ueberarbeiters 7 mal®); also "30" in den 
Quellen fast 3 mal so oft als x, dies dagegen in neueren 
Stücken über 2 mal so häufig als jenes. 

Sehen wir nun von der Scheidung zwischen Quellen- 
schriften und späterer Ueberarbeitung ab, so läfst sich 
durch alle historischen Bücher die auffallende Thatsache 
wahrnehmen, dafs am Anfang derselben das xt ganz be- 
deutend über ‘ye prävalirt und gegen die Mitte und das 
Ende hin demselben entweder gleich steht oder weniger 
gebraucht wird. 

Richt. We 19 I Sam. 93 9% IBem. min U 
Cc. 1—7 6 8 i—11 10 8 1—8 8 


9 
C. 8-14 56. 4 12—20 10 10 9—16 7 16 
C. 15—21 4 5 21—81 5 4 17—24 7 11 


ı) Doch soll weder auf diese Thatsache, noch auf das im Buch 
Josua obwaltende Verhältnifs zwischen beiden Formen grofser Werth 
gelegt werden, der Umfang der betreffenden Stücke ist zu gering, und 
das 8 malige Sy Jos. 14, 6—15 dürfte, wenu Kuenen Theol. Tijdschr. 
1877 Recht hat, ein künstlicher Archaismus sein. 


*) 6, 15, 18, 87. 7, 17, 18. 8, 5. 11, 9, 25, 87. 17, 9, 10 £. 
*) 6, 8 11, 27. 19—21. 

*) 9, 2. 18, 11. 16, 8. 16, 17. 17, 2] 

8) 1. 2. 6, 10. 8, 28. 12, 2. 19—21. 


256 Giesebrecht, sur Hexatsuchkritik. | 


menschlich, dafs. die Abschreiber am Anfang eines Buches 
noch sorgfältiger verfuhren als gegen den Schlufs desselben. 

Um alle Instanzen hier noch einmal zusammensufassen : 
Wir machen die Beobachtung, dafs in den sicher exilischen 
und nachexilischen Schriften x ein erdrückendes Ueber- 
gewicht über 3x ausübt. Nur bei wenigen Schriftstellern, 
oft nur auf ein paar Capitel zusammengedrängt, begegnet 
uns 9)®, die Annahme, dafs diese Anwendung auf einem 
künstlichen Gebrauch beruht, wird durch diesen Wider- 
spruch mit der sonstigen Regel nahe gelegt. Betrachten 
wir die Schriften, welche, wenn auch im Exil componirt, 
doch ältere Quellen in sich aufgenommen haben, so be- 
merken wir, je älter die verarbeiteten Stoffe sind, ein um 
so deutlicheres Hervortreten von ‘39%; je später die Quellen 
und je stärker, wie in den Königsbüchern, die Eingriffe 
des Redactors in den Stoff, um so energischer überwiegt 
1x, so dafs es in den Königsbüchern fast allein vorkommt. 
Aufserdem läfst sich noch nachrechnen, dafs in den ein- 
zelnen Büchern an den, weniger von der Hand des Re- 
dactors berührten Stellen ‘59% ganz bedeutend bevorzugt 
wird. Endlich läfst sich aus der Art, wie der Gebrauch 
von ‘398 und ‘3x abwechselt, schliefsen, dals das häufigere 
Vorkommen der zweiten Form auf einer, sei es durch die 
Hand der Redactoren oder der Abschreiber, oder beider 
zugleich herbeigeführten Aenderung des ursprünglichen 
wit besteht. Hieraus ist mit Sicherheit der Schlufs zu 
ziehen : vor dem Exil, sonderlich in der älteren Literatur- 
periode, hat der Gebrauch von ‘3% den von ‘38 bei weitem 
überwogen. 

Ein Blick auf die bisher noch nicht betrachteten Lite- 
raturdenkmäler wird dies noch klarer ins Licht setzen. 
Steht nämlich bei den historischen Büchern die Tradition 
des Textes mit Recht nicht im besten Rufe, so dürfte diese 
für das Gesetz sicherer verbürgt sein. Da ist es nun 
höchst bemerkenswerth, dafs das Deuteron. in seinen alten 


958 Giosebrecht, sur Hexateuchkritik. 


Material ist ja, was Jes. und Mich. anlangt, viel su gering, 
um aus ihm sichere Schlüsse ziehen zu können, auch wenn 
man annimmt, was durch die sonstige Gestalt ihres Textes 
nicht empfohlen wird, dafs die 4 x wirklich ursprünglich 
seien. Das nur geringe Prävaliren des 9" bei Hosea aber 
erklärt sich wohl aus seiner nordisraelitischen Herkunft. 
Denn dafs auf diese gewisse Aramaismen surückzuführen 
sind, die sich bei ihm finden, ist bekannt. Dafs aber das 
häufigere Auftreten von ’% in der späteren Literatur und 
die Verdrängung von ‘59% auf aramäischen Einfluls surtick- 
geht, kann wohl keinem Zweifel unterliegen. 

Wenden wir uns endlich dem Elohisten zu, so zeigt 
derselbe auch in Beziehung auf dieses Wort ganz den 
späten Sprachgebrauch, der am meisten dem der Chronik 
und des Eizechiel entspricht. Er bietet nur ‘wt mit einer 
einzigen Ausnahme Gen. 23, 4. Da wir nach der Analogie 
des Deuteronomiums der Tradition des Textes in dem 
allergröfsten Theile des Buches, dem Gesetslichen, einiger- 
mafsen trauen können, so ist offenbar diese Thatsache von 
nicht geringer Bedeutung : in einem Gesetzbuch, dessen 
Judiische Abkunft unbezweifelt ist, und das vor dem Deu- 
teronom. angesetzt werden mülste, würde sie in grofse 
Schwierigkeiten verwickeln, die exilische resp. nachexilische 
Abfassung der Schrift allein beantwortet alle Fragen mit 
einem Schlage. 

Ueber den Gebrauch der Accusativbezeichnung mex mit 
dem Suffix und das Zurücktreten des Verbalsuffixes gegen 
jene ') bemerkt Wellh. Gesch. Isr. 8. 402 „in mwas er- 
scheint in Gen. 1 das einzige Verbalsuffix, übrigens immer 
die Formen Mx Ons, ähnlich ist das Verhältnifs auch sonst 


!) Schon Ewald hat das stärkere Hervortreten des mye dem 
Accusativsuffix gegenüber beobachtet, cf. Lehrbuch der hebr. Sprache 
5. Aufl. § 299d „AN für den Acousativ reifst immer mehr ein ohne 
dringende Nothwendigkeit*. 


Giesebrecht, sur Hoxateuchkritik. 259 


im Priestercodex.* Diese Bemerkung dürfte nun freilich 
einigermalsen eingeschränkt werden müssen, denn in der 
_ That halten sich die beiden oben erwähnten Gebrauchs- 
arten in den elohistischen Stücken der Genesis ziemlich 
die Wagschale. Nur wenig überwiegt me (32 mal) über 
das Suffix (25 mal). Erst im Exodus tritt eine grölsere 
Verschiebung des Verhältnisses zu Gunsten des me c. Suff. 
ein und zwar für C. 25—31 etwa in der Weise, dafs das 
Niveau von Gen. 1 erreicht wird 53 gegen 13 — vorher 
24 : 12. Vom Leviticus habe ich noch die ersten 6 Capp. 
verglichen und hier das Verhiltnifs dem in der Genesis 
ungefähr entsprechend gefunden 27 : 23. — Immerhin aber 
sind auch diese Resultate schon bedeutungsvoll, denn in 
auffälliger Weise differiren sie von dem Gebrauch, welchen 
wir sonst in den ältesten und älteren Büchern antreffen. 
Das Richterbuch liefert uns 143 mal Suffixa am Verbum 
gegen 66 maligen Gebrauch von mec. Suffix. Noch gün- 
stiger liegt das Verhältnils für das Suffix in den Büchern 
Samuelis : 91 mal me gegen 363 maliges Suffix, I Reg. 
1—6 bietet 10 mal mx und 29 Suffixa. Beim Propheten 
Hosea treffen wir nur 4 mal mec. Suff., während das 
Suffix erstaunlich abundirt (76 mal), bei Jesaia und Amos 
ist die Prävalenz des Verbal-Suffixes zwar nicht so be. 
deutend, immerhin aber vorhanden 59: 10; 26:7. Steigen 
wir etwas tiefer herab, Cap. 5—10 des Deuteronoms her- 
ausgreifend, so ist immer noch das Suffix das beliebtere 
84 : 27, erst bei Ezechiel halten sie sich ungefähr das 
Gleichgewicht : 265 Suff. gegen 206 mx. Dabei lassen sich 
die Gründe, aus welchen die alte Sprache das Mx setzt, in 
vielen der angegebenen Fälle noch angeben, eine einfache 
Ersetzung des Suffixes am Verb. ohre irgend eine äulsere 
Veranlassung ist nicht das gewöhnliche. Solche Gründe 
können sein : 1) ein N corhortat. an der Verbalform Ri. 
11, 13 (AMS Fawn 16, 26 cnx Fawn 13, 14 na 9 AYIA 
2) beim Infinit. ein an demselben bereits vorhandenes 
17* 


260 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


Suffix, welches das Subj. ausdrückt 11, 35 Mme wees 14, 11 
we DAN cf. Gen. 29, 19 f. 3) die Absicht, das betreffende 
Suff. besonders auszuzeichnen. 14, 2, 3. 4) das Streben 
nach Abwechselung, wenn mehrere Verba mit Suffixen 
aufeinander folgen würden, 12, 6. 16, 31. 5) Wenn mehrere 
Objecte zu einem Verbum treten, von denen nur das erste 
ein pron. pers. ist, wird dieses gern um es den anderen 
Objecten zu conformiren an Mx angehängt. 14, 15. 15, 6 
Tax ma me ne Aw. 78. Wird durch diese, dem Richter- 
buch entnommenen Beispiele die Zahl der Stellen, in denen 
mec. Suff. einfach Vertreter des Suffixes ist, bedeutend 
herabgemindert, so fällt das in diesem Buch obwaltende 
Verhiltnifs zwischen beiden Gebrauchsarten noch mehr zu 
Gunsten der Annahme Wellhausens in die Wagschale, 
dafs der Gebrauch des blofsen Suffixes der ältere sei, da- 
gegen sich allmählich im Laufe der Zeiten die Anwendung 
des mx häufiger gestaltete. Von eigenthümlicher Bedeu- 
tung ist hierfür, dafs wenn auch das Suffix in den drei 
nachexilischen Propheten Haggai, Sach. und Mal. das me 
um einiges weniger als in Ezechiel hinter sich zurückläfst 
(33 : 24), doch Hagg. 2,17 die sonst ganz unerhörte Con- 
struction sich findet, das px mit einem MX zu verbinden : 
Ooms fe = DIYVN !). Diese Thatsache legt ein deutliches 
Zeugnife dafür ab, wie nahe es dem späteren Sprachgeist 
lag, die Beziehung zwischen einem wirklichen oder vir- 
tuellen Verbum und seinem Accusat. durch die äufsere 
Form des MX auszudrücken, wie wenig hierzu das Suffix 
zu genügen begann. Zur Erhärtung dieser allgemein an- 
erkannten Thatsache braucht hier kaum an die Verwen- 
dung des 5 zur äufseren Bezeichnung des Accusat. erinnert 
zu werden. Gliedert sich also auch durch diesen Ge- 
brauch das Werk des Elohisten wieder in die späteren 
Literaturproducte ein, so weist im Gegensatz hierzu der 


*) Eine ähnliche Erscheinung bietet Ezech. 48, 17 SAN IWSD- 


262 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


in dem angegebenen Sinne verwendet werden können. 
Der eine : participium et apud Jehovistam et in Elohistae 
historiis conjunctum cum genetivo casu objectum significante 
sicut yw ‘xa Gen. 23, 10, 18. 9, 10. Ex. 1, 5 et apud 
Jehovistam Gen. 34, 24. 46, 26. Sehen wir zunächst davon 
ab, dafs sich die letzten beiden Stellen mit gutem Recht 
dem Jehovisten absprechen lassen, um nur den Sprach- 
gebrauch überhaupt zu constatiren. — Die Verbindung des 
Particip. mit dem Genetiv findet sich allerdings im De- 
boralied und anderen alten Liedern ziemlich häufig, aber 
dafs die Poesie dieselbe öfter anwendet als die Prosa ist 
sehr natürlich, denn sie ist die kürzere gegenüber der um- 
ständlicheren Accusativ- oder Präpositionalconstruction '). 
cf. Deut. 33, 11 yap dagegen 2 Sam. 18, 31 Ty DmPTn. 
Es ist aber gar nicht richtig, dals die Construction des 
Particips mit dem Genetiv das Characteristicum der alten 
Sprache sei : auch beim Jehovisten finden wir die Con- 
struction mit dem Accusat. z. B. Gen. 2, 11, 13. 4, 17 
(nach der masoretischen Punctation), 25, 28. 27, 33. 42, 
29, 30 neben der mit dem Genetiv : 3, 5. 4, 14,15. 20, 21 
— der Elohist selbst wendet die accusativische Gen. 1, 11 
bis 29. Lev. 25, 28, 30. Num. 14, 6 und die präpositionale 
Construction Gen. 9, 18 an. In dem ziemlich alten Stück 
2Sam. 9—20 findet sich sogar die Verbindung des Par- 
ticips mit dem Accusativ häufiger als diejenige mit dem 
Genetiv, und das Verhältnils stellt sich hier noch günstiger 
für den Accusativ ?), wenn man bedenkt, dafs in Ausdrücken 
wie "9 iz‘), jmdw) doe, o7n ON’ u. s w. das Particip voll- 
kommen ein Nomen Substantivum ersetzt, cf. die Bezeich- 
nungen der Gewerke wie ner) wn Gen. 4, 22. Weiter 


1) Die Araber ziehen die Genetivverbindung als die kürzere auch 
in der Prosa der Accusativconstruction vor. cf. Ewald Gramm. Ar. 
8. 181. 

*) of. Ewald. Lo. 8. 131. Not. 1. 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 263 


aber bietet die spätere Literatur eine Fülle von Beispielen 
für den Gebrauch des Particips mit dem Genetiv : cf. 
Jer. 46, 22. Es. 15, 6. 16, 27, 45. 22, 3. 27, 29. 30, 6. 
32, 21. 33, 24. Sach. 8, 20 f. Hagg. 2, 22. Mal. 1, 6. 3, 3, 
5, 6, 15, 16. Hiob 4, 19. 8, 13. 26, 5. Ps. 88, 6. 50, 6; 
aufserdem Yyp ‘xy’ 2 Chron. 32, 32. wo Thren. 1, 4 
Prov. 2, 19. oem ‘De Chron. Esr. Neh. rondo wy 
ibid. Durch diesen unumstifslichen Beweis für das hohe 
Alter der elohistischen Sprache wird also weiter nichts er- 
härtet, als dafs der Elohist überhaupt hebräisch schrieb. 
Das zweite Argument stützt sich auf die Behauptung, 
dafs das Passivum in allen semitischen Sprachen ursprüng- 
lich unpersönlich gebraucht worden sei. Daher sei es früher 
allgemeine Sitte gewesen, das Passiv mit einem Object zu 
verbinden, und wo jetzt noch wie z. B. im Elohisten eine 
Construction des Passivs mit dem Accusativ seines virtuellen 
Subjects begegne, sei dies für ein Zeichen besonders hohen 
Alters anzusehen. Weder mir noch irgend einem mir zugäng- 
lichen arabischen Grammatiker ist von einer solchen Con- 
struction in der arabischen Sprache etwas bekannt, und da 
das Arabische gewöhnlich als Typus der älteren und rei- 
neren (Gestalt der Sprache angesehen wird, so dürfte dieser 
Umstand immerhin schon ins Gewicht fallen !.. Recht 


1) Dafs bei der Versetzung eines Activ’s mit 2 Objecten in das 
Passiv das zweite Object im Accusativ stehen bleibt, ist etwas total 
Verschiedenes. Hier ist von Unpersönlichkeit des Verbum gar nicht 


die Rede. Wird Gus si) in Las er verwandelt, so ist das 


Passiv nicht unpersönlich, sondern hat den vorher mit dem Suffix be- 
zeichneten zum Subject. Es kann daher die Frage nur verwirren, 
wenn Ryssel solche Constructionen im Hebräischen mit der in Frage 
stehenden zusammenwirft s. B. Gen. 17, 11, denn was für ein Accu- 
sativ hier N 93 AN ist, wird durch v. 24 und 27 ganz klar — hier- 
nach ist auch v. 14 auszulegen. Ebensowenig gehört px dy) hier- 
her, welches Ryssol ebenfalls 8. 80 Anm. 1 mithinein zieht, auch hier 
ist der Accusativ beim Passiv nicht für das Subject gesetzt, sondern 
solcher des zweiten Objects. 


964 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


wünschenswerth aber wäre es gewesen, wenn Ryssel bei 
dieser Gelegenheit, wo es sich um Entscheidung der Frage, 
ob Aramaismen im Elohisten nachweisbar seien, wenigstens 
an zweiter Stelle handelte, wenn auch nur ganz oberflächlich 
berührt hätte, dafs diese Construction im Chaldäischen 
ziemlich häufig ist, cf. die zahlreichen Beispiele aus den 
Targg., welche Winer bibl. Chald. S. 113 anfthrt. Dafs 
gerade dieser, verhältnifsmäfsig junge Dialect die in Rede 
stehende Construction so häufig anwendet, ist doch eine 
Thatsache, die gegen den Gedanken einer perantiquitas 
derselben Protest einlegt. — Allerdings findet sich nun die 
Construction des Passiv mit dem Accusativ schon in der 
älteren Prosa z. B. Ex. 10, 8 11 DM AWD na Dem 
my-5x; 21, 28 mia mee Sow nd; Gen. 4, 18 "pn TOM 
rom; 27, 42 wy mar ma um; 2 Sam. 21, 11 rue m 
W Ws; 1 Reg. 2, 21 wanna ym; 18, 13 “Wr ne WwW 
‘wy, cf. Hos. 10, 6. Amos 4, 2. Es ist aber leicht zu 
sehen, dafs es sich hier nicht um eine alte Construction 
handelt : Ezechiel wendet sie viermal : 10, 17. 16, 4 f. 
23, 29, Jeremia ebenso oft nämlich 35, 14. 36, 22. 38, 4. 
60, 20 an; cf. aufserdem Prov. 16, Deut. 12, 22. 20, 8. 
Hiob 22, 9. Ps. 87, 3. 72, 19 (Doxologie des zweiten Psalm- 
buchs), 2 Reg. 18, 30. Jes. 21, 2. 14, 3 (?), 61, 3. 2 Chron. 
26, 6. Befremdlich ist dagegen die grofse Häufigkeit 
dieser Construction beim Elohisten : Gen. 17, 5. 21, 5. 
Ex. 25, 26. 27, 7. Lev. 10, 18. 13, 65 f. Num. 7, 10. 26, 
60, 62. 28, 17. 32,5 und zwar gerade in denjenigen Theilen, 
die nach Ryssels eigener Meinung wegen ihres aramii- 
schen Sprachgutes cf. S. 69 in die späteste Zeit der he- 
bräischen Literaturgeschichte fallen, nämlich in allen hier 
aus Exodus, Leviticus und Numeri angeführten Capiteln 
mit Ausnahme von Num. 32. Oder nehmen wir, da in der 
Schlufstabelle S. 92 der von Ryssel später angesetzten 
Stücke des Elohisten Num. 28 und Lev. 13 fehlen, die 3 
ihnen angehörenden Stellen aus, so werden dennoch die 


266 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


wollte, ob diese Disposition eine normale war, so hitte er 
sich freilich nicht mit der allgemeinen Wendung, dafs diese 
Construction nonnunquam vorkäme, beruhigen dürfen, son- 
dern die Geschichte der Sprache nach derselben ansehen 
müssen. Dabei zeigt sich nämlich, dafs diese elohistische 
Construction in der alten Prosa so gut wie ganz fehlt. Sie 
findet sich zwar in den Samuelisbüchern 3 mal : 1 Sam. 
12, 28. 19, 22. 25, 10, aber die erste Stelle rührt auch 
nach Schrader’s Urtheil vom Deuteronomiker her '), die 
zweite ist sicher corrumpirt,..mit Wellh. (Text der Bb. 
Sam.) ist u in 137 zu verwandeln, in der dritten er- 
setzt der Artikel vor dem Particip. das Relativpronomen : 
„e8 giebt heutzutage viele Knechte, die sich von ihren 
Herrn losgerissen haben“, der Text steht gar nicht auf 
einer Linie mit den elohistischen. Als einzig sichere Stelle 
aus der älteren Prosa bliebe also Gen. 41, 26, doch ist 
auf dieselbe nicht viel Gewicht zu legen, da sie gleich 
nachher die richtige Construction braucht. Vielmehr legt 
es sich sehr nahe, hier an schlechte Tradition des Textes 
zu denken *). Sehr wüst sieht es auch mit dem Text von 


1) de Wotte-Schrader Einl. ind. A. T. 8. 888. 


*) Ich nehme hier die Gelegenheit wahr, nochmals auf die starke 
Ueberarbeitung des Textes der letsten Genesisstücke hinzuweisen. Zu 
den bei by} bereits angeführten Zeichen späterer Redeweise füge 
ich den hier oft auftretenden Gebrauch, das undeterminirte Adjectiv sum 
determinirten Substantiv zu setzen. of. 48, 14 (cf. dagegen v. 29); 
87, 2 (wie auf Verabredung stellen sich dann auch die elohistischen 
Worte 137} und sf 5x ein); 42, 19 (cf. dagegen v. 88). Dafs diese 
Erscheinung spät ist, geht aus Hagg. 1, 4. Ez. 10, 9. 84, 12. 89, 27. 
Jer. 24, 2. Ps. 99, 8 hervor. 2 Sam. 6, 8 ist der Text nach Ewald 
(krit. Gramm. 8. 626) und Wellh. a. a. O. corrumpirt; Gen. 29, 3. 
Richt. 16, 5 f., 15 sind die Adjectiva Prädicate cf. auch Ewald a. a. O.; 
dafs endlich die Demonstrativa Dx, 4}, 1}, Ni Gen. 82, 28. Ex. 10, 1. 
Jos. 2, 20. 1 Reg. 10, 8. Ps. 12. 2 als per se determinirt gebraucht 
werden hat mit der in Rede stehenden saloppen Redeweise gar nichts 
zu thun. — of. aufserdem als Zeichen späterer Zeit in Gen. 87—50 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 267 


Jes. 22, 24 aus, wo sich pn YD findet '). — Die übrigen 
Zeugen fir das Vorkommen dieses Gebrauchs stammen alle 
aus den späteren Jahrhunderten, besonders stark sind 
Jerem. und Ezech. vertreten, also die uns bereits mehrfach 
bekannt gewordenen Nachbarn des Elohisten : Jer. 17, 2. 
27, 3. 38, 14. 46, 16. 60, 16. Ez. 2, 3. 8, 3. 9, 2. 14, 22. 
32, 22, 24. Joel 2, 25. Sach. 4, 9. 11, 2. 14, 10. Ps. 62, 4. 
104, 18. Neh. 3, 6. 9, 36. 

Aus der oben bereits beleuchteten Meinung heraus und 
ihr zu Liebe, dafs der Gebrauch des Passivs mit einem 
Objectsaccusativ das Zeichen hohen Alters sei, hat Ryss. 
an einer anderen Stelle den Elohisten mifsverstanden. 
Gen. 17, 10 wird kein Unbefangener anders übersetzen 
können als : „beschnitten werde alles Männliche“ und, so 
viel ich weils, steht auch Ryss. mit seiner Behauptung, 
dafs >} Object und nicht Subj. zu. Siem sei, ganz allein. 
Dann fällt aber diese Stelle ganz mit denjenigen zusammen, 
welche Ryss. kurz vorher 8. 65 aus Lev. 6, 7. Nu. 6, 5%). 
Deut. 15, 2 als Zeugnisse für die Construction des Inf. 
absol. mit einem Subj. angeführt hat. — Was das Alter 
dieser Construction angeht, so habe ich als aufserpenta- 
teuchische Beispiele für dieselbe nur solche aus der späteren 
und spätesten Literatur auftreiben können, nämlich Ps. 
17, 5. Job 40, 2. Prov. 17, 12. Qoh. 4, 2. Auffallend ist 


lito Mundvorrath, sonst nur 2 Chron. 11, 28 of. Jer. 5, 8, ein reiner 
Chaldaismus, und my: aufser beim Elohisten Ex. 84, 84. Lev. 8, 85. 


10, 18. Nu. 8, 16. 87, 20 nur noch Ezech. 12, 7. 24, 18. 87, 7. 

') Es ist übrigens leicht zu sehen, dafs hier die Setzung des Ar- 
tikels auf anderen Gründen beruht, als an den elohist. Stellen, das Ad- 
jectiv ist hier als Neutrum dem Substantiv im Genitiv nachgostellt = 
Gefälse des Kleinen für Gefälse der Kleinheit. 

*) Diese Stelle mufs wohl aus Versehen hier angeführt sein, denn 
das Subj. beim Inf. ist hier nicht ausgedrückt. Uebrigens gestehe ich, 
dafs meine Nachforschungen über diese Construction keine umfassenden 
waren : in Betreff des Nichtvorkommens derselben beim Jehovisten 
habe ich mich an Ryssel gehalten. 


268 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


auch, dafs kein einziges aus der Prosa sich darunter be- 
findet : wie so oft treffen wir den Elohisten hier wieder 
im poetischen Fahrwasser. 

Mit den anderen Spuren späteren Zeitalters, welche 
Ryss. auf dem Felde der Syntax zu Tage gefördert hat, 
können wir uns im Allgemeinen einverstanden erklären, 
nur wäre das Resultat noch durchschlagender gewesen, 
wenn alle Zeichen der späteren Sprache, gleichgiltig ob 
dieselben der zweiten oder dritten Periode der Sprach- 
geschichte angehörten, zur Geltung gekommen wären. Es 
hätte auch nichts geschadet, wenn hier noch folgende Er- 
scheinung Berücksichtigung gefunden hätte. 

Wir bemerken an verschiedenen Stellen der elohistischen 
Schrift eine ganz auffallende Häufung von Partikeln, be- 
sonders der Fragepartikeln. So heifst es Nu. 17, 28 om 
yw von, eine Ausdrucksweise, welche uns nur noch in 
dem späten Buch Hiob begegnet : 6, 13 ‘3 my PR Din. 
Ueber die Auffassung ist natürlich Streit : die Einen !) er- 
theilen dem Onn dieselbe Bedeutung wie ox allein, die 
Anderen *) fassen Ox = wahrlich nicht. Wie man nun 
auch tiber diesen Punkt denke (mir scheint die Annahme 
Schlottmann’s einfacher, und die Dillmann’ sche be- 
sonders wegen des folgenden }'x sehr schwierig), bei beiden 
Deutungen mufs eine starke Abschleifung der eigentlichen 
Bedeutung der Partikeln angenommen werden, welche wie 
das späte Buch Hiob zeigt, ein Aufkommen der Wendung 
ONN in früher Zeit nicht begünstigt. Eine Vergleichung 
von Gen. 17, 17 an Moe oryein-nan Mw OX mit dem 
nachexilischen 94. Psalm, der ähnliche Häufung der Frage- 
wörter zeigt, bestätigt das eben Bemerkte. — In ähnlicher 
Weise erklärt sich Dillmann mit Recht Wendungen wie 
Gen. 23, 13 ypu nn ON x und Lev. 5, 17 Yo) Ow 


t) cf. Schlottmann Hiob 8. 248. 
*) Dillmann Hiob 8. 59. 


270 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


IIL Ezechiel und der Elohist. 


DT ei Hm U 





Der Verwandtschaft zwischen Esechiel und dem Elo- } 
histen hat am Schlusse seines Buches 8. 87—89 Ryssel | 
einige Worte gewidmet. 

Die vielfachen Berührungspunkte zwischen Ezechiel 
und dem Elohisten werden hier zugestanden, indessen dar- 
aus erklärt, dafs Ezechiel den Elohisten nachgeahmt habe. 
Die gegentheilige Ansicht, welche den Ezechiel zum Original 
macht, widerlegt sich nach Ryssel’s Anschauung daraus, 
dafs Ezechiel an Aramaismen und Eigenthümlichkeiten der 
späteren Sprache sehr reich ist, während das Werk des 
Elohisten sehr wenig Spuren späterer Abfassungszeit auf- 
weise. Sodann wird der Versuch gemacht, aus dem Sprach 
gebrauch der einzelnen Theile des Buches Ezechiel nach- 
zuweisen, dafs Ezechiel für die verschiedenen Stücke des- 
selben verschiedene Quellen benutzt habe. Hierbei laufen 
nun freilich kleine Unrichtigkeiten mit unter, z. B. die Be- 
hauptung : nomen Nv) apud Ezechielem non legitur nisi 
inde a capite 44, was auf Nachahmung des Elohisten vor 
allem in den letzten Partieen des Ezechiel weisen soll, denn 
wiy) lesen wir schon vor Cap. 44 ff. 14 mal. Ebensowenig 
richtig ist es, dafs Tyme nur wegen Nachahmung des Elo- 
histen in Cap. 44 ff. bei Ezechiel erscheint, weil Ezech. 
sonst dr) und ähnliches für ms anzuwenden liebe, denn 
mom) kommt gerade im letzten Theil des Ezechiel 14 mal, 
vorher aber nur ein einziges mal vor. Auch finden wir 
vor dem 44. Cap. das auch beim Elohisten vorkommende 
meno. Wenig Beifall dürfte weiter der Verf. mit seiner 
Meinung ernten, dals }39 zur Zeit des Ezechiel das ge- 
wöhnliche Wort für Fürst gewesen sei, und dals sein 
Nichtvorhandensein beim Elohisten für eine frühe Ab- 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 971 


fassungszeit desselben beweise. Denn aus der obigen Be- 
sprechung über x’) geht hervor, dafs dies vielmehr zur 
Zeit des Exils die gewöhnliche Bezeichnung für einen he- 
bräischen Edlen war, 30 aber wurde erst längere Zeit nach 
dem Exil bei Esra und Nehemia auf israelitische Fürsten 
übertragen, von extlischen Schriftstellern aber, nämlich 
Ezech. C. 23. Jerem. 51 und Deuterojes. nur von auslän- 
dischen Fürsten gebraucht. Es mülste also vielmehr auf- 
fallen, wenn ein fremdländischer Titel wie %9 von einem 
jüdischen Schriftsteller den israelitischen Stammhäuptern 
der mosaischen Zeit beigelegt worden wire. Unmöglich 
ernst kann ferner Ryssel die Behauptung gemeint haben, 
dafs weil die dem Elohisten und Ezechiel gemeinsamen 
Worte sich nur in gewissen Theilen des Ezechiel, nicht 
aber in seinem ganzen Buch verstreut fänden, eine Be- 
nutzung des Ezechiel durch den Elohisten ausgeschlossen 
sei, denn die Anm. 8. 88 widerlegt diese Behauptung auf 
das glänzendste; O™NM WP Wo Wd 13 99 Wy 59: Oxy 
kommen alle schon in den ersten Partieen des Ezechiel vor. 

Dafs aber das Buch des Elohisten die Zeichen späterer 
Schreibweise gar nicht an sich trage, können wir nach 
allem bisher bemerkten Ryssel keineswegs zugeben, sein 
hieraus abgeleitetes Argument wird nicht weiter geprüft 
zu werden brauchen. 

Gegen die Benutzung des Elohisten durch Ezechiel 
fällt nun aber vor Allem die Thatsache ins Gewicht, dafs 
diejenigen Ausdrücke, welche diesen beiden Schriftstellern 
eigen sind, sich meist auch bei anderen, dem Exil nahe- 
stehenden oder angehörenden Schriftstellern finden. Von 
den in der Tabelle aufgeführten 90 Worten resp. Wort- 
stämmen hat der Elohist mit Ezechiel 41 gemeinsam. Von 
diesen finden sich nur 3, welche Ezechiel allein mit dem 
Elohisten gemeinsam hat, Ago (abgesehen von Deut. 33) 
7 und nm2 opm, wie oben dargethan sind die letzten 
beiden Aramaismen, lassen also gar nicht daran denken, 


272 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


dafs sie sich bei Ezechiel nur wegen Nachahmung der ur- 
alten Gesetzessprache finden. Drei weitere : TO, iTHWD 
und wp begegnen uns allerdings aufser bei Ezechiel nur 
noch in Producten der nachexilischen Literatur : Chron. 
Cant. Ps. 69, aber hier würde höchstens bei WW die Ver- 
muthung gerechtfertigt sein, dafs es wegen Nachahmung 
der Sprache des Elohisten sich in der Chronik fände, die 
beiden anderen kommen zu selten in den Schriften des 
Elohisten und Ezechiels vor, als dafs man an eine Her- 
übernahme von Seiten der Späteren denken könnte. 

So bleiben also noch 35 übrig, die sich sämmtlich 
bereits vor Ezechiel, oder sicher nachweisbar wenigstens 
neben Ezechiel in Literaturproducten aller Art vorfinden, 
21 von ihnen, also bei weitem die gröfste Mehrzahl, sind 
vor dem 7. Jahrhundert nicht nachweisbar, von weiteren 
7 nämlich mime Moy) 15} PON yo nn mn läfst es sich 
wenigstens sehr wahrscheinlich machen, dafs sie vor dem 
7. Jahrhundert nicht erscheinen, die übrigen 7 bietet die 
ältere Literatur nur höchst sporadisch. Man sieht hieraus, 
wie sehr die vermeintliche Abhängigkeit des Ezechiel 
vom Priestercodex durch die grofse Zahl von technischen 
Ausdrücken, die sich wegen der Gleichheit ihrer Gegen- 
stände unumgänglich bei beiden gemeinsam finden müssen, 
gestützt wird. Da diese naturgemäls in diese Tabelle nicht 
mit aufgenommen werden konnten, so erscheint die Gleich- 
heit des Sprachgebrauchs nicht in dem auffallenden Grade 
wie gewöhnlich. Natürlich soll hiermit nicht geleugnet 
werden, dals zwischen beiden in Rede stehenden Schriften 
ein Abhängigkeitsverhältnils stattfindet, nur das wollte ich 
hier auf Grund der eben angeführten Thatsachen betonen : 
die Aehnlichkeit des Sprachgebrauchs zwischen Ezechiel 
und dem Elohisten läfst sich nicht nur erklären durch die 
Annahme, dafs der eine Schriftsteller den anderen, viel- 
leicht durch Jahrhunderte von ihm getrennten, benutzte, 
sondern beruht darauf, dafs beide derselben Zeit der Sprach- 


re, etw fi 


Giesebreoht, sur Hexateuchkritik. 273 


shichte angehören. — Was nun die nähere Bestimmung 
Abhingigkeitsverhiltnisses anlangt, so wird Jeder, der 
neuesten Verhandlungen hierüber mit einiger Aufmerk- 
keit gefolgt ist, zugeben, dafs auf dem Wege der 
ersuchung und Vergleichung einzelner Stellen so gut 
nichts zu erreichen ist. Jeder bringt hier seine fertige 
nung mit und findet dann auch selbstverständlich dafür 
reise. Vor allem aber spielt das Geschmacksurtheil bei 
wtigen Untersuchungen eine zu grofse Rolle. Sieht 
daher von einzelnen Stellen ab und hält sich mehr 
las Allgemeine, so ist folgendes auffallende zu bemerken. 
Von den grofsen Schlagworten des Elohisten, die uns 
ıdlich häufig in seinem Buch begegnen, und die Nie 
d, der dasselbe wenn nicht mit der ausgesprochenen 
och mit der unbewufsten Absicht es zu copiren durch- 
zu übersehen vermochte, finden wir weder my noch 
ı noch 931 noch :12p9 bei Ezechiel wieder, Gelegenheit 
e er wohl gehabt, diese Ausdrücke zu gebrauchen. 
nsowenig wendet er yu und My} an, die im Elohisten 
t gerade selten und daher auch von den Späteren 
| bemerkt sind. Was für ein wunderlicher Zufall aber 
ste es gewesen sein, durch den er das nur einmal vor- 
mende To und das eben so seltene mix, das nur 
imalige "peo u. s. w. aus ihrer Verborgenheit hervor- 
ıcht und seinem Stil einverleibt hätte! Und wenn er 
nlings das elohistische Sp") braucht und ebenso “Ted 


Himmelsgewiibes mit yy) bere verknäplt war, wee 
A Pa 19 der Fall it, wehl schwerlich oo cues und zusfübeiich 
Meecha f. 4 alsnnet. Wien. Bebrgung LM 123 


914 Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 


anwendet, so fehlt bei ihm wieder win, Wi. ATM, die doch | 
im elohistischen Werke an exponirter Stelle standen und 
nicht wohl übersehen werden konnten. Auffallend ist die 
Berührung beider Schriften in Mine und man. Da diese 
Worte im Elohisten sehr häufig, bei Esechiel dagegen 
seltener, sonst aber fast gar nicht vorkommen, so könnte 
man hier am ersten auf eine Benutzung des Elohisten 
durch Ezech. schliefsen — indessen wird ein gerechter Be- 
urtheiler es in Anschlag bringen, dafs sich mime auch bei 
Ezechiel 14 mal findet, und dafs maw wenn auch nicht 
ebenso häufig, so doch immerhin 4 mal von Ezech. geboten 
wird. Bemerkenswerth ist immerhin, dafs sich das von 
demselben Stamme abgeleitete 2 in Q ziemlich häufig, 
später sehr selten, bei Ezechiel gar nicht findet — wenn 
auch auf non selbstverständlich kein Gewicht gelegt 
werden darf. 

Zur näheren [llustrirang des Verhältnisses zwischen 
Ezechiel und dem Elohisten ist es ferner nicht uninteressant, 
einen Blick auf die Verhältnifszahlen zu werfen, die sich 
bei Vergleichung des elohistischen Sprachgebrauchs mit 
demjenigen anderer dem Exil nahestehender Schriftsteller 
ergeben. Da fällt besonders auf, dafs mit kaum einem 
anderen Schriftsteller aufser Ezechiel der Elohist sich so 
nahe berührt, wie mit Jeremia. Hatten aus der obigen 
Tabelle 41 Worte sich bei Ezechiel und dem Elohisten ge- 
meinsam gefunden, so bietet Jerem. (einschliefslich der 
Threni) 33 dar, die er mit dem Elohisten zusammen be- 
sitzt, davon 2 mp) und pp den beiden allein eigen sind. 
Offenbar ist der Unterschied bei weitem nicht so bedeu- 
tend, wie man nach der gewöhnlichen Vorstellung über 
die Abhängigkeit des Ezechiel vom Elohisten gemelnt 


gestaltet worden sein. Dagegen gewinnt man erst, wenn man die an- 
gezogene Stelle bei Betrachtung von Gen. 1 voraussetzt, ein klares 
Bild von dem, was sich der Elohist unter dem yp dachte. 


Giesebrecht, sur Hexateuchkritik. 975 


hätte annehmen zu müssen. Noch auffallender ist die Ver- 
wandtschaft des Elohisten mit Deuterojesaia, wenn man 
erwägt, dals Deuterojesaia’s Umfang etwas mehr als ein 
Drittel des Buches Ezechiels bildet : Von den aufgeführten 
Worten theilen nämlich Deuterojes. und der Elohist 20, 
beide allein haben ebenfalls 2 gemeinsam : 33 und mpbn, 
rechnet man die in allen pseudojesaisnischen Stücken sich 
+ findenden elohistischen Worte noch zu jenen hinzu, so er- 
; hält man für die exilischen Stücke des jesaianischen Buches 
25 mit dem Elohisten gemeinsame Worte d. h. die Ver- 
wandtschaft zwischen Deuterojes. und dem Elohisten ist 
verhältnifsmäfsig bedeutender als zwischen diesem und 
Ezechiel. Dagegen waltet zwischen dem Buch Hiob und 
dem Elohisten ungefähr dasselbe Verhältnifs wie zwischen 
diesem und Ezechiel ob, und auch die Proverbien bleiben 
nur wenig hinter demselben zurück !), während das Deu- 
teronomium, welches sich der Mitte des 7. Jahrhunderts 
nähert, auf einem fast doppelt so grofsen Umfang als 
Deuterojesaia noch nicht einmal die gleiche Zahl von Be- 
rührungspunkten aufweist, wie dieser, nämlich 18. (Hierbei 
sind sogar alle nur im Rahmen des Gesetzbuches sich findenden 
Vocabeln mit eingerechnet.) 
Das Resultat unserer Untersuchung wird hiernach lauten 
müssen : Ohne die in die Augen springende Abhängigkeit 


——. 


) Es fällt uns selbstverständlich nicht ein, zu behaupten, mit den 
obigen Ziffern sei das wirkliche Verhältnifs sämmtlicher Berührungen 
zwischen dem Elohisten und Ezechiel wiedergegeben; wie wir oben 
bereits erwähnten, mulsten naturgemäfs die rein technischen Ausdrlicke 
bei Saite bleiben. Aber auch das rein stilistische, was für die Sprach- 
geschichte von secundärer Bedeutung ist, konnte, schon wegen der 
spröden Form der Tabelle, die gewählt werden mufste, nicht berührt 
werden. Für Leser, welche diese Thatsachen im Auge haben und 
einigermalsen mit dem Stoffe vertraut sind, können die angegebenen 
Ziffern nicht irreführend sein. Die Anderen seien zur Ergänzung dieser 
Tabelle in Bezug auf die Verwandtschaft des Elohisten und Ezechiels 
auf Smend’s Vorbemerkungen zu seinem Commentar über Ezechiel 
8. XXV—XXVIII verwiesen. 

18* 


276 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


des einen Schriftstellers vom anderen leugnen zu wollen, 
wird man doch die vielfachen Berührungen des Ezech. und 
des Elohisten auf einen breiteren Boden stellen müssen. 
Ein grofser Theil nämlich jener Berührungen findet sich 
auch zwischen der ganzen kurs vor dem Exil und in dem 
Exil entstandenen Literatur und dem Elohisten. Aufserdem 
zeigt der Elohist, rein auf das Lexicalische angesehen, mit 
den meisten Producten des 7. und 6. Jahrhunderts eine 
Verwandtschaft, die derjenigen mit Ezechiel beinahe gleich- 
kommt. Da wir aber endlich im Elohisten eine Reihe 
syntactischer Erscheinungen und Formen antreffen, welche 
mit denen der Zeit des Ezechiel auffällig übereinstimmen, 
so legt sich als die einfachste Erklärung jenes Verhältnisses 
zwischen den beiden Büchern diejenige nahe, welche an- 
nimmt, dafs beide Literaturproducte aus einer und derselben 
Zeit stammen, der eine aber den anderen benutzte. So- 
weit kommt man auf grammatischem Wege : die höhere 
Kritik hat das weitere zu bestimmen; dafs sie sich nur 
für die Priorität des Ezechiel entscheiden kann, ist bereits 
oben angedeutet worden. 


Ueber die Abfassungszeit der Psalmen. 
I. Buch I.—V. 
Von F. Giesebrecht. 


Was die Grundlagen und die Absicht der folgenden 
Abhandlung anlangt, so sei darüber folgendes vorausge- 
schickt. Den Psalmenüberschriften mufs man sich nach 
den Namen, die darin auftreten und nach den Erfahrungen, 
die man mit den meisten macht, wie mir scheint, absolut 
skeptisch gegenüberstellen. Selbst Delitzsch, welcher 





278 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


jenigen, der die Aenderung vornahm, nur Ps. 42—83 vor. 

lagen, dafs also Ps. 84-89 einen Nachtrag zum dritten 

Buche bilden. Jene Elohimsammlung aber ist deutlich aus 

3 kleineren Sammlungen zusammengefügt : dafs die Asaph- | 
psalmen 50; 73—83 eigentlich zusammengehörten, wird 
durch das '*3= nbon 15 72, 20 nahe gelegt. Dasselbe 

hatte offenbar nur Sinn, wenn ihm lauter davidische Psalmen 

vorausgingen und solche von anderen Verfassern folgten. 

Mit Recht haben daher Kuenen u. A. aus demselben ge 

schlossen, dafs ursprünglich die Davidpsalmen am Anfang 
der Elohimsammlung standen, ohne dafs jeder einzelne die 
Ueberschrift 175 trug, durch das „zu Ende sind die Ge- 

bete Davids” von den ihnen folgenden, ebenfalls nur im 
Ganzen mit mp 125 und nowb bezeichneten Liedern ge- 
trennt. 

Diese kleinen Sondersammlungen scheinen mir nun 
bisher von der Kritik nicht genügend zur Bestimmung des 
Zeitalters der einzelnen Lieder gewürdigt. Es ist zu viel 
verlangt, in einem Liede von 10—15 V.V., wenn man es 
aus seiner Umgebung herausreifst, bestimmte Spuren später 
oder früher Abfassungszeit in sprachlicher und inhaltlicher 
Beziehung finden zu wollen. Geboten aber ist es, solche 
farblosen Producte nach ihrer Umgebung zu beurtheilen, 
besonders wenn dieselbe deutliche Spuren eines späten Zeit- | 
alters aufweist. Denn da ein spätes Zeitalter fast regelmälsig 
mit der exilischen oder nachexilischen Zeit identisch ist, s 
haben wir, wenn in einer gröfseren Gruppe später Lieder 
einzelne nicht näher zu definirende Producte auftreten, offenbar 
nicht die geringste Garantie dafür, dals diese aus der Zeit | 
vor jener grofsen Katastrophe stammen, durch welche fast | 
die ganze alte Literatur des Volkes Israel zerstört wurde : 

In Betreff des vierten und fünften Buches bemerke 
ich hier noch, dafs ich mich hier auf die Kritik des Inhalts 
weniger einlassen werde, weil mir die sprachlichen Ex 
scheinungen desselben hinreichend sicher auf sehr späte 


der Psalmen. 279 


Zeiten zu weisen scheinen, bei den vorhergehenden Btichern 
werde ich auf inhaltliche Kriterien mehr Gewicht legen 
müssen. 

Hiernach würden wir folgende Particularsammlungen 
aus den ersten drei Büchern auf ihre Entstehungszeit hin 
zu prüfen haben : Ps.3—41 (davidisch), Ps. 42—49 (kora- 
hitisch), Ps. 50. 73—83 (asaphisch), Ps. 51—72 (davidisch), 
Ps. 84-89 (Nachtrag zu Buch IL). Was das IV. Buch 
angeht, so ist dessen Umfang an sich nicht sehr bedeutend, 
der Mangel an bestimmter Gruppirung der einzelnen Lieder 
wird daher nicht besonders stark empfunden, das Ganze 
kann bequem für sich untersucht werden. Im V. Buch 
sondern sich sofort, wenn wir von den 3 davidischen 
108—110 absehen, 107—118 als Lob- resp. Hallelujahpss. 
von den Stufenpss. 120—134 (dazwischen der lange Lehr- 
psalm 119), ihnen folgen 138—145 (davidische) und 146—150 
(wieder Hallelujahpsalmen). 


Wir beginnen unsere Untersuchung mit demjenigen 
Buch, in welchem die Verhältnisse am klarsten liegen, dem 
letzten. Bereits oben wurde bemerkt, dafs hier auch De- 
litzsch in Bezug auf die Echtheit der Davidischen Lieder 
schwankt, oder sich geradezu für Unechtheit entscheidet. 
Ferner ist fast allgemein anerkannt, dafs die sog. Stufenpss. 
eine sehr späte Sammlung bilden. Und in der That legen 
einige von ihnen und den ihnen benachbarten Psalmen 
durch ihren Inhalt, die meisten durch ihre Sprache den 
deutlichsten Beweis einer weit über das Exil nach unten 
binausliegenden Zeit ab. 

Unter den Zeichen späterer Sprache ist vor Allem das 
w prifixum zu nennen, welches in den Stufenpss. und den 
ihnen direct folgenden Gesängen ca. 20 mal vorkommt. 
Eine solche Häufigkeit desselben findet sich nur noch in 
den spätesten Schriften des A. T. : im Koheleth 32 mal, 
im Hohenlied 21 mal, selbst bei Esra und in der Chronik 


280 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


erscheint es nur 3 mal, bei Hiob 1 mal, in den Thren. 
4 mal, bei Jona 2 mal. Von den wenigen Stellen aus der 
alten Literatur sind nur die 2 Y im Deboralied unan- 
fechtbar — mit Recht hat man sie aus der nordisraeli- 
tischen Abstammung desselben erklärt; über die auch im 
Phönizischen häufige Abschleifung des we zu wx oder w 
cf. Schröder, phön. Sprache. 8. 163 f. '). 

Ferner zeichnen sich die Stufenpss. durch öftere An- 
wendung des Adv. 37 auch Mp) und m3) = sehr aus, das- 
selbe findet sich nur noch Ps. 62, 3. 65, 10. 89, 8, ob 
diese, jedenfalls dem älteren Sprachgebrauch fernliegende 
Wendung mit dem auch im biblischen Chald. vorkommenden, 
im sonstigen Aram. häufigen Gebrauch des 37 in der Be- 
deutung ,grofs* zusammenhängt? Sehr nahe wird dies 


1) Nicht sehr glücklich scheint mir sein Versuch a. a. O., das tf 
als das ursprtinglichere gegenüber yx nachzuweisen (cf. dagegen 
Olsh. hebr. Grammat. 8. 489). Dafs das Relativpron. in der Haupt- 
schrift des Richterbuches noch vorzugsweise yj laute, läfst sich aus 
6, 17. 7, 12. 8, 26 nicht darthun. Was die erste Stelle anlangt, so ist 
der ganze Satz von mij) bis wy höchst störend. Wozu braucht 
Gideon um ein Zeichen zu erhalten eine „ıyyyy darzubringen? War 
nicht vielmehr die Darbringung desselben an sich schon ein Beweis 
dafür, dafs er an die Gottheit des Boten glaubte? Auf die Unmotivirt- 
heit des nachmaligen Erschreckens v. 22 hat Wellhausen-Bleek 
4. Aufl. 8. 198 bereits hingewiesen; dasselbe erscheint noch unmoti- 
virter, wenn man den Zusammenhang zwischen v. 16 und dem fol- 
genden ins Auge falst Dagegen bildet v. 18 die directe Fortsetzung 
von v. 17 of. z.B. C. 18, 15. — Auch in 7, 12 scheint was nach 
DOD folgt ein späterer Zusatz, das zweite „4 fällt schon nach dem 
ersten auf, sodann ist die Vergleichung der Zahl der Kameele, wenn 
dieselben bereits als zahllos bezeichnet sind, mehr als überflüssig. Was 
endlich 8, 26 anlangt, so erregt mir die ganze peinliche Genauigkeit, 
sowie der schleppende Gang der mit "N m 335 gegebenen Schilde- 
rungen Bedenken, auch sind JOM: npy = Halsketten sonst nicht 
in der älteren Literatur zu finden. Worauf sich das Suff. in \ a v. 27 
beziehe, kann der Leser nur mit Mühe errathen. Die Schwierigkeit 
des „ben w 2 Reg. 6, 11 ist bekannt, cf. LXX, die Thenius mit Un- 
recht hintansetzt. 


der Psalmen. 281 


durch die auffallende, dem echten Hebräisch fernliegende 
Form mm gelegt, deren Analogieen sich meist in späten 
Schriften finden (cf. Olsh. hebr. Gramm. § 108b), und der 
in diesem Fall eine genaue Analogie nur aus dem Aram. 
zur Seite steht, welches die Adverbia sehr häufig auf die 
Femininendung at ausgeben läfst. cf. Nöld. Syr. Gramm. 
S. 90. Die Erklärung dieser Form als eines Status constr., 
aus dem Bestreben, das Adverb. in möglichst enge Ver- 
bindung zu dem folgenden Worte zu stellen, scheint Olsh. 
selbst nach 8 223b Anm. nicht für das wahrscheinlichste 
zu halten. Ueber eine andere Erklärung dieses Gebrauchs 
cf. Nöld. a. a. O. — Sehr entschieden legt ferner vom 
aram. Einflufs Zeugnils ab die öftere Anhängung der En- 
dung 7, an die Nomina, auch männlichen Geschlechts cf. 
mbm) = Sm) Ps. 124. mndnya Ps. 125. mowa Ps. 120. 
rror» nnn Ps. 116. 119? Ps. 116. An „eine bedeu- 
tungslos gewordene Accusativendung zu denken, wie Hu pf. 
thut, ist deswegen schwierig, weil man nicht begreift, 
warum sich, da in der ganzen älteren Literatur die Endung 
n niemals den Accusat. bedeutet, die gedankenlose An- 
wendung derselben erst so spät herausgestellt haben sollte. 
Da wir dies ah sonst in ANT, mn auch nn) 
finden, so liegt es am nächsten, ein ah der Richtung zur 
Erklärung heranzuziehen, indessen kann sein enormes 
Ueberwuchern in solchen Fällen, wo es ganz bedeutungslos 
ist, wie mir scheint nur aus dem Einflufs des aram. Stat. 
emphat. erklärt werden. — Aramaisirend ist weiter das 5 
als Accusativbezeichnung aonyynd> NN Ps. 129 cf. Ps. 
116, 16. 135, 11. 136, 20. 145, 14, wenn auch nicht in Ab- 
rede gestellt werden soll, dafs dieser Gebrauch in den an- 
geführten Fällen seine Anknüpfung in der alten Sprache 
hat. Ebenso erinnert die Vorausnahme eines folgenden 
Genetiv durch ein auf ihn hinweisendes Suffix am ersten 
Nomen an das Aramäische : TP OD YD vn Ps. 129, 7, 
und wenigstens einer ganz saloppen, von der alten Sprache 


282 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


getrennten Ausdrucksweise gehören Wendungen an wie 
owen wn Ps. 123, 4, ‘ex nan ibid., cf. ‘ond mnwn Pa. 
116, 15, > mmaga Ps. 120, 1, 75 wosd Ps. 182, 11 £., mw 
wy-5>5 x) 116, 14 und 18. Aehnliche breitspurige Aus- 
drücke, auch von Delitzsch als Zeichen späterer (wie 
mir scheint dem Sprecher nicht mehr recht geläufiger) 
Sprache angemerkt, sind oma52 ow = 35 vw Ps. 126, 
4; yn “yo ibid., cf. ova ndbwond Ps. 136, 8. Und wie 
wir oben die Häufung der Partikeln s. B. der interroga- | 
tiven als ein Zeichen der späten Sprache erkannten, so 
wird auch ‘> 73m Ps. 128, 4 an dieser Stelle nicht vergessen 
werden dürfen, ebensowenig wie or pe Ps. 135, 17. Endlich 
mache ich hier gleich der Uebersicht halber auf die, wenn 
auch nicht gerade in den Stufenpss. so doch in ihrer 
nächsten Nähe vorfindlichen echtchaldäischen Suffixa auf- 
merksam : »yinp Ps. 135, 9 cf. Ps. 116, 19; won: Dy 
116, 7; miywan 116,12; wwehrnn Ps. 103,3; sw, DWOyO 
103, 4; ‘o™ny3 103,5 '). Mehr dem Bestreben, die poetische 
Rede archaistisch zu verbrämen als einem vom alten He- 
bräisch abweichenden Dialekt scheint die häufige Anwen- 
dung des ' am Schlufs von Participien resp. Infinitiven zu 
entspringen, die Ps. 123 in ‘ay und sonst Ps. 114 in 
orn, Ps. 113 in man: Porn: win; ‘wr; mob 
entgegentritt. 

An den genannten Zeichen einer späten Abfassung 
sind fast alle Stufenpss. mit Beiträgen betheiligt gewesen. 
Von den bisher nicht erwähnten ist Ps. 126 wenigstens 
sicher nicht vor dem Exil verfalst, v. 1 und 4 setzen das- 
selbe vielmehr voraus, möglicherweise auch die Zeit kurz 
nach dem Exil, in welcher sich ja, wie aus den Bb. Esra 
und Nehem. hervorgeht, eine weitere Zurückführung der 


1) Dale diese Häufigkeit der Anwendung auf ein sehr spätes Zeit- 
alter schliefsen läfst, geht daraus hervor, dafs wir eine derartige Form 
nur noch Jer. 11, 15 antreffen, deren Existenz an dieser Stelle nicht 
einmal ganz sicher ist. 


der Psalmen. 283 


jüdischen Gola nach dem heiligen Lande als dringendes 
Bedürfnifs herausstellte. Für diese Zeit scheint die Ver- 
bindung dieses Psalms mit dem 127. zu sprechen, welcher 
ersichtlich eine bedrängte Lage der heil. Stadt, ein Stocken 
des (Tempel?)-Baus und einen Mangel an junger lebens- 
kräftiger Mannschaft voraussetzt, cf. auch Delitzsch zur 
Stelle. Jedenfalls ist es sehr bemerkenswerth, dafs diese 
Gesänge, welche keine so deutlichen Spuren von später 
Abfassungszeit wie die übrigen ihnen benachbarten auf- 
weisen, noch in das 6. Jahrhundert gehören — ein deut- 
liches Zeichen, dafs die anderen sehr spät sein müssen. 
Was Ps. 130 anlangt, so finden wir in ihm auch ein sehr 
spätes Wort, nämlich mrvoo die Vergebung, nur noch Neh. 
und Daniel. Aber nicht allein dieses einzelne Wort ist 
spät, sondern auch die Classe von Nominibus, der es zu- 
gehört, nämlich diejenigen, welche nach der Form mp 
gebildet, nicht concrete Bedeutung haben, sondern zur Be- 
zeichnung einer Handlung stehen cf. nym’ Chron. mng 
Est. Hyp Qoh. und die von Ryssel S. 49 Anm. 2 ange- 
führten Worte aus der Mischna-Sprache. Selbst der ganz 
kurze, z. Th. aus gewöhnlichen Wendungen zusammen- 
gesetzte Psalm 134 bietet eine Spur junger Abfassung : 

nfo-ba = niichtens, jegliche Nacht. Dafs das Wort nur 
auf 15713 bezogen werden kann, als nähere Bezeichnung des 
Stehens der Diener Jahvehs im Tempel aber keinen Sinn 
hat, darüber cf. Hupf. z. d. Stell. Dann ist zu ver- 
gleichen Jes. 21, 8 mon 52; Ps. 92,3 mb a; Ps. 16, 17 
mis Accusat.; Cant. 3, 1 m52 und 3, 8. Auch sonst 
ist der Plural von 715°5 selten und nur einmal in der älteren 
Literatur 1 Sam. 30, 12 nachzuweisen cf. Hiob 2, 13. 17, 3. 
Jon. 2, 1. — Auch Ps. 121 verleugnet sein junges Zeit- 
alter nicht : er gebraucht win für wanken cf. 125, 1, ein 
in den Psalmen sehr häufiges Verbum, das sich aulser 
ihnen nur noch Deut. 32, 35. Lev. 25, 35. Jes. 24, 19. 
Deutjes. 4 mal, Prov. 4 mal, Hiob 1 mal, Chron. 1 mal 


284 Giesebrecht, über die Abfassungescit 


findet. Wir werden ihm noch öfter in den Psalmen be- 
gegnen ; von den 25 Stellen, an denen es sich hier findet, 
gehören 8 den beiden letzten Büchern, 10 dem zweiten 
und dritten und 7 dem ersten Buche an'). Weiter be 
merken wir hier die bekannte crux interpretum ich hebe 
meine Augen auf zu den Bergen : ty NON Ip — enthält 
der hebräische Satz eine Frage, dann haben wir das 
schönste Hebräisch, aber für sehr wahrscheinlich kann die 
interrogative Fassung nach dem Zusammenhang nicht 
gelten, es scheint vielmehr, als seien die Berge Bezeich- — 
nung Jerusalems als des Wohnsitzes Jahveh’s, dann kounte 
aber der Verf. nicht in Ungewifsheit darüber sein, von 
woher seine Hilfe käme. Wäre sonach das 7p relativ 
gemeint, so könnten wir unseren Dichter von einem ziemlich 
verdorbenen Hebräisch nicht freisprechen. 


So bleibt von den Stufenpss. nur 131, ein kurzes drei- 
versiges Lied, nicht ohne Eigenthümlichkeiten (cf. ons 
sonst nie) des Stils, die aber ebenfalls eher auf Unge- 
schicktheit im Gebrauch der Sprache, als auf hohes Alter 
führen — nach dem oben entwickelten Princip der Unter- 
suchung kann ein Lied von so geringem Umfang nur nach 
seiner Umgebung beurtheilt werden, die ihn demnach in 
eine späte Zeit weist. — Zu den oben angegebenen Kenn- 
zeichen späterer Zeit in den Stufenpss. füge ich noch fol- 
gende, die sich oben nicht gut rubriciren liefsen : Ps. 124 
48, von den meisten Auslegern gewifs richtig mit dem 


1) Ob das Wort, das im Syrischen und Chald. vorkommt, ein Ara- 
maismus sei, läfst sich schwer ausmachen. Jesaia und Hosea sagen 
jedenfalls dafür SS, die beiden Derivate Yiyy und mein sind eben- 


falls nicht alt : Chron. Ezech. Deutjes. Jerem. Nah. Lev. 26, 18. Nu. 
4, 10, 12 bieten sie. Die einzige Stelle, welche vor das 7. Jahrhundert 
fullt, ist Num. 13, 28 (JE), doch ist die starke Ueberarbeitung gerade 
der Kundschaftercapitel zu evident, als dafs wir Garantie für wirk- 
liches Alter des Wortes durch diese Stelle erhielten. 


286 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


selben erinnert legt deutlich Zeugnifs für einen bedeutenden 
Zwischenraum zwischen der Zurückführung und dem Stand- 
punkt des Sängers ab. Die scheinbar individuellen Züge, 
das Sitsen an den Wassern Babels, das Aufhängen der 
Harfen an den Weiden u. s. w. sind im Grunde nichts 
als Einkleidung des Gedankens, dafs das heil. Volk ohne 
Jerusalem nicht leben mag und seine heilige Stadt nicht 
vergessen kann. Die Seligpreisungen des der Babel ver- 
gilt was es an Israel gethan, der seine Kinder am Stein 
serschmettert, führen keineswegs in das Exil hinein, son- 
dern begreifen sich, da Babel ja durch Cyrus keineswegs 
zerstört wurde und auch unter seinen Nachfolgern Darius 
und Xerxes wohl starke Beschädigungen, z. B. Nieder- 
reilsung der Thore und Mauern, aber nicht völlige Ver- 
nichtung erlitt, bis es durch Alexander wieder aufblühte, 
sehr gut, wenn man seinen Zustand im 5. und 4. Jahr 
hundert ins Auge fafst. Die Situation nach Alexander, 
nach dessen Tode die Stadt wieder mehr und mehr verfiel, 
palst deswegen nicht so gut, weil dieser Verfall nicht durch 
gewaltsame Demolirungen herbeigeführt zu sein scheint, 
es sei denn dafs man mit Olsh. an die Brandschatzung 
durch die Parther denkt, von der der Verf. des Psalms 
gehört hatte und deren Fortsetzung er wünscht. Noch sei 
auf das chald. Buff. YO v. 6, auf das eigenthümliche 
won LXX of axayayovres nuac und den auffallenden Ge- 
brauch des mv’ im passiven Sinn aufmerksam gemacht. 
Auch Ps. 138—145 sind von uns bereits oben hier und 
da erwähnt, besonders stark ist unter ihnen der 139. mit 
Aramaismen und späthebräischen Worten vertreten, so : 
ya das Streben, 33) das Liegen, pbo hinaufsteigen, 7% 
aufserdem 5 mal bei Hiob und II Sam. 23, 2 (der Plural 
20 mal bei Hiob, Ps. 19 und Prov. 23). Nicht weniger 
auffallend ist das Pual von my in der Bedeutung bereitet 
werden, welches in der ganzen alten Literatur nicht vor- 
kommt, das Piel hat sonst einen ganz anderen Sinn. In 


eee ee eee 


der Psalmen. 287 


Besug auf Syp hat Böttcher hebr. Gramm. I 8. 16 ge- 
wils mit Recht geurtheilt, dafs es als Aramaismus zu be- 
trachten sei, es kommt nur noch 2 mal im Hiob und Obadja 
v. 9 vor; schwerlich steht es mit yp anders, das wir nur 
noch in späten Pss. 95 und 119, 2 mal bei Hiob und 3 mal 
bei Ezechiel antreffen, in der älteren Literatur findet sich 
dafür yip (JE, Jesaia, 1 Reg.). Ferner hat die Einschie- 

bung des in O'OY Iw hauptsächlich im Aram. ihre Ana- 
logieen, cf. im A. T. Mpy 3g, nur in dem ebenfalls stark 
aramäisch gefärbten Ezechiel 31, 5. — Wenn auch nicht 
aramaisirend, so doch dem späten Hebräisch angehörig ist 
endlich pom, nur noch Neh., Ps.119 und 3 mal im Buch 
Hiob. — Offenbar unterscheidet sich dieser Psalm in keiner 
Weise von seiner Umgebung, in Bezug auf das nn = 
wollen stimmt er ganz mit dem Sprachgebrauch des Koheleth 
überein, wenn er auch nicht gerade das w präfixum bietet, 
mit dem crassen Aramaismus DDN steht er ganz einzig im 
ganzen A. T. da. Ps. 140 liefert in MOTTO einen unver- 
kennbaren Aramaismus, die Wurzel nm ist im Chald. 
ziemlich häufig, kommt im hebr. Text des A.T.’s dagegen 
nur noch 3 mal in Ester und 1 mal in der Chronik vor. 
mm, ebenfalls von unserem Psalm geboten, aufserdem 
7 mal vom Buch der Psalmen, findet sich im übrigen A. T. 
nur bei Jer. Prov. Da die Form m7) Ps. 147, 2. Jes. 
11, 12. 56, 8 wahrscheinlicher von dem in parallelen Stellen 
z. B. Mich. 4, 7 häufigen my abgeleitet wird, und jener 
Stamm dem Chald. und Syr. geläufig ist, so wird man mit 
gröfster Wahrscheinlichkeit auch hier auf einen Aramaismus 
geführt. Sehr auffallend ist die Form “wy, wofür einige 
Handschriften yp lesen, dieselben gehen beide auf den 
Singular “Np zurück, sind aber in unhebräischer Weise 
gebildet, da das Hebräische die Endung » oder 7 im Plural 
abzuwerfen pflegt. Zur Erklärung dieser Abweichung von 
der gewöhnlichen Art der Bildung ist offenbar das Chal- 
däische heranzuziehen, das den Stat. constr. plur. von wıp 


288 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


pp bildet, cf. Hupf. und Olsh. zu der St. Ferner 
ist das Hap. Leg. ring vielleicht Fitomy ? zu bemerken. 
In Ps. 141 begegnet uns der nur in späten Schriften er- 
scheinende Plural IWW cf. Prov. 8, 4. Jes. 53, 3. Weiter 
treffen wir nur hier M55 im Qal in der Bedeutung beackern, 
das in dieser Wendung im Aram. häufig ist, ebenso ist 
NH ein spätes Wort : aulserhalb der Psalmen nur Jerem. 
Joel Prov. Ester — ob es im Targumischen Chald. echt 
oder nur ein Hebraism. ist, mag dahingestellt bleiben. 
Aufserdem scheint Mx” = das Emporheben ein nach 
chald. Weise durch vorausgesetztes » gebildeter Infinitiv 
zu sein. — Ps. 142 : 9M sonst noch Hab. und Prov., 
das Piel aufser Hiob 36, 2 noch Ri. 20, 43, einer von 
später Hand überarbeiteten Stelle, der Stamm im Syrischen 
gebräuchlich. naynn : aufser Ps. 77; 107; 143 noch Jon. 
und Thren. ‘yon = Gefängnifs Jes. 24, 22. 42, 7. — Pa. 
143 D'yaonm aulser 8 mal in den Psalmen nur Hiob, Prov. 
Jer. 2 mal, Sach. Dan. 4 mal. Ueber mpyn cf. oben die 
Tabelle. Uebrigens gehört sowohl dieser als der vorige 
zu den weniger originellen Klagepsalmen — der bei weitem 
eigenthümlichere Ps. 144 führt aufser dem oben schon er- 
wähnten X präf. noch eine Reihe anderer später Ausdrücke 
mit sich. So 2% = Krieg, noch 5 mal in den Psalmen, 
aufserdem Sach. 14, Hiob, Qoh., dagegen beruht das Wort 
2 Sam. 17, 11 auf einem Textfehler, cf. Wellh. Text der 
Bb. Sam. z. d. St. Weiter gehört hierher 735, 3 mal im Sinne 
von erretten gebraucht, dem Hebräischen sonst fremd, da- 
gegen im Aram. gebräuchlich cf. Hupf. Ebenso auffallend 
ist }1 „die Art* nur noch 1 mal in der Chronik, sonst im 
Chald. häufig. Hiernach ist es kaum nöthig, noch auf 
man und my [letzteres nur noch Za. 9, 15 s. 8.58] hin- 
zuweisen, ob nicht 26m auch ein Aramaismus für 33n 
ist? Dafs das Wort im Zusammenhange von JE Jos. 9, 
21, 23, 27 wirklich alt ist, läfst sich schwer nachweisen, 
sonst kommt es noch 2 mal im Deuteron., je einmal Jer. 


290 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


„einer Sache freie Bewegung verschaffen übergegangen 
wäre; da 2 Sam. 22, 33 nach Ps. 18, 33 m zu corrigiren 
ist, so haben wir auch hier einen späten Gebrauch vor 
uns. — Auch Ps. 147 theilt einige der vorhin erwähnten 
späteren Ausdrücke, nämlich maw und WO mit den vor- 
ausgehenden Psalmen. Weiter ist an Aramaismen 00 
zerfliefsen zu bemerken, das im Hebr. aufser 3 mal in den 
Psalmen nur noch an der späten Stelle Jos. 14, 8 in der 
ganz chald. Bildung Youn vorkommt, dagegen im Ara- 
mäischen gebräuchlich ist. Ein späthebräisches Wort ist 
ferner 035, in den Psalmen nur noch 33, 7, aufserdem von 
exilischen und nachexilischen Schrifstellern geboten : Ezech. 
2 mal, Est. 1 mal, Neh. 1 mal, Chron. 1 mal, Qoh. 3 mal. 
Die einzige vorexilische Stelle, an der es sich fände, würde 
Jes. 28, 20 DIDNAD MY 900 sein, wenn nicht die Echt- 
heit des Wortes an dieser Stelle grofsen Bedenken unter- 
liegen müfste. Ich freue mich, in diesem Urtheil ganz 
unabhängig mit Kuenen zusammenzutreffen, dem „de 
zuiverheid der lezing Jes. 28, 20 twijfelachtig* erscheint. 
cf. Versl. en Meded. d. K. Academie v. Wetensch. 1876. 
Reeks II Deel VI, S. 226. Vielleicht ist statt ox5mm> das 
allerdings nur noch einmal Jes. 25, 7 in der Bedeutung 
„bedecken“ vorkommende 40) zu lesen; „die Decke ist zu 
enge gemiifs dem sich damit bedecken“ pafst zu dem vor- 
angehenden : das Lager zu kurz um sich darauf zu strecken 
vortrefflich, und die vorhergehende Anwendung des pp 
in der Bedeutung „Decke“ konnte die Ableitung von 70) 
in der Bedeutung bedecken von diesem Nomen begünstigen. 
Weiter gehört sowohl das Adject. my) als das Verb. m 
der späten Sprache an, cf. zu jenem Prov. 17, 7. 19, 10. 
26, 1. Cant. 2, 14. 1, 5. 4, 3. 6, 4. Jer. 6,1 und Ps. 33, 1; 
zu diesem Jes. 52, 7. Cant. 1, 10. Ps. 93, 5. — Ps. 149 
bietet in 533 Strick einen deutlichen Aramaismus, dasselbe 
findet sich nur noch in dem späten Ps. 105 : das Verbum 
523 kommt in der secundären Form 5355 (durch ebenfalls 


292 Giesebrecht, über die Abfassungescit 


Von ihnen wurden 2 und wp bereits erwähnt. Wir 
fügen m Hap. Leg. hinzu, das im Syrischen in mehreren 
Derivaten vorkommt, ferner das gleichbedeutende Sef) (hier 
3 mal, im A. T. sonst nicht), ein im Chaldäischen nicht 
seltenes Wort, weiter O73 zerrieben sein, Hiph. zerreiben, 
nur noch Thren. 3, 16, im Chald. und Syr. vorfindlich, das 
davon abzuleitende Nomen wy Lev. 2, 15 f. könnte viel- 
leicht auf echthebräischen Charakter und älteren Ursprung 
des Wortes hinweisen. Ihnen reiht sich an : non nur noch 
Hiob und Qoh. je 1 mal, Prov. 2 mal, sonst Chal- 
däisch und Syrisch; 550 nur noch 2 mal im Hiob, 
sonst aramäisch; wow Hap. Leg., im Chald. und Syr. 
== fett, befleckt sein. Ebensowenig ist ody alt, das Verbum 
findet sich noch 4 mal im Qoh., 2 mal Ester, 1 mal Neh., 
davon hergeleitete Nomina 5 mal im Qoh., 1 mal bei Esech. 
und Gen. 42,6 cf. oben. "WO starren ist aller Wahrschein- 
lichkeit nach auch der späteren Literatur zuzuweisen cf. 
Hiob 4, 15. Jer. 51, 27. rpm Betrübnifs findet sich nur 
noch 3 mal in den Proverbien; in Bezug auf 39 stimmt 
unser Psalm mit Ps. 132; pp}, von my: durch Einschub 
eines 5 gebildet (cf. die im Aram. häufige Einschiebung 
eines ‘), ist nur noch in Ps. 11, 6 und Thren. 5, 10 ver- 
treten; endlich scheint auch der Gebrauch von 5p im 
Sinn von niedertreten verachten, cf. Thren. 1, 15 auf dem 
Aramäischen zu beruhen. 

Von den dem 119. vorangehenden Psalmen ist die stark 
aramaisirende Sprache des 116. bereits oben zur Gentige 
characterisirt worden, als weiteres Kennzeichen dafür ist das 
Ausbleiben der Assimilation des } zu betrachten in ny97 m 
— im bibl. Aram. wird die Assimilation nur in höchst 
seltenen Füllen vollzogen. Ebenso deutlich spricht 5 als 
Accusativbezeichnung in v. 16. — Selbst der kurze 117. Ps. 
bringt in maw einen Aramaismus, zu DW hat schon De- 
litzech das aram. jpx verglichen. — Ps. 118 liefert 37 
verlöschen, sonst 4 im Hiob, 3 mal in den Prov. und 
Jes. 43, 17, dagegen im Chald. und Syrischen gebräuchlich. 





der Psalmen. 293 


77 ist bereits zu Ps. 140 die Rede gewesen, “won 
= das Thor Jahvehs ist in derselben Weise zu be- 
m wie Yromb mo und ähnliche, oben angeführte 
ngen. Auch die umständliche Ausdrucksweise DW 
>» mm erregt Bedenken; was die Form 5w% (viel- 
m Hiph.) anlangt, so scheint das chald. mp ein 
suf sie zu werfen, die Correctur in DS u. s. w. 
t. Bleibt man bei der Textlesart, so wird man an- 
m müssen, dafs der Gedanke, die xararoun der 
, welche Israel im Namen Jahvehs auszuüben sich 
ühlt, als eine xegıroun zu beschreiben, erst einer 
äten Zeit angehören kann, offenbar ist dieser Ton 
Zeit in welcher die Juden den zweiten Tempel 
eten viel zu grolsartig und siegestrunken, weit 
äge es noch, an die Tage Esras und Nehemias zu 
, in denen wenigstens gegenüber den Samaritanern 
schiedener Sieg erfochten war, aber auch hier macht 
versicht, sie im Namen Jahvehs „beschneiden zu 
, Schwierigkeiten. — Die drei dem 116. voran- 
en Psalmen haben das gemeinsame, dafs sie ihre 
originellen Gedanken mit starker Anlehnung an 
»jes. aussprechen. Die man mipy 113, 9 erinnert 
3 Reihe von Stellen aus Deuterojes. cf. bes. 54, 1; 
| schildert den Auszug aus Egypten mit denselben 
, welche Deuterojes. zur Ausmalung des Zugs der 
cehrenden Exulanten nach dem heiligen Lande ver- 
cf. 49, 10, 13. 55, 12 f. 36, 7 f., endlich lehnt sich 
‚, in der Beschreibung des Götzen und der Thorheit 
er auf ihn vertraut“ an mehrfache Ausführungen 
)jes. an. Was die Sprache dieser 3 Lieder betrifft, 
oben bereits auf die übertriebene, künstliche An- 
i des * am Ende der Particc., ja sogar des In- 
hingewiesen, die Ps. 113 bietet, auch Ps. 114 par- 
hieran, derselbe bietet aufserdem in 195 ein Hap. 
las seine Analogie im Syrischen > barbare locutus 


294 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


est hat, wenn sich auch verwandte Stämme im Hebräischen 

finden, auch 9, das sich noch Ps. 29, 6 zeigt, ist spät, 
cf. Hiob 21, 11. Nah. 3, 2. Jes. 18,21. Joel 2,5. 1 Chron. 
15, 29. Qoh. 3, 4, sowie das Chald.’und Syrische. Zu Ps. 
115, 15 cf. 121, 2; zu m) In v. 2 hat Delitzsch bereits 
auf amy Ps. 116, 18 hingewiesen. Von den 6 noch 
übrigen Gesängen des fünften Buches ist Ps. 108 aus 2 
Liedern des zweiten Buches Ps. 57 und 60 zusammen- 
gestellt und participirt an der Eigenthümlichkeit des zweiten 
Buches, die wie oben bemerkt demselben erst durch die 
Hand eines Redactors desselben mitgetheilt worden sein 
kann, nämlich dem fast durchgängigen Gebrauch des Gottes- 
namens Elohim für Jahveh. Also erst nach der Samm- 
lung jenes Buches kann unser Psalm entstanden sein. — 
Der 107. Psalm berührt sich in HYMN mit Ps. 142 und 
143, bietet aufserdem das im Hebr. sonst unerhörte, nur 
Prov. 26,10 und Jon. 1, 11 f. vorkommende, aber gut ara- 
mäische Wort pnw und liefert ebenso in dem Hap. Leg. 
imo einen unverkennbaren Aramaismus, dessen Bedeutung 
sich wohl am sichersten auf „Marktplatz® fixiren läfst cf. 
Levy Lexic. Targ. z. rim und Bar Ali in Ges. Thes. ibid. 
Auch pop, im Hebr. nur Deut. Deutjes. Cant. (je einmal), 
Hiob 2 mal und Ps. 77, 10, chald. pop und syr. mas, und 
fees nur noch Deut. 8, 15 und Jes. 36, 17 sind späte 
Worte. — Ps. 109 braucht den Plural von wyn, der aufser- 
dem nur noch einmal im Qoh. vorkommt, ganz allein steht 
er durch die Anwendung des Niphals von 51; n3y& das 
sich hier findet ist ein Lieblingswort der exilischen Schrift- 
steller, auch die Form 1x2), welche auf einen Stamm ANS 
weist, gehört zu den Anzeichen späterer Sprache, denn 
> findet sich nur noch Dan., Ezech. und vielleicht Hiob 
30,8 und Ps. 10, 10, ist dagegen im Syrischen vorhanden. 
Ps. 110 unterscheidet sich in keiner Weise von seiner Um- 
gebung : Sn, welches er mit Ps. 132 und 99 theilt, ist 
aulserdem nur Chron. Deutjes. und Thren. je einmal nach- 


der Psalmen. POF 


sawesbar, über M77 cf. die Tabelle zum eloh. Sprachgebrauch, 
7, liest man nur noch 2 mal im Qoheleth, maTsy = 
been ebenfalls nur noch 3 mal im Qohel. und im Chal- 
en, 113) pw grofses weites Land klingt auch an das 
mäische an, ob das Hap. Leg. ayy für das gewöhn- 
fhe "ww alt ist, mufs nach diesen Proben sehr zweifelhaft 
einen. — Will man auf 98, nme und my Pe. 111 
in Gewicht weiter legen, so fällt doch in Ps. 112 der 
wamaisirende Gebrauch des Part. Pass. für das Activ. auf: 
mweos = mys cf. hierzu wo) Ps. 103; yım Jes. 53; nn 
Cant. 3, 8 und das oben bei tro Bemerkte. Dafs eben- 
. falls ww und “NO spät sind, ist schon oben nachgewiesen. 
Das 4. Psalmbuch zeigt in seinen letzten Stücken auf- 
falliige Verwandtschaft mit dem 5. : auf die aramäischen 
Suffixe in Psalm 103 und den unter dieselbe Kategorie 
fallenden Gebrauch des Partic. n5} in demselben Psalm 
ast bereits hingewiesen, auch im Gebrauch von 19 stimmt 
dieses Lied mit Ps. 111 und 119. Nicht so sicher ist es, 
ob "w) ein durcharamäischen Einfluls für 8) in Aufnahme 
gekommener Stamm ist. Allerdings findet sich das Verbum 
sicher in späten Schriften, zu deren Abfassungszeit bereits 
das Aram. auf das Hebr. zu wirken begann. Nah. 1, 2. 
Jer. 3, 5, 12. Lev. 19, 18. Cant. 1, 6. 8, 11 f. Mit dem 
Nomen Wp aber scheint es anders zu stehen. Denn wenn 
es auch in der Bedeutung „Gefängnils® nur bei Jerem. 
(8 mal) und Neh. 2 mal erscheint, so kommt es doch im 
Sinn von „Ziel® nicht allein Hiob und Thren., sondern auch 

1 Sam. 20, 10 vor !). — Ps. 104 bietet aufser dem oben 










9) Eine genauere Betrachtung dieser Stelle macht indessen die Ur- 
springlichkeit von TOY zweifelhaft. Die LXX hat das Wort durch- 
gängig als nom. propr. aufgefalst : elo tiv Auatrapı,; Acaguattaeac ; 
apkarrapeı = WHY 175. Man könnte allerdings gegen den Vorzug 
des LXX-Toxtes vor dem M. T. einwenden, dafs der Uebersetzer an 
I 10, 21 surtickgedacht habe und das ihm unverständliche mo in 





296 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


bereits besprochenen “3iv den unzweifelhaften Aramaismmt- 
‘oy, der nur noch im chald. Theile des Daniel erscheut;f' 
über pop, #72 und yy cf. die Tabelle sum Elohisten, da; 
Verb. ıyn findet sich nur noch Daniel und Kera, ebenso it 
ww und eine Wendung wie DYMO spät, über ap 
roy cf. zu py Tow Pe. 16, endlich erregt auch der Aw 
druck ya = ‘fn 192 Bedenken. — Ps. 106 stimmt m! 
a> zu Ps. 149, in m) zu Ps. 146, über prw und Typ d 
die Tabelle zum eloh. Sprachgebrauch. Ps. 106 braucht 
wie Ps. 117 nav für „preisen“, liefert in "9 einen we 
teren deutlichen Aramaismus (cf. die Tabelle), #93 kommt 
nur noch 4 mal beim Elohisten und 1 mal in den Proverb, 
vor, auch ity ist oben bereits besprochen worden. yp 
reden, das man für einen Aramaismus zu halten sehr ge 
neigt wäre, findet sich aufser Hiob und Proverb. auch Gen. 
21, 7 im Zusammenhange des Jehovisten. Was Ps. 90--1% 
angeht, so begegnet auch hier eine Reihe von Ausdrücken, 
welche die besprochenen Gesänge enthielten : pin Ps. 93; 
94; 96; ww Ps. 95; drew Ps. 92; mo Ps. 93; aan 
Ps. 94; noy Ps. 94; 101. Hierzu kommen ny] Gedanks, 
aufser Ps. 90 noch der Form vielleicht, nicht der Beda- 
tung nach : Hiob und Ezech. je 1 mal; oy) Ps. 90, aulser- 
dem Prov. 3 mal, Sach. 2 mal, Ps. 27,4; x37 Ps. W 
nur noch Jes. 57, 15 und vielleicht Deut. 23, 2, auch sonst 
ist NDT in der älteren Literatur selten, es kommt 5 mal 
im Hiob, 1 mal Prov., 1 mal Deutjes., 1 mal Thren., 1 mal 
Jerem., Ps. 72 und 94 und nur 2 mal im alten Jesaia vor. 


Anlehnung an den Namen des Ahnen Jonathans zu verstehen suchte 
Aber wie er so auf den Berg Matri gekommen sein sollte, ist dock 
schwer einzusehen; und an den anderen Stellen, wo "Hy = Ziel ist 
finden wir es von der LXX richtig übersetst. Die Entstehung de 
mas. Lesart ist leicht zu begreifen. Ueber die Häufigkeit der Ver 
wechslung von * und 3, besonders im Auslaut of. Wellh. Text d 
Bb. 8. 8. 15, hierdurch erklärt sich, dafs myn5 zu "WWD! 
wurde, die Ergänsung des bleibenden zu 5 5 lag nahe genu 





298 Giesebrecht, über die Abfassungascit 


klatschen, im Aram. gewöhnlich, kommt nur noch bei i 
und Ezech. vor, ebenso ist M¥D in Jubel ausbrechen 5 mal 
bei Deuterojes. und aufserdem nur Jes. 14, 7 zu lesen 
das Piel Mich. 3, 3 hat die Bedeutung zerbrechen. Vea: 
om Ps. 99 ist bereits oben die Rede gewesen, das Hap; 
Leg. OU ist ein unverkennbarer Aramaismus. In Ps. m 
treffen wir 9/1 an, aufser Ps. 63, 6 nur noch zweimal m 
Buch Hiob, andere Derivate von 737 sind ebenfalls in der 
älteren Literatur selten. So 31, das uns in den altes 
Quellen der Königsbb. nur I 22, 36 begegnet, sonst suet 
bei Zephan. 1 mal, 3 mal bei Jerem., 1 mal in den Prov, 
1 mal beim Verf. der Königsbb. I 8, 28, 2 mal in de 
Chronik, dagegen ist es ein Lieblingswort des Pseudo- und 
Deuterojes. (9 mal) und der Psalmen : 9 mal im 4. undi 
Buch, 4 mal im 2. und 3. und 2 mal im 1. Buch, cf. endlich 
97 Ps. 32, 7. — In Ps. 101 fällt das Verb. 195 auf, a 
findet sich nur noch 1 mal in den Prov., kommt aber im 
Chald. öfter vor. Auch die Construction OD ivy = ‘d nieg 
ist der reinen Sprache fremd, wy sonst noch Hosea und 
Ps. 40.— Ps. 102 liefert die beiden Aramaismen mre und 
MPM cf. die Tabelle, und nom : nur noch in dem späten 
Ps. 79, 11. — Das einzige Lied dieser Gruppe, das biahes 
in unserer Untersuchung nicht berührt wurde, ist Ps. 9%, 
aber eine Betrachtung seines Stils und seines Inhalts zeigt, 
dafs auch er ganz ebenso von Deuterojesaia abhängt, wit 
die anderen Gesänge, mit denen er zusammengestellt ist 
dies genügt nach dem sonstigen Charakter seiner Um 
gebung vollständig, auch ihn der nachexilischen Zeit zu 
zuweisen. 

Wir haben durch unsere Untersuchung einen fester 
Boden gewonnen, auf welchem weiter fortgebaut werde 
kann. Dafs in den letzten beiden Büchern des Psalten 
ein vorexilisches Lied sich befinde (über Ps. 110 cf. zu Ps.2 
mufs ala im hohen Grade unwahrscheinlich bezeichne 
werden. Auch der gröfste Theil der Gesänge des 4. Buche 


der Psalmen. 299 


zeigt so unverkennbare Aramaismen oder Bekanntschaft 
mit den exilischen Schriftstellern, dafs die beiden letsten 
Bücher vor dem Exil nicht gesammelt sein können. Wir 
werden demnach zu anderweitigen Instanzen etwaiger 
später Abfassungszeit der weiter zu untersuchenden Lieder 
noch die Verwandtschaft, sei es in Sprache, sei es in An- 
schauungsweise, mit Gesiingen des 4. und 5. Buches fügen 
können. Es scheint mir, als wäre, wenn auch die späte 
Abfassungszeit der letzten Bücher jetzt fast allgemein an- 
erkannt ist, dennoch die Möglichkeit, von diesem Boden 
aus, besonders durch Vergleichung des Sprachgutes der 
in den ersten Büchern enthaltenen Lieder mit demjenigen 
der letzten, weitere Eroberungen zu machen, unterschätzt. 
Im Folgenden soll der Versuch gemacht werden, durch Ver- 
bindung der sachlichen und sprachlichen Kritik zu festeren 
Resultaten zu kommen, als bisher erreicht worden sind. 

Vom 3. Buch, zu dem wir nunmehr übergehen, wird 
zunächst der Anhang Ps. 84-89 zu betrachten sein. Der 
gröfste Theil der in ihm enthaltenen Lieder legt durch 
seinen Inhalt Zeugnifs für nachexilische Entstehung ab. 
Das hierdurch für die, an nationalen Beziehungen nicht so 
reichen übrigen Gesänge gewonnene Vorurtheil, dafs die- 
selben ebenfalls nachexilisch sind, wird durch ihre allge- 
meine Haltung und ihren sprachlichen Charakter vollkommen 
bestätigt. 

Ps. 85 ist für die Zeitbestimmung dieser Lieder außser- 
ordentlich instructiv. Der eigenthümliche Gegensatz, welcher 
zwischen v. 2—4 und den folgenden Versen obwaltet, läfst 
sich nur so verstehen, dafs man die Erinnerung Jahvehs 
an die Zurückführung des Volks aus dem Exil, an die 
Vergebung, die er dem Volk früher zu Theil werden liefs, 
als eine Begründung für die folgende Bitte betrachtet. 
Zur Zeit des Psalmisten stand das heilige Volk in Unehren 
v. 10, es war von Parteikämpfen zerrissen v. 11, von ge- 
waltthätigen Feinden bedrückt v. 12 ff. So hat das Volk 


300 Giesebrecht, über die Abfassungeseit 


die unmittelbare Empfindung des göttlichen Zorns, welcher 
doch durch die Zurückführung der Väter (cf. den Wechsel 
des Suffixes in v. 3 und v.5) abgewendet schien. Offenbar 
haben wir es hier mit einem Zustand des Volks zu thun, 
wie er etwa um die Mitte des 5. Jahrhunderts stattfand : 
den Psalm später anzusetzen scheint wegen der Berufung 
auf die durch Zurückführung aus dem Exil erwiesene 
Gottesgnade nicht thunlich.. Auch Delitzsch hat sich 
diesem Eindruck des Liedes nicht entziehen können. 

Ps. 87 wurde von Calv., Hupf., Ew. u. A. in unge- 
führ dieselbe Zeit verlegt. Die Art, wie er Babel in den 
Vordergrund stellt, weist ihn jedenfalls hinter das 4. Jahr 
des Jojakim. Dafs er aber vorexilisch oder exilisch sei, 
ist nicht wohl anzunehmen, dazu ist die Erwähnung Babels 
und Egyptens zu farblos, ein vorexilischer Dichter würde 
seinen Befürchtungen, ein exilischer seinem Hals gegen 
Babel Ausdruck gegeben haben. Babel ist hier Repräsentant 
des östlichen, Egypten des westlichen Heidenthums, das, 
wie der Psalmist siegesgewils ausspricht, schliefslich doch 
zu Jahveh bekehrt werden soll — es scheint, dafs beide 
Judäa politisch ebensowenig etwas angehen wie Aethiopien, 
Philistia oder Phönizien, sie beten nur die falschen Götter 
an, während sie den wahren Gott verkennen. Aber man 
wendet gegen die Annahme nachexilischer Abfassung ein, 
dafs Persien nicht erwähnt sei, der Hauptrepräsentant der 
Heidenwelt in damaliger Zeit. Hiergegen liefse sich geltend 
machen, dafs Babel eine poetische Verhüllung Persiens 
sein sollte, wie ja auch Egypten nur unter dem prophe- 
tischen Spottnamen Rahab erscheine, cf. Esr. 6, 22, eine 
solche Verschleierung mochte auch durch politische Rück- 
sichten geboten sein, am wahrscheinlichsten ist aber, dafs, 
da Persien nach der Eroberung Egyptens Gesammtname 
für den ganzen grofsen Völkercomplex war, welcher im 
5. Jahrhundert den politischen Gesichtskreis eines Juden 
bildete, und da unter diesem Namen Judäa selbst mitbe- 


302 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


läfst, und da wo der Psalm auf die Bitte zu sprechen 
kommt, v. 9 f., zeigt sich noch deutlicher, dafs der Psalmist 
aus dem Sinne einer Mehrheit heraus redet. Zwar könnte 
hiergegen das Ende des 10. Verses, welches den Psalm als 
aus dem Herzen eines Königs kommend zu charakterisiren 
scheint, sprechen, aber mn ist hier wie öfter Beseich- 
nung des Volks Israel selbst cf. Ps. 106, 15. 89, 52, das 
Suff. in ig bezeichnet v. 51 offenbar dieselbe Person, 
wie das vorausgehende #"7y, nach dem Zusammenhange 
werden also die Knechte Jahvehs geschmäht und nicht 
ein Einzelner. Auch Ps. 132, 10 ist der Gesalbte Jahvehs 
das heil. Volk, das um Davids willen seine Bitte erhört 
sehen möchte. Ist ein solches Tempellied, in welchem der 
lebendige Gott in ganz gleicher Weise wie die Vorhöfe 
des Tempels in Jerusalem als Gegenstand der Sehnsucht 
für die Gemeinde Israels erscheint, vor dem Exil zu be- 
greifen? Wie wenig fest die Vorstellung, dals Jahveh 
allein im Tempel zu Jerusalem zu finden sei, vor dem Exil 
im religiösen Bewulstsein des Volks wurzelte, zeigte sich 
ja unter den Nachfolgern Josia’s, wie sollte man damals 
ein solches Lied gedichtet haben, „dessen Preis des jeru- 
salemischen Tempels einen alt begründeten, bereits in die 
Gefühle, sowie die Sprachweise des Volks tibergegangenen 
Tempelcultus voraussetzt“ (Hupf.). Nach dem Exil war 
man bekanntlich ganz anderer Ansicht. Das Deuteronom. 
war dem Volke seitdem in succum et sanguinem tiber- 
gegangen, am Bestande des Tempels hing der Bestand der 
jüdischen Colonie in Judäa. Es spricht demnach Alles 
dafür, dafs wir hier ein Freudenlied der Exulanten über 
den wiedererlangten Tempel vor uns haben. 

Dafs sich in diese, wahrscheinlich erst nach der Mitte 
des 5. Jahrhunderts zusammengestellte Psalmengruppe vor- 
exilische Lieder verirrt haben sollten, ist an und für sich 
sehr unwahrscheinlich, die beiden noch nicht betrachteten 
Gesänge 86 und 88 rechtfertigen auch durchaus das Prä- 


der Psalmen. 303 


judis der nachexilischen Abfassung. Ps. 86 zeigt eine auf- 
fillige Verwandtschaft mit Ps. 143, wie auch Delitzsch 
besonders hervorgehoben hat, die Selbstverständlichkeit, 
mit welcher das Lied den Gedanken ausspricht, dafs vor 
Jahveh alle Völker anbeten sollen und die Art wie es den- 
selben mit der Bitte um Errettung verknüpft, zeigt, dals 
dem Verf. die Anschauungen Deuterojes. bereits geläufig . 
waren, auf die Abhängigkeit von früheren Klagepsalmen 
hat Hupfeld bereits hinreichend aufmerksam gemacht. 
Ebenso ist Ps. 88, wie allgemein zugegeben wird, stark 
durch Ps. 6; 18; 22; 28; 31, besonders aber durch Hiob 
und Threni beeinflufst, das Lexicon beider Psalmen ist 
der Annahme später Abfassung günstig, seine Erschei- 
nungen seien hier mit den sprachlichen Eigenthümlichkeiten 
der ganzen Gruppe zusammengestellt. 

Ps. 89 : 731 = sehr cf. die Stufenps.; pon Hap. Leg. 
cf. die aram. Dialekte; 118 cf. Ps. 112; 141; 147; 19 Piel 
verwerfen nur noch Thren. 2, 7, ob aus y) abschütteln 
abgeschwächt? may beruhigen nur nuch Prov. 1 mal, 
Hiph. nur Ps. 65, 8; x97 cf. oben; x3 cf. die Tabelle; 
saynn Deut. 3, 26, Ps. 78 3 mal, Prov. 3 mal; pow, in 
der alten Literatur nur 1 Sam. 17,53, sonst : 2 Reg. 21, 14. 
Ri. 2, 14. Hab. Seph. Jer. Deuterojes. Jes. 13. Sach. Die 
Form ww |x) beruht vielleicht auf einem Schreibfehler 
in v. 10, cf. aber wiv Hiob 20, 6; “yo umstürzen Hap. 
Leg. aber im Chald. z. B. Esr. 6, 12; 35m Lebenszeit, 
aufser den Psalmen : 17, 14. 49, 2. 39, 6 nur noch Hiob 
11, 17 cf. das Syr. — Ps. 88 : Oya nur noch Hiob; I“ 
die Tabelle; 1y) nur noch 2 mal im Hiob, 1 mal in den 
Prov.; fax nur noch 3 mal im Hiob, 1 mal in den Prov.; 
„u cf. die Tab.; mos cf. die Tab.; myn cf. zu Ps. 100; 
Se Hap. Leg. cf. mb Ps. 22. Die Peschito übersetzt 
XJ)" „beneficio linguae hebraeum vocabulum retinens* Gesen. 
Die Bedeutung ist bekanntlich streitig cf. Ges. Thes., was 
die Form und ihre Verwendung in der späten Literatur 





304 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


anlangt, so ist Ryssel a. a. O. S. 39 f. zu vergleichen. 
Das Hap. Leg. m) ist vielleicht mit mp Est. 1, 8 und 
mmo Ps. 131 zusammenzustellen; 190 Hap. Leg., aber 
wahrscheinlich in MON zu ändern. — Ps. 87 : tnO: Hap 
Leg.; zu der Construction 73 1370 M735) cf. das über die 
Verwendung des unpersönlichen Passive zum Eloh. be 
merkte; für J) eN, das mit _ unter dem | nur noch Imal 
im Buch Ester vorkommt, würde die ältere Sprache tw 
Yn) sagen (wn wwe = Jeder auch nur Lev. 17, 10, 13); 
oon seien es Flötenbläser oder Tänzer kommen nicht 
weiter vor, das 3 in der Bedeutung „nicht weniger als“ 
ist sonst nicht zu belegen, an Owy 20192 = wenn er die 
Völker aufschreibt, hat auch Delitzsch schon Anstofs ge- 
nommen — genug der Psalm bietet, wenn auch nicht gerade 
bestimmt späte lexicalische Erscheinungen, doch manches 
Auffallende in stilistischer und syntactischer Hinsicht. — 
Ps. 86 : Zu mixunm Hap. Leg. cf. das Mascul., welches 
aufser den Psalmen : 28, 2, 6. 31, 23. 116, 1. 130, 2. 140, 7. 
143, 1 nur Dan. 4 mal, Sach. 12, 10, Jer. 2 mal, Hiob 
1 mal, Prov. 1 mal vorkommt; 5 zeigt den Accusst. an 
v. 9; zu nmrın ONw cf. das Lied Mosis v. 22, prx Hmm 
nur Ps. 63 und 139 sowie Jes. 44, nrnman pw 4 mal Ezech, 
nynrın ma Ps. 88, 7; mop Hap. Leg.; zu my cf. d. Tab.; 
Ps. 85 : n5o> = Thorheit cf. 593 nur Qohel. und Ps. 49, 
mp2 Prov.; Ps. 84 : Remon Hap. Leg. orp nur noch 
Deut. 22 2 mal und Hiob 1 mal; 145 das Wohnen ist Hap. 
Leg. cf. aber das chald. Verb. "3 in der gleichen Beden- 
tung und 3 im Lied des Hiskia. 

Die Asaphpss. 50; 73—83 sind ebenso sicher wie der 
Nachtrag zum 3. Buch nachexilisch oder exilisch. Es kann 
sich bei ihnen nur darum handeln, ob wir nicht diese 
ganze Sammlung als maccabäisch anzusehen haben. Denn 
dals Ps. 74, 79, 83 sich am besten erklären, wenn man 
die Zeiten des Antiochus Epiphanes als Veranlassung zu 
ihrer Abfassung annimmt, scheint nicht bezweifelt werden 





306 Giesebrecht, tiber die Abfassungmeit 


kann. Wie grofs die Zahl der später, etwa auch in der 
Maccabierzeit dem Psalter eingefügten Lieder war, dar 
über läfst sich nach dem Prolog des Siraciden, nach 1 Mace, 
7, 17, wo Ps. 74 als Wort heiliger Schrift citirt wird, und 
aus der Thatsache, dafs unter den Hasmonäern das Pral- 
terium Salomonis im Unterschied vom Psalterium Davids 
entstand, nur sagen, dafs dieselbe nicht bedeutend sem 
kann. 

Es hiefse Eulen nach Athen tragen, wollte ich die all- 
bekannten Gründe ‚für maccabäische Abfassung der drei 
oben genannten Psalmen hier nochmals aufführen, ich be 
gnüge mich auf Hitz. Olsh. und de Jong, de pss. mace. 
Lugd. Bat. 1857 zu verweisen. Von den übrigen Liedern 
trägt der 80. Psalm die deutlichsten Spuren der nachexi- 
lischen Zeit. Das Gericht, welches nach Jes. 5 über den 
O13 Jahvehs kommen soll, hat sich an dem Weinstock 
Jahvehs erfüllt, hatte er sich vorher stolz, der Ceder gleich, 
erhoben, so sind jetzt seine Zäune eingerissen, jeder Vor- 
übergehende berupft ihn cf. Ps. 89, 41 f., besonders ein 
Feind, unter dem Eber aus dem Walde dargestellt, läfst 
seine Wuth an ihm aus, Israel ist zum Zankapfel für seine 
feindlichen Nachbarn geworden v. 14 und 7, dieser trao- 
rige Zustand hat schon lange Zeit gedauert v. 5. Wir 
finden offenbar dieselbe Situation vor wie in Ps. 85. 89, 47. 
Dafs der Psalm im Exil entstanden sei, läfst sich aus der 
Bitte yawn nicht darthun, dieselbe ist doppelsinnig und 
kann auch heifsen „erquicke uns“. Aber wohl ist die Bitte 
von Bedeutung, Jahve möge vor Ephraim, Manasse und 
Benjamin her seine Macht erweisen, Juda erfleht wie es 
scheint die Zurückführung des früher eng verbundenen 
Nachbars und der nördlichen Stämme cf. Jes. 51, 12. 40, 
10 u. 6. Das weist auf die Zeit, da die Feindschaft der 
Samariter die Colonisirung des nördlichen Reiches durch 
die echten Israeliten wünschenswerth erscheinen lassen 
mochte — also in dieselbe Zeit wie oben für Ps. 85 und 


der Psalmen. 307 


89 festgestellt wurde. — Nicht anders wird auch der fol- 
gende Psalm angesetzt werden können : Das Volk ist von 
Feinden bedroht v. 15 f., auch sonst befindet es sich in 
dürftiger und gedrückter Lage v. 17, dieser Zustand ist 
Folge eines göttlichen Gerichts, durch welches das wider- 
spenstige Geschlecht in seinen eigenen sündlichen Willen 
dahingegeben wurde v. 13, damit es das Mafs der Sünden 
vollmachend die Strafe herbeiführe. Sehr instructiv ist es, 
v. 12 f. mit Jer. 7,24 zu vergleichen, dem sie nachgebildet 
zu sein scheinen. Hier erscheint das Hingehen des Volks 
in den Rathschlägen seines halsstarrigen Herzens als seine 
eigene That, gegen welche Gott seinerseits durch Sendung 
der zuverlässigen Verwarner, der Propheten, reagirt, dem 
Psalmisten erscheint dieselbe Thatsache bereits als der 
Anfang des Gerichts, unter dessen Schwere er augenblick- 
lich seufzt, jene Stelle aus Jeremia ist offenbar die Vor- 
aussetzung für die Worte unseres Psalmisten. Der Psalm 
könnte sonach exilisch sein, da er aber nach v. 1—5 das 
Bestehen des Tempelcultus voraussetzt, so werden wir ihn 
am besten in dieselbe Zeit wie seinen Vorgänger setzen. — 
Ps. 82 setzt einen Zustand völliger Auflösung der recht- 
lichen Ordnung voraus, infolge der schlechten Regenten 
resp. Richter (was im Orient identisch) wankt das ganze 
Land (vielleicht auch die ganze Erde). Auffallend ist, dafs 
der Psalmist keinen König der diesem Uebel hätte steuern 
können verantwortlich macht, ja deuselben nicht einmal 
erwähnt. Die Situation erklärt sich durch den Schlufs 
des Psalms : die Herrscher, welche unrecht richten, sind 
keine einheimischen : Jahveh wird aufgefordert, sich selbst 
des gedrückten Rechtes anzunehmen und auf Erden Ge- 
richt zu halten, weil er Erbherr sei über alle Heiden. 
Offenbar führt also der Psalm in dieselbe Zeit, wie die 
vorhergehenden, in die der persischen Herrschaft. — Gehen 
wir von Ps. 79 aus rückwärts, so ist auch Ps. 78 mit Be- 
stimmtheit als nachexilisch anzusehen. Er giebt eine er- 





308 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


baulich paränetische Betrachtung über die altisraelitische 
Geschichte bis auf David nach der deuteron. Anweisung 
Deut. 6, 20 cf. Ex. 10, 2, und ist sich bewulst, hiermit 
otp wo myn, sinnvolle Geschichten der Vorzeit vor . 
tragen. Er steht durchweg auf der Geschichtsbetrachtung 
des Verfassers der Königsbücher, mit dem er auch in de 
Terminologie Verwandtschaft zeigt cf. v. 56; 58; 68, 
Würden schon diese Umstände hinreichen, den Psalm a 
das Exil oder nach demselben anzusetzen, so kommt seine 
Verwandtschaft mit den späten Producten : Ps. 105; 106; 
95 und dem Anfang des 81. dazu, dies Urtheil zu best 
tigen. — Ps. 77 ist in demselben Ton gehalten wie Ps.81, 
nimmt dieser von der Betrachtung der Vorzeit seinen Aus- 
gang, so mündet jener in eine Erwägung der Thaten, die 
Jahveh früher für Israel gethan, hier wie dort erscheint 
Joseph als besondere Bezeichnung des heil. Volks. Und 
wenn der Psalmist in der Noth die Tage der Vorzeit über- 
denkt, sich an die Jahre der Urzeit erinnert v. 6, so wird 
sein Kummer kein rein individueller sein, sondern die Noth 
seines Volkes zum Hintergrund haben. Nur so ist a 
auch zu verstehen, wie er ausrufen kann : will der Her 
in alle Ewigkeit verabscheuen und sich gar nicht wiederum 
erbarmen ? v. 8. Auf nichts Anderes weist endlich die 
Fortsetzung dieses Spruchs : ist seine Gnade in Ewig- 
keit zu Ende, ist es aus mit dem Wort für immer ? Unter 
78 kann nur das Verheilsungswort gemeint sein, welches 
stete Gnadenbereitschaft Jahvehs verkündete, dessen konnte 
sich aber nur Israel als Ganzes getrösten. Der Psalm 
spiegelt somit dieselbe Situation wieder wie Ps. 8088, 
irgend ein Grund, ihn von seiner Umgebung loszureilsen, 
ist nicht erfindbar — sein sprachlicher Charakter thut, wie 
wir unten sehen werden, das Uebrige, ihn in nachexilische 
Zeiten zu versetzen. — Eine höchst gewichtige Instanz für 
späte Abfassung bildet die Sprache auch bei dem 73. Pas, 
doch nicht, ohne dafs seine inneren Eigenthümlichkeiten 


310 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


zu verantworten haben wird, und der weitere Verlauf des 
Psalms zeigt, dafs es dem Dichter weniger auf diese Ein- 
kleidung angekommen ist, als darauf, zu lehren, welcher 
Gottesdienst der Jahveh wohlgefällige sei; aber die Ein- 
kleidung dieses Gedankens ist auch etwas werth, sie zeigt, 
in welchen Verhältnissen das Volk zur Zeit des Verf. 
lebte. Ein vorexilischer Dichter brauchte Jahveh nur auf 
Zion herabfahren zu lassen, dann hatte er sein Volk um 
sich. Hitzig hat dieselbe Beobachtung gemacht, wenn 
er aber daraus, dals die D’TOr erst aus allen Theilen der 
Erde gesammelt werden müssen, schlielst, dafs der Psalm 
ins Exil gehöre, so verkennt er die Tendenz des Liedes, 
welches, wie aus v. 8—14 deutlich hervorgeht, gegen eine 
äulserliche werkheilige Werthschätzung des Opferdienstes 
polemisirt. Was diese Polemik anlangt, so ist sie offenbar 
nicht sehr tief, auch in ihr unterscheidet sich der Dichter 
merklich von den alten Propheten, deren Eifern gegen das 
opus operatum des Opfers vielmehr auf dem Bewulstsein 
des sittlichen Wesens Jahvehs beruht. Für unseren Dichter 
waren ihre Aeufserungen schon eine Art dogmatischer 
Sätze, denen er sich wohl anschlofs, die er aber nicht ganz 
verstand. Dafs auch v. 16 in die Zeit nach dem Deuteron. 
hinabführt, da er einen statutarisch festgesetzten Gottes- 
willen voraussetzt, den nicht Jeder wirklich kannte, hat 
Ewald schon hervorgehoben. 

Hiernach stammt die Sammlung der Asaphpss. aus der 
Zeit nach dem Exil, das erweckt für die zwei noch übrigen 
Lieder Ps. 75 und 76 kein vorexilischer Abfassung gün- 
stiges Vorurtheil. Ps. 75, welcher Jahveh als den gerechten 
Richter preist und seine Erscheinung zum Gericht in nahe 
Aussicht stellt, bietet in der That nicht den mindesten 
Anlafs, ihn für vorexilisch zu halten. Auch hier ist das 
Gericht wieder reine Einkleidung, cf. Hupf. wie bei Ps. 50; 
dafs eine grolse Niederlage der Feinde den Anlafs zu 
diesem Liede gegeben habe, wie Ewald u. A. annehmen, 





der Psalmen. 311 


det aus v. 1 nicht zu schliefsen, der Dichter spricht viel- 
_ wehr ausdrücklich davon, dafs der Name Jahvehs d. h. 
seine Offenbarung erst herannahe, cf. Jes. 46, 13. 50, 8. 
61, 5. 56, 6 und v. 3 des Psalms, zu dem die Stellen aus 
Joel, Obadja, Zeph. u. s. w. zu vergleichen sind, welche 
von dem nahe bevorstehenden Gerichtstag reden. Die 
Feinde, mit denen der Psalmist zu thun hat, sind auch 
nicht sowohl fremde Völker, als Frevler, welche mit 5b 
und DYyW1 bezeichnet werden; wenn er von ihnen sagt, 
dafs sie zur Höhe ihr Horn emporheben, so deutet dies 
such eher auf Uebermüthige, Unterdrücker der treuen 
Jahvehverehrer, als auf Heere hin, welche Jerusalem be- 
lagern. Endlich weist der Taumelbecher, den die Hand 
Jahvehs den Frevlern kredenzt, eine bei Hab., Jer., Deutjes. 
und Ezech. besonders geläufige Vorstellung, auf späte Zeit, 
ef. Hupfeld. Der Psalm ist hiernach nur aus einer Zeit 
wie die des Nehem. zu begreifen. Ps. 76 blickt allerdings 
auf eine feindliche Bestürmung Jerusalems zurück, welche 
mit der gänzlichen Niederlage der Belagerer geendet hat. 
Aber dafs diese Rettung der Stadt zur Zeit des Dichters 
stattgefunden hat, davon ist in dem Psalm nichts zu lesen, 
vielmehr sagt er genau betrachtet das gerade Gegentheil. 
Denn v. 1—3 sind lediglich referirend gehalten : „erkannt 
wurde in Juda Gott, in Israel war grofs sein Name und 
er nahm in Salem seine Hütte und seine Wohnung in Zion, 
daselbst zerbrach er“ u. 8. w. Würde wohl ein Dichter 
zur Zeit Hiskias den Abzug der Assyrer in dieser Weise 
gefeiert haben, ganz abgesehen davon, dafs ja die assyr. 
Niederlage (?) gar nicht bei Jerusalem stattfand, was die 
Ausleger immer wieder zu vergessen scheinen, weil Jesaia 
in seinen prophetischen Gesichten den Vorgang allerdings 
in jener Weise geschildert hat. Gerade die Weissagungen 
Jesaias geben den Schlüssel zu unserem Psalm, ihre Schil- 
derungen, welche der Dichter für geschichtliche Ereignisse 
hielt, führt er zur Verherrlichung Jahvehs und seines 





312 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


Wohnsitzes in Jerusalem weiter aus. Dafs dies auf eine 
Zeit weist, welche den Tagen Jesaia’s fern steht, braucht 
kaum bemerkt zu werden, es ist sonach nicht der mindeste 
Grund, dies Gedicht aus dem Zusammenhang seiner Um- 
gebung loszureifsen und es für vorexilisch zu erklären. 
Auch die Sprache des Psalms stimmt zu einer späten Ab- 
fassungszeit. 

Die sprachlichen Erscheinungen dieser Psalmen seien 
hier zusammengestellt. Ps. 83 ist in syntactischer Beziehung 
die Vorausnahme des Objects durch ein Suffix am Verbum 
auffallend, welche auf aram. Einflufs hinweist : wa") why. 
Die hier erwähnten Hagrier kommen im A. T. nur in der 
Chronik vor, auch 523 = Gebalene findet sich im A. T. 
nicht wieder, wohl aber in nachalttestamentlichen Schriften 
cf. Targg. Das Verbum wm) findet sich noch 3 mal im 
4. und 5. Buch der Psalmen, im 2. Buch 1 mal, aufserdem 
Mal., Joel 2 mal, Hiob, Deutjes., Deut. 32, 22, das Nomen 
wind allerdings schon Gen. 3. Zu 75 wı 5x cf. Jes. 62, 6, 
70) für Fürst findet sich noch Jos. 13, 21 im eloh. Zu 
sammenhange, Ezech. 1 mal und Mich. 5, 4, 70) sei e 
nun = salben oder einsetzen Ps. 2 und Prov. 8. An die 
letzten Bücher erinnert auch die übertriebene Verwendung 
des poet. Suff. w.- in v. 12 und v. 14. — Ps. 82 : dy, 
in den Pss. noch 7, 4. 52, 2, ist ein Lieblingswort Ezechiels 
(10 mal), aufserdem finden wir es : Lev. 19 2 mal, Deut. 
25, 16. 32, 4, Hiob 2 mal, Prov. und Jerem. je 1 mal; über 
my und tio cf. oben die Tab. und zu Ps. 121. — In 
Ps. 81 fällt die sonst unerhörte Form HOM auf, die Unter. 
lassung der Synkope ist sonst in den Pss. nicht gerade 
selten, hat aber ihre Analogieen meist in späten Schriften. 
Man vergleiche witty Ps. 28, 7 im Ps. 45, 18, yen | 
Ps. 116, 6 mit Neh. 11, 17. Ez. 46, 22. Jer. 37. 3. Hiob 
13, 9. 1Sam. 17,47. In einer Reihe der angeführten Fälle 
mag allerdings das Bestreben mitgewirkt haben, die betr. 
Worte den mit “in beginnenden Eigennamen ähnlich zu 





der Psalmen. 313 


gestalten, aber für Formen wie Ovpyina Ps. 36, 6 cf. Ez. 
), 25. 47, 22. Neh. 9, 19. 12, 38. Qoh. 8, 1. 2 Chron. 10, 7 
of. 2 Sam. 16, 12; 2 Reg. 17, 12 reicht diese Erklärung 
nicht zu. Es liegt daher nahe, da die meisten der ange- 
führten Stellen der späten Literatur angehören, diese Er- 
scheinungen auf den Einfluls des Chaldäischen zurückzu- 
führen, da im bibl. Chaldaismus die Participia des Haphil 
die synkopirten und die vollständigen Formen unterschieds- 
los anwenden — auch Imperfectformen ohne Synkope 
finden sich. Dafs 03, aufser hier noch (in der richtigen . 
Form x03) Prov. 7,20 im A. T., sich nur aus dem Syrischen 
erklärt, ist allgemein zugestanden, die Ableitung ist zweifel- 
haft, denkt man an die Wurzel 703 (wiez.B. Delitzsch) 
und betrachtet die Form als sog. Segolatform, so hat sie 
ihre Analogieen nur in den späten Beispielen 151 cf. zu 
Ps. 90; 732 Eer. 10, 1; AQ HD) Ezech. 18, 33. Das 
Mascul. ba0 kommt nur noch i im Buch Neh. vor und 1 Kon. 
11, 28; darüber, dafs diese letztere Stelle einem stark über- 
arbeiteten Zusammenhang angehört cf. Wellhausen in 
Bleek’s Einl. S. 240. Jesaia sagt dafür 530, und der 
Jehovist braucht den Plural rivap cf. auch Hupfeld. Zu 
dem Ausdruck 7] 5x für Gırıx omdx Deut. 5, der noch 
Ps. 44, 21 vorkommt, ist Jes. 43, 12. Hiob 15, 19, zu 
Q) >® Deut. 32, 12 zu vergleichen. nm 8 mal bei 
Jerem. und Deut. 29, 19 ist wohl auf aram. Einflufs zu- 
Fückzuführen, es kommt sowohl im Chald. als im Syr. vor, 
dafs schon die Form dafür spricht, hat Ryssel S. 48 
2.2.0. behauptet, cf. die dort von ihm zusammengestellten 
Beispiele. — Ps. 80 : Dafs zu yy (nur noch Ps. 50) das 
thald. xy} der Wurm und die Verba m und nit cf. auch 
las Syr. zu vergleichen sind, ist längst bemerkt worden, 
>b das Deutjes. 66, 11 sich findende 1} hierhergehört, mufs 
sweifelhaft bleiben, ebenso hat man in OO > zerwühlen 
yereits einen Aramaismus erkannt, cf. OD. yos, habe 
s nun die Bedeutung auswählen oder grofsziehen, kommt 


314 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


so nur noch Jes. 44, 14 vor, auch Ww berupfen findet sich 
nur noch im Hohenliede, 13 (beschirmen ?) ist Hap. Leg. — 
Ps. 79 : Zu mp cf. die Tab.; Mpom nur noch Ps. 102. 
in aufser Gen. 1, 24 nur Deutjes., Zeph. je 1 mal, Ps. 104 
2 mal und Pa. 50, 10. obp aufser Ps. 44, 14 noch Jer. 20. 
Ps. 78 : zu 3% cf. zu Ps. 144; gq sehr, cf. die Stufen- 
psalmen ; nA ist bereits als Aramaismus erkannt, cf. wh Syr.; 
O'My eine Viehkrankheit kommt hier allein vor, 17 aufser 
Ps. 76 noch Hab., Hiob, Deut. 32 je 1 mal, Cant. 2 mal. 
058 nur noch Prov. 3 mal, Jes. 26 und Ps. 58; mong nur 
noch Jes. 65, Jer. 15, Lev. 26. 3*yym nur noch Jer. 44, 
das Piel : Hiob, Deutjes. und Ps. 36. Zu mıy cf. Ps. 145 
und Jes. 42; bo» die Hoffnung Hiob 3 mal, Prov. 1 mal. — 
Ps. 77 : zu yop ‘ef. Ps. 107; 793 ist ein Aramaismus; die 
Worte non xd) may m „meine Hand ist ausgegossen und 
wird nicht starr“ sind eine höchst unpassende Nachbildung 
von Thren. 3, 49 mn sn mn my. HON ist schon zu 
Ps. 142 besprochen, mgm kann nur als eine späte, unreine 
Bildung angesehen werden, auch 791% ist soweit ich sehen 
kann ohne Analogie. — Ps. 76 : zu Ex 821 cf. Ps. 78; 
eine halbaramäische Form ist onze, zu der sich weitere 
Beispiele nur aus späten Büchern auftreiben lassen cf. bar 
Jes. 63, 3; anne 2 Chron. 20, 356. Die Wendung DR ıX9 
== „von dem Eintreten (eigentlich von dem Damals) deines 
Zornes an“ ist nur noch durch P27 wy Rut 2, 7 und das 
viel entfernter ähnliche 59M wy „von damals an als wir 
abliefsen“ belegbar. mion Plur. von pm nur noch Prov. 
22, 24. Ps. 75 : das Qal von 559 kommt in der Bedeu- 
tung unsinnig sein, rasen, nur hier und Ps. 5, 6; 73, 3 
vor, 1 Sam. 21, 14 wendet dafür das Hithpoel an, das 
auch Nah. Jer. Deutjes. brauchen. Das Poel und Poal 
finden sich nur in späten Schriften : Hiob, Deutj., Qoh., 
Ps. 102 cf. mbbin und nibbw 5 mal im Qoheleth. Sti- 
listisch auffallend ist yim mpx = ich ergreife den Zeit- 
punkt, v. 7 ist so gut wie ganz unverstindlich, auch wenn 


der Psalmen. 315 


man Ov" als Infinitiv auffafst. Von der Benutzung Deu- 
terojesaias in den ersten Versen ist schon die Rede ge- 
wesen, zu ww wo’ cf. Jes. 51, 17. Ezech. 23, 34. am: 
3 mal in den Prov., 7 mal bei Ezech., 2 mal bei Deutjes., 
1 mal bei Hiob und aufserdem an zwei spiiten Stellen der 
historischen Bücher : dem Lied der Hanna und 2 Reg. 
12, 12. “om schäumen, brausen, aufser Ps. 46, 4 nur noch 
Thren. und Hiob. — Ps. 74 : zu mp cf. die Tab. ning» 
nur noch Ps. 73, 18 Y xy cf. NEN. MD. Md von MO u. 4. 
in Ges. Thes. angeführte Beispiele, meist der späten Lite- 
ratur angehörig. Oy) nur hier von My, sonst stets im 
Hiph., über 74 cf. oben; die Construction des 5. Verses 
ist kaum verständlich. — Ps. 73 zeugt ebenfalls durch 
seine Dunkelheit und das Ungewöhnliche der Constructionen 
für spätes Zeitalter, lexicalisch ist anzumerken der Ara- 
maismus DON = verspotten, sonst nicht im A. T., das 
gleichfalls auf aram. Einfluß hinweisende nv» cf. die 
Bemerkung zur Tab., das Hap. Leg. 5we von unsicherer 
Bedeutung. n=yArı kommt nur noch Jes. 58, 6 vor; un 
ist ein Aramaismus cf. Ps.92; yonnn und ping kommen 
beide nicht wieder vor, das Qal von poy treffen wir hier 
allein im A. T.; der Ausdruck „Bedrückung reden“ v. 8 
findet sich nur noch Jes. 59, 13; zur Form 79mm ist nur 
eine Analogie in Ex. 9, 23 vorhanden. — Ps. 50: zu dem 
Aramaismus 1% cf. Ps. 80; ‘97 ist im Hebr. sonst nicht 
vorhanden, erscheint aber in den Targumim; zu in cf. 
Ps. 79; myn in einer ganz ungewöhnlichen Bedeutung 
nur hier — auf die Schreibung Map) mit @ statt D die 
nur Deut. 32, Jer., Ez. vorkommt, ist wohl deswegen kein 
grofser Werth zu legen, weil das Wort auch in späten 
Schriften mit D geschrieben wird. 

Die Zeitbestimmung der korahitischen Sammlung Pe. 
42—49 würde, wenn wir nur Ps. 42 f.; 44; 47; 49 vor 
uns hätten, sich sofort mit Sicherheit ergeben. Keins von 
diesen Liedern ist vorexilisch. Ps. 49 behandelt ähnliche 


316 Giesebrecht, über die Abfassungescit 


Probleme wie Ps. 73, seine Anschauungsweise hat manches, 
was an diesen Psalm und an @obel. erinnert, über die 
Betrachtung des Leidens, welche das Buch Hiob giebt, ist 
der Verf. philosophisch erhaben. Die Sprache seigt manche 
auffallende Härten und Dunkelheiten. Ps. 47 läßst Jahveh 
als den alleinigen Gott von allen Nationen preisen, ganz 
wie Ps. 95 ff., und lehnt sich nicht allein in der Form, 
sondern auch inhaltlich an Deutjes. an, cf. zu Ps.96. Der 
Schlufs, dafs unser Ps. spät ist, legt sich auch dadurch 
nahe, dafs er den sonst nur in den Psalmenüberschriften 
vorkommenden Ausdruck 33 anwendet — derselbe ist 
jedenfalls ein Kunstproduct der Tempelmusik. Bei Ps. 44 
hat man nur die Wahl, ob man ihn für exilisch oder für 
maccab. halten will, ich entscheide mich aus bekannten 
hier nicht näher aufzuzählenden Gründen für das letztere 
— was endlich Ps. 42 und 43, die ursprünglich zusammen- 
gehörten, anlangt, so sind dieselben nach Ps. 84 zu beur- 
theilen. Für jene ist wie für diesen Gott nirgends anders 
als im Tempel von Jerusalem gegenwärtig, die Sehnsucht 
nach dem lebendigen Gott ist identisch mit dem Verlangen 
an den Tempelprocessionen theilzunehmen, vor dem Altar 
in Jerusalem mit Opfern zu erscheinen u. s. w. Dabei ist 
der Verf., der übrigens wohl nicht nur persönliche Klagen 
ausstölst, im nordisraelitischen Lande von böswilligen, un- 
gläubigen Gegnern, einem nicht frommen Volke umgeben, 
das seinen Mifshandlungen noch den Hohn über das Gott- 
vertrauen des Dichters hinzufügt, auch dies stimmt am 
besten zur Zeit nach dem Exil. 

Dabei setzt der Stil des Psalms eine für geistliche 
Zwecke bereits stark ausgeprägte Sprache voraus : cf. 
42, 3, 6, 7, 10, 12. 43, 1, 2,3. Kann über die angeführten 
Lieder und ihre Abfassungszeit keine grofse Meinungsver- 
schiedenheit stattfinden, so gehen die Urtheile sehr aus- 
einander in Betreff des Alters der drei übrigen Psalmen 
45; 46; 48. Es giebt fast keine Periode der israelitischen 


318 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


zenden Zustand unter jenen beiden Monarchen entfernt 
war, dafs man nicht müde wurde sich die Herrlichkeit 
ihres Hofes auszumalen, dafs insbesondere Salomo zum 
Ideal des in behaglichem Lebensgenusse beschaulich dahin- 
lebenden orientalischen Weisen wurde, davon legt der 
Qoheleth deutliches Zeugnifs ab, und wer das Hohelied 
für ein Spottgedicht auf Salomo halten kann, der ver- 
kennt völlig die Begeisterung für ihn, die aus dem Anfang 
des 1., aus dem Schlufs des 3. Cap. u. s. f. spricht. Wie 
nahe sich die angeführten Stellen mit unserem Ps. berühren, 
braucht nur angedeutet zu werden, cf. auch Cant. 6, 8 mit 
Ps. 45, 10, 15. Auffallend ist auch die Berührung in den 
Namen der wohlriechenden Salben zwischen unserem Psalm 
und dem Hohenliede : » kommt nur noch Cant. 7 mal, 
Ester, Prov. 7, 17 und in der späten Stelle Ex. 30, 23 
vor, Mn hat unser Psalm mit Cant. allein, o-Sme nur 
noch Prov. 7,17 — Num. 24, 6 wird ove gelesen werden 
müssen. miyryp findet sich im Singul. nur noch Hiob 
42, 14. Bei der Annahme, dafs unser Psalm ein mit dem 
Hohenlied auf einer Stufe stehendes, zur Verherrlichung 
des viel gefeierten salomonischen Hofes gedichtetes Lied 
ist, erklärt es sich leicht, dafs die 53g’ hier als Tyrerin 
auftritt. Eine Zeit, welche ihm 60 Königinnen als Kebs- 
weiber andichtete, konnte auch durch die anerkannt freund- 
lichen Beziehungen des Salomo zum tyrischen Hofe ver- 
anlafst werden, die ägyptische Königstochter mit einer 
phönizischen zu vertauschen; und erwägt man die Beschrei- 
bung der Herrlichkeit Salomos Qoh. 2, 4-9. Cant. 3, so 
hat es gar nichts auffallendes, dafs man in jener Zeit von 
elfenbeinernen Palästen des Salomo Ps. 45, 9 sang und 
sagte. — Es miifste wunderlich zugehen, wenn Ps. 46 und 
48 inmitten später, z. Th. sehr später Lieder vor dem Exil 
verfafst wären. In der That zeigt Ps. 46 keine Indicien, 
welche nöthigten, ihn vor das Exil zu setzen. Schon Hup- 
feld hat erkannt, dafs v. 1—8 einen ganz allgemeinen 


“ru e+ 


der Psalmen. 319 


Ausdruck des Vertrauens auf den Gott enthalten, der den 
Mittelpunkt seines Reiches in Jerusalem hat, ganz ähnlich 
wie Ps. 76. Wenn aber v. 9—12 sich nothwendig auf 
ein bestimmtes historisches Ereignils beziehen sollen, durch 
welches die Unantastbarkeit Jerusalems documentirt worden 
sei, und dieses sich näher als die Vernichtung der Assyrer 
unter Sanherib herausstellen soll, so ist diese Behauptung 
im Context des Psalms nicht begründet. Jerusalem kann 
vielmehr durch die Kriege, von denen hier die Rede ist, 
nur sehr mittelbar betroffen sein, Jahveh macht den Kriegen 
ein Ende bis an den Rand der Erde, er richtet Verwüstung 
an auf Erden, das sind offenbar viel zu allgemeine Aus- 
drücke, als dafs mit ihnen die Vernichtung eines das heilige 
Land verheerenden und Jerusalem bedrohenden Heeres 
bezeichnet sein könnte. Auf einen grofsen Weltkrieg, von 
dem allerdings auch Judiia Schaden befürchtet hatte, führt 
uns v. 11: lafst ab und erkennt, dals ich Gott bin, er- 
haben unter den Heiden, erhaben auf Erden. Auch Hup- 
feld hält hiernach die Beziehung auf Sanheribs Zug keines- 
wegs für sicher. Auch Ps. 48 erklärt sich aus der Zeit 
Sanheribs nicht, die Mehrheit von Königen, deren Bund 
ein schmähliches Ende genommen hat (v.5), hat den Aus- 
legern bei jener Annahme schon mancherlei Schwierig- 
keiten bereitet, besonders aber spricht v. 9 dagegen, die 
Zeit des Sanherib als Abfassungszeit dieses Liedes zu be- 
trachten. Denn offenbar blickt der Dichter hier ganz 
ähnlich wie derjenige des 76. Psalms auf ein längst ver- 
gangenes Geschehnifs zurück, durch das sich Jahveh ehe- 
mals als Burg in Zion kundthat und welches er in neuerer 
Zeit wieder bestätigt sieht. So konnte man in der Zeit 
des Sanherib nicht sprechen, der Abzug des Pekah und 
Rezin war nicht so weit von der Vernichtung des Assyrer 
unter Hiskia entfernt, dafs der Dichter jene Thatsache als 
etwas nur durch Hörensagen vernommenes dieser als etwas 
selbsterlebtem gegenüberstellen konnte Es ist am ein- 


320 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


fachsten, dals jene einzigartige Rettung der Stadt unter 
Sanherib, die für die religiöse Entwicklung Judas von weit- 
tragender Bedeutung war, wie in Ps. 76 das Thema zu 
der Betrachtung v. 1—8 bildet, in freier Weise ohne strenge 
geschichtliche Genauigkeit ausgeführt. Das Ende des 
Psalms scheint dies zu bestätigen : v. 13 erinnert an Jes. 
33, 18, verwendet jedoch diese Reminiscenz in ganz selb- 
ständiger Weise. Dals Jerusalem durch den Krieg direct 
bedroht war, scheint aus diesem Theil des Psalms hervor- 
zugehen, welche Bedringnifs aber der Verf. meint, ist nicht 
mehr auszumachen. Wegen der Umgebung, in welcher sich 
die beiden Psalmen finden, ist es mir am wahrscheinlichsten, 
dals die Feldztige Alexanders des Grofsen oder andere Er- 
eignisse der persischen Geschichte Anlafs zu diesen Psalmen 
gaben, doch mufs die entfernte Möglichkeit zugegeben 
werden, an kriegerische Bewegungen des 7. Jahrhunderts 
zu denken, wenn auch hiergegen immer das Bedenken 
bleibt, dafs weder ein jüdischer König, noch ein jüdisches 
Heer in diesen Psalmen hervortritt. 

Die Sprache dieser Psalmen wird durch folgende Er- 
scheinungen charakterisirt. Ps. 49 : br c. Ps. 89; nun 
Sinnen Hap. Leg., das Verb. in dieser Bedeutung in den 
Psalmen häufig, in der älteren Literatur nur in dem (nicht 
sicher echten) Stück Jes. 33,18 nachzuweisen; niman nur 
‚noch in den Proverb.; nuaN nur noch Prov., Ps. 75, Hiob, 
Deutjes.; auch im Sing. ist das Wort in der alten Lite- 
ratur selten, da Hos. 13, 2 wahrscheinlich corrumpirt und 
1 Kön. 5, 9; 7,14 schwerlich alt sind. nm, in den Psalmen 
sehr häufig, findet sich aufserdem noch bei Hiob, Prov., 
Ezech., Deutjes., Jona; yp thöricht nur noch Ps. 73 und 
92; Prov. 12, 1. 30, 2. Der Gebrauch des Plural von 
Mpx (sonst nie) scheint auf eine Zeit gesunkenen Sprach- 
gefühls hinzuweisen. Ueber die Form von "a cf. Ryssel 
S. 39, das Wort selbst ist ein Aramaismus, der im A. T. 
noch 10 mal im Buch Ester, Hiob, Prov., Ezech., Jer., 





$9292 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


Jes. und Mich., sonst ein Lieblingsausdruck Jeremias und 
Ezechiels; zu > cf. Ps. 90; zu nu cf. die Tab.; opxw 
nur noch 3 mal bei Jerem. und Ps. 8; zu "58 cf. Ps. 81; 
zu mony cf. die Stufenpss.; nobym, eine späte Form of 
Ryssel a. a. O.S. 44, noch 2'mal im Hiob. — Ps. 42 
und 43 : my nur noch Joel, my Cant. 2 mal und Ezech. 
2 mal; 70 = chald. 99 cf. Ges. Thes.; Oye nur noch im 
Lied des Hiskia Jes. 38, 15, über das Talm. 777 cf. Hup- 
feld z. d. St. Anm. 96; mm cf. zu Ps. 100; My nur noch 
1 mal bei Ezechiel; nm im Hithpoel nur hier. 

Die letzten Psalmen der zweiten Gruppe davidischer 
Lieder : Ps. 51—71 lassen sich mit der gröfsten Sicherheit 
als nachexilisch bezeichnen. Ps. 66 mufs sehr spät angesetzt 
werden, die an alle Völker gerichtete Aufforderung Jahveh 
zu preisen ist bereits etwas so gewöhnliches zur Zeit des 
Verf. geworden, dafs die Heiden für ihre eigenen Nieder- 
lagen Jahveh lobsingen müssen. Mit keinem Worte ver- 
räth der Dichter, dafs er diese Verherrlichung Jahvehs 
durch die Heiden als etwas der Zukunft, dem messianischen 
Reiche angehörendes betrachtet, die Aufmunterung der 
Heiden zum Lob Gottes ist vielmehr rein formelhaft bei 
ihm geworden. Auch ihm mufs daher wie den Dichtern 
von Ps. 95 ff. Deuterojes. eine geläufige Lectüre gewesen 
sein. Dies wird durch v. 10—12 bestätigt, welche ganz 
ähnlich wie der 129. Psalm auf die Nöthe vor und im Exil 
(vielleicht auch nach demselben) zurückblicken. Der zweite 
Theil des Psalms wird bekanntlich von einigen Auslegern 
als ursprünglich nicht zum ersten Theil gehörig betrachtet, 
und schroff genug ist der Uebergang von der allgemeinen 
Noth und Errettung zur individuellen des Verf. Willman 
hier nicht geradezu eine Personification des Volks, die 
dann wieder auf ‘Deuterojes. hinweisen würde, annehmen, 
so legt die Leichtigkeit jenes Uebergangs den Gedanken 
nur um so näher, dafs nationale und universalistische Wen- 
dungen in der religiösen Sprache bereits formelhaft und 





der Psalmen. $23 


sch geworden waren, als unser Psalm entstand. Un- 
ihr in dieselbe Zeit müssen Ps. 65 und 67 gehören, es 
ıt in ihnen derselbe Geist wie in Ps. 66. Die Art, wie 
Ps. 65 Jahveh als der Gegenstand der Anbetung und 
Vertrauens für die ganze Menschenwelt dargestellt ist, 
mert an Mal. 1, 11. Weder hier noch dort handelt es 
1 um die Darstellung der Hoffnung, dals Jahveh der- 
it von allen Völkern angebetet werden solle, sondern 
wird ein bereits vorhandener Thatbestand constatirt. 
veh ist zum allgemeinen Gott der Menschheit geworden. 
ausgeprägt universalistischen Anschauungen huldigt 
lich Ps. 67 nicht, mit Recht bemerkt Riehm, dafs die 
'herrlichung Jahvehs durch die Völker hier als Hoff- 
ig des Dichters erscheint. Damit ist aber für seine 
exilische Abfassung nichts gewonnen. Man betrachte 
. Psalm näher und frage sich : war Israel, als derselbe 
fafst wurde, von auswärtigen Feinden mit den Waffen 
der Hand bedroht? Und wenn dies nicht der Fall 
, welcher Art kann eine Noth in Israel gewesen sein, 
ch deren Abwendung auf Erden Jahvehs Weg, unter 
Völkern sein Heil erkannt wird? Reicht hier eine 
ıdplage oder Hungersnoth hin? Offenbar ist es das 
l oder die Zeit nachher, welche unseren Psalm hervor- 
!hte. Ebenso unverkennbar und bereits vielfach be- 
ptet ist die Abhängigkeit des 68. Psalms von Deutero- 
ia, cf. z. B. Hupf. und Kuenen. Die Aufforderung, 
veh der durch die Steppen daherfährt den Weg zu be- 
en v. 5, erinnert an Jes. 40, 3 cf. Cap.52 u. a., seine 
veichnung als des Vaters der Waisen, des Richters der 
ittwen, der die Einsamen zur häuslichen Stätte führt, 
3 Gefangenen in selige Freiheit setzt v. 6 f., führt man 
yenso sicher auf Deuterojes. zurück, cf. auch v.20, wenn 
bersetst wird : alle Tage schleppt er uns u. s. w., mit 
je. 63, 9. Zu dieser späten Abfassungszeit passen auch 
lie geschichtlichen erbaulichen Rückblicke v. 8—19 cf. 
21° 


394 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


Ps. 78. Gegen die Ansetzung in nachexilischer Zeit kann 
v. 28 nicht geltend gemacht werden, als wenn hier das 
Bestehen von ganz Israel vorausgesetst wäre, denn der 
Dichter spricht von v. 23 an Hoffnungen für die Zukunft 
aus — Naphthali und Sebulon treten hier ebenso als Re- 
präsentanten des Nordreichs auf, dessen Rückkehr erhofft 
wird, wie z. B. Ps. 80, 3, cf. das dasu bemerkte. Die 
Kennzeichen der nachexilischen Zeit werden endlich noch 
durch die Sprache des Psalms unterstützt. Die ihm fol- 
genden Lieder sind von Hitzig sämmtlich für jeremianisch 
erklirt, Ewald versetzt sie in das Exil, Hupfeld weist 
Ps. 69 in das Exil und Ps. 71 in spätere Zeiten. In der 
That läfst die Bezeichnung des israelitischen Volks als Ge- 
fangener Jahvehs, die Hoffnung, dals Gott die Städte 
Judas wieder bauen und die Nachkommenschaft seiner 
Knechte daselbst wohnen lassen werde, keinen Zweifel an 
der exilischen Abfassung des 69. Psalms. Dats diese Verse 
nicht etwa ein dem Psalm ursprünglich fremdes Anschiebsel 
sind, geht aus v. 27 deutlich hervor, wo die Gefangenen 
Jahvehs des 34. Verses als Verwundete Jahvehs parallel 
mit der Person des Dichters auftreten. Der Psalm schil- 
dert also keine rein persönliche Noth. Ist aber dieses Lied 
aus der Noth des Volkes heraus von einem Einzelnen ge- 
dichtet, so liegt diese Annahme auch bei Ps. 71 nahe, tritt 
doch auch hier in v. 20 für das singularische Subject des 
Klagenden und Flehenden ein pluralisches auf. Erwägt 
man aber weiter, dals dieser Psalm sehr wenig individuelle 
Züge aufweist, dafs er durchaus unselbständig ist, z. B. 
aus Ps. 22, 31, 38, 40 u. s. w. Stücke aufgenommen hat, 
und beachtet sodann die auffällige Verwandtschaft des 
18. Verses mit Jes. 46, 4, wo Jahveh dem Volk zuruft : 
bis ins Greisenalter bin ich derselbe und bis zum Alter 
will ich tragen, so liegt es am nächsten, unseren Psalm 
für ein zum Gemeindegebrauch des zweiten Tempels ver- 
fertigtes Lied zu halten. Auf diese Weise erklärt sich 


326 Giesebrecht, über die Abfassungescit 


kennt und verehrt, aus der Zeit der Hasmonäer stammen, 
oder — die Worte nog jum sind zur Hasmonäerzeit für 
den Gebrauch des Ps. im öffentlichen Gottesdienst einge- 
schoben. Diese Annahme ist nicht so willkürlich, als sie 
aussieht : dafs v. 20 f. ein Anschub zu Ps.51 sind, leuchtet 
wegen des Gegensatzes, in dem diese Verse zu v. 19 stehen, 
so unmittelbar ein, dafs eine ganze Reihe von Auslegern 
sich diesem Zeichen der Unechtheit nicht hat entziehen 
können. Und auch bei Ps. 61 werden durch die Hypo- 
these, dafs v. 7 und 8 später angefügt seien, einige Schwie- 
rigkeiten beseitigt. Dals nämlich der Singer dieses Liedes 
nicht im heil. Land, sondern weit entfernt davon lebte, 
wird durch v. 3* vergl. mit v. 5* klar. Wenn er nun der 
Aeufserung seiner Sehnsucht im Zelte Gottes zu weilen er- 
läuternd hinzufügt : denn du hast meine Gelübde erhört 
und geschenkt das Besitzthum derer die deinen Namen 
fürchten, so kann er nur meinen, dafs es wieder möglich 
sein werde, im Zelt Gottes (doch wohl der Tempel?) n 
weilen, weil Israel das heil. Land wieder zuriickerhalten 
habe. Dann stammte also der Psalm aus der Zeit Zerub- 
babels, der von dem Psalmisten unmöglich als König an- 
geredet werden konnte. Andere ergänzen zu „du hast 
verliehen“ ein „mir“, erhalten aber so, abgesehen von der 
dann nöthigen sonst nicht nachweisbaren Vergeistlichung 
des Begriffs der a, einen unauflöslichen Widerspruch 
zwischen v. 2 f. und v. 6. Die einzige Möglichkeit, die 
incriminirten Verse beizubehalten, besteht darin, die wT 
(vielleicht = ns cf. Hupf.) auf die Annahme des Kö 
nigstitels von Seiten Aristobuls zu beziehen, also den Psalm 
für maccab. zu erklären, dann bildet v. 6 eine passende 
Motivirung zum 5. Verse. Der Dichter des 64. Psalms 
steht seinen Feinden ungefähr ebenso gegenüber wie der 
Sänger des vorhergehenden. Alle Herzensgeraden und 
Gerechten werden sich der Errettung freuen — die Ver- 
nichtung der Feinde erregt allgemeine Furcht unter den 


der Pealmen. 327 


Menschen, denn sie schauen das Werk Gottes; Ps. 62, das 
=~gechte Gottvertrauen gegenüber dem falschen Vertrauen 
af Menschen mehr in lehrhaftem Tone preisend, unter- 

idet sich auch der Sprache nach wenig von seiner Um- | 


Für die Zeitbestimmung der noch bleibenden Gesänge 
des zweiten Buches 51—59 ist folgendes von Wichtigkeit. 
Ps. 53 ist mit Ps. 14 identisch und aus dem ersten Buche 
herübergenommen, Ps. 14 aber stammt aus der Zeit des 
Exils oder nach dem Exil, wie der Schlufsvers, der mit 
dem sonstigen Inhalt des Psalms übereinstimmt, beweist, 
es scheint also, als seien die genannten Psalmen erst nach 
dem Exil gesammelt worden. Diese Annahme bestätigt 
der Charakter dieser Lieder durchaus. Von der Sprache 

‚wird weiter unten die Rede sein; was die Situation des 
Dichters anlangt, so ist er von Feinden umgeben, welche 
als Fremde (Ps. 54) bezeichnet werden, die von Gott nichts 
wissen wollen. Sie scheinen das Regiment und Gericht in 
der Hand zu haben (Ps. 58,2 cf. Ps. 82), und der Dichter 
mufs sich über ungerechte Handhabung desselben beklagen 
(Ps. 55, 10 ff.), aber auch äufsere Gewalt scheint man zur 
Unterdrückung der Frommen anzuwenden (Ps. 52, 3 133; 
sym ond 56, 2), wenn auch meist nur die Zunge als 
Waffe der Gegner auftritt Ps. 52, 4. 55, 4. 57, 4, 5. 59, 
8, 13. Wie es scheint benutzen sie ihren Einflufs, um 
Zwietracht in Jerusalem selbst anzustiften 55, 11, obwohl 
sie ihren regelmälsigen Aufenthalt nicht dort zu haben 
scheinen 56, 16. Sorgfältig überwachen sie in ihrem 
Interesse die Stadt 55, 11. 59,7,15. Das Gericht, das der 
Sänger auf sie herabfleht, dient zur Herstellung der Ehre 
Jahvehs unter den Heiden und hängt mit dem Gericht 
über die Heidenwelt aufs nächste zusammen 56, 8. 57,9 ff. 
58, 12. 59, 6, die ganze Gemeinde der Gerechten wird sich 
daran erbauen Ps. 52, 8. 55, 23. 58, 11. — Es ist deutlich, 
dafs in diesen gemeinsam betrachteten Liedern sich 





328 Giesebrecht, über die Abfassungsseit 


eine und dieselbe Noth des Volks kundgiebt, der Schlüsd; 
zu ihrem Verständnifs scheint mir, wenn man nicht a 
noch spätere Zeiten denken will, durch die gedrückte 
Verhältnisse gegeben zu sein, in welchen das Volk nad 
der Zurückführung aus dem Exil lebte. Die fremde 
Richter, die Parteiungen in der Stadt, die Aussaugung de 
Volks durch die Mächtigen, der Gegensatz zwischen de 
wabren Gottesverehrern und denen die Gott nicht achten, 
der nicht mit den Waffen, sondern mit der Zunge geführte 
Krieg — alles weist auf einen Zustand, wie ihn Nehemia in 
Jerusalem vorfand. Nur der Ausdruck Mowry nan’) ‘op 
scheint sich mit dieser Annahme nicht wohl zu vertragen, 
wenn man ihn übersetzt „Tag und Nacht umgeben sie die 
Stadt auf ihren Mauern.“ Dafs aber das 5y bei 320 mehr 
fach die Bedeutung „um“ hat, darüber cf. Hupfeld, und 
dafs der Satz, wenn die Präposition so wiedergegeba 
wird, das Treiben der Feinde in einer zur Zeit Nehemiss 
sehr passenden Weise schildert, leuchtet ein, denn den Bau 
des theilweis eingerissenen und demolirten Jerusalems zu 
hindern war das Hauptbestreben der untheocratisch Ge- 
sinnten. In dieselbe Zeit führt, wie mir scheint, der Zu- 
satz zu Ps. 51 (cf. oben), in welchem nicht der Bau des 
Tempels und der Stadt überhaupt, sondern nur der Mauen 
ersehnt wird. Opfer der Gerechtigkeit werden die in dem 
fest ummauerten Jerusalem darzubringenden Opfer genannt, 
weil Israel, das sich augenblicklich von Jahveh verworfen 
fühlt, die Wiederherstellung der Mauern als eine Bürg- 
schaft dafür ansieht, dafs Jahveh seine Gerechtigkeit an- 
erkennt. Was die Abfassungszeit des Psalms selbst an- 
langt, so ist dafür die auffallende Abhängigkeit von Ezech, 
cf. v. 12 mit 11, 19. 36, 26, Jer., cf. 24, 7, und Deutjes,, 
cf. v. 19 mit 57,15 und v. 13 mit 63, 11, von Wichtigkeit. 
Durch die angeführten Parallelen wird es nahe gelegt, 
unseren Psalm als den Nachhall der Verheifsungen anzu- 
sehen, welche die Propheten Israel hatten zu Theil werden 





der Psalmen. 329 


m, also das Volk als Subject der Bitte zu denken. 
n würde sich das Exil oder die Zeit nachher von selbst 
Abtassungszeit des Liedes empfehlen. Indessen — 
‚ v. 15 und der ganze Eindruck des Liedes machen die 
ahme am wahrscheinlichsten, dafs wir es mit dem 
lenbekenntnils eines Einzelnen, das wegen der ange- 
ten Vorgänger nach dem Exil anzusetzen ist, zu thun 
n. 

Lexicalisch ist in den angeführten Psalmen folgendes 
erkenswerth : Ps. 61 das Polel und Polal von Sn 
mt nur noch bei Hiob, den Prov., Deuterojes., Deut. 32 
im 90. Ps. vor; 731 im Qal nur noch Mich. 6, 11 und 
> 2 mal, Piel : Ps. 73 und 119, Hithp. : Jes. 1; ninwo 
noch 1 mal im Hiob; über 97 cf. z. Ps. 90; wean cf. 
Tab.; zu wp rm cf. oben. — Ps. 52 : mp) Deut. 1 mal, 
7. 2 mal, sonst chaldäisch, cf. Esr. 6, 11. (nop 2 Reg. 
6?); 953 in der Bedeutung Verderben sonst nicht 
er im A. T. cf. aber Jos. bl, 44; m, cf. Ps. 55, 12; 

2, in den Psalmen noch : 5; 38; 91; 94, aufserdem 
al in den Prov., 3 mal im Hiob und Mich. 7, 3, cf. 
Deuterojes. und Ezech, — Ps. 53 cf. zu Ps. 14. — 
54: nos cf. die Tab.; oniw cf. Ps. 56, 3; 59, 11; 
12 (für wa); 5, 9; 27, 11, da es sonst nicht vor- 
mt cf. über mr zu Ps. 81. — Ps. 55 : obymn nur 
ı Deut. 3 mal, Deuterojes. und Hiob; mm nur noch 
6, 10; 119; Jer. 4 mal; 1 Kén. 8und9 und Jos. 11,20, 
rscheinlich ‘alle diese Stellen vom Redactor, Dan., Eer., 

on.; rave Hiob; Jes. 21, 4; Exech. cf. nydop 1 Kon. 
13 und msbon Jer. 49, 16, sowie das Hiph. v. pop 
b 9, 6; "yo Hap. Leg.; zu ww cf. Ps. 140, zu IY 
144, zu OW? die Tab.; mpy scheint ein Aramaismus 
das sonst im Hebr. gewöhnliche pry zu sein, es findet 
noch in py Ps. 66, denn Amos 2, 13 mufs es auf 
r Verderbnifs beruhen, vielleicht hat Hitzig Recht, 
n er dafür ppp u. s.w. vorschlägt, da das Schwanken 





330 Giesebrocht, über die Abfassungsseit 


am besten zu dem O>‘NNNM und dem beladenen Erndtewage 
palst. Zu in cf. Ps. 72, 14 und 10, 7 sowie Prov. 29, 18, 
es ist wahrscheinlich ein Chaldaismus; auch wy), nur noch | 
Ps. 2 und 64, kann nur als Aramaismus angesehen werde! 
cf. Dan. 6, 7, 12, 16 u. s. w.; Min’ kommt nur hier, wie 
OWN nur Pa. 88, 16 und Hiob 20, 25 vor, der Singalr 
findet sich auch in der alten Literatur; dartiber, dals such 
vielleicht 437° als Aramaismus zu betrachten ist, cf. Ge. 
Thes. — Ps. 56 : ma cf. Ps. 116; zu DSB, welches für 
wbp zu lesen (cf. Hupf.) vergl. Ps.78; zu Ove’ cf. oben; 
ond im Qal noch Ps. 35, 1; 141, 4; Deut. 32 und 4 mi 
in den Prov.; ayy cf. Ps. 78. — Ps. 57 : zu oto cf. Ps 
52; zu DJ cf. oben; zu ond cf. Ps. 83; zu 909 cf. Ps 
146; zu mw cf. Pa. 119, 85. — Ps. 58 : zu 05D cf. Ps 
78; zu mip cf. die Tab.; zu myndy cf. mpbno, nur Hiob, 
Joel, Prov.; zu MO» cf. Ps. 147 (sone? = op Yon); 
oom Voop nur hier. — Ps. 59: zu mnpiv cf. Ps. 4; mı 
ond cf. Ps. 52; zu nway ara myn cf. Ps. 81, 6, 8; m 
Y’y 995.0" cf. Ps. 55; zu den Suffixen von joy wrm 
1O'D, Mow, wax cf. Ps. 83. — Ps. 60 : Oyo Hap. Leg. 
sonst Chald.; zu ww cf. Ps. 140; mdgrm nur noch im 
Deutjes. 2 mal, 5y> Sach. 12, das Verbum nur bei Nah, 
sonst aber im Chald. und Syr. häufig. oownn Hap. Le. 
in Sach. 9 mit anderer Bedeutung; Fr) zürnen : das Qal 
in keiner sicher vorexilischen Stelle Jes. 12, 1; 1 Ki 
8, 46; Chron. und Esr.; Ps. 79; 85, das Hithp. Deut 1; 
4; 9; 1Kön. 11; 2Kön. 17; my, wie es scheint aus dem 
auch späten Mmuy abgekürzt; die Bezeichnung des Volks | 
als der ” pr sonst nie, wohl aber im Singul. : Jer.11,15 
und Ps. 127, 2. — Ps. 61 : AMY intrans. Hiob; Deutjes; 
Ps. 65; 73; 102; 39 cf. Ps. 100; wy = rich? io 
und Ps. 21, 3; WS) op = lafs ihn bewahren? — Ps. @2: 
win cf. Ps. 140; 729 = sehr cf. die Stufenpss.; rm d. 
Ps. 140; no of Ps. 94; 537 als Verbum nur Jer.; Hiob; 
2 Kon. 17; nimm — ob = rin? — Pa. 63: m 


der Psalmen. 331 | 


Hap. Leg., aber schwerlich Syriasmus, cf. O90> in den 
Sambb.; may cf. Ps. 145; my cf. Ps. 100; meny cf. Stufen- 
pealmen; pre nrnan nur Deutjes. und Ps. 139; my cf. 
Ps. 90; my, in der alten Literatur nur Hos. 2, 5, sonst 
Zeph., Jer., Hiob, Deutjes., Ez., Ps. 78; 105; 107, auch 
‘wiz’ nur einmal bei Hosea, sonst Prov. 4 mal, Hiob 3 mal, 
Jes. 26 und Ps. 78. — Ps. 64 : zu nym cf. Ps. 55; auf- 
fallend w5 mney = er sieht ihnen zu; Jay mit Accusat. 
noch Ps. 106, sonst immer mit Präpositionen; pin = be- 
schliefsen, sonst nie. — Ps.65 : zu Mp" und mam cf. Ps. 
62; zu rrawn beruhigen cf. Ps. 89; nrıy im Qal nur Jer., 
Prov., Ps. 38, im Piel nur Ps. 18, Hiph. nur Jona, Niph. 
Ps. 35 und 2 Kön. 6, 9, sonst im Aramäischen. — Ps. 66 : 
mbyon cf. Ps. 48; ww cf. Ps. 62; myo cf. Ps. 14. — 
Pe. 67, der fast ganz aus gangbaren Formeln besteht, er- 
innert in v. 2 an Ps. 80. — Ps. 68 : Wa nur noch Dan. 
11,24 : ein Chaldaismus ; nywi> Hap. Leg. = Glück, eben- 
falls Aramaism. cf. j;aas, das Verb. nur Est. und Qoh. 
2 mal, auch chald. und syr., jf1g’> nur 3 mal im Qohel.; 

mbnpe nur hier, cf. das Masc. Ps. 26; moon = Festzüge, 
Wege : Hab., Nah., Hiob, Prov.; zu map und pM cf. die 
Tab.; DO. nur noch Prov. 6, 3, das Qal 2 mal Ezech., 
das Niph. Prov., on Ezech., sonst chaldiisch; y am 
nur noch Ps. 76, 12 und Jes. 18, wohl aus der letzteren 
Stelle entlehnt; ist 49m echt, so ist es ein Zeichen gesun- 
kener Sprache, cf. aber Olshausen hebr. Gramm. 8. 599; 
nereig, das Mascul. noch 4 mal bei Ezech. und 1 mal bei 
Nehem.; zu nıpın, das wahrscheinlich für nyın zu lesen 
ist, cf. Targ., ist Ps. 114 zu vergleichen; über den ara- 
maisirenden Oharakter des Hap. Leg. 0'323 cf. Ges. Thes.; 
mwgin noch Ezech., Prov. und Eloh. ; niowym Hap. Leg. 
zur Form cf. oben. — Ps. 69 : yy Koth nur noch Ps. 40; 
zu NDS cf. die Tab.; MIR nur noch 22 mal Prov. und Ps. 
35; zu AYO cf. die Tab. — Ps. 71 : Sy cf. Ps. 82; Hap. 


x 


332 Derenbourg, sur Psalmenerklärung. 


Leg. ist Mop, beruht aber wahrscheinlich auf einem Text- 
fehler; ; roy cf. oben. 


Zur Psalmenerklärung. 


I. Die ersten vier Verse des 16. Psalmen gehören zu 
den schwierigen Bibelstellen, an denen sich die Ausleger 
abgemüdet haben. Möge mir ein neuer Versuch gestattet 
sein, das Räthsel zu lösen. 

Im ersten Verse sehe ich in ww das Aequivalent von 
wo) mow, wie dies w 25, 20 und 86, 2 wirklich steht. 
Auf dieses fehlende oder doch unter dem Suffixe verstandene 
wo) (vgl. v.10) bezieht sich das weibliche MOx im zweiten 
Verse. — Statt poy-ba möchte ich T'4yD2, wie p 92, 6, 
lesen; also : Mein Glück besteht in deinen Handlungen — 
für die Heiligen. Das 5 im Anfange des dritten Verses 
hängt somit von 5yD ab, wie 72 ODT? nbyD, 31, 20. Es 
wäre vielleicht zu kühn, eine erste Person M310, wie min. 
vorauszusetzen, da nur die dritte Person (3%, a9: 2) 
vorkommt. — Wenn die Seele hier spricht, so erinnert 
‘yon an 1 Chron. 28, 9. — In Vers 4 schlage ich vor, 
07% für OD zu lesen, und vergleiche 2 Chronik 30, 16, 
und besonders 35, 11. 

II. Unverständlich ist der 11. Vers des 74. Psalms. 
Er ist kurz und wir setzen ihn hier hin : 7 2wn mob 
759 pn a9pp yw. Die Masoreten setzten das Atnah 
unter das vierte Wort, und haben somit |’ und T im 
nämlichen Verstheil, oder besser, sie haben kaum deren 
zwei. Nun werden diese beiden Wörter nur dann zu- 
sammen gebraucht, wenn sie von einander abhängen, wie 
yp 73, 23 und anderswo; sonst sind es die in den zwei | 


Derenbourg, sur Psalmenerklärung. 333 


Halbversen gebräuchlichen Synonyme (vgl. $ 21, 9 und 
sonst). Rücken wir somit das Atnah hinauf zu T, und 
ersetzen 153 durch 50, so wird der Vers klar und correct. 
„Warum ziehst du zurück deine Hand, deine Rechte aus 
deinem Schoolse, Selah.“ Wer den Psalm liest, wird an- 
erkennen, dals hier die Scheide ist und das Strophen tren- 
nende Wortchen sich an seinem Ort findet. Ueberfltissig 
ist es, an Exod. 4, 6 und 7 zu erinnern. 

III. Es kann wohl kein Zweifel obwalten, dafs Psalm 
122 ein Wallfabrtsgesang ist. Vers 2 und 3 sind nicht 
sehr klar und könnten wohl durch das Folgende einiges 
Licht erhalten. 

Bekanntlich strömten während der Festreisen, zumal 
zu Ostern und Laubhütten, zahlreiche Pilger nach Jeru- 
salem, mehr als die Stadt zu fassen im Stande war. Die 
freien Plätze, besonders der Oelberg, füllten sich mit Zelten, 
unter welchen man herbergte. Neben der gebauten Stadt 
(muan ober), entstand so eine andere, die sich der ersteren 
anschlofs. Wir übersetzen somit : Es freut mich, wenn 
man mir sagt: Lafst uns wallen zum Tempel Jahwe’s! 
Wir halten an bei deinen Thoren, Jerusalem, — Jerusalem 
das Gebaute, wie in einer Stadt, das sich ihm anschliefst. 
Denn dorthin steigen die Stämme, Stämme Jah’s, u.s. w. — 
Die ersten zwei Wörter des 3. Verses werden Apposition 
zum letzten Wort des zweiten, und 1y> entlehnt seinen 
localen Sinn dem yywa. „Unsere Füße standen“, heifst 
doch wohl gewöhnlich, daß man anhält, und nicht weiter 
vordringt. 

Joseph Derenbourg. 


Lexikalisches 
von Georg Hoffmann. 


YY IND und MND ono. 
L 


In einem nur lateinisch erhaltenen Stück der Schrift 
des Epiphanius de XII gemmis heifst es § 63 in den opp. 
ed. Dindorf 1863, IV, p. 213 : 

„Hic igitur Hesdras, quem diximus,* — der erste, der an- 
geblich den Cuthäern die Thora gebracht hatte — „ascendens 
Hierosolymam, pentateuchum tantummodo, id est quinque 
libros Moysi, detulit eis Veteris Testamenti libros [so] scriptos 
secundum formam, quam dedit dominus in monte Sins; 
quam formam Hebraei deession vocant, quod interpretatur 
insculptum ; nunc enim non eadem sunt elementa litterarum, 
quibus Hebraei utuntur, librique eorum non sunt scripti 
iuxta veterem formam, quae tunc in tabulis lapideis con- 
stat|so|insculpta. Haec igitur forma, quam nunc tenent Judaei, 
vocatur Somahirenus. Samaritani vero servant deesse non, 
quae forma fuit olim, ut diximus, in tabulis impressa la- 
pideis. At Hesdra® — der zweite, der Zeitgenosse des 
Zorobabel — ,ascendens a Babylone, volensque discernere 
Israel a reliquis gentibus, ut genus Habrahae non videretur 
esse permixtum cum habitatoribus terrae, qui tenent quidem 
legem, non tamen et prophetas, immutavit pristinam formam 
relinquens deessenon, propter quod ea forma a Samaritanis 
praeoccupata iam fuerat, ut per hoc Habrahae semen di- 
stingueretur a nationibus reliquis.“ 


In deessenon, das mehr bezeugt ist als deession, und 
somahtrenus ist 790», nämlich tuxov oder yagaxtiea, und 
nvos (tvx0g) die griechische Adjectivendung, vielleicht 


Hoffmann, Lexikalisches. 335 


nicht die an Ortsnamen beliebte wie in Edeoonwog, sondern 
die der Appellativa auf ıwog wie xédpevoc u. a.; deess ist 
ohne Frage das vielbesprochene py7 des Talmud, dessen % 
statt 2, wie man auch las, erst hierdurch sicher gestellt 
wird : de Lagarde, Armenische Studien S. 154 Anm. 
A. Berliner, Beiträge zur hebräischen Grammatik im 
Talmud und Midrasch, Berlin 1879, S. 7. Zwar nicht die 
Deutung von pyt SnD auf „insculptum“, wohl aber auf 
eingemeilselte Lapidarschrift, auch von M. A. Levy, 
ZDMG. IX, 476 vorgeschlagen, scheint mir sehr anfechtbar. 
Y37, „a, sowie das aus dieser Wurzel entstandene prt bei 
Juden und Mandäern (Nöldeke, Mand. Gramm. 256), ist 
für die Bedeutungen : hineinstechen (mit Schwert, Nadel, 
Nagel aan Ass. Act. Mart. 1, 229), hineinstecken, hinein- 
stofsen, auch um wieder herauszuziehen, jedoch in allen 
Beispielen nur unmittelbar durch die Hand in eine verhält- 
nifemifsig weiche, nachgiebige Masse, belegt; yyı kann 
also wenigstens ursprünglich nicht auf einen Meifsel 
(oulAn) gehen, der mit dem Schlägel eingehämmert wird 
(xoAarteıw), sondern höchstens auf einen von der Hand 
regierten Crabstichel, deren sich auch die Stempel- und 
Edelsteinschneider bedienen, einen eisernen Griffel ba Oy 
mit und ohne Diamantspitze ‘vow 17183 Jer. 17,1 Exod. 
28, 11; einen x3nDn, der einen Kiesel durchbohrt ya x553 ‘ny 
Talm. Aboda zar. 22°; auch im Mischna-hebräischen und 
Syrischen ist maktab*a ein eiserner Pfriemen ; py7 könnte 
sich darnach auf einen Graveurstichel oder seine Arbeit 
in Blei, Kupfer, Edelmetallen, Ringsteinen u.s.w., nament- 
lich aber auf die Gravirung des Münzstempels bezogen 
haben. Für die Mischna erhielte man von py" an die 
Bedeutung „Münzschrift“ entweder so, dafs yy ebenso 


wie im Arabischen Uni Hariri Makamen ed. Reinaud 
1, 259, 2 &d. Reinaud vgl. Dozy, Supplements aux dict. 
Arab., Gravirung und Gepriige zugleich bedeutete, oder 
auf einem anderen Wege, der die Deutung des insculptum 


336 Hoffmann, Lexikalisches. 


bei Epiphanius auf Steinschrift ganz vernachlässigt. Der 
nachweisbaren Bedeutung der Wurzel yy entspriiche am 
besten, wenn yy? vgl. var DW von der Thätigkeit des 
Münzstempels xngp Talm. Baba qama 99 gegen Ende, 


woher arab. KKu 8. d. Wbb., franz. coin (aus iconium) vgl. 


engl. coin, der in den Schrötling eingestofsen wird, oder 
von dem Stempel selbst verstanden wird, vgl. poincon, 
puncheon. Einen lateinischen Ausdruck kennt L Eckhel 
Doctr. num. vet. I, LXIII nicht dafür, aber vielleicht war 
er character (Isid. Orig. 20,16), wie im Griechischen : Steph. 
Byz. — Mit dem üxa& Asyousvov somahirenus, dem Epi- 
phanius gewils auch eine Uebersetzung beigefügt hatte, 
etwas anzufangen, ist mifslich, Man erwartet ein Aequi- 
valent von "Wwe ana darin. Wäre lateinisch h aus latei- 
nisch fs verdorben, so könnte oouaconep — so viel wie 
wnn%, ein Midrasch von wx sein, „eine Schrift die man 
(Gott) preislich findet“, und so dasselbe besagen, was 
Talm. Jerusch. Megilla 1, 71° vgl. Jacob Levy’s Neu- 
hebr. Wb. I 181 an33 wip my bedeutet. 


I. 


mana> am, ein zweiter Name der althebräischen 
Schrift, kommt Sanhedrin 21? (Benbenischte) vor. 
Sm monn many mdvina Kapıy 1p "on NET WD wR 
ana Now ‘p's om pon nam wpm pwn may ons3 
Bon ned nme ana Sew ind 17772 WAR pod) Am 
27 DN MONT ND MDW pwd) may ana MYA won 
Tena an xIDA 37 TER AMY aNd ED NID NTON 
Mar Zuttä!) [= Zuträ], nach Anderen Mar “Ugbä 
[= "Ugb’rä] hat gesagt : zu Anfang ward die Thora Israel 


ı) apy Nöldeke, Mand. Gramm. 8. 22, 6 vgl. 46, 1 statt “9, 
Buxtorf Lex. 662, geht auf die Wursel ypy, wofür regelrecht 
“WO steht, aus der VIII Form von py, surtick. Von dieser ist 191} 





888 Hoffmann, Lexikalisches. 


immer noch das wahrscheinlichste ist. Da mochte em 
namhafte samaritanische Schule sein. In dem Folgenden 
will ich nur die von A. Geiger auf Grund einer An. 
regung Jos. Derenbourg’s in Geiger’s Jüd. Ztschft 
für Wissensch. V, 115 versuchte Deutung widerlegen. 

Derenbourg verwies auf Talm. Bab. Schabbath 10% 
maernp mar) Tabp MON) KD DD RIAN NP NDYD Wo 
wp ab np Kp. „Was ist der Grund davon, dafs wpv 
auf seinem einen Schenkel steht, während die Zinrahmuy 
von MON ein Vierseit ist? Die Wahrheit bleibt stehn, die 
Lüge nicht.“ A. Geiger bezog indessen 12" 1235p ‚auf 
das Ruhen der Buchstaben auf der Grundlinie* und meint, 
ma) ans heifse so, weil er keine unter die Grundlinie 
gehenden Finalbuchstaben, wie die Quadratschrift habe 
Allein, wenn dem althebräischen Schriftcharakter fox 
ähnlicher ist, als pw, so verdiente er die Bezeichnung 
yap Aan> und nicht die aramäische Schrift. Der Gegensats 
den der Talmudlehrer macht, beschränkt sich in der That 
nicht auf die Grundlinie, sondern geht auf alle vier Seiten 
von myx : diese bilden einen vollkommenen 7259; Spy z.B. 
würde er ebensowenig }259 nennen können. Den Nach- 
weis, dafs }259 ein geschlossenes Rechteck resp. Quadrat 
bedeutet, gebe ich im folgenden Abschnitt. Die Münchener 
Hs. bietet aber nach Rabbinovicz die angeführte Stelle m 
einer, wie mir scheint, besseren Gestalt so : 
Up rep 39> jap NONI my NTR pP Now wo 

ANP NO ICPw 

„Was ist der Grund davon : "py auf seinem einen 
Beine, aber mon eine Ziegelform der Ziegelstreicher? Die 
Wahrheit steht, die Lüge schwebt.” Man lese ‘339 1399 
oder ‘939 Ziegel. Auch andere mögliche Bedeutungen des 
Nomen actionis a5 taugen nicht zur Erklärung von 
mana, wie das Folgende zeigen soll. 

(Fortsetzung folgt.) 


Zur Entstehungsgeschichte des vordeutero- 


nomischen Richterbuches. 
Vom Herausgeber. 


Es ist ziemlich allgemein anerkannt, dafs von der 
jetzigen deuteronomistischen Form des Richterbuches eine 
vordeuteronomische Form desselben zu unterscheiden ist. 
Genau genommen ist eine doppelte deuteronomistische Ueber- 
arbeitung zu unterscheiden. Was der erste Deuteronomist 
vorfand, hat Wellhausen’) richtig bestimmt : die Ge- 
schichten von Ehud, Barak und Debora, Gideon-Jerubbaal, 
Abimelech, Jephtah, Simson. Er fügte den Heros eponymos 
des jüdäisch-edomitischen Clans Othniel als judäischen 
Richter hinzu, nicht nur in der Wahl dieses, sondern auch 
in der seines Gegners, des der volksthümlichen Sage an- 
gehörigen Kuschan Rischataim recht unglücklich, da der 
König eines so fern wohnenden Volkes gar nicht in den 
Plan des Richterbuches pafst. Der zweite deuteronomi- 
stische Bearbeiter fügte die kleinen Richter hinzu, jedoch, 
was bisher übersehen worden ist ihrer nur fünf : Thola, 
Jair, Jbsan, Elon, Abdon. Er rechnet Abimelech mit als 
Richter, wie aus dem Wortlaute von 10, 1 mit Nothwen- 
digkeit hervorgeht. Ein noch Späterer entdeckte, dafs 
Abimelech in eine Periode des Abfalles gehöre oder drückte 
ihn durch 8, 33—35 erst in eine solche herunter. Dann 
fehlte aber an der Zwölfzahl wieder ein Richter. Den 
Fehlenden ergänzt er aus 5, 6 durch Einschaltung des 
Schamgar 3, 31. Da jedoch der zweite deuteronomistische 
Bearbeiter die Interregnen der grofsen Richter des ersten 


!) Bleek, Einleitung, 8. 186. 





340 Stade, sur Entstehungsgeschichte 


deuteronomistischen Bearbeiters' für die Regierungszeite 
seiner fünf kleinen verbraucht hatte, so konnte Schamgar 
keine erhalten. 

Wie aber entstand das vordeuteronomische Richter 
buch? Ich glaube, dafs wir noch einen Schritt über die 
Resultate Wellhausen s hinaus thun können. Eins 
Analyse von 2, 6—3, 6 einerseits, 10, 6—18 andererseits, welche 
Wellhausen einfach als deuteronomistische Ueberla 
tungen genommen hat, was sie auch zunächst zu sen 
scheinen, bietet die Möglichkeit. Beides sind auf den 
ersten Blick Einleitungen. Warum finden sich solche mitten 
im Buche der Richter? Bei 2, 6 ff. kann man sich mit 
der Auskunft beruhigen, dafs das Richterbuch einst hiermit | 
anfıng, allein bei 10, 6 ff. verfängt diese Auskunft nicht - 
Das Vorhandensein von deuteronomistischen Einleitungen 
an diesen Stellen erklärt sich am Besten aus der Annahme, 
dafs hier schon früher ähnliche Stücke standen, welche 
sich aus einem abweichenden Plane des Buches in seiner 
früheren Gestalt erklärten. Bei näherer Untersuchung er- 
gibt sich nun auch, dafs die beiden Einleitungen durchaus 
nicht rein deuteronomistischen Ursprunges, sondern auf 
Grund bereits vorgefundener kürzerer Ueberleitungen ge 
schrieben sind, welche wir aus dem Werke des jehovistischen 
Redactors von J und E herzuleiten haben. 

In der ersten 2,6 ff. hat bereits E. Meyer *) sowohl 
Elemente aus E als aus J nachzuweisen versucht. Er re- 
clamirt für E Ri. 2, 22 (3, 4)*) 23°. 31°. 3, 5. 6. Die 
Meinung von E wäre : Gott vertreibt nicht alle Völker 
vor den Kindern Israel, sondern läfst einige ruhig wohnen, 
damit durch dieselben Israel versucht werde und es sich zeige, 
ob es fähig ist, Gottes Gebote zu halten. Für J reclamirt 
er 2, 23*. 3, 1°. 2 und die Völkerliste von v. 3 : Gott ver 


1) vgl. oben 8. 144 ff. 
*) vgl. Gen. 22, 1. 


842 Stade, sur Entstehungsgeschichte 


zurück, sind also in ihrem Grundstock gleichfalls auf E 
zurückzuführen, doch ergeben die „anderen Götter”, dafs 
sie deuteronomistisch überarbeitet sind. Das erstere wird 
durch den Befund von v. 15 und 16 bestätigt, welche die 
naturgemälse Fortsetzung dieser Verse bilden und gleich- 
falls aus E stammen. Namentlich v. 16 ist einerseits durch 
die Götter der Fremde (Jos. 24, 20. 23. Gen. 36, 2) ’), 
andererseits durch „da ward seine Seele Israels Elends über- 
drüssig® vergl. Nu. 21, 4° als aus E stammend ausge- 
wiesen. Erst v. 17 und 18 stofsen wir wieder auf rein 
redactionelle Phrasen. Der Inhalt dieser Verse ist ohne 
Zweifel aus c. 11 entlehnt. 

Rührt sonach der Grundstock von 10, 6—16 aus E 
her, so ergibt sich weiter, dafs derselbe von einer Erzäh- 
lung in E zu einer anderen hinübergeleitet hat. Sonach 
haben wir uns vorher wie nachher im Richterbuche um- 
zusehen, ob sich je eine solche findet. Im ersten Augen- 
blicke könnte man vermuthen, c. 11 die Erzählung über 
Jephtah sei diejenige, zu welcher einst der Grundstock 
von 10, 6—16 hinüberleitete. Dies anzunehmen ist jedoch 
nicht möglich. 11, 4 : „es geschah nach einiger Zeit, da 
kriegten die Ammoniter mit Israel® zeigt, daß der Ver- 
fasser von 11, 1 ff. nichts davon weils, dafs 10, 6—16 vor- 
angeht. Der theologische Pragmatismus dieser Ueber- 
leitung ist zudem seiner Erzählung völlig fremd. Ferner 
läfst sich die Jephtahsage bei dem Verf. von Gen. 22 nicht 
erwarten. Da nun unter den folgenden Erzählungen des 
Richterbuches keine den theologischen Gesichtspunkten von 
E entspricht, so bleibt nur der Schlufs, dafs die Fortsetzung 
von 10, 16 aus E uns nicht erhalten ist. 


1) Freilich sind die „Götter der Fremde“ auch in den deutero- 
nomistischen Sprachgebrauch übergegangen. 1 Sa. 7, 3. Allein ein 
Vergleich dieser deuteronomistischen Stelle mit der unsern zeigt recht 
deutlich, wie wenig die letztere rein deuteronomistisch ist. 


! 
‘ 





des vordeuteronomischen Richterbuches. 343 


Es fragt sich weiter, ob wir das Stück noch haben, 
ssen Fortsetzung 10, 6—16 in E einst war? Die Frage 
zu bejahen. Es war dies die Geschichte Ehuds 3, 13 ff. 
rgl. 3, 15 mit 10, 10. 13. Das ist aber zugleich die- 
1ige Erzählung, zu welcher der Grundstock von 2, 6—16 
ist hinüberleitete. Ist nun 1, 1—2, 5 mit Recht aus J her- 
leitet worden, so ergibt sich, dafs auch dem Richterbuche 
1e jehovistische Bearbeitung von J und E zu Grunde liegt. 
azu gekommen sind jedoch wie im Buche Josua noch 
ücke aus anderen Büchern ephraimäischen Ursprunges. 
nd zwar möchte der erste Gideonbericht mit der Simson- 
ge zusammengehören. 

Der theologische Pragmatismus des Richterbuches 
ammt sonach im letzten Grunde aus E. In der Zeit nach 
‘sua vermögen die Israeliten ihrem Versprechen, Jahve zu 
enen, nicht getreu zu bleiben. Sie verfallen wieder in 
eidenthum. Gott züchtigt sie dafür dadurch, dafs er 
ren Feinden Sieg giebt. Auf ihre Bekehrung zu ihm 
barmt er sich aber immer wieder und sendet einen Helfer, 
sicher die Feinde schlägt. 

Das Resultat ist für das Alter von E von Wichtigkeit. 
uch hier bewahrheitet sich wieder, dafs er viel jünger 
3 J ist. Die Sage von Ehud endlich steht gänzlich aut 
eichem Niveau mit der von Josua. Beide sind völlig 
thistorisch. Ehud ist wie Josua Name eines Clans 1 Chr. 

10. 8, 6. 


Zur phönicischen Epigraphik. 


Die in letzter Zeit in Cypern gefundenen Inschriften 
thalten einiges von Interesse für die a. t. Wissenschaft. 
xx um die Erforschung des phönicischen Alterthums un- 





344 Stade, sur phönicischen Epigraphik. 


ermüdlich thätige Dolmetscher bei der kais. deutschen Bot- 
schaft zu Constantinopel, Herr Dr. Paul Schröder, 
gibt in einem Artikel : „Phönicische Miscellen® in Z2.D.M.G. 
XXXIV, 8. 675 f. die Abbildung einer dem Eschmun ge 
weihten verhältnifsmäfsig gut erhaltenen n3yD, deren Form 
durchaus an die von de Vogü€ als Cit. XL publicirte 
Stele erinnert. Es war dies wohl überhaupt die Form 
der hebräisch-kananäischen miayy. Wir werden uns unter 
dieser Form auch diejenigen vorzustellen haben, welche zu 
den Zeiten der altisraelitischen bezw. vordeuteronomischen 
Gottesverehrung bei den Altären Jahves standen. 

Ebenso ist von Interesse eine von Dr. Schröder 
soeben in Z. D. M. G. XXXV. Heft 2 veröffentlichte (Phö- 
nicische Miscellen. Fünf Inschriften aus Kition.) mit Cit. 51 
bezeichnete Inschrift. Sie lautet : 


... Pwawvownsiny> 20 ons 
DIN TIIIIONTIYNIND! 
2 WINNINTORNNITINTI 
Auf mw2 Z. 1 folgt ein undeutliches Zahlzeichen. Die 
erste Zeile enthält einen noch nicht bekannten kananäischen 
Monatsnamen : wowmay. Noch interessanter ist die dritte 
Zeile. Schröder theilt dieselbe ab 
93 NWN AN nd KID 
und tibersetzt auf die von Euting, Punische Steine Taf. 
XXII veröffentlichte Inschrift : mbyab no nd) word no 
nawin und die Inschrift von Gebal verweisend : 
„Am 20. Tage des Monats Zebahäemes im Jahre... . 
setzte Abdosir, Sohn des Bodo, Bohnes des..... 
seiner Herrin der Mutter Aschera, weil... .“ 
Er stöfst sich jedoch mit Recht an dem ganz unerhörten 
MON und lälst die Möglichkeit mawsan ond abzutheilen. 
Ohne Zweifel ist dies die einzige Möglichkeit abzutheilen. 
Und zwar nicht nur wegen der Unform max, sondern auch 
wegen des folgenden mw. 


346 Stade, IEVE ddwrde:. 


auch die Abbildung und Beschreibung zweier althebräischer || 


Siegelsteine bringt. B. 8. 


IEVE cdovası 





Mein College Herr Professor A. Harnack macht 
mich auf ein interessantes Randscholion aufmer welches 
sich im Codex (Regius) Parisinus Graecus C IV zu 
Justinus, Cohortat. ad. Gentil. 9. (Im Corpus Apolo- 
getarum Christianorum saec. sec. ed. Otto. Vol. II, 
P- 46) findet. In dieser auf Diodor zurückgehenden Stelle 
iest jene Handschrift : xaga ut» tolg Jovdaloıs Maiony 
tov xadoruevoy Heov. Das zwischen toy und xadovpevor 
fehlende Jam ist (wie es nach Otto scheint von selber Hand) 
zwischen diesen beiden Worten tiber der Linie nechgotragen 
worden. Hierzu aber hat eine jüngere Hand das Scholion 
Resetzt : IEVE adovası (so, nicht adwvael nach einer 

ittheilung Derenbourgs), loropoücı xgooxorncacbat 
tov xaloruevov Pedy diddvat avtm vouovg. 

Die Handschrift stammt aus dem 11. oder 12. Jahrh., 


ist im Orient geschrieben, hat sich, wie eine Notiz auf 


fol. 190" beweist, zu Paphos befunden, ist im Anfang des 
16. Jahrhunderts (wohl durch einen Venezianer) nach Italien 
und von da gegen Ende desselben Jahrhunderts nach Fon- 
tainebleau gekommen. 

,. , Der Schreiber des Scholion weils, dals sich MW und 
Tao decken und transcribirt das erstere mit IEVE. Die 
Form weicht von den sonst als Aussprache des Tetragram- 
maton überlieferten (s. Psalterium iuxta Hebr. Hieron. 
e rec. P. de Lagarde, S. 154) zu sehr ab, als dafs man 
vermuthen dürfte, sie ginge auf eine alte Ueberlieferung 
zurück. Sie ist wahrscheinlich einer blofsen Vermuthung 
entsprungen. Ist der Urheber dieses Scholion oder sein 
Gewährsmann etwa auf dem Wege grammatischer Schlufs- 
folgerungen auf die Analogie der Form 17 gestofsen 


oder umschreibt er etwa einfach 7 mit E? Es fehlt mir 
Zeit und Gelegenheit, diesen Dingen weiter nachzugehen. 
Vielleicht geben diese Zeilen einem meiner Fachgenossen 
den Anstols dazu. B.S 





341 


No entstanden die genealogischen Sagen über 
den Ursprung der Hebräer? 





Ueber den Ursprung einiger Gestalten der Vätersage 
at der Herausgeber S. 112 f esprochen. Er erkannte 
ı ihnen alte Stammnamen oder Namen von Heroes eponymi, 
uf welche einzelne Stämme und Clans sich zurückführten. 
[it den Vätern des israelitischen Volkes werden nun von 
er Sage als Stammväter der südlich und östlich von Israel 
‘ohnenden hebräischen bezw. arabischen Völker bestimmte 
odere Fi in verwandtschaftliche Verbindung gesetzt. 
ot, der Stammvater !) der Moabiter und Ammoniter, gilt 
ls Brudersohn Abrahams, Esau-Edom, der Stammvater 
ar Edomiter, als Sohn Inaaks, Zwillingsbruder Jacobs, 
ımael, der Stammvater gewisser Wüstenstämme, als Sohn 
‚brahams, Bruder Isaaks, während andere Wüstenstämme 
icht durch Ismaels Mutter Hagar, sondern durch die aus 
nem andern arabischen Stamm gebildete Kebse Abrahams 
‚etura mit Israel in Verbindung gebracht werden. Hierbei 
teht zweierlei fest, einmal, dafs diese Sagen nicht Aus- 
ruck einer Veberlieferung über den Ursprung jener Völker- 
:haften sind, dann, was it zusammenhängt, dals jene 
lamen für die Sage zunächst als Clan- oder Stammesnamen 
ı Betracht kommen. Dafs Edom, Moab, Ammon, Ismael, 
[agar, Ketura u. s. w. Stammnamen sind steht ohne 
‘eiteres fest, dafs auch Lot als solcher zu betrachten ist, 
lgt ebensowohl aus dem Ausdrucke Kinder Lots Dt. 2, 
ls aus dem Vorkommen der Nebenform Lotan unter den 
domitischen Clannamen. Gen. 36, 20.29. Es kann dabei 
anz unerörtert bleiben, inwiefern einige dieser Namen 
twa zugleich Gottesnamen sind oder sonst mythologische 
Jedeutung haben. Auch welche Vorgänge die Verschmel- 

sweier Figuren, Esau-Edom wie Jacob-Israel, veran- 
lst haben mögen, zu untersuchen, ist hierbei nicht nöthig. 
Jafs aber jene Urtheile der genealogischen e über die 
ferkunft jener Völker nicht auf Kenntnifs der Entstehung 
erselben, sondern auf Rückschlüssen aus historischen Ver- 
ältnissen beruhen, folgt aus der Art und Weise wie Stämme 
nd Völker entstehen. Es geschieht nirgends in der Welt 
urch Spaltung sich rasch mehrender Familien, immer 
urch Verschmelzung von Familien und Geschlechtern, 
reiche Gleichheit der materiellen und vielleicht auch der 


1) Die Daswischenschaltung der Töchter Lots ist secundär, wie 
sren Namenlosigkeit beweist. Sie hat lediglich zum Zwecke, jenen 
lämmen einen el anzuheften. 





348 Stade, wo entstanden die genealogischen Sagen 


geistigen Interessen vereinigt. Daher sind die Urtheik 
er genealogischen Sage zunächst nicht als aufschlufsgebend 
über ethnologische, sondern über culturelle und politisch 
Verhältnisse anzusehen. 

Wo aber entstanden nun jene Formeln der geneal 
gischen Sage, nach welchen die Stammviter nicht israel- 
tischer Völker mit den Vätern Israels in bestimmter Blut: 
verwandtschaft gestanden haben? Wir werden zunächst 
darauf verzichten müssen, dies bis ins Einzelste zu e- 
kennen. Denn wie die Vätersage überhaupt sind uns aud 
diese Sagen erst aus einer Zeit überliefert worden, in welche 
längst eine Ausgleichung zwischen den verschiedenen Sagen 
kreisen und den einander widersprechenden Sagenvariantes 
stattgefunden hatte. Auch sie zeigen deutlich ein Gesicht, 
welches die Stammsage erst zu den Zeiten der Köni 
herrschaft gewinnen konnte. Allein die hier in B t 
kommende Hauptsache läfst sich noch mit völliger Sicher 
heit erschliefsen. 

Sicher ist, dafs sich in der Stammsage eine gewiss 
Antheilnahme an den Schicksalen der Stammväter jene 
Völker, damit aber auch an den Schicksalen dieser Völker 
selbst verräth. Denn die Schicksale der letzteren sind eba 
die Schicksale der Helden, auf welche sie zurückgeführt 
wurden. Die Sage fühlt mit Ismael dem Vertriebenen, 
mit Esau dem Betrogenen so gut wie mit Jacob, dem 
Listigen, Findigen. Ein solches Interesse konnte aber nur 
in Kreisen und an Orten entstehen, welche wie mit Israel 
so auch mit jenen Stämmen in engen Beziehungen standen, 
von den Schicksalen der letzteren so gut berührt wurden, 
wie von denen Israels. 

Jene Orte sind die alten Heiligthümer des Lande, 
jene Kreise die Priesterschaften dieser alten Heiligthümer. 
n welchem engen Zusammenhange die betr. Sagen zu den 
alten Heiligthümern stehen, braucht nicht ausführlich er- 
örtert zu werden. Die Sage von Ismael und ist 
an die Heiligthümer an Beerseba und Lachajroi üpft, 
die von Jacob-Esau gleichfalls an Beerseba, die von Abra- 
ham und Lot wahrscheinlich an Hebron. Nun bedenke 
man, welch buntes Gemisch semitischer Stämme den Süden 
Palästinas vor Consolidation des Stammes Juda bewohnt 
hat. Südlich von dem im Westen stark mit cananäischen 
Elementen versetzten Stamme Juda treffen wir edomitische 
Clans (Kaleb, Othniel), arabische wie Kain und wahr- 
scheinlich Jerachmeel war, und mitten unter arabischen 
zeltet Simeon. Das Heilisthum zu Hebron ist wohl über- 
haupt von Haus aus nicht israelitisch, sondern eher edo- 





350 Bibliographie. 


und Sitte, die Wächter über die religiösen und staatliche 
Zustände. Wie tief sie, um von Anderem zu schweigen, f 
in die Politik verflochten waren, zeigt Samuel von Rama 
einerseits, die Geschichte der Heiligthumer von Silo und 
von Nob andererseits nur zu deutlich. -Auch hier biete 
Altgriechenland die besten Parallelen zu den Verhältnissen 
des alten Israels. B. 8. 


Bibliographie. 


(Fortsetzung von 8. 172 ff.) 





1. Bibelausgaben. Ezxegese. Geschichte der Eaegese. 
Einleitung. 


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57 8. 8°. 

Sainte (la) Bible: Traduction frangaise. Commentaires etc. par A. Ar- 
naud. T.2. Les Rois 8et4. Les Paralipoménes, Esdras, Néhémie, 
Tobie, Judith, Esther, Job, Psaumes, Proverbes, l’Eclesiaste. Avignon. 
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plaires numérotées, et non mis en vente.) 

Dächsel, Aug. Bibelvaerk. De fem Moseboger. Med 2 Karter og 
18 Traesnit. H. 4. Sid. 198—256; tosp. 4. Bergen 1880. 

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s. Revue des études Juives 1881, 8. 123 ff. 

Ewald, H., Commentary on the Psalms. Translated by E. Johnson: 
London 1881. 854 8. 8°. 

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s. Magazin f. d. Wiss. d. Judenth. 1881, 8. 20 ff. 

Geikie, C, Hours with the Bible; or the Scriptures in the Light of 
Modern Discovery and Knowledge. Vol. 2. From Moses to Judges, 
with Illustrations. 520 8. 8°. 

Gratz, H, Spuren des deuterojesaiauischen Ideengangs in der seit- 
genössischen und späteren Literatur, s. Monatsschrift f. Gesch. a 
Wiss. d. Jud. 1881 8. 1 ff. 

Gray, James Cowper, the Biblical Museum. Vol. 9. (Jeremiah, Le- 
mentationes, Ezekiel.) London 1881. 884 8. 8°. 

Hervey, A C., Judges and Ruth (Pulpit Commentary). London 
1881. 8°. e 

Hitzig, Ferd, die zwölf kleinen Propheten. 4. A bes. von 
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Bibliographie. 851 


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Grats, H., Verwechselung der Partikeln by mit TY ferner Sy (ON) 


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Be: r ger, ‚Ph, la trinité Oarthaginoise IV. s. Gasette archéol. 1880. 


Bouché-Leclercq, A. Histoire de la divination dans l’Antiquite. 
T. 8. Oracles des dieux (suite); oracles des héros et des morts : 
oracles exotiques hellénisés Paris 1880. 420 S. 8°. 

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8°. . 

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Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 1. 1881. 93 


354 Bibliographie. 





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Leipzig 1880. CLIV. 517 8. 

Berger, P., l’doriture et les inscriptions Sémitiques. (8. A.) Paris 1890. 
56 8. 8°. 


Boswick, 8., the place called Bethso s. P(alest.) E(xplor.) F(und.) 
Q(uart.) S(tat.) April 1880 8. 108 f. 
Derselbe; Valley of Hinnom. Ebenda 1881. 8. 102 ff. 


Birch, W. F., the nameless City. Ebenda April 1880. 8. 1% ff . 


October 8. 240. 

Derselbe, the Rock of Rimmon or the pomegranate. Ebenda 8. 107, 

Derselbe, Gebim (Jes. 10, 81). Ebenda 8. 108. 

Derselbe, Zeisah. Ebenda 8. 289. 

Derselbe, Rachel's sepulchre. Ebenda 8. 241. 

Derselbe, Hiding places in Canaan. Ebenda 8. 285 f. 

Derselbe, the thomb of David, Zion and Josephus. Ebenda B. 167. 

Derselbe, the rock Rimmon and Gibeah. Ebenda 8. 286 £. 

Derselbe, Gath. Ebenda 8. 170 f. 

Derselbe, the golden calf at Bethel. Ebenda April 1880. 8. 108 £. 

Derselbe, the Boundary of Ephraim and Manasseh. Ebenda 1881. 
8. 90 ff. 

Derselbe, Eben-Eser. Ebenda 8. 100 ff. 

Derselbe, the City and tomb of David. Ebenda 1881. 8. 94 fl. 

Derselbe, it is required to find the entrance to the tomb of David 
Ebenda 8. 97 ff. 

Blunt (Lady Anne), A Pilgrimage to Nejd, the Cradle of the Arab 
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590 8. 8°. 2. ed. Ebenda. 

Burton, R. F., the Ethnology of Modern Midian s. Transactions of 
the Royal Society of Literature, Sec. Ber., Vol. XII, Part II, 8. 249f. 

Chester, Greville J., a journey to the biblical sites in lower 
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De raelbe, Notes on the Topography of the Exodus. Ebenda 1881. 

‚1 . 

Con de ‘. Claude R, Register of rook levels. Ebenda April 1880. 

Derselbe, discovery of a statue near Gasa. Ebenda 1880. 8.7 # 

Derselbe, topography of the Exodus. Ebenda 8. 281 ff. 

Derselbe, Notes on Jerusalem «. Palest. Ebenda 1880. 8. 101. 

Derselbe, Notes on disputed points. Ebenda 8. 172 7 8. 228 # 

Derselbe, new identifications. Ebenda 8. 280 f. 

Derselbe, Notes on Colonel Wilson's paper on the masonry of the 
Haram Wall. Ebenda 1880. 8. 90 ff. 

Derselbe, the Tyropoeon valley. Ebenda 1880. 8. 77 ff. 

Derselbe, Sun Worship in Syria. Ebenda 1881. 8. 80 ff. 

Derselbe, Notes on disputed Points. Ebeuda 1881. 8. 86 ff. 

Derselbe, New Identifications. Ebenda 8. 89. 

Derselbe, Supposed Cliff in the Haram. Ebenda 8. 56 ff. 

Derselbe, Note on Kadesh Barnes. Ebenda 8. 60 ff. 

The old City of Adraha (Dera) and the Roman Road from Gerasa to 
Bostra. Ebenda 1881. 8. 77 ff. 

De Hass, F.8., recent travelsand explorations in Bible lands. New- 
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Rabbinowics, la medicine du Thalmud, ou tous les passages con- 
cernant la médecine extraits des 2. traités du Thalmud de Babylone. 
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Rabbinovics, Raph. varise lectiones in Mischnam et in Talmud 
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Wertheimer, le Talmud I. Histoire de la formation du Talmud. 
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2. Aufl. Th. 1. 2. 8. Giefsen 1880. XXIV. 501, XXI; VII, 146, 82; 
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Derselbe, Lesebuch in neu-arabischer Sprache. 2. Aufl. Th. 1. 2. 
Giefsen 1880. 

Lane’s Arabic - English Lexicon. Ed. by Stanley Lane-Poole. 


Vol. VIL, fasc. 1. „3. London 1881. II. 8. 2477—2580 fol. 


Trum pp, E., der Kampf Adams oder das christliche Adambuch des 
Morgenlandes. Aethiopischer Text, vergl. m. d. arab. Originaltext. 
München 1880. XIII, 172 8. 4°. 

Derselbe, kritische Bemerkungen zum „Sapiens Sapientium* inDill- 
mann’s Chrestomathia Aethiopia p. 108, 599 in Z. D. M. Q. 84 
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Derselbe, sum Briefbuch. Ebenda. 8. 241 ff. 


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Haupt, Paul, Akkadische u. sumerische Keilschrifttexte. Lief. 1. 
Leipzig 1881. 4°. (fol.) 

Hommel, F., Abrifs der babylonisch-assyrischen und israelitischen 
Geschichte von den ältesten Zeiten bis zur Zerstörung Babels in Ta- 
bellenform. Leipzig 1880. 4°. 

Lots, Wilhelm, die Inschriften Tiglathpileser’s I in transskribiertem 
Assyrischem Grundtext mit Uebersetzung und Kommentar. Mit Bei- 
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Berlin 1880. 86 8. 4° Mit 8 Textbeilagen und 1 photolith. Taf. 

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Polyhistor und des Abydenus s. Berichte üb. d. Verhandl. d. Sacha 
Ges. d. Wiss. Phil. hist. A. 1880. 8. 1 ff. 


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Recueil de travaux relatifs & la philologie et & l’archdologie Egyptiennes 
et Assyriennes publi6 sous la direction de G. Maspero. Vol. IL 
1880. 

Revue égyptologique publiée sous la direction de H. Brugsch, 

. Chabas, E. Revillout. Paris 1880. 1. année. No. 2 et 8. 
8. 49—144. 8 planches. 

Zeitschrift für ägyptische Sprache u. Alterthumskunde unter Mitwir 
kung von H. Brugsch herausgegeben von R. Lepsius. Heft 
1—38. Leipzig 1880. 

Aurds, Aug., Métrologie égyptienne. 1. fasc. Nimes 1880. 1728. 8. 

Bergmann, E. von, Varia. Z. f. Ae. Sp. u. A. K. 1880. Hoft 3 
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Derselbe, die Osiris-Reliquien in Abydos, Busiris und Mendes 
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Birch, 8., Inscription of Tahraka. Ebenda. 1880. Heft 1. 8. 224 

Brugsch Bey, Horch., hieroglyphisch - demotisches Wörterbuel 
5. Bd. 6. Bd. 1. Hälfte. Leipzig 1880. fol. 





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‘tall, Jakob, Manetho und Drodor. Wien 1880. 8°. (s. auch 
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erselbe, demotische und assyrische Contracte. Wien 1881. 22 8. 8°. 
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lang der ägypt. Geschichte u. Cultur von den ersten Anfängen bis 
auf Augustus. Berlin 1881. IV. 520 8. (Bibliothek für Wissen- 
schaft u. Literatur. 29. Bd. Historische Abtheilung 10. Bd. 

Le Page Renouf, Lectures on the origin and growth of Religions, 
as illustrated by the religion of ancient Egypt. London 1880. 259 8. 8°. 
‚vi, Bim., raccolta dei segni ieratici egizi nelle diverse epoche con 
| oorrespondenti geroglifici ed i loro differenti valori fonetici. Turin 
1880. 16 8. mit 56 autogr. Taf. 4°. 

sriotte-Pascha, A. Abydos, description des fouilles exéoutées sur 
l’emplacement de cette ville. to. 2. Temple de Séti (suppiément), 
temple de Ramsös, temple d’Osiris, petit temple de l’ouest, nécropole. 
Iraelbe, Dendérah description générale du grand temple d 
ireelbe, on e du temple de cette 
ville. Paris 1880. a Be 

srselbe, itindraire de la Haute-Egypte. 8. 6d. Paris 1880. IV. 
aepéro, G., étude sur quelques peintures ot sur quelqu. Text. 
relatifs aux fandrailles, s. Journal Asiatique, 7.sér. to. XV. 8.112 ff. 
ırselbe, Bulletin critique des igions de | s. Revue de 
"histoire des religions. 1. reg TeyPt 

rselbe, tian documents relating to statues of the Dead. s. 
Transact. of the Soc. of Bibl. Arch. VII, 1 (1880). 8. 6 ff. 
irselbe, sur une représentation de Basar Egyptien s. Gasette 
irchéol. 1880. 8. 97 kr. 


rselbe, une page du Roman de Satni transcrite en hiéroglyphes 
. 2. f. Ae. Spr. u. A. K. 1880. Heft 1. 8. 15 ff. 


rselbe, Notes sur quelques points de Grammaire et d'Histoire. 
bends. Heft 2. 8. 41 ff. 


rille, Ed., sur le sens du mot Neternu. Ebenda 1880. 8. 34 ff. 


-selbe, le déoret de Ptah Totunen en faveur de Ramsds II. et III. 
Transact. of the Soo. of Bibl. Arch. VII, 1. 8. 119 ff. 



















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The Palaeographical Society. Facsimiles of ancient Manuseri 
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Harkavy, Alb., Studien und Mittheilungen aus d. k. off. Bibl a 
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St. Petersburg 1880. IIL 60 8. 8°. 

Katalog der Bibliothek der deutschen morgenländischen Geseillsche 
I. Druckschritten u. Aehnliches. Leipzig 1880. XVI. 215 8. & 

Pertsch, Wilh, d. arab. Handschriften der Bibliothek zu Getka.} 
Gotha 1880. Bd. 2. Heft 2. VIII. 8. 241—495. 8°, 

Peyron, codices Hebraici manu exarati regiae bibliothecae quae 
Taurinensi Athenaeo asservatur. Turin 1880. L, 828 8. 8%. 
H. L. Strack, Abraham Firkowitsch u. d. Werth seiner Entdeckungag 

s. Z. d. D. M. G. Bd. 34 (1880). 8. 163 ff. 


Geschlossen : 20. Mai 1881. 








Zeitschrift 


für die 


alttestamentliche Wissenschaft. 


Herausgegeben 
von 


Dr. Bernhard Stade, 
ordentlichem Professor der Theologie zu Gielsen. 





Mit Unterstützung der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. 


1882. 
Zweiter Jahrgang. 


— Oa 
Giefsen, 
J. Ricker'sche Buchhandlung. 
1882. 








Inhalt. 





Budde, das hebr&ische Klagelied . 

Hoffmann, Lexikalisches. (Schlufs.) 

Harkavy, Mittheilungen aus Petersburger Handschriften 

Smond, über die Genesis des Judenthums 

Stade, Deuterosacharje. (Fortsetzung) . . 

IEVE als Aussprache des Tetvagramms. Aus einem Briefe 
des Prof. Frans Delitssch . . 

Heffmann, Kleinigkeiten 

Berichtigung . . 

Bibliographie . 

Siegfried, sur Geschichte der neuhebriiechen Lentoographio 

Budde, die Capitel 27 und 38 des Buches Hiob . 

Stade, Deuterosacharja (Bohlufs) . 

Krenkel, einige Emendationen zu den Büchern Samuels 

Prätorius, pn und 3 


Nestle, wie alt war Balomo als er sur Rogireng kant 





Die Verantwortung für den Inhalt der in diese Zeitschrift aufg- 
nommenen Aufsätze tragen, soweit nicht ausdrücklich das Gegentheil 
angegeben ist, allein die Verfasser derselben. 


Der Herausgeber. 


= 


Das hebräische Klagelied. 


Von 
Prof. C. Budde in Bonn. 


In einem kurzen und gewils wenig beachteten Auf- 
satse habe ich vor nunmehr sieben Jahren eine kritische 
Vebersicht gegeben über die bis dahin vorliegenden Ver- 
suche, feste metrische Formen in der hebräischen Poesie 
nachzuweisen ; das Resultat war Ablehnung aller bisherigen 
Versuche und die weitgehendste Skepsis betreffs aller in 
Zukunft noch zu erwartenden '). Dafs meine kleine Arbeit 
zeitgemäls war, hat die Erfahrung seitdem bewiesen. Nicht 
nur konnte schon damals der Herausgeber der Studien 
meine Vermuthung, dafs J. Ley sein Versprechen, eine 
vollständige Analyse der hebräischen Gedichte nach seinem 
System zu geben, halten werde, bestätigen; nicht nur be- 
schenkte uns schon das Jahr 1875 wirklich mit einer ’aus- 
führlichen und reichlich durch Beispiele erläuterten Dar- 
legung seines Systems : auch meine etwas optimistisch 
zweifelnde Frage, ob dieser Versuch wohl der letzte sein 
werde, hat ihre Antwort, eine energisch verneinende, er- 
halten in zwei neuen Systemen, von denen das zweite 
freilich nur Berichtigung und Vervollkommnung des ersten 
sein will ®). Diese neuen Versuche haben mich keineswegs 


f) Stud. und Krit. 1874, Heft 4. 8. 747 ff. 
*) Metrices biblicae regulae exemplis illustratae scrips. Bickel] 
1879 nebst Supplementum, vgl. ZDMG Jahrg. XXXII, 8. 701 @. 
Zeitschrift f. d. alttest. Wins. Jahrgang 2. 1888. 1 


3 Budde, das hebr&ische Klagelied. 


su bekehren vermocht, vielmehr glaube ich, dafs men — 


damaliger Hauptgegner Ley der Wahrheit näher gekommen 
ist, da er in jedem Falle den hebräischen Texten weniger 
Gewalt anthut als seine Nachfolger. Doch es liegt mir 
diesmal fern, zu kritisiren, umsomehr, als ich mit den Kri- 
tiken jener Systeme, die mir zu Gesicht gekommen, in 
der Hauptsache einverstanden bin : ich will mich diesmal 
selbst auf das gefährliche Glatteis wagen, einen positiven 
Beitrag zur Entzifferung des so räthselhaften „Wie“ für 
das unumstöfslich sichere ,Dafs* der hebräischen Poesie 
liefern. Derselbe soll sich darin von den meisten anderen 
Arbeiten auf diesem Gebiete unterscheiden, dafs er keinen 
untrüglichen Hauptschlüssel zu allen verschlossenen Thüren 
desselben darbieten, sondern sich auf ein einziges, klar be- 
grenztes Problem beschränken wird; so will ich auch nicht 
mit einer Theorie beginnen, sondern die Beobachtung, das 
Experiment allein gelten und mir von dem Inhalt Auf- 
schlufs über die Form geben lassen. 

Wenn ich davon ausgehe, dafs in dem Buche der 
Klagelieder die Kunst der poetischen Form sich in be 
sonders hoher Steigerung darstellt, so stehe ich wohl auf 
dem Boden einer allgemein zugestandenen Thatsache. Nur 
darum handelt es sich, worin vor allem diese hohe Entwick- 
lung der Kunstform sich offenbart. Nicht, wie es nach 
den meisten neueren Darstellungen scheinen könnte, in der 
alphabetischen, akrostichischen Anordnung der vier ersten 
Lieder, denn diese kehrt oft genug wieder und beruht auf 
einem einfachen mechanischen Hand- und Kunstgriff, nicht 
auf organischer Weiterentwicklung der überlieferten Kunst- 





De re metrica Hebraeorum disseruit P. Gerardus Gietmann, 8. J. 
1880. Uebrigens ist meine Meinung, dafs’ schon damals alle möglichen 
Wege eingeschlagen waren (8. 764), durch diess Arbeiten nicht wider 
legt. da die Schriften in der Hauptsache nur die 8. 757 f. besprochene 
Idee von Merx ausführen. 


4 Budde, das hebrifische Klagelicd. 


triker gans denselben Streich gespielt; wir finden bei 

Bickell für die 4 ersten Capitel der Klagelieder gans 
ebenso ein „metrum dodecasyllabum*, ohne jede weitere Be 
merkung '). Auch Ewald ist im wesentlichen hierbei 
stehen geblieben. Ihm sind die Klagelieder in „Lang- 
gliedern“ geschrieben, von ihm mit der Chiffre „A, B, C* 
beseichnet, die er dahin definirt, dafs zwei kürzere Glieder 
„a b“ in ein längeres, das durchschnittlich 10 oder 11 Silben 
umfalst, susammengedrängt sind. Die Theilbarkeit dieser 
Glieder, die er in manchen Fallen zugibt, ist ihm nur 
accidentell und nicht Regel, und wenn er in der Ueber 
setzung der Klagelieder und anderwärts vielfach durch 
einen Gedankenstrich einen Einschnitt hervorhebt, so unter- 
läfst er dies fast ebensooft oder setzt ihn an falscher Stelle. 
Dafs er in cap. 5 denselben Vers, nur in einem. einselnen 
Gliede, erkennt *), beweist, wie wenig er sein Wesen er 
gründet hat. Sicher hat ihm seine künstliche, auf IL Sam. 
1, 19-27 begründete und auf das Buch der Klagelieder 
angewaudte Theorie von dem „sinkenden Bau der Lied- 
wenden® im Klagelied die Aufgabe erschwert *). Eine im 
Ganzen richtige Auffassung der Versstructur scheint zuerst 
de Wette su geben‘). Er erkennt, dafs jedes Versglied noch 
eine Cäsur, dem Sinne (und den Accenten) nach aufweist, 
sodals sich vielfach ein Unterparallelismus bilde. Ueber die 
Stelle der Cäsur, das Verhältnis der durch sie entstan- 
denen Abschnitte su einander, gibt er keinen Aufschlufs, 
ebensowenig Delitzsch in seiner Definition des ,Cdsuren- 
schema (richtiger : des diäretischen Schema)“ ®). Die früheste 


') Bickell 8. 6. 84 ff. 

*) Er würde also das Schema für capp. 1—8 mit „A B C*, für 4 
mit „A B“, für 5 mit „A" wiedergeben. 

*) Vgl. Dichter des alten Bundes 2. Aufl. I, 2. 8. 835 ff. I, 1. 
B. 129; 130 f.; 151 f.; auch 1. Aufl. 1. 8. 142. 

*) Comm. zu den Psalmen. 4. Aufl. 1886. 8. 65 f. 

*) Bibl. Comm. Psalmen 8. Aufl. 8. 19, noch weniger bestimmt 
Graf in Schonkel’s Bibellexicon Bd. II, 8. 209. Aehnlich Kamp- 


Budde, das hebräische Klagelied. D 


- Benerkung darüber finde ich bei Keil!), dafs die Stichen 
ww. "X der Regel noch durch eine Cäsur des Gedankens in 


re FW Absiitse von ungleicher Länge getheilt seien; ein 
Ras chriti gegen de Wette liegt in dem vorsichtig be- 
Sehr, 5 enden gin der Regel*. Erst Ley, soweit mir be- 
Kann, spricht es für diesen Vers bestimmt aus, dals das 
Weite Femistich kürser als das erste gehalten sei; er 
tde¢ dienen Vers besonders geeignet gerade für das Klage- 
Z er. ordnet ihn seinem System ein unter dem ebenso 
IDosexn als mifsverstindlichen und im Grunde unrich- 
na Nazmen des elegischen Pentameters. Endlich Giet- 
ın ssppawicht von einem versus hendecasyllabus und weiter: 
| ter kiam arsim vel proximam thesim caesura versum 
ere molet“ ?). 
[ch gehe zu eigener Formulirung des Ergebnisses über. 
es % ersten Capiteln des Buches der Klagelieder bildet 
gper=mll gleichwerthige Formeinheit ein kurser Vers, 
eaxaste, durch einen Einschnitt des Sinnes abgegrenste 
gv? dies Länge des vollen Versgliedes eines regelrechten 
a ren aufweist, wie er etwa im Buche Hiob herrscht, 
die zweite Hälfte, regelmälsig kürzer gehalten, 
gm wWerstümmelte zweite Versglied gelten kann. Für 
Pr sweite Vershälfte ist, da sie eine Wortgruppe bleiben 
ws” als das Minimum an Länge die Verbindung zweier 


5 

s ta 

s geo” ia Bunsen 's Bibelwerk Hl, 8. 668, Nigolsbach in Lange's 
; we Klagelieder 8. VIIL 

) Hivernick's Einleitung in das A. T. Bd III, 8. 512. 1849. 

pose? scheint Thonius’ Charakteristik (Kursgef. ex. Hdb. su dem 

1855. 8. 124) fast wörtlich entnommen su sein. Ashnlich 

ch °- Orelli in Hersog's Realencyklopädie, 2. Aufl. Bd. VI, 8. 537. 

5) Bo B. 86, während er 8. 58, wo das Metrum noch einmal genau 

wird, von versus enneasyllabi redet, der Cäsur gar nicht 

- piöenkt und auch in 0. 4 je 8 Verse unter einen Buchstaben das 

Lphabots gestellt sein läfst. 
%) Dies einzige Postulat, das ich aufstelle, scheint mir aus der 
u, fesbe bervorsugehen, sobald es feststeht, dafs Sinneseinschaitte ent- 


6 Buddo, das hobräische Klagelied. 


selbstindiger Worte gegeben : daraus ergibt sich als das 
Minimum fir die erste Halfte ein Umfang von drei Worten. 
Das Verhiltnifs von 3 : 2 ist also das erste, welches der 
Absicht, ein kürseres Versglied dem ersten längeren 
folgen zu lassen, entspricht; doch sind damit andere Ver- 
'hältnisse und längere Verse, wie 4 : 2, 4 : 3 u. s. w. keines- 
wegs ausgeschlossen. 

Der Nachweis dieses Sachverhaltes wird am besten 
mit cap. 3 beginnen, denn dort sind diese Verse am regel- 
mälsigsten ausgebildet, dort steht jeder für sich allein auf 
eigenen Füßen. Denn wenn sich ungezwungen manche 
der unter demselben Buchstaben vereinigten Triaden auch 
dem Sinne nach zusammenschlielsen und von der Umgebung 
loslösen, so bedarf doch keiner der einzelnen Verse paral- 
leler Ergänzung, und gewissenhafte Sinneseintheilung wird 
=. B. nach den Versen 11, 13, 16, 41, 47, 50 Theilstriche 
setzen müssen, welche die Gruppe eiztes Buchstabens durch- 
schneiden. Unter den 66 Versen dieses Uapitels finde ich 
nun nur 6—7, die dem oben aufgestellten Schema nicht 
genau entsprechen; aber diese Verse sind schwerlich alle 
in der ursprünglichen Gestalt erhalten. Vers 31 lälst gar 
keine Theilung zu, es fehlt das Object zu mor ab : ich 
vermuthe, dafs es ausgefallen, vielleicht we ‘a, übersehen, 
weil es in der folgenden Zeile, Ende des Verses 33 wieder- 
kehrt. Der Theilstrich wäre dann nach oip5 zu setzen 
und der Vers in Ordnung. Vers 13 hat nur 4 Worte; es 
wird nach ‘M595 ein > oder geradezu nach Ps. 7, 14 
mo ‘> ausgefallen sein, dessen Ergänzung den Vers aufs 
schönste herstellt. Mit Vers 23 steht es ebenso; auch um 
der Selbständigkeit des Verses willen empfiehlt sich die 
Annahme, dafs das Wort wor“, womit v. 22 schlielst, 
auch an der zweiten Stelle von v. 23 zu lesen ist. 


scheiden : ich lege deshalb auch eine Schätzung der Länge nach Worten 
als die einfachste und übersichtlichste zu Grunde, ohne damit eine 
Theorie aufstellen zu wollen. 


Budde, das hebriische Klagelied. q 


Ist nun bei so vielfachem Ueberwiegen von Versen, 
die genau dem aufgestellten Schema entsprechen, jeder 
Zweifel an der Absicht ausnahmsloser Verwendung des- 
selben unzulässig, so folgere ich aus deh noch verbleibenden 
unregelmäfsigen Versen leichte Modificationen des Schema’s, 
die der Dichter für erlaubt hielt. 

1) So zuerst v. 56. Ich möchte da nicht mit LXX 
und Ley das letzte Wort streichen, vielmehr ist das erste 
Versglied (mit "pie schliefsend) zu lang gerathen, aus zwei 
kleinen Sätzen bestehend, weil der Verfasser mit dem “yp 
den Ordnungsbuchstaben gewann, und doch vom Fleck 
kommen mufste. Solche Verse sind in den übrigen Ca- 
piteln : cap. 2, 13°; cap. 4, 18°. 20°. 

2) In v. 15 stehen nur 2 Worte im ersten wie im 
zweiten Versgliede; aber durch die besondere Länge und 
Wucht derselben ist dem ersten Halbvers sein Uebergewicht 
gesichert, der Zweck erreicht. Hieraus erkläre ich : 
cap. 1, Ir. «. 4. 9. 13. 14°. 17°. 18°. 1%. >; cap. 2, 
12°. ©. 21°; cap. 4, 5. 13°. 17°. . 

3) Vers 20 und 27 haben mit Recht den Hauptaccent 
bei dem zweiten, nicht dem dritten Worte : dem Sinne 
nach ist das erste Versglied das kleinere, nicht das zweite. 
Für solche sehr seltenen Fälle halte ich es für wahrscheinlich, 
dafs der Dichter dem Leser zugemuthet hat, in dem ge- 
wohnten Tonfall weiterzulesen, sodafe der Halt erst nach 
dem dritten Worte eintritt und der Rhythmus mit dem 
Gedanken in leichte Collision kommt. Ich nehme dasselbe 
an für die Verse : cap. 1, 10°. 13*; cap. 2, 8 '). Fürchtet 
man durch diese Annahme das Princip zu gefährden, so 


1) Doch ist nicht überall nach den Accenten zu gehen. So scheinen 
mir 2, 2°. 9° dem Schema zu entsprechen, ebenso 8, 32, anders als 
Ley. Uebrigens kommt die Annahme unter 3) auf etwas ähnliches 
heraus wie das, was Ley 58. 80 Compensation nenat. 


| eee 
en 


8 Budde, das hebräische Klagelied. 


mufs auch in solchen Fallen auf Textverderbnifs oder Ver- 
stölse gegen den gewollten Rhythmus geschlossen werden '). 

Nun zu cap. 4. Da bedarf vor allem v. 15 der Be 
richtigung, die schon durch die allerseits empfundene exe 
getische Schwierigkeit gefordert wird. Unrichtig streicht 
(durch Einklammerung) Ley die Worte To 15 wep und 
setst dann den Haupttheilstrich bei yy), die Cäsuren bei 
wm und ony. Durch diese Theilung wird der Sinn eut- 
stellt und das erste Glied des 2. Verses su kurs. Viel 
mehr ist Ova Tox Glosse, die eine bestimmte Auffassung 
des schwierigen Verses b vermitteln will. Vers a schlielst 
mit ıyar, sein Einschnitt liegt bei w5. Vers b, bei 9) 
eingeschnitten, kann als Rede des Subjectes von wp in 
verichtlicher Abwendung von den Fitichtigen, oder auch 
als Rede des Dichters verstanden werden. Vers 14° scheint 
versttimmelt zu sein, vielleicht hat er in irgend einer Weise 
das Subject von wp eingeführt; doch enthalte ich mich 
jeder Conjectur. — In v. 18* wird man vor Yı% ein NY zu 
ergänzen haben (vgl. 3, 52), dessen Ausfall bei drei mit § 
beginnenden Worten leicht erklärlich ist. — In v. 1* und 
13* könnte man annehmen, dafs das logische Uebergewicht 
des ersten Gliedes, beruhend auf den tiberschiefsenden, 
zu b zu ergänzenden Satzgliedern 3 und 19, im Sinne 
des Dichters das Gleichgewicht der Wort- und Silbensahl 
aufheben soll. Es bleiben dann noch 6° und 1%, die in 
ihrer jetzigen Gestalt gegen das Schema gleich lange Glieder 
aufweisen. Im schlimmsten Falle bleiben unter 44 Versen 
30, die dem strengsten, nicht modificirten Schema ent- 
sprechen : dafs dasselbe beabsichtigt ist, kann daher nicht 
bezweifelt werden, und dafs einst sämmtliche Verse aus 
des Dichters Hand dieser Absicht entsprechend hervor- 
gingen, ist mehr als wahrscheinlich. 


eae rn nn an nn ren 


‘) ich werde diese Modificationen des Schema von jetzt an einfach 
init Nr. 1), 2), 8) anziehen. 





Budde, das hebr&ische Klageliod. 9 


In cap. 2 zähle ich höchstens 9 Verse unter 67, ohne 
1 unter 1) bis 8) aufgesählten 5, die zu Bedenken Anlafs 
ven; aber gerade hier läfst sich überall eine ursprünglich 
‘elmifsige Form wahrscheinlich machen. Der tber- 
üssige v. 19 ist von ‘ym an zu streichen, Glosse aus 
11°; 4, 1° '). Die in 19 genannten Kinder sind schwer- 
ı schon todt. Dafs v. 18 beschädigt ist, wird fast all- 
nein anerkannt; statt aller bisherigen Vorschläge em- 
hle ich, die Stelle der Worte “ Cyr und ‘sm nor 
chselweise su vertauschen, sodafs die Uebersetsung lautet: 
mw Hers schrie sum Herrn : bei Tag und bei Nacht — 
[s stromweis rinnen die Thränen : Du Mauer der Tochter 
m*. Die dritte Person in op ist leicht erklärt; die 
agestaltung ist geschehen, um die neue Gestalt der per- 
ifscirten Stadtmauer unverzüglich einzuführen. In 4° fehlt 
rtlich das zweite kürzere Glied, denn gegen die Accente 
sra Sma zu b als zweites Glied su ziehen : zu c 
re etwa wx ti (4, 11), durch gleichen Anfang und 
hlufs mit Mon empfohlen, oder ähnliches zu ergänzen. 
4° streiche ich ıs3 (vgl. Ps. 7, 13°), unter Verkennung 
ı Rhythmus als Parallele zu 23) hinsugesetst. In 9 
rfte "ae zu streichen sein, vielleicht Ergänzung eines 
tographischen von dem folgenden ‘19. In 15° streicht 
ıon Ley richtig die erklärende Glosse ww, obgleich 
n Vers nicht gefährdend. In 14° setzt Ewald richtig 
» Casur bei meisn, das als stat. abs. zu lesen sein wird; 
» folgenden Worte sind Apposition. Im ersten Gliede 
n 2° scheint ein zweites Verbum ausgefallen zu sein, 
sin a und c zu finden ist und auch hier das Ueber- 
wicht herstellen würde. Endlich iu 12* ist mir das ™ 
a Munde der Kinder und Säuglinge dringend verdächtig, 
ber seine Einschiebung leicht erklärt bei der so weit über- 





t) Bo schon Ewald. 


10 Budde, das hebräische Klagelied. 


wiegenden Koppelung von 17 und wrTn (vgl. übrigens 
Ps. 78, 24). Dals diese Vermuthung das Richtige trifft, — 
beweist die Peschttä, die ihre Kinder, mit dem Wein nicht 
zufrieden, als drittes auch noch Oel fordern läfst (vgl. 
die 3 in derselben Reihenfolge schon Hosea 2, 10 und sehr 
häufig sonst). 

Capitel 1 bietet keine grofsen Schwierigkeiten. Dals 
v. 1 die Accente zu verlassen sind, ist längst erkannt; es 
ergeben sich drei regelrechte Verse, von denen allerdings 
b und c oben unter 2) aufgeführt werden mulsten. Vers 7 
hat 4 Verse, aber b ist unecht von ‘fp 52 bis asp (vgl. 
10°. 11"; 2, 17°); die mit Soya beginnende Zeitangabe be- 
weist, dafs ‘'n % Object zu m9; damit verträgt sich b 
nicht '). Der Vers scheint auch sonst gelitten zu haben, 
da die ersten Glieder von 7* und * zu kurz sind. Doch 
soll die Möglichkeit einer Ausnahme oder eines Verstufses 
besonders bei a nicht geleugnet werden. In 14° helfen 
endlich einmal die LXX. Sie übersetzen : ote edaoxe 
xvptog ev yepot ov odvvas ov duvnuouar otnva. Sie 
haben gelesen : 'n (?orıy "ND ‘JAN 19 ‘>. Das Ursprüng- 
liche war : OMY “PD y ur), der Rhythmus ist hergestellt, 
und der Sinn entschieden besser *). Auch in 16* helfen 
die LXX, indem sie ebenso wie Hieron. das eine ‘yp 
streichen. In v. 2", 4°, 8* ist das zweite Glied etwas 
schwer gerathen, doch dürften die Partikeln 5y, an, Ip 
nicht als vollwichtig erachtet sein, wie oft. Dazu kommt 


1) Bo schon Ewald. 

*) vgl. pay def. auch I. Sam. 4,19. Dort übersetzen LXX freilich 
wie auch Jes. 18, 8; 21, 8 mit wdrvec, aber auch 3yy5pq, in diesem 
Binne verstanden, geben sie Jer. 22, 28; 49, 24 mit odvvaı, Ps. 18, 5; 
116, 3 mit wdivec. 

*) Schlousner (Thesaurus unter odvvy) schlägt vor 2 statt 
+495 oder WY m) statt 19M), so auch Rosenmüller; das erste lälst 


kein Aequivalent für ev yegory pov, gegen das zweite spricht die 
Wortstellung. 


12 Budde, das hebräische Klagelied. | | 


frei, vielleicht gar willkürlich gewählt, oder lagen bestim- 
mende Gründe vor, gerade solche und keine anderen 
Rhythmen hier anzuwenden? Die Antwort darauf kann 
nur dann gegeben werden, wenn es glückt, andere Stücke 
in derselben Versform sum Vergleiche heranzusiehen. 
Das Stück, welches am klarsten bei grofsem Umfang 
dieselben Rhythmen zeigt, ist das Lied in Jes. 14, 4—21. 
Die wenigsten Ausleger oder Metriker wissen etwas davon, 
wenn auch mehr als einer einen kunstvollen Strophenbau 
darin nachstweisen sucht!),. Gietmann dagegen erkennt 
hier seinen versus hendecasyllabus, dem er auf 8. 35 auch 
Thr. 1—4 suweist; Ewald sieht hier, was bei seiner Be 
handlung der Klagelieder nicht su Tage tritt, dafs das 
zweite Glied der Langglieder unverkennbar kürzer ist. 
Das sind die einzigen Neueren, bei denen ich Einsicht in 
die Sachlage gefunden habe. Ä 
In der That ist der Versbau genau derselbe wie in 
Thr. 1—4 und mit peinlichster Sorgfalt durchgeführt. 
Wenige kritische Anmerkungen werden gentigen’). In 
v. 8° sind entweder die beiden Versglieder umzustellen, so- 


') Hier einige Schemata derselben. Drechsler findet 2 Haupt 
reihen, v. 4#—11, 13—321, jede von 8 Strophen „mit regelmälsig wech- 
selndem Rhythmus (8, 2, 8; 4, 2, 4)". Also v. 4°—6, 7—8, 9—11; 
13—15, 16—17, 18 -21. — Ewald findet 5 Strophen, jede von 7 lüs- 
geren Gliedern oder kurzen Versen, mit Ausnahme der letzten, die ent- 
sprechend dem Kunstbau des Klageliedes nur 5 hat; er theilt ab: 
v. #—8, 9—11, 13—15, 16—19, 20—21. (Propheten 2. Ausgab. Bd. 8. 
8. 19 f.). — EB. Meier findet 5 Strophen : S—6, 7—10, 11—13, 18—17, 
18-38. Den Irmthum Meier’s, der Eingangs- und Schlufsformd 
sum Liede hinsusieht, theilt, was die letstere angeht, auch Kamp- 
hausen (Bunsen Bbw.), der 6 Abschnitte macht : 4*—8, 9—-II, 
13—14, 15—17, 18—20, 21—38. 

*) Ein Beispiel falscher Textkritik gibt E. Meier, indem er von 
v. 7 die Worte 137 aıyp sum folgenden Verse sieht und so von 
v.7 nur ein Versglied übrig lufst, v. 8* su einem gewöhnlichen, gleich- 
schwebenden Verse macht. 





Budde, das hebriieche Klagelied. 18 


dafs ein ganz regelrechter Vers entsteht, oder der Vers 
ist nach 8) mit blofs rhythmischer Cäsur nach Dy su 
lesen. v. 10° ist nicht mit Ewald als 33. Vere su zählen, 
sondern ebenso als Einführung des Liedes nicht mitsu- 
sählen wie 4. Er könnte zur Verdeutlichung der Situation 
erst später eingeschoben sein. Vers 17° ist verstümmelt 
(auch Ewald constatirt seine Kürze); ich wage, ihn aus 
v. 18 su emendiren. Dieser hat das Athnach richtig bei 
ov> und sollte mit 11293 schliefsen; das folgende ın22 wee 
ist überflüssig und immerhin auffallend, anders als Hi. 30,23 
und pw in Jes. 22, 16. Mir scheint, dafs es in der Form 
a> ww den genuinen Schlufs von 17° gebildet hat, wo- 
für cm, für welches sich in der griechischen und syrischen 
Uebersetzung kein Aequivalent findet, als verstiimmelter 
Ersatz zu streichen wäre. Es ist dies nicht die einzige 
Umstellung in diesem Zusammenhang, denn Ewald hat 
ganz richtig die Worte 02% WD vom Ende des v. 19 
gleich hinter das Athnach desselben Verses gesetst, den 
Rest des Verses als erstes Glied zu v. 20 gesogen und so 
Sinn und Rhythmus zugleich hergestellt. Der hergestellte 
v. 20* ist im zweiten Gliede etwas schwer, eine Schädigung 
in diesem Zusammenhange nicht unwahrscheinlich; viel- 
leicht ist statt MMPI Ome zu lesen : OND, vgl. Gen. 
49, 6. — In v. 21° ist wohl aus San so wur das DD zu 
streichen, wofür als, wenn auch nicht ganz sichere, Stütze 
die LXX dienen mit ihrem xas eurincocı trv ynv. Denn 
wie sonst meistens, übersetzen sie auch im B. Jesaja das 
99 getreulich, so in der einzigen genau parallelen Stelle 
23, 17 ext xegogwmxoy tng yrs. — Aulserdem fällt unter 
2) v. 9°, vielleicht auch 12°, wenn nicht in seinem ersten 
Gliede ein Wort ausgefallen ist. | 

Ist nun der beabsichtigte Bau dieses Stückes so un- 
sweifelhaft klar, so verdient noch besonders hervorgehoben 
su werden, wie scharf dasselhe von dem Vorhergehenden 
und Nachfolgenden sich abhebt. Es stelıt mitten in dem 


14 Budde, das hebräische Klagelied. 


grofsen Zusammenhang cap. 13, 1 bis 14, 23. Aber die 
ganze erste Rede des Propheten, 13, 1—14, 2 ist in Versen 
mit fast ausnahmslos gleichschwebenden kurzen Gliedern 
geschrieben !), und die Einleitung des Liedes in v. 3—4 
wie der Abschlufs des Propheten in v. 22—23 sind in pro- 
phetisch gehobener Prosa gehalten, die mit diesem Rhyth- 
mus nichts zu thun hat. Nur das Lied selbst, das dem 
Volke in den Mund gelegt wird, und natürlich die ein- 
gelegten Worte der Könige im Scheol ergehen sich in 
jenen Rhythmen. 

Der Grund dafür kann nur in dem eigenthümlichen 
Charakter dieses Stückes liegen, der jene Form dem Ver- 
fasser als die geeignete an die Hand gab. Dieser Cha- 
rakter aber ist der des Klageliedes. Denn ein Klagelied 
ist das Stück, da es einem Verstorbenen nachgerufen wird, 
und es beginnt sogleich mit dem 7° des Klageliedes, das 
noch einmal in v. 12 die Klage von neuem anhebt. Ge- 
rade durch den Contrast zwischen der ironisch angewandten 
elegischen Form und dem höhnischen Triumphe des Inhalts 
erhält das Lied seine ätzende Schärfe. Ein Klagelied haben 
schon die LXX darin erkannt, indem sie an dieser einzigen 
Stelle (14, 4*) bio mit &e7v0¢ übersetzen. Während alle 
Neueren, soweit mir bekannt, dies übersehen, macht Lowth 
darauf aufmerksam und gibt die Erklärung dafür in den 
sehr verständigen Worten : ,Oftenbar sahen sie die hier 
eingeschaltete Rede als ein poetisches Stück an, und zwar 
von der elegischen Art; sei’s nun wegen des Inhalts, weil 
es ein Lied vom Fall und Tode des Königs von Babylon 





ist; oder wegen des Baues der Verse, die von der längeren | 


Art sind, gleich denen in den Klageliedern Jeremiä, die bei 
den LXX 8o7woı heifsen“ *). 


1) Nur wenige Verse verfallen wie in Thr. 5 in den Ley’ schen 
„katalektischen Hoxameter.“ 

*) Lowth Jesaias übersetzt von Koppe, 1. Bd. 8. 218 f. Den 
elegischen Charakter betont übrigens auch Drechsler unter Hinweis 
auf das er. 


Budde, das hebräische Klagelied. 15 


Damit ständen wir vor der Möglichkeit, dafs der spätere 
Verfasser von Jes. 14 die Kunstform eben von dem Buche 
der Klagelieder, durch das sie eingebürgert worden, ent- 
lehnt hätte. Aber Ewald meint ein anderes Stück als 
Muster annehmen zu müssen, bei dem er zuerst diese Ge- 
stalt zu finden glaubt, Ez. 19. Wir werden damit auf 
eine ganze Gruppe solcher Stücke hingewiesen. Ezechiel 
verwendet eingestandenermafsen die Form des Klageliedes 
in einer Reihe von Stücken in mehr oder minder über- 
tragenem Sinne !). Sechs Stücke sind bei ihm als AyD an- 
gekündigt (vgl. 19, 1; 26, 17; 27,2; v. 32; 28, 12; 32,2), 
und zweimal wird auch in der Schlußformel das Stück 
wieder als solches bezeichnet (vgl. 19, 14; 32, 16); eines, 
32, 17 £., wird durch das Zeitwort 19 wenigstens dieser 
Gruppe angenihert. Und sie alle, so mufs ich behaupten, 
tragen denselben formellen Stempel, der an dem Buche 
der Klagelieder und Joes. 14 nachgewiesen wurde, aller- 
dings nicht überall gleich scharf und schön ausgeprägt, 
aber doch so, dafs sich erkennen läfst, wie Ezechiel 
überall dieses Schema als das gebührenderweise zu befol- 
gende Muster gegenwärtig war. 

Die Reihe eröffnet cap. 19 : „Du aber, hebe an ein 
Klagelied auf die Fürsten Israels und sprich u. s. w.* Es 
ist ein wirkliches, ernstgemeintes Klagelied, wie Smend 
richtig betont, auf zwei Fürsten, die als solche todt sind; 
auslaufend in ein anticipirtes, prophetisches auf einen 
dritten, mit dem zugleich Stadt und Volk sterben mufs 
(v. 10-14) 2). Fast überall, sagt Ewald, brechen darin 
die Verse in der Mitte derart auseinander, „dals die zweite 


*) Von 8 Stellen für das Verbum } xp finden sich 4, von 18 fiir 
ID 10 bei Ezechiel. 

*) So mindestens die Voraussetsung des Stückes. Ob dasselbe erst 
nach Zerstörung Jerusalems niedergeschrieben ist, kommt hier nicht im 
Betracht. 


16 Budde, das hebriische Klagelitd. 


Hälfte rasch abgebrochen nur wie ein vergehender kurser |: 
Nachklang seuizend folgt.“ Ich finde darin unter 38-29 
Versen mindestens 16 ganz dem aufgestellten Schema ent- 
sprechend. Daneben kann man 2*, 4°, 7*, 11° nach 2) 
wohl noch gelten lassen; wenn aber vielleicht schon bei 
diesen die Ursprünglichkeit des Textes besweifelt werden 
mufs, so ist für andere Abweichungen entschieden der 
schlechte Zustand desselben verantwortlich su machen. 
Einige Andeutungen mögen hier stehen. Vers 3*, nach 
dem Athnach, ist beschädigt; wahrscheinlich ist vor 3" 
ein zweites 1337, = dem Schlufswort von 2* ausgefallen, 
vgl. das doppelte Wea" v.9° und ähnliche Wiederholungen. 
Ebenso ist 9* unvollständig, worauf schon das störende 
na ‘OD hinweist, wovon die Peschit& nur das erste Wort 
wiedergibt; eine plausible Wiederherstellung weils ich nicht 
zu bieten; die übrigen Glieder sind dann in Ordnung, mit 
wean beginnt b, mit pod c. — In v. 10 ist Sinn und 
Rhythmus bei Smond’s Verbesserung My2 gewahrt. — 
Vers 12 ist auch abgesehen vom Rhythmus nicht in Ord- 
nung. Liest man mit Ewald und Smend mys, so macht 
das Suffix in winds neben ay neue Schwierigkeiten. Es 
ist vielmehr das schliefsende | von fan zu MOY zu ziehen, 
das von porn als dittographisch oder nach dem folgén- 
den Verbum ergänzt su streichen; die beiden Verba sind 
dann zum Vorhergehenden zu ziehen und bilden das zweite 
Glied eines mit my beginnenden guten Verses. Ob ferner 
12° noch einmal mit WM begonnen hat? Es bleiben dann 
noch als zu gleichschwebend gebaut 11° (auch >?), 12%, 13, 
vielleicht alle durch Hinsusetsung oder Auslassung eines 
Wortes verstümmelt, während die zwei Verse in 14 wieder 
ganz regelrecht abschliefsen. Uebrigens ist es fraglich, 
ob Ezechiel selbst hier, in diesem so schönen und kunst- 
vollen Liede, das Schema so regelmä/sig hat durchführen 
wollen und können, wie die Verfasser von Thr. 1—4 und 


Budde, das hebräische Klagelied. 17 


Jes. 14. Das Schema selbst ist als mafsgebend nachge- 
wiesen. 

Das nächste als Klagelied bezeichnete Stück ist nur 
von geringem Umfang; es umfalst einschliefslich der Ein- 
leitung nur die Verse 15-18 des 26. Capitels. Hier ist 
es eine officielle Leichenklage über den Fall von Tyrus, 
unter Beobachtung von Trauerceremonien angestimmt von 
den Fürsten des Meeres. Diese Einleitung reicht von v. 15 
bis in den 17. Vers hinein : erst nach dem 95 Mom tritt 
mit dem charakteristischen 7 das eigentliche Klagelied 
ein, und — sogleich begegnen uns wieder die scharf zu- 
geschnittenen Verse unseres Schema, deutlich zu verfolgen 
bis sum Schlufs von v. 18, wo der Prophet mit einem 
„denn also spricht der Herr Jahve* das Wort zurücknimmt 
und in ruhigen, gleichschwebenden Versen fortfährt. In 
b Versen verläuft das kurze Liedchen. Der erste schlie(fst 
mit 531, sein erstes Glied mit Dw; die Textänderung 
Pay) oder m1apY) für Navy (vgl. Smend) dient wie dem 
Sinne so auch dem Rhythmus, da ohne sie der Vers zwei 
gleich schwere Sinneseinschnitte aufwiese. — Der letzte 
Vers ist verstümmelt, da vom zweiten Gliede nur das Wort 
“neun übrig ist. Die Uebersetzungen gehen hier weit 
auseinander. Die LXX lassen den ganzen Vers 18° aus. 
Bei der Uebersetzung der Vulgata ist für pan gelesen x, 
die Zeile „eo quod nullus egrediatur ex te‘ kann eine ver- 
zweifelnde Wiedergabe von “nxyn sein. Die Peschita 
setzt voraus : OFD OM, das letzte Wort gibt sie durch 
die syrische Transscription von "nbsp, wie im ersten Gliede, 
das 9 davor fehlt. Ebenso ist das we ganz ausgefallen. 
Daran wird anzuknüpfen sein. Ich lese entweder : 
‘3 DFR cz oder, da das “we nicht ursprünglich scheint : 
'S OVD OF Ww, oder : 'yola 0370 (vgl. c. 27, 3, 15, 
Ps. 97, 1). Die erste Fassung ist die leichteste, doch läfst 
sich das O'3 Ws gerade aus der Absicht, den Doppelsinn 


von OX glossirend hervorzuheben (vgl. Smend zu der 
Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 23. 1882. 


18 Budde, des hebräische Kiagelieä. 


Stelle), erklären. Die tibrigen Verse sind in bester Ord- |! 


nung. 


Wenige Verse weiter, 27, 1, erhält der Prophet selbst || 
den Auftrag, ein Klagelied über Tyrus anzustimmen. Die | 


bertihmte, kulturhistorisch und geographisch so wichtige 
Schilderung des Handels und Reichthums von Tyrus und 
seines jähen Sturzes ist gewils mit ihren endlosen Auf- 
sählungen ein wenig dankbares Thema für ein in bestizamte, 
fein gegliederte Kunstform gegossenes Lied. Und doch 
ist auch unser Capitel ganz nach dem Schema gebaut, un- 
ermüdlich hat Ezechiel mit dem Stoff gerungen, durch 
das ganze lange Capitel hindurch; unter 64 elegischen 
Vergen ') zähle ich nur etwa 13, die nicht wenigstens 
äußserlich dem Schema genau entsprächen. Will man sich 
mühelos davon überzeugen, so lese man von v. 26 an, wo 
die Schilderung des Marktes zu Ende ist und die weit 
poetischere des Sturzes beginnt. Man wird von da an 
bis zu Ende mit alleiniger Ausnahme zweier etwas zweifel- 
haften Verse, die in v. 33 vereinigt sind *), lauter gans 
regelmälsig gebaute Verse lesen, 23 an der Zahl ®). Um 
sich zu überzeugen, dafs es im übrigen Theile des Capitels 
ebenso steht, beginne man etwa mit v. 7 und lese bis v. 13 
incl., man wird dort 14 Verse finden, wenn man als ihren 
Schlufs jedesmal Athnach und Soph Pasuq nimmt, die 
Cäsur jedesmal nach dem Zageph-Qaton, einmal in 7° nach 
dem Tiphcha eintreten läßt. Die ersten Gliede. ind oft 
seltsam gespreizt wegen der Aufzählungen, für die zweiten 
weils Ezechiel stets 2 bis 3 Worte zu finden, bis zu formel- 





ee ee 


1) Zu beginnen ist wohl mit ’5) yy in v. 8, allerdings sogleich 
mit 2 unklaren Versen. 

*) Vielleicht sind darin je in dem zweiten Gliede die Worte 139 
and 155, späterer Zusatz. 

5) Ob der letste, = 28, 19>, absichtlich su gleichschwebendem 
Rhythinus zurückkehrt oder feste Formel ist, lasse ich dahingestellt. 


90 Budde, das hebräische Klagetied. 


nicht hingestellt, es fehlt ihm auch die wesentlichste Be 
dingung dafür, die Darstellung des Sturzes als eines bereits 
vollzogenen, als Todesfall empfundenen und beklagten; 
und dem entsprechend erweist es sich auch als Unmög- 

lichkeit, das Stück nach unserem Schema abzutheilen. Den- | 
noch darf es nicht verschwiegen werden, dafs einige Ab- 

sitse als „elegische“ Verse zu lesen sind und in einem 
susammenhingenden Klageliede nicht anders aufgefalst 
werden könnten. Man theile vor allem nur 9, ®, 10* bei 
Zageph qaton und Tiphcha, um sich davon zu überzeugen, 
wenn man auch finden wird, dafs die Einschnitte sehr 
schwach sind. Ich meine die Erscheinung daraus erklären 
zu müssen, dafs der Prophet die Stücke uno tenore schrieb 
und der Tonfall des Klageliedes ihm so im Ohre lag, dals 
die Worte sich mehrfach swanglos in ihn fügten. — Mit 
v. 11 f. aber wird ein neues Klagelied in gewohnter Weise 
angekündigt, das der Hauptbedingung, den Stars als voll- 
sogen darzustellen, entspricht. Aber auch hier macht der 
Prophet zunächst gar keine Anstalten, in den Rhythmus 
des Klageliedes einzulenken, und vergebens wäre das Be- 
mühen, mehr als leise Anklänge daran aufzuzeigen. Aber 
nicht bis zum Schlufs. In v. 18 und 19 fafst er noch ein- 
mal die Schuld und die Strafe des Königs von Tyrus zu- 
sammen, greift nun klar und fest den Rhythmus des Klage- 
liedes auf und führt das Stück in 5 scharf geschnittenen 
Versen zu Ende. Damit gar kein Zweifel bleibe, lautet 
der letzte Vers ebenso wie der Schlufsvers von cap. 27. 


Noch einen Schritt weiter geht die Auflösung in dem 
letzten Stücke, welches als My) angekündigt wird, in 32, 
1—16. Auch die Fiction des eingetretenen Todes ist hier 
aufgegeben '), und was den Vers anbetrifft, so ist fast 


') Schon in den ersten Worten, die ja auf das wirklich bereits 
Geschehene gehen, nicht erst in v. 8. (Smend.) 





Budde, das hebräische Klagelied. 31 


durchweg ein ganz anderer, gleichschwebender, meist zwei- 
gliedriger Vers mit auffallender Genauigkeit eingehalten !). 
Aber auch hier steht es anders mit dem Schlafs. Von 
v. 12 an tritt nach einem kurzen Vorschlag der Vers des 
Klageliedes ein. Die ersten drei Verse wird man leicht 
erkennen (Trennung bei dem Zageph qaton), der vierte, 
13“, könnte Zweifel erregen, doch spricht für Streichung 
des zweiten ondsn > nicht nur die Entbehrlichkeit, son- 
dern auch die singularische Form. In der Peschft4 fehlen 
diese Worte. Vers 14 will wieder nicht stimmen, v. 15 
läfst sich nicht ohne Schwierigkeit in zwei richtige Verse 
theilen (Verstheiler Zageph, Cisur bei Rebia und Athnach), 
und bei beiden wage ich nicht zu behaupten, dafs es früher 
besser damit gestanden habe. So verläuft dieses letzte 
Klagelied in jeder Beziehung im Sande, wie in der Hal- 
tung und Ausprägung des Gedankens, so auch in der dich- 
terischen Form, und es gehört allerdings eine so nachdrück- 
liche Versicherung, wie Ezechiel sie in v. 16 gibt, dam, 
uns glauben zu machen, dafs wir es wirklich mit einem 
Klageliede zu thun haben. 

Als letztes, bei dem nun folgenden Stücke v. 17—32, 
das Ewald und Smend unnöthigerweise als Grablied von 
dem Trauerlied unterscheiden ?), schwindet auch die ge- 
wohnte Einleitungsformel, das nom TTP xy, und ein 
blofses U nimmt die Stelle ein. Dennoch flackert auch 
in diesem Stücke gelegentlich noch der begrabene und ver- 
schüttete Rhythmus auf in dem n1aD 111220 (v. 22, und 
nur in dem Suffix verschieden v. 24, 25, 26), das jedesmal 
mit der vorhergehenden Aufzählung einen elegischen Vers 


") Vgl besonders v. 4. 5. 7.8. Kein einziger Vers läfst unser 
Schema zu. 

*) In Wirklichkeit könnte es dem Inhalte nach nur allenfalls die 
np sein, die v. 1—26 nicht ist. 


32 Budde das hebräische Kiagelied. 


bilden könnte und in seiner dumpfen Wiederholung aa 
ähnliches in cap. 27 anklingt '). 

Wir können also bei Esechiel, der überhaupt in der 
hebräischen Prophetie die allmähliche Auflösung ihres 
Bundes mit der Poesie einleitet, in auffallender Stetigkeit 
durch vier aufeinander folgende Stücke hindurch auch die 
allmihliche Auflösung der Form des Klageliedes verfolgen. 
Und doch lebt sie später in Jes. 14 nicht, wie Ewald be 
hauptet, an dem Vorbild von Ex. 19 oder auch 33, 1—16, 
sondern gerade an dem fast formlosen Stück Es. 32, 17 ff. 
wieder suf, ein Beweis, wie wenig der Verfasser für die 
Form eines Lehrmeisters bedurfte. 

Wenn wir nun ferner sehen, wie bei Ezechiel keine 
anderen Stücke als nur eben diese, mit My'p bezeichneten, 
diese Versform aufweisen*), wenn wir sie dagegen von 
ihm gleichzeitig mit der Abfassung des Buches der Klage- 
lieder in typisch festem Gebrauch eben bierfür finden : 
so ist damit der Beweis erbracht, dals er diese Form für 
das Klagelied als längst überliefert vorfand und darauf 
rechnen durfte, Aurch diese gewohnten Klänge besonders 
tiefen Eindruck hervorzurufen. Dales dies kein Irrthum ist, 
soll zunächst aus einigen Stücken des Propheten Jeremia 
bewiesen werden. 

Das Wort nyp findet sich bei ihm 3 mal, 7,29; 9, 9. 10. 
In der ersten Stelle wird der Aufforderung, ein Klagelied 
anzustimmen, in Worten keine Folge gegeben, sie ist an 
Zion gerichtet, Gott aber fährt sogleich in der Rede fort. 
In cap. 9, 9 dagegen heifst es : „Ueber die Berge will 
ich Weinen und Weheruf (YD) erheben, und über die Auen 
der Steppe ein Klagelied : dafs sie verbrannt sind, von 
Niemand durchwandert, und keiner Heerde Stimme ver- 
nehmen.* Und nan wirdman in dem folgenden Abschnitt 


— nn | nen cee nn 


') 8. übrigens über =) weiter unten. 
*) So ist gleich die 447; in cap. 17 ganz anders gebaut. 





Budde, das hebräische Klagelicd. 23 


s zu Ende von v. 10 den Rhythmus des Klageliedes 
sıtlich erkennen. In our 3 klaren Versen nach unserem 
thema wird die Rede Jahve's zu Ende geführt '), bis in 
‚11 die Frage eingeworfen wird. wer denn den Rath- 
hlufs Jahve’s verstehe. — Viel charakteristischer aber 
sd umfangreicher ist das folgende Stück, von v. 16 an : 
3o spricht Jahve Zebaoth : Merket auf und rufet die 
lageweiber (mlyn), dafs sie kommen, und zu den weisen 
rauen (mpon) sendet, dafs sie kommen : dafs sie eilends 
heben über uns den Weheruf, und unsere Augen rinnen 
m Thrinen und unsere Wimpern triefen von Wasser.“ 
an erkennt deutlich gleichschwebenden Rhythmus. Aber 
8 wenn inzwischen nach einer Pause die Weiber gekommen, 
‚ heben nun die gebrochenen Rhythmen des Klageliedes 
ı, sogleich auch im Beginn des zweiten Gliedes das 1%, 
ıd die Klage ergiefst sich in zwei solchen Versen in v. 18. 
ann bricht sie ab, und in gleichschwebenden Versgliedern 
geht eine neue Aufforderung (v. 19) : „Denn höret, ihr 
Veiber, das Wort Jahve’s, und euer Ohr nehme auf das 
Vort seines Mundes; und lehret eure Töchter den Wehe- 
af, und eine die andere das Klagelied (mp). Und nun 
gt ein echtes Klagelied in den gewohnten Versen, deren 
bis zu Ende von v. 21 folgen, um dann ganz scharf 
rieder gewöhnlichem Tonfall Platz zu machen. Das 
wy Ow) 7D 135 zu Anfang von v.21 ist mit LXX (Ew., 
traf) zustreichen. Es ist Glosse zu v. 19 und will darauf auf- 
nerksam machen, dale v. 20 f. eben das Klagelied ent- 
alten, ist also obendrein an die falsche Stelle gerathen. 
Das "3 su Anfang von v. 18 und 20 ist nicht zu über- 
setsen, vielmehr blofse Einführung der citirten directen 
Rede (cf. Ges. Thes. sub B. b.) *). 


') Anfang mit mıyy, die Cäsuren der 8 Verse sind richtig mit 
Zagoph und Tiphcha bezeichnet. 

*) Zweifelhatt könnte dies nur für v 18 erscheinen, wenn man 
dort die directe Rede erst mit dem x beginnt; doch setst der Rhyth- 
mus schon mit Anfang des Verses ein. 


94 Budde, das hebräische Klagolied. 


Die Stelle ist durchschlagend, wir müssen deshalb hier 
einen Augenblick innehalten, um aus ihr die unabweisbaren 
Folgerungen zu ziehen. Im ganzen A. T. wird an dieser 
einzigen Stelle jenes hochwichtigen Bestandtheiles aus dem 
Apparat des feierlichen Leichenbegiingnisses, der Klage- 
weiber, nUNpp, Erwähnung gethan, denn in den nw 
neben den o'”59 in II. Chr. 35, 25 haben wir es mit 
einer starken Verallgemeinerung zu thun. An unserer Stelle 
erscheinen sie durchaus als Klageweiber von Profession, 
die herbeigerufen werden, wo man sie nöthig hat, um 
eilends die AYP anzustimmen; nicht sind es die Weiber der 
Familie, des Ortes, die vorkommenden Falles dieses Ge 
schäft übernehmen. In Parallele zu dem "sp steht der 
Ausdruck mon „die weisen Frauen“, auch nur hier im 
A. T. zu finden (anders Jud. 5, 29). Diese Bezeichnung 
giebt eine sichere Gewähr dafür, dafs es sich bei ihrem 
Amte nicht blofs um gewohnheitsmälsig handwerksmälsiges 
Gebahren, schmutzigen, zerlumpten Aufzug, Schmerzens- 
gesten, Heulen, Ausrufe handelt, sondern um eine wirk- 
liche Kunst, und in der “yp um ein wirklich gesungenes 
Lied mit vernüuftigem, in Worten niedergelegtem Inhalt, 
dichterischer Form und musikalischer Composition. Das 
wird ferner bestätigt durch die Aufforderung in v. 19. Die 
Weiber sollen horchen auf das Wort Jahve’s durch des 
Propheten Mund und dann die 3‘ einander gegenseitig 
und jede ibre Töchter lehren, die in den folgenden Versen 
gegeben wird. Es ist also ein neues, kunstvolles Klage- 
lied, was sie den alten, die sie bereits können, hinzufügen 
und weiter verbreiten und vererben sollen; sie haben Ur- 
sache aufzuhorchen, wo dergleichen zu hören ist. Ist aber 
die dichterische Form dieses Stückes dieselbe wie desjenigen 
in v.18, das höchst wahrscheinlich den Klageweibern selbst 
in den Mund gelegt ist; finden wir ferner, wo immer eine 
MP citirt wird, diesen selben Rhythmus wieder, so ist dies 
eben der feststehende Rhythmus der eigentlichen yp, be- 


Budde, das hebräische Klagelied. 2% 


gründet auf eine stehende Melodie, die ihm in einer län- 
geren und einer nachfolgenden kürseren musikalischen 
Phrase genau entsprach. Das ist ein sicherer Schluls, 
mögen wir auch über die Art der Musik gar nichts aus- 
sagen können. Nur der Umstand, dafs es für die kunst- 
volle Leichenklage eine solche stehende Melodie gab, und 
dafs diese Melodie auch den Text in so charakteristische 
Rhythmen zwang, lälst es begreifen, wie die Propheten, 
wenn sie mit ihren Klagen einen recht tiefen Eindruck 
machen wollten, sogleich in diese Versform übergehen. 
Weckten sie doch mit diesem Tonfall in den Herzen aller 
Hörer die Erinnerung an ernste T'age und Stunden, in 
denen sie um die Leichen ihrer Angehörigen standen und 
mit trauerten und klagten. 

Für die hier vertretene, mir vor jeder Vergleichung 
unzweifelhaft gewordene Auffassung fand ich in vielen 
Stücken eine höchst willkommene Bestätigung aus dem 
frischen Leben der heutigen Orientalen in einem auch 
sonst ungemein inhaltreichen und wichtigen Aufsatze von 
Wetzstein!).. Während sonst der Ritus der Leichen- 
klage, von dem Koran ungern gesehen, bei den verschie- 
densten orientalischen Stämmen immer mehr in Verfall ge- 
räth und insbesondere die lautlichen Aeufserungen meist 
nur noch in inartikulirten Tönen oder kurzen Rufen und 
Formeln bestehen, hat hierin wie in vielen anderen Dingen 
(vgl. Wetzstein’s Excurse zu den Commentaren von 
Delitzsch) Syrien in der Umgegend von Damaskus, 
Dscholän, Haurän u. s. w. alte Sitte treu bewahrt, sodals 


1) „Die syrische. Dreschtafel“ in Bastian’s Zeitschrift für Ethno- 
logie 1878. 8. 270 ff, 5) „Die Tafel als Paradebett“ 8. 294 ff. Die 
Nachweisung des Aufsatzes, der leider an so entlegener Stelle er- 
schienen ist, und vor allem mit einom Titel, unter dem nicht leicht 
Jemand dergleichen suchen wird, verdanke ich der Güte Gilde- 
meister’s. 


26 Budde, das hebräische Klagelied. 


vielfache unmittelbare Uebereinstimmung mit dem Alten 
Testament sich nachweisen läfst. Dort ist bei Juden, Mo- 
hammedanern und Christen aller Schattirungen in Stadt, Dorf 
und Zelt, eine im ganzen identische, sehr umständliche 
Leichenklage in Gebrauch, aus deren Beschreibung ich das 
für unseren Zweck Wichtige heraushebe. 

Die vollständige Leichenklage dauert 7 Tage und wird 
täglich mindestens einige Stunden von den dasu bestimmten 
Weibern erhoben. In den Städten, vor allem in Damaskus, 
giebt es einen vollständigen, zunfimälsig geschulten W eiber- 
chor, die lattämät, „die sich ins Antlitz schlagen“, denen 
der Chor der weiblichen Verwandten u. s. w. respondirt. 
An Stelle dieses ganzen geschulten Chores, von dem ab- 
wechselnd eine die Vorsängerin zu machen pflegt, tritt auf 
dem Lande eine berufsmäfsige Solosingerin, die kauwäla, 
„die Sprecherin, Dichterin“, selten von einer oder zwei 
anderen unterstütst. Sie ,mufs eine gebildete Stimme, 
einen reichen Vorrath von Nänien und ein gutes Gedächtniß 
haben, damit sie sich nicht auffillig wiederholt, was bei 
einer vollständigen, also siebentägigen Klage nichts Leichtes 
ist, wenn diese auch des Tags auf 2!/, Stunden beschränkt 
wird. Doch fehlt es im Lande nicht an solchen Sänge- 
rionen, weil ihr Beruf sehr einträglich ist. Die Nänie, . .., 
welche immer die poetische Form, Metrum und Reim 
haben mufs, besteht meistens aus einem Doppelvers, doch 
auch aus 3 und 4 Versseilen und ist — abgesehen von 
ihrem oft gröfseren, oft (besonders wenn es Stegreifverse) 
geringeren poetischen Werthe — dem Sinne nach etwas 
Abgeschlossenes, ein fertiges Bild. Nach jeder Nänie er- 
hebt der Chor den Weheruf. Dasselbe geschieht, wenn 
das Klagelied aus einer längeren Ode bestehen sollte, nach 
jeder einzelnen Strophe. Zum Chore gehören sämmtliche 
Frauen, welche den Ring um das Zelt bilden; sie heifsen 
reddAdat „die Respondirenden® oder neddab&t und nauwä- 
hat „die Klagefrauen“. Der Weheruf, in Syrien wélwéla, 


28 Budde, das hebräische Klagelied. 


die Propheten von der Anwendung dieser Rhythmen müssen 
versprochen haben. Die Ableitung des Wortes myp, die 
W etzstein giebt, verdient alle Beachtung; er führt es 
auf die Stammesbedeutung „künstlich bilden, zusammen- 
fügen“ zurück und läfst die Wahl, „ob es von der poetischen 
Form oder (wahrscheinlicher) von dem den Todten aus- 
schmückenden Inhalt“ benannt ist. Auf Grund des Aus- 
geführten möchte ich für das erstere eintreten und vor 
allem darauf aufmerksam machen, dafs 73°p und MP stets 
nur von wirklichen Klageliedern, von Kunstproducten vor- 
kommen (was auch Es. 2, 10 am nächsten liegt), während 
"U (Wi), wenn es auch in Jer. 9, 9. 19 die Parallele zu 
up hergeben mufs, wenn es auch nach Am. 5, 16 vu yr 
giebt (vgl., was W. über die Kunstfertigkeit beim Weheruf 
8. 297 sagt), doch schwerlich den kunstvollen Klagegesang 
bezeichnet : so sicher nicht in Jer. 31, 15, wo die eigene 
Mutter ihre Kinder beweint, und noch weniger das Zeit- 
wort in I. Sam. 7, 2, wo es am besten mit ,seufsen* 
wiedergegeben wird (nicht „sich versammeln®\. Die De- 
nomination von einem blofsen Ausruf ist mir bei diesem 
Stamm überwiegend wahrscheinlich, und damit fände der 
) seine Parallele an der wélwéla der syrischen Leichen- 
klage *). 

Das Einzige, worin Wetzstein’s Nachrichten und 
die angeführten Beispiele von Klageliedern mit unseren 
Beobachtungen nicht übereinstimmen, das sind die ange- 
wandten poetischen Formen, die Metra der Lieder. Nur 
eine höchst unhistorische Vermessenheit hätte das anders 


') Ges. Thes. erklärt es : clamavit 7, Mn, was nicht wahr- 
scheinlich. Vielleicht ist es ursprünglich Niphalbildung zu dem Aus 
ruf m: n = „nm rufen“, dann zur selbständigen Wurzel geworden, 


von der das Nomen 93 und sugar ein neues Niphal (I. Sam. 7, 2) 
gebildet wurde. 


Budde, das hebräische Klagelied. 29 


erwarten können. Wie bei aller Volkspoesie, so hat sich 
such hier, bei gröfsester Zähigkeit der alten Sitte, der 
stetig sich gleich gebliebene Inhalt in die mit der Zeit 
ebenso stetig fortschreitenden und wechselnden Formen der 
jedesmaligen Gegenwart umgegossen : hier in die gewöhn- 
lichen Metra und gereimten Strophen der arabischen 
Poesie '). Dafs vor 2'/, Jahrtausenden auch in Damaskus 
der im alten Testamente nachgewiesene Klageliedvers ge- 
sungen wurde, kann man allenfalls vermuthen : dafs sich 
heute keine Spur davon mehr finden kann, darf man mit 
weit grölserer Sicherheit behaupten. 

Nachdem so, wie ich glaube, die nachgewiesenen Er- 
scheinungen ausreichende Erklärung, meine daraus ge- 
zogenen Schlüsse hinreichende Begründung erhalten, fahre 
ich in der Aufführung der im alten Testament vorhan- 
denen Stücke in Klageliedform fort. Bei dem Propheten 
Jeremia selbst finden sich noch einige weitere, und zwar, 
wie nicht anders zu erwarten, in cap. 22, wo Jeremia mit 
wahrer eigener Herzenstrauer über die Könige von Juda 
klagt. Hier steigern sich, wenn auch ohne Nennung der 
mp, ohne dafs es sich um wirklich Todte handelte, doch 
einige Stellen bis zur Kunstform des Klageliedes. Es sind 
das 4 Verse in v. 6. 7., mit 93 beginnend, durch die be- 
kannten Accente richtig abgetheilt. Sodann 6 Verse in 
v. 21—23. In v. 21° ist das 9 mit LXX zu streichen, in 
22* ist das zweite Glied etwas lang, in 23* die beiden 
Glieder gleich lang. Da diese 2 nicht regelrechten Verse 
von 4 anderen umschlossen werden, so wage ich es den- 
noch, das Stück als mit Absicht klageliedähnlich zu be- 


1) Die deutsche Literaturgeschichte liefert dafür die schlagendsten 
Belege, aber auch die späteren Juden haben ihre alte poetische Form 
verlassen und vergessen und sich der arabischen Poetik gefügt. Wie 
früh ihnen jene abhanden gekommen ist, beweisen die vielfachen Text- 
verderbnisse, die uns hier begegn;n. 





90 Budde, das hebräische Klagelied. 


trachten. In beiden Stücken macht es einen besondere, | 
wehmüthig schönen Eindruck, wie Jahve gleichsam dem | 
Königshause und Zion die Klage abnimmt und selbst esim 
Strafankündigung in sie einkleidet. Ich betone aber am 
drücklich, dafs hier das Klagelied in eine rhetorische Fors 
ausgelaufen ist, fast unwillkürlich angewandt, ganz ande 
als in cap. 9. — Gelegentliche Anklänge finden sich sud 
in v. 10 und 13 f., aber sie widerstreben dem Versuch 
ein Stück geordnet abzugrenzen. 
Weitere Stücke habe ich bei Jeremis nicht gefunde, 
Klagelieder kündigt mit dem Worte mp an asd 
Amos. In cap. 5, 1 heilst es : „Höret das Wort, das id 
als Klagelied über euch anhebe, Haus Israels : 
Gefallen ist, stehet nicht wieder auf 
Die Jungfrau Israel 
Auf ihren Boden ist sie hingeworfen, 
Keiner hebt sie auf.* | 
Zwei Verse genau nach unserem Schema, und das Lied ist 
zu Ende. — In cap. 8, 10 ist die Ankündigung finstere 
Trauerzeit selbst in das Gewand des Klageliedes gekleidet, 
als wenn mit dem Worte ryp das Klagelied selbst herauf 
käme. In v. 9 heifst es : „Und an jenem Tage, spricht 
der Herr Jahve, 
Lasse ich die Sonne niedergehen am Mittag 
Und verfinstere die Erde am hellen Tage 
10) Und ieh verwandle eure Feste in Trauer 
Und all eure Lieder sum Klagelied 
Und bringe über alle Hüften das Trauergewand 
Und auf jedes Haapt eine Glatse 


Und versetse sie wie in Trauer um den einzigen Sohn, 
Mache ihr Ende wie einen herben Tag.“ 


Es lifst sich schwerlich verkennen, wie v. 9 noch völlig in 
gleichschwebenden Gliedern sich ergeht, die auch logisch 
sich die Wage halten, und wie dann mit v. 10 der Rhyth- 
mus des Klageliedes eintritt und jedes erste Glied das | 





Budde, das hebriische Klagelied. $1 


Prädicat fir das zweite mit erhilt'). In nur 3 Versen 
bat sich der Ton des Klageliedes erschöpft. 

Endlich mit dem Worte 9 führt die directe Rede 
eines Klagelicdes ein Micha in cap. 2, 4. Es ist das die 
einzige Stelle, wo eine Klage angestimmt wird, ohne dafs 
seh behaupten dürfte, dafs auch hier der Prophet jenen 
Rhythmus angewendet habe, oder, wenn ich dabei bleibe: 
welches die Grenzen dieser Anwendung seien. Das Klage- 
lied sollte eigentlich beginnen mit seinem ersten Ausruf 
pimp, der durch das eingeschobene om als directe Rede 
angekündigt wird. Aber 4*, die Einführung des Lied- 
fragmentes, liefse sich auch, sogut das auf Zufall beruhen 
kann, als ein elegiseher Vers bei dem Febia theilen, und 
man könnte sich dafür auf Am. 8, 10 berufen. In 4 mufs 
man fragen, ob das eingeschobene 1px mit in den Rhythmus 
gehört — dann wird mit der Anführung des Klageliedes 
selbst kein rechter Ernst gemacht; oder ob es nicht mit- 
gerechnet ist — dann bleibt zwar das Uebergewicht des 
ersten Gliedes noch ausreichend gewahrt, aber der Ein- 
druck des Stückchens ist schwer geschädigt. Endlich 4° 
Wlst sich, da in einem Stückchen von 2—3 Versen die 
oben gesetste Licens Nr. 3) nicht in Betracht kommen 
kann, als elegischer Vers schlechterdings nicht begreifen, 
und eine Umstellung, wodurch allerdings ein regelrechter 
Vers entstiinde, wage ich nicht zu vertheidigen. Nehme 
ich an, dafs der Text ganz in der ursprünglichen Fassung 
vorliegt, so muls ich zugeben, dafs der Prophet eine An 
wendung unseres strengen Schema nicht beabsichtigt hat, 
und das dann daraus erklären, dafs Seo, das allgemeinere 
Wort, voransteht, ‘mn, wie oben ausgeführt, ein kunstmäfsiges 
Klagelied wohl nicht bezeichnet : dafs der Dichter deshalb 


) Nur scheinbar in v. 10° anders, wosu die Ueberseisung von 
DOW im ersten Glide zwang. 10 ist wohl nach Nr. 2) su er 
klären. 


82 Budde, das hobräische Klagelied. 


in der gewöhnlichen Rede verblieben ist und den Klagetn 
scharf genng durch die Rufe mm) und %% glaubte markir 
zu haben '). 

Und nun will ich von der Schwelle des prophetische 
Schriftthums aus, wohin uns die Amos-Stellen geführt 
haben, allmählich hinabschreitend, die Stellen aufführen, 
an denen ohne Kundgebung der Absicht der Rhythmus 
des Klageliedes in zusammenhängenden Stücken sich findet; 
es wird sich daraus ergeben, was gewils nicht mehr über- 
raschen kann, dafs für den Propheten, den vorsugsweix 
: klagenden, elegischen Volksredner, dieser Tonfall ein vor 
andern beliebtes Mittel war, Stimmung bei dem Volke a 
erwecken. 

So ist in Hosen 6, 7 ff. die Klage Gottes fiber die 
Treulosigkeit und Verderbtheit seines Volkes in die Form 
eines eigentlichen Klageliedes gegossen. Nur die Darstd- 
lung dieses Zustandes hat diese Form, das’ Vorhergehende 
nicht. Der Text ist von dem Masorethen mehrfach falsch 
abgetheilt; Aenderungen, die auch durch den Sinn geboten 
und theilweise schon vorgeschlagen sind, werden durch die 
Beobachtung des Rhythmus bestätigt. Vers 7 und 8 sind 
klar. In v. 9 ist der Schlufs des ersten Verses bei o'y%, 
die Cäsur bei Ov) zu setzen, nicht über das Zageph hin- 
weg bis zum Athnach fortzulesen ?). Es ergeben sich dann 
2 regelmäfsige Verse, auch der Sinn gewinnt. Vers 10 ist 
mit omonx5 zu schliefsen (Verstheiler Athnach); das 
Ser’ mo) ist zu v. 11 zu ziehen, und das MW 2D in 
v. 11 ist zweites Subject zu NDI, wodurch Schwierigkeiten 
beseitigt werden. In dem kürzeren Halbvers 75 ap rw 


‘) Zufällig sind wohl Anklänge an den Rhythmus des Klageliedes 
in 1, 6. 14; 2,2. 

*) Aus Nowack Hosea ersehe ich, dafsauch Wünsche so theilt. 
Er hat hier Recht, die Bedenken N.’s dürften schon durch Stellen wie 
Jos. 10, 9; 29, 7 beseitigt sein und sind gewils nicht grofs. 





Budde, das hebr&ische Klagelied. 33 


wendet sich Gott in theilnehmender Anrede zu der neuen 
Person Juda hin, im Uebrigen wird sich Ewald’s Auf- 
fassung von Y¥p und dem ganzen Halbvers empfehlen. 
Die letzten Worte wey Maw ‘sw’s hat schon Ewald richtig 
zu cap. 7 gezogen, der Rhythmus bestätigt dies, indem 
sie nun mit den zwei ersten Worten von cap. 7 einen 
regelrechten Vers ausmachen und zwei weitere in v. 1 
übrig lassen. (Haupttheiler das erste Zageph, Cäsuren bei 
dem Paschta und zweiten Zageph). Vers 2 enthält zwei, 
v. 3 einen richtig geschnittenen Vers, mit v. 4 bricht der 
Rhythmus ab. Es liegt also hier ein Stück von 12 tadel- 
losen Versen vor, bei dem Zufall ausgeschlossen ist. Dafs 
der Gegenstand für weitere Uebertragung des Klageliedes 
ein sehr geeigneter ist wird man nicht leugnen können. 
Bei dem älteren Jesaja findet sich cap. 1, 21 das ASW 
des Klageliedes, und mit ihm stellen sich zwei Klagelied- 
verse nach unserem Schema ein. In 21b ist deutlich der 
stärkere Einschnitt nach >, und das erste Glied nach Nr. 1 
in Ordnung. — In 22, 3. 4 liegen sicher vier Klagelied- 
verse vor; der Form und dem Inhalt nach könnten sie 
dem Buche der Klagelieder selbst angehören. Vers 1 und 
2 dagegen würde man nur mit Mühe und nicht fehlerlos 
nach ‘dem Schema lesen können; doch mulfs ich, namentlich 
auch der Sprache und des Zusammenhangs wegen, ver- 
muthen, dafs v. 3 und 4 in späterer Zeit wegen der klage- 
liedähnlichen Haltung von v. 1. 2 hier eingeschoben sind, 
was hier nicht weiter ausgeführt werden kann. — In cap. 23 
— die jesajanische Abfassung lasse ich hier dahingestellt — 
gehört das Fragment aus dem Liede von der vergessenen 
Buhlerin hierher. Die Art der beiden Verse, die v. 16 
bilden, ist wie 1, 21. b. Das Lied ist gewils ein spotten- 
des Klagelied über die quasi-Leiche gewesen, und unser 
kleines Fragment schliefst alles eher in sich, als dafs der 
Buhlerin ihr Singen so gut helfen werde, wie Tyrus sein 


erneuter Handel. Es ist eben nur Hohn. Wir sehen also, 
Zeitschrift f. 4. alttest. Wiss. Jahrgang 3. 1882. 3 


34 Budde, das hebräische Klagelied. 


dafs auch der Volksmund sich des Klageliedes zu anderen 
Zwecken bemächtigt hat. 

Bei Obadja finden sich zwei kleine Stücke, die in 
unserem Rhythmys verlaufen; beide lösen sich scharf aus 
der Umgebung los. Das zweite, v. 12—14, würde aw 
8 Versen bestehen, deren zweites Glied mit einer Aus 
nahme (14a) von dem stereutypen ra Of2 (va ITS 
u.8. w.) gebildet wird. Es scheint hier die Annahme nicht 
ausgeschlossen, dafs ein formell gleicher Effect durch en 
materiell gans verschiedenes Motiv herbeigeführt ist; doch 
läfst der Gegenstand auch die Form des Klageliedes als 
beabsichtigt zu. — Dagegen ist das erste Stück, v. 6. 7, 
ein aus 4 Versen bestehendes, nach Inhalt und Form ur- 
sprüngliches, mit dem charakteristischen we eingeleitetes 
Klageliedchen !). Dafs auch aus diesem Zusammenhange 
unter Zerstörung des rhythmischen Baues Stücke in Jer. 49 
sich wiederfinden, dürfte als ein neues Moment für die 
wesentliche Priorität von Obadja zu betrachten sein 2). 

Weiter darf ich nicht übergehen ein Paar von Pro- 
pheten, bei denen eine gewisse Abschwächung in dem Ge- 
brauche unseres Schema zu spüren ist, es sind das Nahum 
und Zephanja. Beide gebrauchen das Schema nicht mehr 
so absichtlich, nicht in so specifisch geeigneten, noch in so 
scharf abgegrenzten Stücken, es fliefst ihnen mehr unwill- 
kürlicb mit ein. Man könnte diese Erscheinung gegen 
den eigentlichen Kern dieser Abhandlung ins Feld führen, 
wenn nicht durch die grofse Zahl als Klagelieder ausdrück- 
lich bezeichneter Stücke die Thatsache selbst, dafs dieses 
Schema das des wirklichen Klageliedes war, unerschütter- 
lich feststände, und wenn nicht andererseits in den be- 
sprochenen prophetischen Stücken jeder Schritt, der weiter 


1) In 7a das 55 zu streichen ? 
*) Wofür ich mich auch in Jahrbb. f. deutsche Theol. 1878 8. 456 
entschieden habe, 





86 Budde, das hebriische Klagelied. 


Endlich noch das Buch Deutero-Jesaja. In seiner 
enarratio metrica des Jesaja gibt Gietmann für cap. 
45, 14—25') und cap. 47 den versus hendecasyllabus an, 
worunter er den Vers von Thr. 1—4 und Jes. 14, 4 ff 
versteht. Nur sum Theil hat sich mir diese Beobachtung 
bestätigt, zunächst insofern, als sich hier allerdings und, 
soweit auch ich sehen kann, nirgend anderwärts in dem 
sonst der Form nach ziemlich gleichmälsig gehaltenen 
Buche der betreffende Vers vorfindet. Aber auch nur mit 
einiger Regelmäfsigkeit durchgeführt ist der Vers in dem 
ersten Stücke nicht. In co. 45, 14-265 sind es im Grunde 
nur wenige Verse, die eine sichere Theilung nach unserem 
Schema gewähren, v. 17 mit zwei, v. 26 mit einem Verse, 
daneben nur einzelne Theile der masorethischen Verse, 
während das Gleichgewicht durch andere Rhythmen so- 
gleich wieder gestört wird. Von bewulster Anwendung 
der Form des Klageliedes kann demnach hier keine Rede 
sein, wie denn auch der Inhalt in keiner Weise dasu auf- 
fordert. Anders steht es mit cap. 47. Da klingt uns in 
v. 1 in der Anrede an die Jungfrau, Tochter Babel, so- 
gleich das Klagelied entgegen, und wir werden, wenn auch 
hier spottweise, lebhaft erinnert an die Klage um Jeru- 
salem in dem Buche der Klagelieder, daneben an die Klage- 
lieder Esechiels. Aber wie bei den späteren Stücken dieses 
Propheten, so ist auch hier die Form nicht ängstlich ge- 
wahrt, sondern bricht nur an den Hauptstellen, von dem 
Inhalt fast unwillkürlich geschaffen, hindurch. So besteht 
v. 1 aus 3, v. 5, ganz gleichen Inhalts, aus 2 Klagelied- 
versen; v. 8 bietet 3 schon weniger scharf geschnittene 
Verse; v. 10 f. 6 ziemlich gute, und v. 14 fafst zum Schlufs 
den Rhythmus energisch auf und läfst das Klagelied in 
5 guten Versen ausklingen. Dazwischen scheint es hie 


!) 80 8. 25, 8. G1 der Druckfehler : 46. 


Budde, das hebräische Klagelied. 37 


und da, ale wenn wir es nur mit verwischten, verschwim- 
menden Klageliedrhythmen zu thun hätten, dann wieder 
treten ganz andere Rhythmen ein. 

Die Thatsache, dafs nur hier im Buche des Deutero- 
jesaja die Form des Klageliedes sich findet, steht in schönster 
Congruenz mit der anderen, dafs dieses Stück auch dem 
Inhalte nach in dem ganzen Buche das einzige Klagelied 
genannt werden kann und in der Stimmung wie in dem 
Verhiltnifs des Propheten zu dem Gegenstand seiner Rede 
von allen anderen sich scharf abhebt ‘). 

Soweit meine Beobachtungen in den prophetischen 
Büchern. Dafs sich gelegentlich dazu noch ein Nachtrag 
wird liefern lassen, wage ich nicht zu bezweifeln : doch 
ist, hoffe ich, mit obiger Aufziihlung annäbernde Vollstän- 
digkeit, wie beabsichtigt, so auch erreicht. 

Ich schliefse die Reihe mit dem einzigen Stücke aus 
dem Buche der Psalmen, das sich völlig ebenbürtig jenen 
zur Seite stell. Ein eigentliches Klagelied auf den Tod 
eines Menschen findet sich in dieser Sammlung subjectiv- 
lyrischer Gedichte nicht. Zur übertragenen Anwendung 
des Klageliedes gehören folgende Bedingungen, die in den 
oben angeführten prophetischen Abschnitten, soweit sie 
sicher erkannt werden können, mit ganz unwesentlichen 
Ausnahmen, erfüllt sind : 1) Ein unwiderruflich abgeschlos- 
senes, irreparables Geschehen, auf das nur rückwärts ge- 
blickt wird, während der Blick in die Zukunft im wesent- 
lichen ausgeschlossen ist, 2) was damit gegeben ist : scharte 
Unterscheidung des Klagenden von dem Objecte seiner 
Klage. Dem entsprechen weder die persönlichen Klage- 
psalmen, in denen dic zweite Bedingung, noch die nationalen, 
in denen die erste regelimälsig verletzt wird, da sie alle 
den Blick in die Zukunft richten, keine gleichsam liturgische 


) Man wird hiergegon cap. 68 unmöglich anführen können. 


38 Budde, das hebräische Klagelied. 


Haltung haben. Aber ein Psalm schlägt mit Bewufstsein 
in dramatischem Interesse den Ton des Klageliedes an, 
das ist Ps. 137. Ein frohes Lied fordern die Gewalthaber, 
aber nur Leichenklage um Zion tönen Mund und Saiten, 
und so erklingt die Antwort der Gefangenen sogleich in 
Gestalt eines Klageliedee um Jerusalem, in dem dießahreakens- 
bilder des Obey oY wieder heraufsteigen. Und wie es 
ausgeklungen, da richtet sich der Blick wieder zurück auf 
die Unterdrücker und die Gegenwart, und ein Fluch gegen 
Babel schliefst das Stück. Mit ye beginnt die Antwort 
der Gefangenen in v. 4, damit auch tritt das Schema des 
Klageliedes fest und sicher ein, bis zum 8. Verse hin, wo 
die Anrede 533°n2 wieder auf die Gegenwart hinlenkt. 
In 6 ganz unbezweifelbaren Klageliedversen hebt sich so 
der Kern des Psalmes von Einleitung und Schlufs ab, ein 
schlagendes Beispiel von dem specifischen Charakter, der 
dieser Versform beiwohnte. 

Aber es gilt nun auch die Ausnahmen ins Auge zu 
fassen; die Fälle, in denen die Form des Klageliedes sich 
findet, ohne dafs ihr der Stoff entspräche, und weiterhin 
etwaige Klagelieder, die doch die hergebrachte Form nicht 
aufweisen. 

Stücke der ersteren Art finden sich in dem Buche der 
Psalmen nicht selten, wie schon von Anderen bemerkt 
worden. So constatirt Ewald den ,Langvers*, De- 
litsech das „Cüsurenschema“ bei manchen Psalmen oder 
Theilen derselben : umfassendere Beobachtungen der Art 
finden sich bei Gietmann und besonders bei Ley. Wenn 
der letztere für diese Stücke einen besonderen Vers, den 
Dekameter, im Unterschied von seinem elegischen Penta- 
meter, annimmt, so sind formelle Gründe, die hier allein 
entscheiden können, dafür nicht beizubringen, wie denn 
auch keineswegs jedesmal Verspaare, dem Ley’schen 
Dekameter entsprechend, sich in jenen Psalmen zusammen- 





Budde, das hebräische Klagelied. 39 


thliefeen lassen '). Genauere Erkenntnifs des uns beschif- 
genden Verses aber gebietet eine scharfe Sichtung der 
m Ley aufgeführten Psalmen, zumal dieser nicht weniger 
s 8 rhythmisch ganz verschieden wirkende Verse unter 
sm Begriff des Dekameters zusammenfafst. 

Obenan mufs Ps. 42—43 stehen ?), weil bei ihm die 
[öglichkeit nicht abzuweisen ist, dals der Dichter mit 
ewulstsein die Form des Klageliedes als seinem Stoffe, 
em eines persönlichen Klageliedes, entsprechend gewählt 
at. Der Beweis für diese Möglichkeit liegt vor in Threni 3. 
ach dort ist Subject und Object der Klage identisch, 
uischt sich die Huffnung auf eine bessere Zukunft ein; 
ndererseits zeigen uns 42, 5. 7; 43, 3 genügende Spuren 
uch objectiver Verluste. Das Stück ist weit überwiegend 
ı Versen nach unserem Schema, aber mit sehr leichter 
‚äsur, geschrieben, der Kehrvers (v. 6. 12; 43, 5) besteht 
us zwei Versen, deren zweitem noch ein drittes Glied 
IR YO MW) hinzugefügt ist °). 

Die übrigen Stücke mögen nach der Psalmzahl ge- 
rdnet folgen. Grölsere Kürze empfiehlt sich bei diesem 
\ppendix von selbst. Am leichtesten erkennbar und am 
ligemeinsten erkannt ist Pr. 19, v. 8 ff. Ueber die Frage, 
rieweit diese Versform reiche, herrscht grofse Meinungs- 
erschiedenheit *). Meine Abtheilung stimmt bis v. 14 mit 


%) Vgl. Ley 8. 52 f. 45 f., Gietmaun 8. 85. 

*) Erkannt von Ewald und Ley. 

*) Vers 1a (bis sum Athnach) stimmt nicht; in 1b die Cäsur beim 
liphcha. In 8b die Cäsur beim Rebia. v. 5 gibt zu Bedenken An- 
afs : ich würde versuchen, in a und b die Cäsur vor %y und y zu 
etsen. In v. 7 schliefst a mit "=. v. 9 stimmt nicht. v. [la a 
st mur swei Worte (otwa su lesen : ninyy> ny riz 33°). 48, 1b 
cheint unvollständig. In 4a ist das zweite Glied su lang, in 4b das 
wete Glied etwas kurz. Trotz dieser Bedenken glaube ich nach reif- 
icher Ueberlegung an beabsichtigte und ursprünglich vorhandene 
Regelm&fsigkeit. 

*) Schlimme Verwirrung stiftet hier Ley (8. 256 f.). Vgl.’ übrigens 
ie bekannten Autoren. 





40 | Budde, das hebräische Klagelied. 


der von Delitzsch, ich erkenne bis dahin 12 klare Vem |: 
nach unserem Schema, nur 11a und b nach Nr. 2 se |i 
klären. In v. 15 dagegen ist der Verstheiler nicht zu ver } 
legen : ich sehe darin einen abschliefsenden Vers wie da | 
Kehrvers 42, 6 u. s. w., gebildet durch Hinzufügung eins } 
dritten Gliedes. 

In Ps. 27 scheinen v. 1—10 nach unserem Schem 
gebaut zu sein. Etwas schwierig 2a und 7; schwierige 
v. 6, aus dem mit der Bickell’schen Vermuthung mr 
statt mm) drei wonig befriedigende Verse zu mache 
wären. Dagegen sind v. 8 und 9 dadurch herzustelke, | 
dafs von v. 9 die Worte 320 "non Sx (0 zu streiche) 
zu v. 8 gezogen werden. Es entstehen dann 4 gute Vers, 
und auch der Sinn gewinnt. Von v. 11 an tritt ein anderer 
Vers ein !). 

In Ps. 65 hat Delitzsch richtig ein Stück nach 
unserem Schema abgegrenzt, die Verse 5—8, 5 Verse ent- 
haltend und einen sechsten, v. 8, wiederum mit Hinzu 
fügung eines kurzen dritten Gliedes. Wenn nun Giet- 
mann es fertig bringt, den ganzen Psalm nach dem versus 
hendecasyllabus abzutheilen (S. 108), so beweist er eben 
damit, dafs auch bei seinem System alles möglich ist. Die 
Verse, mit "ws beginnend, heben sich in ihrem ruhigen 
Lob Gottes klar aus dem Zusamınenhang heraus. 


In Ps. 84 scheint zu Anfang ein zusammenhängende 
Stück vorzuliegen. Vers 2 und 3 bieten drei gute Verse, 
v. 5 und 6 je einen. Vers 4 gibt zuerst einen guten Vers 
(zweites Glied mb jp m); die zweite Hälfte des Verses 
ist dreigliederig : die richtige Iösung der Schwierigkeit 
nach Sinn und Metrum hat Ley gefunden (Stud. u. Knit 
1877, 3.508), indem er MON ANS WR streicht und 50 einen 
zweiten guten Vers gewinnt. „Die Schwalbe, die bei den 


ı) Hier wie anderwärts mufs Ley zwischen seinen Dekameten 
ungezählte Halbverse stehen lassen. 


Budde, das hebrXische Klagelied. Al 


Heiligthiimern Jahve’s nisten darf, ist glücklich gegen den 
Sanger, der fern sein mufs.“ V. 7 ist vielleicht als ver- 
mehrter Schlufsvers zu betrachten. Weiter vermag ich 
hier den Vers nicht zu verfolgen und verweise dafür auf 
Bickell und Gietmann. 

Ps. 101 ist ganz in unserem Schema gehalten, ziemlich 
allgemein beobachtet '). 

Endlich ist unser Rhythmus besonders häufig in der 
Reihe der nvdbyan nw, Ps. 120—134, derart, dafs sie noth- 
wendig gemeinschaftlich in Betracht gezogen werden müssen. 
Es hat mir zwar mit meinen beschränkteren Mitteln nicht 
gelingen wollen, wie Bickell die ganze Reihe aufser 
Ps. 132 nach diesem Schema zu erklären *), noch auch wie 
Gietmann und Ley bestimmte Psalmen diesem, andere 
ebenso bestimmt verschiedenen anderen Schemata zuzu- 
weisen °) : ich will mich darauf beschränken, das that- 
sächlich nach unserem Schema zu Beobachtende anzuführen. 

In Ps. 120 widerstreben dem Schema nur v. 2 und 5; 
in beiden liegen Textänderungen zur Herstellung desselben 
nicht fern. 

In Ps. 121 sind v. 1. 2 anders gebaut; am Ende von 
v. 7 darf nicht mit Ley nach LXX ein mt eingeschoben 
werden. 


') Ewald constatirt nar „meistens lange Versglieder“, ganz richtig 
wieder Delitzsch gegenüber den Velleitäten von Ley, Bickell, 
Gietmann. Vers 1 und 2a sind nicht gans in Ordnung. LXX ziehen 
Tue su v. 2 und lassen ein folgen; der Versbau würde dann be- 


friedigen, der Sinn, wie mir scheint, verlieren. Vielleicht statt "yp 
blos er zu lesen, statt ve in v. 2 15. v. 8a nach Nr. 2, nicht gans 
leicht. Daneben 11 gute Verse. 

*) Hier bei Bickell das Schema 7, 5, 7, 5 u. s. w., für diese 
Stücke auch von Gietmann statt seines hendecasyllabus angenommen. 

*) Interessant ist es zu sehen, wie Ley 127 und 180 als Hexam. 
suffafst, die Gietm. nach 7, 5 construirt; Gietm. 128, 125, 184 als 
beptas., 128 als bexas., Ley diese sämmtlich als dekam. und pentam, 
'aufführt. 


43 Buddo, das hebräische Kingelied. 


In Pe. 122 sind die Verse 2, 4 (2 Verse), 6, 7, 9 nach 
unserem Schema zu lesen, die Verse 1, 3, 5, 8 nicht. 

Ps. 123 bietet nur in v. 1 und Ende v. 2 Spuren. 
Delitzsch theilt ihn nach dem Cäsurenschema. 

In Ps. 124 würde die Hälfte der Verse : 1, 2, 5, 6 
stimmen. 

In Ps. 126 heben sich die Verse 3 und 4 mit 3 Versen 
heraus. 

Pe. 126 gehört ganz unserem Schema an. Es wider- 
strebt da nur v. 2b mit zu langem ersten, v. 6a mit etwas 
langem zweiten Gliede. 

Ps. 127 bietet aufser in 2b tiberall Verse nach unserem 
Schema, nur mehrfach nicht scharf geschnitten, so besonders 
in v. 1 und 3. 

Ps. 128 ist nach unserem Schema gebaut; v. 5 würde 
aus zwei klaren Versen bestehen, wenn nach dem Haupt- 
theiler noch ein kürzeres paralleles (ilied folgte, das auch 
für den Zusammenhang wünschenswerth ist. 

In Ps. 129 stimmen nicht v. 6 und 8; v. 4 mülste 
nach Nr. 3 getheilt werden. 

In Ps. 1380 ist v. 2 bis zum Haupttheiler zu v. 1 zu 
ziehen. Es stimmen dann alle Verse bis auf 6 und 7. 

Px. 131 stimmt bis auf v. 2, der ein Glied zuviel hat: 
vielleicht ist wo) %y Som als Glosse zu entfernen. So 
auch Bickell. 

In fs. 132 lassen sich nur die Verse 1, 4, 9, 12—14 
nach unserem Schema lesen, 13 und 14 unsicher genug. 
Die Absicht scheint hier ausgeschlossen, umsomehr, als auch 
Ps. 133 nicht ohne künstliche Theilungen ') und Ps. 134 
gar nicht nach unserem Schema zu lesen sind. 

Das Resultat scheint mir folgendes zu sein. Die Psalmen 
120 und 121, 126—131, also 8 von 15 sind höchst wahr- 


!) Vgl. am besten noch Gietmann 8. 130, mit dessen Theilung 
meine eigene versuchsweise unternommene genau übereinstimmt. 


44 Budde, das hebräische Klagelied. 


irgend Rücksicht zu nehmen. Die Möglichkeit solchen 
Verfahrens kann nicht bestritten werden; die Zeit, von der 
an sich die Kunstpoesie in dieser Weise populärer Form 
bemichtigte, lifst sich nicht bestimmen, doch sind unter 
den angeführten Psalmen keine Stücke von unzweifelhaft 
hobem Alter; auf die völlig gesicherte Beobachtung unseres 
Schema bei dem Klagelied kann dadurch kein Schatten 
geworfen werden. 

Aber auch an Beispielen für den anderen Fall, dals 
für ein wirkliches Klagelied die gefundene Form nicht an- 
gewandt ist, fehlt es nicht, vielmehr lassen gerade die 
beiden einzigen wirklichen Klagelieder, d. h. Lieder auf 
den Tod eines Menschen, die im alten Testament vor- 
kommen, IJ. Sam. 1, 19—27 und 3, 33 f. dieselbe ver- 
missen '), Bei dem zweiten Stück, dem Klagelied Davids 
über Abner, kann man zweifeln, ob es wirklich genaue 
Wiedergabe der Worte, oder nur zusammenfassende Inhalts- 
angabe ohne jede Rücksicht auf die Form ist; bei dem 
Klageliede David’s über Saul und Jonathan aber ist das 
unmöglich, das Stück ist eine MYp in extenso, als Kunst- 
werk auch der Form nach aufzufassen. Da nun die ältesten 
uns erhaltenen Stücke nach dem Klageliedschema bei Amos 
und Hosea, nicht über das 8. Jahrhundert zurückgehen, 
könnte man annehmen wollen, dafs sich diese Klagelied- 
form erst nach David entwickelt habe; aber ich vermag 
dieses Auskunftsmittel nicht zu ergreifen, weil ich mich 
versichert halte, dafs, was im 8. Jahrhundert schon in 
tibertragenem Sinne verwandt werden konnte, als integri- 
render Bestandtheil der Sitte in hohes Alterthum, auch 
über David hinauf reichen mufs. Die richtige Erklärung 
ist eine ganz andere. Wohl haben wir es mit einer IP 
zu thun, aber nicht mit der officiellen, stereotypen der 


t) Kin Umstand, der gewifs vielfach, namentlich bei Ewald, der 
richtigen Erkenntnils bezüglich des Klageliedes im Wege gestanden hat. 





Budde, das hobräische Klagelied. 45 


weiber, sondern mit einer exceptionellen, privaten, 
2 eben darum auch der populären, gewils sehr kunstlos 
ihabten Form entzieht und in freien, dem Gefühle 
los entströmenden Rhythmen sich ergeht. Je weiter 
‚ umso weniger wahrscheinlich, dafs der König sich 
thythmen der Klageweiber anbequemt. Man darf 
cht die Hypothese wagen, dafs nie ein eigentliches 
lied aufser denen der Klageweiber nach unserem 
aa gesungen ist; dals dieses vielmehr aulser der prak- 
n Verwendung im täglichen Leben nur übertragen 
nwendung kommen konnte, und keine Spur desselben 
ns gekommen wire, wenn nicht diese letztere Ver- 
ıng bei den Propheten aufgekommen und beliebt ge- 
m wäre. 
[ein Material ist erschöpft : es bleiben mir aus dem 
legten nur noch einige Folgerungen zu ziehen. Zu- 
am Buche der Klagelieder. Warum cap. 5 nicht in 
>rm des Klageliedes geschrieben, ist nun klar : weil 
m kein Klagelied ist, der Dichter hier keine Veran- 
w fand, an die Leichenklage zu erinnern. Das hin- 
msoweniger, falls man sonst dazu Veranlassung zu 
glaubt, das Lied derselben Hand zuzuschreiben ; es 
sich abschliefsend als Schilderung der traurigen Gegen- 
-echt gut an die Klage der Vergangenheit an. Um 
:herer rührt cap. 3 nicht von dem Verfasser der 
sn Capitel her. Es repräsentirt ein sehr weit vorge- 
-enes Stadium der Uebertragung, dem die wichtigsten 
male der eigentlichen Leichenklage (s. oben) fehlen, 
.ur noch etwa durch Ps. 42 f. belegt werden kann. 
‘orm ist eben der der zwei ersten Capitel genau nach- 
it, zugleich aber in einer Aeulserlichkeit übertrieben; 
thalt mufste wohl schon deshalb ein persönlich-sub- 
x werden, weil der Verfasser über den Gegenstand 
apitel 1, 2, 4 nichts neues und nicht aus eigener An- 
img zu berichten wufste. Von der gerühmten und 


46 Budde, das hobräische Kiagelied. 


besonders von Ewald eifrig verfochtenen Einheitlichkeit 
und Planmälsigkeit des Buches der Klagelieder bleibt dem- 
nach nicht viel übrig; nur damit mag es seine Richtigkeit 
haben, dafs der Verf. von cap. 3, schon von der Sage aus- 
gehend, dafs Jeremia der Verfasser der Lieder sei (vgl. 
II. Chron. 35, 25), sein Stück in die Mitte einrückte, ge 
rade um dem Ganzen mebr Manuigfaltigkeit und Leben 
and damit sugleich festeren Halt zu verleihen. Das erste 
Capitel dem Vertasser von 2 und 4 absusprechen, wie 
Thenius thut, sehe ich keinen Grund '). 

Viel wichtiger sind die Schlüsse, die von hier aus für 
die gesammte Poetik der Hebrüer sich ergeben, und, wie 
mir scheint, sehr geeignet, beliebt gewordene falsche 
Theorieen zu widerlegen. — Wir haben einen bestimmten, 
scharf geschnittenen Vers erkannt und von allen anderen 
klar unterschieden, der dewufste Gebrauch dieses Verses, 
im Unterschiede von anders gearteten, zu einem bestimmten 
Zwecke, reicht in der uns erhaltenen Literatur bis in hohes 
Alterthum hinauf und mufs im Leben noch viel weiter 
zurückgreifen. Es ist dies die erste vollkommen gesicherte Be- 
obachtung dieser Art, und wir werden gut thun, uns daran 
vor allem zu halten. Der Unterschied dieses Verses von 
anderen beruht auf der Zahl seiner Glieder und ihrem 
Längenverhältnifs untereinander ?). Diese Glieder aber 
werden abgetheilt durch Einschnitte des Sinne«, nieht durch 





1) Das oben ekissirte Resultat stützt sich natürlich auch auf andere 
Gründe, die hier keine Stelle finden. 


*) Den Versuch wirklicher Messung der einselnen Versglieder nach 
einem bestimmten Mafsstabe, Bilbe, Versfufs, Hebung, Wort, würde 
ich selbst dann hier unterlassen, wenn ich die Ueberzeugung theilte, 
dafs hier und senst in der hebräischen Poesie nach genauem Metrum 
gearbeitet wäre. Ich verweise dafür nur auf Auge und Ohr, die hier 
jedenfalls ausreichen. Viel liegt mir daran, eine hier hoffentlich er- 
reichbure Einigung nicht sogleich wieder durch mehr oder minder sub- 
jective Theorieen su gefährden. 


48 Budde, das hebräische Klagelied. 


hervortrete, und der ,Parallelismus des Gedankens®, wenn 
er vorkomme, meistens der Unterparallelismus eines Gliedes 
fir sich sei. Dieses Vorkommen, von de Wette der 
Häufigkeit nach nur bedeutend unterschätzt, beweist eben 
am besten, dafs wir es hier nicht mit Versgliedern, sondern 
(wenigstens ursprünglich) mit selbständigen Versen zu thun 
haben. Und diese Thatsache wird unumstöfslich durch die 
Gewilsheit, dafs unsere Verse gesungen worden sind und 
gerade die wiederkehrende sweitheilige, aus längerem Auf- 
und kürzerem Abgesang bestehende Melodie es gewesen 
sein muls, die diese regelmäfsige Wiederkehr des Vers- 
rhythmus bedingte. Nicht mit je 2 oder mit je 8 Versen 
war die Melodie zu Ende, sondern mit jedem einzelnen 
unserer Verse; denn in Thr. 4 vereinigt der Buchstabe je 
2, in Thr. 1 und 2 je 3 Verse, in anderen Stücken schliefsen 
sich noch andere Summen, und zwar höchst schwankende 
und verschiedene an einander an, und doch wollen alle 
diese Stücke denselben eintönigen Rhythmus des populären 
Klageliedes wiedergeben. Vielleicht unbewufst hat denn 
auch unser Klageliedvers selbst die entschlossensten Me- 
triker in nicht geringe Verlegenheit gebracht. Ley, der 
seine Strophen auf ganze Verse, nicht auf Stichen aufbaut, 
erkennt in den Threni einen ,elegischen Pentameter*, 
während er denselben Vers sonst zum Dekameter macht, 
ohne doch dazwischen die pentametrischen Halbzeilen los- 
zuwerden. Bickell, der mit Stichen operirt, erkennt um- 
gekehrt in Thr. 1—4 ein metrum dodecasyllabum, während 
er für die Psalmen (14, 19, 27, 48, 84, 101) ein Schema 
7,4, 7, 4, für die „psalmi graduales* und einige andere 
7, 5, 7, 5 statuirt. Ebenso Gietmann, nur dafs er dem 
versus hendecasyllabus der Klagelieder noch einige Stücke 
zuweist, unter anderen auch Ps. 14, 19, 27, 84, 101 : zum 
Beweise der Identität beider Metra. Es bleibt dabei, der 
Vers des Klageliedes schliefst sich in einmaligem Eintritt 
des längeren und des kürzeren Gliedes ab. 


Budde, das hebriische Klagelied. 49 


Der zu Grunde liegende feste zweigliedrige Parallelismus 
aber stellt unseren Vers dem allgemeinen Verse mit gleich- 
schwebenden Gliedern an die Seite; der Klageliedvers mußs- 
durch Modification des letzteren entstanden sein. Durch 
regelmifsige Verstümmelung des zweiten Gliedes in einem 
gewöhnlichen Verse ist dieser für das Klagelied in so hohem 
Mafse gevignete Vers mit seinem echoartigen Nachhall, 
dem immer wiederholten Hinsterben des Rhythmus, ge- 
achaffen. Ist nun der Parallelismus in dem Verse des 
Klageliedes poetische Form und nicht blofs rhetorischer 
Charakter, so ist er es auch in dem gleichschwebenden und 
in anders modificirten hebräischen Versen. Im Verse wird 
sich die einfache Melodie des alten hebräischen Liedes 
tiberhaupt ebenso abgeschlossen haben, wie dies für das 
Klagelied bewiesen ist, und damit ist dem neuerdings so 
beliebten Verfahren, den Stichos als die metrische Einheit 
hinzustellen, um dann desto ungestörter rhythmisch werth- 
lose Strophen nach eigenstem Ermessen zu bilden, wie mir 
scheint, das Urtheil gesprochen !). 

Aber auch hier möchte ich nicht nur negiren, sondern, 
soweit es an mir ist und mein Gegenstand es mit sich 
bringt, auch aufbauen. Und dazu dürfte nicht leicht ein 
anderer Ausschnitt dieses Gebietes so geeignet sein, wie 
dieser. Der herrschende hebräische Vers mit seinen gleich- 
schwebenden Gliedern ist zur Bildung von Strophen, von 
höheren rhythmischen Einheiten, der denkbar ungeschick- 
teste. Er ist es darum, weil er sich als schon zusammen- 
gesetzte Einheit nach innen hin selbst so fest abschliefst 
und seinen eigenen Schwerpunkt schafft, dafs er einen An- 
schlufs über sich hinaus nicht nur nicht verlangt, sondern 
eher abweist. Daher zum guten Theil die überwiegend 


*) Höchst erfreulich war mir, neben anderen gelegentlichen Aeufse- 
rungen von Fachgenossen, die derbe Skeptik, mit der Gietmann 
(8. 85 f.) die ganze Strophensucht abweist. 

Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 2. 1882. 4 


8 Budde, das hebriische Klagelied. 


gnomische, fast aphoristisch klingende Haltung hebräischer 
Poesie, der Mangel einer eigentlichen epischen Kunstform; 
daher das immer wiederholte Bemühen eifriger Strophen- 
theoretiker, den Hemmschuh des Parallelismus loszuwerden. 
Es ist deshalb in hohem Grade unwahrscheinlich, dals 
Strophen, die den Namen verdienen, zu den ursprünglichen 
Bildungen hebräischer Poesie gehören. Etwas besser steht 
es in dieser Hinsicht mit dem Klageliedverse, wie wir dn- — 
selben in einer so grofsen Reihe von Stücken verfolgt 
haben. Der starre centrale Bau des Verses ist hier durch- 
brochen, das Gleichgewicht aufgehoben, weil der Theil- 
punkt sich nicht mehr mit dem Schwerpunkt deckt; der 
Vers eilt auf das Ende zu, weist über sich hinaus und er- 
strebt ein neues Gleichgewicht durch Anschmiegung an 
einen gleichen Vers, nach demselben Gesetze, das die Glieder 
sum Verse zusammenfügte !). Dasu drängte noch der 
weitere Umstand, dafs es bei umfangreichen Gedichten 
immer schwerer werden mulste, das kürzere Glied sur 
vollwichtigen Parallele des ersten auszubilden, während zu 
gleicher Zeit der scharfe, unverbrüchliche Zuschnitt der 
beiden Glieder einen unmittelbar rhythmischen Eindruck 
machte und den Sinnesparalleliamus kaum mehr vermissen 
liefs. So wurde das zweite kürzere Glied häufig blofs da- 
durch gebildet, dafs ein Satztheil — Subject, Prädicat, 
Object, adverbiale Bestimmung — aufgespart und in auf- 
fallender Weise an das Ende geschoben wurde, wie sich 
die Beispiele dafür in den besprochenen Stücken zahlreich 
finden. Solche rhythmisch vollständigen Verse verlangten 
aber dem Sinne nach parallele Ergänzung, und so schlossen 
sich wohl von selbst, ohne irgend welche Absicht der Bil- 
dung höherer poetischer Einheiten, meistens zwei oder mehr 
Klageliedverse enger an einander an, als dies sonst der 


*) Vgl. Hupfeld, Psalmen, 2. Aufl. 8. 23 ff. 





52 Budde, das hebriieche Klagelied. 


ständen, begegnen, berechtigt nicht nur, sondern nöthigt 
uns zu der gröfsesten Behutsamkeit auf diesem Gebiete, 
und ein frommer Wunsch mufs vor allem im Interesse der 
Sache ausgesprochen werden : dafs man mit strophischen 
Theorieen doch solange zurückhalten möge, bis wir in das 
Wesen des hebräischen Verses tiefer eingedrungen sind, 
als das bisher der Fall ist. 

Ein Beitrag sur Lösung dieser Aufgabe will der vor 
liegende Aufsatz sein. 


Erst nach Abschlufs dieses Aufsatses wurde mir be 
kannt : Neteler, Grundsüge der hebräischen Metrik der 
Psalmen. Münster 1879. Der Verf. tritt der Hauptsache 
nach in die Fufstapfen Ley’s, indem er die masorethische 
Aussprache und Accentuation beibehält, die Tonsilben zählt, 
den masorethischen Vers, wenigstens principiell, zur me 
trischen Einheit macht. Das Resultat seiner Zählungen 
ist, trotzdem er in seinen Regeln grofsen Spielraum lälst, 
ein wenig befriedigendes und dazu oft genug nach da 
Verf. eigenen Regeln anzufechten. Wie kühn er gelegent- 
lich verfährt, mag Psalm 2 zeigen (8. 10), in welchem er 
das erste Wort von v. 2, die 2 ersten von v. 8 zu dem 
vorhergehenden Verse zieht, v. 12 vom Athnach an als 
selbständigen Vers von drei Füfsen abtrennt. Von den in 
vorliegender Arbeit behandelten Stticken hat er die Psalmen 
121, 122, 127, 128, 129 berticksichtigt (S. 21 f.), doch ist 
seine Analyse für uns werthlos, da er das Verhältnifs der 
Stichen zu einander gar nicht in Erwägung sieht, ja den- | 
selben nach S. 6 metrische Geltung ganz absusprechen | 
scheint. — Zu 8. 12 Anm. 2 muls ich berichtigen, dafs | 
nur die Uebersetsung von Jes. 14 von Kamphausen |, 
herrührt, die dort angeführte Strophenabtheilung dagega | 


von Bunsen selbst. 








Lexikalisches 
von Georg Hoffmann. 
(Bohluls.) 


II. 
fare. var. 

Eine Untersuchung dieser Worte, welche Abraham 
Geiger’s Bemerkungen angeregt haben, erschien nach 
den wenig sachkundigen und schwankenden Begriffsbestim- 
mungen in Jacob Levy’s neuhebräischem Wörterbuche 
wünschenswerth. Bis wir ein wirkliches Wörterbuch der 
Mischna von einem Forscher erhalten, der, wie Blümner 
auf dem Gebiete des Griechischen und Lateinischen gethan, 
von der Untersuchung der Sachen ausgeht, der die Mischna 
von ihren Auslegern in der Gemara, das Hebräische vom 
Aramäischen scheidet, wird J. Levy immerhin einem nicht- 
jüdischen Gelehrten neben Buxtorf und namentlich 
Surenhusius seinen Weg erleichtern. 

8 1. op bedeutet ursprünglich eine rechteckige Kiste 
ohne Boden, welche auf den feuchten Thon gedrückt und 
mit einem Holz oben abgestrichen (abgezogen) wird, um 
den Ziegel zu formen; dabei liegt der Thon auf einer ebenen 
Fläche : Ziegel streichen, zAsv#ovAxelv. Diese Bedeutung 
hat das Wort, abgesehen von der im vorigen Abschnitt 
besprochenen Stelle, Bäbä msi‘ä 116b pawn ob ‚mx ION 
RED 9) % nm mopbpb mb map Pro an Dy 

:uayn“. Diese Stelle ist ein Interpretament der Mischna 
Baba mai‘a 10, 1: „Wenn der Oberstock eines Hauses“, 
heifst es da, „und das übrige Haus zwei verschiedenen 
Personen angehört und einstürzt, so theilen sie sich nach 
dem Einsturz in die Trümmer; kann einer der Besitzer 


54 Hoffmann, Lexikalisches. 


die vor dem Einsturz zu seinem Theil gehörenden Steine 
herauserkennen, so erhält er sie und sie werden ihm ange 
rechnet : jo 1 may) PHb Ta NYO TID [me Re TN OF 
Jownnm. Bei der Berechnung, sagt die Gemara, können 
entweder die zerbrocbenen Steine resp. Ziegel gezählt 
werden maw nawrn, oder nur die ganzen nmw ‘nm. Nach 
R. Abai’s Meinung ist das Letztere die Ansicht der 
Mischna : „Wenn dem so ist, was folgt daraus? Man hat 
Profit bei einer breiten Ziegelform, falls nämlich auch der 
Thon von der durchgearbeiteten Sorte ist“. Bei Vernach- 
lässigung von Bruchtheilen, mithin auch der Differenz un- 
gleicher Ziegelgröfsen, hat Vortheil, wer einen grölser aus 
gefallenen Ziegel guter Qualität bekommt. Barhebraeus 
Horr. myst. zu 2 Sam. 12, 31 s. Hs. Berlin. iind a 
aad» Lied BH. versteht also x2evPloy als ,Ziegelform® ; 
und diese Bedeutung wird auch anerkannt bei G. D. Victor, 
Caten. in Ierem. t. 2 p. 794 D : zA»dlo» xvglac ro 
Evdov @ rAarrovm tag xAlyPovg. So entnehme ich das 
Citat von Hase in Stephani thesaurus : das Original ist 
mir unzuginglich. Dies ist auch im Griechischen die 
Urbedeutung des Wortes, was H. Blümner, Technologie 
und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Grieeben 
nnd Römern 1879, II, 16 übersehen hat. Auch Maimo- 
nides erwähnt in seinem Commentar zur Mischna dfter 
diese Bedeutung von }250; das Arabische hat dafür nach 


Gauhart und Qämüs in seiner Instrumentalform AS che 
cyl. 

$ 2. In dieser auf eine ihrer flachen Seiten gestellten 
Ziegelform, oder einem nach diesem Muster gefertigten 


Rahmen, transportirten die Ziegelstreicher die neuen 
Ziegel. Dies geht hervor aus Butrus Bistäny’s al-Muhlt 


LU vot cst all as ee 3 olell. „Al-Milban heist 
ein Ding, worin man Ziegel trägt, d. i. ein Geräth des 


Hoffmann, Lexikalisches. . 56 


Ziegelstreichers®, vgl. mit Je" bei Bar BahltlSocin praise 
edo Whale .\inwie 059 zw. Diese Bedeutung vor 
Js ist also von der „Korb® und andern zu unterscheiden : 
vgl. Lane-Zenker Sitten u. Gebr. der Aegypter 3, 56; 
Dosy, Supplém. u. s. w. 

83. Diese hölzerne Ziegelform vergröfsert und auf eine 
ihrer breiten Flächen gestellt, gibt die Thür- und Fenster- 
rahmen, welche in die Maueröffnung eingesetzt zur Auf- 
nahme der Fenstergitter, beziehungsweise der Thürangeln 
mit Thüre dienen. Diese Kategorie ist bereits ausführlich 
besprochen von Frähn, Ibn Foszlan, 1823, 8. 121. 


1. Fensterrahmen Mischna Baba bathra 3, 6 nr1yon yn 
Tee 33 angen por en n we nom 75 wm mens pin mb pe 
m WON TOW TMD a7 Finns ons) di oma bw wien 
2 mm 00% ir Dar Se wan pre vo dy Ae Jabo 
np. Die babylonische Gemara dazu : Aipyyp m 1290 

IND PYD SeDwD) po Tomb nbyobn porn 

„Auf das ägyptische Fenster findet kein Besitzrecht 
Anwendung, dagegen auf das tyrische. Welcher Art ist 
das ägyptische Fenster? Jedes durch welches der Kopf 
eines Menschen nicht hindurchgesteckt werden kann. R.Je- 
huda sagt : wenn es einen hölzernen Rahmen hat, selbst 
wenn der Kopf eines Menschen nicht hindurch gesteckt 
werden kann, findet dennoch das Besitzrecht darauf An- 
wendung.“ 

„Malben ist die Schwelle des Fensters oberwärts, unter- 
wärts, rechts und links, entsprechend der Mauerdffnung.* 

M. Negaim 13, 3 madam ww) ovede Rähme und 
Fenstergitter vgl. Frähn, Ibn Foszlan 8. 121. Lane, 
Sitten und Gebräuche der heutigen Aegypter v. Zenker 
1852, I, Taf. 2. 

2. Thürrahmen bestehend aus den Thürpfosten, der 
Ober- und der Unterschwelle : 





66 Hoffmaan, Lexikalisches. 


onno Sw nvs5o T. B.-Baba bathra 69a. Daher inter 
pretirt Barhebraeus Peschit. Ex. 41, 23, wo von zwei 
Lace Schwellen, die Rede ist, jrcisad u fospied wits 
l2üse, wheot „d. h. den viereckigen Rahmen.“ 

Hierher möchte ich die Stelle Talm. Jer. Schabb. XII 
Anf. ziehen : a m Sw mon II 3 OW THT 
ord 123 Sy wm pdm dou abe wee way TÜR - TOD OD 
3v> ,Rab* Jeremja sagt im Namen Rab’s : Wer aa 
Kräuterlager (vgl. Becker, Charikles II, 122 asus) 
zusammenlegt am Sabbat, gilt für schuldig als Bauender: 
Rab: Ze éra dagegen sagt : er hat nicht mehr Arbeit ver- 
schuldet als einer der am Sabbat einen Rahmen auf die 
Ziegel [einer Maueröffnung] stellt“. Beide Rabbinen gehen 
von dem Grundsatz aus (Mischna Schabb. XII, 1: m 
naws mrovpnn naar nano mwym), dafs nur Arbeit, die 
ein Werk von Dauer erzeugt, Sabbatsverletzung herbei- 
führe; sie unterscheiden sich in dem, was sie für daner- 
haft ansehen sollen. Der Vergleich des Ze dra bezieht sich 
also wohl nur auf Einstellung eines Thtr- oder Fenster 
rahmens in eine Wandöffnung, ohne ihn zu befestigen : 
das ist keine fertige Arbeit, obschon unter Umständen 
etwas nütze. Wäre, wie J. Levy meint, 7259 hier „Zie 
gelform“, so würde das Auflegen der Ziegelform doch wohl 
einen Ziegel fertig stellen heifsen, und zu viel Sabbatarbeit 
sein? Auch sollte man pwn 2) Sy WIN gesagt erwarten. 

8 4. y25n heifsen die su einem Rechteck zusammenge- 
fügten Bretter oder Balken eines Bettes Mwy, eines Sophas 
nw “y, eines Stuhles xo>. 

1. mon ber jaop. Von der Vorstellung, die man sich 
von der jüdischen Bettstelle der ersten christlichen Jahr 
hunderte macht, hängt ab, welcher Theil des Bettes unter 
diesem Namen zu verstehen ist. Gewisse Termini weisen 
darauf hin, dafs die Bettstelle, wie Anderes dieser Art, 
nach den Mustern römischer Industrie gefertigt zu werden 
pflegte, und in der That stimmt die Zusammensetzung de 





Hoffmann, Lexikalisches. 57 


me, welche der Talmud errathen läfst, mit derjenigen der 
römisch-griechischen xAlvr überein. Ueber diese vgl. W. A. 
Becker, Charikles 1840, II, 117; Gallus 1838,1,42. Guhl 
und Koner, das Leben der Griechen und Römer, 1876, 
8. 153 f., und namentlich Overbeck, Pompeji 8. 378. 

Zwei kurze Balken ningp und zwei lange ni sind 
zu einem Rechteck in einander eingesapft : Talm. B. Sukka 
15b, 16a, Schabb. 43a, 158b; Mischna, Kelim 19,6. Waren 
die langen Balken serbrochen, so konnte man zur Kin- 
setzung von neuen die alten Zapflöcher 039) (in den Kurs- 
balken) benutzen : Kelim 19, 6. In die vier Ecken dieses 
Rahmens 955 waren von unterwärts die Bettbeine O’y3 
oder Bettfülse or mittelst ihrer Zapfen mw eingelassen, 
eodafs derselbe unmittelbar auf den Beinen ruhte. Der 
12990 war mit Stricken netzartig bespannt sow; die Maschen- 
vierecke heifsen O’n3; an dem Rahmenhelze waren diese 
Seile mittels der NY befestigt. 

Es waren dies wahrscheinlich an das Rahmenholz ge- 
schlagene kurze metallene Rökrenstücke, durch welche die 
Seile, wie durch Ringe, gezogen wurden. Denn Sy p% 
ws M. Negaim 10, 10 ist der oberste Halswirbel hinter- 
wirts; nu Sw DD ebd. 10, 9 der Kehlkopf, namentlich 
sofern er sich als sog. Adamsapfel vorn am Halse be 
merkbar macht (nicht also das ,Zipfchen* im Mund wie 
Buxtorf will); 9% ist ferner an einem Wein- oder Oel- 
schlauche eine verschliefsbare (metallene) Einfassung der 
Mündungen (Tülle, Hahn), durch deren Loch ausgegessen, 
oder, sofern es sich um die gröfste Oeffnung dieser Art 
am Schlauche handelt, eingegossen wurde : Vgl. Guhl u. 
Koner, d. Leb. d. Gr. u. R. S. 579. - M. Kelim 17, 12: 
Pow na mpp> rye’ mon m mm. Vgl.Lane-Zenker, 
Sitten und Gebräuche der h. Aegypter II, Taf. 40. 41. — 

zum Spinnen ist der Wirtel, verticillum, fusajolo, eine 
durchbohrte Halbkugel, in welcher der lange Spindelstab 
fusus steckt, von Metall, entweder daraus gegossen “7% 


68 Hoffmann, Lexikalisches. 


nome, oder nur damit beschlagen Mowe Kelim 11, 6, zur 
Beschwerung und Beschleunigung der Spindelumdrehung 
dienend : Kelim 21, 1. Vgl. H. Blümner, Technologie 
und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen 
und Römern 1875 I, 120. Wilkinson, Manners and 
Customs of the ancient Aegyptians 1837, IH, 136. — 
np%0 theilt also die Bedeutungen von oyordulog, orpögıyE 
(orpoglyyıov) und ist vielleicht Femininum von p'pm, ein — 
Röhrchen, vgl. m. Auszüge a. syr. Act. pers. Märt. N. 1011. 

An die Stelle eines San scheint der 1p haben treten zu 
können, vergl. syr. Las Bar Ali 5842 mus Barbahlül 
s. v. u] Payne-Smith 1,110, im Syrischen ein Fremd- 
wort, eine Bettgurte : xeıpla eldos Carns bx oyowlon 
xagsoixas luavrı, Becker, ChariklesI, 117. Während man 
die O%3n, rover, mit einander verflocht : 700 RW Jan 
mon Tosefta Kelim Baba msia 9 ed. Zuckermandel 
8. 588, 5 vgl. Mischna Kelim 19, 5. 6, werden die breiten 
Gurten um die Bettstelle nur herumgelegt : “Tw TO 
moon MX 13 Sp a. a. O. 588, 15, 17 (und zusammen- 
genäht). 1m gehörte zur Integrität der MM gerade so 
sehr wie 5arın M. Kelim 19, 3. 6. In Bezug auf Verun- 
reinigbarkeit verhält er sich anders zür dp als der Non 
(eine Holzbank unten am Bette ?), als der “On, irgend eine 
Art Bedeckung (von Pelz, Matratzen, Polstern u. s. w.) des 
bespannten Bettrahmens, und als seine Lehnen Op) 
Kelim 18, 3; doch nur deshalb, weil eine “wn zwar ohne 
die letzteren Stücke noch eine Lagerstatt bleibt, nicht aber 
ohne pro. Nach der Ansicht des Mosche ben Maimon zu 
‘ M. Kelim 19, 3 wäre frp eine rings um die vier Bett- 
bretter, wie als Fries gelegte Borte, also ein blefses Orna- 
ment, was weder zu dem angeführten Gesichtspunkte, noch 
zu dem Umstande stimmt, dals pase Is. III, 24, ein Fa- 
brikat aus grobem unansehnlichem Stoff bedeutet. 

Am Kopf- und Fufsende, auch wohl an der inneren 
Seite befanden sich mon wp), die Lehnen, avaxdera 





Hoffmann, Lexikalisches. 50 


us in einer Glosse bei Forcellini Lex. Lat. unter 
| in älterem Griechisch avexdrrygia : Becker, 
* ITa.a.O. Unrichtig : J. Perles, Etymolog. 
z. Kunde der rabbin. Sprache, Breslau 1871, 8.60. 
pflehne, zur Erhöhung der Kopfkissen dienend, war 
gestellt : s. die oben angeführten Abbildungen. 
| Sukka 1 fol. 10a 1; Sanhedrin 20,2; Targ. Esther 
. Kelim 18, 3 T. Jerus. Sabb. c. 12, 8. 13b; Berak- 
[ Auf. 8. 5, Nedarim 7, 5. 

an der beschriebenen Construction der Bettstelle 
die Darstellung, welche Mosche ben Maimon zu M. 
18, 5 gibt, und die der Einrichtung unserer Bett- 
äher kommt, wesentlich darin ab, dafs er den Rahmen 
mn dem Bettgestelle Mon trennt : das letztere be- 
ach ihm aus den zwei kurzen und zwei langen 
1, welche zu einem Rechteck in Bettpfeiler einge- 
ind : über die Pfeiler empor ragen bis eine Elle 
e vier Enden, welche mw heifsen; an diesen ruht, 
is Gestell darunter zu berühren der }35n, ein ent- 
ad rechteckiger Rahmen (der doch wohl die Be- 
ig trägt vgl. zu Kelim 18, 4). Dies widerlegt sich 
‚ende Weise. Nach M. Kel. 18, 4 erklären R. Meir 
Jehuda den Rahmen, den man auf die Zapfen (der 
zelegt hat, mw dy unuw y25n, fur unrein; R. Jose 
Simeon für rein. Den Grund für diese Differenz 
t die Tosefta Kelim Baba mesia 8, 4 ed. Zucker- 
587, 14 1 wm pws wann wm Tony bw dn 
7 TN» ‘oon 1 ya para RYEp ann Oo 
monn ney Nw pp pow “Nor "I rane 
ahmen des Sopha’s, der (nur erst) mit den (zur 
ıung dienenden) Metallösen versehen ist, und der 
Be (sonst : Beine) hat, ist unrein. Von der Be- 
g mit Stricken an, auch wenn seine Beine (von 
fen mines) abgebrochen worden, ist er unrein nach 
‘und Jehuda; rein aber nach R. Jose und Simeon; 


60 . Hoffmann, Lexikalisches. 


denn nach deren Ansicht leistet er keine Arbeit mehr für | 
sich selbst.“ Vgl. Tosefta Abiloth 18, 5 ed. Zuckermandd | 
610, 24 : myaw meow ans pun mpoa wae UMW pod 
sy meld mern pum OID Mop. „Der Rahmen, den 
man mit Oesen versieht, gilt für unrein in sweitem Grade 
im Falle der Berührung durch Todte, welche als die 
schwerste Verunreinigung sieben Tage lang verunreinigt; 
ist er mit Seilen bespannt, gilt er als unrein zweiten 
Grades bei Verunreinigung durch Bamenerguls, die einen 
Abend lang verunreinigt.* 

Da das bespannte Bett- oder Sophagestell — beides 
ist hier gleichwerthig — den Bettsweck mehr erfüllt als 
das noch nicht bespannte, das nur erst bis sur Einfügung 
der „Oesen“ fertig ist, so genügt der leichtere Fall, es 
unrein zu machen; das unvollständigere Bett bedarf der 
schwereren Ursache der Verunreinigung. Auch der Aus- 
druck yabon many on Tosefta ed. Zuckermandel 587, 10 
scheint für Identität des jabn mit dem Bettgestell zu 
sprechen. Was "pn ist, ein Bock von Hols, der die Bett- 
stelle etwa noch in der Mitte stützen sollte, wie Ane im 
Französischen, oder nur ein Querbalken in der Mitte; 
oder die Fufsbank (Hutsche), auf der man in das hohe 
Bett stieg, was mich am wahrscheinlichsten dünkt, kann 
ich nicht feststellen. Die Commentatoren rathen : Vgl. Wil- 
kinson, Manners and customs of the anc. Aeg. 1837, II, 
201, Fig. 8. Die Befestigung der Seile an den mp8 be- 
stätigt namentlich M. Para 12, 8 Ms none>y wD 
YAN WN 290 ‚ma Mp) arm. „Ein Riemen des Sophas, 
der den Oesen (Röhrenstücken) verbunden ist, bewirkt 
juristische Verbindung ; der Rahmen (ohne dafs die Riemen 
befestigt sind) noch keine. Hy = Nw, xAler auf einer 
palmyrenischen Inschrift, W. Wright, Transact. of the 
Soc. of Bibl. Archaeology Vol. VII, Part 1. 1880, p. 4, 
Separatabdruck, ist von mM in der Construction des Ge- 


Hoffmann, Lexikalisohes. 61 


stelles kaum verschieden, und diente zum Sitzen und Liegen 
bei Tage, Me zum Schlafen bei Nacht: 

2. Analog dem des Bettes war der „Rahmen des Braut- 
stuhles® xo bw abo M. Kelim 22, 4; Edujoth 1,11, der 
vierseitige Rahmen, in den die Stuhlbeine eingelassen sind, 
nicht ein von diesem unterscheidbarer aufliegender. Die 
Schule Hillel’s setste das unterscheidende Merkmal eines 
Brautsessels in die ,Bedeckung* “or die auf dem Gestelle 
lag; daher sie den Sessel als rein betrachtete, solange ihm 
diese fehlte. Die Schule Schammai’s behandelte diesen 
Stuhl wie andere Stühle; war das Rahmengestell von Ver- 
unreinigung betroffen, auch ehne dafs ein Kissen auflag, 
so machte ihn das unrein, da er auch ohne den Yon den 
Stuhlsweck, das Sitzen, ermöglichte. Mit diesem allge- 
meinen Namen "Or bezeichnete man kostbare Deckel, 
auch Kissen, die auf den wahrscheinlich mit Binsen u. s. w. 
beflochtenen Rahmen gelegt wurden : Wilkinson, Mann. 
and customs of the ancient Aegyptians 1837, II, 197 f. Sie 
hingen bisweilen über den Rand des Gestelles herunter 
Kel. 22, 5 und es konnten drei Kissen neben einander 
liegen ebd. 22, 6. 7. M. Kelim 22, 5 mon m xby ups 
: Py own is Sy ve mn on pow or Yon pas 
„Der Brautsessel, dessen Bedeckungen nicht über (den 
Rand des Gestelles) hinüberragen, ist, nachdem sie weg- 
genommen sind, unrein; denn so passirt es ihm leicht, dafs 
er (d. h. sein Kissen) seitwärts rutscht (yp oder mpg 
nom. act. Qal), während man auf ihm sitzt (sodals der un- 
reine Sitser den 1258 direct berührt, dieser also nach Weg- 
nahme der Kissen unrein bleibt). Map m= Kelim 22, 7 
vgl. na ma Kelim 17, 16 ist irgend eine Vorrichtung am 
Gestelle zur Aufnahme und Befestigung des “en. Am 
Bett ist diese „Bedeckung“ analog ein xwdıor, xvégeador, 
tedctoy u. dgl. Kelim 18, 3 xwdageow Land, Anecd. 
3, 205, 8. 

§ 5. 725m der Rahmen, in welchen Glas- oder Marien- 
glasscheiben, specularsa (nicht ,Spiegel*), eingefügt sind : 


€2 Hoffmann, Lexikaliaches. 


vgl. Becker, Gallus, 1838, I, 101, Tosefta Erubin 11 (8), 
17 ed. Zuckermandel 163, 29 Sw pre) wnhppn Sw pin 
wa poy pam mdm. „Den Rahmen der Glasscheibe 
und die Fenstergitter öffnet und schliefst man‘. 

§ 6. Malben heifst bei den arabischen Architekten ein 
s.B. °/, Ellen breiter Holzrahmen, der eine Oeffnung von 2 Ellen 
umschliefst; ein solcher diente als Basis einer Brunnen 
schachtmauer; eine Kette solcher viereckiger, mit Schutt 
oder Beton ausgefüllter Schachtmauern setst eine Quaimauer 
zusammen bei Wasserbauten s. Abdallatif ed. de Sacy 
8. 296. 306. Es ist möglich, dafs auch diese Bedeutung 
von {250 älter ist, als der Islam. 

8 7. Syn "on bw abe ist das hölzerne Rechteck, in 
dessen kurze Seiten, in deren Mitte, den langen parallel, 
senkrecht zum Gestell das „Blatt“ der Bäge ei Ä 
ist : s. Blümner, Technologie und Terminol. 1879, II, 
220, Fig. 42b. a. Tosefta Kelim Bab. bathr. I, 8 ed. 
Zuckermandel 591, 6 on Sw yadoa yron eye wwe WT 4 
prop PIN PD WR ON 1 TTD WOR. WOD mr 

man oa juan). „R. Jehuda sagt: Auch wer an den Rahmen 
der grofsen (Schrot- oder Kloben-)sige auf dieser oder 
jener der beiden Seiten rührt, gilt für rein; für unrein 
nur an der Stelle, wo die Hand (beim Sägen) anfalst, auf 
dieser und jener der beiden Seiten (in welche das „Blatt“ 
eingefügt ist) entsprechend dem Eisen.“ 

§ 8. 15°99 abo: M. Kelim 18, 3. 4 sollen nach Mai- 
monides auf Pfeilern stehende Rahmen zum Aufhingen der 
musikalischen Instrumente der Leviten sein. 

8 9. Ein unsicherer Fall. moon ya bw maabn. Talm. 
B. Baba bathra 69a vgl. Frähn Ibn Foszlan 8. 123 sind 
nach einigen Commentatoren viereckige Untersätze der 
Bettfülse, wie man sie auf den meisten Abbildungen antiker 
Bettstellen wirklich sieht. In diesem Falle entspräche 5p 
dem xAwdelovr = aAuvdlov bei Boeckh Corp. Inser. 
Grace. Nr. 2860 yradn du xAvdein; für die Bäulenplatte 


64 Hoffmann, Lexikalisches. 


“Alt 2789 „Rabbt 8 (?) viereckige Tröge. Ich (BB.) sage : die 
(aus Palmstimmen gehöhlten) Mulden, in denen man Teig 
macht und aus denen man ilst : sie werden ausgeschnitst. 
(Citat.) „Ein rabbta (?) aus dem er als“; eine Schüssel, 
eine Mulde. — Allein diese Deutung von 1250 ist sehr un- 
wahrscheinlich: Yea niorm ana WRI. Sen Eimpm OF 
mons OTe AM wm enw mo : aby royy Tone 
Na sn [= ayzl pido an ty sow mb yep NHI 00 
man royp mon ab Inia = monn] mrp. „Wie der, 
welcher Gerstenkörner in }35 stampft, wähnt, dafs er sie 
zurecht bringen werde; während er emporfährt (mit der 
Mörserkeule) und während er niederfährt, schwindet seine 
Narrheit nicht von ihm.® 

Gegen die Deutung, dafs jab hier wirklich den wron 
als Mörser vertreten soll, spricht, dafs die antiken öAuoı 
und pilae rund, wenn auch meist von Holz, waren: 
Blümner, Technolog. I, 20, und dafs jap sonst nur als 
ein in der Mitte offenes Vierseit nachgewiesen ist. Auch 
interpretirt eine Erklärung zu dem Midrasch so : mn 1355 | 
(no) mp pwniow nommen m. „Malben ist die „Hand 
des Mörsers®, womit man stifst* : d. h. ist die Mörser- 
keule (s. Dozy, Supplément au dict. Arab. 8. 849, 
Berggren 674, de Lagarde Praetermissa 38, 65), die 
natürlich kein Rahmen sein kann. Am wahrscheinlichsten 
ist daher, dafs hier die Narrheit des Stöfsers darin gefunden 
wird, dafs er eine bodenlose Ziegelform für zweckmälsig 
hält, darin Gerstenkörner zu stofsen : er stampft sie in die 
Erde. 

8. 11. abo Ziegelform bedeutet nur die Peripherie 
eines Ziegels : Rechteck, ohne Rücksicht auf die Dicke. 

1. Trümoth 4, 8 onsban opp. ardyyn nämlich ‘Say 
om 7537 viereckig geformte Feigenkuchen. 


3. Vielleicht kommt av und yale bei Dozy Supplém. 
2, 515 eine ArtConfectdaher. Dafür spricht persisch uni ) 


Hoffmann, Lexikalisches. 65 


„Ziogg®l* auch ein Zuckerwerk, vgl. unsere gewöhnlichen 
yuadis-atiechen Bonbons. Nach Borggren 269, 111 ist 
eness Aber en forme de saucisse; als Mittler könnte eine 
mn Toäden Enden cusammengebundeng Wurst dienen. 


Nex-cings nahm man zu gis, womit ey interpretirt 
ird&, Zisgenmilch, was auf cys! führt. Vgl. ails ba Vul- 


Br Lex. Pers. 

23. Eine quadratische Bteinschicht Talm. B. Sebachim 
fa vgl. Levy Wb. 3, 123 von beliebiger Seitenlänge und 
icke. 

4. Hierher gehört wohl auch tracy bei Land Anecd. 
‚ 284, mir von Nildeke citirt. Nach der Beschreibung 
s FBaues eines großen Aasanz Ann des Klosters des 
era Jöhannän neben der Stadtmauer von Amid gufser- 
lb der Stadt wird fortgefahren : ,Jenes starke (unfertige) 
sb&urcile, obschon wegen der Gefangennahme der Perser 
a@ des Versprengung der Brüderschaft nieht vollendet, 
gx derartig erbaut, dals, nachdem es eine Zeit lang nach 
so PPesssern (im alten Zustande) geblieben war, für die 
gi assearleitung (ayaryog) des Klosters davon abgetragen 
oot @webaut, auch das Martyreion des Hauses der wigsa 

pola ganz davon erbaut, und ferner noch viel (Material) 
zum für die Kirche und die Stadt abgetragen und ver- 
; wendt wurde : und noch immer besteht sein Grundmauer- 
* eisreck aim sse* (d. h. genug um seine viereckige Peri- 
pberie zu erkennen). Auf dassyrische Wort mag übrigens 

= „isdlov eingewirkt haben. 

5. Rechteck einer Pflanzung,. eines Feldes von Zwiebeln 

Pea 3, 4 — Pea 7, 1 om paw mann min, „Vierecke 
von Getreidefeldern zwischen Oelbaumreihen“. Pea 7, 2 
om ww Sw nmel wow po sey nun im. „Ein Oel- 
baum, der sich in einer von drei Oelbaumrcihen zwischen 


zwei Rechtecken des Getreides findet“. Auch bei den 
Seitechrift f. d. alttest. Wise. Jahrgang 2. 1863 5 


66 Hoffmann, Lexikalisches. 


Römern hiefs ein Ackerviereck von (gewöhnlich 200 jugers) 
plinthus und wahrscheinlich plinthss : Hygin. de condit. 
agror. S. 210. 206 Goes. 

8 12. Das Ergebnifs dieser Untersuchung ist, dals 
y25», die Ziegelform, in der Mischna, im Syrischen und 
Arabischen im Allgemeinen noch zweierlei bedeutet 1) irgend 
einen vierseitig rechtwinkligen Holzrahmen, 2) die Peri- 
pherie eines Rechtecks. 

8 18. Für das biblische 1255 hat Abraham Geiger 
in seiner Jüd. Ztschr. f. Wissensch. u. Leben V, 116 die 
Bedeutung Ziegelofen mit Recht geleugnet, sonst aber die 
drei Stellen, an denen 1355 vorkommt, mit allen modernen 
Auslegern, so viel ich weils, falsch interpretirt. Es handelt 
sich in Palästina und Aegypten um Luftziegel : Marc. v. 
Porph. c. 21; auf diese bezog sich das „Werkzeug zum 
Ziegeln*, das man bei Wilkinson, Mann. a. cust. of the 
anc. Aeg. 1837, II, 99, Fig. 8. 14 d. h. abgebildet sieht. 

§ 14. 900 heilst Ziegelform : Nah. 3, 14 und 2 Sam. 
12, 31. 

1. Nah. 3, 14 1359 pn) Wa Op oma KD. „Tritt 
in den Lehm, stampfe den Thon, ergreif die Ziegelform“ 
Symmachus, der xaraxparnoov vxte xAwdelov las (statt 
allv$ov LXX) hat so verstanden; denn zAw#slow ist nur 
andere Orthographie von zAıw#lov, vgl. § 1. 9. 


2. 2 Sam. 12, 31 Tes Din NE TS Awe DT 
[ana boa) ag ont rayım oman ohyen San yg 
: ey “wy bob niyp‘ m) David führte die Bewohner 
der eroberten Stadt Rabbath ben ‘Ammon hinaus „und 
stellte sie an die [Stein-käge, an die eisernen [Stein-|picken, 
an die eisernen Aexte und liels sie mit der Ziegelform 
arbeiten“ (1. 13pm). Er liefs sie also Steinmetz- (1 Kön.7,9), 
vielleicht auch Zimmermanns- und Zieglerarbeit an Staats- 
bauten thun. 


68 Hoffmann, Lexikalisches, 


schlagen würde !), Zu welchem Zwecke aber verweilt der 
König da? Man sagt, um Gericht abzuhalten. Allein wer 
sich der weitliufigen Vorhöfe und Propyläen ägyptische 
Paläste und Tempel erinnert, wird es unangemessen finden, 
dafs Nebukadnesar, Herr der Stadt, auf der Strafee sollte 
Gericht gehalten haben, wihrend innerhalb der mauerum- 
schlossenen Höfe geziemenderer Raum dasu war. War 
Jeremia seiner Handlung wegen gezwungen, den fremden 
König aufserhalb der Burg zu placiren — die flüchtigen 
Juden durften da schwerlich hinein — so lag ihm eins 
jedenfalls näher als sich den eben in die Grensstadt ein- 
gedrangenen König richtend vorzustellen : ihn vor der Königs- 
burg lagern sa lassen, um sie erst zu erobern : Stadt 


4) mo des Qri v. 10 ist nichts weiter als „Gefunkel*, der von 
Gold und Edelstein blitzende Behang des Thronbaldachins. Desselds 
Wort ist sy) im Aramäischen : 1) Talm. JömA 28b Ende nn 
RoE 33 TOD RwO'D WP ROT (dan; 1. RNIN 
ROOT UDO ADD wp KYBET Moy. „Ein Behlaglicht 
der Sonne ist stärker als das Bounenlicoht, wie der aus einem Fafsloch 
dringende Kasiggeruch stärker als der von frei stehendem Basig; 
Strahlengarben der Sonne sind stärker als die Sonne, wie die Traufe 
stärker als der Regen.“ Jöhannän bar Zubi sagt in einem Gedichte 
über die vier Probleme Ms. India Office Syr. 9 f. 91 v. bezüglich der 
Atomistik des Epikur : te pendibo mepnan) dr Far] soy Ina ie 
rosa, ano Saun2] „Aus den kleinen Körnern [cLigIt} , die 
man in den 8trahlenbündeln (der Sonne) sieht (Arist. probl. 15, 12 Luor. 
d. rer. nat. II, 114), wären alle Kérper susammeugeretzt*. “wg be- 
seichnet also die zitternde, von Dunkelheit unterbrochene und begrenste 
Lichtstrahlung, wie sie beim Morgengrauen ROW, RIO Wp statt- 


Andet [dla 3) gy8su}. Daher 2) das Flimmern vor den Augen, 


peeuryla, Augenkatarrh, Staar. Schon Christ. Ben. Michaelis hatte 
DYNO welches das Targum mit pW gibt, richtig von “49 abge- 
leitet. Achnlich yAavzwıa von yluvzde : yAcuxdy In’ bo Theoon 
XVI, 6. Die Ableitung von der Wurzel 2 hat mehr als ein Be- 
denken gegen sich. 


Hoffmann, Lexikalisches. 69 


und Burg werden jede besonders befestigt gewesen sein; viel- 
leicht auch die Stadt nicht und nur die Burg. (Ueber igyptische 
Burgen vgl. C. Schnaase, Gesch. der bildenden Künste 
1866, I, 343 u. a.) Die Situation ist also ganz der in Jer. 
1, 15 analog. Die Handlung des Propheten bezweckte 
nicht so sehr die genaue Stelle vorherzusagen, wo gerade 
das Zelt des feindlichen Königs stehen würde, als vielmehr 
durch die Steine nach dem Eintreffen des Orakels den 
handgreiflichen Beweis zu liefern, dafs der Feldung Ne- 
bukadnezars hierher überhaupt vorhergesehen worden, und 
vor dem Eintreffen die Zeugen über die Zuversicht des 
Propheten stutsig zu machen. Darum waren die Steine 
grofs, vgl. bei Is. 8, 1 die grofse Tafel : weder sich dem 
Blick entziehen sollten sie, noch verschleppt werden; darum 
auch mit Mörtel verbunden, ein Monument. 


Nach dem Vorstehenden gibt es noch allerlei Möglich- 
keiten für das Viereck j25v. Das nächste wäre ein vier- 
seitiger Platz vor der Umwallung der Burg, die ihrerseits 
viereckig zu sein pflegte 8. Schnaase. Bo wird zAıv#lor 
gebraucht : Paus. VIII, 48, 1 zig ayopäs (von Tegea) & 
ualıwra boıxvlas zilvdeo xara To oyäue, Appodlıns borlv 
by autiy vadc zalovuevos iv xiuvble (v. 1. aAlı$o). Ein 
solcher square heifet im Sanskrit catvara, woraus im Hind! 


oS . 


¥39e und Sent, vgl. Bate, Dict. of the Hindee language, 
Benares 1876, Shakespear, Dict. hindustani s. v. und 
namentlich Farhang-i-Raschidi 1872, 1, 263. abo könnte 
freilich noch speciellere Bedeutung haben, z. B. so das 
rechteckige Pflaster Au#o0rpwrov Edagos „o dpouas“ „Pro- 
menade*, genannt sein, welches zu dem ersten Propyläen- 
thor der ägyptischen Tempelbezirke führte und eine Allee 
von Sphinxen hatte, falls derartige Anlagen auch vor könig- 
lichen Burgen üblich waren vgl. Strabo XVII, I, 28, p. 805 
und die vielen Commentare, z. B. Letronne, Réc. des 
Inscrip. grecques et latines de l’Egypte I, 14 ff, Lettres 


70 Hoffmann, Lexikalisches. 


d’un Antiquaire a un Artiste p. 343 f. Schnaase, Gesch. 
d. bild. Künste 1866, 1, 321 f. 343. 

8 17. Wegen muna ein paar Bemerkungen über die 
Denominativa 129 und 329. Das erste kommt nicht blofs in 
der Bibel, sondern auch Mischna Baba msia 10, 5 vor. 
O25 pray „sie machen Ziegel“, von J. Levy nicht ver 
zeichnet. }25 bedeutet 1. weils, 2. glthend machen; diefs 
letztere sicher nicht vom Ziegelbrennen hergenommen : ge- 
wöhnlich ist im Talmud nur von Luftziegeln die Rede, ob 
auch gebrannte erwähnt werden, weifs ich nicht : aber 72) 
käme zu spät, um Ziegelbrennen zu bedeuten. 135 „glühen® 
wird darauf fafsen, dafs Glühen jeden dunklen Körper hell, 
leuchtend macht, wenn auch nicht immer weilsglühend im 
engern Sinne. 3. m einrahmen (denom. von 1379) oder „den 
Ziegel ersetzen“ Erubin 14a zu Mischna Erub. 1, 3 Typ 
Dnpp pop dy mrad un ara re Dap TD ART] eRe 
[v1 mare] mar cys Dap) "ID NDS RPT MOP TYP? AT 

„Die Breite des erwähnten Balkens mufs ausreichen, einen 
Stabsiegel aufzunehmen; ein Stabziegel ist die Hälfte eines 
dreihandbreiten Ziegels. Doch genügt es auch für einen 
Balken nur eine Hand breit zu sein, um der Breite nach 
einen Stabziegel aufnehmen zu können.* So die Mischna. 
Da nun im letztern Fall der Balken um eine Handbreit 
schmaler als der aufliegende Stabziegel (1'/, Hbrt.) ist, so 
sagt Gemara : MOO Tap SAN 19 ya NyAD! Now Now 
UND Wwe) NO’ TD TD NPI mb Pen NOW rl TTR 
ROD) ROY. „Handbreit? Anderthalb Handbreit? fragt 
man : Sobald “der [Balken] so breit ist (1. Mam) um eine 
Handbreite zu fassen, so umrahmt man (ergänzt man den 
Ziegel für) jene andere halbe Handbreite mit Lehm, ein 
wenig auf der einen Seite und ein wenig auf der andern 
und die Sache ist in Ordnung (oder : es hält)“. Die zu beiden 
Seiten überragenden Ziegel werden durch Lehmleisten an 
den Balken fester gebunden. 

8. 18. Das Wort mmx und um übersetzt J. Levy 
I, 163 durchgehends mit „Latte“, wobei man natürlich an 


Hoffmann, Lexikalisches. 71 


«ine hölzerne denkt. Es bedeutet aber ein Ziegelbruch- 
stück : Barbahlül Socin I (611 Higra) jXaseo duce} Lil” 
~Payne-Smith,] sj rst acs! >. Jos] . Aulssslo . asshlı 


u... Dub io fpodtoo [thes. 875 1. sr! 
KRISE yo} cys an eins (I. tol] bay „arahä fand 
ich in den „Fabeln der Aramäer“. Im Dialekt von Béth 
Armäjö : arhä. Es ist ein Bruchstück, eine Scholle; in 
Tegrit heifst es ark'ä d. h. gebrannter Halbziegel (, 531), 
Bruchsttick eines gebrannten Ziegels, Bruchstück® [sxix% 
scheint persisch sikanak* mit der arabischen Femininendung 
wel. aK Brotbrocken von „mx. 


Die Identität dieses rm NAIK mit dem rmx des 
‘Targum, welches das hebr. “12 pertica übersetzt, erscheint 
mir kaum zweifelhaft : das Jod bezeichnet dann keinen 
wreprünglich langen Vocal, wohl nur den der Segolatform. 
Die Benennung „Stab“ erklärt sich aus der länglichen Ge- 
stalt des Halbziegels, die er erhält als Hälfte eines Quadrats 
oder eines der Länge nach halbirten Ziegels. Vgl. semi- 
later bei Vitruv. Vgl. Theo Smyrn. c. 54 p. 177 von 
atereometrischen Zahlen : ra dt ro ui» unxos xal zAarog 
Ioov Eyovra, rovrlorı tag Pacers Terpayavovg, tO db Upos 
Blarrov, xAivideg, ta dt to poy pyxog xal xlatogs 
Esov, to db Upos uetlov, doxides. Für zAvdlde; kommt 
anderswo in diesem Gegensatze auch xdvle»y vor. Achn- 
lich verhält aich die tessera testaces zur spica : Blümner 
Technol. IL, 21; 29, Endlich ist eine ganz analoge Ueber- 
tragung des Namens eines oblongen Holzstücks auf einen 
Baustein, wahrscheinlich einen Ziegel, auch die von D'p>- 
Dies bedeutet Habakuk 2, 11 nppn pyy oD ein Balken- 
stück; in der Mischna Baba bathra I, 1 einen vier Hand 
breiten Baustein, während 125 nur drei Handbreiten hat: 
Zwei Nachbaren, die einen gemeinsamen Hof durch eine 
Mauer 5p theilen sollen, haben Jeder für diese den gleichen 


73 Hoffmann, Lexikalisches. 


Raum hersugeben, je nach dem Baumaterial; bei Rollsteinen 
(hrs) zusammen 8 x 2 Handbreiten; bei Quadern mm 9% 
x 2; bei 009 2 x 2; bei oad 11/,x2. Hiernach ist 
die Käfis-Mauer vier Handbreit dick, und ich halte nach 
dem Zusammenhange 0°95 für einen rergadmgus Ziegel, 
gröfser als die gewöhnliche 71335 reldopos der Mischna. 
Gemara und darnach die Commentatoren setzen D'%9I = 
errs d. h. den Halbziegel zu 1’/, Handbreiten, und suchen 
sehr künstlich die Mauerbreite von 4 Handbreiten dadurch 
herauszubringen, dais sie zwischen zwei Halbziegelmanern 
einen mit Schutt ausgefüllten Zwischenraum von einer 
Handbreite annehmen. 

8 19. Während in den sewitischen Sprachen die über- 
tragenen Bedeutungen vou der Ziegelform ausgehen, leitet 
das Griechische dieselben zum Theil von zil»#oc direct ab; 
sum grofsen Theil aber ebenfalls von der Ziegelform xAc- 
®lor (31) oder gibt sie durch zAımOl4s. Es erscheint mir nicht 
nur sicher, dafs der Sprachgebrauch von no und 95 in 
altgrischischer Zeit den von xievGloy und xilvGoc beein- 
flufst hat, vgl. Ex. 24, 10 vragn np) nyyo mit x2isdor 
zyoveal u. dgl, sondern auch sehr wahrscheinlich , dats 
xivPoc nur Metathese von Arıvd- = ABire* (vgl. ZDMG. 
83,748)=nı25 ist, eine Verwandlung noch nicht so arg 
wie die von xadad aus noon oder, wie ich annehme, von 
daxteudos Dattel für duxivrog aus einem phönieischen ar, 


vgl. den Flufsnamen aSs}, worauf |f_.) und Nö x) im 
Maghrib Deglet, unschwer führen. Diese Herleitung von 
ailyfoc dürfte sich neben der indogermanischen von 
G. Curtius und Fick, die damit Wörter, die Kieselstein! 
bedeuten, zusammenbringen, noch sehen lassen. Auch die 
Sporadeninsel AdBıv$og mag myad enthalten. Vielleicht 
also haben die Griechen von den Orientalen auch das 
Ziegelstreichen gelernt. 


OD ew m Sun mn mn ee ee. 





13 


jttheilungen aus Petersburger Handschriften. 
Fragment von der arabischen und der hebräischen Vorrede 
aadiah's zum IM OD (vgl. Jahrgang 1881, 8. 154 f.) 





Dieses saadianische Werk war längere Zeit in der ge 
whrten Welt blofs durch die kurze Erwähnung bei Abraham 
bm-Hara (anf. On) bekannt, der von Al-Fajümt sagt : 
"u 300 we. Die Existens des Buches wurde von 
sanchen Gelehrten in Zweifel gezogen ; so glaubte Dukes 
Mittheilungen Il, 40), dasselbe sei mit XBM ‚mamedi und 
abgedruckt : Mittheil. II, 110 ff.; Zschr. f. d. Kunde d. 
Korgenl. V, 115 ff.; Geiger, Wiss. Zechr. f. jüd. Theo- 
»gie V, 317 ff., und in mehreren Exempl. seines oyon bu 
. 42 ff.) identisch Carmoly (Revue Orientale II, 40) 
nd unabhängig von diesem Reifmann (nor XVL, 1873, 
», 267) vermutheten, der Titel sei aus mW 900, das Buch 
ther die Kehlbuchstaben, corrumpirt worden. Allerdings 
rerden diese Vermuthungen widerlegt durch die Citate in 
>onasch’ Kritik (ed. Schröter p. 56, Nr. 169) und 
n den Responsen der Schüler Menahem’s (ed. Stern, 
ı. 40); indessen konnte man sich schwerlich einen klaren 
3egriff von dem Werke machen. Im Jahre 1869 erklärte 
firkowitsch in der Zeitschrift ~5on (in einem such 
eparat erschienenen Aufsatze N97 NW) WDD u. s. w.), 
= besitze ein Fragment von der Vorrede des genannten 
Werkes; auch in der Monatsschrift bo» (I, 1871, p. 63) 
war davon die Rede. Da aber die Berufung dieses Karäers 
wf in seinem Besitze befindliche Handschriften nicht immer 
wahrheitsgemäfs war, so konnte die Sache nicht als ent- 
whieden betrachtet werden. Erst im Jahre 1871 erfuhr 
nan, dafs das Original der Copie Firkowitschs sich bei 
inem Kariier in Kabir. befinde, und gleich darauf schickte 


74 Harkavy, Mittheilungen 


ein Jude aus Alexandrien eine Abschrift des gansen Frag- 
ments an den Redacteur des }W35m in Mainz, der den he- 
bräischen Theil nebst einigen Anmerkungen von J. De- 
renbourg und Halberstam in seinem Blatte (VIII, 
275—6) veröffentlichte, woraus derselbe Theil in Geiger’s 
Jüdischer Zeitschr. (X, 1872, p. 266 ff.) nochmals abge 
druckt wurde. Von dem arabischen Theile hat Deren- 
bourg bei Geiger (ibid. X, 308) blofs ein paar Zeilen 
mitgetheilt. Des Hebräische ist dagegen im Druck mehr. 
fach versttimmelt worden, wie ich dies im 991971 (III, 666 ff.) 
gezeigt habe. Ein vollständiger und genauer Abdruck 
beider Theile nebst Uebersetzung und Anmerkungen wird 
hoffentlich den Fachmännern nicht unwillkommen sein. 
Aus diesen Bruchstücken erhellt klar, dafs die erste An- 
lage des Werkes im zwanzigsten Jahre des Verfassers (vgl. 
f. 2b, 8. 81), d. h. im Jahre 912 n. Chr. (f. 5b, Vers 15) 
stattfand. Dieselbe enthielt ein alphabetisches Wursel- 
lexikon der hebr. Sprache und zugleich auch ein Reim- 
lexikon. Diese beiden Arbeiten waren die ersten in ihrer 
Art, denn die in neuerer Zeit gemachten Versuche, einige 
karäische Autoren und Werke zu antedatiren und den Ka- 
räern besondere Verdienste um die hebräische Sprach- 
forschung zu vindiciren, beruhen auf gefälschten Daten. 
Auch wenn der Rabbanite Jehuda ibn Koraisch aus Tahort 
in Afrika überhaupt ein Wörterbuch verfalste, was aller- 
dings Pinsker (Lickute I, 108 Anm.) wahrscheinlich ge- 
macht hat, so geschah dies doch erst nach dem Erscheinen des 
saadjanischen Wb., wie auch aus der Anordnung bei Ibn-Ezra 
im OND zu ersehen ist. Jedenfalls kannte Saadjah noch 
kein solches Werk, und ihm selbst war die Idee eines 
Wb. im Dienste der Sprachwissenschaft oder zur Erkli- 
rung der Bibel damals noch fremd; er beabsichtigte mit 
seinem zweitheiligen Lexikon blofs die Abfassung von 
hebräischen Poesien zu erleichtern (f. 2b, Z. 8—10), der 
erste Theil nämlich sollte bei alphabetisch geordneten Ge- 


nn nn ae 





aus Petersburger Handschriften. 75 


n (wie solche schon in der Bibel vorkommen) und 
Gebrauche der Akrosticha (wie die Verfasser der 
ı und Saadjah selbst in der hebräischen Vorrede es 
), der zweite aber beim Gebrauche des Reimes 
leisten. Er bemerkte aber nach einigen Jahren 
gy iQ! eu am f. 2b Z. 10,8. 81£., also um 
920), dafs es nicht nur nöthig sei, über die Anfangs- 
shlufsworte der Gedichtverse, sondern auch überletztere 
_ über die „mittleren Theile“, wie er sich ausdrückt 
2.2), Aufklärung zu geben. Auf diese ganz eigen- 
iche Art und Weise kommt er darauf, eine Gram- 
und eine Poetik zu verfassen. Wir stehen also hier 
r Wiege der hebräischen Grammatik und der Lexico- 
ie! 

Ind nun ein paar Worte über die mir xu Gebote 
ıden Materialien. Die hiesige Copie (P.) ist nicht 
ler Hand Firkowitsch’s, auch nicht von der 
verstorbenen Enkels Samuel, der ihn auf seiner 
in Aegypten und Syrien begleitete und mit ganz 
uchbaren Uebersetzungen aus dem Arabischen ins 
ische zu versorgen pflegte; vielmehr scheint sie von 
ägyptischen Karäer, vielleicht vom Eigenthümer der 
. selbst, gemacht worden zu sein, und zwar sehr sorg- 
mit Beobachtung der Blatt- und Zeileneintheilung 
riginals; ebenso sind in der Copie die in letzterem 
indenden Vocale (sehr fehlerhaft und daher von 
aberücksichtigt) und Accente der hebräischen Vor- 
wiedergegeben. Die arabische Vorrede ist, wie ge- 
ich, mit hebräischen Lettern (wobei die ähnlichen 
> 3-7 u. s. w. oft vertauscht sind) geschrieben. 
den arabischen Text betrifft, so war mir nur für den 
s von f. 3b Z. 2 bis zum Schlusse der Vorrede die 
ion mit dem von Derenbourg bei Geiger (2.2.0. 
3) abgedruckten Texte nach einer anderen Hechr. 
‚ahira (K.) möglich, welche Hschr. aber als grund- 


76 Harkary, Mittbeflungen 


schlecht sich herausstellt. Und trotzdem Derenbourg 
„das Arabieche in sehr geremigter Form gegeben, denn 
s. B. Lil, ist im Texte prmeshde geschrieben u. s. w.", 
ist dennoch die Copie P., wie man leicht einsieht, bei 
weitem vorsuziehen. Auch für den Text der hebräischen 
Vorrede, wo sur Collation eine zweite im Libanon (L) 
abpedruckte Copte von derselben Hschr. vorhanden ist, 
zeigt sich die Oopie P. viel vorzüglicher, und sieht man 
sich fast immer veranlafst, der letzteren Recht zu geben. 
Der arabische Titel des ganzen pe lautete wahrscheinlich 
past Wes (Poetik), weil das Wörterbuch und die Gram- — 
matik auch im Dienste der Poesie bearbeitet wurden (s. 
Anm.s zu der Uebersetzung der hebräischen Vorrede). Als | 
Theile von demselben Werke sind vermuthlich zu betrachten: 

‘ das von Saadjah selbst (im ‚soul DAS) und von Abul- — 
walid citirte ual} UGS (2. Munk, Notice sur Sead. 
p. 15—16), welches wohl mit dem von Donasch erwähnten 
map ped mins ano (Kritik, p. 27, Nr. 102) oder mns au _| 
won jw (ebendas. p. 29 Nr. 104, p. 40 Nr. 120) und 
den von Ibn-Ezra genannten may pw) "DD und Ag WO 
identisch ist; vielleicht auch das vonS. selbst im „bt LS 
wile, citirte pripin name (= „ul WES? DieText 
Ausgabevon Landauer liegt mirim Augenblick nicht vor). 
Auf andere interessante literar-bistorische Fragen, die mit 
unserem Bruchstücke verknüpft sind, hoffe ich noch nächstens 
zurückzukommen. 


Petersburg, 1. Juni 1881. 





eve Petersburger Handschriften. 17 


Gay) Kai Uppal Yel oH psf des Legh Keil! Lena KALT € 1° 
> Shall small Umall Lge lirgatle Liam Gi „ost 3 
ts 9 La aie ot he al all Ihe, Last ake Le 
sad, SV sal! buat ai nie 1S 9 le ning ALLIS 
nähe do Si pall Ws 99 aie dled! Lt 5 
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Asie] wr9lg Aigen lie py! role at Fa! OD gt LT 
sade 5, sell öl u J AR ale be sled SL WY 


PO Oe 
Die von ihr (od. ihnen) ausgesagt werden und in ihr 
ihnen) bestehen. Und da die Wurzel der Accidentien !) 
3, ihre Zweige aber zahllos sind, so wählten wir zum 
Ziel das Accidens, welches Bestts (Haben) genannt 
wird, d.h. was der Mensch besitzt. Dazu gehört, was 
m den Besitzenden hinein- und was von ihm heraus- 
kommt; wir nehmen hier Rücksicht auf das Erstere, 
namentlich auf das, was der Seele zukommt, d. h. 
das Wissen. In Betreff des Letzteren sagen wir, dafs 
dasselbe innerhalb eines der Veränderung unterworfenen 
Körpers sich befindet, folglich nothwendigerweise auch 
selbst veränderlich ist. Deshalb muls derjenige, der 
tich Wissen gesammelt hat, sich eifrig damit auch 
ferner beschäftigen, damit er dasselbe festhalte trotz 
ler Vergeßslichkeit und anderer Arten von Verände- 
rungen *). Dasu stachelten auch die Propheten an — 


') D. h. die accidentiellen Kategorien nach der aristetelischen Ein- 
Ebeilung. | 

*) Das Wortgeftige im Text ist mir hier nicht klar; sollte os viel- 
eicht lei ily ley zu lesen sein? 


78 Harkavy, Mittheilungen 


co comedians Py Rol Shell am, a WS Jo il 
10 ee? OF OF mund by pe) % pow ame mw Kt 
b. mit Sloe li KGL, le: IND mim 

cabal contd nat dt A An Lang! Ip 

2 PTR mn WW OY YI PIN PRI eh ant ily 

Kapall iy AOlar dt „Liss Le pasty ala) Stall paying 
6 api a Spt Ta 

Jia WU Iles, :’n 9 bp rum ap dey wre me Sy 

POW IP? wT DD Mw ae man 1p LS | Lisl 


obwohl es dem Verstande von selbst klar ist — indem | 
sie bei der Schilderung der Annehmlichkeit ’) der 
Weisheit sagen (Spr. VIII, 34) : „Heil dem Menschen, 
der auf mich hört zu wachen an meinen Thüren Tag 
b. für Tag, zu wahren die Pforten meiner Eingänge“ 
Sie (die Propheten) zeigten uns damit an, dafs das 
Anklammern und beständige Bestreben festzuhalten 
vor dem Vergessen schützt. Sie mahnten auch, dals 
das Verlassen (Vernachlässigen) eine mächtige Ursache 
sei zum Vergessen der Wissenschaft und zu ihrem 
Verschwinden, indem sie sagten (Spr. XXIX, 18): 
„Ohne Offenbarung wird das Volk zügellos, heil aber 
dem, der das Gesetz bewahrt.“ Zu der Weisheit und 
zu allem Anderen, was fortwährenden Fleifs und Pflege 
erfordert, vergleichen sie das Feld; wird es nicht ge- 
ackert und gesäet, so bringt es Dornen und Unkraut 
hervor, wie es heifst (Spr. XXIV, 30): „An dem Felde 
eines trägen Mannes ging ich vorbei“ u. s. w. Sie 
führten dies zum Beispiel an für den Verständigen, 
wie es dort ferner heilst (ibid. v. 32): „Und ich schaute 


$) Ich bin nicht gewils, ob ich richtig übersetste. 


aus Petersbarger Handschriften. 19 


a ei SIDS MASTS ye Ot A de ee Lady 
el GAM shag ce agh el 
OF OU ptt IW ee 
co gan BSE pail Kelas ee fatten £2" 
BIS art Loy glee! rogley Lato UT le „La 
Yaad sl, polen cx! desleel er cyan Li 
B Spats! LEIS ag) wid uch noth a AT. ae 


dies, nahm es zum Herzen; ich sah es und nahm Zucht 
an.“ Und gleichwie das Wissen des Einzelnen bei 
wenig Pflege verschwindet, ebenso wird auch das 
Wissen einer ganzen Gemeinde bei wenig Fleifs ver- 
gessen. In dem Theile der Zeit, in welchem dem Schöpfer 
(erhaben und gepriesen sei er!) gefallen hat, mich zu 
erschaffen '), hatte ich Gelegenheit, viele Studirende 
zu sehen, welche erzählten, dafs vieles von den prak- f. 2 
tischen und theoretischen Wissenschaften den Leuten 
verloren ging, darunter sind : das Kit&b al-Mithq&l 
(Buch der Wage) *), die Wissenschaften über die Ur- 
sprünge (Kosmogonie) ®) u. dgl. So wie die Söhne 
Ismaels (die Araber) erzählen, dafs einer ihrer Vor- 
züglichsten eingesehen hat, dafs seine Stammgenossen 


!) Dies kann doch nur bedeuten : seitdem ich erschaffen (geboren) 
wurde. Firkowitsch (bei Geiger das. p. 258) fafst es auf, als be- 
ziehe sich dies auf die Zeit, da Saadjab das Werk begonnen hatte, 
und sucht daraus einen falschen Schlufs auf die Geburtascit 8.’s zu 
ziehen, was übrigens von G. zurückgewiesen wird. 

®) Nachweisungen aus der arabischen Literatur über dieses Buch 
wären sehr erwünscht; in der jüdischen vorsasdjanischen kommt ein 
solches Werk nicht vor. 

*) Darunter wird wohl 8. die in der Mischna (Hagiga II, 1) er- 
wähnten [wR WYY gemeint haben, auch das von ihm commen- 
tirte AVY? DD nennt er (Söll WS, 


80 


5 


Harkavy, Mitthellungea 


N wal, CIS a Yo a9 yghding Aas 
9 Noll, mag ye Wied LM prasad Sur pygsced 3 Dit 
N Sond nd Wily Ligrbe ay gy phatly Lae bet ELS [polis 
Gy cally Salt oP Srlg¥! oi, 3! cyt wtier Leb (npdinall 
Ida mahi DUE! ro i> Syl § WIS, 251 0 


10 Bel te UI py lan 


b. 


A N are Ball AST aah poset Ly 
van BN any ely all Lod KAT, omy St nung Al 


de is JS por GB, N Zn Mey up KL, 


nicht das feine Arabisch zu gebrauchen verständen, 
was ihn sehr verdrofs und ihn veranlafste, ein Com- 
pendium der Schönredekunst abzufassen, damit man 
es su rhetorischen Zwecken gebrauchen sollte — ebenso 
sah ich, dafs viele Israeliten auf die rhetorischen Schön- 
heiten unserer Sprache und auf das Schwierige darin 
gar nicht Acht geben. Wenn sie (hebräisch) sprechen, 
so ist die Aussprache vieler Wörter fehlerhaft, und 
wenn sie Poetisches abfassen, so machen sie darin sehr 
wenig Gebrauch von den alten Regeln (der Ver 
fasser der biblischen Bücher), die meisten jener Regeln 
aber werden von ihnen vernachlassigt, ebenso geschieht 
es mit den Reimen, so dafs selbst die Bibel für sie 
eine Sammlung von unverständlichen Worten und un- 
zusammenhängenden Reden geworden ist. Dies ver- 


. anlafste mich, ein Buch zu verfassen, wo die meisten 


Wörter (der hebr. Sprache) auf zweierlei Art gesam- 
melt sind : zuerst kommen darin alle Nomina, die mit 
Aleph anfangen, Eins neben dem Anderen, ebenso die 
mit Beth anfangen der Reihe nach, dann die mit 
Gimel, Daleth und allen anderen Buchstaben (des 


aus Petersburger Handschriften. 


Sy IS, cy oot Lol IS OU J all 
faves Sed pushed GOW Bt MY Re Kalla, Krendl 
hl Lean Lane KA SY mei, al, andl 
cy Sb ik 3 A m A u, Le de WS 
USE lc 
AB, wysalla m «UE ye Uggle sine solar Chef! 
u gm wie) Lab SIS ai nL! agblill de 


81 


10 


Alphabets) '); im zweiten Theile sind alle Reimwörter, 


die mit Aleph schliefsen, gesammelt; ebenso die mit 
Beth schliefsenden Nomina, wie auch die Gimel-, Da- 
leth- und He-Reimwörter bis zum Ende der Buchstaben, 
damit es leichter sei, alles festzuhalten und zu be- 
wahren; dadurch wird am besten die Sprache mit allen 
ihren Schwierigkeiten und Einfachheiten aufbewahrt. 
Ich verfafste dieses (Werk) nach der angegebenen 
Weise, als mir 20 Jahre vorüber waren *), und ich 
schätzte hoch (ich gab viel darauf), dafs es den Streb- 
samen zufriedenstellen möchte, indem er sich aus der 
ersten Grundlage (wo die Ww. nach den Anfängen 
geordnet sind) was seinem Wunsche entspricht wähle 
und darauf weiter baue, d. h. er reihe daran Wörter 
nach seinem Zwecke und beschliefse mit dem Reim- 
wort, das ebenfalls zu seinem Ziele pafst. Nach einigen 
Jahren seit dem Erscheinen meiner Schrift bemerkte 


t) Dafs 8. wirklich die Wörter alphabetisch nach den Anfängen 
geordnet hat, bezeugt Menabem b. Saruk in seinem Wörterb. (ed. Filip. 
p. 68-69), wo dieser Theil des saadjanischen Buches 19H 34 nnd 
genannt wird. — *) Da 8. 892 geboren war, so kommt die Abfassung 
auf das Jahr 912; Firk. deutet es (bei Geiger a. a. QO.) falsch 
dehin, dafs 8. diese Vorrede 20 Jahre nach der ersten Ausgabe des 


Werkes geschrieben habe. 
Zeitschrift f. d. alttest Wiss. Jahrgang 2. 1882. 6 


82 Harkavy, Mittheilungen 


et a ET rn JU hey creat ot ues 
Le Sa Stayt! oye og) ASSO! gt dt py ples’ Lost), 
hol 95m (80) aad itl Lgandif ital} ce ar (oy gigniong 
tlh Lily asst etd @ gut Satay! 19, GL! § Land 
BS coat cy Leigh OES oly ot bel Lt 
Bree ply a GA SW u Spot J erggers 
cyte LOS ptt patty et, strait 59, (plat 


f.3* ich aber, dafs, obwohl ich die Grundlagen der Anfänge 
und der Schlüsse der Verse gesammelt habe, den 
Schülern es Noth thut, dafs ich ihnen auch über die 
mittleren Theile (der Verse) Aufklärungen gebe, damit 
sie sich über die Gegenstände der Dichtung selbst 
behelfen könnten, deshalb habe ich auch die Letzteren 
in meine Schrift aufgenommen !). Diese mittleren 
Theile, welche die Seele (den Hauptinhalt) des Ge 
dichts ausmachen ?) — die beiden Enden desselben 
sind gleichsam zwei Wächter — obwohl ihre Arten 
zahlreich siud, so sind doch ihre Grundlagen drei Haupt- 
arten : Erstens, die Eintheilung der menschlichen 
Rede (die Redetheile), d. h. die Ausrufung, die Frage, 
die Erzählung, der Befehl und der Vergleich, wie ich 


1) In dem Darauffolgenden orklärt 8. ganz deutlich, was er unter 
den „mittleren Theilen“ versteht : grammatische und logische Sprach- 
regeln und eine Poetik mit Beispielen aus älteren Posten. Die weit- 
liufige Verhandlung bei Geiger (a. a. O. p. 260—61; vgl. p. 804), 
auf Firk.’s mangelhafte Mittheilung gegründet, fällt demnach weg. 

*) Firk gab vor, dafses sich hier um ein besonderes, "Ww wh) 
(= nied! pati) betiteltes Werk handle, worauf aufser Geiger a.a. O., 
auch Kaufmann (Hebräische Bibliographie von Steinschneider 


XVLI, 68) sich verlassen hat; man sieht aber, dafs hier gar nicht vom 
Tite] eines Werkes die Redo ist. 


aus Potersburger Handschriften. 

Aust J WW [SI eu ll, 
de well at hall ala posal cs 
EI wher Kent Oy SKA! And 3 u gl 
tell » sill 3 gms o9 Lin bg Sle (50) IK? ob REES, 
oe et a dal aga Sal on tele is 

I) le ns Hat ll lise ul I Squad vy gas 
On JD OT ah Lyall SyF oye Lge pl 


dies erklären werde. Zweitens, die Eintheilung der 


Arten, die durch viererlei begrenzt werden : durch die 
Elemente (Materie), durch die Form, durch die That 
und durch die Zufälle, wie ich dies Alles erklären 
werde. Drittens, die Anführung von Beispielen, was 
eigentlich denen der zweiten Art ähnlich ist, nur werden 
die Letzteren von dem genommen, was in dem zu ver- 
gleichenden Gegenstande sich befindet ; jeneaber werden 
von dem abgeleitet, was in dem Gegenstande, mit dem 
man vergleicht, entsteht. Diesen drei Hauptgrund- 
lagen folgen noch andere Abtheilungen, die den Poeten 
nöthig sind. Dann, wo ich nur bemerkte, dafs ich Be- 
“ weise führen konnte von den Worten (Productionen) der 
alten Poeten : Jose ben Jose, Jannai, Eleazar, 
Josua und Pinchas?), so that ich dies. Was aber 


1) Von hier bis sam Schlufs der arabischen Vorrede hat Deren- 
bourg bei Geiger (a. a. O. p. 803) dieselbe nach einem der Gentsah 


in Kahira (K.) entnommenen Blätichen veröffentlicht. 
KK at. Ul. 


*) In K. fehlt das zwischen £1,255! und dem nämlichen Wort in 


der nächsten Zeile Stehende; die Homoteleuta sind Schuld daran. 
*) K. yo. 


5) Die ersten drei waren längst als Verfasser liturgischor Hymnen 
(Piut) bekannt; Josua ist nach Geigors Vermuthung mit dem bei 


6* 


84 Harkavy, Mittheilungen 


5 el A ls On TET Tun 
Ip ara TU cyt Weed Wed Fh JOH W LY 
Lead b(t) pf ily Jt ol ake py TEC Malet 
de Js! ex LIT wid le Je ladles rH pha eS % 
raus Sagen kl Er aS sto! ln 

10 AN (eig u wrsrans Ls WS Bt KEN Kolo 


die Productionen der uns näheren (der neueren) Poeten 
betrifft, so wirst Du bei mir nur lobenswerthe Citate 
finden von demjenigen, dessen Eirseugnisse beherzigens- 
werth sind; in solchem Falle heifst es bei mir : N.N. 
hat dies oder jenes gut gesprochen. Ich werde aber 
unterlassen, das Gegentheil zu thun und zu sagen: 
N. N. hat dies oder jenes schlecht gesprochen. Ich 
lies die (folgende) Vorrede meiner Schrift hebräisch, 
so wie ich dieselbe ursprünglich verfafst habe, nur 
setzte ich sie an den Anfang der Schrift, und — als ich ein- 
gesehen, dals die Nation dessen bedürftig sei — schrieb 
ich eine (arabische) Erklärung dasu. Und nachdem 
ich die beiden End-Theile oopirt habe, die ich bereits 


(in der ersten Ausgabe der Schrift) gesammelt hatte, 


Zuns (Literaturgeschichte p. 459; vgl. 8. D. Lussatto in Ber- 
liner’s 399 x 1880, p. 28) erwähnten identisch; über Pinchas ist 
zuletzt ausführlich im 197 (XXIII, 868—9) gehandelt worden, wo 
auch andere Stellen aus Handschriften über denselben mitgetheilt 
worden sind. 


1) K. ya; vielleicht Druckfehler. 
2») K. Ufl,. 

*) K. wol. 

)E us 

) Ms P. IK Ll. 

%) P. agias, K agilwo (Druckf.). 





aus Potersburger Handschriftee. 85 


Mr! at stud Salt Ian: ena! la oS 
a) diol 


Daran ao re 1 SR AE IRE Te MRE? RG 
pene Ney : hop wa Op may fA Np TATPN ta ep 
WP Op Oye mi Na OM) PIED pp TTT Dip arm 5 
Nato yo ADK DUP von DI INK PUY gg 


füge ich ihnen die Erklärung der mittleren Theile 
hinsu. Da mein Bestreben ist (mit dieser Schrift) 
nützlich zu sein, so wünsche ich, dafs Gott mir in 
Allem, worin ich ihn anflehen werde, nützlich sein 
möge! 

[1] Dies ist das Sepher ha-Agrön (Sammelbuch) 
für die heilige Sprache, welche Gott von jeher aus- 
erkoren hat, und in ihr lobpreisen ihn seine heiligen 
Engel, Selah, und verherrlichen ihn alle Hehren °). 
2] Eine Sprache und. einerlei Worte waren in der 
ganzen Welt (Gen. 11, 1) seitdem Gott den Adam 


)EK gel. 

N) K. bat noch pj. 

V. 1. In P. (Petersb. Copie) yiyxı) punktirt, was such zulässig; 
@. (Geiger) will wp st. Ww 7p emendiren, er hat übersehen, dafs 
der Gebrauch des emphat. 7 von Saad. sehr beliebt war; vgl. Lus- 
satto, Bibliotheca (Leopoli 1847) f. 11a; Donasch, Kritik NN. 108. 
110.— V.2.D. (Derenbourg) corrigirt yoy st. YSy, was unnöthig, 
da Saad. die selten vorkommenden Ww. zu gebrauchen liebt; vgl. 
Micha 4, 8. 

*) Vielleicht Anspielung auf die talmudische Aussage (Sabbath 
f. 12, Bota f. 83), dafs die Engel nicht aramäiisch versteben, welche 
Aussage wahrscheinlich gegen die Engelsgebete der Samaritaner (Peter- 
mann, Porta lingg. orientt. III, Berlin 1873, Chrest. p. 18 ff.) ge- 
richtet ist. 


86 Harkavy, Mittheilungen 


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geschaffen und einen Theil seiner eigenen Weisheit 
demselben übergeben hatte; auch (war eine Sprache) 
bei den Nachkommen des Letzteren im Verlauf von 
1996 Jahren !), [3] bis zur Zeit des Sturm-Schwarms ?), 
der dorthin von den armenischen Gebirgen *) im Sterbe 
jahr des Peleg Sohn Ebers’s gebracht wurde *), denn 
zu seiner Zeit, ein Jahr vor seinem Tode, wurde die 
Erde getheilt (Gen. X, 25), [4] weil sie Böses sannen 
und ihr Uebermuth danach trachtete, sich vor dem 
allmächtigen Gotte in Acht zu nehmen, damit er sie 
nicht zerstreue in alle Weltenden; aber Er brachte, 
was sie befürchteten, sie wurden in ihrem hitzigen 
b. Eifer zerstreut, sodafs das für die Zukunft bestimmte 
(die Sprachverwirrung) dadurch beschleunigt wurde. 


V. 8. H. (Halberstam) emendirt 99; L. (die im Libanon ge- 


druckte Copie) 4747 st. “Wy. — V. 4. G. will corrig. HOHES st. DOM 
hat also Jerem. 51, 89 tibersehen. 

!) Nach dem Seder Olam Rabba Auf. : von Adam bis zur Fluth 
1656, von da bis sur Sprachverwirrung 340 Jahre, H. 


*) Ich übersetzte nach der Lesart in beiden Copieen (vgl. Nah. 1, 8. 
Hiob 9, 17), wenn man H.’s Emendation annimmt, die allerdings vieles 
für sich hat. so wird zu übersetzen sein : des Schwarms, der nach 
Sinear kam; vgl. Gen. XI, 2. 


*) Harmén (Amos 4, 3) giebt das Targum wieder mit MIR, 
und Gen. 8, 4 lälst das jerus. Targ. auf den Bergen Ararat die Stadt 
NYJHIN“ erbaut werden in dem Lande ıqr3y'39, von dort (API Wy) 
sieheu die Thurmerbauer nach demselben Targ. Gen. 11, 2. H. 


*) Nach Seder Olam a. a. O. H. 


aus Petersburger Handschriften. 87 


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[5] Die Erde erschrak ') und theilte die Sprachen nach 
der Zahl ihrer Völker *); die heilge Sprache verblieb 
dann nur im Munde der Söhne Ebers, [6] deshalb weil 
sie vor Gott wahrhaft waren, denn aus ihrem Stamme 
entstanden unsere Vorfahren : sein Liebling Abraham, 
sein Auserkorener Isaak, sein kostbares Eigenthum 
Jacob und all die göttlichen Stämme. |7| Ihr Fuls 
schritt überall umher, im Lande Kanaan und im Lande 
Pathros (= Aegypten, vgl. Jes. 11, 11. Jer. 44, 1 
u. 8. w.) und (die heil. Sprache) entwich ihrem Munde 
nicht, und als sie aus Aegypten zogen, so verkündete 
uns Gott in dieser Sprache gediegene Worte durch 
seinen Diener Moses, den göttlichen Mann, Gesetze 
und Recht auf dem Berge Horeb (Sinai). [8] Von 
einer Generation zur anderen war sie (die heil. Spr.) 


V.5. L. "Hops, was auch palst. — V. 6. L. falsch O95 st. O95, 
wobei auch das Wortspiel mit dem darauffolgenden > verloren geht. — 


V. 7. L. falsch HD st. Oy. 
) Bo übersetst 8. Ayr Jes. XV, 4: anal. - 


*) Nach der rabbinischen Ansicht, dafs es 70 Völker und Sprac 
in der Welt gebe. 


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88 ' Herkavy, Mittheiluagen 


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uns sum Erbtheil. Während wir, durch das Ve- 
dienst unserer Heiligen, in unserem Erblande gewohnt | 
hatten, diente dieselbe fur die Botschaften unserer 
Könige !), für die Lieder unserer Leviten, für dea 
Gesang unserer Priester, fir die Offenbarung unserer 
f.5* Propheten, für das Trachten unserer Grofsen *), bis 
zum Exil aus Jerusalem nach Babel, zur Zeit des 
Zidkijahu. [9] Im Jahre 101 nach der Zerstörung 
der göttlichen Stadt haben wir angefangen, die heilige 
Sprache zu verlassen und die Sprachen der fremden 
Völker zu sprechen. Drei Jahre bevor bei den Griechen 
ein König herrschte (vor der Seleukidenärs) ?), [10] zur 
Zeit des Statthalters Nehemjahu und seiner Leute, sah 
derselbe uns asdödisch sprechen (Neh. 13, 24-5), 
was ihn verdrofs, und er schalt das Volk und zankte 
mit ibm. |11] Auch nach ihm wurden wir nach allen 
Ländern und Meeresinseln verbannt, ea war kein Volks 


V.8. L. andy st. oop. — V.9. L. falschyrim st. HN — 
V. 10. L falsch 99°45 IN st. INT TNT: 

!\ L. unserer Sendbuten, war eine Wiederholung der unten ge 
nannten Propheten ist. 

®) Oder (wenn man ug liest) : fiir die Gesangweise (oder Spiel- 
weise, vgl. y 92, 4) unserer Bänger. 

*) Nach Sed. Ol. cap. 30. H. 


aus Petersburger Handschriften. 89 


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zu dem nicht unsere Exulanten gekommen waren; in 
ihrer Mitte erzogen wir unsere Kinder, wir erlernten 
ihre Sprachen, so dafs ihre Fremdsprachlichkeit ') die 
Schönheit unserer eigenen Reden umhüllte, was doch 
unrecht ist. [12] Die Diaspora im Osten spricht 
griechisch und persisch, in Aegypten sprechen sie 
chanesisch (= ägyptisch, nach dem Orte Chanes 
Jes. 30, 4), auch die Exulanten (im Lande) der 
Söhne Kenaz (Gen. 37, 11) und der Söhne 
Sepharad (Obad. v. 20) sprechen fremdländisch ?), 
gleichfalls die in Jetheth (Gen. 36, 40) wohnen, 
und so inder Sprache jeden Volkes. [13] Unser Herz, 
ebenso wie unser Geistesleben, ängstigt sich darüber, 
dafs verschwunden ist aus unserem Munde die heilige b. 
Rede, unsere Veste, so dafs die Offenbarung der Pro- 
phezeiungen und die Redensarten darin für uns wurden 


V. 12. L. falsch "ODD st. MIDDD:; P. falsch nınarı et. NDIN; 
L. oma Anon BD st GAD nm u — V. 18 L. mo ron? 

") Oder : ihre Barbarismen; vergl. Jes. 82, 4, wo 8. Hy mit 
es! wiedergiebt. 

*) Oder : unverständlich. Ibn-Ezra zu Jes. (38, 19) berichtet, defs 
manche wr gleich 335 nehmen, und aus Donasch (Kritik p. 39 
Nr. 115) wissen wir, dafs 8. manchmal die Verwechselung des 5 mit 
dem 9 annahm, aber in der von Paulus gedruckten Uebers. des 8. liest 


man an der betreffenden Stelle : Kal)! el. 


90 Harkavy, Mittheiluagea 


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wie die Worte eines versiegelten Briefes und wie ein 
Traum im wachenden Zustande '), denn in den Län- 
dern unserer Gefangenschaft wurde die Zunge stam- 
melnd. [14] Es geziemt uns, dafs wir und das ganze 
Gottesvolk darin beständig forschen und untersuchen, 
wir, unsere Kinder, unsere Frauen und unsere Diener; 
nicht weiche sie (die heil. Spr.) aus unserem Munde, 
denn durch sie werden wir die Gesetze der Lehre 
unseres Schöpfers verstehen, welche unser Leben, unser 
Licht und unser Heiligthum für immerdar ausmachen. 
[15] Und es geschah im Jahre 1224, nachdem Offen- 
barung und Prophet aufhirten ?), da schrieb der Sammler 
dieses Buch, damit es zur Weisheit (Anleitung) diene 
für das ganze Gottesvolk, für alle Gesetzeskundige; 


V. 14. L. falsch proby ot. pay; P. und L. 1129 st. pay. — V. 15. 
L. abbrev. wy, P. mawy; L. m Op st. w Op, D.’s Conjectur ist 
demnach unnöthig. 

") L. und wie wenn man aus einem Traume erwacht. 

*) Die Bestimmung dieses Datums machte Finn, Geiger und 
Halberstam viel zu schaffen; sie haben alle übersehen, dafs Sed. 
Ol. Rabb. (ca 30) und Sed. Ol. Zutta das Verschwinden der Prophotie 
mit dem Anfange des Griechenreiches, was nach ihnen mit der Seleu- 
kidenära beginnt, in Verbindung setzen : IRZYITD O'W'DIN YN IND W 
Don MDI Yow IR DT WR 1D") Wap ANID. Ueber den 
Gebrauch von Omwy yon ohne Verbindungswaw s. G. a. a. O- 
p- 259 Anm. 


aus Petersburger Handschriften. 91 


(16) 


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Se Pe Ie op owed 2 OTN We ne 52 ran 10 
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OPW IW YT Spy Miz] wry HD May poy Io The) 


[16] er richtete dasselbe dazu ein, um (daraus zu lernen) 
wie man Räthsel und Sprüche verfassen, wie man 
allerlei Abgemessenes !) und allerhand Verse, welche 
Poeten und Sänger zum Lobpreisen gebrauchen, auf- f. 6! 
setzen soll. [17] Möchte das Gottesvolk sich mit diesem 
(Werke) beschäftigen bei ihrem Aus- und Eingehen, 
bei ihren Hantirungen, in ihren Schlafgemächern und 
mit ihren Kindern ; [18] dann wird ihr Hers sich von 
der Vernunft nicht abwenden, denn durch dasselbe 
(Werk) werden sie die Gotteslehre begreifen, damit 
Gott erfülle das Wort, das er durch seinen Diener 
Jesaia Sohn Amoz (59, 21) gesprochen : Nicht sollen 
weichen meine Worte von Jacob und von seinen Kin- 


V. 16. L. falsch Ja" st. am, ron) st. rons) (beachte das Wort- 
spiel mit AnanD), Mord st. many (ebenfalls Wortspiel mit mNAMD), 
DTWWT st. Ow NHN (wie schon H. conjicirte nach Amos 6, 5; 
D.’s Conjectur OOH ist schon deshalb unzulässig, weil 8. hier 
keine nachbibl. Wörter gebraucht); L. my, P. MIN st. MIT 
wie Nehem. 12, 8, woher das Wort entnommen ist. — V. 18. L. fehlt das 
erste yı (dasD. ergänzt) und st. des zweiten steht da 4; L. Hmy st. yıox- 

") Es kann hier nicht von metrischen Gedichten die Rede sein, 
denn Donasch (Kritik, ed. Schröter p. 31 Nr. 105) und die Schüler 
des Menabem (Respunsa, ed. Stern p. 27) bezeugen, dals 8. das Metrum 
für hebräische Gedichte verwarf. 


92 Harkavy, Mittheilungen. 





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dern bis in die Ewigkeit. [19] Ihr alle Wissende und 
Verständige, wendet euch zu ihm (dem Werke), that 
auf euer Herz und euere Seele, um es zu begreifen! 
Ihr alle Schönredner, strömt zu ihm, und nach ihm 
übersetzet aus allen Sprachen der Erde, der eingehenden 
und der ausgehenden (des Ostens und des Westens?) 
von Zeichen zu Zeichen (von Anfang bis zu Ende?) *). 
[20] Wenn wir so verfahren, so wird der Retter unserer 
Seele, unser Erlöser von jeher, uns begnadigen mit 
der Herabsendung der Hülfe, nach der wir uns sehnen, 
(nämlich :) auszubreiten unsere gediegene Sprache 
über die ganze Erde, damit Alle Seinen Namen an- 
rufen, um alleeammt Ihm zu dienen. [21] Und es 
b. geschah als ich den Entschlufs gefafst hatte, dies Buch 
zu schreiben, um es zur Einsicht (Anleitung) zu machen 
für alle, welche die Sprache der heiligen Engel gern 
haben, |22] so lenkte ich meine Herzensgedanken *) 





V.19.L. 99m. yan). — V. 20. L. nam, PenTmndet. Ta: 
L. wrayd st ays — V. 21. L. 2b Sy mbdys at. 025 Sy ya 

') Vielleicht nimmt hier 8 yp synonymisch mit N in der Re 
deutung von Buchstabe, und will sagen : vom ersten Buchstaben bis 
zum letzten. 

*) G. setzt ein Fragezeichen beim Worte 3, es war ibm also 
unverständlich. Offenbar gebraucht 8. hier das dr. ey. NID (I Kon. 


sus Petersburger Handschriften. 93 


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Vay TPIT? Ose Fyn niyo Alma Mop nie. 


auf alle menschlichen Wörter und auf die Reden ihres 
Mundes, welche in jeder Sprache sich befinden. [23] Da 
fand ich, dafs jedes menschliche Wort auf eine dieser 
zwei Arten ist : entweder Grundlage (aus Radicalbuch- 
staben bestehend), oder vermehrt (mit Servilbuchstaben) ; 
das Vermehrte (Wort) hat auch seine Grundlage (oder: 
das Zugefügte hat auch seinen Grund, seine Ursache, 
wie er im Folgenden erklärt). [24] Die vermehrten 
(Wörter, oder : die beigefügten Buchstaben) sind auf 
drei Arten : die Mehrzahl, den Besitz anzugeben, oder 
die Zeit — Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart — 
anzuzeigen. [25] Die Grundlagen (die aus Radical- 
buchstaben bestehenden Wörter) bleiben immer in dem- 
selben Maalse; das Gegentheil ist der Fall mit den 
Vermehrten. [26] Die dem Worte beigefügten Buch- 
staben sind : J9Mw> Om !), wovon sieben auf der 


12, 38) in der Bedeutung von ersinnen, erdenken. Gemeint sind also 
die Gedanken, durch welche der Mensch etwas Neues erfindet. 


V. 22. L. fehlt 1455. Er liest man st: NIDD- — V. 28. L. yon 
st. “Deer. — V. 25. L. omyony st anyamn- — V. 26. D. fügt nach 
bug noch die Worte MOIOD) MI) hinzu; dem widerspricht aber die 
(in Anm. 1 8.94 zur Uebersetzung angeführte) Stelle aus 8.’s Comment. 
su Exod. L. jan, was schon H. yon corrigirt; L. MMO st. 
NTON- 

ı) Vgl. Responsa der Schtiler Menahems (p. 40), wo dies im Namen 
8.’s angeführt wird. H. 







Smoeond, über die Genesis des Judenthums. 


DORT IR aT ris of gr TROT ATOR Dr 
» BEE 571,3, 


Grundlage (folgen) und ungewendet (vor d 
diese sind 1 0153; vier aber kommen nor 
wendet, diese sind jm’). [27| Alle. . 

A. Harkavy. 


Ueber die Genesis des Judenthums. 
Von Radolf Smend. 


I. 


Israel und das Judenthum, Israeliten und Juden sil 
für die populäre Vorstellung ziemlich identische Begrif, 
in Wahrheit sind sie sehr verschieden. Das alte lud 
war ein Volk und ein nationaler Staat, das Judenthu 
eine religiöse Gemeinde. Hier haben wir die in der We 
geschichte völlig vereinzelt dastehende Thatsache, dalı & 
nationale Religion den Untergang des nationalen Staat 
überdauerte und den Rest des alten Volkes sogar viel fest 
zusammenschlofs als einst Staat und Volksthum es ta 


V. 26. L. 79 st. 3 (wohl Druckfehler). 

') 8. Donasch, Kritik (p. 2—8, Nr. 6), wo diese Eintheilung 8 
oitirt wird. H. In 8.'s Commentar sum Exodus (cap. 26) heii | 
ebenfalls, dafs die eilf Buchstaben HIN I Yin den Wörtern ı 
Anfang zugefügt werden (Liu! 3 cL AKU Ak), wobei er sich ı 
seine Poetik beruft (‚Al US & ld WSLS; 5 die vont 
im 9 1877 p. 287 veröffentlichte Stelle); wahrscheinlich ist: 
um, der als Anleitung zur Poesie zu dienen bestimmt war, gem 
wie auch Kaufmann (Hebr. Bibliogr. 1878, p. 68) vermuthete. 


96 Smend, über die Genesis des Judenthums. 


liefs der Eifer, der durch die Erfüllung des Gesetzes die |; 
göttliche Gnade wiedergewinnen wollte, neben dem supra- 
naturalen Gesetzbuch, das nun für alle Verhältnisse des 
Lebens die alleinige Richtschnur wurde, keinen Platz mehr 
für das natürliche Volksleben, und so auch nicht für seine 
äufsere Form, den politischen Staat und das Königthum. 
In der That sind aber auch alle anderweitigen Unterschiede 
zwischen Israel und dem Judenthum auf jenen einen Gegen- 
satz zurückzuführen : der Untergang des israelitischen 
Stastes und Volksthums ist die wichtigste Epoche der vor- 
christlichen Offenbarungsgeschichte. 


Auch die biblische Wissenschaft hat erst in neuester 
Zeit zwischen dem alten Israel und dem späteren Juden- 
thum unterscheiden gelernt und so erst eine lebendige Vor- 
stellung von der alttestamentlichen Religionsgeschichte ge 
wonnen. In der That ist das eine die Vorbedingung des 
andern. Ohne jene Unterscheidung ist man ohne Antwort 
auf die Frage, was doch die tragische Geschichte Israels 
bedeutet habe, was denn die Resultante des gewaltigen 
Kräftespiels war, das auf den Berg Zion wirkte, wozu 
überhaupt der grofse weltgeschichtliche Apparat gegen 
Israel und für Israel in Bewegung gesetst wurde. Ant- 
wortet man, die Prophetie sei dadurch ins Leben gerufen, 
so ist zu erwidern, dals die prophetische Predigt der Haupt- 
sache nach aus selbstverständlichen Gedanken besteht, 
wenn das Gesetzbuch älter ist als die Prophetie '). Auch 
die messianische Hoffnung ist m. E. ein nothwendiges 
Complement des Gesetzbuchs. In Wahrheit setzt man für 
gewöhnlich aufser Augen, was die Prophetie innerhalb der 
altt. Geschichte bedeutet hat. Man hält sich meistens allzu 
einseitig an diejenigen prophetischen Gedanken, die über 


I) Befremdlich ist der immer wiederkehrende Hinweis auf den neu- 
testamentlichen Ausdruck „Gesetz und Propheten“, als ob der etwas 
anderes bedeutete als der erste Theil des Kanons und der zweite. 





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Smend, über die Genesis des Judenthums. 97 


das Niveau des übrigen A. T. binausgehen, und setzt sie in 
Parallele zum N. T. Aber der Werth dieser prophetischen 
Gedanken kann doch nur darin bestehen, dafs sie nicht 
nur innerhalb einer Geschichte entstanden sind, sondern 
auch in einer Geschichte fortgewirkt haben. Man kann 
getrost behaupten, dafs die Propheten als die (wenn auch 
nur indirecten) Begründer des Judenthums wichtiger sind 
denn als die Weissager vom N. T. Was sie über das 
Judenthum hinaus haben, ist uns nur werthvoll zur Ver- 
bürgung dessen, was im Judenthum verborgen ist. Theo- 
logisch (im engeren Sinne) pflegt man sich für das Juden- 
thum kaum zu interessiren. Man hat es allerdings zu einem 
grofsen Theil in dem, was man gewöhnlich Mosaismus 
nennt. In Sonderheit wird der Zeitraum zwischen dem 
letzten Buch des altt. Kanons und dem N. T. gemeinhin 
als ein Vacuum angesehen, das wesentlich nur von archüo- 
logischem Werthe sei, die innere Geschichte des vorchrist- 
lichen Judenthums wird in der That fast ausschließlich 
von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, als Basis für 
das Verständnifs des N. T. dient die neutl. Zeitgeschichte 
anstatt einer Geschichte des Judenthums. Es kann aber 
keinem Zweifel unterliegen, dafs die nächste Aufgabe der 
altt. Theologie vor allen Dingen die Geschichte des vor- 
christlichen Judenthums ist. 

Freilich stellt die Ueberlieferung das Gesetzbuch an 
den Anfang der israelitischen Geschichte, und für das spätere 
Judenthum war der Gedanke einer geschichtlichen Ent- 
wickelung seines Glaubens und seiner Sitte ebenso unfafsbar 
wie für die katholische Kirche. Dem steht aber zunächst 
die Thatsache gegenüber, dafs der Pentateuch und namentlich 
das Gesetz des Pentateuchs keine einheitliche Gröfse, son- 
dern aus mehreren und zwar sehr verschiedenartigen Ge- 
setzbüchern zusammengestellt ist. Der Dekalog von Ex. 20, 
der von Ex. 34, das Bundesbuch Ex. 21—23, das Deu- 


teronomium, das in Lev. 17—26 zu Grunde liegende Corpus, 
Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 3. 1883. 


98 Smend, über die Genesis des Judenthums. 


alle diese Stücke sind von einander und von dem Rest der | 


pentsteuchischen Gesetze, die man neuerdings meistens 
unter dem Namen des Priestercodex zusammenfafst, cha- 
rakteristisch verschieden. In der That hat jede dieser 
Gruppen ihren eigenthümlichen Typus und zwar in solchem 
Grade, dafs man fragen mufs, welche von ihnen denn vor- 
züglich als „das Gesetz“ zu gelten habe. Nun ist der 
Pentateuch allerdings in seiner Gesammtheit die Magns 
Charta der jüdischen Theokratie gewesen, aber zu diesem 
seinem Charakter haben die verschiedenen Gruppen seiner 
Gesetze in sehr verschiedenem Grade beigetragen. Am 
wenigsten der fast ausschliefslich moralische Dekalog von 
Ex. 20 und das Bundesbuch, das von religits-humanem 
Standpunkt aus vor allem die privatrechtlichen Verhält- 
nisse eines Bauernvolkes behandelt. Das vornehmste und 
gröfste Gebot war es nicht, was die jüdische Gemeinde 
zusarnmenhielt und worauf zunächst der eigenthümlich ge- 
setzliche Charakter ihrer Religiösität beruhte, das waren 
vielmehr die Cultus- und Ceremonialgesetze des Pentateuch 
d. h. der sogenannte Priestercodex mit dem davon unab- 
trennbaren Corpua Lev. 17—26. Was die verschiedenen 
Giuppen der pentatenchischen Gesetze der Hauptsache 
nach von einander unterscheidet, ist der verschiedene Grad, 
in dem sie den Cultus und die religiöse Sitte fixiren und 
zwar im Gegensatz gegen den volksthümlichen Brauch. 
Jenes Moment findet sich schon Ex. 20—23. 34, in höheren 
Grade im Deuteronomium, mehr noch Lev. 17—26, den 
Priestercodex füllt es vollständig aus'). Auch der pole 


1) Der Dekalog von Ex. 84 ist freilich ausechliefslich ritual, wie 
im Priestercodex erscheinen auch hier Gotterdienst und religiöse Bitte 
als die Hauptsache in der Religion. In gewissem Sinne hat der Gegensats 
zwischen dem Bundesbuch und dem Priestercodex in der That im alten 
Israel bestanden, das wissen wir nicht nur aus dem Nebeneinander 
dieser beiden Dekaloge, sondern vor allen Dingen aus dem Gegensats 





100 Smeond, über die Genesis des Judenthums. 


im Hohenpriester gipfeln. Der trägt den Purpur und des 
Diadem, der heifst „der Gesalbte*, von seinem Tode datirt 
jedesmal eine neue Aera. Von der bürgerlichen Obrigkeit 
ist so zu sagen nicht die Rede. Die Stammesfürsten kommen 
lediglich als Spender von Opfern und Weihgeschenken in 
Betracht. Im Zusammenhang der hexateuchischen Ersih 
long wird freilich von Josua neben Eleasar Notiz genommen, 
aber nach Num. 27 ist nicht Josua der Führer Israels, 
sondern Eleasar regiert und Josua hat nur den Ausspruch 
von Urim und Thummim zu executiren. In Wahrheit 
scheint im gesetzlichen Gottesdienst, der Israel überhaupt 
geoffenbert ist, das ganze Leben des Volkes aufzugehen. 
Opfer und Ceremonien erscheinen als seine einzige Lebens- 
äufserung, die bis ins Kleinste und Geringste vom gött- 
lichen Gesetze bestimmt ist. In einem Kalender bestimmt 
Gott seine zahlreichen Feste, die ein systematisch geglie 
dertes Ganzes bilden und in dem einen Moment ihren Höhe | 
punkt haben, wo der Hohepriester am Versdhnungstage 
das Allerheiligste betritt. In einer detaillirten Tabelle ver- 
ordnet Gott auf das genaueste das Wie und Was des 
Gottesdienstes für jeden Tag des Jahres, und für jede 
Lage des Lebens ist eine bestimmte religiöse Observans 
durch Gottes Gebot vorgeschrieben. So ist das ganze 
Leben des Volkes, des Einzelnen wie der gesammten Ge- 
meinde von einem Netze gottesdienstlicher Handlungen 
überzogen, die auf Schritt und Tritt an den Gott Israels 
und sein Gesetz erinnern, ja das ganze Leben des Volkes 
ist gleichsam ein grofser ununterbrochener sacramentaler 
Gottesdienst, der sich um die Stiftahütte dreht. Nur diesen 
Sinn hat jene Lagerordnung, welche die 12 Stämme con- 
centrisch um die Stiftshütte und den Stamm Levi gruppirt. 
Das ist das Joch des Gesetzes, das nach hergebrachter 
Meinung schon Mose dem halsstarrigen Volke aufgelegt 
hat, der harte Zuchtmeister, durch den Israel von jeher 
erzogen wurde. 





Smend, über die Genesis des Judenthums. 101 


Es scheint auf den ersten Blick befremdlich, dafs diese 
Gruppe von Gesetzen recht eigentlich das „Gesetz“ Israels 
ausgemacht haben soll, da in ihr doch gerade das am we- 
nigsten zum Ausdruck kommt, was wir als den wesent- 
lichsten Unterschied der alttl. Religion von den heidnischen 
zu betrachten gewohnt sind. Sollte diese Cultusgesetz- 
gebung wirklich die gesammte religiöse Sphäre ausfüllen ? 
Oder haben wir den viel bescheideneren Versuch vor uns, 
nur die gottesdienstliche Seite der Religion darzustellen ? 
So stellt man wohl die Alternative, aber mit Unrecht. 
Wenn der Priestercodex fast ausschliefslich Cultusgesetze 
enthält, so folgt daraus allerdings, dafs seine Verfasser 
gerade die Aufsenseite der Religion als das Wichtigste in 
der mosaischen Offenbarung betrachteten. Dafs ihnen die 
Religion überhaupt hierin aufging, ist damit nicht gesagt. 
Aber einen anderen Sinn als den bezeichneten kann diese 
Gesetzgebung in dem grofsartigen Rahmen der Urgeschichte 
von der Schöpfung der Welt bis zur Einnahme Kanaans 
durch Israel doch nicht haben. 

In der That liegt die pädagogische Tendenz dieses 
Gesetzes auf der Hand, so energisch wie hier ist wohl 
sonst nie in der Weltgeschichte der Versuch unternommen, 
ein ganzes Volk religiös zu erziehen. Deutlich ist aber 
auch, dafs der oder die Urheber dieses Gesetzes von der 
natürlichen Verderbtheit Israels aufs tiefste durchdrungen 
waren, und es fragt sich doch sehr, ob wir eine solche 
Erkenntnifs bei dem voraussetzen dürfen, der eben erst 
dies Volk geschaffen hatte, ob ein eben entstehendes Volk 
für einen solchen Gedanken auch nur das geringste Ver- 
stindnifs haben konnte, geschweige denn soviel, dals es 
dies Joch auf sich nahm. Vatke hat ferner darauf auf- 
merksam gemacht, dafs der Priestercodex förmlich den 
Begriff einer Kirche entwickelt, dieser aber erst als die 
Nachbildung eines Staates begreiflich ist, wozu Israel es 
erst im Laufe seiner Geschichte brachte. Wirklich er- 


102 Smend, über die Genesis dos Judenthums. 


scheint auch die römische Kirche als undenkbar ohne den 
vorhergehenden altrömischen Staat. 

Nun haben solche Erwägungen freilich keine Bedeu- 
tung für diejenigen, die das Wesen der göttlichen Offen- 
barung wesentlich im Gegensatz zur Natur suchen und die 
deshalb das Volk der Offenbarung möglichst abnorm vor- 
zustellen gewohnt sind. Indessen sind wir über die Ge 
schichte des alten Israel genügend unterrichtet, um auf 
Grund der uns zu Gebote stehenden Quellen zunächst 
wenigstens die Gültigkeit des Priestercodex für die vor 
exilische Zeit leugnen zu müssen. Was die mosaische Zeit 
angeht, so braucht heutzutage kaum noch bewiesen zu 
werden, dafs die Theokratie des Priestercodex in der Wüste 
nicht existirt haben kann. Es genügt an Am. 5, 25 oder 
an die anderweitige, leider verstümmelte Beschreibung des 
mosaischen Heiligthums Ex. 33 zu erinnern, wo das Zelt 
aufserhalb des Lagers steht, und Mose und der Knabe 
Josua die Stelle Aharons, seiner Söhne und der 22,000 
Leviten vertreten. Fast allgemein wird die erzihlende 
Form des Gesetzbuchs eben nur für eine Form genommen, 
in die Spätere ihren Glauben an die mosaische Herkunft 
oder auch nur den Gültigkeitsauspruch der einzelnen Ge 
setze einkleideten. Somit kann der Priestercodex nicht 
selbst für sein Alter und seine Geltung in der mosaischen 
Zeit zeugen. 

Aus Neh. 8—-10 wissen wir, dafs sogar die nachexi- 
lische Gemeinde fast ein Jahrhundert lang bestanden hatte, 
bevor ihr der Priestercodex bekannt und feierlich einge- 
führt wurde Nach einer durchaus glaubwürdigen Ueber- 
lieferung hatte der Schriftgelehrte Esra ihn aus Babylonien 
mitgebracht. Ein anderer Theil des Pentateuchs, das Deu- 
teronomium, war dagegen schon einige Jahrzehnte vor der 
Zerstörung Jerusalems bekannt und zum öffentlich gül- 
tigen Gesetzbuch erhoben worden (2 Kin. 22. 23). Be- 
treffe des Deuteronomiums wird nun ziemlich allgemein 


Smend, über die Genesis des Judenthumms. 103 


mugenommen, dals es kurz vor seiner Auffindung entstanden 
~wwar. Die Forderungen dieses Gesetzbuchs passen in der 
“What allein auf die Zeit Josias. Dasselbe gilt aber in noch 
~wid höherem Grade vom Priestercodex betreffs der exilischen 
wend nachexilischen Zeit und man hat gar keinen Grund 
‘hier eine Folgerung abzulehnen, die man dort acceptirt 1). 
Wie vor der Zeit Josias keine Spur vom Deuteronomium 
and fiberhaupt von keinem öffentlich gültigen Gesetzbuch 
in der israelitischen Geschichte zu entdecken ist, so wenig 
findet sich vor Esra eine Spur vom Priestercodex. Was 
diese Thatsache zu bedeuten hat, folgt aber daraus, dafs 
umgekehrt in der Zeit nach Josia das Deuteronomium sich 
in Literatur und Leben sehr bemerkbar macht, wenn auch 
nicht in dem Mafse wie seit Esra der Priestercodex. 
Nach der Chronik sollte man freilich meinen, der 
Priestercodex sei von jeher der Angelpunkt gewesen, um 
den sich das Leben Israels bewegte. Aber dies nach 
Alexander dem Grofsen geschriebene Buch kann neben der 
parallelen Ueberlieferung der Bücher Samuelis und Könige 
nicht in Betracht kommen. Denn was die Entstehung 
jenes Buches wesentlich veranlafst hat, ist der Umstand, 
dafs jene älteren Geschichtsbücher von dem Priestercodex 
nichts wissen. Sie geben uns ein Bild vom alten Israel, 
welches Zug um Zug seinen Forderungen aufs gröblichste 
widerspricht, und so wenig sie mit den Zuständen des alten 
Volkes zufrieden sind und so scharf sie dasselbe kritisiren, 
so ist der Mafsstab, den sie dabei anlegen, doch offenbar 
ein ganz anderer als der des Priestercodex. Der Verfasser 


5) Es kann hier nicht der Ort sein, den von Anderen geführten 
Beweis dieser Behauptung zu recapituliren. Nur auf eine Kleinigkeit 
möchte ich aufmerksam machen. In der trockenen Erzählung des 
Priestercodex über die Erzväterzeit findet sich auf menschlicher Seite 
nirgendwo ein Motiv zu handeln, die ganze Geschichte läuft völlig 
automatisch ab. Die eirzige Ausnahme bildet der Schmerz Isaaks und 
Bebekkas über die canaanitischen Enen Esaus (Gen. 28 vgl. Num. 25). 


104 Smend, über die Genesis des Judenthums. 


der Chronik wollte diesem Mangel abhelfen, den er ohne 
Zweifel fir einen nur scheinbaren hielt. Die mosaische 
Abfassung des Pentateuchs und seine bestindige Gtiltigkeit 
war für ihn selbstverständlich und so meinte er, die ältere 
Ueberlieferung nur richtig zu interpretiren, indem er sie 
überall nach dem Gesetzbuch und überhaupt nach den 
Zuständen und Vorstellungen seiner Zeit corrigirte und 
umarbeitete. Das Israel der Chronik ist eine alterthüm- 
liche Verkleidung der jüdischen Gemeinde, daher diese 
Bilder voll innerer Contraste und Widersprüche, die hin 
und wieder fast ans Groteske streifen, die aber gleich- 
wohl sehr lehrreich sind, sofern sie zeigen, wohin die Zu- 
rücktragung des Gesetzes in die vorexilische Zeit führt. 
Im engsten Zusammenhang damit steht ein stark ausge 
prägter religiöser oder vielmehr dogmatischer Pragmatismus 
der Darstellung, wonach Unglück überall Strafe für eine 
bestimmte Sünde und zwar für Ungehorsam gegen be 
stimmte Gebote des Gesetzes und umgekehrt Glück als 
Lohn für gesetzliche Frömmigkeit erscheint. Diesen Causal- 
nexus bemüht sich der Verf. auf allen Punkten aufzuzeigen, 
indem er Ursache und Wirkung auch da überall concret 
ausmalt, wo die ältere Ueberlieferung uns darüber völlig 
im Dunkeln lifst, — Frömmigkeit und Gottlosigkeit nach 
dem Priestercodex, Glück und Unglück nach oft sehr will 
kürlichen Combinationen. In sehr vielen Fällen wird sogar 
von Ursache auf Wirkung und umgekehrt lediglich ge- 
schlossen, das rein vermuthete Glied der Kette darum aber 
nicht weniger concret geschildert wie das überlieferte. 
Die älteren Geschichtsbücher, Richter, Samuelis und 
Könige, haben ihre vorliegende Gestalt wesentlich im Exil 
erhalten. Diese letzte (so zu nennende) Bearbeitung ist 
das Werk mehrerer Hände und muls übrigens wegen ihrer 
Verwandtschaft mit den Propheten Jeremia und Ezechiel 
für einen getreuen Ausdruck der damaligen Denkweise 
gelten. Sie steht auf dem Standpunkt des Deuteronomiums. 


Smend, über die Genesis des Judenthums. 106 


Was sie aber aufserdem vom Chronisten unterscheidet, ist 
einmal der Umstand, dafs jener Pragmatismus von ihr bei 
weitem nicht in demselben Mafse entwickelt wird und dann, 
dals sie die Vergangenheit viel weniger idealisirt, als viel- 
mehr verdammt. Es liegt hier nicht nur ein anderes Gesetz- 
buch zu Grunde, sondern auch die gesammte Anschauung 
ist eine viel weniger gesetzliche. Denn der Glaube an das 
mosaische Gesetzbuch hat zur nothwendigen Consequenz 
die Meinung, dals es seit Mose in Israel regiert oder doch 
wenigstens seinen Anspruch auf Anerkennung immer wieder 
geltend gemacht habe. So stellt denn auch der Chronist 
die Sache dar. Dagegen ist das Gesetz zunächst im be- 
wulsten Gegensatz gegen die Vergangenheit entstanden. 
Es sollte anders werden. Der letzte Verfasser des Königs- 
buchs giebt zu, dafs gerade diejenige Forderung des Deu- 
teronomiums, auf die er das meiste Gewicht legt, nämlich 
das Verbot der Höhen, erst von Hiskia oder vielmehr von 
Josia durchgeführt sei, ja mehr als das, nach seiner Mei- 
nung (die in Wahrheit auch die des Deuteronomiums ist) 
hat jene Forderung erst seit dem salomonischen Tempelbau 
Gültigkeit gehabt. Von dem Zeitpunkt ab wird der Höhen- 
dienst beanstandet und allen Königen bis auf Hiskia und 
Josia zum Vorwurf gemacht, für die ältere Zeit wird er 
gerechtfertigt (1 Kön. 3, 2) und passirt deshalb in den 
Büchern der Richter und Samuelis ungerügt. Freilich läfst 
er seit Salomo von Zeit zu Zeit Propheten auftreten, die die 
Hauptgebote des Deuteronomiums geltend machen, aber das 
hat hier doch noch einen anderen Sinn als in der Chronik. 
Ueberhaupt geht der Begriff der Thora für den Verfasser 
durchaus nicht im Gesetzbuch auf (2 Kön. 17, 13 vergl. 
Esra 9, 11). 

Andererseits wird fast die gesammte Vergangenheit 
aufs entschiedenste verurtheilt. Es soll gezeigt werden, 
dafs das Volk von jeher einen unaustilgbaren Hang zur 
Gottlosigkeit in sich trug und schon in der Zeit seiner 


106 Smend, über die Genesis des Judenthums. 


Entstehung seine grundverderbte Natur an den Tag legte. 
Schon nach den Erfahrungen der Richterzeit konnte man 
über den Ausgang der Geschichte Israels nicht zweifelhaft 
sein, ja sogar die Zeit des Wüstenzuges, die von den 
älteren Propheten und selbst noch von Jeremia so ganz 
anders beurtheilt wird, erscheint in diesem Lichte. Später 
nach Salomos Tode fiel der gröfste Theil des Volkes für 
immer von seinem Gott ab, bei der Entstehung des Reiches 
Ephraim war auch schon sein Untergang besiegelt. Auch 
das Reich Juda war im Grunde nicht viel besser. Obwohl 
manche seiner Könige fromm waren, so kamen doch nur 
Hiskia und Josia dem Davi« gleich, und deren Frömmig- 
keit konnte die Gottlosigkeit nicht abstellen, die nun ein- 
mal zu tief in der Natur des Volkes stak. Darum mufste 
auch Jerusalem mit dem Tempel fallen, wie schon dem 
Salomo fiir den Fall des Götzendienstes, ja schon den 
Vätern, die in Kanaan einzogen, durch Mose angedroht 
war. Gott wohlgefällig und fromm war in alter Zeit das 
Geschlecht, das unter Josua das heilige Land eroberte, 
fromm war Israel während der Regierungszeiten der Richter, 
fromm war David, an dessen Namen sich die Erinnerung 
an die einstige Macht und Gröfse Israels knüpfte, Salomo, — 
der Besitzer einer Herrlichkeit, die den Späteren märchen- 
hafterschien, und vor allen Dingen der Erbauer des Tempels, — 
war es wenigstens in seiner Jugend. Dafs diese Auffassung 
der israelitiachen Geschichte von einem sehr unvollkom- 
menen Vergeltungsglauben beherrscht ist, ist deutlich und 
nicht minder deutlich die Zeit, in der sie sich bildete. Die 
furchtbare Thatsache, dais Jahve sein eigenes Volk ver- 
nichtet hatte, forderte ihre Erklärung aus einer ungeheueren 
Schuld, die auf Israel lastete. Ein gottloses Geschlecht 
war es, das der vernichtende Schlag traf, und seine Gott- 
losigkeit manifestirte sich am deutlichsten in dem Götzen- 
dienst, um den sich der Kampf zwischen Volk und Pro- 
phetie zuletzt eigentlich gedreht hatte und der übrigens 





Bmeond, über dis Gencsis des Jadenthums. 107 


einem guten Theil wirklich in uralte Zeiten surtick- 
hte '). So unvollkommen, einseitig, willkürlich, ja un- 
cht diese Beurtheilung der Vergangenheit deshalb auch 
Einzelnen ist, es ist nicht aus der Luft gegriffen, wenn 
ganzen Vergangenheit und namentlich auch schon der 
ıterzeit Götzendienst vorgeworfen wird. Ja es ist in 
er Geschichtsbetrachtung ein grofser Fortschritt zu 
statiren. Sie verdient schon deshalb alle Anerkennung, 
. sie init dem Vergeltungsglauben entschiedenen Ernst 
ht. Man schob ja nicht die Schuld von sich ab, son- 
ı man klagte sich selbst an, indem man die Väter an- 
ste, man bekannte die eigene Schuld, indem man die 
ze Vergangenheit als eine grofse Schuldenlast hinstellte 
h. 9). Wichtiger ist ein Anderes. Das Wesen der 
de scheint etwas oberflächlich aufgefalst zu werden, 
n sie hier wesentlich nur als Götzendienst erscheint, 
: andererseits ist dasselbe hier doch viel tiefer erfalst, 
früher. Im Anschlufs an Jeremia wird die Sünde hier 
2in unausrottbarer Hang der gottwidrigen Natur Israels 
iffen. Bei den älteren Propheten (Hosea macht aus 
ınntem Grunde einigermafsen eine Ausnahme) ist die 
de dagegen eine ziemlich unbegreifliche Entartung der 
rünglich guten Natur des Volkes. Ebenso bezeichnet 
Energie, mit der eine fortgehende Vergeltung postulirt 





) Die Meinung des Deuteronomiums, Esechiels und des Corpus 
17 ff., dafs der volksthtimliche Gottesdienst grofsentheils kanaani- 
xr Götzendienst sei, den Israel bei seiner Einwanderung ange- 
sen habe, ist, wie Wellhausen bemerkt, nicht unbegründet. 
rird durch die ältere Ueberlieferung (Num. 25. Hos. 9) und nicht 
sr durch die Sagen der Geuesis bestätigt. Obendrein ist das 
em des israelitischon Götzendienstes oder vielmehr des frühsei- 
Kampfes gegen denselben ohne eine derartige Annahme unlösbar, 
egentheil ist es undenkbar, wie eine solche Vermischung hätte 
ieden werden können, als ein Hirtenvolk in die höhere Cultur 
ackerbauenden eintrat. 


108 Smend, über die Genesis des Judenthums. 









und constatirt wird, einen Fortschritt über die ältere Zu L- 
hinaus. Die Mängel dieser Geschichtsauffassung liegen af hz. 
der Hand, aber es ist leichter, dieselben zu rügen sb u, 
zu verbessern. Es ist eben schwer, wenn nicht unmögid, > 


aufzuzeigen. ; 
Auf diesen beiden Punkten nähert sich diese deuter | 
nomistische Religionsauffassung freilich dem Geeets, abe > 
den eigentlich gesetzlichen Standpunkt erreicht sie bi 
Weitem noch nicht. Ihre Gesetzlichkeit geht wesentic ter 
auf in der Perhorrescirung der grob heidnischen Elements, bon 
die dem volksthümlichen Gottesdienst von altersher nod Yr:z 
anklebten oder von aufsen in ihn eingedrungen ware } 
Der verwilderte Baum wird mit Axt und Säge zugestats, ¥ 
das Deuteronomium sucht ihn überdies durch Einmischoy [= 
humaner Elemente zu veredeln, aber im Uebrigen lit } 
man ihn wie einen natürlichen Baum wachsen. Man nimmt hi 
grolses Interesse am Tempel, am Cultus aber wesentlich bs 
nur ein negatives. Jahve soll nicht in falscher Weise ver } 
ehrt werden, positiv wird darauf kein Nachdruck gelegt, . 
man denkt noch nicht daran, dafs der Cultus auf gött- 
licher Offenbarung beruhe. Der Prophet Jeremia stellt a} 
als eine notorische Thatsache hin, dafs Jahve beim Aus 
zuge aus Aegypten nichts von Opfern geboten habe (7, 22). & 
Nach der deuteronomistischen Geschichtsschreibung besteht § 
die Frömmigkeit Josuas, Hiskias und Josias nicht sowohl } 
darin, dafs sie den rechten Gottesdienst übten, als dals }, 
sie den falschen heidnischen resp. die Canaaniter ausrotteten. 
Wenn es weiter von jenen beiden Königen im Anschluß } 
an ihre Cultusreformation heifst, dals sie ganz so gethan 
hätten wie ihr Vater David, dagegen von anderen fromme ; 
Königen, die gleichwohl die Höhen duldeten, dafs sie nicht | 
ganz wie David gethan hätten, so ist es schwer, diesen | 
Gedanken auszudenken. Denn anf Davids Zeit findet ja | 
das Verbot der Höhen keine Anwendung. Hier zeigt sich 





Smond, tiber die Genesis des Judenthums. 109 


it deutlich das Unfertige in den Anschauungen des 
fassers. In den Btichern Samuelis acceptirt er ohne 
iteres die Schilderung der natürlich edelen Persönlichkeit 
ids, die die Mit- und Nachwelt begeisterte, er fühlt 
nicht gedrungen, die Gesetzlichkeit von Davids Fröm- 
keit zu constatiren, wenn er ihn auch in seinem Testa- 
ıt den Salomo im Hinweis auf das Gesetzbuch vor dem 
sendienst warnen lälst. 
Zuzugeben ist freilich, dafs dieser deuteronomistische 
ıdpunkt, wesentlich über das Deuteronomium hinaus- 
snd, ein religiös-kirchlicher ist. Namentlich ist das 
igsbuch eigentlich eine Kirchengeschichte, mit dem 
ıterbuch steht es nicht viel anders. Im Königsbuch 
der Tempel und die Prophetie die hauptsächlichen 
‘enstinde des Interesses, dessen Kehrseite der Gegensatz 
ın den Götzendienst ist. Nach diesen Gesichtspunkten 
ler Stoff aus den älteren Quellen ausgewählt, indem 
a hin und wieder ältere Erzählungen in einem Sinne 
efafst werden, der ihrem ursprünglichen Geiste völlig 
d ist (1 Kin. 20.22; 2 Kön. 9. 10). Von der äufseren 
ischen Geschichte erfahren wir sehr wenig, meist nur 
was zugleich auf den Tempel und die Prophetie Bezug 
Nach ihrem Verhalten zu diesen beiden Dingen 
‚en die Könige beurtheilt. Dadurch bekommt der Pa- 
ismus des Verfassers eine eigenthümliche Färbung, ein 
anes Nationalbewulstsein ist nirgends zu verspüren. 
noch weils er sehr wohl, was der politische Staat und 
Königthum für die Sache der Religion bedeutet hat. 
e messianische Hoffnung ist an das Haus Davids ge- 
ft, ohne dies kann er sich eine Zukunft Israels nicht 
en, ob auch nur wenige Könige den Anforderungen 
Xeligion in seinem Sinne entsprochen hatten. Auf dem 
mm des Staates war eben die entstehende Kirche ent- 
ngen, die Könige hatten den Tempel gebaut, könig- 
Diener waren die Priester der vorexilischen Zeit 


110 Smend, über die Genesis des Judenthums. 


(1Sam. 2, 25), das Königthum hatte dem deuteronomischen 
Gesetzbuch Geltung verschafft. 

Nirgends zeigt sich in der deuteronomistischen Bear 
beitung die Vorstellung einer selbständigen Theokratis, 
wohl aber ist sie in einigen Erzählungen des Richter- und 
Samuelisbuchs zu erkennen. Danach wäre die selbstän- 
dige Theokratie sogar ülter als das Königthum. Die Er 
zählung Richt. 19—21, deren Inhalt mit ihren Anfangı 
und Schlufsworten merkwürdig contrastirt, giebt uns ein 
Bild vom alten Israel, das schon an den Priestercodes 
erinnert. Da haben wir em durchaus geistliches Israd 
vor uns, eine wesentlich kirchliche Gemeinde, die ein- 
müthig und mit furchtbarem Ernst der einen Aufgabe, das 
heilige Volk Gottes zu sein, nachtrachtet. Auf die Nach- 
richt von einer unerhörten Schandthat, von verruchten 
Buben in Gibea an dem Weibe eines Leviten verübt, ver- 
sammelt sich das ganze Volk wie ein Mann, um Gericht 
zu halten, und als der Stamm Benjamin die Auslieferung 
der Schuldigen verweigert, wird er von der übrigen Ge 
meinde nach furchtbaren Kämpfen fast total ausgerottet. 
Mit dieser Erzählung, die auf allen charakteristischen 
Punkten in diametralem Widerspruch mit dem übrigen 
Richterbuch steht, sind einige Stücke im Buche Samuelis 
artverwandt. 1Sam. 7.8. 10, 17 ff 12 soll gezeigt werden, 
wie dies geistliche Israel der vorköniglichen Zeit das heid- 
nisch weltliche der königlichen Zeit wurde. Wenigstens 
de jure ist Israel hier dasselbe wie dort, de facto erscheint 
es freilich in einem völlig gegentheiligen Lichte Die 
Wandlung ist unbegreiflich. Durch und durch heidnisch 
war das Volk von jeher, seit dem Auszug aus Aegypten 
ist es immer wieder zu den Götzen abgefallen, jetzt kommt 
seine heidnische Natur vollends zum Durchbruch im Ver- 
langen nach einem Könige. „Wir wollen sein wie alle 
Heiden sind“, das ist die lästerliche Rede, die diese Rotte 
allen Bitten und Beschwörungen Samuels entgegenstellt, 


BSmend, über die Genesis des Judenthums. 111 


mund zuletzt mufs Samuel nachgeben, als der souveräne 
Stellvertreter Jahves giebt er dem Volke seinen König, 
Zudem er zugleich den dereinstigen Untergang von König 
ind Volk weissagt. In Wahrheit schlägt diese Erzählung 
der gesammten vorexilischen Denkweise Israels, soweit sie 
uns bekannt ist, in Sonderheit der anderweitigen Ueberliefe- 
zung über Samuels Verhiltnifs zum Königthum, geradezu 
ins Angesicht. Nicht verruchter Eigenwille des Volkes, 
sondern die bitterste Noth der Knechtschaft hat Israel zum 
Königtbum geführt, nicht das Volk hat von Samuel einen 
König verlangt, sondern Samuel ist es gewesen, der längst, 
«he das Volk an das Königthum dachte, darin die einzige 
Rettung gesehen und verlangend nach dem Manne nach 
Jahves Herzen ausgeschaut hat, der den Saul zuerst als 
solchen erkannt, ihm seinen Beruf geoffenbart, ihm Mittel 
und Weg zu seinem Ziel gezeigt und ihm endlich unter 
geschickter Benutzung eines günstigen Augenblicks zur 

= Krone verholfen hat, und umgekehrt : nicht Bamuel machte 
m suletst den Saul zum Könige, dazu besafs er nicht die 
ms Macht, sondern das Volk. Und zwar ist das nach dieser 
ms Ueberlieferung die einzige eigentliche That Samuels, als der 
a intellectuelle Urheber des Königthums hat er den Anstofs 
um sur Befreiung Israels gegeben, das ihm deshalb sein späteres 
ws Leben verdankt. Indessen tritt die oben skizzirte Erzäh- 
se lung auch auf diesem Punkte der übrigen Ueberlieforung 
= wtgegen. Sie nimmt die Befreiung Israels von den Phi- 
„ ästern, die Grofsthaten Sauls und Davids direct für Samuel 
in Anspruch. Ehe vom Königthum die Rede war, hat 
Samuel das vollführt (1 Sam. 7), damit soll der anderwei- 
tigen Ueberlieferung der Boden unter den Fiifsen weg- 
gesogen werden, das Königthum war hiernach vollkommen 
überflüssig. Es ist das freilich wiederum ein Ausflufs des 
bekannten Pragmatisınus : war die geistliche Herrschaft 
mach göttlichem Rechte die einzig wahre, dann mulste 
Israel dabei auch besser oder wenigstens nicht schlechter 


112 Smend, über die Genesis des Judenthums. 


gefahren sein als bei der weltlichen. Das war logisch nicht 
anders denkbar, ob auch die ganze Geschichte dadurch auf 
den Kopf gestellt wurde. 

Bei einem solchen Verhältnifs dieser Erzählungen sur 
übrigen Ueberlieferung kann von einem Nebeneinander 
bestehen der beiden gar keine Rede sein, sie vertragen 
sich wie Ja und Nein und es ist verlorene Mühe, sie har- 
monisiren zu wollen. Die Entscheidung über die zu 
treffende Wahl kann nicht zweifelhaft sein. Denn in jenen 
Stücken ist der innere Widerspruch, der grofse Mangel an 
Lebenswahrheit überall nicht zu verkennen, der eben da- 
durch entsteht, dafs Vorstellungen und Begriffe in das 
altisraelitische Volksleben zurückgetragen sind, die sich 
mit einem lebendigen Volksleben tiberhaupt nicht reimen. 
Denn hier wird eben der natürlichen Form des Volks- 
lebens, dem nationalen Königthum, für Israel das Existenz- 
recht abgesprochen und dasselbe für von vornherein unver- 
einbar mit Israels Bestimmung erklärt. Wellhausen 
wird mit der Behauptung Recht behalten, dafs eine solche 
Vorstellung von dem Verhältnifs geistlicher und weltlicher 
Macht sich erst bilden konnte, als es keinen israelitischen 
Staat mehr gab!). Wer innerhalb des nationalen Staats- 
verbandes lebte, konnte jenes Verhältnifs in dieser Weise 
nicht auffassen. Bekanntlich betrachten alle vorexilischen 
Propheten, sogar noch Jeremia und Ezechiel, den nationalen 
Staat mit dem Könige an der Spitze als die selbstverständ- 
liche Form des idealen Israel der Zukunft. Das ist aber 
um so bemerkenswerther, als der Kampf der Propheten 
gegen die Excesse des Königthums fast ebenso alt ist als 
das Königthum selbst. Jedenfalls stehen diese Erzählungen 
weit ab von der Zeit, von der sie handeln, und selbst 
wenn man die darin ausgesprochenen Ideen der vorexilischen 





') Dasselbe gilt z. B. auch von einer Erzählung wie 2 Kön. |; 
1 Sam. 13, 7—15. 





Send, der ir Gass de Auntiemn 113 


ct zuschruiber käune. se wire ven da noch om weer 
Iaritt am der Annahme dah oe u dar worbingiche 
at reaksirt warez. Ueberdies und wir beer meme noch 


. Sam. 10, BD) agespeck. Aber das Gesetz schwebt dech 
ır wie em Hauch über diesen Erzählungen, coacret wird 
ine Exstenz m ihnen in kemerlei Organen oder Insti- 
ten deathch. Es fehlt an Centralkeiigthum (dean Richt. 
), 27b. Wa ist offenbar eine Glosse; vgl BW 1. 21, 19; 
Sam. 7, 9.17), deshalb ist die einheitliche Gemeinde des 
olkes Gottes Richt. 19-21 ein Schemen und vällig 
Ihattenhaft ist auch die Gestalt Samuels in den genannten 
tücken des Semmelisbuches. In Wahrheit ist sein Wider 
and gegen die Stiftung des Königthums und weiterkia 
ie selbständige Theokratie, die er vertritt, nichts als eine 
betract priscipielle Zuspitsung, Antedatirung und Hypo- 
tasirung des Gegensatzes, in den die Prophetie je länger 
» mehr zum Königthum und überhaupt zum nationalen 
'olksthum trat. Das heifst aber nichts anderes, als dafs 
ie selbständige Theokratic des Gesetzes sich aus der Pro- 
hetie entwickelt hat. Die Analyse des Samuelisbuches 
eweist, dafs sogar der Samuel von 1 Sam. 15. 28 der ur 
prünglichen Ueberlieferung fremd ist, noch später ist der 
on 1Sam. 16 eingetragen. Ebenso deutlich sind die 
tücke 1 Sam. 7. 8. 10, 17 ff. 12 in den Zusammenhang 
on 1 Sam. 9. 10. 11 erst nachträglich eingeschoben. Hier 


Zeitschrift f- 4. alttest. Wins. Jahrgang 3. 1882. 8 





114 Smend, über die Genesis des Judenthums. 


sind die älteste und die späteste Auffassung Samuels zu 
einem höchst übel disharmonirenden Ganzen verquickt, in 
der Mitte zwischen beiden stehen jene anderen beiden 
Stücke. Uebrigens stützt sich die Kritik, indem sie die 
Benutzung der deuteronomistischen und anderer verwandten 
Elemente der historischen Bücher für die Construction der 
älteren Geschichte ablehnt, keineswegs nur auf literar- 
kritische und religionsgeschichtliche Untersuchungen und 
Erwägungen, wie z. B. auf die Annahme, dafs das Dev- 
teronomium in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts ent- 
standen sei. Ihre Abweichung von den übrigen Stücken 
ist eine so allseitige, dals sie schon nach den allgemeinen 
Gesetzen jeder Geschichtsforschung für Erzeugnisse späterer 
Zeit gelten müssen. 

Die Differenz zwischen den Vertretern der Graf'- 
schen These und deren Gegnern scheint mir in hohem 
Grade eine methodische und bei manchen im letzten 
Grunde allerdings auch eine theologisch principielle zu sein. 
Bei der Untersuchung nach dem Alter des Priestercodex 
ist zunächst doch wohl zu fragen, von welchem Zeitpunkt 
ab er nachweislich in die Geschichte eingetreten ist. Das 
ist er notorisch erst seit Esra. Vorher ist keine Spur von 
ihm nachzuweisen. Danach ist die weitere Frage sofort | 
dahin zu stellen, ob der Priestercodex nicht überhaupt erst — 
in der Zeit Esras entstanden sei. Ist seine Entstehung in 
dieser Zeit begreiflich, so würde dieselbe selbst dann hier 
als wahrscheinlich anzusetzen sein, wenn sie übrigens auch 
in früherer Zeit denkbar wäre. So liegt die Sache aber 
keineswegs. 

Während die exilische resp. nachexilische Eintstehung 
mindestens als durchaus möglich erwiesen ist, fehlt für die 
Annahme der vorexilischen Entstehung jeder Anknüpfungs- 
punkt ’). In der vorexilischen Religionsgeschichte, über 


) Dt 14 = Lev. 11 kauu durchaus nicht für einen solchen gelten. 
Es ist nicht nur möglich, sondern sogar sehr wahrscheinlich, dafs ein- 





Bmend, fiber die Genesis des Judenthums. 115 


die wir durch die historischen und prophetischen Bücher 
susreichend informirt sind, ist keine Phase zu entdecken, 
aus der seine Entstehung verständlich wäre, geschweige 
denn, dafs die Annahme seiner vorexilischen Existenz uns 
das Verständnils irgend einer Erscheinung der älteren Ge- 
schichte erleichtern würde. Im Gegentheil, er steht dem 
Verstindnifs der letzteren überall im Wege. Uebrigens 
ıber mufs jeder, der die Geschichte der israelitischen Tra- 
dition auch nur einigermalsen kennt, zugestehen, dals die 
Zurückführung dieser Gesetze auf Mose nicht den Aus- 
rangspunkt der Untersuchung abgeben darf. Wenigstens 
ıaben diejenigen, welche den Priestercodex 500 Jahre nach 
Mose ansetzen, kein Recht sich auf die entgegenstehende 
Cradition zu berufen, wenn Andere noch 500 Jahre tiefer 
1inabgehen. Trotz dieses Sachverhalts stellen die Gegner 
ron vornherein die Frage, ob nicht trotz der historischen 
ınd prophetischen Bücher die vorexilische Abfassung in 
ıbstracto möglich sei, und meinen die Graf’sche These 
widerlegt zu haben, indem sie die postulirte Möglichkeit 
rermittels völlig abstracter Hypothesen construiren. Solche 
Luftgebilde ohne Fleisch und Bein sind freilich auch nicht 
todtzuschlagen. Für die biblische Geschichte hätte es nun 
freilich gar nichts zu bedeuten, ob der Priestercodex blofs 
literarisch vor dem Exil da war oder nicht, da er nach- 
weislich vor dem Exil gar keinen Einflufs geübt hat. 
Nachdem man ihn aber zunächst blofs literaturgeschichtlich 
vor dem Exil untergebracht hat, soll er dann aller un- 


selne Capitel des Cultus und der Bitte schon vor dem Exil schrift- 
stellerisch entwickelt waren. Eine lediglich mündliche Ueberlieferung 
der priesterlichen Thora, die auch schon vor dem Exil theilweise einen 
ritualen Charakter hatte, ist kaum denkbar. Aber darauf kommt os 
eben nicht an, sondern auf die Totalität des Priestercodex d. h. auf 
die systematische Eatwickelung des Cultus und der Bitte als göttlicher 
Institutionen und eines geistlichen Israel. 


8* 





het 
116 Smend, über die Genesis des Judenthumes. 


zweifelhaft echten Ueberlieferung zum Trotz doch wieder 
für die Seele des vorexilischen Israel gelten und dem In- 
halt nach gar wesentlich mosaisch sein. Das heilst aber 
nichts anderes, als die wissenschaftliche Methode, die man 
übrigens selbst als die Richtschnur der theologischen Arbeit 
fordert, auf den Kopf stellen. 

In der That ist dieser methodische Fehler zu grofs, 
um für zufällig gelten zu können. Er beruht auf tiefer- 
liegenden Gründen. Und zwar ist es nicht nur der fort- 
wirkende Einflufé Ewald’s und de Wette’s, das Ge 
wicht der wissenschaftlichen Tradition, was hier der rich- 
tigen Erkenntnifs im Wege steht, es sind vielmehr dog- 
matische oder doch religiös-ästhetische Dispositionen. Der 
Widerspruch gegen die Graf’ sche These ist von verschie- 
denen Seiten, die doch sonst das Recht und die Pflicht der 
theologischen Wissenschaft anerkennen, in einer Weise 
erhoben, die hierüber keinen Zweifel lifst. Man wird von 
den Gegnern Graf’s deshalb keine völlig objective Wür- 
digung seiner Argumente erwarten dürfen. Verständlich 
sind allerdings diese Stimmungen gegenüber der neuesten 
Wendung der Kritik. Was man gewöhnlich die mensch- 
liche Seite der Bibel nennt, erscheint danach um ein Stück 
breiter als zuvor, die göttliche wird scheinbar mehr und 
mehr verengt. Im Interesse der praktischen Verwerthung 
des A. T. in Kirche und Schule kann sich deshalb jeder 
Wohldenkende einer gewissen Beklemmung wohl nicht er- 
wehren. Indessen ist dadurch doch nur deutlicher geworden, 
was seit langem am Tage lag, eben die Mängel der ge 
wöhnlichen Behandlung des A. T. und der Bibel überhaupt 
in der kirchlichen Praxis treten um so klarer vor Augen. 
Ebenso könnte doch vielleicht auch der, welcher sich in 
seinen theologischen Grundanschauungen durch die kritischen 
Positionen Graf’s behelligt fühlt, in jenen und nicht in 
diesen den Fehler zu suchen haben. Ich irre mich wohl 
nicht, wenn ich den Widerwillen gegen die Graf’ sche 


Smend, über die Genesis tes Judenthums 117 


These zu einem guten Theil aus einer Ueberschätzung des 
alttl. Opfercultus erkläre, die wiederum in einer Ueber- 
schätsung des Bildes begründet ist, unter dem im N. T. 
die Bedeutung des Todes Christi so vielfach zum Ausdruck 
kommt. 


Il. 


Die jüdische Theokratie, d. h. die Herrschaft des Ge- 
setzes, ist als das vorläufige Resultat der vorexilischen (und 
exilischen) Geschichte Israels zu begreifen. Man hat diese 
Betrachtungsweise als pantheistisch oder gar als natura- 
listisch bezeichnet, indessen möchte es leicht zu zeigen 
sein, dafs sie weit mehr als die herkömmliche dem Glauben 
an die göttliche Weltregierung gerecht wird. Man hört 
gelegentlich wohl die Frage, ob die israelitische Religion 
in gewissen Stadien ihrer Geschichte nicht ein Bild ge- 
boten habe, wie andere Religionen des Alterthums auch, 
so dals sie möglicherweise das Schicksal dieser hätte 
theilen können. Diese Frage ist keineswegs so kurzab zu 
verneinen, wie das vielfach geschieht. Die israelitische 
Religion hat in der That solche Stadien durchgemacht, an 
denen wenigstens für unsere Betrachtung und Kenntnifs 
diese Möglichkeit vorlag. Im Gegentheil ist es mir unver- 
ständlich, wenn man andererseits das Bediirfnifs zu em- 
pfinden scheint, die Anfänge der israelitischen Religion so 
vorzustellen, dafs die nachfolgende Entwicklung sich als 
deren nothwendige Folge ergiebt. Freilich erwarten wir 
schon in den Anfängen Israels diese und jene Eigenthüm- 
lichkeit zu entdecken, die auf den beispiellosen Ausgang 
seiner Geschichte hinweist, doch darf man keine irgend- 
wie bestimmte Vorstellung davon von vornherein mit- 
bringen. Denn hier handelt sich’s gar nicht um eine künst- 


118 Smend, über die Genesis des Judenthums. 


liche Construction des alten Israel vermittels hypothetischer 
Combinationen, sondern lediglich um eine sorgfältige Ver 
werthung des Kernes der älteren Geschichtsbücher ein- 
schliefslich des Pentateuch sowie der älteren Propheten. 
An urkundlichem Material besitzen wir vollauf genug, um 
ein Bild vom alten Israel zu entwerfen, das in allen Haupt- 
zügen auf allgemeine Anerkennung Anspruch machen kanı. 
Wellhausen hat wohl zuerst gezeigt, dafs man die Ge 
schichte der israelitischen Religion nur daraus recht versteht, 
dafs sie mehr als alle anderen Nationalreligion war. Was 
man ihr gewöhnlich zum Vorwurf macht, ihr entschiedener 
„Particularismus“, war eben ihre Stärke und ihr Vorzug. 
Das alte Israel erscheint uns als ein höchst naturwüch- 
siges Volk, das sich vor allen Dingen als Nation fühlte 
und als Nation lebte. Es konnte in der That wohl nicht 
anders sein, seine Schicksale brachten das mit sich. In 
einem fast ununterbrochenen Kampf um die nationale 
Selbstbehauptung verlief seine ganze Geschichte, in Son- 
derheit die ältere. Es lebte in einem Lande, das aus allen 
nur denkbaren Gründen das Ziel unaufhörlicher Angriffe 
war, es bedurfte der energischesten Kraftanspannung, wenn 
das Volk nicht zerrieben werden sollte. Israel behauptete 
sich, mit der Noth und Gefahr wuchs immer wieder die 
nationale Kraft, der tiefsten Erniedrigung folgte jedesmal 
eine um so glänzendere Erhebung. Dies energische National- 
bewufstsein datirte aber schon von den Anfängen des Volkes 
her. Die Stämme Israels hatten sich mit Glück aus der 
ägyptischen Knechtschaft befreit und nach längerem Auf- 
enthalt in der Wüste das Land Kanaan ercbert. Schon 
die Entstehung des Volkes war unter Bedingungen erfolgt, 
die für die Ausbildung jenes Bewulstseins von grofser Be- 
deutung waren. Damit steht die Thatsache, dafs Israel 
eigentlich erst durch Saul und David ein einheitliches Volk 
wurde, keineswegs im Widerspruch. Die Stämme hatten sich 
von jeher a's eine Einheit gefühlt, dafs sie sich erst so 


Smond, über die Genesis des Judenthums. 119 


spit und nur unter dem Druck der bittersten Nothwendig- 
keit zu einem Volke zusammenschlossen, haben wir z. Th. 
wohl wiederum aus einem grofsen Kraftgefühl zu erklären, 
wenngleich sich von selbst versteht, dafs ein Nomadenvelk 
keine staatliche Einheit bilden kann und auch nach dem 
Uebergang zum sefshaften Leben nicht sofort von der 
alten Ungebundenheit lälst. 

In der That müssen wir den Antang der Geschichte 
Israels vom Auszug aus Aegypten datiren, seitdem gab es 
ein Israel. Auch wenn wir von der glücklichen Flucht 
aus Aegypten, dem Durchzug durch das Rothe Meer, der 
Besiegung der Amoriter jenseits des Jordan nichts wülsten, 
wir mülsten derartiges supponiren, um die nachfolgende 
Geschichte zu begreifen. Denn woher stammte das Gefühl 
der Zusammengehörigkeit, das die Stämme später in Ka- 
naan verband? Blutsverwandtschaft bestand zwischen 
ihnen, aber sie war doch in mancher Beziehung nicht weit 
her und hat in Sonderheit in diesem Fall nicht viel bedeutet. 
Wenn irgendwo, dann wurde hier durch andere Factoren 
die Volksentstehung bedingt. Die Begriffe Israel und 
Jahve waren es, in denen die Stämme sich eins fühlten 
und die hier wirklich volk- und staatbildend waren. Vor 
der Eroberung Kanaans lag eine gemeinsame grofse Ge- 
schichte, aus der Israel und Jahve stammten, die Erinne- 
rung daran hielt die Stämme zusammen, dort warin Wahrheit 
der Grund zu allem Späteren gelegt. 

Israels Gottesbewulstsein fiel zunächst durchaus mit 
seinem Nationalbewulstsein zusammen. Jahve war Israels 
Gott geworden, als Israel entstand, und umgekehrt war 
Israel dadurch ein Volk geworden, dafs Jahve sein Gott 
wurde. Jahve und Israel waren ohne einander nicht deukbar, 
bis zu einem gewissen Grade waren sie geradezu identisch. 
Natürlich aber war Jahve der Aeltere von beiden, Israel war 
in ihm begriffen und nicht umgekehrt, so entschieden auch 
Israels Glück als das Ziel seines Waltens galt. Jahve 


120 Smend, über die Genesis des Judenthuma. 


war es, der die grofsen Thaten Israels vollführte, sein wun- 
derbarer Geist war es, der in den Helden Israels so Grofses 
wirkte, das nationale Bewulstsein war sofort auch Gottes- 
bewufstsein. So hat sich in Israel das lebendigste Gottes- 
bewufstsein entwickelt, das die alte Welt kennt. 

Als Gott Israels offenbarte Jahve sich vor allen Dingen 
im Kriege, das war an sich natürlich und auch der Name 
Israel weist darauf hin. Indessen war Jahve als National- 
gott auch noch mehr. Wenngleich das nationale Bewulst- 
sein sich am stärksten im Kriege regte, so war es doch 
auch im Frieden vorhanden. Das Hirtenvolk, das sich 
unter deu Kanaanitern festsetzte, wulste sich in seiner Art 
wesentlich verschieden von den Letzteren. Gewils mufsten 
die Sieger in gewissem Grade die Cultur der Besiegten 
annehmen, aber dennoch blieb Israel eben Israel. Es war 
stolz auf die unverdorbene Sitte der Väter und suchte sie 
festzuhalten. Auch nach dieser Seite bekam das nationale 
Bewulstsein gewifs die stärksten Impulse durch die bestän- 
digen Kämpfe, in denen das Volk sich gegen anders ge- 
sittete zu behaupten hatte. Der sittliche Charakter der 
hebräischen Gottesvorstellung ist dadurch wohl wesentlich 
gefördert. In gewissem Malse wird freilich jede National- 
religion von Haus aus einen sittlichen Charakter tragen. 
Namentlich gilt das von Israels Verwandten am Rande 
der Wüste, wie das aus vielen Stellen des A. T. und auch 
aus dem Buche Hiob hervorgeht. Wo sich ein lebendiges 
Gottesbewulstsein national ausbildet, da steht überall auch 
die innere Volksordnung und Sitte in ihrem gesammten 
Umfange unter göttlichem Schutze. Namentlich gilt Gott 
hier überall als der Wächter von Recht und Billigkeit, 
zunächst innerhalb des Volks. Merkwürdig ist freilich die 
Entschiedenheit, mit der der Hebräer auch über den Rah- 
men der Nation hinaus das Recht des Mitmenschen, nicht 
nur vom völkerrechtlicheu, sondern vielmehr noch vom 
humanen Gesichtspunkte aus dem göttlichen Schutze unter- 


Smead, über die Genesis des Judenthums 121 


stellte. Aber das ist nur eine Folge davon, dals Israel 
das nationale Recht und die nationale Sitte in so enge 
Verbindung mit der Gottheit setzte. Der Unterschied ist 
also auch hier wiederum nur der, dafs in Israel ungleich 
intensiver vorhanden war und sich immer höher entwickelte, 
was anderswo verktimmerte und unterging. Das Institut 
der Thora mag wesentlich dazu mitgewirkt haben, obwohl 
Institute ohne den lebendigen Geist todt sind und die 
Thora, wie der Name anzudeuten scheint, ursprünglich 
wohl weniger auf die Gerechtigkeit als auf die Weisheit 
Gottes reflectirte. Denn was die Güte der sittlichen Ge- 
sinnung anging, so kannte die ältere Zeit hierin kaum 
einen Unterschied zwischen Gott und dem volksthüm- 
lichen Gewissen. 

Im Allgemeinen hatte man aufangs auch kein klares 
Bewulstsein von einer Differenz zwischen Jahves Willen 
resp. denı öffentlichen Gewissen und dem öffentlichen 
Leben. Gewils war der Begriff der Sünde als des gott- 
widrigen Handelns dem Volke zu keiner Zeit fremd, aber 
sie wurde in alter Zeit mehr als eine Verfehlung der Ein- 
zelnen, denn als eine solche des ganzen Volkes empfunden, 
und das Vergehen gegen die Gottheit ward nicht minder 
als ein Verstofs gegen Israels gute Art gefühlt. Der Ver- 
geltungsglaube der alten Zeit war deshalb auch wenig ent- 
wickelt. Fehlen konnte er nicht. Jahve strafte gewils 
die Uebertretung seines Willens und belohnte den Ge- 
horsam, aber man dachte nicht daran, dafs sein Verhalten 
gegen die Menschen regelmäfsig aus, dem Verhalten der 
Menschen gegen ihn zu erklären sei. Im Grofsen und 
Ganzen sorgte Jahve für Israels Glück, aber seine gnädige 
Fürsorge liels in Zeiten der Noth oft lange auf sich warten. 
Er wirkte alles, Glück und Unglück, weshalb das letztere, 
das schien oft unerklirlich. Trotz seiner Sympathie für 
Israel war seine Stimmung Wechseln unterworfen, die un- 
berechenbar waren. Eben dieser Umstand giebt der ültesten 


122 Smond, über die Genesis des Judenthums. 


Periode der israelitischen Religionsgeschichte ihre eigen- 
thümliche Signatur. Gnade und Zorn empfand man um 
so lebhafter, weil ihre Ursachen unbekannt waren. So 
mächtig die Nation sich in grofsen Zeiten von dem Ba- 
stand ihres Gottes gehoben fühlte, so stolz und zuver- 
sichtlich sie meistens darauf vertraute, so furchtbar fühlte 
sie zu anderen Zeiten den Druck seines Zorns, wie die 
schreckliche Laune eines allmächtigen Tyrannen. Da wagte 
man nicht mehr ihin zu opfern, ja nicht einmal seinen 
Namen zu nennen. 

Aber solche Zeiten gingen vorüber, in der höchsten 
Noth stellte Jahve sich doch immer wieder als Israels 
Freund ein, sein Geist fiel auf diesen und jenen, der im 
Namen Jahves sein Volk zu den Waffen rief und es zum 
Siege führte. Der Noth der Richterzeit machte Jahve da- 
durch ein Ende, dafs er die Stämme unter einem Könige 
vereinigte. Der Erfolg war ungeheuer. Saul und David 
befreiten Israel von den Philistern und in wenigen Jahren 
wurde das vor Kurzem noch so ohnmächtige Israel das 
mächtigste Volk Syriens. Wiederum hatte das Volk auf 
das Wunderbarste erfahren, was sein Gott vermöge und 
wie Grofses er mit ihm vorhabe. Aus der ersten Königs- 
zeit datirt vor allen Dingen Israels Glaube an seine Zu- 
kunft und an seinen Beruf. Wenigstens für Juda war das 
der Höhepunkt der israelitischen Geschichte Hier lag die 
grofse Vergangenheit, auf die man später in trübseliger 
Gegenwart stolz zurücksah, im Rückblick auf sie ging man 
zuversichtlich einer grofsen Zukunft entgegen, von hier 
entlehnen die Propheten die Farben der messianischen 
Weissagung, weil diese überhaupt hier wurzelt. 

Zugleich datirt aber wohl gerade von der Stiftung 
des Königthums das Bewufstsein von dem Gegensatz 
zwischen Jahve und Israel. Jetzt war Israel vielmehr als 
zuvor eine greifbare Grölse geworden, erst das geeinigte 
Volk war eigentlich als eine Persönlichkeit vorstellbar, 


Smend, über die Genosis des Judenthums. 123 


deren Thun und Lassen man an dem Willen Jahves messen 
konnte. Zunächst handelte für Israel der König, das ganze 
Volk mufste zuweilen für seine Sünden büfsen. Wir irren 
vielleicht nicht, wenn wir annehmen, dals man erst seit 
dieser Zeit sich gewöhnte, aus öffentlichem Unglück auf 
bestimmte Sünden des Volkes zu schliefsen. Sodann brachte 
das Königthum wie jeder Culturfortschritt nicht nur im 
Guten, sondern vielmehr noch im Bösen manches mit sich, 
was mit dem altisraelitischen Wesen in Widerspruch stand, 
und dieser Widerspruch zwischen dem öffentlichen Leben 
und dem Volksgewissen hatte zur nothwendigen Folge, 
dafs Jabve und Israel im Bewufstsein mehr und mehr aus- 
einandertraten. In gewissem Malse war jener Widerspruch 
aber schon lange vorher damit gesetzt, dafs das Hirten- 
volk bei der Eroberung Kanaans ein Bauernvolk wurde 
und die kanaanitische Cultur, theilweise auch den kanaani- 
tischen Gottesdienst annahm. Seit der Eroberung des 
Landes gab es in Israel selbst einen Widerstreit israeli- 
tischen und kanaanitischen Wesens, noch viele Jahrhunderte 
später schien der Nomadenstand manchem als der allein 
Gott wohlgefällige. Indessen scheint dieser letztere Gegen- 
satz in der älteren Zeit doch nicht dieselbe Rolle gespielt 
zu haben wie der erstere, Jahve kam in alter Zeit wenig- 
stene. schärfer mit dem Königthum in Conflict als mit dem 
entarteten Volksthum. Der Abfall der zehn Stämme vom 
Hause David ging grofsentheils hervor aus einer wenn 
auch unklaren Reaction des volksthümlichen Wesens gegen 
die Neuerungen des Königthums, der Prophet Ahia von 
Silo hat wohl wesentlich in diesem Sinne gewirkt. 

Samuel ist der erste Prophet, von dem wir hören, er 
hat den Saul zu seiner kühnen That inspirirt. Ursprüng- 
lich bewirkte der Geist Jahves noch unmittelbarer die 
nationale That, man kann sagen, dafs in der ältesten Zeit 
die Richter das sind, was später die Propheten. Auch 
Mose ist vielmehr mit jenen als mit diesen zusammenzu- 


124 Smend, über die Genesis des Judenthums. - 


stellen. Immerhin ist es ein Fortschritt, wenn der Führer 
des Volks und der Träger des Geistes Jahves als zwa 
verschiedene Personen nebeneinanderstehen, wie schon 
Barak und Debora. Uebrigens kümmerten sich die Pro- 
pheten von vornherein nicht nur um die grofsen nationalen 
Angelegenheiten, sondern ebenso sehr um das eigentliche 
Volksleben bis hinunter in die kleinen Dinge der Alltäg- 
lichkeit. Ueberall liefsen sie sich um Rath und Hülfe an- 
geben, aber auch ungefragt erscheinen sie als kräftige Ver- 
fechter der göttlichen Forderungen gegenüber dem Volk 
wie gegenüber dem Einzelnen. In mancher Beziehung 
war ihre Aufgabe sehr ähnlich der des Priesters, des stän- 
digen Vertreters Jahves beim Volke. Ja es scheint, dals 
Priester und Prophet im Alterthum vielfach ein und die 


selbe Person waren (vgl. Wellh. Gesch. I, 412). Später | 


hin sind sie regelmälsig Verbündete, es fehlt für die An- 
nahme einer priesterlichen und einer prophetischen Rich- 
tung im alten Israel in der That jeder Anhalt. Die Sache 
Jahves wurde aber natürlich viel entschiedener und kräf- 
tiger von den Propheten geführt, schon deshalb, weil der 
Priesterrtand immerhin von König und Volk abhing, vor allen 
Dingen deshalb, weil die Sache Jahves eine lebendig werdende 
war. Im Reiche Ephraim begegnet uns freilich auch ein 
geschlossener Prophetenstand, man hat aber wohl kein 
Recht, darin eine absichtliche Organisation des Widerstandes 
gegen das Königthum und die Entartung der Volkssitte 
zu sehen. Wenigstens scheinen diese Vereine älter zu 
sein als das Königthum, und was wir später über ihr Ver- 
halten gegenüber dem Hause Omri hören, begünstigt jene 
Auffassung keineswegs. Immerhin ist es aber merkwürdig, 
dafs der Ausdruck Nabi den althebräischen Ro’e verdrängte, 
obwohl jener vielfach einen üblen Klang hatte. Das ist 
doch nur dann zu begreifen, wenn aus jenen Vereinen die 
gröfsten Propheten der älteren Kunigszeit hervorginyes. 
Auch ist es denkbar, dafs die Prophetenvereine sich zeit- 


Smeond, über die Genesis des Judenthums. 125 


weilig als die alleinigen Vertreter des ächten Jahveglaubens 
fühlten, wie das wohl von der Secte der Rekabiter anzu- 
nehmen ist. 

Die Rekabiter sind als eine Reaction gegen die zu- 
nehmende Entartung des Volkslebens zu begreifen, es ist 
ebenso zu verstehen, wenn die Propheten Elia und Elisa 
mit der gröfsten Entschiedenheit den Kampf gegen den 
Baalsdienst aufnshmen. Seit Salomo hatten fremde Culte 
ungestört in Jerusalem bestanden, es scheint nicht, dals 
die ältere Zeit daran einen Anstofs nahm. Es war also 
eine neue Forderung, die jene Propheten stellten, wenn 
dieselbe auch durch die neuerliche Einführung des phöni- 
cischen Baalsdienstes in Samaria veranlafst war. Inner- 
halb gewisser Kreise fanden diese Propheten Anklang, der 
Sturz des Hauses Ahab führte auch zur Ausrottung des 
Baalsdienstes. Freilich hatten Elia und Elisa das Haus 
Omri noch aus einem anderen Grunde bekämpft, sie ver- 
langten Rache für den Mord Naboths, überhaupt aber trug 
der Kampf zum guten Theil wohl einen principiellen Cha- 
racter. Was diese Propheten gegen die bedeuteudste Dy- 
nastie Israels aufbrachte, scheint hauptsächlich doch ein 
gewisser profaner Sinn gewesen zu sein, der die Ansprüche 
des prophetischen Worts ignorirte. Man kann sich des 
Eindrucks nicht erwehren, dafs hier wirklich die Gegen- 
sätze von geistlich und weltlich mit einander kämpften, so 
ungeistlich auch die Mittel waren, durch die Elisa trium- 
phirte. 

Allerdings scheint der Sieg der Propheten wenigstens 
für das Reich Ephraim von keinen nachhaltigen Folgen 
gewesen zu sein. Hatte Elisa gehofft, durch den Sturz 
des Hauses Omri die Lage der Dinge wesentlich zu bessern, 
dann hat er sich gründlich getäuscht. Der wichtigste Er- 
folg war vielleicht der, dafs man nun erst recht die Gröfse 
des Uebels kennen lernte, das man im Hause Omri be- 
kämpft hatte. Mit der Ausrottung des phönicischen Baals- 


126 Smend, iiber die Genesis des Judenthums 


cultus war wenig erreicht, da der Jahvecultus des Nord- 
reichs nachgerade nicht viel besser war als jener. Ueber- 
dies aber hatte das Haus Jehu zuletzt: kaum einen Vorzug 
vor dem Hause Omri. Als man durch die assyrische 
Zuchtruthe auf die Sünden des Volkes aufmerksam ge- 
macht wurde, da war das gesamte Volksleben in einem 
Grade entartet, dafs man kein Ileilmittel mehr sah. Wir 
haben freilich keinen Grund von der religiösen und sitt- 
lichen Bildung Ephraims gering zu denken, die uns erhal- 
tenen Reste ephraimitischer Literatur erlauben das nicht. 
Indessen fordert doch die Thatsache eine Erklärung, dafs 
die neue Prophetie, die mit Amos beginnt, in Juda auf- 
kam. Hosea, der dem Nordreich augehört, ist jenem gegen- 
über immerhin eine secundäre Erscheinung, bei aller Tiefe 
der Einsicht und der Empfindung hinterläfst seine Schrift 
doch den lebhaften Eindruck der Rathlosigkeit, mit der 
dieser Prophet in die Zukunft seines Volkes sah. Sie ist 
eine merkwürdige Illustration der tragischen Thatsache, 
dafs mit dem Untergang des Reiches Ephraim auch das 
Volk von Ephraim aus der altt. Geschichte verschwindet. 

Uebrigens ist auch der letztere Umstand für die rich- 
tige Auffassung der vorexilischen Geschichte von Bedeu- 
tung. Als Samaria zerstört wurde, hatte die Religion eben 
- noch keine solche Selbständigkeit erlangt, dafs sie den 
Untergang des Staates hätte überdauern können. Die 
Factoren, welche später nach dem Unatergange Judas die 
Entstehung der jüdischen Gemeinde ermöglichten, haben 
sich wesentlich in dem einen Jahrhundert gebildet, das 
zwischen diesen beiden Ereignissen liegt. Es war nicht 
nur die judäische Prophetie, sondern vielmehr noch etwas 
anderes, was sich freilich im Anschlufs an diese Prophetie 
in Juda entwickelte Damit soll keineswegs geläugnet 
werden, dafs in Juda schon seit längerer Zeit gewisse Be- 
dingungen vorlagen, die für den späteren Verlauf der 
Dinge bedeutungsvoll wurden. Die Bürger des kleinen 





Smend, über die Genesis des Judenthums. 127 


is, das seit Jahrhunderten nur eine untergeordnete 
gespielt hatte, konnten späterhin viel eher eine rein 
öse Gemeinde bilden und sich mit Ezechiel über das 
tze Rebholz trösten, das eben nur zum Verbrennen 
e. Wichtig wurde weiterhin auch, dafs am Tempel 
‚wusalem seit Salomo ein mächtiges Priestergeschlecht 
‘te. 
Was aber zunächst die judäische Prophetie angeht, so 
ır Emporkommen z. Th. gewifs aus denselben Ursachen 
-klären, die den längeren Bestand des Reiches Juda 
eifich machen. Schon äufserlich war die Lage Judas 
ger exponirt und seine inneren Zustände waren solider. 
ebhaft die Theilnahme war, mit der man in Juda der 
Reich Ephraim bedrohenden Gefahr zusah, man konnte 
Gang der Dinge mit mehr Ruhe abwarten und sich 
len Sturm, der sich zuletzt auch auf Juda richtete, 
reiten. Amos kündigt ja freilich nicht nur dem Reiche 
aim den Untergang an, und selbst wenn das der Fall 
sen wäre, so würde das für das judäische Bewufstsein 
8 nicht viel weniger bedeutet haben, wie wenn er zu- 
ı Juda bedrohte. Man hat allen Grund zu glauben, 
Juda sich bis dahin nur als ein Stück von dem grofsen 
| fühlte. Erst durch Jesaja scheint das wesentlich 
rs geworden zu sein. Bemerkenswerth ist aber doch 
3edeutung, die Jerusalem schon für Amos hat. Von 
gröfßsten Wichtigkeit war überhaupt, wie Vatke be- 
tt hat, dafs die Vernichtung des ganzen Volkes sich 
ittweise vollzog und dem Bewufstsein immer wieder 
gelassen wurde, das Geschehene zu verarbeiten und 
damit auf das Kommende zu rüsten. 
Die unvergleichliche Grifse, mit der die judäische Pro- 
e in der vorchristlichen Religionsgeschichte dasteht, 
damit nicht geschmälert werden. Einzigartig bleibt 
‘hatsache, dafs der kleine Gott von Jerusalem so ge- 
x sein Haupt erhob, als die Assyrer und Chaldiier ihn 


128 Smend, über die Genesis des Judenthums. 


scheinbar vernichteten, dafs er vielmehr die Vernichtung 
seines Volkes als sein cigenes Werk in Anspruch nahm, 
ehe sie eintrat, dafs er alle Mächte der Welt ohne Weiteres 
für seine Werkzeuge erklärte, durch die er überall und 
vor allen Dingen an Israel Recht und Gerechtigkeit zur 
Geltung bringe. Mit principieller Schärfe wird dieser Ge 
dauke gerade von den ersten Vertretern der neuen Pro- 
phetie ausgesprochen, aufs Schirfste stellen sie den ge 
rechten Gott und sein gottloses Volk einander gegenüber. 
Wellhausen hat Recht, wenn er sagt, dafs der Gott 
Israels, eben weil er der gerechte Gott war, sich in dem 
Conflict Israels mit den Weltmächten über alle Welt a 
heben konnte. Wir haben auch hier eine Consequens, 
die wir aus der früheren religiösen Entwickelung begreifen, 
aber dennoch war es eine unvergleichliche Grofsthat des 
Glaubens, diese Consequenz zu ziehen, durch die doch auch 
für die Propheten Himmel und Erde ins Wanken gerieth. 

Gewifs bedeutet die prophetische Bufspredigt einen 
grofsen Fortschritt in der Erkenntnifs der Sünde. Die 
allgemeine Entartung schärfte zugleich das sittliche Urtheil, 
überdies wollte der furchtbare Zorn Gottes gegen sein 
Volk erklärt sein. Freilich schliefsen die Propheten nicht 
nur von der drohenden Strafe auf die Bünde, sondern 
ebenso umgekehrt von der Bünde auf die Nothwendigkeit 
der Strafe. Auch läfst sich hierin bei den Propheten des 
siebenten Jahrhunderts im Vergleich zu denen des achten 
ein Fortschritt nicht verkennen, wie schon oben bemerkt 
wurde. Dasselbe gilt von den Vorstellungen der Propheten 
über die Aufhebung der Sünde, wie Duhm, wenn auch 
mit doctrinärer Uebertreibung, gezeigt hat. Denn so stark 
die Propheten betonen, dafs das Verhiltnifs Jahves zu 
Israel nur ein bedingtes sei, so kann es nach ihrer Mei- 
nung doch nie völlig gelöst werden, weil Jahve zuletzt 
Israel nicht entbehren kann. Zunächst erscheint es ihnen 
sogar undenkbar, dafs mit dem Reiche Israel auch das 





Smend, über die Genesis des Judenthams. 139 


Reich Juda untergehen sollte. Jesaja und Micha stellen 
reilich auch das in Aussicht, indessen sprechen sie dabei 
loch immer wieder die Hoffnung aus, dafs es nicht dahin 
kommen werde. Die Religion schien unterzugehen, wenn 
sach Juda unterging, und in der That wiire das damals 
wohl der Fall gewesen. Jesaja urtheilte, dafs eben auf 
Jude und dem Hause Davids die Zukunft beruhe, derselbe 
Prophet, der die furchtbarsten Strafgerichte für Juda weis- 
mgte. In beider Hinsicht wurden die Urtheile seines 
Glaubens wunderbar bestätigt und so gab er seinem Volke 
die Gewilsheit, dafs mit Israel nicht Jahve vernichtet sei, 
sondern Juda an Israels Stelle trete. Die Menge verstand 
thn freilich dahin, dafs der Tempel in Jerusalem überhaupt 
nicht in die Hände der Heiden fallen könne, ein Milsver- 
ständnifs, das für die Folgezeit verhängnifsvoll wurde, 
das aber andererseits doch auch die nothwendige Form 
des Glaubens an Jahve als den Gott Israels war. Des- 
halb ist Jesajas Glaube auch in dieser Gestalt von den 
wichtigsten Folgen für die ganze Zukunft geworden, so- 
fern das Judenthum ohne den Berg Zion doch nicht- denkbar 
wire. Wie auf diesem einen Punkte, so erging es auf 
vielen anderen, die prophetischen Gedanken und Forde- 
rungen realisirten sich späterhin in einer Weise, die 
keineswegs den ursprünglichen Intentionen ihrer Urheber 
entsprach. Es ist ein Grundgesete aller geschichtlichen 
Entwickelung, das hierin sich geltend macht und das an 
der aulserordentlichen Erscheinung der Prophetie um so 
viel deutlicher zu erkennen ist. Trotzdem haben die Pro- 
pheten eine Umwandlung in ihrem Volke zu Wege ge 
bracht, die erstaunlich ist. Wie das eine so mufs man auch 
das andere anerkennen. 

Die Propheten erklärten den gesammten gegenwär- 
tigen Zustand des Volkes für grundverderbt und weis- 
sagten die Zerstörung alles Bestehenden. Der weitaus 


gröfste Theil des Volkes sollte nach Jesaja vernichtet 
Zeitschrift f. 4. alttest Wiss Jahrgang 3. 1882. 9 


130 Smend, üher die Genesis des Jadenthums. 


werden, nur ein kleiner Rest sollte erhalten bleiben, aber 
auch der bedürfe einer völligen Umwandlung durch den 
göttlichen Geist. Den Kern dieses zukünftigen Volkes 
Jahves meinte er schon um sich zu sehen. Es ist nun 
von grofser Bedeutung, dafs die Propheten dies zukünftige 
Volk Jahves zunächst immer in der Form des nationalen 
Staates vorstellen, die herrliche Zukunft wird vor allen 
Dingen durch einen von Jahve wunderbar ausgerüsteten 
König herbeigeführt, der im Innern Recht und Gerechtig- 
keit herstellt und dann auch nach aulsen hin Israel zu 
Ehren bringt. Diese letztere Erwartung tritt aber nament- 
lich im siebenten Jahrhundert in der Weissagung zurück. 
Wohl reden Jeremia und Ezechiel neeh von dem messin- 
nischen Könige, aber mehr und mehr tritt Gott selbst an 
seine Stelle. Das unglückliche Ende Josiss und seiner 
Reformation mag dazu beigetragen haben, aber in Wahrheit 
ist das nur eine nothwendige Folgerung aus der Grund. 
anschauung der Propheten. Der zukünftige Staat hat für 
Jesaja vor allen Dingen den Sinn, dafs in ihm jeder Ein- 
zelne, besondere jeder Arme und Unterdrückte, sein Recht 
findet. Erwartet er nun im Grunde allein von einem 
wunderbaren Eingreifen Jahves die Herstellung eines 
solchen Staates, so ist das eben nichts anderes als die sitt- 
liche Weltordnung. Der wunderbare König, den Jessja 
weissagt, hat freilich wohl noch eine andere Bedeutung. Gewils 
kommt in diesen Weissagungen auch das Bewulstsein zum 
Ausdruck. was die einzelne Persönlichkeit in der Geschichte 
bedeutet. Aber dennoch war dieselbe in diesem Zusam- 
menhang auf die Dauer nicht festzuhalten, dem Glauben 
an die gerechte Vergeltung Jahves für jeden Einzelnen 
war der nationale Staat am Ende gleichgültig. „Ich will 
selbst meine Heerde weiden“, sagt Jahve (Ex. 34, 15). 
Als der judäische Staat unterging und das Band zwischen 
(Gott und Volk zerschnitten war, ging die Religion doch 
nieht unter. Durch die Propheten war sie eben mehr 


182 Smend, über die Genesis des Jadenthums. 


der Lebensnerv des entarteten Volksthums. Ein Bilder 
dienst, der die Gottheit in hohem Grade mit ihrem Symbol 
identificirte, sowie der Glaube, dafs die Stimmung Gottes 
durch Opfer und Gaben zu beeinflussen sei, das waren 
wohl die wichtigsten Hindernisse, die bei der Menge einer 
besseren Erkenntnife im Wege standen. Obendrein war 
auf diesem Gebiete noch am ersten mit äufseren Mitteln 
etwas zu erreichen, und es ist wohl auf Jesajas Initiative 
zurückzuführen, dafs der König Hiskia gegen den volke- 
thümlichen Gottesdienst, vor allem gegen die Bilder ein- 
schritt. Das war der erste Schritt auf einem Wege, den 
man späterhin mit Consequenz einschlug. 

Einstweilen begann damit aber erst der eigentliche 
Kampf. Unter Manasse erfolgte eine Reaction von Seiten 
des Volksthums, die freilich, wie Wellhausen bemerkt, 
keine einfache Wiederherstellung des Früheren war. Dem 
furchtbaren Ernst der Zeiten konnte sich auch die Menge 
nicht mehr verschliefsen, sie empfand den Druck des gött- 
lichen Zorns und fühlte sich schuldig, sie suchte nun aber 
die Versöhnung in dem Grauen, das ihr die Raffinirtheit 
fremder Cultussitten bereitete- Nach dem Muster nament- 
lich der Assyrer und Babylonier wurde der Cultus ver- 
feinert und weitergebildet, besonders kam damals das Kin- 
deropfer auf, man stellte dem Jahve sogar die Himmels- 
kinigin zur Seite. Für die völlige Entartung des Volks- 
bewulsteeins ist dies um so characteristischer, als die Menge 
gewifs nicht daran dachte, von Jahve absufallen. Die 
Propheten sahen dagegen iu diesem Treiben den Gipfel 
der Gottlosigkeit, die Sünde Manasses war es nach späterer 
Meinung, was den Untergang Jerusalems unvermeidlich 
machte. 

Wiederum gewannen die Propheten unter Josia Ein- 
flufs auf die Gemüther, wahrscheinlich unter dem Eindruck, 
den der grofse Scythenzug auf die Judäer machte. Da 
wurde ein neuer Reformationsversuch unternommen, auf 


Bmond, über die Gencsis des Judenthums. 138 


breiter Grundlage, für den Augenblick mit durchschlagen- 
dem Erfolg und für alle Folgezeit von den weittragendsten 
Wirkungen. Das Deuteronomium war nicht das älteste 
Gesetzbuch in Israel, man hatte schon seit längerer Zeit, 
in verschiedener Form und Rücksicht die priesterliche 
Thora schriftstellerisch aufgezeichnet. Der Unterschied ist 
der, dafs man im Deuteronomium überall die reformato- 
rische Tendenz des Verfassers berausfühlt, der das ge- 
sammte Volksleben umgestalten möchte, was im Bundes- 
buch durchaus nicht der Fall ist. Daraus ist überhaupt 
die Reformation Josias zu verstehen, dals sie etwas wesent- 
lich Neues war. Den göttlichen Willen an Israel auf einen 
Gesammtausdruck zu bringen und das Volk auf denselben 
zu verpflichten, das war in der That der einzig mögliche 
Weg, auf dem Israel zum Gehorsam gegen Jahve gebracht 
werden konnte. Freilich ist es ein eigenthümlicher Dualismus, 
der sich durch das ganze Buch hindurchzieht. Nirgends 
wird im A. T. so eindringlich wie hier die Liebe zu Gott 
als das Princip der Religion und die Erfüllung der Nächsten- 
pflicht, des allbekannten göttlichen Willens als der allein 
wahre Gottesdienst gepredigt und doch mufs dieser beredte 
Prediger zugleich als Gesetzgeber an die Gewalt appel- 
liren, um durch gewaltsame Ausrottung des (iötzendienstes 
für den wahren Gottesdienst Raum zu schaffen. Merk- 
würdig sind dabei namentlich auch die humanen Gesichts- 
punkte, unter die er den ganzen Cultus stell. Man darf 
darin wohl mit Wellhausen die bewufste Absicht nicht 
nur auf Veredelung des Gottesdienstes, sondern auch auf 
innere Umwandlung desselben erkennen. 

Indessen haben diese prophetischen Elemente des Deu- 
teronomiums am wenigsten Einflufs auf die damalige Zeit 
gehabt. Die Hauptsache war einmal die äufsere Refor- 
mation des Cultus, dıe Ausrottung des Götzendienstes und 
die Aufhebung der Höhen. Die Vernichtung der heid- 
nischen Culte war freilich eine unvollkommene, innerlich 


134 Smend. über die Genesis des Judenthums. 


waren sie damit noch nicht überwunden, dafs man mit Ge 
walt gegen sie einschritt. Aber das Letztere war jeden- 
falls im Geiste jener Zeit und es war für die Folgezeit 
von grölster Bedeutung, dafs es überhaupt einmal zu einer 
praktischen Auseinandersetzung zwischen israelitischem und 
heidnischem Cultus kam. Ob eine archiologisch correcte 
Scheidung gemacht wurde, war dabei unwesentlich, im 
Gegentheil machte die Aufhebung der Höhen einen tief 
gehenden Schnitt durch die überlieferte Cultussitte. Der 
Gottesdienst wurde damit von seiner natürlichen Basis los- 
gerissen. Positiv wurde dadurch das Ansehen des jeru- 
salemischen Tempels aufs Höchste gesteigert und in seiner 
Yriesterschaft das lebhafteste Gefühl von der Bedeutung 
geweckt, die sie fortan für den Fortbestand der Religion 
hatte. Das einzige Heiligthum braehte dem Synkretismus 
gegenüber die Einzigkeit des Gottes Israels zur Anschauung 
und diente somit gewils wesentlich zur Consolidirung der 
Religion. 

Nicht minder wichtig war die Schöpfung einer heiligen 
Schrift. Fortan hatte der Glaube an ihr einen Compals, 
an dem er sich orientirte, eine Stütze, die ihm blieb, wenn 
alle anderen zusammenbrachen. Die schriftliehe Fixirung 
des göttlichen Willens war bei der völligen Auflösung des 
volksthümlichen Bewulstgeins ein Ding der Nothwendigkeit. 
Concret und objectiv lag jetzt die Aufgabe vor, an deren 
Lösung die Frömmigkeit zu arbeiten- hatte, wenn sie der 
göttlichen Hilfe gewils sein wollte. Man kannte nun den 
Weg zum Heil, den die Menge doch unmöglich in ihrem 
inneren Bewulstgein finden konnte. Dies Princip war das 
Bedeutungsvolle und zunächst das geschichtlich Werthvolle. 
Dabei ist es gleichgültig, ob das Gesetz bald einen ganz 
anderen Inhalt gewann, als der Deuteronomiker beabsich- 
tigt hatte. Sein Werk, das ein Gesetzbuch sein wollte 
und doch den Menschen an sein eigenes Gewissen wies, 
konnte es auf die Dauer am wenigsten sein. 





ve | 


136 Smoend, fiber die Genesis des Judenthume. 


rung elend unter. Er, der Vollstrecker des göttlichen Ge 
setzen, der wie kein anderer auf die Hülfe Jahves An 
spruch zu haben schien, wagte den Kampf mit Pharm 
Neko und bei Megiddo verlor er mit der Schlacht das 
Leben. Damit fiel auch sein Werk, die deuteronomisch 
Reformation. Der Gehorsam gegen das prophetische Gesets 
schien am Ende nicht gefruchtet zu haben, im Gegentheil 
das Unglück Judas brach nun erst recht herein und dss 
Volk meinte später gar, das sei dadurch verursacht, dak | 
man seit Josia der Himmelskönigin nicht mehr räucherte, 
In der That gewann nun die Volkspartei wiederum die 
Oberhand und blieb darin bis zu Jerusalems Untergang. 
Und nun erreichte der Kampf zwischen Prophetie und 
Volksthum seinen Höhepunkt. Nicht lange nach Josiss 
Tode tratJeremia mit der kategorischen Ankündigung von 
Jerusslems Untergang hervor, er bezeichnete die Chaldier 
als das Werkzeug, wodurch Jahve das letzte Gericht an 
seinem Volke vollziehen würde Zwanzig Jahre gingen 
freilich noch darüber hin, aber unentwegt weissagte Jeremis 
immer wieder den Untergang des Reiches und der Stadt. 
Ein furchtbarer Sturm erhob sich gegen ihn, fast allein 
stand er dem ganzen Volke gegenüber. Mit dem wüthend- 
sten Hafs ward er als Volksverräther angefeindet, die 
schwersten Verfolgungen brachen über ihn herein, ein über 
das andere Mal kam er in die äulserste Lebensgefahr. 
Und noch schwerer ala diese äufseren Kämpfe waren die 
inneren, die Jeremia durchzumachen hatte. Der Gedanke 
an den Untergang seines Volkes war ihm selbst entsets- 
lich, in sich selbst hatte er den furchtbaren Todeskampf 
durchgemacht, in dem sich Leib und Seele des alten Israel 
schieden. Aber aus der tiefsten und schwersten Verzweif- 
lung erhob er sich sur kühnsten und gewissesten Hof: 
nung uud wenn auch in anderer Art, so zeigte sich ba 
ihm doch in ähnlicher und noch grolsartigerer Weise als 
bei Jesaja, was die einzelne Persönlichkeit in der Geschichte 


Smond, über die Genesis des Judenthums. 137 


bedeutet. Sein Gott rettete ihn aus allen Gefahren, die 
ihn umgaben, allen Nachstellungen der Feinde zum Trots 
ward er erhalten bis zu Jerusalems Zerstörung, ja darüber 
hinaus — ein sichtbares Wahrzeichen für die Wahrheit 
des Gottes, den er predigte. Er erlebte seinen Triumph, 
denn Jerusalems Zerstörung. war der endgültige Bieg seiner 
Sache. Im fanstischen Vertrauen auf Jahves Hilfe wagte 
das kleine Juda zweimal den Kampf mit der babylonischen 
Weltmacht und dieser Kampf endete wie Jeremia voraus- 
gesagt hatte. Da erlag der volksthümliche Jahve dem 
prophetischen, der falsche dem wahren. Ein nicht unbe- 
deutender Theil des Volkes, sowobl von denen, die im 
Lande zurückblieben, als auch von denen, die es freiwillig 
oder unfreiwillig verliefsen, verlor sich freilich im Heiden-. 
thum, aber ein anderer unterwarf sich nun doch den Pro- 
pheten und konnte das in der Hoffnung auf bessere Zeiten, 
die derselbe Jeremia so zuversichtlich aussprach. 

Von dem Eindruck, den im Alterthum der Untergang 
eines Volkes auf die übrig bleibenden Glieder desselben 
machte, können wir uns wohl kaum eine annähernde Vor- 
stellung machen. Nach dem A. T. wurde er als ein Sterben 
empfunden. Die Thatsache, dafs die Judiier durch den 
Untergang ihres Staates hindurch ihr Selbstbewulstsein 
bewahrten, ist beispiellos und zu ihrer Erklärung sind des- 
halb gewifs alle Umstände herbeisuziehen, die dazu tauglich 
erscheinen. Neben allem, was im Vorstehenden erörtert 
ist, möchte deshalb die Art und Weise, in der sich der 
Untergang Judas vollzog, unsere Aufmerksamkeit ver- 
dienen. Ueberhaupt war der Untergang des gesammten 
Israel ein allmäliger, er erfolgte in einer Reihe von Ereig- 
nissen, die sich auf einen Zeitraum von anderthalb Jahr- 
hunderten vertheilen. Als das Reich Ephraim und mit ihm 
der weitaus grölste Theil des alten Israel von den Assyrern 
vernichtet wurde, blieb Juda wunderbar erhalten. In 
Rückblick auf diese ganze Kette von Thatsachen mufste 


188 Smond, tiber die Genesis des Judenthums. 


freilich die Nothwendigkeit des Untergangs dem Bewnfst- 
sein um so mehr einleuchten, aber andererseits wurde es 
von dem letzten vernichtenden Schlage nicht überrascht, 
man hatte sich darauf vorbereiten können. Auch Juda 
ging nicht auf einmal unter. Zehn Jahre vor der Zerstö- 
rung Jerusalems hatte Nebukadnezar mit dem Könige 
Jojachin 10000 Judäer nach Babylonien weggeführt, das 
war die Aristokratie und wohl auch der geistige Kern des 
Volkes, im Allgemeinen waren schon damals nur geringe 
Leute im Lande zurückgeblieben. Die Chaldier hatten 
offenbar gehofft, das seiner Weisel beraubte Völkchen 
werde sich nun ruhig halten. So war der Untergang des 
alten Jerusalem eigentlich schon eingetreten, ehe die Stadt 
zerstört wurde. Es ist nicht unwahrscheinlich, dafs Ezechiel, 
der mit Jojachin abgeführt war, eben dadurch Prophet 
und von der Nothwendigkeit der völligen Vernichtung 
Judas überzeugt wurde. Die verbannten Aristokraten hofften 
freilich, dafs die Stadt erhalten bleiben und sie nach Jeru- 
salem zurückkehren würden, eben weil der Tempel noch 
stand, und sie litten es nicht, dafs Ezechiel öffentlich die 
Zerstörung der Stadt weissagte. Aber was dem Propheten 
wenigstens im Stillen eine Wirksamkeit ermöglichte, war 
der Antagonismus, der zwischen den verbannten Aristo- 
kraten und dem in Jerusalem zurückgebliebenen Volke 
bestand. Aehnlich wie Jeremia verhiefs er den Ersteren, 
dafs sie nach Jerusalems Zerstörung dorthin zurückkehren 
würden (Ez. 11). Man sieht aus Ez. 14, dafs dieser Anta- 
gonismus noch nach der Zerstörung Jerusalems fortbestand, 
als ein zweiter und zwar kleinerer Zug von Deportirten 
in Babylonien angelangt war. Ezechiel spricht die Hoff- 
nung aus, dafs die Gola Jojachins sich über den Unter- 
gang der Stadt trösten werde, wenn sie die Gottlosigkeit 
dieser ihrer neuangekommenen Brüder sähe. Ob dieser 
Gegensatz späterhin im Exil eine Rolle gespielt hat, läfst 
sich bei dem völligen Mangel an weiteren Nachrichten 


140 Smend, über die Genesis des Judenthume. 


namentlich hatte Jeremis dieselbe von der Wegfthrung 
nach Babel erhofft, an den mit Jojachin Deportirten glaubte 
er sie bereits zu sehen. Exzechiel wiederholt seine Ver- 
beifsung, dafs Gott das Herz des Volkes wunderbar um- 
wandeln werde, aber er sah auch deutlich genug, wie wenig 
das Exil die gehoflten Früchte trug. Vielmehr noch er 
wartete er deshalb weitere Strafgerichte, durch die Jahre 
alle Sünder austilgen werde. Fir sah seine Aufgabe wesent- 
lich darin, jeden Einzelnen rechtzeitig zu warnen, er wollte 
Seelsorger sein und als solcher‘ die zukünftige Gemeinde 
sammeln. Einst als Sanherib in Juda wüthete, hatte Jesaja 
auf die Frage, ob Jahve denn ohne Unterschied die Glieder 
seines Volkes in die Hände der Aseyrer fallen lasse, den 
Judäern gewisse Verhaltungsmalsregeln gegeben, deren 
Beobachtung die Einzelnen in der Zeit der Gefahr schützen 
werde (Jes. 33, 14 ff.), ähnlich machte es nun Ezechid. 
Er entwickelt eine individualistische Vergeltungslehre (c. 18), 
freilich so einfacher Art, dafs man daraus sieht, wie wenig 
entwickelt das Nachdenken über diese Fragen damals noch 
war. Das Individuum fing damals eben an, sich als eine 
selbständige religiöse Gröfse zu betrachten. Er zählte 
ferner eine Reihe von Cardinalgeboten auf, deren Erfüllung 
oder Uebertretung die Gerechtigkeit resp. Gottlosigkeit 
ausmache. Die Vergleichung dieser Gebote mit jener De- 
finition Jesajas ist nicht nur für die beiden Propheten, 
sondern auch für ihre Zeiten lehrreich. Ezechiel verbietet 
vor allen Dingen den Höhen- und Bilderdienst, auch die 
levitische Reinheit taucht bei ihm auf gegenüber den 
sexuellen Greueln jener Zeit '). Dann folgt eine Reibe 

N) Ich begreife nicht, wie man die hierauf bezüglichen Gesetze 
Lev. 17 ff. für alt halten kann. Im alten Israel kamen solche Dinge 
schwerlich in dem Mafse vor (2 Sam. 13, 12), in dem sie diesen Ge- 
setzgeber beschäftigen. Im Gegentheil scheinen die dort verpönten 
Greuel erst spät in Israel] eingedrungen zu sein und erst im Gegensats 


dasu werden sich die entsprechenden Ehe- und Reinigkeitsgesetse ge- 
bildet haben. 


Gmend, über die Genesis des Judenthums. 141 


von moralischen Vorschriften, während Jesaja lediglich 
solche giebt. Uebrigens dringt Ezechiel sonst wie Deu- 
terojesaja besonders auf die Heilighaltung des Sabbaths, 
der im Exil das wichtigste Erkennungszeichen des Israe- 
liten und deshalb auch das wichtigste Band war, das die 
Gläubigen zusammenschlofs. Vielfach setzte die Menge 
freilich den Höhendienst in Babylonien fort, wer sich dazu 
hielt, fiel aber wohl meist zum Heidenthum ab. Ezechiel 
eiferte dagegen aufs heftigste, in der That widersprach es 
nicht nur dem Deuteronomium, sondern ebenso sehr den 
altieraelitischen Vorstellungen, dem Jahve im heidnischen 
Lande zu opfern. 

Umgekehrt mulste aber auch den Anhängern der 
Propheten gerade die Unterbrechung des Cultus schreck- 
lich sein. Hieran wurde jedem Einzelnen immer aufs Neue 
bewulst, dafs das Band zwischen Jahve und Israel zer- 
schnitten sei (Hos. 3, 4). Unrein war ja alle Speise, die 
man im heidnischen Lande genofs (Ez. 4,9 ff.), durch das 
tägliche Brod wurde Jedermann an seine Gottverlassenheit 
erinnert. Schon deshalb mufste der Gedanke an die ktinf- 
tige Wiederherstellung Israels sich namentlich auf die Wie- 
derherstellung des Gottesdienstes richten. Es war ferner 
zu besorgen, dafs ‘bei längerer Dauer des Exils der Ritus 
in Vergessenheit gerieth, es galt ihn schriftlich zu fixiren, 
um ihn so auf die späteren Geschlechter zu überliefern. 
Ja noch mehr : ein System des israelitischen Cultus mufste 
überhaupt neugeschaffen werden. Selbst das gleichgültigere 
Detail des Gottesdienstes stand damals noch keineswegs 
fest. Gewils gab es von jeher besondere Eigenthünmlich- 
keiten, durch die der israelitische Gottesdienst sich von 
anderen unterschied, aber die zahlreichen Differenzen, die 
sich schon aus den gelegentlichen Andeutungen der vor- 
exilischen Literatur hierfür zwischen dem Priestercodex 
und der älteren Praxis ergeben, beweisen hinreichend, dafs 
der erstere uns keineswegs ein Bild der letzteren giebt, 


142 Smend, über die Genesis des Judenthums. 


Der ältere Cultus beruhte auf tradifionellem Gebrauch, 
mancherlei mag sich davon durch Jahrhunderte fortge- 
pflanzt haben, anderes wurde mit der Zeit alterirt und 

‚ verdrängt. Als gegen das Ende der Königszeit das natio- — 
nale Selbstbewufsteein so stark erschüttert wurde, drangen 
fremde Sitten massenhaft ein, gewifs auch in den Cultus. 
Betreffs der Könige Ahas uud Manasse ist das letztere 
ausdrücklich bezeugt, umgekehrt haben Hiskia und Josia 
nicht nur fremde Cultussitten abgestellt. Es ist freilich 
wahrscheinlich, dafs sich im Tempel von Jerusalem im 
Leufe der Jahrhunderte und namentlich aus Anlafs der 
Reformen Hiskias und Josias eine bestimmte Tradition 
betr. des Cultus ausgebildet hatte, aber dafs es zur Zeit 
Ezechiels noch kein in allen Punkten feststehendes System 
gab, ist nach den wiederholten Umwiilsungen der letzten 
Jahrhunderte wahrscheinlich und aus einzelnen Anden- 
tungen gewils. Ebenso verhielt es sich mit den Gebräuchen, 
die man unter dem Begriff der levitischen Reinheit zu- 
sammenfalst. Diese kleinen Dinge gingen zunächst natür- 
lich nur die Priester an. Aber es handelte sich für sie 
dabei nicht etwa um eine wesentlich gelehrte Arbeit, son- 
dern die Aufgabe, den künftigen Cultus würdig einzu- 
richten, war eine sehr ernste. Um den Götzendienst in 
und aufeer dem Tempel hatte sich vor allen Dingen der 
Kampf zwischen Propheten und Volk gedreht. Der falsche, 
grofsentheils heidnische Cultus war Jahve fast am ürger- 
lichsten gewesen und darum hatte er seinen Tempel 
und die heilige Stadt in die Hände der Heiden fallen 
lassen. Darum waren auch diese kleinen Dinge schon 
wichtig genug. Ueberbaupt ist die principielle Zurück- 
führung dee gesammten Cultus auf göttliche Einsetzung 
nur aus dem Gegensatz gegen den altisraelitischen und 
heidnischen Gottesdienst zu begreifen. Wie aber mit den 
kleinen Dingen so stand es erst recht mit den grofsen. 
Es war natürlich, dafs man schon jetzt daran dachte, wie 


144 Bmend, über die Genesin des Judenthams. 


fand die Hoffnung der Propheten jetzt den Ausdruck, dais 
Jahve nach dem Zion zurückkehren und ihn nie wieder 
verlassen werde '). So erscheint der Berg Zion bei Esechiel 
und so erscheint er bei Deuterojesaja, nur dafs der Letztere 
sich in der idealen Höhe prophetischer Ideen hält, der 
Erstere dagegen aus den Thatsachen auch die nöthigen 
praktischen Consequenzen zieht. Der Bedeutung des Tempels 
entsprach nothwendig die Bedeutung des Tempeldienstes. 
Dazu kam der Gegensatz gegen die Ver eit und 
die reale Lage der Gegenwart. Es war in Zukunft Israels 
Aufgabe Jahve festzuhalten durch ängstliche Vermeidung 
all der Aergernisse, die man ihm früher bereitet hatte; ein 
reiner Gottesdienst mufste vor allem an die Stelle des ab- 
göttischen treten. Es war nothwendig, dafs hierauf su- 
nächst aller Nachdruck fiel. Im Exil entstand keineswegs 
das geistliche Israel, das Jahves Gesets im Herzen trug. 
Einzelne Individuen der Art mochte es geben, aber eine 
Gemeinde, ein Volk, das dem göttlichen Willen ents 
war zunächst nur äulserlich herzustellen. In ihrem n- 
deren Cultus mufste nicht nur die Gemeinde als solche 
in die Erscheinung treten, er mulste nicht nur das Band 
sein, dafs sie in sich zusammenhielt und gegen die Heiden 
abschlofs, für die Menge mufste die Religion nach wie vor 
ofsentheils im Cultus und der religiösen Sitte aufgehen, 
in deren Uebung wulste sie sich verschieden von den 
Vätern, die Jahve durch ihre Greuel gereizt hatten, hierin 
kam zunächst die Bekehrung zum Ausdruck. Die so zu 
sagen heidnische Seite der alttl. Religion tritt deshalb ge- 
rade im Judenthum äulfserlich fast noch mehr heraus, als 
im alten Israel. Aber eben auch nur äufserlich. Denn 
der Cultus ist hier etwas anderes geworden, als er früher 
war. Er ist sicht mehr die naive Aeufserung der natür- 
lichen Frömmigkeit und der natürlichen Gottlosigkeit, son- 
dern sofern er in Erfüllung des göttlichen Gesetzes geübt 
wird, bedeutet er die Unterwerfung des Menschen unter 
den Willeu Gottes. Wenigstens konnte und sollte er so 
übt werden. Deshalb standen der Cultus und die sitt- 
chen Gebote Jahves nun nicht mehr wie früher einander 
gegenüber, sondern die physische Heiligkeit und die sitt- 
che waren in innere Beziehung gesetzt und die erstere 
konnte die Basis der letzteren werden. In gewissem Sinne 


I) Nebenbei bemerkt, erscheint das Bchlufswort des Buches Joel 
4, 21 mir als ein starkor Beweis für seine nachexilische Abfassung. 


146 Bmend, ther die Genesis dos Judenthums. 


jüdische Gemeinde an der Hoffnung irre geworden, dafı 
sie einst kommen werde. Dafs sie noch nicht da war, 
das machte einmal Jahves Zorn über die Sünden der Väter, 
der immer noch kein Ende hatte, der Zorn, dessen bleiernea 
Druck das Judenthum seitdem nie wieder losgeworden ist 
und dem gegenüber man in dem Bewulstsein der ei 
Sünde hin und wieder verzweifeln zu müssen schien. 
war aber auch die Nichterfüllung der Weissagung daraus 
au begreifen, dafs das Gesetz noch immer nicht erfüllt 
war und die Gemeinde den göttlichen Anforderungen nicht 
entsprach. Bis dahin war es ein weiter Weg. Schon 
Ezechiel hat davon ein Bewußstsein, sofern seine Gesete- 
ebung deutlich die Tendenz hat, für die Zukunft dem 
Rückfall in die alten Sünden praktisch vorzubeugen. 

Für uns ist es namentlich wichtig zu sehen, wie 
langsam sich die Constituirung der jüdischen Gemeinde 
vollzog, ein ganzes Jahrhundert ging darüber hin. Die 
Zahl der mit Josua und Serubbabel Zurtickgekehrten (ca. 
42000 Männer) erscheint sehr grofs im Vergleich sa 
von Nebukadnezar nach Babel Deportirten (ca. 15000). Da 
obendrein eine grofse Zahl von Juden in Babylonien zu- 
rückblieb, so mufs man annehmen, dafs aufser den 
tirten noch eine grofse Zahl von eigentlichen Kri 

enen nach Babel abgeführt war, die dort inzwischen aut 
ie eine oder andere Art frei geworden waren. Auffallend 
klem erscheint dagegen die Zahl der Zurückgekehrten im 
Vergleich zu der grofsen jüdischen Bevölkerung, die wir 
später in Palästina finden. So viel ich weils, hat zuerst 

uenen die richtige Erklärung hiervon gegeben. Die 
neue Colonie wurde nicht nur durch weitere aus 
Babylonien verstärkt, vielmehr hat sie allmählich einen 
großen Theil der israelitischen Bevölkerung aufgesogen, 
ie während des Exils im Lande geblieben war; vgl. Neh. 
10, 29. Esr. 6, 21. Zunächst kam es freilich nicht dahin. 
Im Gegentheil war die Constituirung der jüdischen Ce 
meinde wesentlich dadurch bedingt, dafs die Gola sich von 
diesen ihren Brüdern abschlofs. Die letzteren hatten 
nämlich während des Exils das alte Wesen weiter 
trieben, sie waren wo möglich noch heidnischer eworden 
und hatten sich z. Th. sogar mit Heiden vermischt. Ein 
fach Heiden waren sie freilich keineswegs, es ist cum grano 
salis zu verstehen, wenn Nehemia seine Gegner als Am- 
moniter und Araber bezeichnet. Dafs sie im Gegentheil 
Israeliten waren, zeigt sowohl ihr Name (Tobia) wie ihr 
Anspruch (Neh. 2, 20. 13, 4 ff.). Auch ist es ein Ana- 


148 Smend, über die Genesis des Judenthums. 


später Esra nach Jerusalem kam, hatte die Colonie sich | 
vielfach den Brüdern da draufsen genähert, namentlich war | 
das seitens der vornehmeren Gemeindeglieder, der Priester- 
schaft und des Adels geschehen. Zwischenheirathen kamen 
in grofser Zahl vor. Die Gefahr, dafs die beiden Theile | 
sich mit einander vermischten, war grofs und es stand 
alles auf dem Spiel, was in den letzten Jahrhunderten er- 
reicht war. Eben in dieser Situation wurden Esra und 
Nehemia die eigentlichen Begründer der jüdischen Ge 
meinde, der eine, indem er der Gemeinde das Gesetzbuch 
gab, der andere, indem er die äulseren Bedingungen schuf, 
unter denen allein die Herrschaft des Gesetzbuchs mög- 
war. 

In Babylonien war ein grofser Theil der Exulanten 
zurückgeblieben, manche aus Gleichgültigkeit, manche aber 
such aus anderen Gründen. Wir gewinnen sogar den Ein- 
druck, dafs dort die Ideen Ezechiels viel lebendiger fort- 
lebten, als in Palästina. Von dort kam das Gesetzbuch, 
von dort kamen Esra und Nehemia. Die Religion war 
inzwischen so consolidirt, dafs selbst fern vom heiligen 
Lande jüdische Frömmigkeit und jüdische Gemeinden 
möglich waren. Es ist auch ganz begreiflich, dafs man 
mitten unter den Heiden und fern von den tritbseligen 
Zuständen der heiligen Stadt mit viel grölßserem Eifer für 
die Sache des Glaubens lebte und arbeitete, als in Jeru- 
salem, wo man in steter Berührung mit ganz anders ge- 
arteten Israeliten und im Kampfe mit den realen Aufgaben 
der Wirklichkeit eher matt wurde. Wie oft ist nicht seit- 
dem die Diaspora die zweite Mutter der Kirche geworden! 

Esra führte einen grofsen Zug von Juden nach Juda 
zurück. Er ahnte nicht, wie schlimm es dort stand, aber 
gewils hatte er eine ungefähre Vorstellung von den dor- 
tigen Verhältnissen. Er wollte der Gemeinde frisches Blut 
zuführen, vor allen Dingen beabsichtigte er die Einführung 
des Gesetzbuchs durchzusetzen. Man hatte freilich das 
Deuteronomium. Nach Josias Tode war es nicht abge- 
schafft, es blieb bei den Anhängern der Propheten im 
höchsten Ansehen und machte sich sogar im Öffentlichen 
Leben gelegentlich geltend (Jer. 34). Die gesammte Lite- 
ratur des A. T., die aus dem Exil und dem ersten Jahr- 
hundert nach dem Exil stammt, ist aufs stärkste vom Deu- 
teronomium beeinflufst, namentlich der Prophet Ezechiel 
und die sog. deuteronomistische Redaction des Pentateuchs 
und der historischen Bücher. Auch in der neuen Gemeinde 


150 Smead, fiber die Genesis des Judenthums. 


Nehemia klafft eine Lücke von 12 Jahren"). Indessen 
können wir aus dem Buche Nehemia das Fehlende in der 
Hauptsache ergänzen. Die Feinde, welche die Manern 
von Jerusalem zerstört, die Thore verbrannt und überhaupt 
Uaglück und Schmach über die Gemeinde gebracht hatten, 
sind ohne Zweifel dieselben, welche nachher die Wieder- 
herstellung der Mauern auf alle Weise su hintertreiben 
suchten, d. h. Sanballat, Tobia und Gesem, die dabei viel- 
leicht gar einen Auftrag der persischen ierung voll- 
streckt hatten. Gewife wollten diese Männer mit alt 
ihr Anrecht an dem Tempel geltend machen und ihre Auf: 
nahme in die Gemeinde erzwingen, nachdem Esra durch 
Auflösung der Mischehen ihre Ausschliefsung von Neuem 
durchgesetzt hatte. Und wie später die vornehme Priester- 
schaft und die Aristokratie, die namentlich mit dem Tobia 
theils verschwägert theils verbündet war (Neh. 6. Ex; 
dem Nehemia gegenüber mindestens eine sweidentige | - 
tung einnahm, so darf man auch wohl annehmen, sie 
schon vorher mit jenen Häuptlingen gegen Kara gemein- 
same Sache gemacht hatte. In der That bestand zwischen 
ihnen eine Solidarität der Interessen. Durch die von Eara 
angestrebte Einführung des Gesetzes war die Herrschaft 
der mächtigen und reichen Aristokratie bedroht. Nehemia 
stützte sich ihnen gegenüber auf die kleinen Leute, für 
die er einen Schuldenerlafs vom Adel erzwang (N eh. 5). 
Es ist wohl auch nicht zufällig, worauf schon Duhm auf- 
merksam gemacht hat, dafs die trübseligen Reste der Pro- 

hetie mit den Gegnern Nehemias conspirirten. Nehemias 

emoiren sind uns freilich nicht vollständig erhalten, aber 
schwerlich sind sie bedeutend verkürzt, er erzählt fast nur 
von der Wiederherstellung der Mauern von Jerusalem, die 
er doch in wenigen Wochen dewerkstelligte. In Wahrheit 
war das eine That, die für die definitive Constituirung der 
jüdischen Gemeinde von grundlegender Bedeutung war. 

enn unter dem Schutz, den diese Mauer gegen die halbheid- 
nischen Brüder da draufsen bot, und unter dem Zwang, in 
dem sie die widerstrebenden Elemente im Innern der Stadt 
bielt, haben Esra und Nehemia die Herrschaft des Gesetzes 
aufgerichtet und dauernd gesichert. 


——— Se 


') Aller Wahrscheinlichkeit nach gehört in diese Lücke die ara- 
mäische Erzählung von Esra 4, wie u. a. Bertheau gesehen hat. 
Auffellend ist nur, dafs dort ganz andere Namen genannt werden als im 
Buche Nehemia. 


Stade, Denterozacharja. 151 


Wir sind über die Geschichte der nachezilischen Ge- 
meinde im Allgemeinen sehr unvollkommen unterrichtet, 
aber dafür haben wir in den Memoiren Esrds und Nehemias 
historische Documente ersten Ranges, die auf die Bedin- 
gungen, unter denen die jüdische Gemeinde endlich zu Stande 

helles Licht werfen. Die Persönlichkeiten des Schrift- 
gelehrten und des Laien treten uns in lebendigster An- 
schaulichkeit vor Au sie sind der genuine Ausdruck 
der damaligen jüdischen Frömmigkeit, die uns hier im 
voller. Originalität und Lebenswahrheit entgegentritt. Auch 
die Gegensätze, in denen sich später das innere Leben der 
jüdischen Gemeinde bewegte, liegen ihren Keimen nach 
schon hier vor und das kann uns einigermalsen darüber 
dafs wir über die nächsten Jahrhunderte so gat 
wie nichts wissen. Von allgemeinerem religionsgeschicht- 
lichen Interesse ist übrigens der Umstand, dafs die Con- 
stituirung der jüdischen Gemeinde zuletzt nur unter dem 
Beistande der heidnischen Weltmacht gelang. 


Deuterozacharja. 
Eine kritische Studie. 
Vom Herausgeber. 
II. Theil. Die aus der innerjüdischen Geschichte zu 
entnehmenden Gründe. 
(siehe Jahrgang 1881, 8. 1 ff.) 


Daß !) Za. 9—14 ein nachexilisches Schriftsttick ist, 
ist Jahrgang 1881, S. 1 ff, erwiesen worden. Aus den 


ee 6 ee 


N) Ich bedaure, bei Aufsählung derjenigen Gelehrten, welche der 
auf oberflächlicher Untersuchung des Inhalts erwachsenen und ge- 
dankenlos weiter nachgesprochenen kritischen Ansicht über Za. 9 ff. 
auf Grund eigenen Nachdenkens widorsprochen haben, F. Böttcher 


152 Stade, Deuterozacharja. 


8. 96 angegebenen Gründen sollen jetzt alle diejenigen der 
Geschichte der innerjüdischen Entwickelung zu entneh- 
menden Gründe zusammengefafst werden, welche für die 
genauere Bestimmung der Abfassungszeit in Betracht 
kommen. 


Vier Punkte kommen hauptsächlich in Betracht : 1) die 
Ansichten Deuterozacharjas über das Haus Davids und 
das Haus Levis, 2) die Stellung Deuterozacharjas zu den 
herrschenden Kreisen, der Zweck und die Art seiner Arbeit, 
3) die Stellung Deuterozacharjas zur zeitgenössischen Werth- 
schätzung Jerusalems, 4) seine Vorstellungen vom Reiche 
Gottes und der Bekehrung der Heiden. 


überschen su haben. Er spricht sich „Neue exegetisch - kritische 
Aechrenlese“, Leipzig 1863—65, 1. Abth. 8. 197, namentlich aber 
2. Abth. 8. 215 ff. mit aller Bestimmtheit dahin aus, dafs Za. 9 ff. erst 
nach Alexander geschrieben ist. Da ich das geuannte Buch so wenig 
wie die mir zugänglichön Bibliotheken von Giefeen und Darmstadt 
besitze, so ist mir dies bedauerlicher Weise entgungen. Ich wurde auf 
die Stelle aufmerksam gemacht durch eine Mittheilung Dr. M. Krenkel's 
Beiläufig sei bemerkt, dafs dasjenige, was meinen Ausführungen 
bislang von Seiten der Vertreter der landl&ufigen kritischen Ansicht 
entgegengesetst worden ist, mich von neuem davon überzeugt hat, wie 
beillos es mit derselben steht. Daß es sich hier um die Gesamnt- 
anschauung von der Entwickelung der Prophetie handelt, begreift 
man immer noch nicht. Man sucht durch kleine Mittelehen zu 
helfen und meistert dann natürlich an der besonders fatalen Stelle Zs. 
9, 13. Steiner in seinem Wiederabdrucke des fiir seine Zeit vortreff- 
lichen, jetzt aber veralteten Commentares Hitzig's su den kleinen 
Propheten conjicirt für 1% 9°99 ein Ymy 9. ‘Ich verliere 
über das Ungltickliche und Unmethodische dieser Conjectur kein 
Wort. Aber begreift dein Steiner nicht, dafs das Schriftsttick, 
wenn so gostanden bätte, dann erst recht in nachexilische Zeit gehört? 
Noch unglücklicher ist der Recensent in Grätz’s Monatsschrift für 
Geschichte und Wissenschaft des Judenthums (vom Mai- bis Juli-Hefte 
1881), dem ich übrigens für seine wohlwollende Meinung über mich sa 
Danke verpflichtet bin. Diesem ist es wider Willen in ganz unübertref- 
licher, geradezu einzigartiger Weise gelungen, die herkommliche unme- 
thodische kritische Behandlungsweise vun Za. 9 ff. zu persiffliren. 


Stade, Deuterosacharja. 153 


Weniger verschliigt dagegen fur diese Frage die Er- 
wähnung des mino-Festes 14, 16 ff. Aus der besonderen 
Hervorhebung desselben folgt nur, dafs das Stück nach der 
Reform des Josia geschrieben ist, was ja auch die Mei- 
nung der Kritiker ist'). Freilich konnte man, sobald 
neben der grofsen Herbstfeier zu Jerusalem keine localen 
Asiphfeste mehr in Juda gefeiert wurden und jeder Judier 
zu diesem Feste nach Jerusalem zog, deshalb nuch nicht 
erwarten, dals auch die Heiden dorthin pilgern würden. 
Und so verräth dieser begleitende Zug die Abfassungszeit. 
Dagegen ist an unserer Stelle die Erwähnung des niap-Festes 
offenbar dadurch veranlafst, dafs es das Fest der vollendeten 
Ernte, das Erntedankfest ist. Es erscheint sonach noch in 
seiner alten Bedeutung. 

Beginnen wir mit dem ersten dieser Punkte. Neben 
Jerusalem besteht die Gemeinde der im Lande wohnenden 
Jahveverehrer nur noch aus Juda. Jerusalem ist aber so 
sehr der ganz Juda überstrahlende Mittelpunkt, dafs seine 
Bewohner sich über die Judäer weit erhaben dünken und 
Gott eigens es veranlafst, dafs die Judäer Jerusalem retten, 
damit der Hochmuth Jerusalems getilgt werde. Innerhalb 
aber dieses sich über Juda überhebenden Jerusaleme bilden 
die leitenden Kreise das Haus David und das Haus Levi. 
Einen König gibt es nicht, er wird aus dem Hause David 
erwartet und soll der Fremdherrschaft ein Ende machen. 

Schon dafs das Haus Levi als gleichwerthig, wenn 
auch an zweiter Stelle, neben dem Hause Davids genannt 
wird, ist — um von dem letzten Umstande vorerst ganz 
zu schweigen — ein Beweis für die nachexilische Herkunft 
von Za. 9 ff. Vor dem Exile konnte von einer solchen 
Bedeutung des Hauses Levi gar keine Rede sein. 


re eee 


1) Bleck wurde daher von einem richtigen Gefühle geleitet, 
wenn er Stud. u. Krit. 1852 8. 838 dieses Argument ablehut. 


154 Stade, Deuterosacharja. 


Die älteste Stelle, an welcher man ein Haus Levi er- 
wähnt finden könnte, findet sich in dem aus nachdeutero- 
nomischer aber vorexilischer Zeit stammenden Einschube 
18a.2, 27—36. Allein das Haus, welches Gott in Aegypten 
erwählt und dem er alle Opfer der Kinder Israel gegeben 
hat, ist, wie die Gegentiberstellung des beim Hause Ds 
vids aıntirenden Priestergeschlechts der Sadokiden beweist, 
das Haus Elis, bezw. Moses. Hier sind mit dem Hause 
Levi die Nachkommen eben dieser Sadokiden gemeint. 


Als Haus konnte Levi tiberhaupt erst seit der Reform 
Josias empfunden werden '). Voraussetzung war die Be 
seitigung aller kleineren Heiligthümer, die Anweisung aller 
Priester auf das königliche Heiligthum zu Jerusalem, 
welches jetzt erst mit seiner Priesterschaft neben dem Kö- 
nigsgeschlechte ein Einheitsband des gesammten Volkes 
wird. Allein so stark ist die Macht der Tradition, s9 neu 
der durch die Reform Josias geschaffene Zustand, dafs diese 
theoretische Möglichkeit zunächt noch gar nicht in Betracht 
gezogen wird. Weiter, da die Jerusalemer Priester, ihre 
Stellung als königliche Beamte benutzend, den deposse- 
dirten Landpriestern die durch das Deuteronomium ge 
währleistete Gleichberechtigung durchaus verweigern, 80 
kommt es noch gar nicht zu einem Zusammenschlusse aller 
Priester vom Hause Levi. Wir erkennen die damalige 
Sachlage deutlich aus den Weissagungen Jeremias. Wo 
dieser die Verhältnisse der Gegenwart berührt, kommen 
ihm die Priester gar nicht als Geschlecht in Betracht, 
stehen sie bei Aufzählung der Stände erst nach den könig- 
lichen Beamten (om) 1, 18. 2, 26. 4, 9. 8, 2. 13, 13. 


1) Gegenüber gewissen Velleitäten einzelner Bestreiter der Graf'- 
schen Hypothese, welche Mode zu werden drohen, sei bemerkt, dals 
die hier gegebenen Austiihrungen für Jedermann beweiskräftig zu sein 
beanspruchen. 





Stade, Deuterosacharja 156 


83, 32, ja 34, 19 sogar hinter den königlichen Eunuchen 
oo). Freilich sind sie naturgemäfs mit der Beseiti- 
rang der Heiligthümer aufserhalb Jerusalems und Erklä- 
ung des königlichen Tempels zum Centralheiligthume des 
ranzen Volkes in eine selbständigere Stellung dem könig- 
ichen Hause gegenüber eingerückt, dessen schlichte Be- 
ımte sie früher waren. Jeiteten sich früher ihre priester- 
ichen Rechte lediglich aus der Bestallung durch den König 
ıer, 80 fliefsen diese jetzt aus dem Gesetze Gottes, welches 
wch den Königen ihr Recht gesetzt hat. In dieser neu- 
rewonnenen Unabhängigkeit ähneln sie den Propheten, zu 
welchen sie Jeremias so überaus häufig stellt. Will man 
edoch die Stellung der Priester auch nach Josias Reform 
ınd ihren Einflufs und Machtumfang richtig beurtheilen, 
© hat man von Erzählungen wie Jer. 26 auszugehen. Es 
st sicher belehrend, zu sehen, dafs selbst für im Tempel 
jegangene Vergehen aller Einflufs und jede Entscheidung 
i den königlichen Räthen und Beamten liegt. 


Erst die Beseitigung der Königsherrschaft, erst das 
üxil ermöglicht so, dafs man die Priester mit dem Hause 
Javids in Paralleie setzt. Von nun an gehen die Hoff- 
ungen des Volkes auf eine Wiedereinsetzung beider. Und 
> treffen wir die erste Spur einer Gleichstellung beider 
teschlechter in dem frühestens exilischen Anhange '), welchen 
in Epigone auf Grund jeremianischer Stellen zu Jer. 38, 
—13 verfalst hat : Jer. 33, 14—26. Dort wird verheilsen, 
als von David nie einer mangeln werde, welcher auf dem 
“hrone des Hauses Israel sitze, so auch den levitischen 
’riestern nie einer, der vor Gott stehe, Brandopfer brin- 
send, Mincha opfernd, Schlachtopfer rüstend immerdar. 
Und mit der Rückkehr aus dem Exile, mit der Auf- 





') Vgl. die erschöpfende Auseinandersetzung bei Kuenen, hist. 
krit. Onderzoek Bd. 2, §. 78. 8. 204 f. 


156 Btade, Deuterosacharja. 


richtung der Gemeinde mulste diese Auffassung festen Fuls 
fassen. Von den beiden Hoffnungen des Volkes, der Wie 
derherstellung des nationalen Staates und der Wiederauf- 
richtung des Cultes im Tempel zu Jerusalem, erfüllte sich 
nur die zweite, wiewohl unter besonderen Bemühungen des 
davidischen Hauses. Jetzt ward der Tempel und der in 
ihm amtirende Hohepriester der Mittelpunkt des gesammten 
Volkes. Ja fast scheint es, als habe Josua bereits vor 
Wiederaufbau des Tempels eine gröfsere Rolle gespielt als 
Zerubbabel. In wie fern sich dies ale Consequenz der 
von Ezechiel zum Priestercodex führenden Bewegung be- 
greift, soll hier nicht erörtert werden, vgl. S. 159 Anm. 1. 
Doch richteten sich auch jetzt noch aller Augen auf 
das Haus David. In der Statthalterschaft Zerubbabels 
ist man eine Zeitlang geneigt, die Erfüllung der jere- 
mianischen Weissagung von dem Wiedererstehen der da 
vidischen Herrschaft nach vollzogenem Gericht (c. 22. 23.) 
zu erblicken. Zacharja krönt in ihm den Zemach (6, 9—10. 
Jer. 23,6). Haggai 3, 21 ff. weissagt auf Jer. 22.23 anspie- 
lend die Vernichtung der heidnischen Reiche und die Erhebung 
Zerubbabels zum Könige. Solche Hoffnungen erweckte der 
Umstand, dafs er der x'@) der neuen Gemeinde Ezra 1, 8. 
2,1f. 5,2, der ATM mmo Hagg. 1, 1. 2, 21 war. 

Von dieser Meinung ist man freilich schnell zurtick- 
gekommen. Bei solcher Sachlage konnte die persische 
Obrigkeit nicht wohl dem Hause Davids die Statthalter- 
schaft lassen. Wir treffen später den Nehemja als xnwT 
und vor diesem scheinen nach Neh. 5, 15 Nichtisraeliten, 
wahrscheinlich Perser, als Landpfleger Juda verwaltet zu 
haben. Kein Davidide begegnet uns fernerhin als solcher. 


Dagegen amtiren die Sadokiden in ununterbrochener 
Reihenfolge am Tempel. Mit jeder Sucvession mulste ihr 
Ansehen steigen. Ihr Haus ist das der Erfüllung, das 
Davids nur das der Verheifsung. Je mehr alle Lebensver- 


158 Stade, Deuterosacharja. 


der Familie, welche einst das Scepter Israels getragen 
hatte. Und so haben wir uns, nachdem die Landpfleger- 
schaft nicht mehr beim Hause Davids war, doch deren 
Glieder als zuvörderst aller Aemter der neuen Gemeinde 
theilhaftig zu denken, unter den 091, den DI. OT 
oe, Oy der neuen Gemeinde, wie sie Ezra, Nehemjs 
nennen, sind sie zuvirderat gewesen. Jautet die Reihen- 
folge Ezra 4, 3 Zerubbabel, Jusua Max] we] mp, 80 
rückt mit dem Wegfall der Bestallung eines Davididen 
zum Landpfleger dieses Geschlecht allerdings hinter die 
Priester, vor denen es Ezra 4, 3 aufzählt, aber es steht immer 
noch vor allen andern weltlichen Familien. So zählt Ezra 
8, 1 ff. die ONIN YN, welche mit ihm zurtickkehrten, auf 
in der Reihenfulge : 1) Priester, 2) wen TNT Yap, 3) 
die übrigen Wy 30 py’ YAY u. 8. w. Und nur sehr 
allmählich wurde es in der oben geschilderten Weise durch 
die aufblühende Macht des Priesterthums in den Schatten 
gestellt. Eine Station auf dem Wege, welcher schliefalich 
dazu führte, dafs das Hohepriesterthum als höchste geist 
liche wie weltliche Spitze empfunden wurde, dafs es, wie 
Jesus Sirach 25, 24—26 sagt, die Aufgabe hatte. xgoorately 
(für xgootratyy) aylov xal Aaov, so dafs um Weisheit für 
sie gebeten wird xolrew tov Aao» avrot Lv dixacoorry, 
beobachten wir sowohl an unserer Stelle, als beim Chro- 
nisten, welcher, freilich ein Levit, 1 Chron. 3, 17—24 die 
Nachkommen Zerubbabels bis etwa auf die griechische Zeit 
aufzühlt, wiewohl an keinem besonders in die Augen sprin- 
genden Orte, nur als Theil der Geschlechter Judas, dafür 
aber das herrschende Priestergeschlecht in der Genealogie 
Levis 5, 24-41 nur bis zum Exile herabführt (v. 15), den 
Hohenpriestern des zweiten Tempels jedoch bis auf Jaddua, 
den Zeitgenossen Alexanders, Neh. 12, 1 ff. einen besonderen 
Abschnitt widmet. Und so dürfte vielleicht Geiger 
Reht zu geben sein, wenn er das Haus Nathan und das 
Haus ‘youn, welche Za. 12 neben dem Haus David und 





Stade, Deuterosacharje. 169 


a Haus Levi nennt, mit dem davidischen Hause Simei 
dem levitischen Nathan 1 Chr. 3, 19. Neh. 12, 11 zu- 
ımenbringt. 

Dafs aber in der nach Anbruch der griechischen Zeit 
chriebenen Chronik der Hohepriester bereits an die erste 
lle im Volke gerückt ist, ist leicht begreiflich. Jede Orga- 
ation gewinnt neue Kräfte, wenn eine neben ihr be- 
aende erschüttert oder gar beseitigt wird, während sie 
vet bleibt. Mit der Beseitigung der Perserherrschaft 
fete sie an Bedeutung wachsen. Schon der Umstand, © 
3 der Hohepriester die einzige persönliche Spitze des 
kes war, mit welcher die neue erst in der Consolidation 
riffene griechische Herrschaft zu rechnen und sich 
benehmen hatte, bewirkte dies. Damit wurden die 
gen Geschlechter des Volks nothwendig definitiv unter 
Hohepriestergeschlecht herabgedrückt. Letzteres bekam 
rer mehr auch die gesammte weltliche Macht in seine 
ıd, mit ihm zusammen zu hängen und verschwägert zu 
» gab jetzt Adel. 

Wenn nun unser Verf. das Haus Levi erst nach dem 
rids nennt, so ist das jedoch kein Anzeichen dafür, 
) wir uns noch vor der griechischen Zeit befinden. 
ın nicht nur, dafs auch schon vor der griechischen Zeit 
Hohepriestergeschlecht ohne Zweifel von einzigartiger 
eutung und den übrigen adligen Geschlechtern an Ein- 
' weit überlegen gewesen ist, so findet eine solche 
yerlegenheit nicht immer in Schriftstücken ihren Aus- 
tk, nicht immer Anerkenntnils. Beim Chronisten wird 
Nennung des Hohenpriestergeschlechtes an hervor- 
mder Stelle, während Davids (reschlecht nur nebenbei 
aufgeführt wird, wit abhängig sein von dem Umstande, 
der Chronist ein Levit ist. Umgekehrt mufste jedesmal, 
n eine bevorstehende Umwälzung die Möglichkeit einer Er- 





') Urschrift und Uebersetsungen, 8. 59. 





160 Stade, Deuterozacharje. 


füllung der messianischen Hoffnungen den Frommen nab 

rückte, inihren Augen das Geschlecht Davids wieder in gleiche 

Linie mit dem hohenpriesterlichen, wenn nicht vor dies 

rücken. Denneben der Umstand, dafs ein Mann desselbes 

beim Eintritte dieser Hoffnung die Krone seines Volke 

tragen sollte, war es ja, welcher die Augen des Volkg 

beständig auf dasselbe gerichtet sein liefe. Erwartet om 

der Verfasser von Za. 9—14, die noch unerfüllten Wer 

sagungen der Propheten zusammenfassend, die Königsher- 

schaft eines Davididen, (9, 9ff.), so ist es nur naturgemif, 
wenn er in einer Beziehung auf Verhältnisse der Gege ; 
wart Davids Haus vor dem Levis nennt, während andere 
seits ihre Nebeneinandergruppirung in vorexilischer Zat 
bei einer solchen geradezu unerhört ist. 

Aber auch der Grund selbst, aus welchom die Ge 
schlechter der Priester und Davids Za. 12 neben einander 
genannt werden, ist wohl zu beachten. Sie sollen Bule 
thun wegen eines Mordes. Jede Hindeutung darauf fehlt, 
dafs es ein in tumultuarischer Weise begangener gewese 
sei, denn dafs alle Jerusalemer mit Bufse thun sollen, wird 
man nicht als solche auffassen dürfen, thun es doch sued 
die Frauen. Wenn den zwei autoritativen Geschlechten 
eines Volkes eine solche That Schuld gegeben wird, » 
spricht a priori alles dafür, dafs sie dieselbe eben krafi 
ihrer Autorität, also in geordneter Form, verübt haben 
Als Richter haben beide ein Todesurtheil gesprochen um 
vollziehen lassen, welches dem Verf. als Mord gilt. Aud 
hieraus sehen wir, dafs wir uns in nachexilischer Zeit be 
finden. In vorexilischer spricht der König, sprechen dessa 
Beamten (any) das Urtheil. Wird hier dem Haase Davi 
und dem Huuse Levi dieses Urtheil Schuld gegeben, « 
kann es nur von einem Gerichtshof ausgegangen sei 
dessen Beisitzer aus beiden Geschlechtern genommen wurde 
Einen Gerichtshof, in welchem die Angehörigen des Priester 


Stade, Denterosacharja. 161 


geachlechtes neben denen der Adelsgeschlechter safsen, hat 
es in vorexilischer Zeit niemals gegeben. 

Ich gehe noch weiter und behaupte : in den ‘prdee 
iTPET, welche c. 12 allein neben den Geschlechtern Davids 
und Levis genannt werden, haben wir diejenigen, welche 
als xosoßvrepo: tic yeooaucs 1- Macc. 14, 28 neben den . 
isgels und aeyorres genannt werden. In vorexilischer Zeit 
würde man diese einfach M7 ‘yp genannt haben, rw 
dafür zu gebrauchen ist in jener Zeit unerhört. Es ist 
diese Uebertragung eine gelehrte Reminiscenz, rhetorischer 
Aufputs. 

Daß endlich die den Frauen der Jerusalemer Ge- 
schlechter 11, 12 ff. zugewiesene Rolle sich am besten aus 
den Verhältnissen der nachexilischen Gemeinde erklärt, 
braucht nur angedeutet zu werden. | 

Wir achten zweitens auf die Stellung des Vert zu 
den Häusern David und Levi. Ebenso wichtig ist es, über 
seine Ziele bei Abfassung von Za. 9 ff. ins Klare zu kommen. 
Er setst sich durch jene Beschuldigung ebenso in Oppo- 
sition zu den herrschenden Kreisen, wie durch die Erwar- 
tung, dafs vor Anbruch der messianischen Zeit die jetzige 
Obrigkeit werde beseitigt werden. Noch deutlicher redet, 
dafs er die (aus Priestern und. Davididen) bestehende Obrig- 
keit Kanaaniier schilt, sie beschuldigt, dafs sie das Volk 
an die Fremden verkaufe, es zu ihrem Vortheil ausbeuie 
und ins Elend bringe. Kurzum es ist kein Zweifel, unser 
Verf. gehört den regierenden Kreisen nicht an, wiewohl 
er diese durch die Macht seiner Ideen theilweise beein- 
Aufst. Sind doch unter den Kanaanäern der Heerde auch 
solche, welche auf ihn achten. 11, 11. Wer ist er? Ein 
Prophet ist derjenige nicht, welcher, auf einer genauen 
Bekanntschaft der älteren Prophetie fulsend, diejenigen 
Weissagungen der Propheten, welche annoch unerfüllt sind, 
seinen Zeitgenossen mit Anpassung an die Gegenwart vor- 
rigt, und, wie wir Jahrgang 1881, S. 91 sahen, will er 


Zeitschrift f. d. alttust. Wiss. Jalırgang 3. 1882. 11 


162 Stade, Deuterosacharjs. 


auch kein solcher sein. Er ist ein Schriftgelehrter, welcher 
das deutliche Gefühl hat, dafs die Prophetie erloschen ist. 
Er ist in Kreisen zu suchen, wie sie a. a. O. 8. 90 fi, 
171 f. geschildert worden sind. Was zu seiner Zeit sich 
noch als Prophetie gerirte, wird von der Art des Neh. 6 
Erwähnten gewesen sein. Es war ein unreinliches und 
ungesundes, durch keinerlei nationale Bewegung getragene 
oder hervorgerufenes Treiben, welches mit der längst erlosche: 
nen Prophetie nur den Namen gemeinsam hatte. Die Ent- 
wickelung der religiösen Ideen war lüngst an ganz andere 
Factoren geknüpft. Soweit die Ideen der alten Propheten 
noch nicht erfüllt waren, konnten sie zu Einflufs auf die 
Frommen des Volkes und damit auf die Weiterentwick- 
lung der Religion nur gelangen durch die sich in die Reste 
der Vergangenheit versenkende Schriftgelehrsamkeit. Nun 
sehen wir aber in unserem Falle, dafs dieselbe sich nicht. 
mit dem Studium und der Auslegung der Reste der Ver- 
gangenheit begnügt, sondern in freier Reproduction den 
Umfang derjenigen Weissagungen vorführt, welche noch 
unerfüllt sind. Halten wir dies mit dem zusammen, was 
die Entstehungsgeschichte der Bücher Micha und Jesaias 
und so viele andere Abschnitte der überlieferten prophe- 
tischen Literatur lehren, so ergibt sich, daß die Abfassung 
von Za. 9 ff. nur ein Glied in einer Kette von Bestre- 
bungen ist, welche darauf abzielen, die Reste der prophe- 
tischen Vergangenheit zu sammeln, die prophetische Lite- 
ratur abzuschliefsen und für ihre Gedanken das Volk zu 
gewinnen. Und diese ganze Bewegung wird mit von dem 
Eintritte von Ereignissen abhängig sein, welche den Tag 
der Erfüllung der noch nicht erfüllten Weissagungen nahe 
erscheinen lassen. 

Haben wir nun unseren Verf. uns als einen der nachexi- 
lischen Schriftgelehrten zu denken, so ergibt weiter die 
Eigenart seiner schriftstellerischen Thiitigkeit !), dafs er 

') Die excerpirende, auf älteres prophetisches Schrifttum zurück- 
greitende schriftstellerische Manier des Verf. von Za. 9 ff. ist ührigens ein 





Stade, Deuterozacharje. 163 


r in die Entwickelung der mit Exechiel begin- 
it Ezra schliefsenden prophetisch beeinflüfsten 
wer gehört. Keine Spur zeigt sich mehr davon, 
te die Herrschaft des Gesetzes über das Volks- 
idehnen. Wenn es mit Worten gar nicht ge- 
, 80 erklärt sich das daraus, dafs es eben zur 
men Herrschaft bereits gelangt ist. Der Tempel 
r Zeit so sehr der Mittelpunkt der gesammten 
dals auch den Heiden die Wallfahrt zu ihm 
ird. Und wie sehr das Streben nach Heiligung 
reise bereits beherrscht, dafür zeugen 14, 20.ff. 
arf. von Za. 9—14 ein nachexilischer Schrift- 
nd ist er gänzlich frei von dem Bestreben, für 
einzutreten, mit dem er doch, wie mehrere 
‘l. namentlich 13, 2, s. Jahrgang 1881, 8. 83) 
'ertraut ist, so muls er nach Ezra gelebt haben. 
Zeiten nach Ezra verweist uns denn auch der 
in welchen nach Za. 9—14 Jerusalem m Juda 
iermit kommen wir zu dem dritten der 8. 152 
n Punkte. Wohl werden auch schon früher 
emer sich wegen des Tempels und des Königs- 
die übrigen Judäer erhoben haben. Und auch 
werden auf das Thor ihres Volkes (Mi. 1, 9), 


um nachexilischer Schriftstellerei. Die völligste Parallele 
i. 4. 5, eine andere ist Jes. 24—27. Za. 1—8, Haggai, Ma- 
1, Joel bieten weitere Parallelen. Desgleichen die Paglmen. 
ch y 5 und 51. 87. Die beiden ersten ruhen auf Deu- 
etsterer verräth genauere Bekanntschaft mit dem Buche 
| bereits Hupfeld richtig gesehen hat, ist die Aufs&h- 
lenvölker dem Dichter von w 87 an die Hand gegeben 
die messianischen Weissagungen desselben, welches c. 18 
x Kuschs, c. 20 die der Philister, c. 28 die der Tyrier 
t Assur meint der Psalmist Babel, welches ihm aus Jes. 
geläufig ist. omy aber v.4 flofs, wie Hupfeld richtig 
aus Jes. 80, 7. Ueber die Vergleichung der Psalmen 
166 Anm. 1. 
11° 


164 Stade, Deuterosacharja. 


den Sits des Königs stols gewesen sein. Sobald ma 
dachte wie Am. 1, 1 war dasu reichlich Anlals gegeben. 
Will man aber sehen, wie wenig in vorexilischer Zeit Jers- 
salem Juda in solcher Weise wie in Za. 9—14 tiberstrahlt 
und in den Schatten stellt, so ist nichts hierfür geeignete 
als Jeremias Weissagungen, die doch gröfsten Theils nach de 
Reform Josias fallen, su vergleichen. Bei Jeremias (wie freilich 
schon bei Jessias) zeigt sich die Bedeutung der Haupt 
stadt erst darin, dals Jerusalem dem Lande Juda coordinir 
erscheint, wobei aber zu bedenken ist, dafs die Gesetze de 
Parallelismus dies nahe legten. 

Aber neben Jerusalem spielen die übrigen Stätte Judas 
noch ihre Rolle, Jer. 8, 14. 10, 22. 33, 13. 34, 7. Jeremis 
redet im Tempel su allen Städten Judas 26, 1, ebenso 
Baruch zu den Judäern, welche aus ihren Städten ge 
kommen sind. 36, 5 ff. Die Söhne Judas haben ihre Greuel 
in den Tempel gesetst 7, 30. Freilich ist die Residenz 
und Tempelstadt die erste, die übrigen Städte sind eine 
Heerde, über welche Jerusalem als Hirt gesetzt ist Jer. 
17,20, sie sind Jerusalems Städte 19, 15. Aber dennoch sagt 
der Prophet für gewöhnlich mit Voranstellung Judas : Juds 
und Jerusalem 4, 5. 13, 9. 14, 1. 19., Judas Städte und 
 Jerusalems Bewohner 11, 12, Judas Städte und Jerv- 
.salems Gassen 11, 6. 13. 33, 10. 44, 6, Land Juda und 
Jerusalems Gassen 47, 9, Juda und alle Bewohner Jeru- 
salems 35, 17, der Mann von Juda und die Bewohner Jeru- 
salems 4, 4. 11, 1. 9. 17, 25. 18, 11. 32, 32. 35, 13, die 
Freien oder die Beamten von Juda und Jerusalem 27, 20. 
29, 2; viel sicherer mit Voranstellung Jerusalems : Jeru- 
salem und Judas Städte 1, 15. 4, 16. 9, 10. 44, 2, Jeru- 
salems (tassen Judas Städte 7, 17. 34, Jerusalems Be 
wohner und der Mann von Juda 36, 31. 

Mit der Zerstörung des Tempels und der Stadt, mit 
der Deportirung änderte sich das mit einem Schlage. Jetzt 
beherrschte jene Frage (Jer. 22, 8) weshalb hat Jahve 
dieser grolsen Stadt also gethan, die Gedanken des Volkes. 


Btado, Deuterozacharja. 165 


Jahve, der höchste Gott, der allein wahre Gott, 

; seine Stadt, seinen Tempel in die Hand der 

ıd nach alter Anschauung auch ihrer Götter geben 

Hat er damit nicht die Ehre seines Namens aufs 

geschädigt? Freilich war die Antwort : er hat 

um der Sünde seines Volkes willen, schon von 

md her gegeben. Und eben so sicher mufste 

e Zuversicht erspriefsen, dals er eben um der 

es Namens willen sein Volk wieder herstellen, 

Tempel wieder aufrichten werde, damit die Heiden 

sueikennen, dafs nur um der Sünden Israels willen dieses 
WMewicht ergangen ist. Eben das richtete die Augen, zwar 
Wucht des ganzen Volkes, aber doch der führenden Männer 
wisaf die Stadt und den Tempel und gab beiden ein ganz 
Wesonderes Relief. Indem aber zugleich die politische Ver- 
Wiäedung unter den Volksgenossen gesprengt war, mulste 
um deren Stelle, wenn die Volksgenossen vor dem Ver- 
wselhwinden unter den Heiden bewahrt bleiben wollten, das 
Baad der religiösen Zusammengehörigkeit treten, welches 
im Cultus sur Erscheinung kommen, nur durch diesen 
*Newtikon konnte. Dieser Umstand war vielmehr als der 
‘ aumdere, dafs man doppelt schätzt, was man von altem Besitse 
" Wseroren hat, der Grund, weshalb jetst die Wiederaufrich- 
‘Bang des Cultus und damit die Wiederherstellung der Btadt 

am den Vordergrund der messianischen Ideen tritt. 

Damit aber war dem nachexilischen Jerusalem eine 
Wedentung für das Volksleben gegeben, welche das vor- 
ezilische nie gehabt hat. Und diese mufste sogar noch 
steigen, je mehr alle Verhältnisse des Volkslebens sich dem 
Gesetze anpafsten und nach ihm veredelten. Jetzt wurde 
der Tempel die Stätte, an welcher die Gedanken der 
Frommen am liebsten weilten, und seine Heiligkeit strahlte 
über die ganze Stadt. Diese ist jetzt der geistige Mittel- 
punkt der ganzen Volkegemeinde, ihr Stolz und ihre Hoff- 
mung, dasu die Stätte, an welche sich die herrlichsten aller 


166 Stade, Deuterozacharja. 


Erinnerungen aus der Vergangenheit knitpfen, die Stadt 
Davids, Zion, das auf ewig bestehen wird, yw 126, 1.2 
Die Stellung, welche Jerusalem und der Tempel in nach 
exilischer Zeit in den Gedanken des Volks einnimmt, er 
sehen wir deutlich aus sahlreichen Stellen der Psalmen ') 
In Jerusalem wohnen zu können, Jerusalems Glück m 
schauen ( 128, 5), ist, ein besonderes Glück, denn we 
dort wohnt, vermag täglich im Tempel Gottes Namen zu 
rihmen » 84, 4. 65, 5. 23, 6. Wer dort weilen darf, ge 
deiht 52, 10. 92, 14. Daher bittet der Fromme Gott, alle 
Tage in seinem Hause wohnen zu dürfen, um anzuschauen 
seine Huld und seinen Palast zu betrachten 27, 9. Ein 
Tag in den Vorhöfen Gottes ist ihm besser als Tausend 
und er sagt (84, 23) : Wie lieblich sind deine Wohnungen, 
Jahve der Heerschaaren, gesehnt hat sich und auch ver- 
schmachtet ist meine Seele nach den Vorhöfen Jahve’s. Nach 
Jerusalem wallfahren zu dürfen, ist Gegenstand seiner 
Sehnsucht und seines Gebetes 43, 3, lebhaft freut er sich 
schon über die Möglichkeit, dorthin zu pilgern 122, 1, dort 
gewesen zu sein, ist ihm die liebste Erinnerung 5b, 16. 
122,2f. So wird denn Zion, über dessen zweiten Tempel 


') Der Psalter ist ein Erzeugnils des nachexilischen Judenthums. 
Die in ihm zum Ausdrucke kommende Frömmigkeit ist in ihrer indi- 
viduellen Eigenart cine nachexilische Erscheinung. Vor dem Exile 
fehlte für die Psalmendichtung vollständig der Boden. Damit soll 
nicht behauptet sein, dafs im Psalter keine exilischen oder vorexilischen 
Lieder enthalten sein könnten. Allein a priori hat jedes im Psalter ent- 
haltene Gedicht so lange als nachexilisch zu gelten, als nicht sus 
deutlichen Indicien das Gegentheil zu erweisen ist. Dals auch die Sprache 
der Psalmen dieselben in die nachexilische Zeit verweist, hat Giese breoht 
in dieser Zeitschr., Jahrg. 1881, 8. 276 ff. nachgewiesen. Doch scheint 
er mir das Gewicht der herkömmlicher Weise für einen frühen Abschlufs 
des Psalters geltend gemachten Gründe etwas zu überschätzen, s. a. a O. 
8. 804 ff. Dafs ». B. die ganze Sammlung der nach Sprache und Ge- 
danken eng verwandten Asaphlieder sich am besten aus der macce- 
bäischen Zeit erklärt, steht mir seit langem fest. 


Stade, Deuterosacharja. 167 


zu Haggais Zeiten die Greise noch wehmtithig geklagt 
hatten, weil sie den ersten noch gesehen hatten, zur Krone 
der Schöpfung 50, 2. Er ist die schöne Höhe, die Freude 
des ganzen Landes 48, 3. Jerusalem wird die ewige Stadt 
gp 125, 1. 2, der für alle Zeiten bestellte Mittelpunkt der 
Segnungen der Propheten » 133, 3. Für. ihre Wieder- 
herstellung dankt der Fromme und bittet für ihr Glück 
p 147, 4. 122, 6-9. Es ist der Ort, wohin alle Völker 
und Königreiche kommen, um Gott zu dienen 102, 22 f. 
Ja wenn der Psalmist 87, 2 ausspricht : Jahve liebt 
Zions Thore mehr als alle Wohnungen Jacobs, so ist das 
derselbe Hochmuth, um deswillen nach unserem Verf. 12, 7 
Gott Juda zuerst und Jerusalem durch Juda helfen wird, 
damit die Ueberhebung der Davididen und der Bewohner 
Jerusalems über Juda nicht noch sunehme. Es ist aber 
leicht einzusehen, dafs der Abstand, welcher in der Werth- 
schätzung zwischen Jerusalem und Juda in der Meinung 
der Judenheit bestand, sich um so mehr vergröfsern mulste, 
je mehr die Judenheit sich über die olxovuern zerstreute. 
So lange dieGemeinde auf engem Raume in und um Jeru- 
salem sals, gar manche der in Jerusalem Functionirenden 
auf dem Lande wohnten, mufste das Gefühl der Zusammen- 
gehörigkeit auf beiden Seiten rege bleiben. Jene Tausende 
von Juden aber, welche in Aegypten und den Euphratländern 
wobnten, dort heimisch wurden, zu Reichthum und Macht 
gelangten, hatten nach wie vor zu Jerusalem Beziehungen, 
auch für ihr Denken war der Tempel zu Jerusalem der 
Mittelpunkt, nach ihm wanderten sie, ihn schmückten ihre 
Beichthümer, keine Beziehungen aber hatten sie zu Juda, 
dessen Dörfern und Landstädtehen. So wird Jerusalem 
immer unabhängiger von Juda, aus einer kleinen Provinzial- 
stadt das Centrum einer über die olxovuevn zerstreuten 
grofsen Glaubensgemeinschaft, so wird Juda immer mehr 
unter die Hauptstadt herabgedrtickt, waren doch seine Be- 
wohner nur ein Theil der Judenheit. Und es ist bereits 


168 Stade, Deuteroszacharje. 


Jahrgang 1881, 8. 40 darauf hingewiesen worden, dafs es 
dem Verf. in seinem Zukunftsbilde nur sehr schwer gelingt, 
Juda an Jerusalem heranzurücken und von den sich be 
kehrenden Heiden, welche gewipsermalsen an die Stelle der 
heimgekehrten Exulanten treten, absurticken. Läfst doch | 
auch er die für Jerusalem kümpfenden Judier 12,5 sagen: 
möchte ich ihnen genügen durch Jahve der Heerschaaren, 
ihren Gott. | 

Uebrigens vermittelt sich der Gedanke, dafs Juda gegen 
Jerusalem kämpfen werde, welcher sowohl c. 12 als 14 
sich findet, nicht nur dadurch, dafs Fremdherrschafi 
besteht, sondern weiter dadurch, dafs Kinder der Diaspora 
in fremden Heeren Söldnerdienste leisteten. 

Endlich ist als Beweis für die Herkunft des Schrift 
stückes Za. 9-14 aus der Zeit nach Esra in Anspruch 
zu nehmen die sich in ihm findende Form der Vorstellung 
vom Reiche Gottes und seinem Verhältnisse sur geschieht 
lich gegebenen Gemeinde. 

Für unseren Verf. (c. 11) ist es die Bestimmung des 
Volkes Israel von Gott regiert zu werden. Seine jetzigen 
Leiter sind schlechte, von Gott verworfene Leiter. Freilich 
macht er die Erfahrung, dafs sein Volk für dieses Gottes- 
reich, dessen baldigen Anbruch er erwartet hat, noch nicht 
reif ist und deshalb von Gott abermals einem Weltreiche 
preisgegeben wird. Wiesehr sich dieser Begriff des Gottes- 
reiches im Gegensatze zu den irdischen Weltreichen ent- 
wickelt hat, sieht man aus Za. c. 11 besondere deutlich. 
In ihm finden wir eine Form des Begriffes, deren Weiter- 
entwicklung das Buch Daniel zeigt. Der Gedanke nun, 
dafs Gutt allein der Herrscher seines Volkes ist, ist der 
Grendgedanke des nachexilischen Judenthums, der die 
religiöse und, soweit eine solche möglich war, die staat- 
liche Entwickelung aufs stärkste beeinflufst, wo nicht 
leitet. Es ist derselbe Gedanke, welcher bewirkt, dafs das 
gesammte bürgerliche Leben des Judenthums in immer 
steigendem Mafse dem Gesetze unterworfen wird. dafs das 


Stade, Deuterozacharja. 169 


ganze Volk in allem was es thut, sich als ein heiliges Volk 
fühlt, ja dafs es es schliefalieb völlig aufhört ein Volk su 
sein und eine blofse Glaubensgemeinschaft, eine Sekte wird. 

Besonders belehrend ist für die ganze Auffassung des 
Verf. vom Reiche Gottes, dessen Anbruch er verkündet, 
die Schlufsweissagung c. 14. Hier formulirt er zunächst 
seine Erwartung bestimmt in v.9 dahin, ,dals Jahve König 
werden soll über das ganze Land, jenes Tages einer sein 
soll und sein Name einer". Dann aber erfahren wir weiter, 
dafs ganz Jerusalem heilig sein soll '), und dafs alle Völker 
sich bekehren und nach Jerusalem das Laubhüttenfest 
zu feiern pilgern sollen. Die Verehrung Jahves wird also 
die ganze Erde umspannen, während in Jahves Lande sein 
Königthum zur unumstrittenen Herrschaft kommt, alle Ver- 
hAltnisse auf Grund der Heiligherrschaft gemodelt werden. 
Die übrigen Völker behalten ihre weltliche Herrschaft. 
Aber sie verehren Jahve als einen und zwar unter seinem 
Namen Jahve. Diese Stelle genügt allein, um eine frühere 
Abfassung als im nachexilischen Zeitalter auszuschliefsen, 
sie allein räthschon mit der Abfassung in die hellenistische 
Zeit herabzugehen. Denn sie setzt Reflexionen über Gott 
und Götter voraus, wie sie erst in nachexilischer Zeit 
möglich wurden, erst in hellenistischer vorhanden sind. Man 
vergleiche nur damit die Anschauungen Jeremias, in dessen 
Zeit die Kritik die Abfassung von c. 14 gesetzt hat. Noch 
für ihn sind die Götter der Heiden Israel feindliche und 
verderbliche Mächte, später werden sie ein verächtliches 
Gebilde von Menschenhand. Hier aber wird gegen An- 
schauungen polemisirt, wonach die verschiedenen von den 
Heiden verehrten Götter allerdings eine reale Existenz 
haben, aber freilich keine von einander oder von Jahve 


') Wenn auch die Kochtöpfe heilig sein sollen, so erinnert dieser 
Zug auffallend an die Bitte des wpa SA Dm> IDR: 


170 Btade, Deuterozacharja. 


verschiedene, wonach sie alle nur das eine Göttliche vor- 
stellen, welches die verschiedenen Nationen unter verschie 
denem Namen anrufen, Israel als Jahve, die Heiden als 
Baal, Ahuramazda, Zeus oder Amon. Das aber ist eine 
Anschauung, welche mit Anbruch der hellenistischen 
Zeit, mit Niederwerfung der nationalen Schranken wie 
mit Nothwendigkeit sich einstellen mufste'). Dafs diese 
Anschauung auch in Israel Vertreter fand, ist von 
vornberein bei der Uebermacht hellenischer Caltur glaub- 
lich. Dafs sie wirklich bestanden hat, verrathen spätere 
Ereignisse. Was 1 Macc. 1, 43. 2, 23 berichtet wird, js 
überhaupt der Versuch des Antiochus hellenischen Cult in 
larael einsufahren, hat das Einströmen solcher Ideen in 
Israel zur Voraussetsung. Wir haben 14, 9 eine frühe und 
energische Reaction gegen dieselben. Die Stelle sotzt sich 
dadurch in bemerkbaren Gegensatz zu Maleachi 2, 11. 
So lange man eben in Israel nur Jahve opferte, war es 
erträglich, ja konnte als fromm gelten, zu denken, dafs die 
aulserbalb den Göttern der Heiden dargebrachten Opfer 
auch Jahve gelten, welchen jene unter dem Namen ihrer 
Götter verehren. Aber anders gestaltete sich die Sache, 
sobald man auf Grund solcher Meinungen nun in Israels 
Lande jenen Göttern unter deren Namen opferte und ver 
langte zu denken, dafs dies thun und Jahve opfern für 
den Israeliten gleich sei. Jene Theorieen Maleachis waren 
damit in eine Praxis übersetzt, welche nicht ertragen werden 
konnte. 

Fanden wir vorhin, s. S. 161 ff., die ersten deutlichen 
Regungen jener Gegensiitze, welche in der nachexilischen 
Gemeinde mit dem Priesterthum und dem Schriftgelehrten- 
thum von Haus aus gegeben, sich später als Sadducäismus 
und Pharisäismus auseinandergesetzt haben, so erblicken 


*) Vgl. die Schilderung Droysen's von der entstehenden Theo- 
krasie, Hollen. 1, 2 (ll) 8. 804 f. 


Stade, Deuterozacharja. 171 


ww ur hier die ersten Spuren derjenigen Bewegungen, 


sewrelche mit dem Einströmen hellenischer Cultur beginnen 
it den Maccabäerkämpfen ihren Abschlufs gefunden 


Es ist nun nicht ohne Interesse, nebenbei zu bemerken, 
«Mnfs auch jener Gedanke von Jahves Königthum durch 
Mie Psalmen als ein das nachexilische Judenthum lebhaft 
Tewegender ausgewiesen wird'). Der Preis des König- 
@humes Jahves gehört zu den Lieblingsgegenständen der 
#2salmendichtung : 74, 12. 84, 4. 93, 1. 97, 1. 98, 6. 108, 
MO. 146, 10. 149, 10. Er ist der König der ganzen Erde, 
eer Herrscher, welchem sich alle Heiden unterwerfen 
zmüssen 10, 16. 22, 28. 29. 47, 3. 1—9. 86, 9. 10. 96, 10. 
0, 1. 102, 23. 145, 11. Was Za. 9—14 voraussagt, dazu 
fordert » 82, 8 Gott auf, „sich zu erheben und die Erde 
au richten, da er alle Völker als Erbtheil besitzen soll.“ 
Ebenso entspricht es genau dem Gedankengange von Za. 
14, 9, wenn nach » 83, 19 die heidnischen Feinde des 
Volkes zu Grunde gehen sollen, dafs Gott allein Jahve 
heifst und erhaben ist über die ganze Erde. Er herrscht 
über alle Heiden 46, 11. wp 47. w 48. Nach wp 86, 9 sollen 
alle Heiden kommen und sich niederwerfen vor Jahves 
Angesicht und seinem Namen Ehre geben. 

Es sei hier verstattet anzuschliefsen, dafs die Psalmen 
mit Za, 9—14 die Neigung theilen, sich Israel als eine von 
Gott geweidete Heerde, Gott als Hirten vorzustellen 23, 1. 
96, 7. 100, 3. Besonders den Asaphpsalmen ist dies ge- 
Mufig 74, 1. 77, 21. 78, 52 (vgl. auch v. 70—72). 79, 13. 
80, 2. 3. Und die andere Seite des Bildes, dafs Israel wie 
eine Schafheerde zur Schlachtung Preis gegeben wird, 
kehrt wieder 44, 12—23. 


*) Für weiteres genügtes, auf Wellhausen’s Pharisäer und Bad- 
ducäer zu verweisen, welcher 8.116 die betr. Stellen der salomonischen 
Psalmen gesammelt hat. 


172 Stade, Deuteronacharja 


Auch für die messianische Hoffnung von c. 14, dals 
alle Heiden sich su Jahve bekehren und die Feste zu Jerv- 
salem feiern werden, finden sich in den Psalmen die 
besten Parallelen : einmal in » 86, 9 „alle Heiden, welche 
du gemacht hast, ‘werden kommen und anbeten vor dir, 0 
Herr, und deinen Namen ehren“, dann in » 87, in welchem 
der Missionstrieb der Gemeinde am stärksten zum Aus 
drucke kommt. Auch in ihm ist man von dem Gedanken, 
dafs Jerusalem die Kinder der Diaspora um sich sammelt 
und so zurückgewinnt, zu dem weiteren fortgeschritten, 
dafs auch die Heiden, unter welche jene zerstreut sind, 
sich bekehren. Und zwar begegnen uns bis auf Kueh, 
welches Za. 9-14 fehlt, dieselben Länder der Diaspora, 
welche letzteres Stück aufsählt : Tyrus, Philistäs, Aegypten, 
Babel (= Assur). 

Freilich sind von den angeführten Stellen viele jünger 
als Za. 9—14. Aber für das nachexilische Coiorit des 
selben beweisen auch sie. Es dürfte schwer fallen, solche 
Parallelstellen aus vorexilischer Zeit su finden. 

Nur beiläufig sei daran erinnert, dafs auch die freund- 
liche Stellung des Verf. zu Ephraim sich am besten er- 
klirt, wenn er in einer Zeit schrieb, in welcher bereits die 
Mehrzahl der im Lande Zurückgebliebenen sich an die neue 
Gemeinde angeschlossen hatte. Auch das weist uns über 
die Zeit des Ezra hinab. 

Es ist überflüssig, zum Schlusse zu bemerken, dafs 
auch die Sprache von Za. 9 ff. der Abfassung in nach- 
exilischer Zeit günstig ist. Vgl. das aram. Fremdwort 
mmm 9, 15 und Wendungen wie nyan pn 11, 2. Ich 
übergehe Weiteres. Solche Beweise nehmen sich bei der 
niederdrückenden Wucht der beigebrachten sachlichen nicht 
vortheilhaft aus. 

(Schlufs folgt.) 





178 


IEVE 
als Aussprache des Tetragramms». 


\us einem Briefe des Prof. Franz Delitzsch in Leipsig, 
veranlafst durch Jahrg. I 8. 846. 


Js ich im Jahre 1864 in Venedig war; bemerkte ich, 
anal grande befahrend, gegenüber dem Palazzo Sina 
Aushängeschild einer Lidraria anticha. Ich beeilte 
dieses Antiquariat zu besuchen und fand in dem Be- 
einen gebildeten Pädagogen, welcher eine mehrmals 
legte biblische Geschichte geschrieben bet, vielleicht 
stzte nach der alten Methode, die hervorragenden 
shen Personen redend einzuführen und selber ihre 
üchte erzählen zu lassen. Der Besitzer des Anti- 
its war der Schuldirector Giovanni Paoletti und 
"arlate tratte da argomenti della Sacra Scrittura waren 
in vierter Auflage erschienen. 
Inter den Handschriften, welche bei ihm käuflich 
, nahmen zwei mein Interesse in Anspruch. Die 
n 4° war betitelt Ex libris omnimodis historicss ab 
iteronymo editis summariolum exscriptum. Noch heute 
> ich es, sie nicht erworben zu haben. Eine andere 
ın mir sofort überwiegendes Interesse ab — eine Per- 
ıthandschrift in Hochquart, Joachim de Trinisate über- 
bem und durchaus von dem vierbuchstäbigen Gottes- 
ı und seinen Geheimnissen handelnd. 
lort fiel mir sofort auf 8. 5 folgende Stelle ins Auge: 
» autem tudeorum et st tribus suprascriptis modis in 
mnipotente apparust docens se esse trinum ef unum 
nomen tamen suum [EVE quod hebreilegunt adonay, 
\dicavit eis guia esse se trinum et unum deum non 
er specialem intellectum aperutt, quousque ventret tle 
Moyses, mediator dei et homints, Christus Jesus. Jenem 
gegenüber hat eine jüngere Hand an den Rand 


174 Delitssch, IEVE. 


IEHOVAH geschrieben. Ein Stück urkundlicher Geschichte | 
der Aussprache des Tetragramnıs innerhalb der Kirche lag 
vor mir. 

Durch diese ganze Abhaudlung hindurch wird der 
Gottesname IEVE geschrieben und der hebräischen Grund- 
form m gemäls in die drei Bestandtheile IE.EV.VE 
zerlegt, was auf die mannigfachste Weise als Andentung 
des Geheimnisses der Trinität und der heilsgeschichtlichen 
Entwicklungsstadien verwerthet und durch Figuren illo- 
strirt wird. 

Nach Erlangen zurückgekehrt überzeugte ich mich, 
dafs es kein Anekdoton sei, welches ich erworben hatte. 
Es ist ein an das Bgo sum alpha et 6 sich anschliefsender 
Bestandtheil des Commentars zur Apokalypse von Joachim 
de Floris, enthalten in dem 1527 in Venedig gedruckten 
Abbatis Joachim Expositio in Apocalypstm et Psaltertum 
decem chordarum (in der Münchener Hof- und Staats 
bibliothek P. lat. 661. 4° I... Diese zwei Schriften be- 
zeichnen die römischen Inquisitoren als ersten und zweiten 
Theil des Evangelium aeternum. Der erste Theil ist das 
fünftheilige lider Concordtae. Diese drei Schriften wurden 
zum ersten Male im Jahre 1254 in Paris auf den Markt 
gebracht. Wilhelm Preger in seiner Abhandlung : Das 
Evangelium aeternum und Joachim von Floris, München 
1874, bespricht ausführlich die Echtheitsfrage. 

Uebrigens beruft sich Joachim für die Aussprache 
IEVE auf hebräische Tradition. In der That vertritt sie 
Samuel b. Méir (Raschbam) zu Ex. 3, 15, wo die in ver- 
schleierndem Athbasch-Alphabet geschriebenen Worte zu 
lesen sind : Hpn3 W's IT MR QP DM AMS Wwsy xp NT 
Dan mya my 9 ay". Wenigstens sagt er hiermit, dals Ty? 
das aus der Selbstaussage gegenständlich und mit 1 statt ’ 
(nach Koh. 2, 22) umgelautete 7x sei — er hält also 
allem Anschein nach mym (mm) für die wahre eigentliche 
Aussprache. | 





176 


Kleinigkeiten 
von Georg Hoffmann. 


> 


1. nmeien=7 2 Kon. 23, 13 ist nicht „Berg des Ver- 
ens“ sondern „Oelberg“ vgl. nowm ayy Qeri Jer. 
2. Es wäre die Nisba von mpg oder von np; 
es hätte der Name ursprünglich Ye") gelautet, 
das Verderbep wäre nur hineingelesen, weil die Götzen- 
th bei diesem Berge diese Deutung nahe legten. 

2. 2 Kon. 23, 8 von Josljahü -“yy oyna do-me an 
=r Yaw ONIN NP Wp We NDR MOON IT! 
mw YA ape AMO Nein Oye] Ning Ne pn you 
wa um oxo yw. Vocalisiere : nern 
po vgl. Lev. 17, 7. 2 Chron. 11, 15, und lies we 
82. 

3. Richt. 7, 13 OMtviy ond [mp gy) iby. Vocalisiere : 


y om) (Selo) bg vgl. 5, 8: „das Geklirre des Thor- 
fos“. Das Thor ist onanmyw Ex. 32, 26 f. 


Berichtigung. 





. 76 Z. 13 L s. p. 94 Anm. 1. 


- 76 2. 5-6 v. u. Das über np panbo Gesagte ist zu 
ıon, denn im arabischen Original (ed. Landauer p. 247) lauten 


orte : tySU üelüo Yyildold (ich habe es gut untersucht). Vgl. 

Steinschneider’s Bodl. Catal. Col. 2198. 

L 64 Z. 8 (== 7) 1 sit. 

. 98 muls der Anfang des 26. Verses in der deutschen Ueber- 

1g laaten: „Die den Worten am Anfange beigefügten“ u. +. w. 
A. Hi. 


176 
Bibliographie. 


Barnes, A., Motes on the Book of Job. New ed. New- York 1081 
3 Vol. 822 8. 8°. 

Bible (Speakers Commentäry) Edit. by F.C.Cook. Old Test. Vol. 6: 
Esschiel, Daniel and the Minor Prophets. New ed. 1861. 8°. 7448 

Delitzsch, Friedr., wo lag das Paradies. Eine biblisch-asayr. Studie. 
Leipsig 1881, XI 846 8. 8°. 

Gibson, J. M, the Mosaic Ira. a Series of Lectures on Exodes, Le 
viticus, Numbers and Deuteronomy. Kondou. 870 8. 8°. 

Groser, W. H, Joshua and his Sucoessors : An Introduction to the 

Books of J., Judges, Ruth and Sem. 1. 1881. 178 § 8°. 

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Yonge, C. M., Questions on the Psalms 1881. 298 8. 8°. 

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Exposition and Homi]. by R. Winterhotham. 1881. 4768 &. 

Bahmer, „M- die biblische Erdbeben - Theorie. Magdeburg 1881. 
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Wogue. L., Histoire de la hible et de l’exdgöse biblige jasqu’h ned 
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schrift f. Gesch. u. Wiss. d. Judenth. 1881. 8. 348 ff. 305 ff. 

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Wijnkoop, Jus., Darche hanesigah sive leges de aceontus Hobraiase 
linguao ascensione. Leiden 1881. 115 8. 8°. 


Fischer, H, und Wiedemann, A, über babyl. Talismane. Stutt- 
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Gesch. u. Wises. d. Judonth. 1981. 8. 243 ff. 

Lucius, P. E. der Essenismus in seinem Verhältnifs sum Judenthum. 
Strafsburg 1881. 132 8. 8°. 

Stade, B., Geschichte des Volkes Israel. Lief. 1. Berlin 1881. 1608. 
(Allgem. Gesch. in Einzeldarstellungen heraungeg. von W. Oncken 
I, 6.—35. Abth.) . 

(Abgeschlossen 1. Sept. 1881.) 


— ee ns ee ee ee: gen 


177 


Zur Geschichte der neuhebräischen Lexikographie. 
Einige Bemerkungen von C. Siegfried. 





In den älteren bibliographischen Uebersichten ist die 
hebräische Lexikographie als ein Ganzes behandelt und 
daher das biblische und das nachbiblische Hebräisch zu- 
sammengefalst. 

So geschah es durch Joh. Christoph W olf sowohl in 
seiner historia lexicorum Hebraicorum, Wittenberg 1706, 
als auch in dem catalogus lexicographorum, welchen er in 
seiner bibliotheca Hebraea P. II 1721 p. 646-566, P. IV. 
1733 p. 231—260 mit der an ihm bekannten Gründlichkeit 
und Zuverlässigkeit zusammengestellt hat. Eine besondere 
Berücksichtigung des Neuhebräischen findet sich zwar in 
dem Index der rabbinistischen Hülfsmittel, welchen er 1. c. 
p. 691-593 folgen liefs, indessen sind hier eben alle Werke 
zusammengestellt, welche sur Erlernung des Rabbinischen 
förderlich sind : also auch Grammatiken, elementare An- 
leitungen zum Verständnifs des Sprachlichen oder der rab- 
binischen Abkürzungen wie Christoph Cellarius, rabbi- 
nismus 8. institutio grammatica rabbinorum scriptis .... 
accommodata, Zeitz 1684. J. A. Danz, rabbinismus: 
enucleatus, Jena 1699. Genebrard, isagoge ad legenda 
Hebraeorum et Orientalium sine punctis scripta, Paris 1587, 
meditationes et tabulae rabbinicae (beide Schriften wieder 
abgedruckt in Reland, analecta Rabbinica, Utrecht 1702, 
8. 15—208) u. a. m.,, aber man kann nicht sagen, dals 
man hier eine Geschichte der rabbinischen Lexikographie 
finde, es sind eben nur höchst schätzbare Notizen zu einer 
solchen bibliographischer Art. — Gesenius in seiner 
Geschichte der hebräischen Sprache und Schrift 1815 ver- 
folgt 8. 99-102 eben auch ausschließlich die Entwicke- 


Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 2. 1862. 12 


178 Siegfried sur Geschichte 


lung des biblischen Hebräisch und erwähnt und beurtheilt 
die Rabbinen nur insoweit sie etwas dazu beigetragen haben 
dieses zu erläutern. Genauer geht er auf die rabbinischen 
Lexikographen ein in der noch immer wichtigen Vorrede 
zu seinem hebräischen und chaldäischen Handwörterbuch 
über das A. T. 4. A. 1834. S. XI—XIV, wo in den An- 
merkungen Auszüge aus Abulwalid gegeben sind !), aber 
auch hier handelt es sich immer nur darum, ob oder inwie 
fern durch jene die Erkenntnifs des biblischen Hebräisch 
gefördert sei. — Seitdem haben wir schätzbare Arbeiten 
über einzelne Lexikographen wie in Ewald und Dukes 
Beiträgen zur Geschichte der ältesten Auslegung und 
Spracherklärung 1844, in Dukes über Baadja (Ztschr. für 
Kunde des Morgenlandes Bd. 5. 8. 115 ff.), welche aber 
auch wieder als Hauptgesichtspunkt der Untersuchung e 
verfolgen, klarzustellen, was diese rabbinischen Schrift- 
ateller, soweit sie überhaupt Lexikographen sind, für Auf- 
hellung des biblischen Hebräisch gethan haben. Die Mit- 
theilungen von Leopold Dukes im Literaturblatt des Orient 
von Fürst betreffen theilweise die Handschriften lexiko- 
graphischer Arbeiten, wie 1849 Nr. 29. 44— 47, 1861 8. 357 ff, 
theilweise sind sie Kritik von Editionen derselben, wie 1849 
Nr. 2—4. — Sehr werthvolle Beiträge für die Beurthei- 
lung einzelner Lexikographen gab Neubauer in seiner 
notice sur la lexicographie hébraique etc. im Journal asia- 
tique 1861 XVIII, 441-476. 1862 XIX, 47 ff, 127 ff, 
369 ff. 1863 XX, 101 ff., 253 ff, 256 (Josef ben Kaspi, 
Saadja ibn Dunan u. a.). — Einen Begriff von der Ent- 
wickelung der rabbinischen Lexikographie aber verschaffte 
zuerst Abrah. Geiger in ZDMG. 1858 Bd. 12 8. 142—149. 
858—372. Wir sehen daraus, dafs der erste Versuch, den 
Wortschatz des Neuhebräischen wenigstens nach seinen 


') Neuerdings edirt von Derenbourg, Paris 1880 (arabischer 
Text mit französischer Uebersetzung). 


de: msuhebrüischen Lexikographie. 179 


wichtigsten Bestsndtheilen zusammenzufassen von Zemach 
b. Paltoi Gaon des 9. Jahrhunderts su Pumbedita ge- 
macht worden ist und dafs der zweite Versuch des rühm- 
lichst bekannten R. Nathan ben Jechiel (12. Jh.) im 
Aruch desselben ohne Zusammenhang mit diesem Vorgänger 
erfolgte. Dies Werk, in Betreff dessen Werthschitsung 
wir statt aller andern nur auf Lagarde, Semitica I, 34 
verweisen, enthält eine Auswahl schwieriger Worte der 
neuhebräischen Sprache. Es ist also mehr ein Glossar als 
ein Lexikon. Die Worterklärung ist nur in seltenen Fällen 
eine etymologische, wie bei MW, WITMIN, MON aus dem 
Persischen (im letzten Falle durch Fleischer bestätigt 
bei Levy, neuhebr. u. chald. Wörterb. I, 16), oder bei 
ie, OWIOK, Diorias aus dem Griechischen, oder bei 
Tp aK aus dem Lateinischen u. dgl. Im Allgemeinen geht 
Nathan’s Forschung auf den Sprachgebrauch, er fragt 
wie ein Wort im Talmud angewendet sei und was die tal- 
mudischen Autoritäten darüber sagen. Daher finden sich 
bisweilen die differentesten Erklärungen nebeneinander 
gestellt ohne jeden Versuch der Ausgleichung.. So z. B. 
bei npmet es bedeute „Würmer im Körper“ oder „ein 
Kleider nagendes Thier = wy die Motte‘, oder es sei 
„Fäulnifse in den Knochen der Maulthiere, weil diese sich 
dann auflösten wie die Maulthiere deg Hauses Rab* oder 
bei Wax es bedeute „Badehäuser grofser Städte“ oder „Ein- 
wickelungen, die man in Badehäusern mache“ oder „einen 
Nachttopf® u. dgl. — Ueber die Ergänzer und Editoren 
des Aruch s. Geiger a. a. O. 8. 145-147. 358. 362. 
367—372, außerdem ZDMG. 1860 S. 318 ff., Berliner 
wissensch. Jahresbericht über die morgen]. Studien, Leipzig 
1881 H. 1 8. 88. H. Strack 1882. 8. 1221). 


1) Auf christlicher Seite hat sich an den Aruch vorzugsweise an- 
gelehut Sebastian Münster m seinem 4) y s. lexicon chaldaicum etc. 
Basel 1527, bei welchem man nur nicht begreift, warum er es nicht 


12* 


180 Biegfried, sur Geschichte 


Einen wirklichen Fortschritt bezeichnet Elias Levits, 
indem er zuerst die Behandlung der aramäischen und der 
. hebräischen Sprachelemente im Talmud sondert. In seinem 
Methurgeman 1541 stellt er die Sprache der Thargume dar 
und in seinem wenn "DD Isny 1541 giebt er zu 712 
schwierigeren hebräischen und neuhebräischen Worten Er- 
klärungen. Ueber die Ausgaben dieser Werke s. Fürst, 
Literaturbl. z. Orient 1849 8. 86-89, wozu nachzutragen, 
dafs es von Tisbi noch eine Ausgabe Basel 1557 giebt 
(vgl. auch Fürst, biblioth. Jadaica II, 241). — Die Aus- 
gabe von 1541 enthält auch eine lateinische Uebersetsung 
von Paul Fagius, die indessen einige auffallende Lücken 
hat. So fehlt eine Zeile beim Art. "we, zwei Zeilen fehlen 
bei owner, bei Sip na fehlen in der Ausgabe von 1541 
sowohl im hebräischen Text als in der Uebersetsung vier 
Zeilen, welche in der Ausgabe Basel 1601 bei Conrad 
Waldkirch stehen und in der Ausgabe 1541 ist der 
ganze Artikel M3 untibersetst geblieben. — Was die Wort- 
erklärung betrifft, so wird in manchen Fällen wie z.B. bei 
food eine solche auch nicht einmal versucht, in andern 
aber gegeben : so bei DWYNEDN ONT, bisweilen werden 
hierbei wie bei mb} sehr verschiedene Dinge zusam- 
mengeworfen oder seltsame rabbinische Grillen mitge- 


lexicon rabbinicum benannte. Seinen Gewährsmann kennt er nicht 
mit Namen, er nennt ihn stets Baal-Aruch und serbricht sich den 
Kopf wer das sein möchte. Bisweilen reproducirt er die Erklärungen 
desselben wörtlich s. B. p. 3 s. v. Apion P. 106 s. v. p10". Tal- 
mudisches und Targumisches laufen immer durcheinander, so dafs oft 
soltsame Zusammenstellungen herauskommen, s. B. bei nam p. 5 die 
Bedeutungen : „Blei, Glied, Flügel, Werkzeug, Feder, wahrhaftig, eine 
Ysopsart, dio Baumwurzeln bedüngen, ein fester Thurm, die Uhr- 
gewichte“. — Beltsame Wortformen erscheinen bisweilen : s. B. p. 13 

FINO st AVM adderzia. Gans räthselhaft ist p. 181 


EWDIIBHN = sterilis. — Merkwürdig ist, dafs or p. 114 von yn 
nicht nur Ny und wn sondern auch nen (hyeudsy) herleitet. 





der neuhebräischen Lexikographio. 181 


heilt wie s. v. 1 das Wort oyı als aus 11 und  zusam- 
mengesetst erklärt wird, „aus zwei Mündern = Verleum- 
dung“. — Wührend auf der einen Seite Worte sehr ver- 
schiedenen Ursprungs susammengeworfen werden wie 8. v. 
"wee „Fest“ (chald.) und „Verderben“ (bibl. hebr.) und auch 
sonst bisweilen biblisches Hebräisch und Neuhebräisch 
nicht geschieden werden, zeigt Elia doch andererseits oft 
feine Einsicht in die Bildungsgesetze der Sprache : so bei 
pam ma mds 5959 mann man 7525 com u. a. vgl. über Plu- 
ralbildungen s. v. DOYWDON, über Assimilation des A im 
Hithpael s. v. wow; auch stellt er Beobachtungen an über 
die Art wie die Sprache im Neuhebräischen fortgebildet 
wird, so z.B. s. v. 55n (I), wo er zeigt wie aus dem Sub- 
stantiv sr die Rabbinen wieder ein neues Verb Snnn 
gebildet haben. Manchmal.bespricht er auch die Ortho- 
graphie und Vocalisation der Worte wie bei Sin oyw 
we yore onde besonders bei 0573, verwundert sich bei 
DOT über die Dagessirung, bei X30 spricht er von einer 
doppelten Aussprache des Resch; bisweilen geht er auch 
auf die Betonung ein : wie auf den Unterschied zwischen 
mon und Toon s. v. 5on (II). — Die Wortbedeutungen 
werden von ihm immer zuerst nach dem rabbinischen 
Sprachgebrauch gegeben, dann stellt er daneben die ent- 
sprechende deutsche und italienische Ausdrucksweise seiner 
Zeit. Indessen werden die rabbinischen Ueberlieferungen 
auch manchmal von ihm bestritten : so bei 9), wo er 
leugnet, dafs hier die Gematria anzuwenden sei. Auf den 
Aruch nimmt er wiederholt ausdrücklichen Bezug, bisweilen 
dessen Erklärungen verbessernd wie bei NJ"J7), was dort 
als Kraut übersetzt wird, das von Kameelen gefressen 
wird, von Elias aber mit „Kirschen“ interpretirt. Aehn- 
liches geschieht bei xD}, PN, ppl, POON u. a. Einige 
Male giebt er auch ausführliche Mittheilungen aus dem 
Midrasch und aus der talmudischen Sage : so bei 5135) und 
Tw p. — Was die deutschen Glossen betrifft, so sind die- 


182 Siegfried, sur Geschichte 


selben für uns jetst allerdings oft schwerer verständlich 
als das Hebrüische. So s. B. s. v. 5° „ermaien® as. v. 
ww „versehenlich“ s. v. MY ,bruntzen*. — Neben ihm 
wäre vielleicht noch R. Abba’zu nennen mit seinem 
Glossar zu den schwierigsten talmudischen Ausdrücken’). 

Es ist bekannt, dafs Buxtorf’s lexicon chaldaicum 
talmud. et rabbin. 1639 fast ganz auf jenen beiden Vor- 
gängern (Nathan und Elia) beruht, doch so, dafs es vor- 
zugsweise ein lexicon chaldaicum genannt werden mufs, 
dena der Sprachgebrauch der Thargume ist am ausführ- 
lichsten darin behandelt. Das Talmudische bildet in den 
meisten Fällen nur einen kursen Anhang zu den einzelnen 
Artikeln. Anzuerkennen ist aber der Versuch einer durch- 
gehenden Vocalisation der betreffenden Worte. Der Haupt- 
übelstand blieb hier nur, dafs Chaldäisch und Neuhebräisch 
durcheinander geworfen wurden, als wenn beides dieselbe 
Sprache wäre. — Einen erfreulichen Fortschritt auf dem 
Gebiete der Lexikographie bezeichnet R. David Cohen 
de Lara + 1674. Ueber seine beiden Hauptwerke “m 
m und WS Vy s. Fürst, biblioth. jud. H, 222. 
J. Perles in Frankel’s Mtsschr. 1868 8. 3 und 5 f, 
wonach Wolf, biblioth. hebr. I 318 hist. lexic. hebr. p. 70 
zu verbessern, wo das erstere Werk zwar richtig als bis 
7 gearbeitet aber falsch als bis » gedruckt angegeben wird, 
während Kether Kehunna nur bis ’ gedruckt worden ist. 
Ueber dieses Werk ist der treffliche Aufsatz von J. Perles 
a. a. O. S. 3—20 zu vergleichen, in welchem ein Einblick 
in die reiche von de Lara benutzte Literatur und eine 
Anzahl von Proben seiner Worterklärungen gegeben wird. 
Man sieht daraus, in wie vielen Fällen de Lara schon 
ganz richtig das hat, was Spätere als neue Vermuthungen 
bringen, ja in wie mancben Fällen er sogar schon bessere 


') Gedruckt Cracau 1543 1ym rn twp nvdon Sy TR 
DOM IWYD) s. Bartolocci biblioth. magna rabb. P.I p. 1. 


184 Siegfried, sur Geschichte 


binische auf knappen Raum beschränkt; talmudische Stellen 
sind nicht angegeben, sondern nur ganz kurs bemerkt, in 
welcher Bedeutung sich das betreffende Wort im Talmud 
finde. Ebenso sind aus Rabbinen nur sehr selten einmal 
Stellen angeführt, wie in edit. 1653 p. 1798 s. v. soy eine 
Stelle aus Ibn-Esra zu Deut. 11; sonst finden sich nur 
Hinweise wie p. 11 ,3% Rabbinis ornamentum est etc.*. — 
Unter dem Heer der übrigen Compilatoren und Registra 
toren verdient eine Auszeichnung Philippus Aquinas, | 
welche letztere er seinem früheren Judenthum dankt (vgl. 
Fürst l. oc. I, 47). Sein mawen qyy Paris 1629 latei- 
nisch dictionarium absolutissimum betitelt, ganz hebräisch 
geschrieben und in für jene Zeit splendidem Drucke her- 
gestellt, behandelt nach alphabetischer Ordnung hebräische, 
chaldäische und talmudisch - rabbinische Worte. Obwohl 
der Autor mit seiner Erklärung, dafs „er unzählbare Worte 
bringe, welche von keinem jüdischen oder christlichen 
Lexikographen bisher angemerkt sind“, den Mund etwas 
voll nimmt, daz. B. opyıaX fehlt, welches der Aruch bereits 
hatte, so mufs doch zugestanden werden, dals er ein ganz 
erstaunliches Material beherrscht. Nicht nur eine sorg- 
fültige Benutzung des Talmud ist ihm nachzurühmen, auch die 
midraschische Literatur hat er zu Rathe gezogen wie Matnot 
K’hunna (p. 20b), Jelamdenu (p.21b), ebenso die Kabbals 
wie p. 24a den Sohar, die rabbinischen Werke wie p. 21b 
den Moreh und die Arbeiten seiner lexikographischen Vor- 
gänger wie den Aruch, den Tiebi u. a. an vielen Stellen. 
Infolge dessen. sind manche seiner Notizen auch jetzt noch 
zu verwerthen. So wird z. B. zu MMO p. 20 (vgl 
Levy I,104) angeführt aus Sebach.9 „Haufen von Weizen 
u. dergleichen®, bei Hıt ibid. (vgl. L. I, 105f.) führt er 
an or >. Zu pon (cf. bei Levy I, 67) citirt er Kelim 16, 
aulserdem noch die Erklärung des Moreh : „Saft dey’ zu- 
rechtgemacht ist, die Würmer zu tödten, welche im Flachs 
gewachsen sind“. Bei DO (cf. Levy I, 112) führt er den 





der neuhebräischen Lezikographie. 185 


Sprachgebrauch aus Gittin 7 an : HWY MON (es über- 
wältigte ihn das Getränk, er trank zuviel). — Und der- 
_artige Beispiele liefsen sich noch zahlreiche beibringen, bei 
denen seine Citate zur Vervollständigung der gegenwär- 
tigen Lexikographie dienen könnten. 

Ueber die Arbeiten neuerer Zeit bis 1868 berichtet 
A. Geiger in dem vorhin erwähnten Aufsatze von 
S. 357-372. Er bespricht dort die Wörterbücher von 
D. Loewy, Leopold Dukes, den Erech Millin 
von Rapoport, die Beiträge zur Sprach- und Alter- 
thumsforschung von M. Sachs und das Wörterbuch von 
H. Sperling. — Wir erwähnen deshalb hier nur noch 
eine etwas ältere, bei Fürst, biblioth. jud. I 364 blofs 
kurz namhaft gemachte Arbeit von A. Th. Hartmann‘), 
Der erste Theil dieser Arbeit, welcher grammatische Be- 
obachtungen enthält, gehört nicht hierher; uns interessiren 
nur die observationes lexicographicae von S. 36—116 und 
zwar besonders um deswillen, weil hier unseres Wissens 
zum ersten Male die Beobachtung auftaucht, dals man in 
der Lexikographie zu scheiden habe zwischen solchen 
Worten, die blofs aus fremden Sprachen herübergenommen 
sind, solchen, die echthebräischen Ursprungs sind aber im 
A. T. fehlen, solchen, die eine neue Bildungsweise zeigen, 
und solchen, die zwar im A. T. vorkommen, aber in der 
Mischnah neue Bedeutung erhalten haben (p. 36). In der 
Ausführung werden nun allerdings diese vier Classen von 
ihm nicht auseinander gehalten. Er stellt drei indices zu- 





1) Der Titel ist hier sehr gedankenlos abgeschrieben. Während 
es auf den Titelblättern dieser Schrift heifst : inest theeauri linguae 
hebraicas e Mischna augendi particula prima 1825, . . . secunda,.... 
tertia 1826, macht Fürst daraus einen thesaurus linguae hebr. e 
Mischnah augendi : ohne sich daran zu stolsen, dafs, abgeschen von 
aller Grammatik, eine drei Universitätsprogramme umfassende Abhand- 
lung von im Ganzen 116 Seiten 4° den Namen eines thesaurus em- 
pfangen haben sollte. 


16 Siegfriod, sur Geschichte 


sammen : einen der aus dem Griechischen und Lateinischen 
herübergenommenen Worte, deren er 245 (nicht 273 wie 
Fürst behauptet) aufzählt, womit denn freilich der Be- 
griff des Fremdsprachlichen zu eng begrenzt ist, sodann 
einen zweiten index vocum. quae in V. T. desiderantur von 
über 1700 Worten, während in dem dritten index die voces 
hebraicae mit einander verbunden werden, quae in Vet. 
Test. et forma et significatione diversae leguntur, circa 
770 Worte (s. 8. 115). — Freilich sind manche dieser Zu- 
sammenstellungen etwas zu eilfertig und mit zu wenig 
Kritik gemacht. Namentlich in den index Nr.2 ist manches 
als hebräisches Sprachgut eingetragen, was aus den ver- 
wandten semitischen Dialekten in die Sprache der Mischnah 
überging, bisweilen sogar griechische und lateinische Worte, 
die der Verfasser nicht als solche erkannte, wie z. B. S. 49 
sogar ‘pox Italicus als eine vox quae in V. T. desideratur 
aufgeführt wird. 

Doch auf diese Fehler der Ausführung kommt bier 
wenig an. Die Hauptsache ist, dafs er seine Zeit auf eine 
methodische Behandlung dieser lexikalischen Fragen hin- 
wies und dafs er insonderheit, statt wie bisher fast überall 
geschehen biblisches Hebräisch, Neuhebräisch und die ara- 
mäischen Dialekte der Targume und der Talmude durch- 
einander zu werfen, seine Untersuchung auf die Mischnah 
beschränkte, richtig erkennend, dafs wir eben hier im W esent- 
lichen hebräisches Sprachgut haben. 

Die Sachkenntnisse, welche ihm für eine befriedigende 
Lösung seiner Aufgabe abgingen, brachte Abraham 
Geiger hinzu, welcher in seinem Lehrbuche zur Sprache 
der Mischnah 1845 ein neuhebräisches Glossar gab, welches 
ausschliefslich aus der Mischnah und den Boraitha’s gesam- 
melt war. Freilich war damit erst ein geringer Anfang 
gemacht, denn das Glossar bezoy sich nur auf die ausge- 
wählten Lesestücke und es umfalst circa 400 Artikel, so 
dafs es auch in dieser Beziehung dem Leser nicht allzu 


der neuhebräischen Lexikographie. 187 


bescheiden vorkommt, wenn Geiger ZDMG. XII, 359 
das Erscheinen dieses Büchleins mit der Gründung der 
‘ deutschen morgenl. Gesellschaft und mit der ersten Orien- 
talistenversammlung in Parallele setzt. Immerhin war aber 
das Gegebene werthvoll und unterschied sich namentlich 
sehr vortheilhaft von den etymologischen Rasereien mancher 
Zeitgenossen, wie der Dukes, Rapoport, Sachs, die 
in jüdischer Bildung wohlbewandert doch keine blasse 
Ahnung von einer Sprachwissenschaft hatten. Geiger 
hatte Dialektkenntnifs und methodische sprachliche Bil- 
dung : das bewahrte ihn vor Unmiglichkeiten wie die 
leider auch in Levy I, 14 übergegangene Verknüpfung von 
mMpor mit gaxedog fasciculus, welche Sachs, Beiträge 
L, 62 vorbringt, oder der von ° 3 mit zoAıs, welche Dukes 
s. v. ‘3, oder der von x mit cadaver, welche Rapoport 
Erech Millin 8. 16 leisteten. Hätte er das ZDMG. XII, 
149 in Aussicht gestellte mischnaitische Wörterbuch wirk- 
lich geliefert, so würde sicher der neuhebräischen Lexiko- 
graphie eine solide Basis geschaffen sein. 

Die neuesten Arbeiten auf diesen Gebieten sind be- 
kenntlich die von Jacob Levy in Breslau. Es ist nicht 
unsere Absicht diese Blätter mit recensirenden Bemer- 
kungen über das Detail dieser umfassenden und so werth- 
vollen Lexica zu belasten. Wir meinen nur es sei wohl 
an der Zeit gegenüber einer literarischen Erscheinung 
dieser Art sich einigermafsen darüber Klarheit zu ver- 
schaffen, an welcher Station wir denn bei der Lösung der 
grofsen wissenschaftlichen Aufgabe angekommen seien. 
Obwohl es uns widerstrebt, bei einem Werke, das so vielen 
und so grofsen Nutzen schafft und dessen Verfasser dabei 
so gediegen und so anspruchslos in seinem Streben ist, 
auch die Mängel hervorzuheben, so glauben wir doch um 
der Sache willen auch dieses thun zu müssen. 

Ein Umstand, den Levy vor allen seinen Vorgängern 
voraus hat, ist, dafs er das targumische und talmudische 


188 Siegfried, sur Geschichte 


Chaldäisch und das Neuhebräische in unser geliebtes | 
Deutsch übertragen hat. — Wie viele von denen, welche 
gleichwohl von den Worterklärungen des Aruch wohl be 
fihigt sind Gebrauch zu machen, sind denn in der Lage 
den Aruch zu lesen — und welchen Nutzen hat es denn 
heutzutage, wenn diese von Buxtorf, soweit er sie selber 
verstand, verständlich gemachten Dinge in ein ungenieds- 
bares Latein umgesetzt sind? Durch Levy ist der deut 
schen Wissenschaft zum ersten Mal ein Schiüssel in die 
Hand gedrückt, der dieselbe in den Stand setzt in den 
Pardes einzudringen. — Weiter aber hat Levy dem lexi- 
kalischen Wirrwarr dadurch wesentlich gesteuert, dafs 
er das targumische Chaldäisch besonders behandelt hast 
(chaldäisches Wörterbuch über die Targumim. Leipzig 
1867. 1868). In dem neuhebräischen und chaldäischen 
Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim (bis jetst 
bis “xy erschienen) sind ja nun allerdings zwei differente 
Dialekte (das Neuhebräische und das talmudisch Chal- 
däische) nebeneinander behandelt, aber ihrer Verwirrung ist 
durch die nähere Bezeichnung der Worte als neuhebräisch 
oder als chaldäisch vorgebeugt worden. Leider ist diese 
Bezeichnung nicht durchgehend gegeben worden, denn 
wenn auch der Fachmann die Scheidung des Neuhebräischen 
und Chaldäischen, wie der Verf. in dem Prospecte seines 
letzten Werkes voraussetzt, leicht vollbringen wird, so ist 
es doch gut, wenn in einem Wörterbuche, welches zweierlei 
Dialekte behandelt, durchweg die Scheidung derselben 
übersichtlich ist. Ein besonderer Vorzug des Werkes liegt 
aber noch darin, dafs der Verf. den bisher fast ganz un- 
berücksichtigten Talmud Jeruschalmi mit in den Bereich 
seiner Darstellung gezogen hat. — Wie seine Vorgänger 
so hat sich der Verf. nicht auf das rein sprachliche Gebiet 
beschränkt. Es ist das bei einem talmudischen Wörter- 
buch auch wohl kaum möglich. In unzähligen Fällen 
hängt die Wortdeutung von dem Sachverständnils ab, es 


der neuhebräischen Lexikographie. 189 


m galt also vielfach falsch erklärte Talmudstellen richtig zu 
m deuten; neben die Wortdeutung tritt daher wie schon beim 


L 


> 
E 
F 


Aruch vielfach die sachliche Erläuterung, so dafs wir in 
dem Werke zugleich eine Art lexikalischer Realencyclopädie 
der Talmude haben '). — 

Aufserdem aber erwartet man in einem solchen Werke 
eine etymologische Erklärung der betreffenden Worte. 
Dies ist eine Aufgabe von besonderer Schwierigkeit. Was 
das Neuhebräische betrifft, so haben wir in einem Theile 
seines Sprachgutes nichts weiter als eine Weiterentwicke- 
lung der Wortbedeutungen des biblischen Hebräisch. Nach 
dieser Seite hin kann also der rabbinische Lexikograph 
auf seine Vorgänger in der alttestamentlichen Lexikographie 
zurückweisen, beziehungsweise an ihre Arbeit anknüpfen. 
In andern Fällen aber haben wir völlig neues Sprachgut, 
welches sich in seiner ganzen Erscheinung zwar als durch- 
aus hebräischen Ursprungs erweist, aber im A. T. sich 
nicht findet, oder auch wir haben aus biblischen Stämmen 
hervorgehende Neubildungen. In jenem Falle hat die ver- 
gleichende semitische Sprachwissenschaft, in diesem die 
Specialkenntnifs der neuhebräischen Grammatik auszuhelfen. 
Die erstere Disciplin ist eben so bei dem chaldäischen 
Wortschatz zu verwenden; hier kommen aber noch zahl- 
reiche aus anderen fremden Sprachen, die nicht dem sogen. 
semitischen Zweige angehören, rein äufserlich aufgenom- 
mene Worte hinzu, die oft mehr ein Rathen als ein Deuten 
nöthig machen. Wenn eine so complicirte Aufgabe nicht 
von einem Menschen gelöst wird, so ist das gewils nicht 
zu verwundern und zahlreiche Irrthümer in den Deutungs- 
versuchen würden auch gar keinen Schaden anrichten. 


*) In dieser Hinsicht beachtenswerthe Nachträge lieferte M. Lattes, 
saggio di giunto e correzioni al Lessico Talmudico. Torino 1879. — 
Vgl. auch Berliner, sur Lexikographie des Talmud (Magasin f. d. 
Wissensch. des Judenth. 1880. I p. 49—58). 


190 Siegfried, sur Geschichte 


Bei Levy indessen, wie wir nur ungern aber von unseren }5 
Gewissen gedrängt hervorheben, zeigt sich der grofe|* 
Uebelstand, dafs ihm die Etymologie oft ein willkürliches | 
tastendes Combiniren wird, in welchem oft zwei oder mehrere 
einander diametral entgegenstehende, einander völlig aus- 
schliefsende Deutungen neheneinander gestellt werden. Er 
hält es z. B. für möglich, dafs ein und dasselbe Wort 
könnte aus dem Griechischen oder auch aus dem Arabischen 
bergekommen sein, er bringt durchaus semitische Worte 
mit Wortstämmen aus arischen Sprachen in Verbindung, 
lälst neuhebräische Worte wie eine yivea:pga halb aus grie- 
chisch halb aus hebräisch zusammenwachsen u. dgl. m. 
Fleischer’s einzelne Verbesserungen können so werth- 
‘voll sie sind den Mangel der Methode in dem Ganzen 
nicht ersetzen. -So mufs gesagt werden, dals nach dieser 
Seite hin die lexikalische Hauptarbeit noch gethan werden | 
mufs. Was dazu gehört sie anzugreifen und wenigstens 
theilweise zu erledigen, welcher Schatz von sprachlichem 
Wissen und welche methodische Schulung : das kann man 
sehen an Lagarde’s gesammelten Abhandlungen, 1866, 
und insbeaondere an seinen Semitica I 1878, 8. 33-68, 
aus welchen die werthvollsten Verbesserungen für die bereits 
erschienenen Bände des Levy’schen Wörterbuchs ent- 
nommen werden können. — Wir machen s. B. darauf auf- 
merksam, wie wenig bei 28 die von Levy I, 16 ange- 
gebene Ableitung von aßapıs und wie trefflich die La- 
garde’s von ‚b,! „das zur Last Hinzukommende, die Ge- 
wichtszulage“ auf die von Levy angeführten Stellen palst. 
Für das schwierige ww (Levy I, 367) hole man bei La- 
garde 8.41 f. unter ww Aufklärung. Bei mide führt 
Levy I, 73 an Lagarde, ges. Abhdl. 8. 18 und 19, 
lälfst aber trotzdem die hier gerügte Vocalisation unver- 
bessert, s. Semitica I, 43. Zu Levy I, 104 "ww s. die 
Verbesserung bei Lagarde lc. p. 45 yx nach pers. 
andak. Bei xyioox Levy I, 130 wäre viel wichtiger als 


der neuhobriischen Lexikographie. 191 


Gesen. thesaur. Lagarde l. c. p. 48. Bei Levy I, 129 
wäre 16D% Kopfbedeckung der Priester aus Lagarde 
l. c. p.49 einzufügen. Bei one (Levy I, 172) sehen wir 
aus Lagarde l. c. p. 50, dals dies Wort von Hause aus 
„der Pächter“ bedeutet. Und so wäre noch vieles anzu- 
führen, was man bei Lagarde nachlesen wolle sowohl in 
den eben erwähnten Schriften als in Symmicta Il 1880 
p 110 u. a."), Orientalia Il 1880 p. 1—42 und sonst hie 
und da zerstreut. Jedenfalls wird, wer einmal bei diesem 
Gelehrten in die Schule gegangen ist, Muth und Lust ver- 
lieren, Etymologien leichthin aus dem Aermel zu schütteln. 

Im Ganzen wird demnach die Aufgabe der speciell 
neuhebräischen Lexikographie der Zukunft sein : einmal 
eine sichere, nach streng wissenschaftlicher Methode ange- 
legte Grundlage der Wortdeutung zu gewinnen und sodann 
an Geiger’s Anfänge anknüpfend eine durchgängige Son- 
derung ihres Materials von dem der aramäischen Dialecte 
sowohl der Targumim als der beiden Talmude anzustreben. 
Mag es für den praktischen Gebrauch zweckınälsig gewesen 
sein beides zu verbinden in einem „neuhebräischen und 
chaldäischen Wörterbuche“, die wissenschaftliche Erkenntnifs 
wird mehr Gewinn haben, wenn in je drei Wörterbüchern 
das Neuhebräische der Mischnah und der Midraschim, so- 
dann das sogen. Chaldäisch der Targume und endlich das 
der Talmude und wiederum der Midraschim ?) behandelt 
sein wird. — Die Wortforschung hat hier auf allen Ge- 
bieten noch eine verwickelte Detailarbeit vor sich. Für 


1) Was wir sonst su uuserm schmerzlichen Bedauern hier ge- 
funden haben, darf nach unserer Meinung Niemanden hindern von 
diesem Manne zu lernen, der unserer Zeit zum Lehrer in der Lexiko- 
graphie der semitischen Sprachen gesetzt ist. 


*) Ihre Sprache hat keinen einheitlichen Character. Wir finden 


rein hebräisch geschriebene Stücke in denselben, noch mehr aber 
berrscht das talmudische Aramäisch vor. 





192 Sicgfried, s. Geschichte d, neuhebräischen Lexikograpkis. 


die Behandlung des rein semitischen Sprachgutes dienen 
Männer wie Fleischer, Lagarde, Noeldeke ak 
Führer; bei den grofsen Massen der blofs herübergenon- 
menen Worte handelt es sich nicht eigentlich um Etymologie, 
sondern nur um Identification, aber auch hier müssen die 
Gesetze der Lautveränderung studirt werden, was in den 
früheren Versuchen auf diesem Gebiete zu wenig geschehen 
ist, daher die Worterklärungen hier oft nur ein blindes wildes 
Herumrathen waren. Wire z. B. Rapoport überall so 
methodisch verfahren wie bei Dx in Erech millin p. 259, 
so würde er Brauchbareres zu Tage gefördert haben. 
Levy hat auch hier manchen guten Treffer, aber im 
Ganzen verfährt er noch zu wenig nach festen Principien, 
immerhin jedoch verdient er auch hier mehr Dank als ihm 
bisweilen gezollt ist. Neuerdings sind in dem Lexidion, 
welches Güdemann der Friedmann’schen Pesikta 
rabbati beigegeben hat (Wien 1880), manche schätzbare 
Beiträge hiezu geliefert worden. — 

Für das talmudische und midraschische Material aber 
wird jeder zukünftige Lexikograph sich Levy zu Dank 
verpflichtet fühlen. Wenn man die spärlichen Ansätze, 
die Buxtorf auf diesem Gebiete bot, vergleicht mit den 
Massen, die Levy herbeigeschafft hat : wird man den 
Unterschied merken zwischen einem Hülfsmittel, welches 
uns einige rabbinische Phrasen erklärt und einem solchen, 
das uns befähigt, die halachische Discussion zu verstehen. 


193 


Die Capitel 27 und 28 des Buches Hiob. 
Von Carl Budde. 


Wenn ich fünf Jahre nach dem Erscheinen meiner Schrift 
„Beiträge zur Kritik des Buches Hiob* auf einen wichtigen 
Punkt der grofsen Frage nach der Auffassung dieses 
Buches zurückkomme, so wird man darin nicht tibergrofse 
Neigung zu Antikritiken erkennen; aber allerdings haben 
die direct oder indirect auf meine Arbeit bezugnehmenden 
Aufsätze, Artikel u. s. w. für unsere Frage eine derartige 
Wichtigkeit erlangt, dafs eine kritische Zusammenfassung 
der Resultate geboten erscheint. Ich würde dieselbe nicht 
unternommen haben, wenn ich nicht glaubte, Neues und 
Förderliches bieten zu können, wie ich denn auch mich 
gedrungen fühle zu bekennen und zu beweisen, dafs ich 
inzwischen von meinen Gegnern gelernt habe. 

Dafs ich mich auf die Capitel 27 und 28 beschränke, 
wird sich in jeder Beziehung als richtig erweisen. Sie 
sind in meinen Beiträgen am kürzesten behandelt, der Be- 
weis für die Richtigkeit meiner Auffassung ist dort kaum 
mit einigen Strichen angedeutet, und so hat sich denn 
auch gegen diesen Punkt vor allen andern der Widerspruch 
meiner Gegner gerichtet. Eine ganze Monographie hat 
sich eigens mit diesen Capiteln beschäftigt, und kann ich 
auch die in dem Titel derselben niedergelegte Ansicht, 
dafs sie den Wendepunkt des Buches Hiob bildeten, mir 
nicht aneignen, so wird man doch zugestehen müssen, dafs 
sie augenblicklich der Hauptangelpunkt für die Gewinnung 
der Idee des schwierigen Buches geworden sind. Und 


endlich : so verlockend mir auch Smend’s Zugeständnils 
Zeitsehrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 3. 1582. 13 


194 Budde, die Capitel 27 und 28 


erscheinen mufste '), dafs mit meiner Auffassung des Schlusses 
der Reden Hiob’s die Echtheit der Elihureden entschieden | 
sei, so wird doch gerade dieser Abschnitt eine abgeson- 
derte Behandlung zulassen, bei welcher die grofse Streit- 
frage der Reden Elihu’s ganz aufser Betracht bleibt. 

Auf andere Abschnitte des Buches Hiob werde ich 
nur soweit Rücksicht nehmen, als es für das Verstindnils 
dieser Capitel nothwendig erscheint; alle die vielfachen 
- Verwahrungen, Widerlegungen, Gegenbeweise, welche mir 
die Beurtheilungen meiner Schrift an die Hand geben, 
werde ich ausnahmslos unterdrücken, soweit sie sich nicht 
unmittelbar auf den Gegenstand dieser Abhandlung be- 
siehen. So gedenke ich meinen Ausführungen die Bedeu- 
tung eines ganz selbständigen Beitrages zur Erklärung des 
Buches Hiob zu sichern, der selbst keines Commentars be- 
darf, und hoffe, dafs ihr Ergebnifs das Verständnifs der 
gesammten Reden Hiob’s nicht unwesentlich zu fördern 
geeignet sei. — 

Von den Aeufserungen über meine Schrift und der 
seitherigen Hiob-Literatur darf ich alles aufser Betracht 
lassen, was die Capp. 27 und 28 nicht zum Gegenstand 
der Controverse macht; ich nenne von Beurtheilungen 
meiner Schrift die von Stickel (Jenaer Litt.-Z. 1877. 
Nr. 10), der sich meine Auffassung unbedingt aneignet, 
Kautzsch (Schürer’sche Lit.-Zt. 1877. Nr. 2), der 
wesentlich aus dem Prolog gegen mich argumentirt, Reusch 
(Theol. Literaturblatt 1876. Nr. 26), Kolbe (Beweis des 
Glaubens. 1877. S. 91 f.), Ferguson (American church 
review, July 1877, p. 420 —434), die in der ev.-luth. Kirchen- 
zeitung (1877, Col. 653 f.), sowie kürzere Erwähnungen: 
aufserdem G. Baur’s Artikel ,Hiob* in Riehm’s Hand- 
wörterbuch. 

Dagegen werde ich zu berücksichtigen haben die Kritik 








) Stud. u. Krit. 1877. 8. 155 


196 Budde, die Capitel 27 und 28 


Dillmann, da ich ja auf diese ausdrücklich verwiesen 
worden bin. 


Um den Aufbau der letzten Reden Hiobs recht su 
verstehen, wird man gut thun, an die letste Rede, auf 
welche er antwortet, anzuknüpfen, da sie ihm doch die 
Veranlassung giebt, von neuem das Wort zu ergreifen. 
Die Rede Bildad’s nun in c. 25 bringt trots ihrer grolsen 
Kürze und Unselbständigkeit doch zwei Argumente zu 
ganz klarem Ausdruck : zuerst die Grofse und Herrlichkeit 
Gottes in v. 2 und 3, sodann die allgemeine Unreinheit 
aller Wesen vor ihm, geschweige denn des Menschen, 
v. 4-6. Diese letzten Verse enthalten sonnenklar den 
stehenden Leitartikel der Freundesreden, die Aufforderung 
an Hiob, vertrauensvoll seine Schuld zu bekennen, hier 
wie schon in der ersten Rede des ersten Redners (4, 17 ff.) 
mit dem ermuthigenden Hinweis darauf, dafs wir ja alle 
Sünder seien; nur dals hier, nach den schneidenden Ent- 
gegnungen Hiob’s, die Aufforderung selbst nicht mehr über 
die Lippen will. Auf das erste Motiv antwortet Hiob in 
c. 26, indem er nach einer Einführung voll beifsender 
Ironie (v. 2—4) des Bildad Schilderung weit überbietet; 
den Schlufs bildet das Bekenntnifs, dafs wir trots all des 
Gewaltigen kaum ein leises Echo von Gottes Gewalt und 
Herrlichkeit vernommen haben. Die Antwort auf das zweite 
und wichtigere Motiv der Rede Bildad’s, die Aufforderung, 
seine Schuld zu bekennen, bringt c. 26 nicht, da aber 
c. 27 eben mit der Abweisung einer solchen Zumuthung 
beginnt, so mufs diese Rede unmittelbar an das Vorher- 
gehende angeschlossen und als Antwort auf c. 25, v. 4-6 
(und damit alle identischen Zumuthungen der Freunde) an- 
gesehen werden, trotz der neuen Ueberschrift in v. 1, die 
mit ihrem non zwar nicht geradezu störend, aber doch 
überflüssig ist. Keineswegs also hebt mit 27, 2 ein be 
wulst abschliefsender Monolog Hiob’s an : die schuldig 


des Buches Hiob. 197 


gebliebene Rede Zophar’s ist nicht, wie man pflegt, nach 
c. 26 su erwarten, sondern erst nach Ablauf dieses Ge- 
dankenganges, nach c. 28, 28. Diese Einreihung in die 
Discussion mit den Freanden ist besonders ftir ¢. 27 von 
Wichtigkeit. 

Hiob beginnt nun in c. 27 mit einer Betheuerung, die 
ihren vorläufigen, ersten Abschlufs in v. 4 findet. Denn, 
so sehr man über Sinn und Beziehung von v. 3 streiten 
mag, soviel ist doch klar, dafs erst mit v. 4 die feierliche 
Aussage eintritt, der die zwei ersten Verse zur Bekräf- 
tigung und Einführung dienen'). Der vierte Vers aber 
wird mifsverstanden, wenn man ihn auf die Vergangenheit 
bezieht, als Betheuerung der Wahrheit seiner bisherigen 
Reden, wogegen schon das Tempus (so Ewald und, wie 
es scheint, Wellhausen); er wird auch mifsverstanden, 
wenn man Hiob präsentisch sagen läfst : „es reden meine 
Lippen u. s. w.“ und das dann als Bekriftigung für seine 
Unschuldsbetheuerung falst (so Delitzsch und Kamp- 
hausen). Vielmehr redet der Vers energisch von der 
Zukunft, „es sollen“, die scheinbar allgemeine Aussage 
erhält aber ihre bestimmte inhaltliche Begrenzung in den 
folgenden Versen : „Fern sei es von mir euch recht zu 
geben, bis ich verscheide, lafs’ ich meine Unschuld nicht 
fahren“ (sou. A. Hengstenberg, Dillmann, Giese- 
brecht). Er betheuert also nur, dafs er sich zu der Lüge, 
eine Schuld zu bekennen, nie verstehen werde, und knüpft 
damit unmittelbar an die letzten Zumuthungen Bildad’s an. 
Dabei bleibt es in unmilsverständlichem Zusammenhang 
bis v. 6 incl.; vor allem ist hier von einem ferneren Fest- 


1) Die Parallele 2 Sam. 1, 9 spricht für die Richtigkeit der von 
Hirsel, Ewald, Delitzsch, Dillmann u. s.w. vertretenen Ueber- 
setzung : „denn noch ist mein Odem gans in mir u.s. w.“. Darin ist 
dann selbstverständlich keine Begründung von v. 2, sondern eine pro- 
leptische von v. 4 su sehen. Die Prolepsis selbst dient mit ihrem 
Aufenthalt su noch nachdrücklicherer Betonung des folgenden Verses. 


198 Budde, die Capitel 27 und 28 


halten der Gerechtigkeit in That und Leben nicht die Rede, 
sondern nur von der Behauptung der bisher geübten durch 
das Wort. 

Aber mit v. 7 stellen sich die Schwierigkeiten ein, 
mit ihm auch liefs schon Bernstein das unechte Stück 
beginnen, und dieselbe Ansicht vertritt neuerdings Well 
hausen'). Schon der Sinn des ‚kurzen Verses ist ein 
vielfach umstrittene. Giesebrecht hat der Entschei- 
dung des Streites eine mühsame Untersuchung gewidmet, 
die leider an Klarheit zu wünschen übrig läßt. In dem 
Resultat bin ich freilich mit ihm einverstanden. Die alte, 
besonders seit Ewald öfter wiederaufgenommene Erklärung 
(so Delitzsch, Dillmann, Hitzig) : „es erscheine 
mein Feind als schuldig und mein Widersacher als Böse 
wicht (Sünder, unwahr, ungerecht)” hat aufser der sprach- 
lichen Schwierigkeit der Auffassung von yw und ‘ay vor 
allem das gegen sich, dafs es sich im Vorhergehenden 
nicht darum handelt, ob in dem Streite Hiob oder die 
Freunde Recht haben und somit formell Recht bekommen 
müssen, sondern ob Hiob schwere Sünden begangen habe, 
und diese doch, ehe es zu einem Streite darüber mit den 
Freunden kam. Davon geht der Streit in c. 25 aus, und 
dahin spitzt er sich von 27, Ob an ganz entschieden zu. 
Auf ein Unrechtgethanhaben, nicht ein Unrechtkaden be- 
ziehen sich auch v. 8 ff. Die Auffassung Hirzel’s und 
Wellhausen’s, von letzterem in die Motive gekleidet : 
„gottlos zu sein kann ich nur meinem Feinde wünschen‘, 
trägt dem eben Bemerkten Rechnung, weniger aber dem 


!) Auch Studer setzt, nachdem er in seinem kritischen Aufsatse 
das eingeschobene Stück einmal mit v. 6, dann wieder mit v. 8 be- 
ginnen lassen (vgl. meine „Beiträge“ 8. 1), jetzt v. 7 als den Anfang 
derselben. Uebrigens wird ihm jeder zugeben, dafs sich an v. 6 
ec. 31, 1, wie er thut, vorzüglich anschliefsen lälst; nur würde dasselbe 
der Fall sein nach jeder Unschuldsbetheuerung Hiob’s, so gleich nach 
c. 23, 12. | 


des Buches Hiob. 199 


7, und so wird wohl die dem Sinne nach wenig davon ab- 
weichende’), dem Wortlaut am besten entsprechende Er- 
klärung Recht behalten : „Es ergehe wie dem Frevler 
meinem Feinde, und meinem Widersacher wie dem Uebel- 
thiter!* (So neuerdings Schlottmann, Kamphausen, 
Hengstenberg, Renan, Merx, Giesebrecht, auch 
meine ,Beitrige*, 8. 8)*). Ehe ich aber nun der Ver- 
knüpfung dieses Verses mit den vorhergehenden nachgehe, 
scheint es zweckmäfsig, den Sinn der folgenden Verse 8—10 
festzustellen. 

v. 8-10 enthalten in einer Reihe von rhetorischen 
Fragen die als keines Beweises bedürftig erachteten Be- 
hauptungen®), dafs der rar, der Ruchlose, in articulo mortis 
keine Hoffnung habe, dafs Gott sein Geschrei in der Noth 
nicht höre, dafs er an dem Allmächtigen nicht seine Wonne 
haben, Gott nicht allzeit anrufen könne. Das voraus- 
geschickte ‘> erweist diese Verse nach dem vorliegenden 
Wortlaut als Begründung von v.7 : deshalb wünscht Hiob 
nur seinem Feinde das Loos des Freviers, wei? dasselbe so 
ist, wie v. 8—10 es schildern. Zur Begründung der Auf- 
fassung von v. 7, wie Ewald u. s. w. sie bieten, kann 
freilich v. 8—10 nicht dienen; aber das synonyme Fyyı un- 
mittelbar nach dem Ay in v. 7 macht auch eine so ver- 
schiedene Wendung des gleichen Begriffs unmöglich. Ein 
Zurückgreifen des ‘> über v. 7 auf v. 6 wird von Well- 


N) Dennoch sollte Schlottmann beide nicht als identisch setzen, 
indem er die dritte durch die zweite umschreibt (8. 878). 

®) Die neue Uebersetzung von Studer: „Es gelte mir als Feind 
der Frevler, der Stinder als mein Widersacher!“ bedarf schwerlich der 
Widerlegung. 

*) Die Natur der rhetorischen Frage verkennend meint Giese- 
brecht 8. 9 f., Hiob finde sich selbst hier gleichsam tastend und erst 
allmählich auf den rechten Weg zurück; er wolle sich selbst durch 
die Fragen zur Klarheit verhelfen; jede Frage führe ihn tiefer ein und 
sicherer auf den Standpunkt surück, der ihm gezieme. 


200 Budde, die Capitel 27 und 28 


hausen, Studer, Giesebrecht mit Recht abgelehnt 
Vor allen Dingen aber fragt sich, ob die Verse den Sim 
haben und haben können, den man zu Ehren Hiob’s ihnen 
so oft beigelegt hat : dafs Hiob von sich und für die 
Gegenwart alles das positiv aussage, was er dem rt ab- 
spricht !). Ich will diese Ansicht in der stärksten Fassung, 
die sie durch ihren letzten Vertreter, Smend, erhalten 
hat, hierhersetsen. „Von entscheidender Bedeutung ist das 
Bild, das Hiob v. 8—10 von seinem jetzigen Gemütks- 
zustand entwirft. Die Art, in der er dort von seiner un- 
serstörbaren Gottfreudigkeit spricht, ist unmöglich aus einer 
momentanen Erhebung des Glaubens, sondern nur aus 
einer Stimmung zu begreifen, die in ihm jetzt endgültig 
die Oberhand gewonnen hat und die ihn in der That bis 
zum Ende seiner Reden nicht verläßt.* (S. 155.) Smend 
will aus der Haltung dieser Stelle auf den weiteren Zu- 
sammenhang schliefsen; woraus aber erschliefst er diesen 
Sinn der Stelle selbst? Hiob sagt mit keinem Worte, 
dals er das könne, was er dem *)n abspricht, nicht einmal 
ein schlichtes 93 weist darauf hin. Aus dem Zusammen- 
hang also miifste dieser Sinn erschlossen werden, und das 
bliebe zu untersuchen. Wo Hiob zuletzt von Gotg geredet 
hat, 6 Verse vorher in v. 2 des Capitels, schwört er bei 
„dem Gott, der ihm sein Recht entzogen, dem Allmäch- 
tigen, der seine Seele betrübt hat. Wo bleibt da die 
Gottfreudigkeit, wo das Bewulstsein, dafs Gott sein Gebet 
erhért? Smend sagt weiter: „Wie er von da aus ohne 
einen ganz besonderen Zwischenfall zu dem bitteren Sar- 
kasmus, den Budde incap. 28, 28 findet, gelangen könnte, 
ist rein unerfindlich*. — Vielmehr sollen jene beweisen, 
durch welchen Zwischenfall Hiob von v. 2 bis v. 8 von 


!) Selbst Wellhausen giebt das mit einem „das scheint aller- 
dings v. 7—10 der Fall“ su und erklärt es dann für einen nur neben- 
sächlichen Zug. Vgl. auch Reufs La Bible zu v. 10. 





des Buches Hiob. 201 


jener im Schwur ausgesprochenen Behauptung aus, dafs 
gerade Gott ihn als Frevler erscheinen lasse, zu der Gottes- 
nähe und Gottesfreudigkeit gelangt sein soll, die sie in 
v.8—10, ohne jede Stütze im Wortlaut, ausgedrückt finden. 
Fehlt dieser Zwischenfall, wie thatsächlich der Fall ist, so 
bleibt es bei der Gottesferne von v. 2, und ein Umschlag 
der Stimmung ist für meine Auffassung von c. 28, 28 nicht 
nöthig. Dieselbe Seelenstellung Hiob!s zu Gott ist aber in 
ununterbrochener Kette rückwärts zu verfolgen. Man ver- 
gleiche zu der Hoffnung im Tode Stellen wie 21,25. 19, 10b. 
17, 13—16. 14, 19, dazu 16, 22. 10, 21 f. 7, 9 f.; zu dem 
erhörlichen Anrufen 23, 3 ff. 19, 7. 9, 16 neben allen 
Stellen, die implicite dasselbe sagen; zu der Wonne an 
Gott 23, 15 f. 9, 27 f. 7, 14 ff, ferner 19, 6. 8—12; 17, 
4. 6 ff.; 16, 7 ff; 13, 24 ff; cap. 9; 6, 4; zu 27, 2 speciell 
19, 6; 9, 20. Solchen schlagenden Stellen steht allerdings 
eine Reihe von anderen gegenüber, die nach Smend’s 
Ausdruck (S. 162) im Sinne des Dichters „aufs stärkste 
seine Bewährung hervorheben“. Er nennt 14, 13 ff. 16, 18f. 
(so ohne Zweifel statt „8 f.*). 17, 9. 19,25 ff. Diese Auf- 
zählung bedarf einer Sichtung. Cap. 14, 13 ff. enthalten 
nur den frommen Wunsch, dals noch eine Hoffnung er- 
laubt sein michte, insofern es etwa in Gottes Macht und 
vielleicht seinem Willen stehe, Hiob auch nach dem sicher 
bevorstehenden Tode seine Gnade wieder zuzuwenden; 
aber dieser Gedanke wird als mülsiges Hirngespinst von 
v. 18 an entschieden zurückgewiesen und dient nur wie 
der Traum des Hungrigen, er älse (Jes. 29, 8), die Hoff- 
nungslosigkeit um so empfindlicher auszudrücken. Ferner 
macht Smend (wie schon Delitzsch!)) viel zu viel aus 
17,9. Bezieht man das Wort, was doch nicht unanfechtbar, 
unmittelbar und einzig auf Hiob, so besagt es dennoch 
keineswegs, dals „seine Frömmigkeit mehr als zuvor er- 


——. 


ı) Vgl. auch Herzog, Bd. VI 8. 128. 





202 Budde, die Capitel 27 und 28 


starke“, sondern dafs er es thue, und zwar als Gerechter, 
als solcher, dessen Hände rein sind, mit irgend welcher 
Beziehung auf diese Eigenschaften, sei es nun, dafs er sich 
dieselben handelnd auch in Zukunft bewahren, oder — was 
wohl wahrscheinlicher — dafs er von der Behauptung der- 
selben nicht lassen will. Ob aber nicht der Vers im Zu- 
sammenbang mit dem vorigen, der schwerlich mit Merx 
(vgl. Delitzsch) in das Gegentheil zu verbessern ist, 
eben andere Gerechte meint, denen der letdende Gerechte 
ein erbauliches und bestärkendes Schauspiel bietet (so 
Hitzig) oder wenigstens bieten sollte (so Hengsten- 
berg), ist wohl zu erwägen!). In keinem Falle sagt der 
Vers etwas aus über Hiob’s gegenwärtige Seelenstimmung 
und speciell sein Herzensverhältnifs zu Gott; denn an der 
Gerechtigkeit kann er im Handeln und wird er in jedem 
Falle behauptend für die Vergangenheit festhalten, auch 
wenn Gott selbst, wie er auch in diesem Capitel behauptet, 
unter seinen Feinden ist, ihn nicht erhört, ihm keine Hoff- 
nung läfst, ihm keinen Grund zur Freude giebt. Die 
Stelle kommt also für unsere Frage gar nicht in Betracht. 
So bleiben die Stellen c. 16, 18 ff. (nebst 17, 3) und c. 19, 
25 ff., und diese glaube ich sammt ihrer Vorbereitung in 
den vorhergehenden Capiteln auf S. 24 ff. meiner Schrift 
nach Gebühr gewürdigt zu haben. Sie besagen zunächst 
(in 16, 18 f.), dafs Gott (als allwissend) um seine Unschuld 
wisse und sie bezeugen könne (vgl. auch 10, 7); sodann 
enthalten sie die Bitte, dafs Gott sich zu dieser Zeugen- 
schaft und damit Entscheidung herbeilassen möge (16, 20 f. 
17, 3), und endlich schwingt sich Hiob zu der Zuversicht 
auf, dafs Gott dies wirklich einst thuen werde (19, 25 ff). 
Aber Hiob erwartet von Gott vor allen Dingen, dafs er 
- zwischen Hiob und Gott entscheide (16, 21a), dafs er sich 
bei Gott für Hiob verbürge (17, 3), vgl. dazu 9, 33. Damit 


1) Cap. 17 ist voll von ungelösten Schwierigkeiten. 


des Buches Hiob. 203 


ist in unvergleichlich kühner Weise gerade der Zwiespalt 
in der Beele Hiob’s gekennzeichnet zwischen den Erfah- 
rungen der Gegenwart, die in das Gefühl der Cottver- 
lassenheit auslaufen, und der unabweisbaren Forderung, 
dafs Gott ein anderer sei und sich einst als solcher offen- 
baren müsse. Ueber den gegenwärtigen Gemtithszustand 
Hiob’s lassen auch sie keinen Zweifel : von dem, was man 
aus 27, 8—10 herauslesen will, bieten sie gar nichts'). Es 
fehlt demnach vor jener Stelle an jedem Belege für die 
Möglichkeit einer solchen Gemüthsverfassung, aber keines- 
wegs nach derselben, wie Smend behauptet, an dem Be- 
weise für das gerade Gegentheil. Wohl möchte ich wissen, 
wie man mit der „unzerstörbaren Gottfrendigkeit, Gott- 
vertrauen“, der „inneren Seligkeit*, die nun „endgültig in 
ihm die Oberhand gewonnen haben und ihn bis zum Ende 
seiner Reden nicht verlassen“, wie man damit die Auftor- 
derung an Gott zu erscheinen in c. 31, 36—37 vereinigen 
will. Den Meisten unter denen, die eine wesentliche Be- 
ruhigung Hiob’s schon vor c. 32 eintreten lassen, scheint 
diese Schwierigkeit kaum zu vollem Bewulstsein gekommen 
zu Bein. 


85) „O hätte ich einen, der auf mich hörte! 

Sieh da ist mein Zeichen (Unterschrift), der Allmächtige 

erwiedere mir! 

Und (o hätte ich) die Schrift, die mein Gegner geschrieben! 
86) Fürwahr, ich wollte sie auf meiner Schulter tragen, 

Wie eine Krone mir umwinden! 
87) Die Zahl meiner Schritte wollte ich ihm kundthun, 

Wie ein Fürst ihm nahetreten!“ *) 


Hier ist doch wahrlich Gott nicht Hiob’s Freund, an 
dem er seine Wonne hat, nicht sein Helfer, den er in der 


ee ne a ne 


1) Ich bemerke ausdrücklich, dafs Sm. diese Stellen nicht bei Ge- 
legenheit der Besprechung von 27, 8—10 anzieht; jedenfalls aber 
wären sie die einzigen, die man als Analogisen jener Auffassung be- 
rücksichtigen könnte. 

*) Ich citire absichtlich nach Dillmann, bemerke aber, dafs ich 
selbst 35c als Object su v. 86 ziehe; wie Hitzig u. ®. w. 


204 Budde, die Capitel 37 und 28 


Noth erfolgreich anruft, sondern sein Gegner, den er sum 
Rechtsstreit herausfordert, den er nicht anraft, sondern tbe | 
den er triumphirt. Dafs dabei von innerer Seligkeit nicht | 
die Rede sein kann, liegt ja auf der Hand, vielmehr ist die | 
Richtung der Worte ganz wie ich auf 8. 40 sagte, die de 
Action gegen Gott. Auch die Errungenschaft von c. 19, 
25 ff. ist für den Augenblick wenigstens preisgegeben, 
während die Stelle mit c. 27, 2 im vollkommensten En- 
klang steht. Der Schein einer gewissen Fassung und Rahe 
(vgl. z. B. Giesebrecht 8. 36 f.) beruht darin, dafs hier 
der Schmerz zurücktritt vor der Freude über den im Geiste 
ausgemalten Triumph; aber solch wilder Freude wird man 
doch keinen ethischen Werth beilegen wollen. Abschwächen 
hilft hier nichts, so wenn Giesebrecht sagt, es se 
gewifs nicht. unabsichtlich, dafs der Dichter Hiob nicht 
mit der Aufforderung an Gott das 31. Capitel beschliefsen 
lasse, sondern. ihn, glesch als wäre es thm gar nicht Ernst 
mit jener Appellation, sofort wieder in die vorhergegan- 
genen Betheuerungen seiner Unschuld zurückfallen lasse. | 
Was er gesagt, macht Hiob nicht ungesagt, am wenigsten 
vor Gott : das hätte nur der Dichter gekonnt, wenn er — 
v. 35—37 nicht geschrieben hätte!). Auch die Unechtheit 
von v. 37, wie sie Hitzig vertritt, würde an der Sache 
nichts ändern; doch sind seine Argumente dafür hinfällig. 
Hier könnte nur ganz andere Auffassung des Textes Luft 
schaffen, und die haben Delitzsch und Studer ver- 
sucht. Beide wollen in dem ‘3% wn nicht Gott, sondern 
einen oder mehrere menschliche Gegner finden. Da soll 
bei Delitzsch „der Allmächtige antworte mir“ bedeuten 
„der Allmächtige entscheide“; 35c, 36 soll. von der An- 





!) Mir ist mit Delitzsoh, Merx u. s. w. das wahrscheinlichste, 
dafs v. 88—40 von anderer Stelle hierher gerathen sind, am besten 
nach v. 12 einzurücken. Doch verwahre ich mich dagegen, darsuf 
irgend etwas zu bauen. 


des Buches Hiob. 205 


klageschrift der Freunde gemeint sein, in v. 37 dieselbe 
dritte Person Gott, den Schiedsrichter, bezeichnen. Ich 
bemerke dagegen nur, dafs, wo im Buche Hiob von einem 
Streit (32%) und Gegner Hiob’s die Rede ist, Gott gemeint 
ist, so 40, 2. 10, 2. 9, 3. 13, 19. 23, 6. 33, 13; ausge- 
nommen sind nur 31, 13, wo ganz allgemein von früheren 
Klagen der Knechte und Mägde gegen ihn die Rede ist, 
und 13, 8, wo er sagt, dals die Freunde zu Gunsten des 
eigentlichen Gegners, Gottes, in den Streit eingreifen. 
Dazu vgl. mit anderen Ausdrücken noch 19, 22. 27, 2. 
10, 17. 16, 9. 13, 19 ff. Auch wo der Gedanke eines 
Schiedsrichters auftritt, wird einer zwischen Gott und Hiob 
verlangt (9, 32 f.), Gott selbst soll dies sein (16, 21a. 
17, 3), und erst in zweiter Linie auch zwischen Menschen 
schlichten (16, 21b). Studer übersetzt einfach : ,Dals 
Jemand mich hört’ und spräche : „Hier meine Unterschrift, 
so Gott mir helf!“, d. h. Hiob fordere Jeden, der etwa 
Schlimmes von ihm wisse, auf, ihn nur öffentlich zur Ver- 
antwortung zu ziehen. — Die Begründung dieser originellen 
Auffassung hat er mir schon in seiner Antikritik u. A. ver- 
sprochen (8. 560), er bietet dafür aber nur die Versiche- 
rung, dals der Text schwierig sei und sehr verschieden 
erklärt werde. Wer die Hiob-Literatur durchsieht, wird 
das schwerlich zugeben. — Solche gescheiterte Versuche 
aber bezeugen lauter als alles andere, dafs mit c. 31, 35—37, 
d. i. mit dem Schlusse der Reden Hiob’s, eine eingetretene 
Beruhigung und Gottfreudigkeit in grellem Widerspruch 
steht. — 

Wenn aber c. 27, 8-10 dies nicht bedeuten, was ist 
dann ihr Inhalt? Zunächst nichts weiter, als was ich oben 
angegeben, die strikte Leugnung alles des Angeführten 
von dem 9m. Er ist unglücklich, weil er das nicht besitzt, 
noch jemals besitzen kann, was den Menschen allein glück- 
lich macht : ein Freundschaftsverhältnifs zu seinem Cott. 
Und darin ist keinerlei sachlicher Widerruf selbst c. 21 


906 Budde, die Capitel 37 und 38 


gegenüber enthalten, da er auch dort den yy als völlig 
gottentfremdet darstellt (v. 14 f.). Wohl aber liegt en 
Widerruf in der Beurtheilung vor, insotern Hiob nun, n 
c. 27, in dieser Gottentfremdung eine innerliche Unglück- 
seligkeit anerkennt, die durch kein äufseres Wohlergeha 
aufgewogen werden kann'). Natürlich mufs nun, wer ü 
diesem Mangel Unglückseligkeit sieht, auch andere Leute 
kennen, denen es nicht so geht, ja ich gestehe zu, dafs e 
an sich selbst die entgegengesetzte Erfahrung muls gemacht 
haben. Und wer will leugnen, dafs das bei Hiob der Fall 
ist, da er ja in ungetrübter Gottesfreundschaft erwachsene 
Söhne und Töchter gesehen hat! Alle Beweise dafür er 
setzt das positive Gegenstück zu 27, 8-10, c. 29, 2-5, 
wo er es mit klaren Worten aussagt, nur indem er zugleich 
beklagt — dafs es jetzt nicht mehr so ist, vielmehr um- 
gekehrt (30, 19—23). Wie man diesen Stellen gegenüber 
von gegenwärtiger, von nun an unzerstörbarer Gottfreudig- 
keit und Seelenfrieden reden kann, ist mir ganz unbe 
greiflich*). Will man also den Inhalt von v. 8--10 sammt 
deın positiven Hintergrund dialektisch scharf fassen, so 
wird die Formel etwa lauten : „Während der Gottlose 
kraft seiner Gottlosigkeit des eigentlichen inneren Glückes 
nothwendig entbehren mu/s, kann der Gerechte, Fromme 
desselben theilhaftig werden“, und daraus ergiebt sich der 
Schluß, dafs der einzige Weg zum Glück in der Frömmig- 
keit gegeben ist. Dafs auch sie nicht volle Bürgschaft 
für das Glück gewährt, mufs Hiob leider eben jetzt er- 
fahren; aber das ist ja eben das Rätbsel, was ihn quält, 
das Dilemma, in dem er steckt : die Erfahrung früherer 





— | ———— 


1) In der bypothetischen Einführung von Sg (v. 9) liegt auch 
keine Correctur von c. 21, da auch dieses schon in dem rig? (v. 17) 
dafür Raum lälst. 

*) Vielmehr ist Studer ganz in seinem Rechte, wenn er dio Verse 
27, 7—10, so aufgefalst, eben darum für unecht erklärt (Comm. 8. 118 f.). 





des Buches Hiob. 907 


»aten kann dadurch nicht ausgewischt werden'). Also 
user derselbe innere Zwiespalt bei Hiob, wie wir ihn überall 
parpbachten. 

Es fragt sich nun weiter, ob und wie die richtig ver- 
mmndenen Verse 7—10 mit dem Vorhergehenden in Zu- 
wummenhang zu bringen sind, und daran hängt nicht weniger 
ims Echtheit oder Unechtheit des ganzen Stückes, da andere 
Lerkzeichen der Unechtheit mit Grund nicht angeführt 
"erden können. 

Vers 6b enthält, wie Wellhausen richtig formulirt, 
Re kategorische Behauptung : „ich bin nicht gottlos“, oder 
sch richtiger in eigentlicher, in die Gegenwart auslau- 
ender Vergangenheit : „ich bin nicht gottlos gewesen (bis 
zı dem Zeitpunkt, wo dies in Frage gestellt wurde)*. Aber 
mn der Behauptung, dafs er niemals gottlos gewesen, liegt 
loch zugleich auch die Aussage, dafs er nie begehrt habe 
sottlos zu sein, dals er nie habe gottlos sein mögen. Die 
Zamuthung der Freunde, dafs er ein Gottloser sei, die Ab- 
reisung dieser Zumuthung seinerseits, zwingt ihn doch, 
nit diesem Gedanken sich zu beschäftigen, sich in die 
Möglichkeit solcher Existenz bineinzudenken. Und sobald 
w das gethan, sträubt sich sein Innerstes dagegen, es wäre 
las schrecklichste Loos, das er sich denken kann, wie er 
hlimmer keines seinem Feinde wünschen könnte. „Nie- 
mals bin ich ein Frevler gewesen ; könnte ich doch meinem 
Feinde nichts schlimmeres wünschen ?)!@ Ist denn das ein 
so unvoliziehbarer Gedankensprung? Wellhausen sagt, 
dafs man sich die Folgen der Gottlosigkeit nicht schlimm 
genug vorstellen könne, sei gar kein Beweis dafür, dafs 
man nicht gottlos sei oder gewesen sei. Gewifs nicht, 
aber von einem Beweise für seine Unschuld ist hier auch 
gar nicht die Rede. Nur wenn man das ‘3 von v. 8 zu 


9) Im Ganzen richtig hierzu Hongstenberg 8. 164. 
*) Ich umschreibe hier absichtlich Wellhausen’s Auffassung. 


208 Budde, die Capitel 27 und 28 


v. 6 zieht, entstände wenigstens der Schein, aber das dient 
ja eben v. 7 zur Begründung. Wellhausen glaubt die 
Einschiebung von v. 7 ff. daraus begreifen zu müssen, dal 
man in v. 1-6 den moralischen Vorsats zu finden geglault, 
trotz allem an der Praxis der Frömmigkeit festzuhalten. 
Darin wäre Sinn und Verstand, wenn v. 8—1O sage 
wollten : „denn ich werde mich wohl hüten, meinen jetzigen 
beneidenswerthen Gemüthszustand mit dem eines Gott 
losen zu vertauschen“. Dafs der Wunsch in v. 7, das m 
etwas nicht Wirkliches enthält, zwingt doch nicht zu dem 
Rückschlufs, dafs die Aussage, womit er verknüpft ist, 
sich auf die Zukunft beziehen müsse. Den Wunsch in v. 7 
— abgesehen davon, ob es als ernstgemeinter Wunsch zu 
fassen ist — hätte Hiob früher reichlich mit demselben 
Recht, mit derselben Wahrscheinlichkeit ausgesprochen. 
Bei richtiger Auffassung von v. 8—10, unter Annahme der 
Wellhausen’schen Uebersetzung von v. 7. ist deshalb 
der logische Zusammenhang des Stückes ausreichend ge 
sichert. 

Einen etwas gröfseren Gedankenschritt verlangt die 
oben vertretene Auffassung von v. 7 : „Es ergehe wie 
u. s. w.“'). Denn dem „ich din kein Gottloser“ tritt dann 
nicht ein „es set ein Gottloser* gegenüber, das erst in 
v. 8-10 durch das Ergehen desselben motivirt würde, 
sondern sogleich würde dem Feinde das Ergehen ange 
wünscht. Aber selbst dieser Schritt bleibt, wenn auch 
grofs, doch möglich, da es auf das Ergehen des Gottlosen 
ankommt und eben dies Hiob derart abstöfst. Aus einem 
Mifsverstindnifs der vorigen Verse kann dieser Sinn so 
wenig erklärt werden als der andere. 

Aber während ich entschieden festhalte, dafs der vor- 
liegende Text keinerlei Widerspruch enthält, sondern einen 
guten Gedankenzusammenhang bietet, bin ich dennoch zu 


nn a nn nn 


1) Vgl. die umgekehrte Meinung bei Giesebrecht 8. 8. 


eee 


des Buches Hiob. 209 


der Ueberzeugung gekommen, dafs derselbe einen Eingriff 
erlitten hat, und ich bin den Gedanken des Buches Hiob 
lange und eifrig genug nachgegangen, um auch diese Ver- 
muthung der Beurtheilung Anderer übergeben zu dürfen. 
Ein Wunsch wie der in v. 7 pflegt nicht so bedächtig 
und ausführlich begründet zu werden, wie das in v. 8—10 
der Fall ist; gewöhnlich schliefst er jäh ab und wirkt eben 
durch das Abbrechen auf dem Gipfel der Rede. Ferner 
haben wir oben gesehen, dafs den Versen 8—10 allerdings 
die gegentheilige Erfahrung Hiob’s in seinem früheren 
Leben, die Erinnerung an seine damalige Glückseligkeit 
su Grunde liegt; von seinem früheren, bisherigen Leben 
reden aber auch die Verse 2—6, und zwar von seinem 
sittlichen Verhalten, das dem des Frevlers in v. 8—10 
ebenso entgegengesetzt war, wie sein damaliges Verhältnifs 
zu Gott (vgl. c. 29, 2 ff.) dem des Freviers. Schliefst 
man daher v. 8—10 mit Uebergehung von v. 7 unmittelbar 
an v.6 an, so wird der Sinn zwar kein anderer, wohl aber 
die Beziehung und Verwendung. Der Entschlufs, an der 
Behauptung seiner Unschuld und Gerechtigkeit festzuhalten, 
ist der Sache nach gleichbedeutend mit dem Sats: ich bin stets 
gerecht gewesen, und in negativer Fassung schliefst dieser 
Satz wirklich das Ganze : „mein Herz tadelt keinen meiner 
Tage. Denn was ist die Hoffnung des Gottlosen, wenn 
u. s. w.“ Das ist dann wieder kein Beweis für seine Ge- 
rechtigkeit, wohl aber Angabe des Grundes, weshalb er 
an jedem Tage von neuem unverbrüchlich seine Gerech- 
tigkeit bewahrt hat. „Wie hätte ich auch stindigen sollen, 
da mir bewufst war, welch schreckliches Loos des Gott- 
losen wartet!“ Zu v. 2—6 findet sich die Ausführung, der 
Commentar gleichsam in c. 31, und dasselbe Capitel bietet 
eine Reihe von sicheren Belegen für den angeführten Ge- 
dankengang. Dieselben rhetorischen Fragen tiber die 
Folgen, die diese oder jene Versündigung für ihn hätte 
haben müssen, mit 19%, im weiteren Verfolg mit x57 ein- 
Zeitschrift 1. d. alttest Wiss. Jahrgang 2. 1988. 14 


910 Budde, die Capitel 37 und 28 


geleitet, finden wir in v. 2—5 und v. 14 f.; dieselbe Sach 
in positivem Ausdruck, mit ‘9 eingeleitet in v. 11 £ (ahr 
lich v. 28) und v. 28. Diese stehende Folgerung- 
weise des c. 31 würde in unserem Zusammenhang gens 
ebensogut am Platse sein, und damit wäre ein vortref- 
licher Fortschritt und viel einschneidendere Wirkung für 
v. 8-10 gesichert. Mit der Ueberschau über die vergar 
genen Tage, mit der Gerechtigkeit, die von ihnen behaupte 
wird, taucht auch die Erinnerung an seine damalige Glück- 
seligkeit auf und die Ueberzeugung von der innersten Ur 
seligkeit des Gottlosen, die ihn, Hiob, stets behütet hat vom 
rechten Pfade abzuweichen. Denkt er daran, so kann e 
nur seinem Feinde das Loos des Gottlosen anwünschen. 
So bildet v. 7 den abschliefsenden Gipfel dieser Gedankea- 
kette, und man wird, wie mir scheint, zugeben miissen, 
dafs v. 7 nach v. 10 noch weit besser am Platse wire 
Ein Grund, weshalb er umgestellt sein könnte, ist unschwer 
su finden. Da v. 7 das Ergebnifs von v. 8—10 enthält, 
so sind diese Verse, die obendrein mit ‘> beginnen, aller- 
dings die Begründung desselben, während viel weniger auf 
der Oberfläche lag, inwiefern v. 6 durch 8—10 begründet 
werde. Die Begründung aber schien dem begründeten 
Satze nachfolgen zu müssen. Kam dazu etwa noch eine 
andere Auffassung von v. 7, in der Weise W ellhausen’s 
oder auch Ewald’s, so schien der Vers sich um so besser 
unmittelbar an v.6 anzuschliefsen und die Umsetzung war 
nach allen Seiten gerechtfertigt. 

Die Richtigkeit meiner Vermuthung wird aber daran 
zu prüfen sein, ob sich die folgenden Verse von v. il an 
gut an v. 7 anschliefsen. Vers 11 beginnt mit O>me mm, 
„ich will euch belehren“, ohne jedes bindende Wort, mit 
einem ganz neuen Motiv. Der Zusammenhang mit dem 
Vorhergehenden wird nach der vorliegenden Versfolge da- 
durch gesichert, dafs auch der folgende Abschnitt von dem 
Loos des Frevlers handelt. Geht aber v. 7 unmittelbar 


913 Budde, die Capitel 37 und 28 


„Siehe, Ihr selbst habt es alle gesehen“, so geht auch das 
nicht an. Nun will ja aber Giesebrecht dem mat auch 
noch cap. 28 unterordnen. Als Beweis dafür führt er an, 
dafs mit den „Erweisungen und Absichten Gottes“, die 
Gegenstand der Belehrung sein sollen, nicht das böse Ge 
schick des Frevlers allen gemeint sein könne. Aber ist 
das letztere darum weniger 5x T und ‘We Oy, weil Got 


noch mehr als das zu thun und im Sinne hat? Würde. 


denn andererseits durch v. 13—28 + c. 28 die ganze Summe 
gedeckt, und kündigt Hiob mit dem mv ein vollständiges 
System der Theologie an? Und wenn ferner Giese- 
brecht den Beweis führt, dafs min auch von „unsinn- 
licher Beobachtung“ stehen, daher 12a auch c. 28 mit in 
sich begreifen könne, so folgt daraus ja nach seiner An- 
sicht, dafs er, Hiob, den Freunden mit c. 28 ebensowenig 
etwas Neues sagt als mit 27, 13 ff. Zudem ist cap. 28 
durch das » in v. 1 dem Vorigen nicht bei- sondern unter- 
geordnet, die neue Thatsache, die Hiob lehrt, bliebe also 
immer in v. 18—2% su suchen, wenn man nicht den Zu- 
sammenhang geradezu formuliren wollte : „der Frevier 
mufs darum untergehen, wer! —“ und damit geriethe Giese- 
brecht unrettbar in Delitssch- Dill mann’sches Fahr- 
wasser, wogegen er sich doch 8. 42 ff. wehrt'). Dasselbe 
folgt schon daraus, daß G. mit v. 11 einen so scharfen 
Abschnitt macht (8. 13.45). Denn inwiefern v. 12 „deut- 
lich genug andeuten soll, dafs Hiob mit der Anerkennung 
des göttlichen Strafverhängnisses über den Frevier keines- 
wegs gewillt ist, die Behauptung seiner eigenen Unschuld 
fahren zu lassen“ (S. 46), gestehe ich nicht zu begreifen. 


ı) Eine scharfe Darstellung der Bachlage von jener Seite vgl. bei 
Smend 8. 166, der richtig bemerkt, dafs Spe om und va) OY WR 
unmöglich die My} von co. 28 bezeichnen könne, vielmehr dieses 
Capitel nur als Begründung der vorhergegangenen Belehrung zu be 
greifen sei. 





des Buches Hiob. 918 


Der unausgesprochene, unbewußste Grund, weshalb 
28 noch dem 78 untergeordnet wird, ist vielmehr eben 

ar, dafs man v. 13—23 als Belehrung der Freunde über- 
Bupt nicht zu begreifen vermag und deshalb c. 28 in | 
Vabrheit nicht hinzunimmt, sondern dafür einsetst. Das 
lebt Riehm (bei Giesebrecht S. 46) su, im Grunde 
ber G. ebensogut, wenn er S. 45 sagt, dafs der Inhalt 
om v. 13—23 ein Postulat sei, das, von den Freunden nie 
wtretten, die schlichle Anerkennung von Seiten Hiob’s for- 
pre’). Dann aber steht das u falsch und mülste 
chtig vor c. 28, | stehen; in dem doch so energisch auf 
an Doppelpunkt folgenden v. 13—23 wäre eine schwere 
achlissigkeit des Dichters zu erkennen. Wenn aber um- 
skehrt Giesebrecht meint fragen zu müssen, warum, 
enn meine Auffassung richtig sei, das Ix 12 DI MR 
ı der Mitte des Capitels und nicht zu Anfang stehe, so 
atworte ich : „Weil es nur auf v. 13—23 sich bezieht, 
eil es eben tronisch gemeint ist. 

Ich gehe von v. 12 aus. Das ann in 12a kann sich 
ur auf das Geschick des Frevlers beziehen (vgl. auch die 
örtliche Uebereinstimmung mit 15, 17. 5, 3); darum aber 
ann v. 12b nicht denselben Inhalt des Verhaltens oder 
‘edens der Freunde haben. Denn was sie, die Freunde, 
eschaut, was er, Hiob, anerkennt, das dürfen sie auch 
ut Recht denken und sagen, während Hiob ihr Verhalten 
erade darum tadelt, weil sie doch wissen, dafs es dem 
'revler schlecht ergeht. 

Dieser Causalzusammenhang wird nun von Vielen (ich 
enne Ewald, Delitzsch, Kamphausen, Dillmann, 
lengstenberg, wahrscheinlich auch Smend) so auf- 


*) Nur zu erwähnen brauche ich die kibne Lösung Hitzig'e, 
er v. 18—28, die auch er als Belehrung der Freunde nicht verstehen 
ann, als angeführte Rede der Freunde ansieht, vor der dem Binne 
sch ein "mxb zu ergänzen wäre. So tritt dann in der That erst 
it o. 28 die Belehrung ein. 


214 Budde, die Capitel 37 und 28 


gefalst, dafs die Freunde eben wetl sie so gut mit dem 
Schicksal des Freviers vertraut seien, nicht eine so falsche 
Anwendung davon auf Hiob’s Lage machen sollten. So- 
fern diese Auffassung sich auf die andere stützt, dafs in 
v. 8-10 Hiob’s Gemtithsverfassung der der Frevler als 
Unterscheidungsseichen gegenübergestellt werde, so ist sie 
‘ damit oben widerlegt. Aber selbst wenn Hiob sich einer 
solchen inneren Seligkeit bewulst wäre, könnte er doch 
wahrlich von den Freunden nicht verlangen, dafs sie das 
sähen; zudem wird das Ormri damit falsch rückwärts auf 
8—10 statt vorwärts auf 13 ff. bezogen. Macht man aber, | 
wie Hengstenberg thut, mit der Beziehung auf diese 
Verse Ernst, so verliert der Vers jeden vernünftigen Sinn. 
Denn dafs die Freunde um das schlimme Schicksal des 
Frevlers wissen, ist doch kein Grund, aus dem schlimmen 
Schicksal eines Menschen nicht auf begangenen Frevel zu 
schliefsen (vgl. richtig Schlottmann 8. 374 und Well 
hausen 8. 541). Der Vers mülste dann umgekehrt 
heifsen : „Ich habe das ja freilich auch gesehen und gebe 
es zu : aber warum mülst Ihr u. s. w.*. Vollends unmög- 
lich ist es, mit Delitzsch auch in v. 13—23 noch Merk- 
zeichen zu finden, wodurch der Unterschied selbst des 
äulseren Ergehens Hiob’s von dem des Frevlers erkennbar 
würde (vgl. dagegen sehr gut Wellhausen 8. 540). — 
Die einzig mögliche Auffassung von v. 12 bleibt die schon 
von Raschi gegebene, von Schlottmann vertretene, 
dafe Hiob v. 13—23 den Freunden selbst als Warnung 
entgegenhält. Durch ihr auf ganz eitlen, unwahren Grund- 
lagen beruhendes Raisonniren (vgl. zu dem pbann 51 
Schlottmann, auch c. 21, 34) versündigen sich die 
Freunde wirklich und zieben so die Strafe des Freviers 
auf ihr Haupt herab, die Hiob in v. 7 im Affekte seinen 
Feinden angewünscht hat. Da indem Unrecht gegen Hiob 
alles Reden der Freunde gipfelt und im Grunde davon 
ausgeht, so kann dies Unrecht mit einem allgemeinen 


des Biete E::: Ota 

& xmdruck bezeichnet werden, der das ganze Verhalten der 
GPreunde umfalst, umsomehr, da noch in v. 2-6 gerade 
Wiese Unwahrheit zurückgewiesen wurde und das letzte 
Wert der Freunde (c. 25, 4—6) dieselbe implicite enthielt. 
A), Lüge hat Hiob ihre Reden auch sonst gekennzeichnet, 
“ne in 13, 4'). 7 (wo dieselben Worte Thy und [Pp wie 
21, 3 gebraucht werden). 9, vgl auch 21, 34: als sitt- 
Wünes Vergeben beseichnet er ihr Verhalten such sonst, 
Se 6, 15. 12, 5. 16, 20. 19, 2 £ 22: göttliche Strafe droht 
“ur ihnen an 13, 9-11. 17, 4 5°, 19, 29, und dem in 
BwWon von 27, 12 entspricht wirklich in Gottes Munde das 
ey) Se Dre «> in 42,7. Somit ist diese Auffassung 
much gegen Hengstenberg’s Kınwand gesichert, dafs 
@s Hiob nie einfalle, die Freunde dem Freviern zuzuzählen. 
Das Echo ihrer eigenen Worte in 27. 13—23 wird 

also dadurch für die Freunde zu einer wirklichen Beleb- 


besteht die Ironie Hiob's, nicht zur im v. 11, sondern auch 
im Folgenden, dafs er die Gegner mit Jen genen Walien 
schlägt. Uni das ist wieder sin pevcbologisch sehr feiner 


anhefier* zu geben. 

9) Soviel Init der schwinrige Text erkannan. 

®) Auch hier ms Sessunhalten, des Gis alles mäglch Yale ti 
der verliegenden Vaufnigt, bei der vergeschlagenen tombe cher 
weit kleser herverzia. 


916 Budde, die Capitel 37 und 28 


keine Einschränkung ferner mit Rücksicht auf frühere Be 
hauptungen ; daraus der Schwall von Worten und die 
starken Ausdrücke, in denen er den Freunden ihre An- 
griffe selbst der Form nach zurückgiebt (vgl. Aehnliches 
in c. 12 und 26). Nur in dieser Gestalt konnte der Ab- 
schnitt gegen die Freunde seine Dienste thuen; im Uebrigen 
wurde er nackt neben die früheren Ausführungen (zuletst 
ec. 21 und 24, aber schon ganz krals in 9, 22 ff. u. =. w.) 
gestellt, und dem Zusammenhang die Lösung überlassen. 
So erklärt sich der Schein, dafs Hiob bier „grundsätslich 
mit Sack und Pack in Feindes Lager tibergehe* (Well- 
hausen 8. 641). Der Ausspruch an sich verhält sich su 
den gegentheiligen genau ebenso, wie die unvermittelt 
nebeneinander stehenden Anschauungen, dals Gott Zeuge 
seiner Unschuld und sein Rächer, und dafs er sein Feind 
und der Räuber seines Rechtes sei; jener Widerspruch ist 
nichts als die Kehrseite dazu. Nach allem Gesagten 
brauche ich deshalb die Echtheit des. Stückes nicht mehr 
zu vertheidigen, verweise nur zurück auf 8. 8 f. meiner 
Beiträge). 


1) Dagegen werde ich eben jene Stelle meiner Schrift gegen 
Giesebrecht vertheidigen müssen. Auf 8.8 habe ich gesagt, „Hiob 
habe sich niemals zu dem Unsinn verstiegen, dafs dem Gerechten stets 
mit Unglück, dem Ungerechten mit Glück gelohnt werde”. Wenn 
Giesebrecht daraus macht, „ich möchte die Aussagen Hiob’s dahin 
abschwächen : Hiob stelle nur fest, nicht immer gehe es nach gött- 
lioher Nchickung dem Gottlosen wohl, dem Frevier übel“, so Iäfst doch 
wohl Giesebrecht sich eine Abschwächung meiner Aussagen zu 
Schulden kommen, nicht ich derer Hiob’s. Nun scheint aber Giese- 
brecht, wenn er im Gegensatze su mir „in c.21 und 24 geradezu die 
Umkehrung der sittlichen Weltordnung behauptet“ findet, wirklich der 
Meinung zu sein, Hiob sage das, was ich in der oben angeführten 
Stelle als Unsinn bezeichnet hatte. Er mufs dann nur nicht glaubes 
Merx auf seiner Seite zu haben, von dem er eine Stelle (aus 8. XII) 
gegen meine Anführungen citirt. Denn in dieser Stelle sagt Merx 
ausdrücklich und G. druckt es ab, dafs nach Hiob’s Aeufserungen 
Gott zu dem Wesen des Menschen in keinem sittlichen Verhältnis 





des Buches Hiob. 217 


Zur besseren Uebersicht über das gewonnene Resultat 
sihliefse ich die Behandlung von c. 27 mit einer kurs 


whe (vgl. dafür =. B. 9, 22 ff), und dafs das ebensogut sei ale keinen 
astt annehmen. Ganz richtig; verstehe ich aber G. recht, so ist nach 
am Hiob's Gott allerdings vorhanden, er ist aber ein — Teufel, da 


= alles Gute bestraft und alles Böse belohnt. Somit hat Giesebrecht . 


Cerx mifsverstanden,. nicht ich, wie G. mir vorwirft; denn auf den 
ma mir angeführten Seiten XXVIII und XIII sagt Merx wörtlich : 
En seinem tiefsten Inneren ist Ijjob . . . nie völlig von seinen ersten 
Ehilistischen Anschauungen überzeugt gewesen“ und „Oder sollte der 
Iensch nicht die ihm innewohnende Idee von einer gerechten Welt- 
rdnung . . . festhalten können trots des Widerspruchs der Sufseren 
zfahrung?“ Ferner sagt G. ı „Beachten wir nur das Entsetzen, 
reiches Hiob nach 21, 6 ergreift, wenn er an die Thatsachen denkt, 
ber welche er zu den Freunden reden will; dafs es den Gottenfürch- 
gen nicht immer wohl geht, war ihm doch keine so neue entsetsen- 
rregende Sache“. Der Ausdruck könnte klarer sein. Boll es heilsen 
dafs auch die Gottesfürchtigen schlimme Tage erleben“, so sagt os 
ichts und trifft es meine Ausführungen nicht. Soll es heifsen, dafs 
ı auch nur einen Gottesfürchtigen giebt, dem es endgültig schlecht 
sht — und nur so trifft os, wie es soll, meine Ausführungen — 50 
wis ich ganz anderer Meinung sein als G. Das Sprichwort „einmal 
t keinmal* ist doch nirgends übler angebracht als Gott gegenüber. 
th behaupte, dafs der erste völlig sichere, durch nichts zu bemän- 
sinde oder abzuleugnende Fall, wo ein Gerechter im Elend unterging, 
m folgerichtig denkenden alttestamentlichen Frommen an seinem Gott 
re machen und eben zuder von Merx „nihilistisch“ genannten Welt- 
schauung führen mufste. Genau so ist os Hiob ergangen, als er die 
hatsache am eigenen Leibe spürte, die er bei Anderen anzuerkennen 
eht geswungen war; die weiteren Beispiele fanden sich nachträglich 
icht. Nur als unverwirklichtes Postulat konnte sich dann der Glaube 
ı einen gerechten Gott noch halten. Aus dem Dilemma gab es keinen 
ıderen Ausweg, als sich bescheiden und auf eine Lösung hoffen, und 
w Ausweg schien versperrt durch die Hoffnungslosigkeit seines 
sidens. — Zum Beleg meiner su Eingang dieser Anmerkung citirten 
hese würde übrigens schon das Twp 21, 17 genügen, weitere Stellen, 
Ugültig, weil auch das Gegentheil schon 9, 22 ff. zu finden ist, vgl. 
9 meiner Schrift; auch das richtig verstandene cap. 24 kann dasu 
snon. — Uebrigens kommt G. endlich auf dasselbe heraus wie ich 
. 10), nur benutzt er als Ueberleitung das oben erwälnte fragwürdige 
rständnifs von v. 8—10. 


218 Budde, die Capitol 27 und 28 


gefafsten Paraphrase des Capitels nach meiner Auslegung. 
„(v. 2) Bet demselben Gott, der mir mein unverdienta 
Leiden gesandt hat, (v. 3) schwöre ich mit vollem Bewuls- 
sein, (v. 4) dafs ich mich nie su der Lüge verstehen werds, 
(v. 5) Euch Recht su geben und die Behauptung meiner 
Unschuld (v. 6) und Gerechtigkeit fahren su lassen; mein 
Gewissen tritt gegen keinen Tag meines Lebens als Kläger 
auf. (v. 8—10) Mich von des Gottlosen Treiben fern zu 
halten, genügte schon die trostlose Unseligkeit, die des Frev- 
lers sicheres Loos ist; (v.7) nur meinen Feinden könnte ich 
solch ein Loos wünschen. — (v. 11) Lafst Ihr Euch von 
mir belehren über Glottes Verfahren mit den Menschen, 
(v. 12) über das Ihr so treffend su reden wilst, während 
Ihr nicht seht, wie Ihr seine Vergeltung durch Eure Lügen 
selbst auf Euch herabsieht. (v. 13 ff.) Bo mule ich Euch 
sagen, dals Gott den Frevler unerbittlich bestraft.* 

Wir wenden uns nun zu cap. 28. Gerade hier sind, 
wie mir scheint, eine Reihe von Mifsverständnissen aus 
dem Wege zu räumen, die zum Theil erst die jüngste Zeit 
geschaffen hat. | 

Wie heifst der Gegenstand des 28. Capitels? Die 
Weisheit. Man glaubt, die Frage sei beantwortet; aber 
nun erst hebt das Fragen an. Welcherlei Weisheit ist 
hier gemeint? Ist die gemeinte moralischer oder intel- 
lektueller Natur; ist sie die göttliche als Prinzip der Welt- 
regierung, vielleicht auch blofs kosmologischen Inhalts, oder 
die Kunst richtigen Denkens und Handelns für den Men- 
schen, der Weg zum Glück? Das alles sind missige 
Fragen. Weisheit ist die Fähigkeit richtiger Erkenntnis 
sowohl des Vorhandenen als des zu Leistenden, der dasu 
erforderlichen Mittel und ihrer Handhabung, also, wie 
Wellhausen richtig sagt, „ein Wissen (und Können)*. 
Ihr Gebiet ist ein unumschränktes, alle vorhandenen Gegen- 
stände, seien sie körperlicher oder geistiger Natur, sind 
auch Gegenstände der Weisheit. Die Weisheit als solche 


des Buches Hiob. 219 


rernnag alle Aufgaben zu lösen, wer sie besitzt, benutzt 
sie waur verschieden zu seinen Zwecken, ohne dafs das 
Wesen der Weisheit sich damit veränderte. Wer sich 
Meübsermeugen will, welchen verschiedenen Zwecken dieselbe 
Wreisheit nach hebräischer Anschauung dient, wie vielen 
Mufgaben sie gewachsen ist, der braucht nur Prov. 8 nach- 
zzulesen, wo doch gewifs nur von einer Weisheit die Rede 
Sat!) Nun wird in unserem Capitel gefragt, wo die Weis- 
eit zu finden ist; da der Fragende ein Mensch ist und sie 
sich wünscht, würden wohl menschliche Zwecke der 
eisheit, wenn sie gefunden werden sollte, gesetzt werden. 
ber wenn nun nach langem Suchen die Weisheit endlich 
=yur da gefunden wird, wo man sie stets gewulst, bei Gott, 
“wenn von der Anwendung gesprochen wird, die er von ihr 
‘macht : folgt dann daraus, dafs der Mensch die Weisheit 
gerade gesucht habe, die dass geschickt ist oder dafs er 
sie zu diesen selben Zwecken gewünscht hat? Oder wenn 
das positive Resultat des Suchens für den Menschen end- 
lich ein Gegenstand ist, der einen anderen Namen führt, 
Furcht Gottes : folgt denn daraus, dals der Mensch gerade 
diese oder doch ein specifisch moralisches Gut gesucht hat? 
Weisheit ist Weisheit wie Gold Gold ist. Wenn der Al- 
chymist vergangener Zeiten nach langen vergeblichen 
Mühen zu der Ueberzeugung kam, dafs Gold eben nur 
da zu suchen sei, wo es bisher gefunden wurde, im Erd- 
reich und dem Sand der Flüsse : wurde er dadurch nach- 
träglich zum Goldgräber und Goldwischer? Oder fand 
er zwar nicht Gold, wohl aber, wie die Sage von Berthold 
Schwarz erzählt, Schiefspulver : war dann durch dies Re- 
sultat sein bisheriges Streben der Kriegswissenschaft oder 


!) Dafs das Buch Hiob später ist als Prov. 1—9, dafs dieses Buch 
im Buche Hiob benutzt wird, kann keinem Zweifel unterliegen. 
Statt aller Bewoise diene hier der Vergleich von Hi. 15, 7 und Prov. 
8, 35. 8. unten. 


290 Budde, die Capitel 27 und 28 


der Feuerwerkerei oder dem Bergbau gewidmet gewesen? 
Ganz so verhilt es sich hier. Gesucht wird die Weisheit 
als solche; ob der Suchende sie findet, ist wie bei allem 
Suchen die Frage; findet er sie nicht, so fragt sich weiter, 
ob das Suchen etwa ein anderes Resultat ergeben hat. 
Auf diese Fragen giebt cap. 28 die denkbar klarste Ant 
wort. 

Die ersten 11 Verse besagen, dafs der Mensch «& 
weit gebracht hat im Finden und Heben aller möglichen 
Schitze'). 

v. 12—22 bezeugen im Gegensatze dazu, dafs die Weir 
keit weder der Mensch?) noch irgend ein Wesen oder Gebiet 
der weiten Welt besitzt noch zu finden weils, trotzdem 
man um ihres unvergleichlichen Werthes willen alle Schätze _ 
der Welt für sie geben würde. Es wird auch hier nur | 
weniger Erläuterungen bedürfen, um irrige Auslegungen 
und Schlüsse zurückzuweiseu. Dillmann hebt hervor, 
dafs die Weisheit hier als ein Gut dargestellt sei, dafs er- 
örtert werde, ob und wie und wo es erworben werden 
könne, dafs durch den Ausdruck Moon 3wy angedeutet 
werde, dafs sie sich in Besits nehmen lasse, und will dar- 
aus schliefsen : es könne nicht die göttliche Weisheit als 
Prinzip der Weltregierung gemeint sein, sondern (etwas 
dem Menschen Erreichbares) „das bekannte Ideal mensch- 
lichen Strebens, das eine bekannte Hauptgut unter allen 
Gütern“®). Diesen Schlüssen ist zwar Giesebrecht in 
sehr ausführlicher Auseinandersetzung entgegengetreten, 





') Der Protest Giese brecht’s gegen dieses Wort auf Grund des 
Umstandes, dafs auch wnedle Metalle in v. 1—11 genannt würden 
(3. 16, vgl. seine Argumentation daraus 8. 43), hat umsoweniger Ein- 
druck auf mich machen können, als G. selbst wieder in diesen Fehler 
verfällt (8. 27). 

*) Dafs in v.13 mit LXX eto. #97 für. myy zu lesen ist, kenn 
schwerlich bezweifelt werden. 

*) Vgl. 8. 249 und 254. 





des Buches Hiob. 931 


er leider so, dafs damit nichts erreicht wird, weil er den 
smtlichen Grundfehler der Schlufsfolgerung selbst nicht 
unden hat. Seine langen Auseinandersetzungen tiber 
Wiche und eigentliche Redeweise (8. 26—28) thuen nichts 
> Sache, ebensowenig wie der Hinweis auf die Artikel- 
igkeit von mar Wwe (v. 18), das er deshalb „rein hypo- 
stisch, „ein Weisheitsbesitz? (wenn wir ihn uns als mög- 
h denken wollen)* meint übersetzen su müssen (8.19) ?). 
s wenn 19%) 729 hier nicht eben so hypothetiach sein 
ude, als der artikellose Ausdruck. Ist denn etwas, was 
nicht erlangen kann, darum weniger ein Gut, darf ich 
um nicht von dem im Geiste vorgestellten Besitz des- 
sen reden? Man setze in unserem Abschnitt zur Probe 
rige Jugend“ überall an die Stelle der Weisheit und 
ge sich, ab dieser Gegenstand „frommer Wünsche* 
ht ganz dieselbe Behandlung vertrüge. Dies eine Bei- 
a1 für viele. Es giebt viele unerreichbare Güter; ein 
ıriftsteller aber kann, wenn es sich um ein solches han- 
t, unmöglich deutlicher reden, als indem er dies mit 
lichten Worten sagt, wie unser Dichter in v. 13 und 
terhin. Dies unerreichbare Gut (für den Menschen und 
ganze Schöpfung) ist aber hier die Weisheit und nicht 
8 göttliche“ oder die menschliche. Deshalb spricht der 
thter allerdings hier nicht den selbstverständlichen Satz 
‚ „dals die göttliche Weisheit nur bei Gott, nicht bei 
ım Geschöpf, zu finden sei* (so Dillmann’s Einwurf 
264), wohl aber den nicht selbstverständlichen, dafs die 
isheit, von der ein jeder weils, dafs Gott sie besitzt, 
ihm gehört und gehören kann, nicht von einem Andern 
erwerben ist*). — Aber „zwischen denen, die die Weis- 
‘nicht erkennen und dem, der sie vollkommen erkannt 





1) Uober G's Schlüsse aus der Artikellosigkeit s. weiter unten. 
*) Jeder Sats wird selbstverständlich, wenn man sein Prädikat im 
Subjekt aufnimmt, 





999 Budde, die Capitel 37 und 38 


hat“, findet G. (wie vor ihm s. B. Schlottmann) md 
eine mittlere Stufe angeführt, eingenommen von den Todten, 
zu welchen nach v. 22 wenigstens eine dunkle Kunde va 
ihr gelangt wäre (8. 19 f.). Also selbst vom Hirensaga 
kennt der Mensch u. s. w., somit auch Hiob (nach stag 
eigenen Aussage), die Weisheit nicht : wie kann er dm 
von ihr reden?! Wie kann er ihren Namen wissen, ihre 
Werth preisen, sie Gott beilegen und bei ihm wita 
lassen, wenn er nicht einmal vom Hörensagen von ik 
weils? Und die gewaltige Stufe zwischen den übrige 
Geschipfen und Gott, die durch ein Hörensagen im Ve 
gleich mit völligem Nichtwissen bezeichnet wird! Abe 
der Gedanke selbst, hier einen Uebergang zu erwarten, zeugt 
nicht eben von hervorragender Empfänglichkeit fürästhetische 
Wirkungen. Weder ein Mehrwissen noch ein Minderwina 
(wie Andere wollen) wird 33 und mx zugeschrieben'), 
sondern sie sagen dasselbe wie ihre Collegen om 
und o in v. 14 : an m) oder “wy Im; aber sad 
sie wählen wie I aus Gefälligkeit für den Dichter eine 
anderen Ausdruck dafür. — Also kein Gebiet der Wet 
noch dessen Bewohner besitzt die Weisheit oder weils ae 
zu finden. 

Gott kennt den Weg zu ihr und weils ihren Fundort 
u. 8. w. (v. 23—27)*). Auch hier bleibt der Dichter ba 


— 





ı) Von den Todten, den Abgeschiedenen selbst ist hier nicht ds 
Rede, der plur. Yyı geht auf Abgrund und Tod (vgl. 88, 16—18). 

*) Eine exegetische Erörterung über v. 24—26 wird nicht zu um 
gehen sein. Es gab eine Zeit, wo man sich darüber einig war, dai 
v. 25 dem folgenden Verse genau parallel sei, einen neuen Sats be 
ginne, das Pyiyyb nicht von v. 24 abhänge (so schon Schulter: 
und Bouillier). Auch Ewald drang mit der Uebersetsung ‚u 
dem Wind Gewicht zu geben u. s. w.“ nicht durch, bis Dillman: 
ihr beitrat. Von ihm übernahm dieselbe mitsammt der Begründen 
Zöckler; dann wurde sie von Hitsig und Hongstenberg vu 
treten; Delitzsch, der früher anders urtheilte, verbindet in & 


des Buches Hiob. 993 


der bisher nothwendig gehandhabten Objektivirung der 
Weisheit. Sie ist ein Etwas für sich, auch aulser Gott, 


B. Auflage v. 25 mit v. 24 (wenn auch unter Beibehaltung der gerun- 
pivischen Fassung); Giesebrecht verweist einfach auf Dillmaan’s 
„sehlsgenden Nachweis“. Dieser Umschlag scheint mir sehr beklagens- 
werth, weil die ganze Stelle durch diese Auslegung sohwer geschädigt 
wird. Das yg in v. 27 nimmt nachdrücklich alle zeitlich Axirbaren Hand- 
lungen des nächsten Zusammenhanges auf. Als die dadurch beseich- 
nete Zeit ergiebt sich aus v. 36 nothwendig die der Weltschöpfung. 
Auf diese surlicksugeben awingen nicht minder die Parallelstellen im 
Buche der Sprüche. Mit v. 26 ist v. 36 dem Inhalte nach durchaus 
parallel. Dafs auch die in v. 35 genannten Handlungen Gottes der 
Zeit der Schöpfung angehören, bezeugt ausdrücklich für b cap. 88, 
B—11, für a wird es durch den Zusammenhang von cap. 88, 24b (vgl. 
v. 26 und 28, 26) aulser Zweifel gesetst. Wäre dagegen die Ewald- 
Dillmann’sche Auslegung richtig, so beuöge sich v. 24 f. nicht auf 
die Schöpfung, sondern auf die tägliche Regierung und Erbaltung der 
Welt. Es würde dann ferner hier ausgesagt, dafs Gott die Weisheit 
bei der Weltregierung täglich neu finde und erspähe, während unsere 
Stelle die Weisheit als den unveräufßserlichen Besitz Gottes vom An- 
beginn der Welt an darstellt. Boergäbe sich ein unerträglioher Wider- 
streit des Sinnes. Dies die sachlichen Gründe, die durchschlagend 
sind; in formeller Beziehung wird sich streiten lassen. Das perf. in b, 
pa om bildet für die Ewald’sche Auslegung eine längst erkannte 
Schwierigkeit. Erklären liefse es sich mit Hitzig und Ewald ($846b) 
als von seinem 1} getrenntes perf. consec. Ein unsicherer Beleg dafür 
ist aus dem Buche Hiob co. 5, 11 (von Allen angeführt); denn dort 
liegt für a die gerundivische Fassung (aus dem Folgesatz heraus- 
gebildet, Ewald § 280d) weit näher ; b bezeichnet dann das fertige Er- 
gebnifs als selbständiger Sats. Anders dagegen die einzigen sicher 
vergleichbaren Stellen, die ich in unserem Buche gefunden : c. 88, 17. 
84, 28. 88, 88, wo von seinem } getrennt das einfache Imperfectum 
steht, und 88,17, wo perf. cons. nicht eintritt, trotz der unmittelbaren 
Verbindung des Verbum mit dem }. Aber will man 28, 25 so auf- 
fassen, so mufs auch b in die Gegenwart, nicht in die Schöpfungsseit 
verlegt werden, und das erscheint 88, 8—11 gegenüber sehr bedenk- 
lich. Schon Ewald übersetzt deshalb, soweit ich sehen kann, im 
Widerspruch mit seiner in der Grammatik niedergelegten Auffassung, 
sonderbar : ,dafs das Meer er wog mit Male“, und erklärt das perf. 
daraus, dafs das in 25b Gesagte schon seit der Schöpfung fortdauere; 
Dillmann läfst ausdrücklich den Absichtasatz iu einen Folgesatz 


994 Budde, die Capitel 27 und 28 


der den Weg zu ibr und ihrem Fundort weifs, der sie ge 
sehen und durchforscht hat. Aber da niemand anders su 
ihr kommen kann, da Gott gerade bei der Schöpfung, 
seinem Werke xat’ éSozny (vgl. c. 38), sie „fand“, so ist 
es völlig klar, dafs sie, die Weisheit, sich als Gottes von 
ihm untrennbarer Besitz, als ihm eigen, als Theil seines 
Wesens entpuppt hat. Darum die schembar sich wider- 
sprechenden Prädikate in v. 27, die chiastisch geordnet 
einmal die Weisheit von Gott gesehen und ergründet, das 
anderemal sie kundgethan') und festgestellt sein lassen. 
„Denn“, so sagt Hitzig richtig, „seine Weisheit ist die 


umschlagen, vou der Erhaltung zu der Schöpfung. Boll aber b ab- 
hingig von dem präsentischen Satze v. 24 bleiben, wie dies von Dill 
mann angenommen wird und werden muls, so ist ein Rtickechlag auf 
die Schöpfung logisch unmöglich. — Andererseits wird man Dil] mana 
sugeben müssen, dafs der yerundivische Infinitiv ein voraufgehendes 
verb. finit. verlangt. Es wird daher wohl bei zeitlicher Fassung des 5 
und der Berufung auf 2 Sam. 18, 29 bleiben müssen, die Dillmann 
ohne Notk verwirft. Uebrigeus mufs darauf hingewiesen werden, wie 
wenig auch v. 24 in den Zusammenhang pafet. Wenn bisher schon 
jedes Gebiet der Welt versichert hat, dafs in ihm die Weisheit nicht 
zu finden sei; wenn aus dem Folgenden sich ergiebt, dafs die Weisheit 
aur bei und in Gott zu suchen ist, und zwar seit Beginn der Welt, 
so kann ein Schauen bis zu den Enden der Erde und unter dem 
gansen Himmel hin schwerlich zu ihrer Eutdeckung führen. Der Vers 
leitet nur irre in der Auffassung des Folgenden. Ich wage deshalb 
die Vermuthung, dafs er Glosse ist, aus falsch-sinnlichem Verst&ndnifs 
des WwW und Diy in v. 23 hervorgegangen. Vielleicht ist dam 
später auch das erste Wort von v. 25 umgestaltet, um dem einge 
schobenen Verse eine Stütze zu geben, unter Mifsdeutung auch seines 
Inhalts auf die Erhaltung statt auf die Schöpfung. 


') Bo (im Ganzen mit Kamphausen, Hitsig u. s. w.) gegen 
andere Uebersetzung. Die Dillmann’sche, der sich in der 2. Aufl. 
auch Delitzsch fast ganz anschliofst, verwischt diesen Gegensats 
und läfst nur die eine Reihe der völlig objektivirten Weisheit übrig. 
Dagegen spricht schon Prov. 8, 22 ff. (vyl. besonders das m. 22), 


die Stelle, auf die Dillmann selbst sich beruft (vgl. hier gegen Dill- 
mann auch Giesebrecht 8. 21 f.). 


des Buches Hiob. 29% 


Weisheit selbst, sein apn reicht gleich weit“. Handlungen 
aus dem grofsen Werke der Schöpfung werden angeführt, 
weil sie die ersten sind, in denen sich die Weisheit kund- 
gethan hat, und zugleich die grölsesten, von denen aus 
der Schlufs a.majori ad minus sich ergiebt : wer das ge- 
than und durchschaut, der weils und kann alles, der besitzt 
die Weisheit als solche. Darum auch verlangt Gott von 
dem weisen Hiob (38, 4) zum Beweise Antwort auf Fragen, 
die die Schöpfung betreffen. Daraus also, dafs die Weis- 
heit, die Gott nach v. 23 ff. besitzt, nothwendig dieselbe 
sein muls, welche in und von der ganzen Welt nicht ge- 
funden wird, wird rückwärts wiederum klar, dafs die ge- 
suchte Weisheit auch jene Fragen über den Weltsusam- 
menhang, ja die Regierung der Welt selbst, die zum aus- 
schliefslichen Machtbereiche Gottes gehört, zu lösen und 
zu leisten im Stande sein würde’). Gesucht ist also weder 
die göttliche noch eine menschliche. Weisheit, sondern die 
Weisheit als solche, und das Ergebnifs des Suchens ist, 
dafs nur Gott dieselbe kennt und besitzt. Dafßs die ge- 
suchte Weisheit zunächst und an sich intellektueller Natur 
ist, nicht moralischer, ergiebt sich daraus mit Nothwen- 
digkeit und ist besonders von Wellhausen (Bl. 8. 541) 
gut hervorgehoben, von Giesebrecht eingehend be- 
sprochen worden. 

Aber darum ist die Weisheit kein reines, passives 
Objekt, wie Delitzsch bei seiner Auffassung unserer 
Verse darauf hinauszukommen scheint. Er meint unter 
Vergleichung von Prov. 8,22—31 sagen zu dürfen (2. Aufl. 
S. 373) : „Die warn ist die göttliche Idealwelt, die gött- 
liche Imagination aller Dinge vor ihrer Schöpfung, der 


9) Doch braucht man darum keineswegs aus dem kosmologischen 
Charakter dieser Verse besondere Schlüsse zu sieben oder von Hiob 
daraus auf ethische Verhältnisse schliefsen zu lassen, wosu besonders 
Merx neigt. 

Zeitsehrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 3. 1888. 15 


996 Budde, die Capitel 27 und 36 


einheitliche Complex aller der Ideen, welche die Wahrheit 
der Creaturen und das Ziel ihrer Entwickelung sind. Sie 
ist nicht geradezu eins mit dem Logos, aber der Logos ist 
der Demiurg, durch welchen Gott nach jenem innergött- 
lichen Urbilde die Welt ins Dasein gesetst hat. Die We» 
heit ist das unpersönliche Modell, der Logos der persta- 
liche Werkmeister nach jenem Modell.” Wenn im Vor 
hergehenden die Weisheit als aller Schätze gröfßster ge 
priesen wird, so mufs sie etwas nütze, so muls sie wirksam 
sein : eine Idealwelt, ein blofs unpersönliches Modell ohne 
den „persönlichen Werkmeister Logos“ dazu kann zu nichts 
nützen; dafs es einer ferneren Ergänzung zur Weisheit 
noch bedürfe, davon steht nichts zu lesen. Vergleicht 
man aber vollends Prov. 8, 22 ff, so nennt sich dort m 
v. 80 die Weisheit jinx, und Delitzsch übersetzt das 
selbst mit , Werkmeister* (Comm. 1873, 8.147), ja er sagt 
dort wörtlich : ,. . . sie (die Weisheit) war es, welche die 
in Gottes Schöpferwillen urständenden und durch sein 
Schöpfergeheils in Bewegung gesetzten Schöpfungsgedanken 
aus ihrer idealen Wirklichkeit in reale umsetzte und gleich- 
sam die Entwürfe der einzelnen Creaturen künstlerisch 
ausführte; sie war die Mittelursache, die demiurgische 
Macht, deren sich die göttliche Schöpferthätigkeit bediente, 
wie 3, 19 gesagt wird u. s. w.“ Also was Delitzsch 
dort als Objekt der wirkenden Weisheit nennt, das macht 
er im B. Hiob zur Weisheit selbst; was ihm dort die 
Weisheit selbst ist, macht er hier zum Logos. Streichen 
wir die beiden Stellen fremde Vorstellung von der gött- 
lichen Idealwelt, so kann kein Zweifel sein, dafs De- 
litzsch sum Spruchbuche das Richtige anmerkt; gerne 
möchte man dann darin die Berichtigung seiner Erklärung 
von Hiob 28, 23—27 erkennen, wenn nicht die 2. Aufl. 
des Hiob-Commentars vom Jahre 1876 die Stelle unver- 
ändert wiederbrichte. Die beiden Stellen nebeneinander 
zu begreifen, will mir bei dem besten Willen nicht ge 


des Buches Hiob. 997 


: ingen; die Bemerkung (schon in der 1. Aufl. des Hiob- 
Comm.) : „Indefs sind die Begriffe weder hier noch in 
dem verwandten jüngeren Schriftstück Spr. 8, 22—31 
schon so geschieden, wie es nur die neutest. Gottesoften- 
barung ermöglicht hat“, ist doch nicht im Stande die Ver- 
wirrung zu beseitigen. Für unsere Stelle verfällt in den 
Fehler Delitzsch’s auch Dillmann, wenn er das Aryı 
deutet „er stellte sie zur Betrachtung hin, so wie ein 
Künstler oder Baumeister die min“, wenn er von einem 
gründlich erkannten Muster, von einem wirklichen Schaffen 
nach ihren Ideen redet. Auch er beruft sich dabei neben 
c. 15, 8 (wo ja nichts weiter steht, als dafs in Gottes Rath 
Weisheit zu haben ist) auf Prov. 8, 22—31 als weitere 
Ausfihrung'). Uebrigens scheint mir Giesebrechts 
Tadel, dafs Dillmann den Versen 23-27 sowie ihrem 
Verhältnis zum Vorhergehenden nicht gerecht werde 
(8. 26, 27), allerdings begründet. 


Es bleibt noch zu behandeln der Satz, in dem das 
ganze Capitel gipfelt, v. 28. „Und er (Gott) sprach zum 
Menschen : Siehe, die Furcht des Herrn, das ist Weis- 
heit, und das Böse meiden ist Einsicht.* So eine ganz 
ungefärbte wörtliche Uebersetzung, in welche noch keinerlei 
Specialverständnifs des Zusammenhangs mit dem Vorher- 
gehenden aufgenommen ist. 

Zuerst wird man fragen müssen : warum, nachdem 
bisher rein objektiv nach der Weisheit gefragt worden, 
giebt hier Gott dem Menschen eine Antwort? Eintach 
darum, weil der Mensch nach der Weisheit suchend das 
Subjekt des ganzen Capitels ist, weil der in seinem Inter- 
esse die ganze Frage aufgeworfen hat. Das steht nicht so 


1) Richtig dagegen Ewald, der die Weisheit Dienerin und Bild- 
nerin nennt, die in der Schöpfung bildend und erhaltend hervortreten 
und sich offenbaren mufs. 


15* 





238 Budde, die Capitel 37 und 28 


wörtlich zu lesen, ist aber aus dem Zusammenhang ki I 
und sicher abzuleiten. Gold, Silber u. a w. werdag 
sucht und gefunden, und wird auch der Mensch mit Nang 
kein einziges Mal genannt, so mufs er doch das in Oi 4. 
das Pronomen und des aktiven Verbs auftretende Sabjdt 5 4 
sein, die ganze geschilderte Arbeit ist die des Bergmam, 
In dem folgenden Satse v. 12 mufs deshalb das logie 
Subjekt des apa Tan MOQ, der Suchende, ebense de 
Mensch sein, wie denn v. 13 ihn sogleich einführt, alsda, 
der den Weg zu ihr nicht weifs, sie auf der Erde nid 
finden kann. Die anderen Geschöpfe suchen sie nicht fir 
sich, sie antworten nur dem fragenden Sucher, dafs & 
nickt im Besits der Weisheit seien, ihm also nicht des }; 
verhelfen könnten. Nun ist der gefunden, der dem Funde |, 
der Weisheit nicht nur kennt, sondern der sie in Bests j, 
und Gebrauch hat. An ihn also wendet sich gleichsam de |, 
suchende Mensch mit Frage und Bitte, weil er der einzig | 
ist, der ihm die ersehnte Weisheit geben kann, wenn « 
will. Und nun thut sich des Besitzers, Gottes Mund au, 
und der Mensch erhält nach langem vergeblichem Suche 
und Hoffen seinen Bescheid. 

Man könnte gegen diese Darlegung des Zusamme- 
hangs einwenden, dals das spe in v. 28 doch unmittelbe 
an die Verse anknüpft, die gleichsam den Erwerb de 
Weisheit durch Gott bei der Schöpfung schildern, alo 
nicht jetzt gesprochen werden, sondern längst gesprochen 
und ein für alle Mal vorhanden sind. Das ist ganz richtig, 
nichtsdestoweniger aber wird diese Antwort immer wieder | 
von neuem dem Menschen gegeben, der die Weisheit suck, 
und so ist sie, wenn schon uralt, doch immer neu, wel 
mit jedem neuen Menschenleben auch Sehnsucht und 
Suchen wieder erstehen kann. Es ist also sicher in v. 2 
die Antwort enthalten, die dem nach Weisheit suchenden 
Menschen wird, und zwar die einzige, die ihm werde 
kann. 





















des Buches Hiob. 939 


Diese Antwort besteht in einer Definition der Weisheit 
tal der Einsicht'), für welche in einfachem Nominalsatse, 
rer besonders nachdrücklich hinweisend (vgl. das fi und 
Mi), gleichwerthige Begriffe gegeben werden : „Furcht 
ws Herrn“ und „das Böse Meiden*. Grammatisch be- 
schtet sind diese letsteren Begriffe nachdrücklich voran- 
stelltes Subjekt, logisch betrachtet liegt in ihnen die 
mpeage, d. i. das Prädikat. Sie sind das vom Menschen 
ssuchte, die Weisheit. Nehmen wir das zunächst ein- 
sh nach dem Wortlaut als vollkommen richtig an und 
wen wir weiter, inwiefern damit das Suchen des Men- 
hen, sein Verlangen nach dem Besitz der Weisheit, be- 
edigt wird. Es wird das dann der Fall sein, wenn er 
sh in den Besitz der für die Weisheit eingesetsten Werthe 
| setzen vermag, also wenn es ihm gelingt, ein ‘se KT 
id yo WW zu werden. Dafs dies möglich ist, beweist so- 
eich der erste Vers des gansen Buches, wo Hiob selbst 
ese Eigenschaften beigelegt werden, und c. 1, 8. 2, 3, 
o Gott sogar ihm dieselben zugesteht; aus dem Ausdruck 
ht dort zugleich hervor, was auch sonst ersichtlich, dafs, 
»schon nicht in gleichem Grade wie Hiob, auch andere 
'enschen sie besitzen. Dafs Hiob selbst sich diese Eigen- 
thaften zuspricht, braucht nicht erst bewiesen su werden. 
araus folgt, dafs jedenfalls Hiob nach dem von ihm an- 
eführten Ausspruch Gottes weise ist, die in cap. 28 ge- 
ıchte Weisheit besitzt und sie längst besessen hat, ehe 
r in dieser Rede tiber sie sprach. Er mufs sich selbst 
essen nicht bewulst gewesen sein, denn sonst könnte er 
icht in v. 13 sagen, dafs kein Mensch den Weg zu ihr 
isse, und ferner, dafs sie in der ganzen Schöpfung nicht 
a finden sei. Weil sie nach einem bloisen Namen suchten, 
sssen Inhalt sie nicht kannten, deshalb haben alle Ge- 


*) ea, die stets im unserem Capitol mit Igyy} gekoppelt vor- 
omm¢t, aufser in v. 18. 





930 ‘Budde, die Capitel 27 und 28 


schöpfe sie nicht finden können. Dafs Gottesfurcht und {' 
Meiden des Bösen gleichwerthig mit der Weisheit seien, |' 
ist demnach die neue, überraschende Erkenntnifs, mittel | 
deren das Räthsel dieser Rede gelöst wird. Vor allew | 
aber müssen die grofsen Räthsel des Lebens Hiob’s danı 
gelöst sein. Er ist sich fortan bewulst, den gröfsten Schats 
zu besitzen, den eın Mensch haben kann (vgl. v. 15—19): 
was kann ihm zum höchsten Glücke, zum Ideal mensch- 
licher Lebensgestaltung noch fehlen? Welche Frage, 
welches Räthsel kann ihn fortan noch quälen, da er den 
Schlüssel zu allen, die Weisheit selber, besitzt?!) Ich 
brauche nicht fortzufabren; die Behandlung der folgenden 
Capitel, 29—-31, wie sie im Anschluß an 27, 8—10 oben 
gegeben wurde, reicht vollständig aus, um durch alle diese 
Berechnungen einen Strich zu machen, und daraus folgt 
mit Nothwendigkeit, dafs der Ansatz falsch war, dafs Furcht 
Gottes und Meiden des Bösen eben nicht die Weisheit ist, 
die mit den übrigen Menschen Hiob vergeblich gesucht 
hat*). — Zu demselben Ergebnifs führt eine andere Er- 
wägung. Setzen wir die Worte von v. 28 in die nächst 
vorhergehenden vv. 23—27 ein, so fragt sich, ob die in 
v. 2b. 26 genannten Werke auch Werke der Gottesfurcht 
sind? Unmöglich. Und doch sind es Werke eben der 
selben Weisheit, die von v. 12 an gemeint ist, wie denn 
v. 23 blofs mit dem Suffix die Begriffe Mo»r und 93 aus 
v. 20 anzieht, von denen inzwischen v. 21 f. noch ganz in 





1) Getrost darf man alles hier einfügen, was in Prov. 8 von den 
Früchten der Weisheit aufgezählt wird. 

*) Die Berechtigung dieser Bohlüsse wird durch keine mögliche 
oder unmögliche Beziehung der ganzen Rede umgostolsen. Möge auch 
die Rede nur sur Erklärung des Geschickes der Frevier (27, 13 fi.) 
da sein oder su Nutz und Frommen beliebiger Personen : immer gilt 
ibr Ergebnifs für alle Menschen und kann daher auch auf Hiob An- 
wendung finden. Palst sie auf ihn nicht, so ist das Räthsel eben nicht 
gelöst, 


des Buches Hiob. 981 


der Weise von v. 13 f. versichert haben, dafs die Vögel, 
alle Lebewesen, Abgrund und Tod ihre Stätte nicht 
kennen’). In c. 38 ff. verlangt Gott von Hiob Antwort 
auf eine Menge von Fragen, die er müsse geben können, 
wenn er im Besitze von Erkenntnils sei (v. 43 NYT OR, 
die stehende Parallele von "nom in cap. 28). Auch auf 
diese Fragen giebt die Gottesfurcht keine Antwort, ja 
Gott scheint hier sein eigenes Wort in 28, 28, das dem 
Hiob Weisheit suspricht, Lügen zu strafen. — Demnach 
Behauptet Hiob tn v. 28, dale Gott dem Menschen unter 
dem Namen der Weisheit an ihrer Statt etwas Anderes ge- 
geben habe, was sich nicht mit der Weisheit deckt. 

Ehe wir zu näherer Beleuchtung dieses Ergebnisses 
übergehen, werden noch andere Versuche zu besprechen 
sein, die an einer so bedenklichen Auffassung vorbeizu- 
kommen meinen. 

In seiner Art sehr fein ist gewils der von Delitzsch 
soweit ich sehen kann nicht nur vertretene, sondern auch 
gefundene Erklärungsversuch. Hier wird klar, warum er 
in der p>r1, wie oben besprochen, die göttliche Idealwelt 
sehen will, den einheitlichen Complex (also auch die Summe) 
aller der Ideen, welche die Wahrheit der Creaturen und 
das Ziel ihrer Entwicklung sind. Denn danach ist die 
Weisheit einem jeden Geschöpfe bei der Schöpfung bereits 
angeboren, weil in ihm verwirklicht, aber derart, dafs die 
ganze mögliche Weisheit, die ein Geschöpf erhalten kann, 
eben nichts ist als seine eigene Idee aus jenem Complex 
der Ideen heraus. Ist somit jene Deutung von mar richtig 
und können die in v. 28 dafür gegebenen Werthe als die 
„Idee“ des Menschen gelten, so stimmt v. 28 mit dem Vor- 
hergehenden : der Mensch hat seine ganze Weisheit erhalten. 
Nun hat überhaupt wohl die ganze platonisehe Ideenlehre 


*) Dies gilt gegen alle diejenigen, die den Begriff der Weisheit 
von v. 12-32 anders fasson möchten als in den folgenden Versen. 


288 Budde, die Capitel 27 und 38 


mit unserem Buche und Abschnitt wenig zu thun. Deals 
es Delitzsch selbst nicht gelingt, in Uebereinstimmung 
mit sich seine Theorie auf die verschiedenen Stellen anzu- 
wenden, haben wir oben gesehen. Hier dürfte es sehr 
schwer fallen, Furcht Gottes und Meiden des Bösen ge- 
radesu als die in der Schöpfung durch den Demiurgos- 
Logos verwirklichte Idee des Menschen zu begreifen, ds 
sie doch jedenfalls nur Eigenschaften dieser Idee, wenn 
auch die höchststehenden, darstellen könnten. Aber jeder 
Versuch, diesen Begriff der marı anderwärts einzusetzen, 
milslingt. Wie können DYM und DO! sagen „die Weisheit 
ist nicht in oder bei mir“, wenn doch thre ganse Weoishett 
in ihnen verkörpert sein mufs und unmöglich noch, wie 
bei dem Menschen etwa, einer durch freie Willensthat sa 
erringenden Ergänzung oder Verwirklichung bedarf? Wie 
kann dann gesagt werden, dafs sie auf der ganzen Erde 
nicht zu finden sei? Diese Beispiele sind abthuend. Mag 
der Mensch nach etwas suchen auf den blofsen Namen 
hin, ohne zu wissen, dafs er das Gesuchte in sich selbst 
trägt : wenn unpersönliche Schöpfungsgebiete personificirt 
werden und reden, so müssen sie damit ihr ganzes Wesen 
kund thun, wie es wirklich ist, d. h. wie der es ansieht, 
der sie reden heilst, hier also Hiob; und dieser selbst sagt 
ja von der Lebewelt aus, dafs die Weisheit in ihr nicht 
gefunden werde. Also hat er an eine solche Weisheit gar 
nicht gedacht, auch ist sie aus keinem Verse herauszulesen, 
nicht einmal bei der Delitzsch’schen Fassung der Verba 
aus v. 27. Nicht passiv, sondern aktiv ist die vom Dichter 
gemeinte Weisheit, sie schliefst sich nicht ab in den Grensen 
des einzelnen Geschipfes, sondern ist selbst eine Fähigkeit 
der Einwirkung auf andere Geschöpfe bis zur Regierung 
der ganzen Welt hinauf. 

Eine andere Auffassung, die ebenfalls den Schlufs zu 
vermeiden sucht, dafs in dem Ausspruch Gottes etwas 
Anderes an die Stelle der Weisheit gesetzt werde, erkennt 


des Buches Hiob. 233 


‘ in der Furcht des Herrn und dem Meiden des Bösen den 


Weg, das Mittel, um zum Besitz der Weisheit zu gelangen. 
Sie läfst sich weit zurück verfolgen, als wichtigste Ver- 
treter in unserer Zeit mögen hier Ewald, Schlott- 
mann, Hengstenberg, Dillmann, H. Schultz ge 
nannt werden. Dafs sie stets viele Vertreter, besonders 
auch in der sogenannten praktischen Exegese hatte, be- 
greift sich leicht : sie ist einerseite die tröstlichste, weil 
sie statt Verzicht Hoffnung gewährt, und andererseits läfst 
sie sich am leichtesten mit anderen Schriftstellen, beson- 
ders im Buche der Sprüche, in Einklang bringen. Ich 
werde ihr an der Hand von Dillmann’s Auslegung nach- 
gehen müssen, da er der Einzige ist, der ausführlicher für 
dieselbe eintritt. Allerdings mufs ich gestehen, dafs ich 
dies höchst ungern thue, weil es mir gerade hier nicht 
gelingen will, eine geschlossene, klare und widerspruchs- 
lose Auffassung bei ihm zu finden. Um sicher zu gehen, 
werde ich stets seine eigenen Worte anführen und mufs 
den Leser ausdrücklich noch auf das Buch selbst verweisen, 
damit ich nicht des Mifsverständnisses beschuldigt werde. 

Mein Recht, Dillmann’s Ansicht hier einzureihen, 
leite ich aus felgenden Stellen ab. Er sagt S. 243 : Die 
Weisheit im vollen und- höchsten Sinne . . . finde sich nur 
in und bei Gott, „der Mensch könne ihrer und ihrer Güter 
nicht anders theilhaftig werden als in der Einheit mit Gott, 
durch Furcht Gottes und Meiden des Bösen.“ Aehniich 
8. 249 : „die vom Menschen anzueignende Weisheit werde 
als ein Gut beschrieben, das der Mensch nicht wie andere 
Güter in der sinnlichen Welt, sondern nur von und bei 
Gott, der im Alleinbesits der vollen Weisheit ist, erwerben 
kann durch Gottesfurckt“. So endlich mit schlichten 
Worten 8. 256 : „schon ale er (Gott) ursprünglich diese 
Ordnung schuf, hat er nach ihrem (der Weisheit) Muster 
geschaffen, und damals auch dem Menschen den Weg be- 





234 Budde, die Capitel 37 und 28 


stimmt, auf dem für thn die Weisheit zu finden ist, stulig ‚ 
die Furcht Gottes.* 

Es wird also hier die Furcht Gottes nicht als mit de I, 
Weisheit, des Menschen Weisheit, eins aufgefalst, send 
von ihr unterschieden als der Weg zu ihr, das Mittel = 
ihr zu gelangen. Und wenn nun Dillmann (ebenhh 
auf 8. 254) die Weisheit als „die Fähigkeit des richtigm 
Denkens und Handelns® und damit „die rechte Kunst ds 
glückseligen Lebens“ bezeichnet, so ist nach v. 28 & 
Gottesfurcht Weg und Mittel su dieser Fähigkeit, a 
dieser Kunst. Es leuchtet ein, wie gut diese Auffassuy 
zu den bekannten Stellen des Buches der Sprüche pik 
(Prov. 9, 10. 1, 7. 3, 5 ff, vgl. Ps. 111, 10), wie dm 
dort überall die Erwerbbarkeit der Weisheit mit den hid- | 
sten Attributen und Prämien auf sittlich-religiösem Weg 
behauptet wird. Aber da steht auch die Weisheit auf de 
Gasse, predigt und bietet sich zum Kaufe an, da wil 
auch von solchen geredet, die die Weisheit besitzen. Fer 
ist dort der Glaube an gerechte und gleiche Vergeltung 
der Frömmigkeit wie der Gottlosigkeit durchaus ungestört, 
nicht der geringste Zweifel ist aufgestiegen, dals nict 
der Gottesfürchtige unbedingtes Lebensglück zu gewir 
tigen habe. Und ebendort wird mit klaren Worten ge 
sagt, dals die Gottesfurcht eben der Anfang der Weich 
(men, brn) sei. Von alledem ist hier gar nichts m 
lesen. Wo will man im Texte finden, dafs die Gotte 
furcht nur der Weg sur Weisheit, nicht die Weishat 
selber sei? Hätte nieht gerade hier der Dichter möglichst 
deutlich reden müssen, nachdem er in v. 12 ff. ganz anden, 
als in jenen Spruchstellen geschieht, die Unfindbarkeit der 
Weisheit für alle Geschöpfe aufs nachdrücklichste behauptet 
hatte?!) Und nachdem in v. 23 gesagt war, dafs Gott 


N) Dafs Sprüche und Hiob ganz auf einer Ntufe stehen, wird aller: 
dings oft genug als selbstvorständlich betrachtet, so wenn Delitzsch 


236 Budde, die Capitel 37 und 28 


Mit diesen letsten Aussagen sind wir wieder bei dem 
Ausgang angelangt, der schlichten Auffassung der Worte 
des Verses, nach welcher eben in dem Beschetde Gottes un 
den Menschen die Gottesfurcht für die Weisheit eingesetzt 
wird : „Gott hat dem Menschen als sein Gesets bestimmt, 
dafs für ihn Gottesfurcht Weisheit sei*. Liegt bei dieser 
Fassung der Begriff „Gesets, Ordnung” deutlich in dem 
own, das als Bescheid und Willensäufserung Gottes den- 
selben allerdings in sich schliefst, so schliefst Giese- 
brecht seine Untersuchung mit einer Formel, die zwar 
inhaltlich ganz dasselbe sagt, aber su gleicher Zeit noch 
bei Thoresschlufs das Zugeständnifs su vermeiden bestimmt 








handelnd sein Lebensgltick begründen, aber nur indem er an der Gottes 
furcht festhalt.© Der ven uns cursiv gedruckte Sats geht doch in das 
Gebiet des Intelligiblen ein, ja er eröffnet dem Menschen sogar dit 
Aussicht auf das Verständnifs des Weltsusammenhangs, auf die Be 
antwortung von Fragen wie die des cap. 88. Das wird nach dea 
Protesten auf 8. 249 und 254 Niemand aus Dillmann's Definition 
„Prinzip oder Kunst des rechten Denkens und Handelns“ herausleses. 
Wenn ferner Dillmann in der suletst im Texte angeführten Stelle 
auch die Delitssch'sche Auffassung streift oder mithinsanimast, so 
geht andererseits Delitssoh, nachdem er eben die Weisheit als die 
göttliche Idealwelt bestimmt, nach deren Muster Gott darch den Logos 
geschaffen hat, dasu über (8. 342), unseren Vers mit dem „die Furcht 
Gottes ist der Weisheit Anfang" gleichsusetsen und demnach, soweit 
ich seheu kann, eine ganz andere Auffassung su vertreten. Da mag 
denn auch noch Smend genanut werden, der, nachdem er eben davon 
gesprochen, wie Gott fürchten und seinem Willen gemäfs leben die 
dem Menschen von Gott verordnete Weisheit sei, mich auf die von ihm 
dargelegte, von Delitssch und Dillmann vertretene Auffassung 
von ©. 27. 28 verweist, mit der ich mich hätte auseinandersetzen 
müssen. Dafs Dillmann's und Delitssch's Ansichten nicht ohne 
weiteres gleichzusetzen sind, glaube ich geseigt su haben; Smead 
scheint sich dessen nicht bewufst sa sein, und doch stimmt wiederum 
seine Auffassung von v. 28 nur mit den letstgenannten Btellen Dill 
maan's überein. Ich bemerke übrigens ausdrücklich, dafs ich eine 
so eingehende Analyse der Erklärungen von Delitssch und Dill- 
mann gerne vermieden hätte, mich aber durch Bmend’s Verweisung 
und Verweis dasu genöthigt sah. 





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35 
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zum allem die Weciemung des Artikel ae su wıch- 
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das Wert chonialls chee Artikel, wo dech werkeciuem 


'Uchrigeme def Giessbrocht dame Ing cheikh —_ 


we geht (vgi & DE; 


238 Budde, die Capitel 27 und 28 


v. 12 und 20 der unveränderte Begriff gesichert ist? 
Giesebrecht belehrt uns 8. 19, dafs hier mit der Ar 
tikellosigkeit der erste Begriff der Wortverbindung, dss 
Wort 79/9, getroffen werde, weil nur hypothetisch voa 
„einem Weisheitsbesitz® geredet werden solle. Wenn abe 
der Verf. dies wollte und zugleich in v. 28 so grofses mit 
der Artikellosigkeit von mar vor hatte, so hätte er aim | 
Wortverbindung vermeiden müssen, die ihm nothwendig | 
das eine oder das andere unmöglich machte. Dafs es aber 
mit diesem hypothetischen Werth von 'n WW nichts ist, 
haben wir bereits oben gesehen. Wie ferner mar in v. 18, 
so steht der Parallelbegriff 32 überall, in v. 12, 20, 38 
obne Artikel, und wollte man die jedesmal folgenden 
Suffixe streng an das letzte Beziehungswort anknüpfen 
lassen, so handelte es sich im folgenden immer um das 
bedenkliche artikellose 92. Nun steht allerdings my3 in 
12 und 28 abhängig von OWp, und so könnte Giese 
brecht etwa auch hier den bei v. 18 gemachten Erkls- 
rungsversuch wagen; aber dafs der Otpy nicht hypothetisch 
ist, sondern wirklich existirt (wie ebendort ungenannt auch 
der 'n we), beweist ja deutlich v. 23, eine Determination 
des nomen regens brauchte also hier durchaus nicht ver- 
mieden zu werden. Lassen sich also besondere Gründe 
für das Fehlen des Artikels an keiner dieser Stellen aus- 
findig machen, so ist das Ergebnifs einfach, dals "yon ab- 
gesehen von v. 28 in unserem Capitel zweimal mit, einmal 
ohne Artikel steht, der Parallelbegriff my3 zweimal nur 
ohne Artikel, dafs also die Artikellosigkeit überwiegt. Und 
das ist im B. Hiob wie in der ganzen hebräischen Poesie 
überhaupt der Fall (vgl. jede Grammatik). Soll eines von 
beiden erklärt werden, so bedarf die Artikelsetsung, nicht 
das Fehlen desselben, hier einer Erklärung. In v. 12 trägt 
'n den Artikel, weil es stark betont und, in entschiedenem 
Gegensatz gegen einen ganzen Abschnitt, zu Anfang steht’). 
4) Vgl. ähnlich EyRD I 26, 6. 


240 Budde, die Capitel 27 und 38 


schaft, durch deren Besitz er selbständig das Wesen der 
Dinge und Erscheinungen erkennen und ihren Gang nach 
seinem Willen lenken könnte; vielmehr soll der Mensch 
in demüthiger Abhängigkeit von Gott und Gehorsam gegen 
ihn aus seinem Munde alle Wahrheit, aus seiner Hand 
alles Gute und Behütung vor dem Uebel erwarten. So 
ist die Furcht des Herrn nicht der Weg, das Mittel sum 
Erwerb der Weisheit, sondern statt der Weisheit das 
Mittel zu Erkenntnils und Glück. Und das ist nıcht ar 
mal im Ergebnils dasselbe. Denn könnten wir durch 
Gottesfurcht in den Besitz der Weisheit gelangen, so wire 
doch mit diesem Besitz und von diesem Augenblick aa 
die Erwerbung von Erkenntnife und Glück ohne Angabe 
von Schranken in unsere eigenen Hände gelegt : ist aber 
die Furcht Gottes unmittelbares Werkzeug, so ist das 
Mafs der zu erlangenden Güter einsig und allein in Gottes 
Willen zu erkennen, der Mensch verhält sich blofs leidend. 

Damit tritt das Buch Hiob allerdings in Gegensatz 
gegen das Buch der Sprüche, insbesondere c. 1—¥Y. Denn 
wohl wird auch dort die Weisheit nirgends von dem Ver- 
halten des Menschen zu Gott losgelöst (cf. dagegen c. 3, 7): 
aber, wenn die Gottesfurcht als Anfang der Weisheit uns 
entgegentritt, so ist damit ebenso wie mit ihrem ganzen 
selbstbewufsten Auftreten der Weisheit doch ein eigen- 
thümlicher, überragender Werth zugeschrieben; sie wird 
doch bewufst gehandhabtes Werkzeug des Menschen, die 
Gottesfurcht ist wohl unumgängliche Bedingung, aber sie 
umspannt keineswegs den Umfang und erschöpft nicht das 
Können der Weisheit'). So werden denn auch immer 


1) In dieser Ausführung stimme ich im allgemeinen mit Merz 
überein (8. XLII ff.). Seiner Aufstellung aber, als wenn die Gotter 
furcht in den Sprüchen als Erstlingsfrucht der Weisheit beseichact 
würde, vermag ich mich nicht anzuschliefsen. Dagegen spricht sehon 
deutlich das p5pym, das 9, 10 für mya gebraucht wird, sowie des 


" 
t 
| 
' 


des Buches Hiob. 241 


wieder dem Menschen die köstlichen Früchte der Weisheit 
in ihrem ganzen Umfang verheifsen, von einem Wider- 
spruch zwischen Saat und Ernte ist nirgends die Rede. 
Gegen diese Lehre, die sich, natürlich nur in der Theorie, 
mit der der Freunde und Hiob’s eigener in der Vergan- 
genheit deckt, zieht Hiob zu Felde, und er thut dies vor 


| allem, indem er den weit verbreiteten Elementarspruch ,die 


Furcht Gottes ist der Weisheit Anfang*') nach seiner ab- 
weichenden Ansicht herrichtet. Unerbittlich schneidet er 
hinter der Furcht Gottes alles weitere ab : wer über sie 
hinaus noch weiteres sucht oder gar su besitzen glaubt, 
der tappt ins Leere und wird früh genug enttäuscht werden, 
weil er gegen Gottes Willen und Ordnung handelt. In 
ähnlicher Weise erscheint auch der andere Schwesterspruch 
c. 3, 7 in Hiob 28, 28 weitergebildet und verändert. Es 
heifst dort : 

„Halte dich nicht selbst für weise : (HPD OOM TRYR) 

Rürchte Jahve und meide das Böse!“ 
Der ganze Zusammenhang zeigt dort, wie der eingebildeten 
Weisheit aus eigenem Vermögen die im Anschlufs an Gott 
zu erreichende und erreichte (v. 13) entgegengehalten wird; 


parallele Glied 43:5 wi Ay, wo von Frucht gar nicht die Rede 
ist. Halt man diesen Vers mit c. 2, 5 susammen, mit dem Merx 
seine Auffassung begründet, so ergiebt sich eine genaue Uebereinstim- 
mung in dem Aufsteigen von Y’ı pe zu ‘ON Dy"- Das Suchen nach 
Weisheit (2, 2—4) wird allerdings sur Gottesfurcht als ihrem Anfang, 
und dann im weiteren Verlauf sur Erkenntnifs Gottes als ihrem Wesen 
führen ; nicht aber sagt der Text, dafs die Furcht Gottes Frucht der 
bereits errangenen und bosessenen -Weisheit ist. — Ebensowenig kann 
joh der Zeitbestimmung für beide Bücher beipflichten, die Merx ge- 
winnt, indem er als sugestanden annimmt, dafs Jeremia 20 von Hiob 8 
abhängig sei. Das Gegentheil ist richtig. 

1) Boweit nar steht derselbe mit gans unwesentlichen Varianten 
fost, das zweite Glied liegt in drei stark von einander abweichenden 
Wendungen vor. Immerhin erscheint die von Prov. 9, 10 durch 2, 5 
gestütst, und leicht möglich bleibt es, dafs Hiob auch dieses Glied in 
28b in noch stärkerer Abschwächung bringt. 

Zeitschrift f. d. alttest. Wise. Jahrgang 3. 1883. 16 


249 Budde, die Capitel 37 und 28 


das Mittel zu ihrer Erreichung aber ist Gottesfurcht. Bei 
Hiob aber ist die Gottesfurcht die zu erreichende Weisheit 
selbst : ein neuer Anfang, ein neues Werden, wird damit 
geleugnet, das von Gott zu Erwartende ist schon erschöpft. 
Der umgekehrte Fortschritt, von Hiob zu den Sprüchen, der 
meistens als selbstverständlich angenommen wird, scheint 
mir unvollsiehbar. 

Noch zweierlei bleibt zu erörtern : in welcher Be 
ziehung dieses Endergebnils zu dem Vorigen, speciell su 
c. 27, steht, und welchen Werth es demgemiifs für Hiob 
selbst und die Idee des Buches hat. 

Soviel ist klar, dafs, wenn c. 38 so urplötslich vn 
der Weisheit handelt, in dem Vorhergehenden irgend ein 
Zweck gesetzt sein mufs, zu dessen Erreichung man der 
Weisheit bedarf oder zu bedürfen glaubt'). Die erste 
Frage lautet also : von wem und wozu sollte. die Weisheit, 
falls sie gefunden wurde, in diesem Zusammenhang benutst 
werden? Nur zwei Antworten stehen einander hier gegen- 
über. Die eine von Delitzsch, Dillmann a. s. w, 
wonach die Weisheit, falls sie zu finden wäre, dem Goti- 
losen etwa das Mittel werden könnte, ohne und trots Gott 
sein Leben glücklich zu gestalten. Die andere von allen 
übrigeu Auslegern, wenn auch mehr oder weniger scharf 
und umfassend : zur Lösung des Räthsels in Hiob’s Leben, 
des Leidens des Gerechten. 

Die erste der beiden Auffassungen empfiehlt sich 
scheinbar durch eine sehr einfache äufsere Verknüpfung 
des cap. 28 mit dem vorhergehenden ; das beginnende 3 
führt den Grund für die letztausgesprochene Behauptung ein : 
„(c.27, 13—23) der Gottlose mus untergehen (c. 28), weil er 
. sich selbst des einzigen Weges zum Glück begeben hat.“ Das 





1) Die Echtheit wird hier vorausgesetzt, and als erwiesen betrachtet, 
wenn es gelingt, den Zusammenhang vollkommen zu begreifen. 


des Buches Hiob. 243 


leuchtet sehr ein, aber um den Inhalt von c. 28 in diesen 
kürzesten Satz zu fassen, mufs man alles Grofse darin 
klein und alles Kleine grofs machen. Zunächst fehlt es 
für eine so individuelle Beziehung an allen nöthigen In- 
dividualisirungen, da vielmehr alles so allgemein wie mög- 
lich gehalten ist. Nichts deutet in dem Capitel an, dals 
der Gottlose es ist, der Schätze erwirbt, der die Weisheit 
sucht und nicht findet; nichts, dafs die Weisheit dienen 
soll, Lebensglück zu erlangen oder das erlangte zu sichern !); 
nichts, dafs das Endergebnifs den Gottlosen vernichtend 
trifft. Man wird einwenden, dafs das ja im Vorhergehen- 
dem gegeben ist, dafs man sich nur zu erinnern brauche, 
wie das ganze cap. 28 nur der Begründung davon diene, 
um sogleich überall das richtige Subjekt, den richtigen 
Zweck, die richtige Schlufsfolge einzusetzen. Nun bietet 
aber auch der vorhergehende Abschnitt gerade zu der 
eigenartigen Fassung von c. 28 gar zu wenig Analogieen. 
Eine solche will freilich Delitzsch aufweisen und glaubt 
in ihr eine wesentliche Verstärkung seiner Auffassung zu 
finden. Die Schätze, die nach c. 28, 1—11 der Mensch der 
Erde abzuringen und abzutrotzen weils, sollen zurück- 
weisen auf die von dem Gottlosen nach 27, 16 f. aufge- 
häuften Reichthümer, und so soll dieser Abschnitt erklären, 
wie.der Gottlose diese Schätze als irdische wohl zu er- 
werben im Stande ist, die Weisheit aber u. s. w. Aber 
diese Beriehung ist keineswegs sv leicht. Cap. 28, 1—11 
schildern die Gewinnung von Schitzen durch Fleifs, Muth 
und Anstrengung, wihrend der Reiche in 27, 13—23 schon 
im ersten Verse als yoy, als Gewaltthitiger gekennzeichnet 
wird und die nächsten Verse es noch deutlicher machen, 
wie er keineswegs der Erde ihre Schätze raubt. In c. 28 


1, Obgleich dafür die volksthümlichen Aussagen ebensogut aus 
geprägt vorlagen (oder leicht zu finden waren), wie für die abstrakte 


Kostbarkeit im Vergleich mit allerlei edien Metallen und Steinen. 
1A% 


(244 Budde, die Capitel 37 und 28 


ist nur von Schitzen der Erde die Rede, im c. 27 tritt 
neben dem Silber in demselben Verse der Reichthum an 
kostbaren Gewändern auf. So ist denn auch hier unter 
dem einzigen 90> baar Geld, nicht das Edelmetall als | 
solches zu verstehen, während c. 28 die Schätze der Erde 
möglichst erschöpfend aufsihlt. Der Reichthum an Hab 
und Gut ist in c. 27 auch nur ein Theil von dem (Hücke 
des Gottlosen : auch ihm sogar wird zugetraut, dafs ihm 
das köstlichste Gut seine Kinder sind (vgl. v. 14), und 
dieses Gut vermag er doch so wenig zu erwerben wie zn 
bewahren, sodals der Abschnitt 0.28, 1—11 die Erwerbbarkeit 
der irdischen Güter von Seiten des Frevlers durchaus nicht 
zu begründen im Stande ist. Vielmehr gehört die Annahme 
von Glück und Reichthum des Frevlers, von einem üppigen 
Scheingedeihen, mit in die Schilderung hinein, um einen 
desto jäheren und tieferen Sturs möglich zu machen (vgl 
schon c. 5, 3 ff. 8, 11 ff.), und ist vollends, wie ich glaube 
nachgewiesen zu haben, v. 13—23 eigens für den Gebrauch 
der Freunde geschrieben, so darf man vielleicht in der 
Schilderung des reich-behaglichen Lebens, dem Kinder- 
besitz u. s. w. einen besonderen Seitenblick auf sie im 
Vergleich mit dem seiner Habe und seiner Kinder beraubten 
Hiob erkennen. Endlich liegt, worauf Giesebrecht 
schon hingewiesen hat (S. 43), in 28, 1—11 der Nachdruck 
neben der Kostbarkeit, welche das Suchen lohnt, vor allem 
auf der Verborgenheit dieser Schätze, auf der Ueberwin- 
dung der Schwierigkeit, der Enthüllung des Geheimnisses, 
und dazu bietet c. 27 nicht den geringsten verwandten 
Zug. — Bleibt so von diesem Bindeglied schwerlich etwas 
Brauchbares übrig, so fehlt es an weiteren völlig. Vor 
allem die Weisheit schwebt, auf c. 27 bezogen, ganz in 
der Luft; nicht das mindeste in c. 27 weist auf die Ein- 
führung dieses neuen Begriffes hin. Und doch wäre es 
eine leichte Sache gewesen darauf vorzubereiten. Der 
Gottlose, der seinen Gott weggeworfen, ist selbst gewils 


des Buches Hiob. 945 


überzeugt, weise genug zu sein und sein Lebensglück aus 
eigener Kraft begründen zu können. Warum nun nicht 
eine derartige Aeufserung, wie der Verfasser solche sonst so 
geschickt anzubringen weils ?') Dann hätte man die Rich- 
tung erkannt, in welcher die Weisheit Verwendung finden 
sollte, und sehr schön hätte sich dann die klägliche Ent- 
täuschung des Frevlers zeichnen lassen, wenn sich heraus- 
stellte, dafs er dennoch die Weisheit nicht gefunden habe, 
noch jemals finden kinne*). So fehlt für den Begriff der 
Weisheit und ebenso für den des Verborgenen, des Suchens 
und Suchenden in c. 27, 13 ff. jede Vorbereitung und Ver- 
mittlung, wie umgekehrt jede Beziehung in c. 28 auf die 
im Vorigen herrschenden Begriffe des Freviers und des 
Lebensglückes. Cap. 28 ist nicht nach rückwärts ange 
schlossen, sondern schliefst sich in seinem ganzen Aufbau 
nach innen ab : mit einer selbständigen, nach innen ver- 
weisenden Vorhalle, der Beschreibung des Bergbaues 
v. 1-11; dem gewaltigen Hauptbau, der resignirenden 
Lobpreisung der Weisheit v. 12-27; dem kurzen, ge 
drückten Abschlufs in Gottes Ausspruch v. 28%). — Und 
dieser gewaltige Bau endlich kann schon an sich nicht an 
einen so kleinen Zweck verschwendet sein, wie dies die 
Begründung für den Untergang des Frevlers immerhin 
wäre. Man legt ja so grolses Gewicht darauf, dals beson- 
ders in c. 28 das Versprechen Hiob’s die Freunde zu be- 
lehren glänzend eingelöst werde. Ist es denn aber für die 
Freunde eine so neue Erkenntnifs, dafs der Mensch kein 
Mittel besitzt, sein Lebensglück abgelöst von Gott zu 


1) Vgl. ähnliches 21, 14 f. 22, 17. 

*) So würde es, wie mir scheint, der Darstellung des Frevlers als 
eines „Faust, getrieben von unersättlichem Wissensdurste und kühn- 
stem Erkenntnifsmuthe* (vgl. Wellhausen 8. 541) nicht einmal 
bedürfen. Doch ist ja von dem allen hier gar nichts zu finden. 

*) Vgl. hierzu auch Giesebrecht A 42 f. 





946 Budde, die Capitel 37 und 28 


schaffen? Und ist dies Capitel, so aufgefafst, wirklich 
eine Begründung für den Sats vom Untergang des Frev. 
lers, oder ist es nicht vielmehr nur eine neue Behauptung 
auf Grund des alten Postulates eines allmächtigen und » 
gleich gerechten Gottes, das sich Hiob trots aller gege- 
theiligen Thatsachen immer wieder aufdrängt, den Frem | 
den nie abhanden gekommen ist? Der ganze Inhalt von 
c. 28 ist dann schon vorweggenommen durch c. 27, v. 8-10 
in denen eben auf Grund jenes Postulates ein für allemal 
geleugnet wird, dafs der Frevler sei es äufseres Glück!) 
sei es inneres sich für die Dauer schaffen könne. Ene 
weiteren Begründung für diese Aussage bedarf es nicht, 
wie schon die Form von v. 8—10 anzeigt, eben weil sie 
auf dem Postulate eines allmichtigen und gerechten Gotta 
beruht*). Diese Verschwendung eines so grofsen und mit 
so viel Sorgfalt -und Kunst gearbeiteten Abschnitts läßt 
sich unmöglich verdecken oder ausgleichen durch Nebea- 
zwecke, denen das Capitel in weiterer Verfolgung des Ge 
gebenen dienen soll, wie sowohl Delitzsch (8. 354) ak 
Dillmann (8. 249) behaupten. Delitzsch läfst Hiob 
damit zugleich beweisen, dafs er, der inmitten seines Lei- 
dens an der Gottesfurcht festhalte (mit Bezug auf 27, 
8—10), kein 99 sein könne, Dillmann läfst ihn mit- 
telbar aus demselben Grunde beweisen, dals er das Schicksal 
des Frevlers nicht erleiden könne, vielmehr noch Grund 
zur Hoffnung habe. Sofern beide Gedankenreihen auf der 
eigenthümlichen, beiden gemeinschaftlichen Auffassung von 
27, 8—10 beruhen, sind sie mit dieser vben widerlegt. Wie 
künstlich und fein beide sind, geht schon aus der grofsen 
Verschiedenheit ihrer Ergebnisse hervor : auf derselben 
Grundlage baut sich derselbe Satz auf, und mit ihm m. 





') Denn dafs auch dies ihm nicht bleibe, liegt deutlich in v. 8. 9 
ausgesprochen. 
*) Vgl. dazu Giesebrecht 8. 45. 





des Buches Hiob. 247. 


gleich ergiebt sich hier der eine, dort der andere Sats, 
Beren jeder nach verschiedenen Seiten hin geeignet ist, 
Mem ganzen Stücke eine entscheidende Bedeutung für den 
Olang der Verhandlung erst zu sichern. Denn dafs in 
Diesem mittelbaren Ergebnifse in Wirklichkeit die Haupt- 
mache enthalten ist, giebt Delitzsch ausdrücklich zu, 
‘wenn er sagt, dafs Hiob damit den eigentlichen Endeweck 
seiner angekündigten Belehrung erreiche : wievielmehr gilt 
das von dem Dillmann’schen Satze, nach welchem sich 
Hiob hier sogar zur Hoffnung aufschwingt! Aber auch 
Delitzsch verfolgt den dünnen Gedankenfaden noch viel 
weiter, als dies in der oben angezogenen Stelle geschieht. 
Er schliefst die Behandlung des ganzen Abschnittes mit 
den Worten : „Der Abschnitt c. 28 hat zunächst den Zweck, 
die Aussage tiber das Strafgeschick der Frevler 27, 13—23 
zu begründen, die Begründung ist aber zugleich nach der 
feinen Anlage dieses Dichterwerks ein Bekenntnifs, welches 
die Antinomie, auf deren Enträthselung das Buch abzielt, 
zwar unenträthselt läfst, aber doch ihre beunruhigenden 
Wirkungen überwindet. Dieses Loblied auf die Weisheit 
ist Job’s Darlegung seines obersten Grundsatzes, in welchem 
These und Antithese zu vorläufiger Versöhnung gelangen. 
Hat sein Leben eine solche Basis, so ist sein Leiden un- 
möglich das Strafleiden des Gottlosen. Und ist Gottes- 
farcht die dem Menschen angewiesene Weisheit, so giebt 
er sich selbst damit die Lehre, dafs er, wenn auch unver- 
mögend, das Geheimnils seines Leidens su durchschauen, 
doch an der Gottesfurcht zu halten hat, und den Freunden, 
dafs sie dasselbe thun und nicht, um das Geheimnifs auf- 
zuheben, sich gegen thn, den Leidenden, ungerechtem Llieb- 
losem Wahne hingeben. Das Schlufswort Jobs, welches 
zunächst beweisen will, dafs den welcher Gott nicht fürchtet 
das verdiente Geschick eines von Gottes sittlicher Welt- 
ordnung abtrünnigen Thoren trifft, beweist so zugleich, 
dals das Leidensgeschick des Gottesfiirchtigen wesentlich 


248 Budde, die Capitel 37 und 28 


anders beurtheilt werden muls, als das des Gottlosen, und 
damit ist auch schon der Weg zur wahren Lösung der An- 
tinomie eröffnet.“ — Man sieht hieraus vor allem nur, wie 
wenig eine Begründung für den Untergang des Frevlers 
an dieser Stelle den bescheidensten Erwartungen entspricht, 
wie viel noch zu wünschen übrig bleibt : aber dafs dies 
alles aus der Begründung eines von den Gegnern nie be 
zweifelten, von Hiob durch Postulat wiedergewonnenen 
Satzes stillschweigend sich ergeben und also vom Leser 
herausgelesen werden soll, wird Niemand so leicht zugeben. 
Der Satz, dafs den Gottlosen das Verderben erreichen 
mufs, kann höchstens den andern als ergänzenden Gegen- 
satz nach sich ziehen, dafs dem Gerechten Glück müsse 
zu Theil werden : und damit ist die Frage, um die es sich 
handelt, nur von neuem aufgeworfen, in keiner Weise aber 
der Lösung näher gebracht. 

Will man wirklich in diesem Stücke etwas finden, was 
die Hauptfrage des ganzen Buches angeht — und dazu 
berechtigt schon seine Stelle und der grofse Nachdruck, 
der augenscheinlich darauf ruht, dies Bedürfnifs sprechen 
ja auch die Vertreter der zuletzt besprochenen Ansicht 
aus — so mufs man es aufgeben, dasselbe in so enge 
Fesseln zu schliefsen und eine andere Beziehung dafür 
suchen als die auf 27, 13—23. 

Da mit der Myon in c. 28 ein ganz neuer Begriff 
in den nächsten Zusammenhang eintritt, so darf man gewils 
erwarten, dals wenigstens weiterhin Anknüpfungspunkte 
für dessen Beziehung sich finden werden, und man wird 
darum gut thun, Wort und Begriff durch das Buch hin 
rückwärts zu verfolgen, um aus dem früheren Vorkommen 
womöglich Aufschlufs zu erhalten'). Da finden wir nun 


1) Ich lasse die Reden Elihu’. hier unberäcksichtigt, um nur allge- 
mein als beweiskräftig anerkannte Stellen su bieten. Sie würden 
übrigens das aus den übrigen Stellen gewonnene Ergebnifs nur be 
stätigen. 


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! 


des Buches Hiob. 249 


in c. 11, 6 bei Zophar den Wunsch, Gott selbst möge 
seinen Mund aufthun und Hiob die tiefste Weisheit ver- 
künden über das Verhältnifs seines Leidens zu seiner 
Schuld'). c. 12, 2 rühmt Hiob ironisch, dafs mit den 
Freunden die Weisheit aussterben werde, wieder in Beant- 
wortung der Frage seines Leidens, und der Versicherung 
in v. 3, dafs er damit nichts neues erfahre, steht zur Seite 
c. 13, 2 „soviel wie Ihr (Dy9my13) weils ich auch.“ In 
c. 13, 5 sagt Hiob, wenn die Freunde nur schweigen 
wollten (zu dem vorliegenden Räthsel), so könnte man 
ihnen das als Weisheit anrechnen. In c. 15, 2 nennt Eliphas 
Hiob’s Ausführungen (über des Menschen Geschick und 
seinen eigenen hoffnungslosen Untergang) windiges Wissen 
(m my), eines Weisen unwürdig oder beweisend, dafs er 
kein Weiser sei. In c. 20,3 spricht Zophar von seiner Ein- 
sicht (772), nicht minder als bisher den Fall Hiobs be- 
treffend. In c. 21, 22 fragt Hiob : will man Gott Er- 
kenntnils (my) lehren?“ d. h. „will man ihn lehren, wie 
er die Welt regieren soll“, womit der Sache nach die ver- 
meintliche Einsicht der Freunde in die Weltregierung ver- 
höhnt wird. In c. 26, 3 bedankt sich Hiob ironisch bei 
Bildad, dafs er ihm, dem aller Weisheit baren mit der 
seinigen beigesprungen sei, wieder mit Bezug auf seinen 
Fall. In c. 38, 4 spricht Gott dem Hiob ironisch Einsicht 
zu, die er (natürlich in dem Streite tiber sein Leiden) 
kundgethan und nun an weiteren Fragen bewähren soll; 
in c. 39, 26 wird noch einmal auf Hiob’s (Schöpfer-) Einsicht 
Bezug genommen; in c. 38, 2. 42, 3 nennt Gott Hiob’s 
Reden unverständig (my 3). — An allen diesen Stellen 
also steht My IN nebst seinen Synonymen rein tntellektuell, 
da es sich um das Begreifen einer Thatsache, nicht um 
Entschlüsse zum Zwecke irgend welcher Handlungen dreht, 


!) Ich gebe absichtlich eine ganz farblose Fassung der in ihrer 
Auffassung streitigen Stelle. 





250 Bu dde, die Capitel 37 und 28 


und zwar stets in unmittelbarer Beziehung auf die Frag, U; 


um die es sich im Buche handelt. Nur sehr wenige Stelle 
bleiben übrig. Von Gottes Weisheit, (bei der von See 
derbesiehungen nicht die Rede sein kann), redet Hi 
gelegentlich in c. 26, 12 (Hyıan), und Gott von der schaffen- 
den und regierenden Weisheit und Einsicht in Frageform 
c. 38, 36 f. Intellektuell zu fassen ist auch die Stele 
c. 21, 14, wo Hiob die Frevler sagen läfst : „Zrkenntils 
Deiner (Gottes) Wege begehren wir nicht.“ — Nicht das 
selbe wage ich zu behaupten von den beiden letzten Stellen, 
die in ihrer reinen Verpeinung eben neue, hier unverweni- 
bare Begriffe, Unverstand und Dummheit, bilden. Es ist 
das c. 4, 21, wo die Frevler sterben marıa w und c. 39, 11, 
dafs Gott den Vogel Straufs der Weisheit habe vergessen 
lassen und ihm keinen Antheil an der Einsicht gegeben 
habe. Interessant ist hier jedenfalls der Bau des Satzes 
und die Parallele moarı und 133, gerade wie in c. 28, 12. 
20. 28; unmöglich ist es keineswegs, dafs hier in gran- 
diosem Scherze des Straufsen sprichwörtliche Dummheit 
mit der höchsten Weisheit zusammengehalten wird. Wollte 
man ferner diese beiden Stellen als Belege für praktische 
Beziehung der no3rı im B. Hiob anführen — was übrigens 
bei Delitzsch, Dillmann, Zöckler nicht geschieht — 
so wäre dies schwerlich zu widerlegen, für c.4, 21 aber auch 
nicht zu beweisen. Und was für schwache Strohhalme man 
damit ergriffen hätte, müfste ja jeder einsehen }). 

Nur mit zwei Stellen von allen, die das Buch Hiob 
bietet, habe ich bisher noch zurückgehalten, weil sie ge 
eignet erscheinen, den Analogiebeweis, statt wie die bisher 
aufgeführten Stellen für das Buch im allgemeinen, für 
unsere Stellen im besonderen zu erbringen. In c. 15, 7f. 


!) Vgl. noch den 15, 2. 18. 17, 10 mit Besug auf die Haupt 


frage des Buches; 9, 4 von Gott; 5, 18 su 4, 21 zu stellen, von ein 
gebildeter Weisheit. 





des Buchos Hiob. | 251 


kämpft Eliphas in gewohnter Weise gegen Hiob’s hier 
besonders lange und wichtige Ausführungen, zeigt sich ent- 
rüstet über seinen Anspruch auf höhere Einsicht in Gottes 
Weltregierung und die vorliegende Frage und weist seinen 
vermeintlichen Uebermuth zurück. Er fragt höhnisch : 
7) „Wurdest Du als erster Mensch geboren, 
Und bist Du vor den Hägeln sur Welt gebracht? (p55) 
8) Hörtest Du etwa im Gottesrathe su 
Und rafftest da Weisheit an Dich ?* 

Vers 7b kann ich bei so wörtlicher Uebereinstimmung nur 
als Citat aus Prov. 8, 25b ansehen, das Selbstzeugnifs der 
personificirten Weisheit wird auf Hiob höhnisch übertragen. 
Der ganze Vers besagt dann : Du bist wohl die personi- 
ficirte Weisheit selbst, mufst demnach der erste Mensch, 
ja das erste aller Geschöpfe sein (Prov. 8, 22), die Weis- 
heit hat also bei der Schöpfung menschliche und zwar 
Deine Gestalt getragen! Aus Prov. 8, 26—31 fliefst v. 8a, 
und 8b giebt dann zu allen diesen höhnischen Fragen den 
Schlüssel, der nothwendig von der Personifikation der 
Weisheit zu dem Besitz derselben tiberleiten mufs'). Also 
hier dieselbe innige Verwandtschaft mit jenen Stücken 
der Sprüche, dieselbe Bezugnahme darauf, wie in cap. 28. 
Und auch hier dient die höhnisch zugestandene Weisheit 
keinem anderen Zwecke, als der Lösung des Räthsels, das 
Hiob und die Freunde beschäftigt. — Noch beweiskräf- 
tiger ist die Stelle c. 12, 12 f., wenngleich vollständige 
Einigung über den Zusammenhang noch nicht erzielt ist. 
Hiob verspottet da die angelernte Alltags- und Allerwelts- 
weisheit der Freunde, insbesondere c. 11,7 ff. Der Zusammen- 
hang vot 12, 7 an scheint mir der zu sein. „Dergleichen 
(über Gottes Allmacht und Allweisheit) kann Dich jedes 


1) Welcher Stelle die Priorität gebührt, kann natürlich bei einer 
sw sekundären Wendung, wie unsere Stelle sie uimmt, gar nicht weiter 
in Frage kommen. 


252 Budde, die Capitel 27 und 28 


unvernünftige Geschöpflehren ; sie wissen alle, dafs Jahve's 
Hand dergleichen thut, weil ja ihr eigenes Leben in seiner 
Hand liegt. Des Menschen Ohr dagegen soll die gehörten 
Worte wohl prüfen und überlegen. Wenn Ihr aber meint 
(vgl. 8, 8 ff. 5, 27): 
12) „„Bei den Greisen ist Weisheit 
Und Länge des Lebens ist Einsicht (M3\9M)** : 
18) „Bei ihm ist Weisheit und Btärke, 
Sein ist Rath und Einsicht |“ 

Dem Rechte und der Pflicht unbefangener Prüfung, 
das er für sich in Anspruch nimmt, läfst Hiob die Freunde 
entgegenhalten, dafs es dessen nicht mehr bedürfe, da ja 
Greise, Erfahrene fertige Weisheit darböten, eben die von 
ihnen gespendete. Nicht bei ihnen, erwidert Hiob, ist 
Weisheit zu finden (so wenig, wie er selbst, der Prüfende, 
das Räthsel zu lösen vermag), sondern bei Gott allein ist 
nicht nur die Weisheit, sondern auch die Stärke (Wissen 
und Können vgl. ganz ebenso c. 9, 4)'). Mag meine Auf- 
fassung von v. 7—11 bezweifelt werden, so sind doch 
v. 12 f. auf keine andere Weise befriedigend zu erklären; 
und ist das nur zugestanden, so haben wir hier eine ge- 
naue inhaltliche Parallele zu c. 28, 12—-27, und wiederum 
ist hier die Weisheit in Beziehung gesetzt nur zu der Lö- 
sung der Grundfrage des gansen Buches und dem Streite 
über dieselbe. 

Mit dieser Aufzählung ist, soweit ich sehen kann, alles 
Mäterial erschöpft, welches aus dem übrigen Buche zu der 
vorliegenden Einzelfrage herangezogen werden kann, und 


1) Unter den Commentaren, auf die ich zur Prüfung dieser Auf- 
fassung verweisen mule, hebe ich Hitzig hervor, mit dem ich in den 
wichtigsten Punkten, besonders in der Auffassung von v. 12, überein- 
stimme (vgl. auch Merx, Studer). Vor oder nach v. 12 eine Lücke 
anzunehmen (Dillmann, Ewald) sehe ich keine Veranlassung; viel- 
mehr ist der Zusammenhang, wenn man v. 13 als Selbsteinwarf im 
Sinne der Freunde falst, sehr gut und echt hiobisch. 


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des Buches Hiob. 953 


daraus ergiebt sich ein starker Analogiebeweis dafür, dafs 
aueh in c. 28 die Weisheit auf die Lösung der Frage ab- 
zielt, der das ganze Buch dient. Ich zaudere keinen Augen- 
blick zu behaupten, dafs, wie die Dinge liegen, der Dichter 
es sicher ausdrücklich und besonders deutlich hervorgehoben 
haben würde, wenn er der Weisheit hier ein anderes Ziel 
hätte geben wollen, als dasjenige, was unverrückt in jedem 
Augenblicke dem Leser vor den Augen stehen mulste!). 

Somit führt uns auch die Vergleichung des übrigen 
Buches zu der anderen Antwort auf die vorliegende Frage : 
die Weisheit wird in c. 28 ersehnt zur Lösung des vor- 
liegenden Räthsels, des Leidens Hiob’s, des Gerechten. 
Weder die Freunde, noch Hiob werden die Frage lösen 
können, weil Gott ihnen wie allen Menschen das Gut der 
Weisheit, das dazu erforderlich wäre, nicht geschenkt, viel- 
mehr an Stelle der Weisheit für sie die Gottesfurcht ge- 
setzt hat: 

Zur Erklärung des begründenden ‘9 zu Anfang des 
Capitels genügt es nachzuweisen, dafs eben vorher das 
Räthselhafte des ganzen Sachverhaltes von neuem zum Be- 
wulstsein gekommen ist. Wie grell aber gerade in c. 27 
die Widersprüche nebeneinanderstehen, ist oben nachge- 
wiesen und braucht nur mit wenigen Worten hervorge- 
hoben zu werden. Gott ist in v. 2 der Ehrenräuber und 
Vergewaltiger Hiob’s, war (wie aus v. 8—10 sich ergicbt) 
früher seine Zuflucht und seine Wonne und soll zugleich 
(nach v. 11 ff.) das Unrecht, das Hiob von den Freunden 
erleidet, mit seiner Strafe bedrohen. Hiob erkennt in Gott 
den gerechten Vergelter an und schwört bei dem Gott, der 
ihm Unrecht thut. Die Freunde nennen ihn einen Frevler 


!) Doch bin ich weit entfernt diesen Analogiebeweis für noth- 
wendig zu halten; vielmehr bestätigt er nur das Selbstverständliche, 
das obendrein nach Widerlegung des anderen Versuches allein noch 
übrig bleibt. 


254 Budde, die Capitel 27 und 28 


und Lügner, er giebt ihnen zu verstehen, dals sie Lügner 
und damit Frevler sind. So ist der Zwiespalt in Hiob's 
eigenem Herzen wie die Unmöglichkeit, dafs die streiten 
den Parteien sich einigen, in c. 27 auf kleinem Raume s 
rücksichtslos aufgedeckt wie nirgends zuvor, und in diesem 
Brennpunkt sammeln sich zudem die Strahlen aus den 
letztvorhergehenden Capiteln : die jämmerliche Hülf- und 
Rathlosigkeit Bildad’s aus c. 26, mit der Lauge des bitter- 
sten Spottes tibergossen von Hiob; dessen eigene grols- 
artige Schilderung von Gottes Gewalt und Weisheit in 
cap. 26, auslaufend in das unumwundene Zugeständnil, 
dafs des Menschen Wissen nicht einmal dazu ausreiche, 
Gottes Grifse staunend zu schildern, wie- sich’s gebühre. 
So ist denn von beiden Seiten der Bankerott featgestellt '), 
nur von der einen Seite durch Stammeln und Stillschweigen, 
von der anderen Seite, von Hiob, durch absichtlich grelle 
Hervorkehrung des Widerspruchs, nachdem dieser ihm selbst 
zu klarem Bewulstsein gekommen ist?). Und so verschieden 
“ulsert sich dieser Bankerott, weil in seiner Erklärung 
für die Freunde die Niederlage, für Hiob der Triumph 
liegt. Mit dem Geständnifs, dafs man Hiob’s Leiden nicht 
erklären könne, hat man seine Gerechtigkeit zugegeben, 
und das ist alles, was Hiob von den Freunden verlangt, 
Alles weitere geht Gott an, und in ihm findet er nun auch 
den Grund, weshalb sie Alle sein Leiden nicht erklären 
können, und legt denselben in dem folgenden c. 28 dar. 


| 1) Diese Bezeichnung behalte ich unter Rückbesiehung auf meine 
Schrift bei; gegen Studer (Antikrit. 8. 544) bemerke ich, dals hier 
die offene Erklärung des Bankerotts (c. 28) in der Begründung des 
unvereinbaren Widerspruchs, d. i. des Bankerottes selbst (c. 27) be- 
steht. 

*) Wie dies in v. 8—10 geschieht, ist oben gezeigt. Zu beachten 
ist die Steigerung von dem fast unbewufsten Geständnis in diesen 
Versen, zu der entschlossenen Aussprache in v. 7 und der kecken Um- 
drehung des Spiefses in v. 11 ff. 


des Buches Hiob. 265 


Es wird also mit dem ‘3 weder v. 12b, noch v. 11—12, 
noch v. 13—23, noch v. 11--23 des vorhergehenden Ca- 
pitels begründet, sondern dasselbe holt viel weiter aus, es 
begründet die von Hiob während des ganzen Streites un- 
erschütterlich behauptete, in c. 27 durch Darlegung seiner 
eigenen zerrissenen Geistesverfassung kundgegebene Be- 
hauptung, dafs sein Leiden, als von Gott herrührend, ein 
für Menschen unlösbares Räthsel sei'). Bei solcher Be- 
ziehung auf eine dauernde Geistesverfassung Hiob’s, die 
allem Vorhergehenden zu Grunde liegt und symptomatisch 
in cap. 27 ausgesprochen ist, ist die Forderung unberech- 
tigt, dals, was begründet werden solle, in einem „in aus- 
drückliche Worte gefalsten vorausgehenden Satee* (Studer 
Antikr. 8. 544) nachgewiesen werden müssa Dagegen ist 
der Forderung, wie sie Wellhausen formulirt (BI. 8. 541), 
„eine begründende Beziehung, in der Cap. 28 nach dem er- 
öffnenden ‘3 zu Cap. 27 stehen sollte”, durchaus Genüge 
gethan. — Wenn das ‘3 fehlte, so würde, wie ich fest 
: überzeugt bin, niemals jemand auf eine andere Beziehung 
des c. 28 als die hier vertretene, verfallen sein ; da nun 
aber thatsächlich das Capitel das ganze Ergebnils des 
Streites für die betheiligten Kämpfer”) begründet, so muls 
das ‘> eben auch darauf bezogen und daraus begriffen 
werden. 


Wir treten an die letzte Frage heran : welchen Werth 
hat diese in c. 28 gegebene Begründung für Hiob selbst 


_. 





!) Diese Behauptung hat er nur in der Leidenschaft verlassen, wo 
er in einseitiger Verfolgung seines durch keine Schuld veranlafsten 
Leidens die andere Seite seines Selbstbewulstseins, den Gottesgedanken, 
schädigte. 

*) Wie weit Hiob sich im Leiden bewährt, wie weit der Kampf 
sein Inneres beeinflufst hat, kommt für die Kämpfenden nicht in Be- 
tracht. 





966 Budde, die Capitel 37 und 36 


und in Folge davon für den Aufbau des gansen Buche, 
die Lösung der in ihm verhandelten Frage? 

Und hier steht die in meiner Schrift ausgesprochene 
Ansicht der fast aller anderen Exegeten, soweit sie cap. 8 
für echt halten, gegentiber'). Sie alle sehen in v. 2 
wirklichen Gewinn, errungene werthvolle Erkenntnils, sj 
es für Hiob, oder für die Freunde, oder für beide Thak; 
nur darin gehen sie auseinander, dafs die einen darin die 
ganze, letzte Lösung des Buches finden, die andern nz 
eine vorläufige Beruhigung, während die positive Lösung 
anderwärts gesucht und gefunden wird. Eine besonders 
klare Formulirung möge als Beispiel dienen. Hupfeld 
sagt (Deutsche Zeitschr. u. s. w. 1850. 8. 285) : „Der 
Dichter will die Streitfrage nicht theoretisch lösen, sonden 
niederschlagen, der Speculation 'entreilsen, und so dem Streit, 
als einem erfolglosen, für immer ein Ende macher.... 
Seine praktische Absicht, nämlich die Gemüther von der 
unfruchtbaren Grübelei über die Wege Gottes aaf die 
praktische Weisheit und Gottesfurcht hinzuweisen, ist bün- 
dig ausgesprochen in dem Schlulssatz der Wechselrede 
Hiobs mit den Gegnern 28, 28 : „(Gott) sprach zu dem 
Menschen : siehe Furcht des Herrn das ist Weisheit, und 
meiden das Böse das ist Einsicht“ d. h. das ist die einzige 
ihm von Gott beschiedene Weisheit; im Gegensatz mit 
der Erforschung der Rathschlüsse Gottes, die im vorher- 
gehenden als ein Geheimnis Gottes und dem Menschen 
versagt bezeichnet ist. Hierin ist dlso wohl der Haupt- 
satz und Schlufsstein der Ansicht des Diehters zu suchen.‘ 

Nun ist jedenfalls fraglich und fürs erste bei Seite sa 
lassen, ob wirklich der Dichter hier durch Hiob seine Leser 


ı) Die einzige Ausnahme bildet, wie schon damals bemerkt, Ebrard, 
der in c. 28 die Bankruterklärung Hiob’s sieht, freilich ohne von ds 
aus weiter auf Hiob’s inneres Verhältnils zu Gott su schliefsen und 
ohne die Bedeutung der nächstfolgenden Capitel ausreichend in Er 
wägung zu siehen. 





des Buches Hiob. 257 


belehrt; vielmehr ist zunächst dabei stehen sa bleiben, 
dafs Hiob spricht. Was er aber sagt, muls freilich nach 
seiner eigenen Ansicht nicht nur für die Freunde gelten (wobei 
ess. B. Hirzel bewenden läfst), sondern für die ganze 
Menschheit und besonders für thn selbst. Was nun Gott dem 
Menschen als Grundgesetz seines Wesens eingepflanzt hat 
— von jener Ansicht aus — das wird für den Menschen 
Gegenstand sittlicher Verpflichtung, und eine solche’ wird 
in unserem Satze wohl auch (im Sinne des Dichters oder 
Hiobs) von allen jenen Auslegern erkannt. Demüthiges, 
glaubens- und vertrauensvolle Sichbescheiden bezeichnet 
also Hiob als das allein richtige, von Gott gewollte Ver- 
halten des Menschen bei allen Räthseln seiner Weltregie- 
rung, so auch bei dem vorliegenden. Dieses Sichbescheiden 
wird nothwendig zum Bestandtheil der Gottesfarcht selbst, 
weil es eben Gottes Wille gewesen, dafs der Mensch die 
sa anderem Verhalten, wenn es erfolgreich sein soll, erfor- 
lerliche Weisheit nicht besitzt. Damit ist also jedes eigen- 
mächtige Ueberschreiten dieser Schranke nicht nur un- 
fruchtbares Grübeln, sondern zugleich eine Verletzung des 
Grundgesetszes der Gottesfurcht, die Gottes Ahndung auf 
desi Menschen herabziehen muls. Dafs das Hiobs Meinung 
wirklich ist, läfst sich leicht beweisen. In c. 13,7 ff. tadelt 
and bedroht er die Freunde, weil sie sich einfallen lassen, 
ob auch zu Gottes Gunsten, mit menschlicher Trugweisheit 
in die Frage seines Ergehens heranzutreten, und die 
Stellen c. 7, 11 ff. 9, 21 f. 29. 10, 1. 2. 13, 13—15, aus 
Mmmtlichen Reden Hiobs im ersten Gange, beweisen, wie 
w sich mit seinen eigenmächtigen Aussagen über Gottes 
Thun wohl bewulst ist, Gottes Zorn zu reisen, und dies 
tur darum nicht scheut, weil er sich ohnehin verloren 
glaubt. Somit leidet c. 28, 28 nicht auf die Freunde allein 
Anwendung, sondern der Spruch verurtheilt sämmtliche 
rörhergehenden Reden Hiobs in erster Linie. Ist nun, 


wie fast alle Ausleger annehmen, dieser Satz ohne jeden 
Zeitschrift f. d. alttest. Wies. Jahrgang 2. 1888. 17 


$568 Budde, die Capitel 27 und 28 


Nebengedanken ausgesprochen, reine, von allen Schlacken 
gesäuberte Erkenntnifs — und das muls er sein, wenn de 
Dichter darin seine Meinung ganz oder theilweise nieder 
gelegt hat — so mufs Hiob hier, nachdem er Ruhe und 
Besonnenheit wieder erlangt hat, seine Reden, sofern sie 
die Spitze gegen Gott richten oder auch nur eigenes Ur- 
theil über Gottes Thun an ihm äufsern, bereuen und 
widerrufen und muls sich dann zurücksiehen auf den Stand- 
punkt ruhiger Ergebung, die geduldig auf Gottes Lösung 
wartet'). Reue und Widerruf aber finden wir in Wirklich 
keit nicht hier, sondern erst nach Gottes Reden, und an 
Stelle der ruhigen Ergebung finden wir gleich nach unsrer 
Stelle eine wohlüberlegte, scharf gegliederte Rede, deren 
eigentlicher Inhalt eine Anklage Gottes ist, die in c. 31, 
85 ff. in eine kecke, siegesgewisse Herausforderung Gottes, 
seines Gegners, ausliuft. Den Nachweis für diese Auf- 
fassung der capp. 29—31 brauche ich hier nicht zu wieder- 
holen, da er oben bereits gegeben wurde : wird dieselbe 
als die richtige anerkannt, wie ich denn glaube, dafs kein 
Abschnitt des Buches Hiob so dringend gröfsere Berticksich- 
tigung verlangt wie dieser, so machen sie die Auffassung von 
28, 28, mit der wir es hier zu thun haben, ptatterdings 
unmöglich. Kein Mensch von gesundem Verstande kann 
so sich selbst widersprechen, kein Dichter kann sein Bestes 
so muthwillig wieder aus der Welt schaffen. Und dieser 
grelle Widerspruch wird noch empfindlicher dadurch , dafs 
28, 28, so aufgefafst, den Inhalt der: Reden Jahve’s vor- 
wegaimmt. Ist es diese selbe Ueberlegung, aus Gottes 
eigenem Munde, der Hiob endlich sich beugt, wie hat er 
sio denn vorher so schmählich wieder verlassen können, 
oder wie konnte der Dichter sich die Wirkung derselben 
im voraus so verderben ? Und für die Thatsache, dai 
c. 28, so aufgefalst, die Reden Jahve’s vorwegnimmt, darf 


4) Vergl. dafür die Musterstellen o. 1,21. 2,10. 





des Buches Hiob. | 259 


Mich mich nicht nur auf Studer berufen, sondern nicht 
minder auf Merx (S. XXIX), der das Bedenkliche durch 
sehr künstliche Vermuthungen über spiitere, mildernde 
Zinschaltungen aus dem Wege räumt, und auf Reufs’ 
effenes Eingeständnifs dieser höchst störenden Sachlage, 
dic ihm die Echtheit von c. 28 zweifelhaft erscheinen lüfst.!) 
‘Auch ich würde mich unbedenklich dem Urtheil van Stu- 
der, Wellhausen und Reufs anschliefsen, wenn ich 
diese Auffassung von 28, 28 für die richtige hielte. 

In meinen „Beiträgen“ habe ich nun meine Auffassung 
des Stückes ganz kurz und ohne Beweisführung für ihre 
Möglichkeit, aber eben darum desto schärfer und unmiß- 
verständlicher ausgesprochen. Danach sagt Hiob, dais 
Gott, statt seinen kostbaren Besitz, die Weisheit, dem 
Menschen, dem edelsten Geschöpfe, mitzutheilen, ihm an 
Stelle des Besitzes nur schwere Forderungen gegeben, unter 
dem Namen „Weisheit nur die Gottesfurcht und das Mei- 
den der Sünde gereicht habe.“ Damit spreche Hiob einer- 
seits aus, dafs er an der Lösung der Frage versweifie, 
andererseits aber enthalte seine Ausführung eine schwere 
Anklage gegen Gott, den eigennützigen und lieblosen 
Schöpfer der Welt, der sich selbst das Beste vorbehalten 
habe (und die Schuld trage, dafs hier sein Verstand zu 
Ende sei). Seitdem ist nun festgestellt worden, dafs ich 
diese Stelle in Fieberhitze niedergeschrieben habe (Unions- 
fieber nennt Studer die neuentdeckte Krankheit)*), und 
da ich niemandem sumuthen kann, einem Fieberkranken zu 
glauben, so werde ich den Nachweis antreten müssen, dals 


N) La Bible, t. VL p. 29: Job y fait !’dloge de la sagesse et ter- 
mine de manitre & anticiper sur la conclusion pratique & tirer du dis- 
cours de Jéhova, tout en continuant ensuite, par trois chapitres entiers, 
b gerler de ses sentiments personnels, tels qu'ils lui étaient dicteds par 
la aituation présente. I] faut convenir que cela est asses génant. 


9) Antikr. 8. 544. 
17* 





960 Budde, die Capitel 37 und 28 


ich jetzt einer ganz normalen Temperatur mich erfreu, 
um dann hoffentlich für dieselbe Auffassung mehr Glauben 
su finden. Ä Ä 

Wir haben oben nachgewiesen, dafs die Weishet a 
c. 28 eingeführt, das Suchen nach ihr in Betracht gezogen 
wird, weil man ihrer bedürfen würde, um die Frage nach 
'Hiob’s Leiden su beantworten. Dennoch hat die Wewheit | 
selbst, wie wir ebenfalls feststellten, in c. 28 allgemeinste 
Bedeutung ; die Suchenden in c. 28 sind die Menschen 
überhaupt, nicht Hiob und seine Freunde, denen es nm 
nicht besser geht als allen Anderen; der Bescheid, der ia 
v. 28 gegeben wird, ist uralt, dem Menschen als solchem 
schon bei der Schöpfung ertheilt. Umsoweniger soll, was 
dort dem Menschen an Stelle der Weisheit gegeben ist, 
geeignet sein die vorliegende Aufgabe zu lösen : das kann 
„ur die Weisheit, nicht ihr Surrogat, die Furcht Gottes, 
und eben deshalb verlangt dieser Vers jedenfalls Verzicht 
auf alles Grübeln, mag dieser Verzicht nun gutwillig oder 
murrend geleistet werden. Aber andererseits soll allerdings 
die Furcht Gottes in weitem Umfange die allgemeine Auf- 
gabe der Weisheit. übernehmen’). Die Weisheit, sofern 
der Mensch sie wirklich besälse, würde von ihm benutzt 
werden können und benutzt werden, selbständig sein Leben 
zu gestalten, das Nützliche zu wählen und zu thun, das 
Schädliche zu meiden und zu verhindern und so glücklich 
su sein*), Gott hat ihm mit der Einsicht in die 
Räthsel der Weltregierung auch das versagt und statt 
dieses selbständigen Handelns dem Menschen gesetzt seinen 
Geboten gehorsam zu sein und in steter, unbedingter Ab- 


1) Hier kommt sur Gelturig, was an der Auffassung von Delitzsch 
und Dillmann richtig ist : nicht beim Ansatz schon, sondern bei der 
Lösung der Aufgabe. 

*) Vgl. Gen. 8, 5, wie überhaupt die Stindenfallgeschichte höchst 
beachtenswerthe Vergleichspunkte bietet. 





des Buches Hiob. 261 


kängigkeit von ihm zu leben. Kommt der Mensch damit 
seiner Bestimmung nach, so übernimmt dann andererseits 
Gott, des Menechen Geschick kraft der thm innewohnenden 
Weisheit förderlich zu lenken, sodafs er seiner Bestimmung 
gemäls sich entwickele und ohne gewaltsame Hindernisse, 
die er selbst vermöge seiner Abhängigkeit nicht aus dem 
Wege zu räumen im Stande ist, sein Leben hinausführen 
könne. Dies das Verhältnifs der Gegenseitigkeit, wie es 
uns in den Bundschliefaungen im ganzen Verlaufe der Ge- 
schichte Israel’s unwiderleglich klar entgegentritt. — Hat 
nun auf Grund dieses Verhältnisses Hiob Ursache sich zu- 
frieden zu geben und auf dessen Bedingungen, sowie er 
sie in 28, 28 fafst, nicht nur Andere zur Ruhe zu verweisen, 
sondern auch selbst su Ruhe und Gottergebenbeit su ge- 
langen, oder nicht? Eine einfache Ueberlegung wird das 
seigen. Die von Gott gesetzten Bedingungen hat Hiob 
gehalten, er war gottesfürchtig und mied das Böse, wie 
Gott ihm in stärkster Fassung bezeugt hat, wie er selbst 
von sich aussagt (vgl. nur 23, 10 ff. und das Zeugnifs des 
Eliphas 4, 6). Aber trotz seiner Treue hat der Herr dem 
Klienten nicht Wort gehalten; sein Lebenspfad ist völlig 
verfinstert, der Tod wäre für ihn ersehnte Erlösung. Bis 
dahin hat er die verlangte Gottergebung geübt und hat 
sich still beschieden mit dem, was Gott ihm gab, ja wir 
finden noch herrliche Aeufserungen dieser Stimmung bei 
ihm im Leiden selbst, bis ihm die Freunde auch sein letztes 
Gut, seine Gerechtigkeit, rauben wollen. Die nun in ihm 
herrschende Stimmung schildert er in Beantwortung der 
Vorwürfe des Eliphas am treffendsten in c. 6, 5 ff: 
„Schreit auch ein Wildesel bei frischem Gras, brüllt auch 
der Stier vor seinem Futter ?* Das heist, das, was Gott von 
uns verlangt, können wir wohl erfüllen, so lange er seinen 
Verheifsungen und gleichsam Verpflichtungen nachkommt. 
Und in dem durch die Reden der Freunde nur noch ver- 
stärkten Bewulstsein, dafs das Gegentheil der Fall ist, 


262 Budde, die Capitel 37 und 28 


schreitet er dann fort zu offenen, bewufsten Verletzungen 
des Vertreges seinerseits, wie sie oben, mit 7, 11 ff. be 
ginnend, aufgeführt sind. Wie diese Stimmung gegen Get 
sich bis zuletzt erhält, ist bei Behandlung von c. 27 vollauf 
bewiesen, dort ist auch gezeigt, wie 27, 8-10, zusammen- 
gehalten mit 27, 2 und 31, 35 ff. (neben allen früheren 
Stellen) die Aufstellung enthalten, dafs der Gottlose kraft 
seiner Gottlosigkeit des eigentlichen inneren (und äufseren) 
Glückes nothwendig entbehren mu/s; dafs der Gerechte, 
Fromme desselben theilbaftig werden kann, während Hiobs 
eigenes Beispiel beweist, dafs die Gottesfurcht noch keine 
Bürgschaft für Glück gewährt. Das die Stimmung und Ar- 
schauung, die auch dem c. 28 zu Grunde liegt. Gott hat 
dem Menschen seine Selbständigkeit nicht gegeben, viel- 
mehr völlige und unweigerliche Abhängigkeit von ihm 
verlangt. Jedes Widerstreben straft er unerbittlich, wes 
halb der Mensch um seines eigenen Besten willen sich 
fügen muls; aber eine Gewähr für des Menschen Glück 
hat er darum nicht tibernommen; nach Gutdünken und 
Willkür trifft er ihn in unbegreiflicher Weise mit denselben 
Leiden, die sonst des Gottlosen Theil sind. Ganz von 
selbst ergänzt sich v. 28 aus Hiobs Gedanken folgender- 
malsen : „Die einzige Weisheit des Menschen ist Gottes- 
furcht; was diese aber gelegentlich nutzt, das seht Ihr an 
meinem Beispiele? So ist thm diese Fassung allerdings 
ganz ernst gemeint, und tn diesem Augenblick behauptet 
er allerdings, dafs Gott dem Menschen dieses und kein 
anderes Geschenk gegeben habe; aber er ist schon längst 
‘nicht mehr gewohnt, was Gott dem Menschen bestimmt 
hat, darum auch als gut anzusehen; die Gottesfurcht, die 
früher seine Wonne war, empfindet er allerdings jetzt als 
schwere Forderung eines lieblosen Schipfers. Dafs er 
aber bei einer solchen Auffassung nicht ruhig, wird — wie 
eben die folgenden Kapitel beweisen — begreift sich leicht. 
Geht doch aus demselben Satze, womit er die Unbegreif- 


des Buches Hiob 263 


pickakett seines Leidens erklärt (weil dem Menschen eben 
- dies Weisheit nicht gegeben sei), zugleich herver, dats er, 
~ -Hzob, das Seinige vollauf gethan, Gott aber der selbst- 
a wesrständlichen Gegenleistungen vergessen habe, also an 
 sänem Leiden schuld sei. Diese Anklage Gottes, nur 
.S wmittelber in 28, 28 enthalten, wird nun ausdrücklich er- 
„oben und in scheinbar unwiderleglichem Schlusse bewiesen 
= Ic. 29—31'), ganz so wie ich dies in meinen „Beiträgen“ 
wy 8.4 f. kurs gefalst habe. „So stand es früher mit mir; 
=: 0 gteht es jetst mit mir; ich habe keinerlei Schuld auf 
. Wie} geladen und fordere kühn meinen Gegner zum Rechts- 
rg; Ineraus.“ Oder anders gewendet und umschrieben : 
le: tweder ich, der ich unter dem plötzlichen Wechsel 
ae Hhabe ihn durch eigene Verschuldung mir zugezogen, 
D fa- «ZSott, der ihn hervorgerufen, hat eben damit eine 
Re-esar-eschtigkeit begangen. Ich bin mir keiner Schuld be- 
ae, also —* 
=. ist der Nachweis geliefert, dafs die von mir schon 
Rinesw gegebene Auffassung von c. 28 und v. 28 insbe- 
ch emcee sich in den Zusammenhang ebenso schön, ja noth- 
ne Sey einfügt, wie die andere, welche Hiob mit jenem 
oT GQeesesspruch sich einverstanden erklären läßt, den un- 
iur Xeglichsten Thatsachen widerspricht und, falls sie 
‚chat wäre, die Entfernung des Stückes als eines fremden 
Km «mhubs heischen würde. Zugleich aber fällt der andere 
yowrwwurf weg, dafs das Stück den Reden Jahve’s vor. 
gree. Die Ergebung, die Gott in seinen Reden verlangt, 
qenstet Hiob in c. 28 nicht; vielmehr hat der Dichter dem- 


x 


= 
ba) 
I 





: N Die Wehmuth, die über c. 39 und 30 liegt, erklärt sich aus 
dem Gegenstand, sie kann also nicht gegen meine Erklärung von 
o 28, 28 angeführt werden, wie Giesebrecht 8. 40 thut. Schon in 
g. 80 weicht diese Stimmung bedenklich, und der Schlufs von o. 81 
„stecheidet. Einen gehaltenen Ton, etwas Ueberlegeames, Entschlos- 
„ones haben diese abschlielsenden, susammonfassender Capitel der Natur 

der Bache nach mit o. 28 gemein. 


NT 





964 Budde, die Capitel 27 und 28 


jenigen, der ihn zu derselben bringen soll, sei dies om 
Jahve allein oder vor und mit ihm Elihu, noch ein red 
liches Stück Arbeit aufgespart. 

_ Aber auch die Form, der Bau des cap. 28 selbst macht, 
wie ich ebenfalls schon früher behauptet habe, diese Aci- 
fassung nothwendig. Wie oben gezeigt wurde, tritt v. 2 
auf als Beantwortung des suchenden Fragens nach der 
Weisheit in v. .12 ff., gegensätzlich vorbereitet durch 
v. 1—11. Subjekt des Suchens ist unbestimmt der Mensch 
als solcher, die Stimmung bis v. 22 diejenige brennender 
Sehnsucht, schmerzlicher Enttäuschung, bis mit v. 23 eine 
neue Quelle der Hoffnung sich aufthut, da mit grofsartigen, 
in ihrer Erhabenheit fast tröstlich klingenden Worten der 
wahre Fundort der Weisheit genannt wird. In ängst 
licher Erwartung scheint der Mensch nun fragend und 
bittend vor Gottes Thron zu stehen. Je breiter sich aber 
der Strom der Worte von v. 23—27 in dieser Schilderung 
ergiefst, um so kürzer und schroffer lautet das für den 
Menschen insbesondere bestimmte Endergebnifs, die ihm 
ertheilte Antwort in v. 28. Nicht die Weisheit, auch nicht 
Theil an der Weisheit, noch der Weg dazu, die Aussicht 
ihrer ganz oder theilweise habhaft.zu werden! Aber wenn 
das nur mit schlichten Worten ausgesprochen würde, dals 
der Mensch die Weisheit nicht besitzen kann, und dann 
mit ebenso schlichten Worten ihm seine Stellung ange 
wiesen würde, etwa unter Hervorhebung des Trostes, der 
darin liege, dafs die wahre Weisheit über ihm walte 
und ihn beschirme. Statt dessen wird ihm, in dessen 
Geiste doch eine Ahnung, ja Kenntnifs von dem Wesen, 
dem Werthe, den Werken der wahren Weisheit liegt, etwas 
anderes ausdrücklich unter dem Namen der Weisheit tiber- 
reicht, was diese Werke eben nicht geschaffen hat, was 
nicht gleichwerthig ist mit dem Gesuchten. Und diese 
Antwort ist gegeben gleichzeitig mit der Erschaffung des 
Menschen, sie gehört zu seinem Wesen und seiner Be 





des Baches Hieb. 265 


stimmung, obschon er zugleich eine Ahnung von der wahren 
Weisheit hat, die ausreichend ist zu sehnsüchtigem, aber 
ewig vergeblichem Suchen. Der schmerzliche Eindruck 
dieser Worte wird nur verschärft durch den Umstand, dafs 
sie eine scheinbar leise Umbildung und Umbeugung eines 
bekannten, zugleich mahnenden und tröstenden Wortes 
sind, von dessen Wahrheit auch Hiob früher gewifs über- 
zeugt gewesen ist : dafs man durch Gottesfurcht zur Weis- 
heit gelangen könne. Mich dünkt, hier hat jedes Wort 
seinen Stachel; die Antwort des Gottes, der, selbst im Be- 
sitse der Weisheit, dem Menschen sagen wollte : „sie ist 
nicht für Dich, Du hast Dich nur mir unbedingt anzu- 
vertrauen“, könnte nicht schroffer gefafst werden, als es 
hier geschehen ist. 

Mit Ausrufen und Verwahrungen gegen eine so aben- 
teuerliche Bedeutung der Stelle (vgl. Studer Antikr.), 
gegen diese Steigerung von Hiobs Vorwürfen „bis zum 
Gräfslichen, gegen die titanischen, niedrigen und gemeinen, 

ein solches Raffinement von Anklagen® (Giese- 
brecht S. 40) ist hier gar nichts ausgerichtet; vielmehr 
gilt es den Thatsachen in’s Gesicht zu sehen und ihnen 
sich zu fügen. Mit hinkenden Vergleichen, Prometheus, 
Titanen habe ich nichts zu schaffen; wer aber durchaus 
meint, der Heranziehung des klassischen Alterthums hier 
nicht entrathen zu können, der mag dann wohl zu solchen 
Vergleichen greifen und hat ein gewisses Recht dazu, ohne 
anerkennen zu müssen, dals dann auch Hiob, wie Prome- 
theus, nicht zur Bufse kommen könne'). 

‚Allen solchen Widerlegungen ohne Gründe setze ich 
nur einige andere Stellen des Buches Hiob zum Vergleiche 
entgegen, um damit zu beweisen, wie wenig eine Aussage 
wie c. 28, 28 in meiner Auffassung aufser dem Bereiche 


N) 8. Giesebrecht. Doch hat Aeschylos bekanntlich auch einen 
ontfesselten Prometheus geschrieben. 





266 Budde, die Capitel 37 und 28 


des im B. Hiob Möglichen liegt. Das so Unglaublich 

an meiner Auffassung soll doch wohl darin liegen, deb 

Hiob Gott beschuldige, dem Menschen schon bei seine 

Schöpfung übel mitgespielt, ihn (nach Giese brecht) m 

„neidischer, betrügender Willkür“ behandelt zu haben, a 

dem „bitteren Sarkasmus (Smend), der sich in den Wer 
ten ausspräche. Im Grunde reichte nun jede Stelle, in der 
Hiob Gott der Ungerechtigkeit gegen seine Person s- 
klagt, aus dergleichen zu erklären, weil es nur der folge 
richtige Schlufs daraus ist. Aber dieser (oben angeführten) 
Stellen bedarf ich hier nicht. — Als Grundlage möge 
dienen c. 7, 1 und c. 14,1 ff. : „Hat der Mensch nich 
Kriegsdienst auf Erden, verbringt or nicht wie ein Tage 
löhner seine Tage™ „Der Mensch, der Werbesgeborne, is 
arm an Tagen, doch satt von Unruhe u. 8. w.”, so möge 
Gott denn wenigstens mild und nachsichtig mit ihm um- 
gehen. Also des Menschen Loos, von Gott ihm gesetzt, 
ist an sich ein trübes und trauriges, und wollte man dem 
Gedanken nachgehen, so würde die Vorschrift der Gottes 
furcht und des Meidens des Bösen mit in den Kriegsdienst, 
die Tagelöhnerarbeit einzuschliefsen sein. Eine Lust Gottes 
den Menschen grundlos zu quälen ist oft genug aus Hiob's 
Worten herauszufühlen, vgl. besonders 9, 17 b. 16, 12—I1, 
wo Hiob Gottes Zielscheibe ist, der blutdürstige Eifer, das 
grausame Spiel besonders klar hervortritt. Aber allgemeine, 
mehr principielle Aussagen sind erwünscht; nun, die stärkste 
Aussage dieser Art ist allgemein, c. 9, 23 : „Wenn dis 
Getlsel jählings tödtet, so spottet er über die Verzweiflung 
der Unschuldigen“ (ay crpı pend). Die reine Willkür 
Gottes ist Hiob gegenüber sehr oft hervorgehoben; in al 
gemeiner Aussage an der letztgenannten Stelle c. 9, 22: 

„Den Unsträflichen und den Frevler vernichtet er“, und weiter 

besonders in c. 21 und 24. Nachdrücklich mufs endlich 

hervorgehoben werden c. 10 : der Gegensatz des schöpfe- 

rischen, sorgsamen Bildens, das gleichsam mit Liebe ge 


des Buches Hiob. 967 


schieht, zu dem schon damals in Gottes Sinne feststehenden 
Rathschluls (v. 13 ff.), den Gegenstand so vieler Mühe 
durch das Leben hin zu Tode zu heisen, ob er nun seinen 
Geboten gehorsam sei oder nicht. — 

Solchen Aussagen gegenüber ist c. 28, 28, wie ich 
den Vers verstebe, unschuldig zu nennen, als der vor- 
sichtige grundsätzliche Erklärungsversuch : dafs Gott nüm- 
lich von Anbeginn den Menschen nur zu seinem Diener 
geschaffen und ihm gegenüber sich zu nichts verpflichtet 
habe; dafs er Ungehorsam strafe, dem Gehorsam gegenüber 
eine Politik der freien Hand befolge.') An sich also ist 
die Möglichkeit einer solchen Aussage innerhalb des B. 
Hiob in keinem Falle zu bezweifeln. Wer behaupten will, 
sie sei an dieser Stelle unmöglich, der muls den Nachweis 
führen, dafs Hiob’s Stimmung und Ansichten bis hieher 
sich geändert haben, und der Versuch dieses Nachweises 
ist oben widerlegt. Selbst an den Stellen, wo Hiob Gott 
als seinen Zeugen und Helfer anruft, hält er sein Schicksal 
dennoch für besiegelt und erwartet von Gott nichts als 
Anerkennung seiner Unschuld, die von den Freunden ge- 
leugnet wird. Selbst damit ist unsere Auffassung von c. 28 
durchaus zu vereinigen; um so mehr mufs es dabei sein 
Bewenden haben. 

Und nun die Antwort auf die oben aufgeworfene Frage : 
„welchen Werth hat c. 28 für Hiob selbst und in Folge 
davon für den Aufbau des ganzen Buches, die Lösung der 
in ihm verhandelten Frage? — Gar keinen positiven : 
Hiob bleibt nach wie vor vor dem ungelösten Räthsel 
stehen und zwar ohne sich zu unterwerfen und ohne Ver- 
zicht zu leisten auf die Lösung desselben, die er ungestüm 


4) Dar ein entechlossener, äulserlich wenigstens ruhiger Rech- 
nungsabschlufs nicht in einer „heftigen, von Schmerzensschreien unter- 
brochenen Rede“ verlaufen kann — wie es Giescbrecht bei meiner 
Auffassung natürlicher finden würde — versteht sich von selbst. 


e 


268 Budde, die Capitel 27 und 38 


von Gott verlangt. Die positive Seite in dem Verhalten 
Hiob’s ist in diesen Capiteln keine andere als in de 
früheren. Trotz der schwersten Anklagen gegen Gott 
hält er sich auf das zäheste an ihm fest, mag nichts mit 
den Gottlosen nnd Freviern zu schaffen haben, erkennt die 
Verpflichtung des Menschen zur Gottesfurcht oder besser 
die wesenhafte, gleichsam physische Nothwendigkeit daran 
festzuhalten an, selbst wo sie ihm übel vergolten wird, und 
selbst da noch, wo er ein Unrecht darin zu erkenne 
glaubt, da/s Gott den Menschen in so enge Grenzen ein- 
gezwingt habe. 


Den negativen Werth hat die Entschlossenheit, mit 
der er in diesem und den folgenden Capiteln auftritt, dal 
die Freunde besiegt sind und den Streit aufgeben, in dem 
sie nichts neues vorzubringen, Hiob nicht zu überzeugen 
vermögen. So sind die Capitel im Aufbau des gansen 
Buches von höchster Wichtigkeit als Abschlufs des mitt 
leren Haupttheils, der Streitreden zwischen Hiob und seinen 
Freunden. 


Mit diesem Ergebnifs wird also der, der nur des 
Dichters Absichten und Ziele verfolgen will, rechnen, damit 
das Vorhergehende und Nachfolgende verbinden und dann 
versuchen, den Gedankeninhalt des Buches, die Lösung, 
welche der aufgeworfenen Frage zu Theil wird, festzustellen. 
Ich sehe dabei eine Anzahl von Möglichkeiten. 1) Man 
erkennt die jetzige Gestalt des Buches als die ursprüng- 
liche an und lälst sich von den Elihu-Reden die Lösung 
bieten. 2) Erklärt man diese für unecht, so mag man 
entweder mit der Widerlegung der Vergeltungslehre, wie 
die Freunde sie vertreten, sich begnügen, etwa unter Hin- 
zunahme dessen, was der Prolog bietet, oder man suche 
eine positive Lösung in den Reden Gottes, zur Noth in 
der Gotteserscheinung selbst. 3) Kann man sich bei keiner 


des Buches Hiob. 269 


dieser Möglichkeiten beruhigen'), so bleibt immer noch 
das Dritte, daß die Reden Elihu’s überarbeitet oder an 
die Stelle anderer echter Reden getreten sind, oder auch 
dafs das übrige Buch Abünderungen erfahren hat *). 

Alle diese Möglichkeiten lassen sich mit meiner Auf- 
fassung der Capitel 27 und 28, die ich in allen Haupt- 
sachen für die des Dichters selbst halten mufs, zu einer 
Beihe von verschiedenen Ergebnissen über die Idee des 
B. Hiob Vereinigen. Nur gegen eine vierte muls ich 
Protest einlegen, gegen das emsige Bestreben, in den 
letzten Kapiteln der Reden Hiob’s diese Lösung bereits 
ganz oder der Hauptsache nach zu finden, gegen dieses 
ängstliche Suchen nach Spuren seiner Bekehrung, um ihm 
dann möglichst eilig die Absolution zu geben, alle bedenk- 
lichen Aeufserungen mit dem Mantel christlicher Liebe zu 
bedecken. Mich verwahren mufs ich gegen die gewaltsame 
Auslegung einer Stelle wie c. 27, 8—10, gegen die wohl- 
wollende. Auffassung von c. 28, 28, gegen die Beweis- 
führung aus c. 17, 9, gegen die Vernachlässigung so wich- 
tiger Stellen wie unter anderen c. 27, 2. 31, 35 ff. Sehr 
wohl weifs ich, dafs alle jene Ausleger die Meinung des 
Buches Hiob selbst und nicht ihre eigene geben wollten ; 
dafs aber manche vorgefalste Meinung dabei mit im Spiel 
ist, scheint mir durch so auffallende Verkennung des vom: 
Dichter gewollten Zusammenbangs bewiesen, liefse sich 
auch im einzelnen aus Aeufserungen wohl belegen*). Könnte 
Hiob selbst reden, er. würde solche Versuche für ihn zu 


1) Die Schwierigkeiten, die sich denselben in den Weg stellen, 
habe ich in meinen „Beiträgen“ nachzuweisen gosucht. 

*) Diese dritte Möglichkeit enthält keinen Widerruf meinerseits. 
Schon in meinen „Beiträgen“ 9. 55 habe ich dieselbe aufgestellt für 
den Fall, dafs sich die Reden Elihu’s als unecht erweisen. 

®) Bo wenn Smend 8. 164 sagt : „Weils ein Hiob keine Ant- 
wert auf die Frage, weshalb der Gerechte leide, so darf überhaupt 
keia Mensch eine solche wissen, sie muls durch Gott geoffenbart 
werden. 


270 Budde, die Capitel 37 und 28 


kämpfen zurückweisen und stolz darauf sein, dafs er ihrer 
nicht bedarf. Seiner Gestalt die volle Beleuchtung wieder 
zugeben, die der Dichter ihr hat geben wollen, ihn, de 
Kämpfer für das Gewissen gegen Satan und Menschen 
und vermeintlich auch gegen Gott seine Aufgabe kraftvoll, 
wenn auch in schauerlicher Folgerichtigkeit bis zu Ende 
durchführen zu lassen, das scheint mir nothwendig und 
aller aufgewandten Mühe werth, und so wiederhole ich zu 
Ende dieser Ausführungen mit voller Freudigkeit, was 
ich schon vor fénf Jahren der Hauptsache nach auch 
mit Beziehung auf die hier behandelten Capitel gesagt 
habe : Ich bin kühn genug zu hoffen, dafs diese Auf- 
fassung jener Reden und damit der Person Hiobs immer 
mehr sich Bahn brechen wird. 





Eine Schrift, von der ich erst während des Druckes 
dieser Abhandlung durch Kautzsch’s Erwähnung in dem 
„Wissenschaftlichen Jahresbericht über ‘die Morgenlandi- 
schen Studien im Jahre 1879* erfuhr, zwingt mich su 
einem Nachtrag. Es ist : Boelicke „Die Elihu-Reden (1.) 
nach ihrem Zusammenhange mit dem übrigen Theil des 
Buches Hiob und (2.) nach ihrem sprachlichen Charakter‘, 
Gekrönte Preisschrift der theologischen und (umgearbeitet) 
Doktor-Dissertation der philos. Fakultät zu Halle, 1879. 
Die Art des Erscheinens entschuldigt wohl meine Unbe- 
kanntschaft mit der Schrift; bei dem zugestandenen , sehr 
genauen Anschlufs an meine „Beiträge wäre mir die Zu- 
sendung derselben sehr erwünscht und gewils gerechtfertigt 
gewesen. — Der zweite Theil der Schrift arbeitet nur mit 
meinem Material — die Smend’sche Recension hätte 
nicht übergangen werden sollen — der erste Theil bringt 
in frischer, selbständiger Auseinandersetzung neben erfreu- 
licher Uebereinstimmung manches Abweichende, was den 
Gegenstand dieser Arbeit angeht. 


des Baches Hiob. 971 


c. 26, 5 ff. soll von Bildad ausgesagt sein, indem 

EMReob ironisch „ihn mit Gott vergleicht und seine Weisheit 
wamnmd Kraft der göttlichen gleichsetst.“ (8. 12.) Eine ganz 
mpapee Ansicht. Dafür spricht nicht : 1) dafs Gott nicht 
EEe@mannt ist, denn bei blofsem ,er* ist die Vermuthung 
mets für Gott, besonders wo die Aussagen diese Beziehung 
me<p klar an die Hand geben. Auch in c. 25, 2. 3 ist Gott 
waächt genannt, und an das „er“ dieses Capitels knüpft Hiob 
w. 5 ff. an, die aufgegebene Rede fortsetzend. Nur darum 
Izsante v. 5 uns noch im Unklaren lassen, weil das „er“ 
Baier noch nicht auftritt. 2) Dafs die Worte, von Gott 
anmsgesagt, keinen Sinn hätten. Hiob nimmt hier ebenso 
‘wie in c. 9 den Freunden das Wort aus dem Munde und 
stellt seine Uebereinstimmung mit ihren selbstverständlichen 
Aussagen fest. Die Ueberleitung dazu übersieht Boe- 
Licke, sie liegt in v. 4: „Wem hast du die Auskunft 
gegeben, und wessen Eingebung spricht aus dir?* Die 
direkte, scheinbar zugestehende Ironie der Verse 2 und 8 
schlägt hier schon in das Gegentheil um : „Soll das etwa 
für mich bestimmt sein, und hast du das von dir selber ?* 
Die darin liegende Aussage, dafs Bildad ihm nichts Neues 
sage, wird in v. 5 ff. von Hiob belegt, indem er ihn über- 
bietet. — Gegen Boelicke’s Auffassung entscheidet 
1) dafs eine so übertriebene, so wei: ausgesponnene nur 
direkte Ironie ohne jede Andeutung der wirklichen Mei- 
nung mifsverstanden werden mulste, 2) dais sich die Aus- 
sagen des Stückes, auf Gott bezogen, als selbständig und 
neu den zahlreichen Lobpreisungen Gottes im B. Hiob an- 
schliefsen. 

Ueber c. 27, v. 2—7 geht Boelicke sehr rasch hin- 
weg. Das ist zu bedauern, denn bei scharfer Beachtung 
von v. 7 als Ausspruch Hiob’s wäre es doch unmöglich 
gewesen, v. 8—10 als von Hiob angeführten Einwurf der 
Freunde zu fassen, wie Boelicke thut. Auf diesen Ein- 
wurf läfst er Hiob von v. 11 an antworten, so aber, dafs 


272 Budde, die Capitel 27 und 28 


v. 13—23 sogleich wieder eine ironische Darstellung der 
Lehre der Freunde geben (so nach Eichhorn, Bickel, 
Hitzig, s. oben 8. 213 Anm.). Wenn dieser Sinn der 
Stelle, wie doch verlangt werden muls, im Texte irgendwo 
angedeutet sein soll, so mufs dies in v. 12b geschehen: 
„warum redet ihr denn so eitel : etc.* Dann aber ist 
v. 13—23 nicht „köstliche Ironie, sondern nüchterne Wie 
dergabe der Rede der Freunde, und als solche in dieser 
Ausdehnung unleidlich. Ferner feblt dann für 12a jede 
Beziehung. Die auf v. 13—23, von uns festgehalten, ist 
nun ausgeschlossen, weil 12b darauf geht. Die auf v. 11 
ist unmöglich, weil der in c. 28 seine Ausführung findet, 
und v. 12a davon nicht gelten kann. Ein Zugeständnils 
der Freunde, dafs Gott häufig nach Willkür handle (vgl. 
Boelicke 8. 12), ist nicht erfolgt und kann am wenigsten 
in diesem Zusammenhang ausgebeutet werden. — Die 
eigentliche, in v. 11 angekündigte Belehrung aber tritt dann 
auf als Begründung eines Wortes in dem Fragesatze 12b. 
„Warum redet Ihr so Eitles? (Was Ihr redet sst ested), 
denn es giebt für den Menschen überhaupt keine andere 
Weisheit, als die, fromm und gottesfürchtig zu leben.“ In 
seiner Umschreibung legt Boelicke dem angeführten 
Begründungssatze die Behauptung zu Grunde : „Nein, ihr 
seid im Unrecht, nein, mit eurer Weisheit ist es nichts“, 
aber die Frage ist aus 12 b eben nicht fortzuschaffen und 
die Weisheit nicht hinein. Wie die Sache steht, ergiebt 
sich bei Boelicke’s Auffassung ein mühsames Sichweiter- 
-winden der Rede und eine ganz unnatürliche Folge der 
Gedanken, wie beides am wenigsten in einer schlagenden, 
abthuenden Schlufsrede erwartet werden kann. Gegen 
seine Einwürfe werden meine Ausführungen oben genügen. 

Auch in 21, 28 ff. zieht Buelicke den Einwurf der 
Freunde falsch bis v. 31 incl., dagegen fafst er 12, 11 ff. 
wie ich, 17, 8 f. in dem zuletzt von mir erwähnten und 


nähegelegten Sinne. 8. 8. 102. 





des Buches Ho. 93 


Gans eigenthümlich ist Boelicke’s Erklärung von 
31. 36-37 (S. 21 ff.). „O daß Einer mich hörte!“ ist 
säne Aufforderung an irgend welchen Dritten aus den Zu- 
hörern seine Sache ruhig anzuhören und eine unparteiische 
Erklärung abzugeben. Die Unterschrift (1%) sind die letsten 
Worte von Hiob’s Betheuerung in c. 31, also füglich dies 
ganze Capitel seine Vertheidigungsschrift; aber auch die 
Anklageschrift (‘n “0D) wird durch das y) als vorhanden 
bezeichnet, sie besteht in oc. 29. 30. Der ‘3 we ist in der 
Person gleich my, doch wird dieser in v. 35b angerufen, 
die Richtigkeit der Unterschrift zu bestätigen. Die Suf- 
fixe in v. 37 gehen nicht auf Gott als den Kläger, sondern 
auf jenen unparteiischen Schiedsmann. Dagegen gilt Fol- 
gendes : 1) Hiob’s eigene gerichtliche Schrift, unter welche 
er soeben seine Unterschrift gesetst, umfalst nothwendig 
c. 29-31, da nur sie zusammengenommen seine Sache 
vollständig darstellen. Die c. c. 29. 30 können nicht die An- 
klageschrift sein, weil sie die Angabe des Vergehens nicht 
enthalten. Dafs Hiob danach vergeblich sucht, das ’n 80 
also fehlt, beweist das ganze Buch, insbesondere 13, 23. 
2) ‘297 sw kann nicht heißen „der Allmächtige beseuge 
die Richtigkeit“, an sich nicht, am wenigsten aber wenn 
der Allmächtige, wie Boelicke zugiebt, eben sein Gegner 
ist. Vielmehr heifst es : „der Allmächtige antworte mir”, 
d. i. auf meine Schrift, er reiche seine Gegenschrift ein | 
Vgl. dafür die schlagenden Stellen 9, 3. 14. 15. 32; 13, 
22; 23, 5, simmtlich auf den Rechtsstreit Hiob’s und 
Gottes bezüglich, Und zwar ist an unserer Stelle Hiob der 
Ankläger gegen Gott, wie dies sonnenklar auch in 13, 22b 
und 23, 4 f. der Fall ist. Es bleibt bei der „Aktion gegen 
Gott“ (Beiträge S. 4 f. 40.). Sind so die Antwort des 
Allmächtigen und die Schrift des Widersachers ein und 
dasselbe, so ist das ) vor “00 kaum entbehrlich, auch wenn 
dies Glied zum Folgenden gezogen wird. 3) @ott, keinem 
Anderen, will Hiob die Zahl seiner Schritte ansagen, shm 

Zeitschrift f. & alttest Wiss. Jahrgang 8. 1982. 18 





974 Budde, die Capitel 27 und 28 des Buches Hiob. 


wie ein Fürst (nom.) nahen. Nicht nur ist 3" om das 
nächste Beziehungswort für die Suffixe, sondern unsere 
Stelle hat ihre genauen Parallelen in 9, 36; 13, 15a, 20b; 
23, 4. 7, ist also in verschiedener Form stehender Bestand- 
theil aller Stellen, die der unserigen entsprechen. 4) Der 
Wunsch (nicht „Anrede“, so Boelicke) in 35a : „O, dals 
jemand mich anhörte® kann sich auf Anwesende, auf Me- 
schen nur so beziehen, dafs er einfach auffordert, auf die 
folgenden Worte zu merken. So z.B. c. 13, 6. 17; 21, 
2. f.; ähnlich 19, 23 f. Dann ist von einem Richter, der 
die Entscheidung fillte, einem Schiedsmann, der eine un- 
parteiische Erklärung abgäbe, hier nicht die Rede, sondern 
nur von den beiden Gegnern, die ihren Streit ausfechten. 
So auch 9, 14 f. 13, 18 ff. 23, 3 ff. Richter und Gegner 
sind dabei in einer Person ununterschieden vereinigt. Ein 
menschlicher Schiedsrichter, wie Boelicke will, st ın 
einem Streit zwischen Gott und Mensch undenkbar, der 
Gedanke daran wird von Hiob selbst abgewiesen 9, 33. 
17, 3b. Bleibt jene Auffassung möglich, so legt doch das 
vorausgesetzte schriftliche Verfahren sowie die stark indivi- 
dualisirende Fassung 9 yow my den Gedanken an 
einen Schiedsrichter, der seine dargereichte Anklageschrift 
zur Verhandlung annehmen soll, jedenfalls näher. Die 
Anklageschrift ist fertig, da steht die Unterschrift ; nun fehlt 
nur noch ein Richter, der sie annimmt und den Wider- 
sacher zu Gestellung und Vertheidigung nöthigt. Dann will 
Hiob wohl mit dem fertig werden. Bei dieser Auffassung 
ist der herbeigewtinschte Richter eine blofs gedachte, in der 
Wirklichkeit nicht vorhandene Person, und dafür palst der 
gewählte Ausdruck sehr gut. In der Entschiedenheit des 
Auftretens gegen Gott, worauf es für mich ankommt, steht 
keine dieser beiden Auffassungen der anderen nach. 

cap. 28 falst Boelicke im wesentlichen ebenso wie 
ich. Den sonstigen Inhalt seiner Schrift, worunter manches 
Gute, mufs ich hier übergehen. 


216 


Deuterozacharja. 
Eine kritische Studie. 
Vom Herausgeber. 


IIL Theil. Die Za. 9 ff. enthaltenen Beziehungen auf 
die weltgeschichtliche Lage. 
(Siche Jahrgang 1881, 8. 1 ff. 1882, 8. 151 ff.) 


Nach drei Seiten hat in diesem Abschnitte die Unter- 
suchung zu verlaufen. Wir ziehen 1) die Erwähnung der 
griechischen Weltmonarchie 9, 13 in Betracht; wir unter- 
suchen 2) das über Assur, Aegypten in c. 9. 10 Erwähnte 
und suchen 3) zu bestimmen, in welche Zeitlage die 9, 1 ff. 
11, 1 ff. geweissagten Kriegszüge passen. 


a) Die Griechensöhne 9, 13. 


Vollkommen entscheidend für die Bestimmung der 
Abfassungszeit von Za. 9 ist schon die Erwähnung der 
ma 9, 13 für sich allein. Denn an die Ueberwin- 
dung dieser Javansöhne durch die Zionsöhne knüpft sich 
der Eintritt des messianischen Reiches. m ist also die 
Israel feindliche, den Anbruch des Gottesreiches verhin- 
dernde, daher behufs seiner Heraufführung zu überwin- 
dende Weltmacht. Eine Weltmacht, welche jr genannt 
werden konnte, hat es erst seit Ueberwindung des Perser- 
reiches durch Alexander den Macedonier gegeben. Und 
wir wissen aus dem Buche Daniel, dafs man die griechische 
Weltherrschaft als die der f1 bezeichnet hat. Der mit dem 
grofken Horne versehene Ziegenbock, welcher den doppelt- 
gehörnten Widder d.h. das medisch-persische Reich nieder- 
stöfst, ist nach Dan. 8, 21 der 1% 759. Das macedonische 
Reich heifst Dan. 11,2 mop und der Schutzengel des 
mit Alexander zur Herrschaft gekommenen Hellenenvolkes 

18* 


276 Stade, Deuteroaachaxja. 


10, 20 jy Wy. Dafs an unserer Stelle nicht von irgend einen 
obscuren Volke it geredet werde, haben die Vertheidiger der 
rabbinischen Tradition so gut erwiesen als sie gesehen 
haben, dafs sich der Sprachgebrauch unserer Stelle au 
Daniel erklärt, wiewohl ihre Lieblingsmeinung, dafs Za. 9, 13 
auf Daniel’s Weltmonarchien Besug nehme, den Sachver 
halt verkehrte. Im Uebrigen war bei der Ansicht der 
Letsteren von der Prophetie keine Schwierigkeit vorhanden, 
ein prophetisches Stück, welches das Bestehen der mace- 
donischen Weltmonarchie voraussetzt, von Zacharja, dem 
Zeitgenossen Josuas und Zerubbabels, herzuleiten. 

Diesem Sachverhalte gegenüber haben diejenigen Kri- 
tiker, welche den in Deutschland zuerst von Flügge ein- 
geschlagenen Pfaden folgten, sich zu allerhand seltsamen 
Ausflüchten gedrängt gesehen. Und zwar fällt auf, dab 
die Empfindung der deutschen Kritiker für die Bedeut- 
samkeit der Stelle 9, 18 im Allgemieinen immer schwächer 
wird. Flügge ist sich derselben durchaus noch bewußt. 
Denn er sieht sich zu dem fruchtlosen Versuche genöthigt 
nachzuweisen, dals jr eben etwas anderes als }1' sei. 

Ein Jahr vor Flügge’s anonymer Schrift erschien 
J. Gottfr. Eichhorn’s Einleitung ins A.T. Eich- 
horn waren Bedenken gegen die Herleitung von Za. 9—14 
von Zacharja aufgestofsen, er hatte jedoch nach Erwägung 
der Gründe für und wider geglaubt sich für die traditio- 
nelle Ansicht aussprechen zu müssen. Inswischen erschien 
1784 die anonyme Schrift Flugge’s. Durch Fligge’s 
Widerspruch wurde Eichhorn in seiner Entscheidung 
abermals wankend gemacht. Er behielt jedoch in der 
2. Auflage seiner Einleitung (Bd.8. Lps. 1787 8. 321—326) 
den Text des Paragraphen, welcher sich für die traditio- 
nelle Ansicht aussprach, bei, versah denselben aber 
8. 326 mit einer Anmerkung, worin er mit Rücksicht auf 
Flügge’s Widerspruch bekennt, dafs er sich jetzt mehr 
der andern Meinung suneige, die sie dem Zacharias ab- 


a N U oe 


Elchhorn’s Hypothese. 377 


spricht : „jedoch obne ganz zu entscheiden, ohne den Verf. 
dieser Capitel su bestimmen, oder su bebaupten, dafs alle 
hinter dem achten Capitel befindlichon Stücke ewerley Ver- 
fasser erkennen. Schreibart und Inhalt haben mich in 
meiner Meinung wankend gemacht. Denn bey allen oben 
angeführten Aehnlichkeiten bleibt doch immer noch die 
Schreibart sehr verschieden : die ganse Composition ist 
anders, das Colorit ist verschieden, und die Farben sind 
auf eine andere Weise vermischt : in der Zusammenstimmung 
des Ganzen (wobey es weniger auf einzelne Worte an- 
kommt) finde ich den Geist des Zacharias nicht mehr so 
deutlich. Besonders aber macht mir der Inhalt dieser 
Stücke meine vorige Meinung verdächtig. Za. 9, 1—8 
scheint die Siege Alexanders, insofern es dabey den Juden 
wohl ging, zu besingen; kann das Orakel so alt wie Za- 
charias seyn? Dagegen scheint Za. 9, 9 bis 10, 18, oder 
das Orakel von den glücklichen Zeiten des Messias viel 
älter, und zu einer Zeit verfertigt zu seyn, da es noch ein 
Reich von Assyrien gab (10, 10—12), und die Staaten 
Israel und Juda noch nebeneinander bestanden (9, 10. 18. 
10, 6. 7). Weniger läßst sich über das Alter des Trauer- 
gesangs auf eine schwere Niederlage, bey welcher Anführer 
and die tapfersten Krieger geblieben waren (11, 1—3), und 
der darauf folgenden Parabel oder Dichtung (11, 8—17) 
bestimmen; und ebensowenig trägt die Schilderung von der 
herrschenden wahren Religion und der Unbesiegbarkeit 
des Staats (12, 1 bis 13, 6) deutliche Merkmale ihres Alters. 
Dagegen scheinen die Hoffnungen eines Israeliten nach 
dem Abzug Nebucadnezars, in Rücksicht auf das Schicksal 
der Zurückgebliebenen und der künftigen Zeiten (13, 7. 14) 
in die Zeit der Zerstörung des Staats selbst zu gehören, 
wofern man nicht annehmen will, dafs ein späterer Dichter 
sich in diese Lage mit seiner Phantasie versetzt habe.“ 
Diese Vermuthungen, welche Flügge’s Ausführungen 
bei Eichhorn zunächst hervorriefen, habe ich fast in extenso 


278 Stade, Deuterosacharja. 


gegeben, denn sie zeigen, dafs auch Eichhorn trots ein- 
zelner richtiger Erkenntnisse in den zwei Punkten irre 
geführt worden ist, in welchen überhaupt die Kritik seit 
Flügge’s Buch in Deutschland irre gegangen ist. Er ist 
einmal dazu verleitet worden, in cc. 9—14 statt eines Schrift- 
stückes ein Conglomerat verschiedener Orakel von zum 
Theil unmöglicher Winzigkeit zu sehen, dann aber hat 
ihn die Erwähnung von Ephraim, Joseph, Assur, Aegypten 
verleitet, auf das Nochbestehen des Reiches Israel, der 
Reiche Assyrien und Aegypten zu schliefsen. In beiden 
Punkten hat Eichhorn später, wiewohl nicht überall be- 
stimmt genug, das Irrige seiner Aufstellungen eingesehen. 
Allerdings zerlegt er cc. 9—14 in seiner Uebersetzung der 
„Hebräischen Propheten® (3. Bd. 1819) noch in verschiedene 
Abschnitte, allein er hat sich bereits überzeugt, dafs 9, 9 
bis 10, 12 so gut in die griechische Zeit gehört wie 9, 1-8 
und zerlegt daher cc. 9—14 nur noch in die Abschnitte 
9, 1 bis 10, 12. 11, 1—3. 11, 4—17. 12, 1 bis 13, 6. 13,7 
bis 14,21, ferner weist er alle diese Abschnitte jetzt in die 
nachexilische Zeit. Inzwischen waren (1818) J. B. Köster's 
fleifsige „Meletemata critica et exegetica in Zachariae pro- 
phetae partem posteriorem c. 9—14* erschienen, von denen 
Eichhorn in der 4. Auflage seiner Einleitung (Bd. 4. 
Göttingen 1824, § 444 Anm.) urtheilt : „Von § 27—92 
sind sehr bündige Beweise dafür geführt, dafs von den 
14 Capiteln des Zacharias keines in frühere Zeiten gehören 
könne, sondern Sprache, Bilder, Vorstellungsweise auf späte 
Zeit führen : bezweifeln kann man nur, ob späte Zeiten 
für gleichbedeutend mit Zeitalter des Zacharias des Sohns 
Berachias genommen werden müssen“. Und in derselben 
4. Aufl. entscheidet sich Eichhorn wiewohl unter Aeulse- 
rung eines Bedenkens in Bezug auf den Abschnitt 13, 7 
bis 14, 21 für Ableitung der Capp. 9—14 von einem Verf. 
Die Bedeutung von 9, 13 kommt bei ihm jetzt völliger zum 
Ausdrucke, wiewohl aus diesem Verse wie überhaupt aus dem 





Eichhorn'’s Hypothese. 979 


ganzen Abschnitte noch manche unrichtige Schlüsse über 
die zeitgeschichtliche Situation im Einzelnen gezogen werden. 
„Der Dichter, sagt Eichhorn 8. 444, besingt die Herr 
schaft der Griechen in Asien (v. 13)* oder 8.445: , Wenn 
es nun wahr ist, dafs alle Weissagungen vom Gegenwär- 
tigen ausgehen und die Propheten mit keinem Volke 
drohn, und von keinem etwas verheilsen, als bis das Volk 
selbst auf den Schauplatz und mit ihrer Nation in Verbin- 
dung getreten ist; so kann der Dichter nicht wohl früher 
von Alexanders Verhältnis zu den Juden gesprochen 
haben, als nach der Schlacht bei Issus, wo er sie zuerst 
bey der Besitznahme und Eroberung ihrer Nachbarschaft 
berührt hat. Eichhorn geht nämlich von der Voraus- 
setzung aus, dafs das Thema der Zukunft, welches der 
„Dichter“ im Abschnitte 9, 1 bis 10, 12 bearbeitete, sei : „die 
Jüdische Nation habe durch Alexanders Eroberungen nichts 
gelitten, sondern sich vielmehr durch die Besetzung der 
Beestädte von Philistäda mit jüdischen Colonisten ansehn- 
lich ausgebreitet, dies könne zum Beweis dienen, dafs Je- 
hova wieder die Regierung seines Volkes übernommen 
habe, und Israel auf dem Weg zu seiner Grifse sei”. Er 
schliefst die Erörterung über 9, 1 bis 10, 17 8. 449 mit 
der Ausführung des Gedankens, dafs von ihm keine Er- 
klärung möglich sei, wenn sie nicht aus der Geschichte 
Alexanders des (irolsen geholt werde. Die Abschnitte 
11, 1—17. 12, 1 bis 13, 6 sind nach Eichhorn von keinem 
Inhalte, aus welchem sich ihr Zeitalter bestimmen liefse. Der 
Ursprung des letzten Abschnittes aber 13, 7 bis 14, 21 
leide entweder gar keine Bestimmung, oder er müsse für 
einen Trostgesang angesehen werden, von der ersten Nach- 
richt veranlafst, dafs Judas Makkabi in der Schlacht mit 
Bacchides geblieben sei (8.460). Doch giebt er jener An- 
sicht, welche c. 9—14 von einem Verfasser herleitet, im 
Ganzen den Vorzug, so dals für ihn im Buche Zacharias 
„zwei Dichter® vereint sind, vgl. § 606, S. 456 ff., 8 607 8.461. 


Ls 





280 Stade, Deuterosacharja. 


Eichhorn’s Entdeckung hat, wenn wir von der Zustim- 
mung Corrodi’s!) und dem Wiederhalle, welchen sie be 
Geo. Lor. Bauer?) gefunden hat, absehen, wenig Glück 
gehabt. Verhängnifsvoll hierfür ward, dafs sowohl die Kritik 
als die Apologetik ihre feste Position gewann, ehe sich 
Eichhorn zu einerklaren Anschauung hindurchgearbeitet 
hatte. Es ward schädlich, daß Eichhorn nur allmählig und 
nach vielem Schwanken zu einer leidlich richtigen Ansicht 
gelangte. Schon dafs er den Nachdruck zunächst auf 
9, 1—8 legte, hat, wie wir sehen werden, den Eindruck 
seiner Argumentation geschwächt. Weiter war Eich- 
horn vorübergehend für 9, 9 ff. durch Flügges Argı- 
mente bethört worden. Die Argumente Flügges «x 
seugten schon um dieses Schwankens willen einen stär- 
keren Eindruck als die Eichhorn’s. Ueber diesem Ein- 
drucke übersah man das auch in der unvollkommenen Form 
der Eichhorn’schen Hypothese steckende Moment der 
Wahrheit; man kam nicht dazu, die von Eichhorn auf- 
gefundenen Spuren weiter zu verfolgen. Weiter aber 
wurde durch R.C.Döderlein’s®) Recension über W.New- 
komes Commentar die Stimmung für Flügge noc 
günstiger. 

So war es nur naturgemäls, dafs die Vertheidiger der 
Tradition sich mit viel grifserer Energie gegen Flügge 
und Newkome als gegen Eichhorn wandten. Mit 
Eichhorn theilten sie ja zudem gewisse Theile der Po- 


!) In der anonymen Schrift : Versuch einer Beleuchtung der Ge 
schichte des jüd. u. christl. Bibelkanons. 1. Bändchen, 8. 107. 

*) Entwurf einer hist. krit. Einleit. i. d. Schriften d. A. T. 8. Aufl 
Nürnberg u. Altdorf 1806. 8. &11. In Joh. Chr. Frid. Schalsii 
Scholia in Vet. Test. cont. a G. L. B. Vol. VIII, Norimb. 1794. 8. 74 
registrirt B. sowohl Fligge’s als Eichhorn's Ausatzs, ohne ach für 
einen derselben zu entscheiden. Nur dafs die CC. nicht von Zacharja 
seien ist ihm gewiln. 

8) Auserlesene theol. Bibl. Leipzg. 1787. Bd 4, (2. Stück; 8. 81 # 





Die Schicksale der Eichborn'schen Hypothese. 281 


‘sition, mit dem vermögen sie die Verse 9, 1—8 auf Alexander 

su beziehen, sie schulden ihm ja auch noch dafür Dank, dafs 
er ihnen mit seinen in den ersten Auflagen der Einleitung 
für die Authentie geltend gemachten Argumenten die bei 
ihrer Beweisführung einzuschlagenden Wege gezeigt hat. 
So wendet sich denn schon M. J.H. Beckhaus'), welcher 
seine Ausführungen sowohl gegen Newkome und Flügge 
als gegen Eichhorn kehrt, doch hauptsächlich gegen 
die ersteren. Eichhorn’s Beziehung von c. 9 giebt er su 
ohne daraus einen Beweis zu entnehmen, mit Eichhorn 
weils er sich in verschiedenen Punkten einig. Ebenso ist 
Flügge für Joh. Jahn*) der eigentliche Gegner. Die 
von diesem vorgebrachten Gründe werden einzeln aufge- 
zählt und widerlegt, als für ein späteres Zeitalter vorge- 
brachter Grund wird lediglich erwähnt, „dafs die voraus- 
gesagten Begebenheiten von Sacharia zu weit entfernt 
seien — und dieser in der Position der Gegner kaum 
eine Rolle spielende Grund wird dann summarisch mit der 
abweichenden Ansicht über die Prophetie widerlegt. 

Weit mehr aber als diese Vertheidiger der Tradition 
haben ee J. Ch. W. Augusti, Leonh. Bertholdt und 
W. M. L. de Wette verschuldet, dafs die Untersuchung 
über die Herkunft von Za. 9 ff. in falsches Fahrwasser 
gerieth, Augusti®) erwähnt, hierin die Späteren vor- 
bildend, nur die traditionelle Ansicht und die Flügg e’sche 
Hypothese. Bertholdt, welcher ja auch durch seine po- 
sitiven Aufstellungen über Za. 9 ff. die Meinungen der 
Kritiker in entscheidender Weise beeinflufst hat, findet sich 


*) Ueber die Integrität d. proph. Schriften des A. B. Halle 1796. 
8. 840 ff. 

*) Einleitung i. d. Göttl. Bücher d. A. B. 2. Aufl. 3. Th. 2. Abechn. 
Wien 1808. 8. 675 ff. 

*) Grundrifs einer hist. krit. Kinleit. ins A. T. Leipsig 1806. 
8. 289 f. 2. Aufl. 1827. 8. 843 ff. 


282 Stade, Deuterosacharjs. 


allerdings noch mit Eichhorn’s Ansicht, wenngleich in 
sehr oberflächlicher Weise ab"). Er hat gegen sie nichts 
einzuwenden als die individuelle Empfindung, dafs der Pro- 
phet aus einer zu fernen Zeit her spreche. Die Griechen 
9, 13 sind für ihn entfernte Völker; daß auch die kriege 
rischen Unternehmungen solcher vereitelt werden, ist ihm 
Spitze der Weissagung. Sein Hauptargument ist die Er 
wähnung Judas und Ephraims. Bei de Wette?) aber, 
welcher im Uebrigen auch hier zu sehr in den Fufsstapfen 
Bertholdt’s geht, vermifst man wie bei Augusti jede 
Erwähnung der Ansicht Eichhorn’s gänzlich. Die von 
ihm bekämpfte Position ist die der Apologeten. Der Vers 
9, 13 kömmt für ihn nur in Betracht, sofern er nicht den 
Bestand des israelitischen Reiches vorauszusetzen scheint. 
Es ist allgemein bekannt, dafs de Wette die ganze Frage 
niemals anders als unter der Alternative vorexilisch oder 
zacharjanisch betrachtet hat. Durch den Beitritt dieser zu 
Flügge’s Hypothese gewann dieselbe so allgemeine Ver. 
breitung, dafs Köster, welcher sich noch in reinlicher 
Weise mit Eichhorn’s Hypothese auseinanderzusetzen 
sucht, sie bereits als zur Zeit herrschende empfindet und 
von ihr die traditionelle einfach als die der älteren unter- 
scheidet. 

Dafs aber auch die 8. 278 f. erwähnte letzte Umgestal- 
tung der Eichhorn’schen Hypothese hierin keinen Wandel 
schaffte, verschuldete gleichfalls Eichhorn theilweis selbst. 
Derselbe ging bei der Beurtheilung prophetischer Schrift- 
stücke von der Voraussetzung aus, dieselben gäben eine 
verschleierte historische Darlegung gegenwärtiger oder ver- 
gangener Zustände oder Ereignisse. In der Verwerfung 
dieses Begriffes von Prophetie stimmte aber bereits die 


!) Histor. krit. Einl. in sämmtl. kanon. und apokr. Schriften des 
s. u.n. T. Theil 4. Erlangen 1814. 8. 1714. 
*) Lehrbuch d. hist. krit. Einleit. Berlin 1817. 8. 272 f. 





Die Schicksale der Eichborn’schen Hypothese. 283 


Mehrzahl der Kritiker mit den Apologeten überein. Weiter 
ast Eichhorn niemals davon abgegangen, den Haupt- 
machdruck in seiner Beweisführung auf 9, 1—8 zu legen. 
Und niemals hat er den in 9, 13 enthaltenen Gegensatz 
Won 3 9 und m ‘12 voll erfafst. 

:So verlieren weder die Apologeten noch die Kritiker 
die inzwischen einmal gewonnene Position. Das Gefühl 
für die Bedeutung der Argumente Eichhorn’s — später 
wohl auch die Kenntnifs derselben — geht allmählich ver- 
loren. Noch Rosenmüller hatte in der ersten Auflage 
der Scholia, in welcher er unter dem Eindrucke der Argu- 
mente Bertholdt’s die Authentie Preis giebt, sich durch 
9, 13, wiewohl er meint „@raecis vates per syncedochen 
barbaras gentes in universum designat“, zu dem Schlusse 
genöthigt gesehen : „Videntur tunc temporis Macedones 
ita invalescere cepisse, ut Asiae Occidentalis civitatibus 
metum injicerent*. Aber die Spiteren zeigen weniger 
Ueberlegung. Es wird ihnen die Freiheit des Blickes immer 
mehr durch die für die vorexilische Abfassungszeit vorge- 
brachten Argumente benommen. In characteristischer Weise 
zeigt sich dies schon bei Forberg?). Allerdings kehrt 
dieser sich wieder wie gegen die Vertheidiger der Authentie 
so gegen Eichhorn. Aber das Gewicht der von diesem 
vorgebrachten Gründe empfindet er so wenig, dals er 3.15 
meint : at ille, quum cur ad hanc potissimum opinionem 
adductus sit, caussas nullas aperuerit, eas ut conjectura 
adsequamur necesse est“. Zu 9, 13 kommen ihm die 
Griechen nur als ferne Völker in. Betracht, er combinirt 
die Stelle mit Am. 1, 9 ff., Joel 4, 4—7 (8. 22). Daneben 
widerspricht er dieser Auffassung direct und schiefst in 
sonderbarster Weise an dem beinahe berührten Ziele vor- 


$) Scholis in Vet. Test. VII, 4, Lipsiae 1816. 8. 258. 
*) Commentarii critici et exegetici in Zachariae vaticiniorum part. 


poster. partic. J. Cobuargi 1824. 





984 Stade, Douterosacharja. 


über, wenn er 8. 27 den Inhalt von 9, 18 so formalirt: 
„Ita mala vestra bonis compensabo, ut ii ipsi, quorum im- 
perium adhuc ferebatis, Graeci aliique exteri populi nunc 
vestri servi fiant“. Dieselbe Unklarheit zeigt sich darin, 
dafs er den Versuch Fligge’s,  umsudeuten, zurück 
weist. Forberg’s Hauptgrund gegen den Ansats von 
e. 9 in Alexanders Zeit ist eine vorgefalste Meinung : 
„Libri prophetici omnes aetatem Darii Hystaspis et Arte 
xerxis non exoedunt“. Das Stück würde andernfalls unter 
den Hagiographen stehen. 

Andere hinwiederum sahen tiber m klarer wie For 
berg und versuchten daher, für die Hypothese vorexilische 
Abfassung voreingenommen, Eichhorn’s Ansats durd 
Mifedeutung von } zu beseitigen. Hierin war ja bereits 
Flügge vorangegangen. Er hatte in der Erklärung vo 
9, 18 seine Verwunderung darüber ausgesprochen !), dalı 
auch die besten Ausleger in dieser Stelle Griechenland 
finden, während es augenscheinlich das sei, was in de 
Aufschrift Damascus und Hamath heifse, und in einen 
eigenen Excurse?) nachzuweisen gesucht, dafs die rein 
hebräischen Schriftsteller (er meint das A. T. aufser Daniel) 
unter Javan nie Griechenland verstanden hätten. Schon 
für Flügge ist die Veranlassung zu dieser monströsen 
Behauptung eine Conjectur Bocharts su der verdorbenen 
Stelle Es. 27, 19 und schon bei ihm spielt daneben die 
Stelle Joel 4, 4—8 ihre Rolle. Der Ungrund dieser Ver 
muthung und die weiteren Schicksale derselben habe ich 
an cinem andern Orte auseinandergesetzt. Es genügt hier- 
auf zu verweisen ?®). 

So wird es denn bei den Apologeten allgemein üblich bei 
Vertheidigung der Authentie die Waffen gegen den Ansats 


) a. a. O. 8. 25. 
%) a. a. O. 8. 86 ff. 
*) De populo Javan parergon 8. 11 ff. 


Die Behicksale der Eichhora'schen Hypothese. 285 


in vorexilischer Zeit su richten und Eichhorn’s Ansatz 
höchstens von oben herab mit einigen Worten zu streifen. 
So besieht s.B. Hengstenberg!) 9, 13 auf die Kämpfe 
der Juden mit den Seleuciden, wie das nach Hieronymus 
die jüdische Ueberlierung that, und findet in 9, 1—10 eine 
Beschreibung des Zuges Alexanders nach der Schlacht bei 
Issos, „so deutlich, wie sie bei dam nie aufsuhebenden Unter- 
schiede zwischen Weissagung und Geschichte nur immer 
gegeben werden konnte”. Der Spott, mit welchem er 
ebenda die Verlegenheiten der Kritik und die Widersprüche, 
in welche sie zu ihren eigenen Principien hierbei tritt, 
geilselt, ist wohlverdient, während Hengstenberg seiner- 
seits hinwiederum die Schwäche der eigenen Position ver- 
räth, wenn er Eichhorn’s Ansats „ein versweifeltes 
Mittel“ nennt, aber in der Anmerkung 8. 888 darauf hin- 
weist, dals in der Zeit des Propheten Zacharja schon ein 
Anknüpfungspunkt vorhanden gewesen sei, da Darius’ Ab- 
sichten auf Griechenland schon bald nach seiner Thron- 
besteigung hervorgetreten seien. Viel leichter macht es 
sich Hävernick®). Er glaubt die Annahme nachsachar- 
janischer Abfassung mit der Phrase zu widerlegen : „sie 
beruhte auf einer ebenso oberflächlichen als dogmatisch be- 
fangenen exegetischen Auffassung des Abschnittes und 
zeigte nur, wie wenig man sich in die allerdings sehr be- 
deutenden Schwierigkeiten desselben su finden wulste“. Der 
Wahrheit nahe kommt A. Köhler, wenn er?) urtheilt : 
„Das ganse Volk Israel mufs von dem Propheten als unter 
der Zwingherrschaft Javans leidend gedacht seyn. Dies 
war in der vorexilischen Zeit niemals der Fall“. Aber 
während noch hinzuzufügen war: „ebensowenig in der Za- 
charjas®, fährt Köhler fort: „wollen wir nun nicht — wo- 


!) Christologie 2. Aufl. III, 1 8. 828. 887 ff. 

®) Handbuch der histor. krit. Einleitung ins Alte Testament 2, 2. 
Frankfurt 1844, 8. 409. 

®) Nachexil. Proph. Abth. 8. 8. 78. 





286 Stade, Deuterosacharja. 


gegen nach dem jetzigen allgemeinen Urtheil die entsche- 
dendsten Griinde sprechen — unsern Propheten mit Eich 
horn, Paulus, Gramberg') in die Zeit Alexanden 
oder die makkabäische Zeit herabrücken, so können we 
uns der Annahme nicht entziehen, dals er die Weissagunza 
Daniels im Auge hatte“. Hier wird also der Succeis, 
welchen Flügge’s Vermuthung hat, als Succurs gegen 
Eichhorn verwandt. Nicht besser ist es, wenn Orten 
berg 8. 29 sagt : „man verweist uns auf Za. 9, 13 und 
die dortige Erwähnung Jaran’s als — „Repräsentanten der 
der Theokratie feindlichen Weltmacht“. — Als ob die 
Griechen zu der Zeit des nachexilischen Zacharja eine 
solche Prophetie veranlafst haben könnten, und die rich 
tige Erklärung des Einzelnen wie die Einsicht in den Ze 
sammenhang nicht auf ein bestimmtes durch Joel (4, 6) 
uns verbürgtes Ereignifs mit aller Gewalt hinwiese!* — 

Ist nun unter jv 9, 13, wie die Vertheidiger der Au 
thentie bis auf den jüngsten derselben, Bredenkamp, 
richtig nachgewiesen haben ohne daraus die nothwendigen 
Schlüsse zu folgern, die Israel bedrückende griechische 
Weltmacht, die Nachfolgerin der persisch-medischen Wdt- 
monarchie zu verstehen, so begreifen wir auch erst die Ver 
anlassung der Abfassung des Stückes völlig. Wir sahen 
8.160 ff., dafs das Unternehmen, die noch nicht erfüllten Weis- 


!) Gramberg’s Stellung sur Frage ist hiermit nicht genau wie 
dergegeben. Er wendet sich direct gegen Eichhorn, dessen Vor- 
aussetzungen über die Prophetie er nicht theilt und hält Ze. 9-14 
swar für nachexilisch aber mit Benutzung älterer prophetischer Sticke 
gearbeitet. 8. Religionsideen II, 8. 520 ff. 655. 660. Falsch ist in 
seiner Auffassung, dafs er den Verfasser von Za. 9—14 unter Xerxes 
schreiben läfst, s. 8. 667. Aus Köhler’s Commentar ist der Irrthum in 
Pressel’s Commentar über Haggai, Sacharja und Maleachi, Gotha 
1870 8. 39, übergegangen, welcher auch Vatke den Abschnitt in die 
Zeit Alexanders versetsen lälst, wäbrend derselbe vielmehr an die Zeit 
der persisch-ägyptischen Kämpfe denkt. Hävernick a. a. O. 8. 409 
und Ortenberg, a. a. O. 8. 7 £ haben das Richtige. 


288 Stade, Deuterosacharja. 


griffe erhielten sich. Die Religion der nachexilischen Ge- 
meinde vertrag sich im (tanzen mit der persischen Fremdherr- 
schaft recht wohl, dieselbe gewährte ihrer Entwickelung freien 
Spielraum. Das änderte sich völlig durch das gigantische 
Werk Alexanders. Jetzt wurde Juda Glied eines W eltreiches, 
in welchem sich gegenseitig die mannichfaltigsten Sitten und 
Gebräuche, die verschiedensten Culturen durchdrangen, n — 
welchem aber doch je länger je mehr die Sitten und Vor | 
stellungen der Eroberer, wiewohl vielfach ins Orientalische 
umgebildet, sur Herrschaft kamen'). Aber diese Umbil- 
dung des Hellenischen zum Orientalisch - Hellenistischen 
machte die neuen Ideen und Lebensgewohnheiten dem 
Volke Israel nicht erträglichee. Von Ideen der Religion 
Israels war die neue Mischung kaum beeinflufst worden, 
destomehr von babylonischen, persischen, ägyptischen Vor- 
stellungen. Sowohl was in ihr althellenisch als was im ihr 
halbasiatisch war trat als ausgesprochen heidnisch jüdischem 
Fühlen und Denken entgegen. Hatte doch schon längst 
alles Thun eines Juden seine Besiehung zur väterlichen 
Religion gewonnen. Dies gab dem jüdischen Volksthume 
eine erheblich gröfsere Widerstandskraft gegen Fremdes, 
als sie andere orientalische Nationen besaßen. Und so 
stiefs denn in dem jüdischen Volke der um die Weltherr- 
schaft ringende Hellenismus auf den zühesten Gegner, den 
er zu bekämpfen gehabt hat, denn er stiels in ihm auf die 
unverwüstlichste Lebensmacht, welche sich inder Welt bisher 
entwickelt hatte. Umgekehrt aber gewann der Kampf auch für 
den Juden ein viel ernsteres Gesicht als der Kampf mit den 
heidnischen Weltmächten jemals früher gehabt hatte. Im 





%) Droysen, J. G., Geschichte des Hellenismus I, 3 (II) Goths 
1877 8. 801 £. : „So darf man den Hellenismus mit Recht die erste 
Welteinheit nennen, während das Achämenidenreich nichts als ein 
Sufserliches Aggregat von Ländermassen war, deren Bevilkerangen nur 
die gleiche Knechtschaft mit einander gemein hatten“. 





_ Die Erwähnung der griechischen Weltmonarchie. 289 


Lellenismus trat dem Judenthum nicht blofs die brutale Gewalt 
mtgegen, welche auf das Recht des Siegers pocht, sondern 
une geistige Macht, welche durch die Kraft und Wahrheit 
hrer Ideen auf Eroberungen auszieht. So beginnt denn 
jeme Auseinandersetzung zwischen jüdischem Monotheismus 
amd hellenistischer Cultur, welche vielleicht in friedlichem 
Processe durch einen Kampf der Geister verlaufen wäre, 
wenn nicht Antiochus IV. Epiphanes’ unkluge, nicht nur 
überhastende, sondern auch tiberspannende Malsregeln eine 
energische Reaction des in seinem Heiligsten verletzten 
Volksgeistes hervorgerufen hätten, eine Reaction, deren 
Wogen nunmehr auch das mit hinwegrissen, was von guten 
und schönen Besitzthümern der griechischen Cultur Werth 
gewesen wäre vom jüdischen Volke erworben zu werden. 
Sollte es überhaupt dem wirklichen Gange der Dinge ent- 
sprechen, dafs wir aus diesen bewegtesten Zeiten, diesen 
Zeiten, in welchen die Kraft des Heidenthums gebrochen und 
die künftige Weltherrschaft der monotheistischen Gottes- 
gedanken Israels angebahnt wurde, so wenig literarische 
Denkmäler überliefert erhalten hätten, als die traditionelle 
kritische Behandlung des A. T. uns glauben machen will? ') 
Damit, dafs ja damals auch Israels Sprache immermehr 
erloschen sei, kaun man dies nicht motiviren. Denn noch 
am Ende unserer Periode schrieb und verstand wer in 
Jarael geistige Interessen verfolgte die heilige Sprache der 
Väter. Es wäre jene Annahme so unwahrscheinlich, dafs 
man immer wieder nach Zeugnissen jener geistigen Be- 
wegung suchen mülste, wenn sie sich nicht ungesucht 
böten. Wie Daniel diese ganze Periode schlielst, so er- 
öffnet sie Za. 9-14. So bewahrheitet sich auch von dieser 
Seite, was wir S. 170 bereits sahen, dals wir in Za. 9—14 
eine Reaction gegen die durch Alexanders Eroberung ge- 
schaffenen Zustände haben. | 

) Vgl. die Aeufserungen Ewald's, G.V.I. 4° 8. 289, welcher auch 


hier in der Gesammtauffassung seinen Einzelerkenntnissen weit voraus ist. 
Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 3. 1888. 19 


390 Stade, Deuterosacharja. 


Und so ist denn, was von den Aelteren allem Bott 
cher!) völlig erkannt hat, die Erwähnung der „Griecken- 
söhne* in v. 9, 13 allein ein swingender Grund für den 
Ansatz von Za. 9—14 in hellenistischer Zeit und jeder 
Vorschlag einer Aenderung dieses Ausdruckes ein Zuge 
ständnifs dieses Sachverhalts. 


b) Assur, Aegypten und die Diaspera. 

Unter den Gründen derer, welche Za. 9 ff, in die vor- 
exilische Zeit versetzen, spielt eine Hauptrolle, dafs As 
syrien und Aegypten (10, 11), Damaskus, Tyrus und Phi- 
listia als selbständige Staaten erwähnt würden®). Wir 
sahen in der Analyse von o. 9, 1 ff., dafs die Belbständig- 
keit der dort genannten Landschaften und Städte mit keinem 
Worte vorausgesetzt ist. Wie aber steht es nun mit 10, 11: 
„Dann wird gedemüthigt der Hochmuth Assyriens und von 
Aegypten weicht das Königsscepter”? Gramberg *) 


5) Neve exeget.-krit. Achrenlese sum A. T. 2. Abth. 8. 215 fi. 
„Za. 9, 18 m Jonien, Griechenvolk*. Die Art wie dieses hier ganas 
verschieden von Jo. 4, 6. Jes. 66, 19 als Hauptgegner Zions genannt 
wird, seigt hauptsächlich, dafs die Stücke Za. 9 ff, die jeder sicheren 
Unterbringung in vorexilischer und vormacedonischer Zeit widerstreben, 
erst nach Alexanders Durchzug durch Palästina geschrieben sein können. 
Und dazu stimmt das spätere Colorit, der levitische Geist, der com- 
pilatorische an Nachbildungen reiche Stil, sowie die phantastisch-mes- 
«ienische Huffaung. Letutere mulste nach dem Umsturs durch Alexander 
bei den Juden neu belebt worden sein. 

5) Flügge, a. a O0. 8. 8i £&. Bertholdt, aa O. 8. 1714 L. 
de Wette, a. a. OÖ. 8. 372. Bleek, Studien u. Kritiken 1852, 8. 270 
urtheilt, es setse 10, 11 deutlich eine Zeit voraus, wo Assyrien und 
Aegypten beides mächtige und selbständige Reiche waren, die sich dea 
Isracliten feindlich bewiesen hatten und von Seiten derer ihnen fort 
während am meisten Gefahr drohte. Ortenberg a. a. O. B. 89 
findet sogar, Assyrier und Aegypter würden nicht nur als selbetändig, 
sondern auch als bisher unangefochten in ihrer Obmacht fiber andere 
Völker genannt. 

*) a. a. O. 8. 581. 


292 Stade, Deuterozacharja. 


fortsetzte, wie dieses das babylonische, letzteres das assy- 
rische, dana insofera es die eben deshalb syrisch genannten 
Küstenstriche mit umfafete. Beides läuft in dem einen zu 
sammen, dals das Reich der Seleuciden den gröfsten Thal 
der Territorien umspannte, welche einst dem Scepter des 
Assyrerkönigs unterworfen gewesen waren. 

Insofern das Reich des Seleukos von Babylonien aus 
seinen Ursprung nahm, kann es Assur genannt werden, 
denn das babylonische Reich selbst wird als Fortsetzung 
des assyrischen mit diesem Namen belegt und das persische 
Reich gab sich als Fortsetzung des babylonischen. So ist Jer. 
2, 18. Thre. 5, 6. Mi. 7, 12 Assur, in allen drei Stellen neben 
Aegypten genannt, Bezeichnung Babyloniens. Der weit 39 
2K0.23, 29 ist Nabopolassar. Die Könige von Persien aber, 
welche sich seit der Eroberung Babels als Könige von 
Babel beseichnen, können eben deshalb auch Könige von 
Asayrien genannt werden. So erscheint Esra 6, 22 nk yo 
gleichbedeutend mit 523 759 Neb. 13, 6. Esra 5, 13. Das 
seleucidische Reich aber war, seitdem die Verbindung mit 
Macedonien gelöst war, die naturgemiifse Fortsetsung des 
persischen Weltreiches, wie sich namentlich in seinen 
Kämpfen mit Aegypten seigt'). Und so beseichnet @ 87, 4 
Babel weil mit Aegypten verbunden wie nach dem ganzen 
Zusammenhange nicht blofs Babylon oder Babylonien, son- 
dern das ganze seleucidische Reich. 

Dann aber beweist weiter sowohl der Ausdruck xt 209 
als der aus Acovela verkürste Name voila, dafs die orien- 
talische Bezeichnung “nwe dereinst auch an den von Ara- 
mäern bewohnten Küstenländern des Mittelmeeres gehaftet 
hat, welche gleichfalls zum Reiche der Seleuciden gehört 
haben. Die griechische Bezeichnung ist nur daraus erklärlich, 


= means 





!) Aebnlich reflectirt sich nach Lassen Seleukos in der indischen 
Ueberlieferung als König der Perser (Pärasika) s. Indische Alterthums- 
kunde Il? Leipsig 1874 8. 216. 


Die Erwähnung Assyriens und Aogyptens. 208 


dafs jene Gegenden, als die Griechen mit ihnen näher be- 
kannt wurden, einen Theil des assyrischen Weltreiches bil- 
deten, dem sie ja von 734 bis zu seinem Untergange unter 
worfen waren. Und die Bezeichnung MW 2517 beweist, 
dafs dieser Sprachgebrauch bis weit über die Abfassungszeit 
von Za. 9 ff. fortdauerte !). 

So hat denn die Bezeichnung des Seleucidenreiches 
durch wx ihr Analogon an den Bemerkungen der LXX 
zu p 80, 1 uxte rot Aoovplov und zu py 76, 1 xed tor 
Acovecoy, und wenn die Exulanten nach Za. 10, 11. 
Jes. 24, 12. 13 aus Wit heimkehren sollen, so ent- 
spricht es dem 3K }¥2m von 68, 23, wie das dort 
stehende O° niygen dem mis O'9 1Qy entspricht und die 
Heimkehr der ägyptischen Diaspora umschreibt. 

Ist aber pax 10, 11 auf das seleucidische Reich zu 
deuten, so ist damit zugleich eine Möglichkeit gegeben, 
die Abfassungszeit noch genauer zu bestimmen. Die Sa- 
trapie Babylonien kam durch die Theilang von Tripara- 
deisos 321 an Seleukos. Aber von dieser Zeit an konnte 
seine Herrschaft noch nicht als “wy bezeichnet werden. 
Nicht nur, dafs die Fiction der Reichseinheit noch bestand, 
vor allem folgten von 318 an jene Kämpfe um dieselbe, 
im Verlaufe welcher Seleukos vorübergehend aus seiner 
Satrapie verdrängt wurde. Schon 312 jedoch eroberte sich 
Seleukos durch kühnen Ueberfall seine Satrapie zurück, 
ja Medien, Persien und Susiana hinzu. Und wiewohl Se- 
leukos im Frieden von 311 keine Anerkennung fand, auch 
vorübergehend von Antigonos’ Sohn und Feldherrn De- 
metrios wieder aus Babylon verdrängt wurde, so wulste er 
dennoch sich in seinem Reiche zu erhalten, ea zu mehren 
und zu festigen. Mit Recht datiren daher die Seleuciden 
ihr Reich von 312. Und wie schon früher von den Bar- 
baren, so liefsen sich Seleukos, Antigonos und Ptolemaios 


') Weitere Belage für denselben s. bei Hitsig zu yp 88, 9. 





904 Stade, Deuteronacharfe. 


von 806 auch von den Hellenen als König begrüfßsen. Va 
da an war erst die Situation geschaffen, in welcher 10, li 
wurzelt. Führt uns 9, 18 über die Schlacht bei Iso 
herab, so dieser Vers über das Jahr 306. 

Eine Bestätigung dieses Resultates ergibt sich um 
aus den in c. 9. 10 enthaltenen Hoffnungen, dafs die Diaspas 
heimkehren, Gilead und’ Libanon besiedeln werde. 

9, 11. 12 setzen voraus, dals eins grofse Diaspora a 
den Griechenlindern verhanden ist. Dieselbe soll nad 
Ueberwindung der Griechensöhne zurückkehren. 11,6—12 
werden diese Verbannten dem Hause Joseph gleichgestellt, 
sie sollen aus Assyrien und Aegypten d.h. wie wir sahe, 
den Ländern der Seleusiden und Ptolemiäer heimkebre. 
In beiden Ländern befand sich von Alters her eine sabl 
reiche Diaspora. Diese war jedoch während der Kämpfs 
der Diadochen noch erheblich vermehrt worden. Als Ptole 
maios Lagu 320 die Satrapie des Laomedon besetzen liek, 
wurden nach Joseph. Archaeol. 12, 1 sahlreiche Juden s- 
wohl vom Gebirge Juda als aus der Umgebung Jerusalems 
wie auch Samariter als Kriegsgefangene nach Aegyptea 
abgeführt. Aufserdem soll er nicht wenige von ihnen in 
Kriegsdienste genommen haben, in der Erkenntnilfs, dal 
er sich auf ihren Eid verlassen könne. Weiter sollen unter 
ihm nicht wenige Juden freiwillig eingewandert sein, az- 
gelockt durch die Vortrefflichkeit des Landes und Piole- 
maios’ Freigebigkeit. Soweit die Besiedelung Alexandrias 
in Betracht kommt, ist letzteres ohne weiteres wahrschein- 
lich. Die Anwerbung jüdischer Söldner ist möglich, in 
späterer Zeit begegnen uns ja jüdische Soldaten in den 
höchsten militärischen Stellungen des Reiches der Piole- 
mäer. 9, 11. 12 wie auch c. 10 stellt sich die in den Griechen- 
ländern befindliche Diaspora als Kriegsgefangene vor. Sie 
mtissen ja befreit werden. Die bekannte Erzählung!) von 


*) Aristeas ed. Schmidt 8. 15—18. Josephus Archaeol. 12, 2, 2. 8. 





Die Heimkehr der Diaspora. 206 


«lem Loskauf der jüdischen Gefangenen durch Ptolemaios 
Whiladelphos mag wahr sein oder nicht, jedenfalls verbürgt 
mie aber das Vorhandensein zahlreicher jüdischer Sclaven 
in Aegypten während der Herrschaft der ersten Ptolemier. 
Aber auch nach den Ländern der Seleuciden mögen durch 
die Kriegswirren aufs neue Juden verschlagen worden sein. 
Schon Alexander scheint Juden ausgehoben zu haben. Unter 
den in Babylon zum Aufräumen des Belustempels ver- 
wandten Soldaten werden auch Juden erwähnt '). 


Die Befreiten und Heimgeführten aber sollen Gilead 
und Libanon besiedeln. Schon allein durch diesen Zug ver- 
räth sich unsere Weissagung als Wiederaufnahme einer 
bereits in alter Zeit sum Umkreise der messianischen Idee 
gehörigen Hoffnung. Das Reich Davids soll im alten Um- 
fange wieder hergestellt werden. Doch hat das Wieder- 
auftauchen dieser Hoffnung in der Zeit der Diadochen- 
kämpfe seinen ganz besonderen Sinn. Denn infolge der 
Städtegründungen des Seleukos wanderten in jene Land- 
schaften, im hellenistischen Sprachgebrauche nach Coelesyrien 
und der Dekapolis, zahlreiche jüdische Colonisten und eben 
hierdurch schien die alte messianische Hoffnung sich zu 
erfüllen. Josephus, Archaeol. 12,3 führt an der Spitze dieses 
Abschnittes, in welchem er die den Juden von den Herr- 
schern Asiens, in deren Kriegsdienst sie traten, erwiesenen 
Wohlthaten aufzählt, an, dafs Seleukos Nicator in den von 
ihm in Asien und Karo Zvpla gegründeten Städten, wie 
auch in der Hauptstadt Antiochia Juden angesiedelt habe. 
Dasselbe erwähnt er beiläufig Contr. Ap. 2, 4 vgl. auch 
Bell. Jud. VII, 3, 3. Eusebius I, S. 118 ed. Schoene setzt 
die Colonisirung der von Seleukos schon früher gegrün- 
deten Städte mit Juden ins Jahr Ol. 122, 3 (290). Nach 
ihm (vgl. ebenda 8. 116 f.) gründet er Ol. 118, 3 An- 


1) Curt. IV, 6, 80. 81. Arrian III, 5, 1. Diodor 18, 12. 





906 Stade, Deuteresacharja. 


tiochia, Laodicea, Seleucia, Apamea, Edessa, Beron, 
Pella '). 


c) Der Zwingherr 9, 8 und die 9,1 @ 11, 1 © gowee 
sagten Kriogezüge. 


Einen weiteren Anhalt sur Bestimmung der Abfassung: 
seit von Za. 9 ff. bietet 9, 8, jedoch lassen sich aus ihm, ds 
sein Sinn streitig ist, nur allgemeine Schlüsse ziehen, welds 
jedoch das aus 9, 18 und 10, 11 Erschlossene zu bestätigen 
vollständig genügen. Nach Besiegung der 9, 1—7 aufge 
sählten Reiche will sich Jahve als Schutzwache um sn 
Haus lagern, so dafs kein Zwingherr fürder sa ima 
kömmt. Aus dem Verse geht mit ‘Sicherheit hervor, dab 
in letstverflossener Zeit ein Zwingherr oder deren mehren 
in Jahves Haus eingedrungen sind. Die historische Au- 
deutung dieses Verses aber wird sich danach richten, was 
man unter dem Hause Jahves versteht. Zunächst ist das- 
selbe der Tempel auf Zion. Diejenigen, su denen ken 
Zwingherr mehr dringen soll, wären dann die Jerusalemer. 
Ein Vorfall, auf welchen hiermit angespielt sein könnte, 


1) Es möge gestattet sein, auf das 8. 172 über die Stellung Deo- 
terosacharjas su Ephraim beiläufig Bemerkte nochmals zurücksukommen. 
Die Hoffnung, dafs Juda und Ephraim gemeinsam gegen die Weltmacht 
streiten werden, hat möglicherweise nicht nur daraus Nahrung gesogen, 
dafs die im Norden surtickgebliebenen altisraelitischen Elemente sich 
bereits an die Gemeinde angeschlossen hatten, sondern ist vielleicht 
auch durch besondere Ereignisse dieser Zeit unterstützt worden. Wir 
lesen Joseph. Contr. Ap. 2, 4 die Notis aus Hekataios, dafs Alexander 
den Juden rev Fauapelriv yaoay noocéoyxev Eyery adqogadsynter. 
In dieser Fassung ist sie zweifellos irrig. Ewald, a. a. O. 8. 298 f. 
und Hitsig, Geschichte 2, 8. 837 nehmen als möglich an, dafs die 
drei samarischen. Besirko Aphairema, Lydda und Ramathem, welche 
später zu Juda gehören vgl. 1 Macc. 11, 28. 84 (10, 80), damals sa 
Juda geschlagen wurden. Im Uebrigen gilt auch von dieser Erwar- 
tung, dals es zu ihrer Wiederbelebung einer solchen Veranlassung 
gar nicht bedurfte. Denn sie gehörte eben zum festen Bestande der 
messianischen Hoffnungen. 





Der Zwingherr 9, 8. 297 


läfst sich noch aufweisen. Aulfser Betracht bleibt hierbei 
selbstverstindlich, was Jos. Arch. 11, 8, 8, 4 über einen 
von Alexander zu Jerusalem abgestatteten Besuch erzählt, 
denn derselbe hat nach höchster Wahrscheinlichkeit nie 
stattgefunden. Die Erzählung des Josephus verräth sich 
schon durch ihr ganzes Colorit als einen geschmacklosen 
Roman. Dagegen würde 9,6 auf die Ereignisse des Jahres 
320 gedeutet werden können. Als Ptolemaios die Satrapie 
Laomedons durch ein von Nikanor geführtes Heer besetsen 
liefs, fiel auch Jerusalem in die Hände der Aegypter. 
Josephus, Archaeol. 12, 1, 1 erzählt, Nikanor habe Jeru- 
salem durch List genommen, indem er unter dem Vor- 
wande opfern zu wollen, Einlaf& begehrt und erhalten habe. 
Er beruft sich hierbei auf Agatharchides aus Knidos, welcher 
jedoch nach Josephus’ eigenem Citate zu urtheilen nur er- 
zählt, die Juden hätten wegen einer axaıpoo decordaruovla 
nicht fechten wollen. Jerusalem ward also danach eines 
Sabbats durch Handstreich genommen. Neben ihm käme 
nur noch Ptolemaios Euergetes in Betracht, welcher nach 
Joseph., contra Ap. 2, 5 gleichfalls in Jerusslem war. 
Derselbe erscheint jedoch aus weiter unten zu erörternden 
Gründen ausgeschlossen, das Schriftstück älter *). 

Allein dafs der Verf. mit Jahves Haus hier den Tempel 
meine, läfst sich nicht nachweisen. Er ist ein in dem 
prophetischen Schriftthume wohl bewanderter und den 


*) Nicht in Betracht kommt schon aus demselben Grunde die Er- 
sählung über den angeblichen Versuch des Ptolemaios Philopator ins 
Heiligthum einsudringen. Sie ist aufserdem durchaus unglaubwürdig. 
Bie geht lediglich auf 8 Macc. zsuräck und Daniel schweigt dasu. 
Wessen Name in Theos steckt, der nach Josephus, c. A. 2, 7, wie 
Pompejas, Licinius Crassus, Titus Jerusalem erobert haben und in den 
Tempel eingedrungen sein soll, läfst sich nicht sagen. Antiochos Theos 
scheint durch das, was wir von ihm wissen, ausgeschlossen. Im 
Uebrigen sprechen gegen die Beziehung von 9, 8 auf ihn dieselben 
Gründe wie gegen die auf Ptolemaios Euergetes und Philopator, 





298 Stade, Deuterosacharje. 


_ Sprachgebrauch desselben durchgüngig wiedersufnehmendg 
Schriftsteller. Als guter Kenner desselben knüpft er abe 
gerade an significantere, weniger verbreitete Ausdrücke a 
Hosea 8, 1. 9, 15 erscheint das ganze heilige Land nad 
altisraelitischer Vorstellung als das Haus Jahves. En 
diesem Sinne hier aufzufassen würde vollkommen in de 
Zusammenhang der Weissagung passen. Jahre, welcher 
sein Land in Besitz genommen hat, duldet nicht, dafs « 
durch das Eindringen eines fremden Machthabers in dw 
selbe gestört wird. Dann würde der Vers aber nur sa 
sagen, dafs das heilige Land in jüngstverflossener Zeit von 
einem Durchzuge fremder Heere betroffen worden ist. 
Das gleiche ergibt sich nun auch überhaupt aus den 
Abschnitte 9, 1—8 wie aus dem weiteren 11, 1—3. Wen 
Eichhorn meinte 9, 1—8 sei eine Beschreibung des 
Zuges Alexanders") nach der Schlacht von Issos durch 
Palästina und Syrien, so war er mit dieser Annahme fre: 
lich augenscheinlich im Irrthume. Nicht nur dafs die 


!) Es ist sehr unglücklich, wenn die Apologeten Za. 9, 1—8 für 
eine sacharjanische Weissagung auf den Zug Alexanders halten. Sie 
gerathen dadurch in einige Verlegenheit. Am meisten Hongsten- 
berg (Christol. III? 8. 828), welcher infolge seiner eigenthümlichen 
Auffassung von der prophetischen Vision das Ganze eben auch wie 
Eichhorn für eine Beschreibung des Zuges Alexanders hält und die 
genaue Erfüllung dieser Weissaguug unter Verweis auf Arrian II, 15. 
Cart. 3, 25. Plut. Alex. co. 24, sowie auf Stark’s Darstellung (Gaza 
und die philistkische Küste. Jena 1852. 8. 237) nachzuweisen sich an- 
strengt. Es macht ihm begreiflicher Weise grofse Noth, dafs die Ein- 
nahme Hamaths und der neben Gasa genannten philistäischen Städte 
von keinem der genannten Historiker berichtet wird, während sie nach 
den Voraussetsungen seiner Theologie stattgehabt haben muls Br 
hilft sich sunächst mit der Ausflucht, jene Schriftsteller folgten dem 
Zuge Alexanders, während Hamath von Parmenio berührt worden kei, 
was beides natürlich nicht su widerlegen ist, da man davon nichts 
weils; dann mit der Vermuthung, philistäische Städte seien von jenen 
nicht genannt worden, da sie nur das Wichtigste und dasjenige er- 
wähnt hätten, was geeignet sei, Licht auf Alexanders Charakter su 
werfen. 


Die Kriegestige. 299 


Beschreibung sur Wirklichkeit nicht stimmte — es war 
Rberhaupt falsch, eine Weissagung für einen Bericht über 
vergangene Dinge zu nehmen. Auch darin, dafs er in 
seiner Beweisführung auf den Abschnitt 9, 1—8 einen 
solchen Nachdruck legte, war er nicht gans glücklich. 
Denn es mufs zugestanden werden, dafs keinerlei Noth- 
wendigkeit vorliegen würde, die Weissagung 9, 1—8 in 
die griechische Zeit zu versetzen, wenn sie uns allein über- 
Hefert wäre und nicht schon aus ihrer Abhängigkeit von 
älteren Weissagungen ihr junges Alter hervorginge. Der 
Zug eines durch Syrien wider die Städte Phöniciens und 
Philistäas heranziehenden Heeres würde sich auch aus den 
Verhältnissen der assyrischen und chaldäischen Zeit er- 
klären. Die Drohung gegen Tyros würde man auf Sal- 
manassar oder Nebucadnezar deuten können, sie würde an 
Jes. 28. Ez. 27 ihr Analogon haben, wie die Drohung 
gegen die philistäischen Städte an Jes. 14, 28-32. 20. 
Erst durch dis Verknüpfung mit dem Folgenden entsteht 
die Nothwendigkeit bis in die griechische Zeit herabzu- 
gehen. Aber ein Moment der Wahrheit war dennoch in 
Eichhorn’s Meinung enthalten. 9, 1-8 wird, so ist 
® priori zu vermuthen, in einer historischen Situation wurzeln, 
in welcher Einbrüche eines von Nordosten her kommenden 
Eroberers in Syrien und Palästina zu erwarten waren. In 
dieser Voraussetzung werden wir dadurch bestärkt, dafs die 
gleiche Eventualität auch 11, 1—3 ins Auge gefalst wird. 
Einen solchen Einbruch in der Zukunft zu erwarten, lag aber 
dann um so näher, wenn dergleichen kriegerische Züge 
stwa bereits erfolgt waren, ohne dafs dabei das erstrebte 
Ziel erreicht oder auch der Angreifer in seinen Kräften 
schöpft worden war. Weiter aber konnten früher 
rorgefallene Züge die Farben für die Beschreibung des 
künftigen und geweissagten leihen. Ein Beispiel dieses 
Sachverhaltes haben wir an dem von Jesaias geweissagten, 
den Anbruch der messianischen Zeit vermittelnden, Assyrer- 








300 tude, Deuterosscharja. 


einfall Jes. 10,28 ff. Ohne Zweifel ist die Veranlassung dam, 
dafs Jesaias einen solchen als die messianische Zeit vermittelnd 
in Aussicht nimmt, dafs seit 734 wiederholte Einfälle amy. 
rischer Heere ins heilige Land erfolgt waren. Und das 
ktthne Vorgehen des sich Jerusalem nähernden Heeres ist 
gleichfalls zweifellos nach bereits gemachten Erfahrungen ge- 
schildert. So könnte denn nun Alexanders Zug nach de 
Schlacht bei Issos in der That die W eissagung 9, 1—8 beeinflulst 
haben. Dies ist das möglicherweise richtige in Eich 
horn’s Vermuthung. Aber es ist hinzuzufügen : viel nähe 
liegt es, die Vorbilder für 9, 1—8 in anderen von Nor- 
osten kommenden Zügen zu suchen. Damit ist allerdings 
nicht ausgeschlossen, dafs dem Verfasser nicht dennech bei 
der oder jener Einzelheit Alexanders Zug vorgeschwebt hat. 
Solche von Nordosten her kommende Kriegszüge hat 
nun das heilige Land in griechischer Zeit wiederholt ge 
sehen. Und wie einzelne von ihnen die Farben der Schil- 
derung von 9, 1—8 und 11, 1—3 geliehen haben können, 
so könnte auch einer von ihnen mit dieser Weissagung 
in Aussicht genommen worden sein. Man würde sich 
allerdings einer Täuschung hingeben, wenn man meinen 
wollte, man vermöge den Zug noch nachzuweisen, auf 
welchen sich 9, 1—8 beziehe. Nicht nur deshalb, weil wir 
über viele der in Betracht kommenden Züge nur sehr dürf- 
tige und lückenhafte Nachrichten haben, sondern vor allem, 
weil 9, 1—8 eben eine Weissagung ist. Es würde zu sehr 
schiefen Resultaten führen, wenn man versuchen würde, 
alle Einzelheiten von 9, 1—8 in einem historischen Zuge 
nachzuweisen. Die Einzelerwartungen knüpfen mög- 
licherweise an ganz verschiedene Züge an. Der Zug, auf 
welchen sich 9, 1—8 bezieht, kann wesentlich anders ver- 
laufen sein, als der Verfasser in Aussicht genommen hat. 
Ja es ist nicht einmal nöthig anzunehmen, dafs “ieser vor 
ihm erwartete und geweissagte Zug überhaupt statige- 
funden hat. An Jes. 10, 28 ff. haben wir ja auch für eine 


| 


| 
) 


Die Kriegustige. 301 


solche Annahme ein Analogon. Es gentigt vielmehr, wenn 
es nachzuweisen gelingt, dals der Verfasser in jener Zeit 
einen seiner Beschreibung entsprechenden Zug von Nord- 
osten her erwarten konnte. Dals seine Weissagung sich 
möglicherweise in einem bestimmten Zuge erfüllt hat, ist 
für die ganze Frage ohne Bedeutung. 

Haben wir nun im vorigen Abschnitte mit Recht an- 
genommen, dafs wir wegen 10, 11 bei Bestimmung der 
Abfassungszeit über das Jahr 306 hinabgehen müssen, 
so können aufser dem bekannten Zuge Alexanders die fol- 
genden zwei Kriegszüge wohl dem Verfasser Farben zu 
seiner Darstellung geliehen haben, nicht aber von ihm in 
Aussicht genommen worden sein : 1) Der Zug des Kar- 
dianers Eumenes vom Jahre 318, durch welchen Ptolemaios 
das im Jahre 320 widerrechtlich occupirte Syrien und 
Phönicien im Namen des Reichsverwesers und der Könige 
wieder entrissen wurde. Nachdem Eumenes von Kilikien 
her einfallend mit leichter Mühe das Land gewonnen hat, 
sieht er sich jedoch durch den Uebergang seiner Flotte zu 
Antigonos zu schleuniger Räumung desselben gezwungen '). 
2) Der Einfall des Antigonos 315. 14. Das von dem La- 
giden wieder in Besitz genommene Land wird diesem, der 
infolge der Bemithungen des zu ihm geflohenen Seleukos 
mit Kassandros und Lysimachos ein Bündnifs gegen Anti- 
gonos geschlossen hat, abermals entrissen. Im Frühjahre 
315 rückt Antigonos in Syrien ein. Die Truppen des 
Ptolemaios räumen vor Antigonos Syrien. Von den phö- 
ninischen Städten leisten nur Tyros und Joppe Wider- 
stand, während die übrigen sich unterwerfen und für Anti- 
gonos den Bau einer Flotte übernehmen. Von den phili- 
stäischen Städten leistet auch diesmal Gaza Widerstand. 
Es wird jedoch wie auch Joppe von Antigonos erobert. 
Das kühne Unternehmen Alexanders, Tyros durch Auf- 


ı) vgl. Droysen, II, 1°. 8. 256 f. 





302 Stade, Deuterosacharja. 


schüttung emes Dammes zu erobern, wagt jedoch Ant- 
gomos nachsuahmen. Er cernirt Tyros und swing 
es schliefslich 314 durch Aushungerung sur Capitulation 
Syrien und Palästina bleiben im Besitze des Antigous 
bis sur Schlacht von Gasa 312, nach deren Verluste sic 
Demetrios zur Räumung des Landes genöthigt sieht. Mit 
geringer Mühe gewinnt Ptolemaios dasselbe zurück, um « 
jedoch schon im Herbste desselben Jahres wieder an De 
metrios und Antigonos zu verlieren'). 311 verzichtet 
Ptolemaios aufSyrien. Es bleibt im Besitze des Antigone 
bis 892. In diesem Jahre läfst Ptolemaios, welcher aber- 
mals mit Seleukos, Lysimachos und Kassandros gegen 
Antigonos im Bunde ist, das Land wiederum besetzen. Bis 
auf Tyros und Sidon fällt es in seine Hände. Die Schlacht 
bei Ipsos raubt Antigonos Macht und Leben. Bei der Ver- 
theilung der Beute aber erkennen die Sieger Syrien nicht, 
wie ausbedungen worden war, dem Lagiden, sondern Se- 
leukos zu, dessen Macht Antigonos bei Ipsos erlegen war, 
während jener bei diesen Kämpfen sieh abseits gehalten 
hatte *). 

Dagegen sind nun auch nach der Schlacht bei Ipsos 
ein ganze Anzahl feindlicher Einbrüche in Palästina und 
Syrien erfolgt. Und unter diesen könnte einer die Weis- 
sagung 9, 1—8 und 11, 1—3 veranlafst haben. Letzteren 
jedoch nachzuweisen, gelingt bei der Unbestimmtheit der 
Anspielungen und der Kirglichkeit der erhaltenen Nach- 
richten nicht. Es können in Betracht gezogen werden 

1) der Zug des Seleukos vom Jahre 301. Durch 
diesen suchte Seleukos das ihm im Frieden suerkanate, 
theils von Ptolemaios theils von Demetrios besetzt gehaltene 
Land in seinen Besitz su bekommen. Dieser Versuch ver- 


') Stark, Gasa, 8. 865 f. 
*) Droysen a. a O. II, 2? 8.233. Flathe, Geschichte Mace 
doniens Th. 2. Lypug. 1884 B. 14. 


| 
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Die Kricgustige. 308 


anlafst ein Bündnils des Seleukos und Demetrios einer- 
seits, des Ptolemaios und Lysimachos andererseits. Se- 
leukos scheint infolge dessen seine ursprüngliche Absicht 
aufgegeben und Syrien nebst Phönicien Demetrios tiber- 
lassen zu haben’). 

2) Der Zug des Seleukos von 295, durch welchen der- 
selbe Syrien und Phönicien in seine Gewalt brachte, wäh- 
rend Demetrios in Griechenland su Felde lag. Ueber die 
Einzelheiten des in Palästina stattgehabten Kampfes sind 
wir ununterrichtet. Wir können überhaupt nur auf einen 
solchen auf Grund der späteren Ereignisse schliefsen *). 
Syrien und Phönicien blieben im Besitse des Seleukos bis 
zu dessen Tode. 

3) Der Zug des Antiochos gegen Damascus. Wir 
kommen in die Zeit des fast ein Jahrhundert füllenden 
Haders zwischen den Ptolemäern und den Seleuciden, 
welcher mit der Ermordung des Seleukos durch Ptolemaios 
Keraunos begann. Ueber diese Kämpfe, welche auf ihrem 
Höhepunkte dem Hause und Reiche der Seleuciden beinahe 
den Untergang brachten, schliefslich aber dennoch mit der 
Wiedergewianung ganz Syriens und Palästmas durch die 
Seleuciden endigten, sind wir jedoch so schlecht unterrichtet, 
dafs sich nur Vermuthungen über das obengenannte für 
Za. 9 ff. in Betracht kommende Ereignils äufsern lassen. 
Die Ueberlieferung über diese für die Schicksale des helle- 
nistischen Orients so wichtigen Kämpfe fliefst ungemein 
dürftig. Aus gelegentlichen Notizen späterer Schriftsteller 
sind einzelne Ereignisse zur Noth festzustellen, tber 
anderes, worauf jene schliefsen lassen, fehlt jedwede Ueber- 
lieferung. Während des siegreichen Krieges des Seleakos 
gegen die asiatischen Besitzungen des Lysimachos, in 


') Droysen, a. a. O. I, 2° 8. 285. 248, vgl. jedoch Flathe, 
a. 2.0. 8. 18, Stark, a. a O. 8. 861 f. | 
*) Droysen, a. a. O. 8. 255. 258. Stark, a a O. 8. 862 f. 





304 Stade, Deuterozacharja. 


welchem letzterer 282 in der Schlacht bei Korupedion Bad |! 
und Leben verlor, scheint sich Seleukos Sohn und Nad- 
folger Antiochos, der Sohn der Sogdianerin Apama, in da 
oberen Satrapien befunden zu haben, tiber welche ihn Se 
leukos mit dem Titel eines Königs gesetzt hatte. Bever 
Seleukos sich 281 anschickte den Hellespont zu the 
schreiten, übergab er Antiochos alle seine asiatischen Be 
sitzungen. Aber schon bei Lysimacheia ermordet ihn Ptok- 
maios Keraunos. Antiochos befand sich während dieser 
Vorfälle im oberen Asien. Zwei gleichzeitig eintretende 
Unglücksfälle scheinen ihn gehindert zu haben, sich selbst 
nach Kleinasien zu begeben, so dafs er die Ordnung der 
dortigen Angelegenheiten seinem Feldherrn Patrokles über- 
lassen mulste. In der Seleukis bricht ein Aufruhr aus. 
Ptolemaios Philadelphos aber scheint in Verfolgung alter 
Pläne seines Vaters die Ermordung des Seleukos durch 
seinen von der Erbfolge ausgeschlossenen und aus der 
Heimath vertriebenen Halbbruder Ptolemaios Kerannos 
sich zu Nutze gemacht, Syrien und Phönicien wieder be 
setzt zu haben. Von Unternehmungen, welche Antiochos 
behufs Wiedergewinnung dieser Länder unternahm, er- 
fahren wir nur aus einer Notiz des Polyaen !), Nach dieser 
hat Antiochos durch eine List den ägyptischen Strategen 
Dion, welcher Damascus besetzt hielt, getäuscht und diese 
Stadt genommen. Hier an einen schon früher im Auftrage 
des Seleukos unternommenen Zug zu denken, räth nichts. 

Diese beiden Züge des Seleukos und der Zug des 
Antiochos sind es nun allein, welche die Veranlassung sur 
Weissagung 9, 1—8. 11, 1—3 gegeben haben könnten, nicht 
aber die folgenden 1) der des Selenkos II Kallinikos gegen 
das ir den Besitz des Ptolemaios Euergetes gekommene Da- 
maskus 242, 2) der verunglückte Zug des Antiochus II, 
vom Jahre 221, 3) der Zug desselben vom Jahre 219 gegen 


!) Strategikon 4, 15. 


Die Kriegmüge. 806 


Ptolemaies Philopator, 4) die Besitsuahme Palästinas durch 
Antioches im Jahre 204 oder 208, 5) die definitive Unter- 
werfung des Landes durch dengelben im Jahre 188. 

Es ist nämlich wegen derjenigen Erwartungen, weiche 
in c. 11 an den von Syrien her erfolgenden ‚Einfall ge- 
knüpft werden, nicht wahrscheinlich, dafs wir uns bereits 
innerhalb der Periode der Epigonenherrscher befinden. 
Nach 11, 6 sollen auf der Erde Kriege ausbrechen, in 
welchen sich die Völker der Erde für ihre Könige auf- 
reiben, während Israel unter Gottes Schuts genommen 
wird usd .infolge dessen diesen Kämpfen nicht mit ver- 
fallt. Es handelt sich also nicht um einen blofsen Kampf 
der Seleuciden und Ptolemäer, vielmehr um Kämpfe, welche 
die ganze Welt erfüllen. Solche waren die Kämpfe der 
Diadochen. Man kann sie gar nieht passender bezeichnen 
denn als Kriege, in welchen die Völker der Erde in die Hand 
ihrer Könige und Hirten gegeben sind. Mitdem 8. Jahrzehnte 
des 3. Jahrh. v. Ch. beginnen jene Stürme, unter welchen 
das Reich Alexanders in Trümmer ging, allmählich aus- 
sutoben. Die Unmöglichkeit, ein Weltreieh im Sinne Alexsn- 
ders aufzurichten, ist nach allen Seiten hin erprobt worden. 
Lebensfähige Einzelreiche sind in Afrika und Asien aus 
den Eroberungen Alexanders erwachsen. In Kleinasien 
und Griechenland beginnen staatliche Neubildungen. Thes- 
selien und Macedonien liegen durch die Kriege Alexanders 
und der Diadochen erschöpft, durch die Kelten greulich 
verwüstet, durch Bürgerkriege der letzten Kräfte beraubt, 
ohnmächtig darnieder. 

Sonach wäre etwa die Zeit von 306—278 die für Ab- 
fassung unseres Orakels anzusetzende. Eine weitere Be- 
stätigung bezw. genauere Fixirung dieses Ansatzes würde 
sich ergeben, wenn man voraussetzen dürfte, dafs der Verf. 
zu seiner Wiederaufnahme der ezechielischen Weissagungen 
von Gog und Magog in c. 12—14 durch bestimmte ge- 
schichtliche Vorfälle veranlafst worden sei, welche die 


Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 8. 1888. 20 





806: Stade, Deuterosacharja. 


Erfüllung jener nahe erscheinen liefsen. Eine passende Ve. 
anlassung zu dieser Erwartung boten die Einfälle ca 
jener Kelten, welche in den Jahren 279 und 278 sich the 
Macedonien, Thessalien und Hellas ergossen und dice 
Länder mit Greueln aller Art füllten; deren Reste schlieh 
lich nach Kleinasien übersetzten, durch Pitinderungen mi 
Raubzüge Entsetzen in ganz Kleinasien verbreiteten ui 
auch was sie nicht verwtisteten durch Tributerhebung 
beandschatsten. Es hat die Vermuthung, dafs Za. 12 uni 
14 nicht ohne eine solche bestimmte Veranlassung et- 


. a 


standen sind, die Analogie Joels für sich, welcher auch | 


durch ein bestimmtes, von ihm als Vorbote des Gerichts 
genommenes Ereignifs zur Wiederholung der ezechielischen 
Weissagungen veranlaßst wird. Und es würde hiergegen 
auch die Eventualität keinen Gegengrund abgeben, dals 
etwa nachgewiesen werden könnte, jener Zug des Antiochos 
sei schon vor 279 erfolgt. Denn wir sahen bereits, dals 
nur soviel aus 9, 1—8. 11, 1—3 gefolgert werden darf, 
dafs in jener Zeit kriegerische Einbrüche von Nordosten 
her erwartet werden konnten. Aber freilich, eine Noth- 
wendigkeit, die Weissagungen c. 12 und 14 auf so be 
stimmte Veranlassung hin entstanden sein zu lassen, liegt 
nach dem 8. 161 ff. über Zweck und Art der Arbeit Deu- 
terozacharjas Bemerkten nicht vor. 

Weist uns sonach 9, 13 hinter das Jahr 333, 10, 11 
hinter das Jahr 306, erklärte sich 9, 1—8, 11, 1—6 aus 
den Kämpfen der Diadochen, so der Inhalt von c. 12-14 
am besten, wenn wir ihre Abfassungszeit um 280 v. Chr. 
ansetzen. Vom ganzen Schriftstücke Za. 9—14 aber wird 
man mit aller derjenigen Sicherheit, welche überhaupt bei 
kritischen Untersuchungen dieser Art zu erreichen ist, be 
haupten dürfen, es sei während der zweiten Hälfte de 
Diadochenkämpfe verfafst und in seinem Inhalte durch 
dieselben beeinflufst worden. 


Za. 9—14 und das Buch Malachi. 807 


Sehlafs. Nach dem was wir in den drei Gängen 
unserer Untersuchung gefunden haben, ist ein Beweis da- 
für, dafs Za. 9-14 von einem Verf. abstammen kann, 
nicht mehr nöthig. Dieselbe Methode der Reproduction 
älterer Weissagungen zeigte sich in allen Abschnitten, die- 
selbe späte Sprache finden wir in allen’), dieselben Eigen- 
heiten des Stiles und der Disposition. Sie alle warseln in 
denselben Verhältnissen der nachexilischen Gemeinde und 
keinerlei Beziehungen auf die Weltgeschichte sind zu finden, 
welche uns veranlassen könnten, diese Capitel von ver- 
schiedenen Verfassern oder gar aus verschiedener Zeit her- 
zuleiten. Auch dafs 13, 7—9 und c. 12 sich entsprechen 
wie Ez. 37 und 38. 39 s. Jahrgang 1881, S. 31 kany für 
Herleitung von einem Verfasser geltend gemacht werden. 
Mehr wird sich nicht behaupten lassen. Dals Za. 9—14. 
von einem Verfasser stammen müssen, läfst sich selbst- 
verständlich nicht erweisen. Aber dafs diese Annahme 
recht wahrscheinlich sei, das glaubt der Verfasser dar- 
gethan zu haben. 

So bliebe nur die eine Frage noch zu beantworten, 
wie es kommt, dafs diese Zusammenstellung der noch un- 
erfüllten messianischen Weissagungen, oder, wenn man 
will, dieses Compendium der Eschatologie, welches wir aus 
den ersten Jahrzehnten des 3. Jahrh. v. Chr. herleiten 
mufsten, sich am Schlusse des Weissagungsbuches des 
Sacharja findet. 

Diese Frage ist leicht zu beantworten. Freilich nur 
so, dafs sofort eine andere Frage sich aufthut, was bei 
dieser Art Antworten gewöhnlich der Fall ist. Za. 9—14 
bilden ursprünglich gar nicht den Schlufs des Zacharja- 
buches, sondern haben mit dem gleichfalls anonym über- 


») Was Ortenberg 8. 61 f. über die in beiden Theilen sich sei- 
gende Verschiedenheit des Sprachgebrauches zusammengestellt hat, 
wird am besten mit Stillschweigen übergangen. 

20* 


808 Stade, Deuteresacharja. 


lieferten Malachibuche einst enge zusammengehört, oder sind 
doch mit Rücksicht auf dieses zwischen dasselbe und Se 
charja eingeschoben worden. Sie an das Ende des Se 
charjabuches zu stellen ist nicht beabsichtigt gewesen. 
Bereits Ewald hat in Zusammenhang mit der Erkennt- 
nifs, dafs das ‘>x5m 13 Mal. 1, 1 aus 3, 1 geflossen ist, 
richtig gesehen !), dafs die Ueberschriften Za. 12, 1 und 
Mal. 1, 1 von derselben Hand stammen und zwar der 
Ueberschrift Za. 9, 1 nachgebildet worden sind. Welches 
Mifsverständnifs dabei mit untergelaufen ist, haben wir 
Jahrgang 1881, S. 14 gesehen. Man braucht diese drei 
Ueberschriften nur nebeneinanderzustellen, um sich von der 
Richtigkeit dieser Beobachtung Ewald’s su überzeugen : 
za. 9, 1 "DT MWY 

Za. 13, 1 Ten dp 37 NUD 

Mal. 1,1 vord ra ben (1 by) Se) Oo wD 
Es ist die Zusammenstellung von 95 KBD sonst uner- 
hört und sie erklärt sich eben nur aus der berührten mils- 
verständlichen Auffassung von Za. 9, 1. Za. 9—14 und 
die nun einmal conventionell als die Malachis bezeichnete 
Prophetie bildeten sonach einst eine kleine Sammlung. 
Für die Nebeneinanderstellung beider Stücke könnte der 
Gegensatz entscheidend gewesen sein, welcher zwischen 
den zwei Stellen Za. 14, 9 und Mal. 1, 11 (8. 169 £.) be 
steht. Doch wird sich eine solche Vermuthung nicht be 
weisen lassen. Derjenige, welcher diese kleine Sammlung 
mit den vorhergehenden prophetischen Stücken verband, 
vollendete damit wahrscheinlich das Zwölfprophetenbuch, 
vgl. das 8. 162 Bemerkte. 

Die Gleichartigkeit der Ueberschriften Za. 12, 1 und 
Mal. 1, 1 könnte als Instanz für die Trennung des Ab- 
schnittes Za. 9—14 geltend gemacht werden. Man könnte 
sie darauf deuten, dafs der spätere Sammler an ein ano- 


') Propheten L*, 8. 81. 


Kronkel, einige Emendationen zu den Büchern Samuelis. 309 


nymes Stück Za. 9—11 zwei weitere anonyme dadurch 
angefügt habe, dafs er ihnen aus 9, 1 gebildete Ueber- 
schriften gab. Ebenso nahe aber liegt die Annahme, dals 
er Za. 9—14 spaltete, veranlafst dadurch, dafs die Weis- 
sagung von c. 12 mit Y'' ON) besonders einsetzt und sich 
durch ihren Inhalt vom Vorhergehenden merklich abbebt. 
Bei den Instanzen, welche für die Gleichartigkeit von Za. 
9—11 und 12—14 sich uns ergaben und deren Gewicht 
bei einem Vergleich von Za. 9-14 mit Malachi noch 
steigt, dürfte man sich für das letztere zu entscheiden und 
anzunehmen haben, dafs das wip von Za. 9, 1 einst die 
Ueberschrift des ganzen Buches 9—14 gewesen ist. So 
wäre schliefslich jener alte Redactor von der Schuld nicht 
frei zu sprechen, die Irrgänge der ein apologetisches Fünd- 
lein verwerthenden Kritik mit veranlafst zu haben. 


Einige Emendationen zu den Büchern Samuels. 
Von Max Krenkel. 


1 Sam. 4, 13 ist zu lesen : 839 TIT „zur Seite 
des Weges nach Mizpa*'), in dessen Nähe die für die 
Israeliten so unglückliche Schlacht vorfiel, denn nach 7, 12 
errichtet Samuel den Denkstein zwischen Mispa und wip 
an dem Orte, wo nach 4, 1 das israelitische Lager ge- 
standen hatte. 

16, 12. Statt des unerträglichen MO“oy wird zu lesen 
sein " ody, wie David 17, 56 genannt wird, oder Dy), was 
von Personen auch 2 Sam. 1, 23 und H. L. 1, 16 vor- 

1) Erst durch den Herausgeber erfahre ich, dafs auch Well- 
hausen s. St. dies als Aussprache des Ketib annimmt. Meine Auf- 


fassung der Stelle datirt aus dem Jahre 1864, wo dieselbe den Beifall 
J. Fürst's fand. 





310 Prätorius son und 51. 


kommt. Im letsteren Falle wire die Textverderbnifs 
durch die ungewöhnliche Scriptio defectsva veranlalst. 

26, 8. Statt pres mm ist jedenfalls mit veränderter 
Wortabtheilung zu lesen : ya YD „mit seinem Speer 
in die Erde“, sumal da V. 7 win vorhergeht. 

26, 23. In gtd steckt vermuthlich ‘ys, die chal- 
daisirende Form für 3, die von den Abschreibern nicht 
verstanden wurde, aber noch 1 Chron. 2, 13 vorkommt. 
Somit dürfte vielleicht zu lesen sein : W727. 72 konnte, 
namentlich, wenn es abgekürzt wurde ('3), wegen des vor. 
angehenden 3 (in 2%') leicht ausfallen. Die emphatische 
Selbstbezeichnung Davids würde hier ganz am Platze sein. 

Zu 2 Sam. 22, 6 bemerkt Thenius : „Aug. Geseniu 
(opintuncula de’y 'n 2 Sam. 22, 6 etc. 1747) wollte Swe 'n 
cohortes Sault lesen“. Noch ohne von dieser opiniuncels 
etwas zu wissen, war ich auf die Vermuthung gekommen, 
dafs die Worte der Ueberschrift des Liedes x) ram von 
einem Leser herrühren, welcher in V. 6 Sean las, 
dies aber als ,Stricke Sauls* auffafste und hierbei an den 
1 Sam. 19, 11 ff. berichteten Vorfall dachte, wo David 
wirklich von „Fallstricken Sauls umringt* war. 


son und in. 


Von Franz Prätorius. 





Die meisten Grammatiker nehmen bekanntlich an, 
dafs zur Stammbildung und Flexion des hebr. Verbums für 
gehen sich zwei Parallelwurzeln 457 und 95°, 751 metaplastisch 
vereinigen. Müller nimmt $ 96 an, dafs 75m aus yn 
durch Uebergang von w in h entstanden sei. Aber eine 
alte Wurzel 95, 75) gehen findet sich sonst im Semitischen 
nicht. Daher haben andere Grammatiker versucht, die- 
jenigen Formen, welche der angeblichen Wurzel 45°, 4) 


Prätorius, son und =. 811 


anzugehören scheinen, gleichfalls auf 751 zurückzuführen, 
so Ewald, hebr. Spr. ® 8117c, auch Gesenius ® 8 69 
Anm. 8. Ich glaube, dafs die letsteren auf dem richtigen 
Wege waren, nur sind sie noch nicht bis zu, dem Aus- 
gangspunkt der Spaltung vorgedrungen. 

Dieser Ausgangspunkt ist das Causativum. Es mulste 
ursprünglich im Perf. lauten or, also h im An- und 
Auslaut derselben Silbe. Der Dissimilationstrieb beseitigte 
das h im Auslaut, wodurch die Verlängerung des vorher- 
gebenden & in & und der demnächstige Wandel des letz- 
teren in 6 nothwendig wurde. Dieses aus A entstandene 6 
wurde nun von der Sprache als ein aus au entstandenes 
angesehen und bildete auf diese Weise den Weg sur Bil- 
dung neuer Formen nach Art der Verba prim. w. 

Es braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden, dafs 
hier für 7 dieselbe Erscheinung der Dissimilation vorliegt, 
welche für x von den Verbis xD her bekannt ist. Bei 
diesen stehen bekanntlich erste Personen sing. Imperf. 
Qal wie tit, Spie nicht auf der gleichen Stufe mit anaeren 
Personen wie 1m, 59°. Bei ersteren Formen weist schon 
die ausnahmslose Schreibung mit nur einem x darauf hin, 
dafs bereits in früher Zeit das zweite, silbenschliefsende x 
geschwunden ist (Nöldeke in ZDMG. XXXII 593; 
Fleischer zu De Sacy I § 136). 

Sollte etwa zur Abweisung dieser Erklärung des Themas 
= die Frage aufgeworfen werden, warum dieses secundäre 
Thema nicht auch in das Perfectum Qal eingedrungen sei, 
so würde ich mit der Gegenfrage antworten, warum das 
auf ähnliche Weise aus dem primären 3% entstandene 
secundäre Thema 20 ebenfalls auf das Imperfectum im 
Qal beschränkt geblieben ist. 

Aufser br kommt im Hebräischen nur noch ern in 
der Mitte starkes mit ™ anlautendes Verbum im Cau- 
sativum vor, nämlich 101, welches Hi. 30, 15 im Perf. 
Hofal 39m vorliegt. In dieser Form hat also das ety- 





312 Nestle, wie alt war Salome 


mologische Bewußstsein den Sieg über ein durch den Di- 
similirungstrieb gefordertes pw davongetragen. Aber 
dennoch scheint auch bei diesem Verbum die gleiche Lax 
differensirung wie bei 75m stattgefunden zu haben : Geiger 
sagt (Lehrbuch zur Sprache der Mischnah § 18, 2) : „wa 
bildet zuweilen manche Formen von 349° im Hifil, so pr“. 
Nach den Beispielen zu urtheilen, welche sowohl Geiger 
a. a. O., wie Levy, Neahebr. und Chald. Wörterbuch 
I 148 geben, ist das Hifil landwirthschaftlicher Terminus 
technicus ,umackern®. Genz ohne Zweifel sind diese Bei- 
spiele freilich nicht; denn nirgends tritt uns ein entschie- 
denes Hifl wie yom, Imperf. TOT entgegen, sondern sar 
Formen wie "Dr, DW die Jussive sein mülsten, als solche 
aber im Zusammenhang nieht recht passen wollen. Levy 
sieht auch wohl daher diese Formen zu der sonst unhebrii- 
schen Wurzel 90x, von der sie als Imperfecta Qal nach 
Weise der xD gebildet seien. Ich vermuthe, dafs die einem 
Imperf. Qal x’ genau gleichende Form des Jussivs Hifil 
ni‘ bei der Abwesenheit einer deutlich ausgeprägten äulfser- 
lich causativen Bedeutung Verwirrung des Sprachgefihls 
hervorgerufen hat. 


Wie alt war Salomo als er zur Regierung kan? 
Von E. Nestle. 


Auf diese Frage geben die alttestamentlichen Geschichts- 
bücher keine unmittelbare und bestimmte Antwort, daher 
die Bearbeiter der israelitischen Geschichte und die Aus- 
leger zu | Re. 3, 7 gar verschiedener Ansichtsind. Diestel 
5. B. (Artikel Salomo in Hersog’s RE.) nennt ihn „kaum 
20 jibrig*, die Calwor Bibelerklärung „mindestens 20 Jahre 


als er sur Regierung kam? 818 


alt* (S. 408, womit freilich nicht stimmt, dafs 8. 360 seine 
Geburt ins dritte Jahrzehnt der Regierung Davids verlegt 
wird), das jüdische Bibelwerk von Fürst ,20—30 Jahre 
alt“. Der Artikel in Riehm’s Handwörterbuch macht 
darauf aufmerksam, dafs nach dem Königsbuch selbst 
I, 14, 21. 11, 42 Rehabeam zu diesem Zeitpunkt bereits 
ein Jahr alt war, daher man sich hüten müsse MoP ry) 
8, 7 von einer allsugrofsen Jugend des Königs zu verstehen. 
Um so auffallender war es mir, trotzdem in einer sehr alten 
Quelle ein ganz bestimmtes Lebensjahr und zwar das swölfte 
für Salomo’s Regierungsantritt angegeben zu finden, nämlich 
in den Apostolischen Constitutionen II, 1 (ed. Lagarde 
14, 17). Dort heißt es : Zoloum» dadexastyg tot 
Topand tBaslisvocy zal Imolas ty dixacoovry oxtm draw 
&Baollevoev, önolos ds xal Tomas bata draw noge tod 
Aaov. Diese drei Könige sind im Zusammenhang ange- 
führt als Beispiele dafür, dafs im Fall der Noth und Wür- 
digkeit auch ein noch junger Mann, der das kanonische 
Alter von 50 Jahren noch nicht erreicht hat, zum Bischof 
gemacht werden dürfe. Die Angaben für Josia und Joas 
beruhen auf ganz bestimmten biblischen Daten, s. 2 Re. 22, 1. 
11,4, aber worauf gründet sich die erstere für Salomo? — Bei 
weiteren Erkundigungen habe ich gefunden, dafs sie nicht 
so vereinzelt dasteht, wie es mir anfangs schien. Ein be- 
nachbarter jüdischer Lehrer theilt mir mit, dafs ein hebr. 
Commentar 1%0> nm» I Re. 2,2 wed nv erklärt : „Du 
wirst ein Mann werden : Salomo war noch kein wx, noch 
kein my» 2 (zu deutsch : noch kein Confirmand), er war 
erst 12jährig“. Dieselbe Angabe findet sich auch beim 
besten jüdischen Commentator Raschi (d. h. Rabbi Salomo 
Isaaki von Trojes 1105), der sie mit folgender Berech- 
nung begründet : 

Salomos Geburt 2 Sa. 12, 24 und Amnons Schandthat 
an Thamar c. 13 waren gleichzeitig (weil sie unmittelbar 
nach einander erzählt werden’). 





814 Bibliographte. 
Bis sur Ermordung Amnons 13, 23 2 Jahre 
Aufenthalt Absaloms in Gesur v. 38 3 „, 
„ in Jerusalem (14, 28) bis zum 
Aufruhr 2 „ 
Hungersnoth zur Zeit Davids 21, 1 3 


Im 11. Jahr Salomo’s Zählung Israels, welche 24, 8) 
9 Monate dauerte. 

Im 12. gab David seine letzten Verordnungen. 

Za dem Bild, das man sich nach den Königsbüchen 
von Salomo bei seinem Regierungsantritt machen muls, 
palst ein derartiges Alter jedenfalls nicht. Aber wie kamen 
die Apostolischen Constitutionen zu ihrer Angabe? Findet 
sie sich auch sonst? Jos. Archaeol. 8, 7. 8 hat : axzoßer 
oxes 6 6 Zoloumw nén ynpatos av, BaoıLevoag iv oydo- 
meovra ttn Cnoas db kvevixovra Teooepa. 


Bibliographie:). 





+ Benson, J., the Holy Bible, cont. the Old and New Testameats. 
9th ed. Vol. 1. 2. 4. 5. London 1881. 8°. 

t Geikie, C., Hours with the Bible, or the Scriptures in the Light 
of Modern Discovery and Knowledge. Vol. 2. 8. London 1881. 520. 
496 8. 8 

+ Gray, J. sg the Biblical Museum. Old Testament. Vol. 10. London 
1881. 82 | 

+ Vigoureux, F., La Bible et Jes Découvertes modernes en Palestine, 
en Egypte et en "Assyrie. 8. dd. 2 vol. t. 8. 5638. t 4 5768. 
Paris 1881. 8°. 

t Derselbe, Manuel biblique ou Cours d’Ecriture sainte. A.T. 2.4. 
T. 2. Livres histor., sapient., prophét. Besancon 1881. 688 8. 8°. 

Bloch, J. 8., Studien sur Geschichte der Sammlung d. althebräischea 
Literatur. 2. Aufl. Wien 1883. 160 8. 8°. 

t Bruston, C., Histoire critique de la littérature prophétique des 
Hébreux depuis les origines jusqu’s la mort d'Isaie. Paris 1881. 
VIII. 272 8. 8°. 

+ Kaulen, F., Einleitung i. d heil. Schrift A. ua. N. T. 2. Hälfte 
1. Abth. Besondere Einleit. i. d. A. T. Freiburg 1881. B.153—8370. 8°. 

Reufs, Ed., die Geschichte der heiligen Schriften A. T. Braus 
schwei 1881. 744 B. 8°. 

+ Me Clintock, J. and Strong, J., A Cyolopaedia of Biblical, Theo- 


!) Die Reihenfolge ist die aus Jahrgang 1881 bekannte. Schriftes, 
welche ich nicht habe selbst einsehen können, sind mit + beseiehnet. 


Bibliographie. 315 


logical and Ecclesiastical Literature. With Maps and numerous Illu- 
strations. New-York 1882. 16 vol. 8°. 

Riehm, Ed., Handwörterbuch d. bibl. Alterthums f. gebildete Bibel- 
leser. 15. Lief. Bielefeld 1881. 8. 1346-1440. 16. Lief. 1882. 
8. 1441—1586. 8°. 

+ Bibliorum sacroram Graecus codex Vaticanus cum prolegomenis, 
comment. et tabulis Henrici Fabiani et J. Cossa editus. t. VI. 
Roma 1881. XXXVI. 170 8. Fol. 4 tabb. 

+ Cultrera, C., Mineralogia biblica. Palermo 1881. 254 8. 8°. 

Lagarde, P. d., Ankündigung 6. neuen Ausgabe d. griech. Ueber- 
setsung d. A. T. Göttingen 1882. 64 8: Lex. 8°. 

+ Stebbins, R. C., Study of the Pentateuch for popular reading : 
inguiry into the age of the so-called Books of Moses, with an in- 
troductory examination of recent Dutch theories as represented by 
Dr. Kuenens ,Religion of Israel“. Boston 1881. 238 8. 8°. 

+ Dächsel, A., Bibelvaerk. De fem Moseboger. H.6.7. Bergen 1881. 

f Fürst, Jul, Pentateuch. Illustr. Volksausg. d. 5 Bücher Mosis in 
d. mas. Text, deutscher Uebers. u. m. erläut. Bemerkangg. Baft 6. 
Prag 1881. 192 8. 4°. 

+ “wo Swi. Notes et Commentaires sur le Pentateuque par Moise 
Isaac b. Samuel Askenasi. Livourne 1881. XLVI. 2688. 8°. 

+ Vuilleumier, H, la critique du Pentateuque dans sa phase actuelle 
s. Revue de theol. et de philos. 1882, janv., 8. 5 ff. 

Bruston, C., le document dlohiste ot son antiquité s. Revue theo- 
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Theodosius, de situ terrae sanctae, im Achten Text, u. d. Breviarius 
de Hierosolyma, vervollständigt herausgeg. v. J. Gildemeister. 
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Freiburg i. Br. 1882. 1 Bl. gr. Fol. 


Corpus Inscriptionum Semiticarum ab Academia Inscriptionum et Lite- 
rarum humaniorum cond. et digest. Pars I, Inscriptiones Phoenicias 
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Geschlossen : 1. April 1882. 





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